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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 95. Köln, 6. September 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 95. Köln, Mittwoch den 6. September. 1848.

Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an, mit Ausnahme des Montags, täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Die neuerdings getroffenen Anordnungen werden es in wenigen Tagen der Expedition möglich machen, die Versendung des Blattes mit der größten Regelmäßigkeit zu besorgen.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Gerichtliche Verfolgung der Neuen Rhein. Ztg.) Berlin. (Gesetz über Beschränkung von Volksversammlungen. -- Ein Todter aus dem dänischen Kriege. -- Weinsteuer und Zwangsanleihe. -- Cholera. -- Bornemann.) Wien. (Das kroatisch-slavonische Manifest. -- Reichstag. -- Finanznoth.) Breslau. (Katzenmusiken. -- Die verhafteten Landwehrmänner. -- Lychnowski.) Nördlingen. (Demokraten-Versammlung.) Berleburg. (Polizei-Verfahren.)

Italien. (Die Borfälle in Livorno. -- Russische Note. -- Russische Orden an Radetzki.) Turin. (Die lombardische Consulta nach Turin. -- Widerruf der offiziellen Zeitg.) Reggi[?]. (Der Herzog von Modena.) Piacenza. (Das Schalten der Oestreicher.) Florenz. (Sitzung der Deputirten. -- Die Verfolgung gegen den Corriere Livornese abgelehnt. -- Die Unruhen in Livorno.) Rom. (Sardische Belohnung für Freiwillige. -- Interpellation in der Kammer. -- Das Kriegsministerium. -- Gaggiotti.) Neapel. (Die Reaktion. Das Ministerium Bozzelli. -- Die sizilische Expedition.)

Frankreich. Paris. (Die Konstitution. -- Journalschau. -- Revue. -- Zusammenrottungen. -- Montpellier. -- Truppen nach den Alpen. -- Vermischtes.

Schweiz. Zürich. (Abstimmungen über die Verfassung. -- Die ital. Flüchtlinge.)

Donaufürstenthümer. Bucharest. (Russische Pläne. -- Manifest Nesselrodes)

Deutschland.
* Köln, 5. Sept.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
35 Berlin, 1. September.

Die Central-Kommission zur Berathung des Gesetzes über die Beschränkung der Volksversammlungen, geht in ihrer Arbeit mit lobenswerther Gründlichkeit zu Werke. Sie ist jetzt erst zu dem 7. §. gekommen, über den sie vorgestern Abend in Anwesenheit von 4 Ministern 4 Stunden lang berathen hat, ohne ein Resultat zu erlangen. -- Die 6 beendigten §§. lauten folgendermaßen:

§. 1.

Alle Preußen sind berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Volksversammlungen in nicht geschlossenen Räumen und öffentliche Aufzüge müssen 24 Stunden vor dem Beginn derselben der Ortspolizeibehörde angezeigt werden. Die Anzeige muß Namen und Wohnort der Anordner, Zeit und Ort der Versammlung und bei Aufzügen den beabsichtigten Weg angeben.

§. 2.

Zu Volksversammlungen, welche auf öffentlichen Plätzen in Städten und Ortschaften oder auf Straßen Statt finden oder sich daselbst in Aufzügen bewegen sollen, bedarf es der vorgangigen Genehmigung der Ortspolizeibehörde. Diese Genehmigung darf nur aus Rücksichten für die Freiheit und Sicherheit des Verkehrs verweigert werden.

§. 3.

Volksversammlungen und Aufzüge, deren vorherige Anzeige nach §§. 1 und 2 erforderlich, aber nicht gehörig erfolgt ist, oder zu denen die nach §. 2 erforderliche Genehmigung nicht ertheilt ist, darf die Ortspolizei-Behörde verhindern oder auflösen.

Dieselbe Befugniß hat sie in Betreff jeder Volksversammlung, sobald darin zu gewaltsamem Umsturz oder zu gewaltsamer Aenderung der Verfassung, zu thätlichem Angriff oder Widerstand gegen die Obrigkeit und deren Organe, oder zu Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Eigenthum aufgefordert wird (!)

§. 4.

Wer zu einer Volksversammlung oder zu einem Aufzuge auffordert, oder die Aufforderung dazu verbreiten läßt, wird, wenn die nach §. 1. erforderliche Anzeige unterblieben ist, mit Gefängniß bis zu 3 Monaten bestraft. Dieselbe Strafe trifft den, welcher in Fällen, in denen es der Genehmigung zu der Versammlung bedarf, vor Ertheilung derselben dazu auffordert, oder Aufforderungen verbreiten läßt, desgleichen Jeden, der in einer nicht gehörig angezeigten Volksversammlung als Ordner thätig ist.

Wer einer in Gemäßheit des §. 3 ergehenden Aufforderung des zuständigen Beamten (cf. §. ...) eine Volksversammlung oder einen Aufzug zu verlassen, nicht sofort Folge leistet, hat Gefängniß bis zu 8 Tagen, und wenn er nach der Aufforderung als Ordner thätig ist, bis zu 6 Monaten verwirkt.

§. 5.

Wer auffordert in einer Versammlung bewaffnet zu erscheinen, oder die Aufforderung dazu verbreiten läßt, ist mit Gefängniß zu 6 Wochen bis zu einem Jahre zu bestrafen.

§. 6

Wer an einer Volksversammlung bewaffnet Theil nimmt wird mit Gefängniß bis zu 6 Monaten bestraft.

103 Berlin, 3. Sept.

Die Zahl der in der Nacht vom 18. bis 19. März gefallenen Soldaten wurde allgemein auf wenigstens einige Hundert angeschlagen. Da veröffentlicht das Kriegsministerium zum Erstaunen des ganzen Volkes eine Liste von nur neunzehn Getödteten. Mit Recht vermuthete man, daß hier die Wahrheit auf irgend eine Weise umgangen werde und durch einen blinden Zufall ist man jetzt hinter diese Schliche gekommen. Ein Grenadier vom Garderegiment wird in jener verhängnißvollen Nacht verwundet und bleibt unberücksichtigt auf der Straße liegen. Er rafft sich auf und verbirgt sich bei einem in der Nähe wohnenden Bekannten, der ihn auch freundlich aufnimmt. Unterdessen jedoch muß sich das Militär aus Berlin herausziehen und unser verwundeter Grenadier erfährt nichts davon und bleibt zurück. Bei der damaligen aufgeregten Stimmung in Berlin gegen alle Soldaten, hat der Grenadier nach Abzug seines Regiments nichts anderes zu thun, als sich in Civilkleidung nach Prenslau zu seinen Eltern zu begeben. Die Regimentsbehörde, die nichts wieder von ihm zu hören bekam nahm ihn als todt an. So weit ist die Sache ganz in Ordnung. Aber statt daß unser Grenadier mit auf der offiziellen Todtenliste der gebliebenen Neunzehn zu finden wäre, erhält der Vater desselben vor einigen Tagen von der Regimentsbehörde aus Holstein einen Todtenschein, daß sein Sohn in der Schlacht bei Schleswig geblieben wäre. Der Vater sieht verwundert seinen Sohn an und kann sich dies Räthsel nicht lösen. Deute mir o Orindur, dieses Wunder der Natur? Cie Erklärung ist einfach. Einfach auch als Beleg der großen Zahl tapfrer Garden, die in dem dänischen Krieg geblieben sein sollten, während viele Briefe aus Schleswig versicherten, daß die Garde bei allen Gefechten kaum in's Feuer gekommen sei. Glücklicher Zufall dieser dänische Krieg.

Der Bericht der Commission für die Finanzen und Steuern über den Antrag der Abgeordneten D'Ester, Borchardt und mehrerer Anderen betreffend die Aufhebung der Weinsteuer ist verneinend ausgefallen. Der Herr Finanzminister erklärt sich gegen die Aufhebung dieser Steuer.

Auch den Antrag auf Niederschlagung der Weinsteuerreste hat die Commission für nicht gerechtfertigt gehalten. Man theilte jedoch einstimmig die Ansicht, daß zur Linderung des Nothstandes der Weinbauern Kreditkassen errichtet, und die Revision des Grundsteuerkatasters der Weinberge möglichst beschleunigt werden möge. Die Commission trägt demnach darauf an:

1) daß den Anträgen auf Aufhebung der Weinsteuer und Niederschlagung der Weinsteuerreste keine Folge zu geben,
2) daß die Regierung dagegen zu veranlassen sei zur Unterstützung des Weinbaues die Errichtung von Kreditkassen zu befördern, welche die Weine zur Lagerung aufnehmen und darauf Vorschüsse geben, und zugleich auch bei der möglichst zu beschleunigenden Revision des Grundsteuerkatasters auf die Grundsteuer des Weinlandes besonders Bedacht zu nehmen sei. --

Die Central Abtheilung hat sich mit 6 gegen 2 Stimmen für den vom Finanzminister vorgelegten Gesetz-Entwurf wegen Ausschreibung einer Zwangs-Anleihe entschieden. Die Minorität bestehend aus den Abgeordnete Cießkowski und Grebel hat ein Separatvotum erlassen.

Die Cholera macht hier täglich bedeutendere Fortschritte. Seit einigen Tagen werden täglich an 50 neue Erkrankungsfälle angemeldet. Bisher sind noch sehr wenige der Erkrankten genesen.

Zudem ist gewiß, daß die angemeldeten 500 Erkrankungsfälle nur einen Theil derselben bilden, indem die größte Masse der Erkrankten und Verstorbenen nicht als an der Cholera erlegen angegeben werden.

Die Wahl Bornemanns zum Abgeordneten wird wahrscheinlich von der Vereinbarer-Versammlung für ungültig erklärt werden. Man erwartet, daß Bornemann der Ungültigkeits-Erklärung zuvor kommen und die Wahl ablehnen wird.

61 Wien, 31. Aug.

(Fortsetzung u. Schluß des kroatisch-slavonischen Manifests.)

Was die andern Rechte betreffe, die Ungarn angeblich unterdrückt habe, so seien dieselben entweder mit allen Ungarn gemeinschaftliche oder blose Munizipalrechte. In Beziehung auf erste sei hinsichtlich Kroatiens niemals eine Ausnahme gemacht worden, während die letzten ebensowenig jemals angetastet worden seien, indem Kroatien ja einen eigenen Banus, eine eigene Banal-Tafel, einen Landeskapitän und Protonotarius habe und von Einquartirung und Naturalleistungen für das Militär stets frei gewesen sei. Der ungarische Reichstag habe Kroatien sogar gegen willkührliche, durch Hofbefehle verordneten Steuererhöhungen und gegen Schmälerung der Banalautorität von jeher in Schutz genommen, und überhaupt alle Landesbeschwerden jedes Mal zu den seinigen gemacht. Wenn im Laufe der Zeiten aber dennoch Knechtung ausgeübt worden, so sei dieselbe nie durch Ungarn geschehen, sondern durch die Wiener Kamarilla an Ungarn und in Folge dessen auch an Kroatien. Es sei eine Unverschämtheit, zu behaupten, Ungarn habe sich in Folge der Ereignisse dieses Jahres von seinem Könige getrennt, da der König ja doch alle Gesetze des Reichstags, zu denen damals auch noch alle kroatisch-slavonischen Deputirten mitgewirkt hätten, in Preßburg selbst sanktionirt, und so die Verwaltung der Finanzen und Verfügung über die Landestruppen in den vormaligen Zustand zurückversetzt habe, aus welchem sie niemals hätten gerückt werden dürfen. Wie man also von einem Treubruch wider die pragmatische Sanktion sprechen könne, wenn man den Kaiser-König nicht selber anklagen wolle? An allen diesen Gesetzen hätten sich die kroatisch-slavonischen Deputirten betheiligt, und es sei demnach eine Tollheit zu behaupten, die Ungarn allein hätten diese Gesetze gemacht um andere Nationalitäten zu knechten und sich selber darüber zu erheben. Diese Tollheit behaupte indessen Jellachich und habe das Standrecht

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.

(Fortsetzung.)

Von den Pyrenäen stieg der edle Ritter hinab nach Frankreich, und von Frankreich eilte er nach Belgien. "Herr Schnapphahnski wurde Autor." Ja, wahrhaftig, wir sehen den sinnreichen Junker in Brüssel sitzen und seine Memoiren schreiben.

Alle großen Männer machten es so; wenn sie des Lebens Last und Hitze getragen hatten, da verkrochen sie sich in irgend einen kühlen Winkel, und die Hand, die bisher den Säbel, den Kommandostab oder das Scepter geführt hatte, sie griff dann zur Feder und brachte das Erlebte zu Papier. Wir brauchen unsern Lesern nicht zu versichern, daß sich von unsern Skizzen über Herrn von Schnapphahnski auch nicht eine Spur in den Memoiren des edlen Ritters findet. Se. Hochgeboren waren viel zu bescheiden, als daß sie alle glorreichen Aventüren der Bewunderung der Nachwelt aufbewahrt hätten.

Die Liebe, die den edlen Ritter nie verließ, zieht ihren rothen Faden auch durch den Brüsseler Aufenthalt unseres Helden. Die Weiber müssen nun einmal lieben; Schnapphahnski wußte dies. Sie können nicht anders, es ist ihre Bestimmung. Ein Weib liebt nicht allein lange, nein, ein Weib liebt unendlich, bis auf die Hefen. Ein Weib kann dich lieben, wenn deine Hose zerrissen ist, wenn dein Rock in Fetzen hinabhängt, und wenn die ewige Sonne durch die Löcher deines Hutes auf dein verwildertes Landstreichergesicht scheint, ja, noch immer wird eine schöne Frau dich lieben können, denn sie wird um dich weinen, und sie wird dich küssen und du wirst glücklich sein!

Wie meine Leser bereits bemerkt haben werden, sucht Herr von Schnapphahnski stets die Frauen auf. Um junge Mädchen ist es ihm selten zu thun. In Brüssel machte sich der edle Ritter an die Frau des *** Gesandten. Die Frau Gesandtin hatte ihren frommen Gemahl total unter dem Pantoffel.

Die Pantoffelknechtschaft ist jedenfalls noch eine süße Knechtschaft. Sie hat nur das Unangenehme, daß der zärtliche Gatte zum Lohn für seine liebevolle Unterwürfigkeit in den meisten Fällen, nicht etwa mit einer Königs- oder einer Bürgerkrone, sondern mit jenem Kopfschmuck gekrönt wird, den auch des Waldes flüchtige Gebieter tragen. Man könnte in der That bei den Ehemännern dieselben Benennungen anbringen wie bei den Hirschböcken. Nach Vollendung des ersten Jahres der gekrönten Pantoffelknechtschaft würde man einen Ehemann: Spießer tituliren; nach Vollendung des zweiten Jahres hieße man ihn: Gabler. Hierauf träte dann die Bezeichnung nach Enden ein, so daß man einen Ehemann bald einen Sechsender, einen Zehnender, einen Sechszehnender und so weiter nennen würde. Bei recht stattlichen Ehemännern könnte man sogar die Benennungen des Dam- und Elenn-Wildes eintreten lassen, ja, bis zu dem Namen Schaufler gehen.

"Was schadet es, wenn ein Ehemann ein paar Hörner trägt!" hatte der edle Ritter oft zu sich selbst gesagt, wenn er in frühern Jahren wohl einmal in die untergeordneten Schichten der Gesellschaft hinabzusteigen dachte. "So ein zweibeiniger Sechszehnender kann immerhin noch Nachmittags auf die Börse und Abends in's Kasino gehen, ohne daß man ihn auslacht, denn fast überall trifft er ja Leidensgefährten, wehmüthig lächelnde Böcke, die gelebt und geliebet haben und die recht gut wissen, was es für ein Malheur ist, wenn man eine junge Frau hat, mit funkelnden Augen, mit wogendem Busen und mit kleinen alabasterweißen Füßen, recht ein Wesen wie ein üppiches Räthsel, das nur die Liebe lösen kann, die Liebe eines flinken Gesellen, der weder auf die Börse, noch in's Kasino geht und der sich den Henker schiert um alle Ehemänner, und ein flotter Edelmann ist wie ich, der Ritter Schnapphahnski!"

Die Frau des *** Gesandten hatte Mitleid mit unserm Ritter.

Zu jenem melancholischen Blick, den Herr von Schnapphahnski mitunter anzunehmen pflegte, wenn er an die Lakaien des Grafen S. in O. in Schlesien dachte und zu der interessanten Blässe der Finanznoth, die unsern Helden eigentlich nie verließ, gesellte sich nun noch die wichtige Miene eines Autors, so daß der edle Ritter wirklich eine interessante Figur ausmachte und die Frau Gesandtin immer mehr dazu veranlaßte einmal ernstlich mit sich zu Rathe zu gehen, ob sie ihrem Gemahl nicht bald die Dulderkrone aufsetzen könne. Herr von Schnapphahnski verfolgte seine Beute mit aller Hartnäckigkeit eines Ritters ohne Furcht und Tadel.

Wenn man bedenkt, welche Vorstudien der edle Abentheurer bei der Gräfin S., bei der Schwester des Grafen G., bei Charlotten, bei der Tränzerin und der Bärin gemacht hatte, so ist es zu begreifen, daß er dem frommen Gesandten täglich mehr Terrain abgewinnen mußte.

Wie es aber in den Träumen geht, so geht es auch in der Liebe; wenn man gerade im besten Zuge ist, da kommt gewöhnlich etwas dazwischen, so daß man auf tausend und aber tausend Dinge geräth nur nicht auf das, was man zunächst im Auge hatte. Herr von Schnapphahnski hatte das Pech, statt auf die Frau, auf den Portier des Gesandten zu gerathen.

Wir müssen unsern Lesern nämlich bemerken, das es bei der *** Gesandschaft in Brüssel Sitte ist, die Besuchenden in ein Zimmer zu führen, welches eben nicht nach Rosen und Veilchen duftet, sondern, welches den wahren Dunstkreis eines wohlgenährten gesandtschaftlichen Lakais führt. Die Wände des Wartesaales sind früher weiß gewesen und mit einigen erbärmlichen Portraits geschmückt. Auf dem Haupttische steht ein Service blaugeblümter Tassen; ihm gegenüber bemerkt man auf einem kleinen Bücherbrett, eine Bibel, ein Gesangbuch und mehrere fromme Schriften der

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 95. Köln, Mittwoch den 6. September. 1848.

Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an, mit Ausnahme des Montags, täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Die neuerdings getroffenen Anordnungen werden es in wenigen Tagen der Expedition möglich machen, die Versendung des Blattes mit der größten Regelmäßigkeit zu besorgen.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Gerichtliche Verfolgung der Neuen Rhein. Ztg.) Berlin. (Gesetz über Beschränkung von Volksversammlungen. — Ein Todter aus dem dänischen Kriege. — Weinsteuer und Zwangsanleihe. — Cholera. — Bornemann.) Wien. (Das kroatisch-slavonische Manifest. — Reichstag. — Finanznoth.) Breslau. (Katzenmusiken. — Die verhafteten Landwehrmänner. — Lychnowski.) Nördlingen. (Demokraten-Versammlung.) Berleburg. (Polizei-Verfahren.)

Italien. (Die Borfälle in Livorno. — Russische Note. — Russische Orden an Radetzki.) Turin. (Die lombardische Consulta nach Turin. — Widerruf der offiziellen Zeitg.) Reggi[?]. (Der Herzog von Modena.) Piacenza. (Das Schalten der Oestreicher.) Florenz. (Sitzung der Deputirten. — Die Verfolgung gegen den Corriere Livornese abgelehnt. — Die Unruhen in Livorno.) Rom. (Sardische Belohnung für Freiwillige. — Interpellation in der Kammer. — Das Kriegsministerium. — Gaggiotti.) Neapel. (Die Reaktion. Das Ministerium Bozzelli. — Die sizilische Expedition.)

Frankreich. Paris. (Die Konstitution. — Journalschau. — Revue. — Zusammenrottungen. — Montpellier. — Truppen nach den Alpen. — Vermischtes.

Schweiz. Zürich. (Abstimmungen über die Verfassung. — Die ital. Flüchtlinge.)

Donaufürstenthümer. Bucharest. (Russische Pläne. — Manifest Nesselrodes)

Deutschland.
* Köln, 5. Sept.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
35 Berlin, 1. September.

Die Central-Kommission zur Berathung des Gesetzes über die Beschränkung der Volksversammlungen, geht in ihrer Arbeit mit lobenswerther Gründlichkeit zu Werke. Sie ist jetzt erst zu dem 7. §. gekommen, über den sie vorgestern Abend in Anwesenheit von 4 Ministern 4 Stunden lang berathen hat, ohne ein Resultat zu erlangen. — Die 6 beendigten §§. lauten folgendermaßen:

§. 1.

Alle Preußen sind berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Volksversammlungen in nicht geschlossenen Räumen und öffentliche Aufzüge müssen 24 Stunden vor dem Beginn derselben der Ortspolizeibehörde angezeigt werden. Die Anzeige muß Namen und Wohnort der Anordner, Zeit und Ort der Versammlung und bei Aufzügen den beabsichtigten Weg angeben.

§. 2.

Zu Volksversammlungen, welche auf öffentlichen Plätzen in Städten und Ortschaften oder auf Straßen Statt finden oder sich daselbst in Aufzügen bewegen sollen, bedarf es der vorgangigen Genehmigung der Ortspolizeibehörde. Diese Genehmigung darf nur aus Rücksichten für die Freiheit und Sicherheit des Verkehrs verweigert werden.

§. 3.

Volksversammlungen und Aufzüge, deren vorherige Anzeige nach §§. 1 und 2 erforderlich, aber nicht gehörig erfolgt ist, oder zu denen die nach §. 2 erforderliche Genehmigung nicht ertheilt ist, darf die Ortspolizei-Behörde verhindern oder auflösen.

Dieselbe Befugniß hat sie in Betreff jeder Volksversammlung, sobald darin zu gewaltsamem Umsturz oder zu gewaltsamer Aenderung der Verfassung, zu thätlichem Angriff oder Widerstand gegen die Obrigkeit und deren Organe, oder zu Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Eigenthum aufgefordert wird (!)

§. 4.

Wer zu einer Volksversammlung oder zu einem Aufzuge auffordert, oder die Aufforderung dazu verbreiten läßt, wird, wenn die nach §. 1. erforderliche Anzeige unterblieben ist, mit Gefängniß bis zu 3 Monaten bestraft. Dieselbe Strafe trifft den, welcher in Fällen, in denen es der Genehmigung zu der Versammlung bedarf, vor Ertheilung derselben dazu auffordert, oder Aufforderungen verbreiten läßt, desgleichen Jeden, der in einer nicht gehörig angezeigten Volksversammlung als Ordner thätig ist.

Wer einer in Gemäßheit des §. 3 ergehenden Aufforderung des zuständigen Beamten (cf. §. …) eine Volksversammlung oder einen Aufzug zu verlassen, nicht sofort Folge leistet, hat Gefängniß bis zu 8 Tagen, und wenn er nach der Aufforderung als Ordner thätig ist, bis zu 6 Monaten verwirkt.

§. 5.

Wer auffordert in einer Versammlung bewaffnet zu erscheinen, oder die Aufforderung dazu verbreiten läßt, ist mit Gefängniß zu 6 Wochen bis zu einem Jahre zu bestrafen.

§. 6

Wer an einer Volksversammlung bewaffnet Theil nimmt wird mit Gefängniß bis zu 6 Monaten bestraft.

103 Berlin, 3. Sept.

Die Zahl der in der Nacht vom 18. bis 19. März gefallenen Soldaten wurde allgemein auf wenigstens einige Hundert angeschlagen. Da veröffentlicht das Kriegsministerium zum Erstaunen des ganzen Volkes eine Liste von nur neunzehn Getödteten. Mit Recht vermuthete man, daß hier die Wahrheit auf irgend eine Weise umgangen werde und durch einen blinden Zufall ist man jetzt hinter diese Schliche gekommen. Ein Grenadier vom Garderegiment wird in jener verhängnißvollen Nacht verwundet und bleibt unberücksichtigt auf der Straße liegen. Er rafft sich auf und verbirgt sich bei einem in der Nähe wohnenden Bekannten, der ihn auch freundlich aufnimmt. Unterdessen jedoch muß sich das Militär aus Berlin herausziehen und unser verwundeter Grenadier erfährt nichts davon und bleibt zurück. Bei der damaligen aufgeregten Stimmung in Berlin gegen alle Soldaten, hat der Grenadier nach Abzug seines Regiments nichts anderes zu thun, als sich in Civilkleidung nach Prenslau zu seinen Eltern zu begeben. Die Regimentsbehörde, die nichts wieder von ihm zu hören bekam nahm ihn als todt an. So weit ist die Sache ganz in Ordnung. Aber statt daß unser Grenadier mit auf der offiziellen Todtenliste der gebliebenen Neunzehn zu finden wäre, erhält der Vater desselben vor einigen Tagen von der Regimentsbehörde aus Holstein einen Todtenschein, daß sein Sohn in der Schlacht bei Schleswig geblieben wäre. Der Vater sieht verwundert seinen Sohn an und kann sich dies Räthsel nicht lösen. Deute mir o Orindur, dieses Wunder der Natur? Cie Erklärung ist einfach. Einfach auch als Beleg der großen Zahl tapfrer Garden, die in dem dänischen Krieg geblieben sein sollten, während viele Briefe aus Schleswig versicherten, daß die Garde bei allen Gefechten kaum in's Feuer gekommen sei. Glücklicher Zufall dieser dänische Krieg.

Der Bericht der Commission für die Finanzen und Steuern über den Antrag der Abgeordneten D'Ester, Borchardt und mehrerer Anderen betreffend die Aufhebung der Weinsteuer ist verneinend ausgefallen. Der Herr Finanzminister erklärt sich gegen die Aufhebung dieser Steuer.

Auch den Antrag auf Niederschlagung der Weinsteuerreste hat die Commission für nicht gerechtfertigt gehalten. Man theilte jedoch einstimmig die Ansicht, daß zur Linderung des Nothstandes der Weinbauern Kreditkassen errichtet, und die Revision des Grundsteuerkatasters der Weinberge möglichst beschleunigt werden möge. Die Commission trägt demnach darauf an:

1) daß den Anträgen auf Aufhebung der Weinsteuer und Niederschlagung der Weinsteuerreste keine Folge zu geben,
2) daß die Regierung dagegen zu veranlassen sei zur Unterstützung des Weinbaues die Errichtung von Kreditkassen zu befördern, welche die Weine zur Lagerung aufnehmen und darauf Vorschüsse geben, und zugleich auch bei der möglichst zu beschleunigenden Revision des Grundsteuerkatasters auf die Grundsteuer des Weinlandes besonders Bedacht zu nehmen sei. —

Die Central Abtheilung hat sich mit 6 gegen 2 Stimmen für den vom Finanzminister vorgelegten Gesetz-Entwurf wegen Ausschreibung einer Zwangs-Anleihe entschieden. Die Minorität bestehend aus den Abgeordnete Cießkowski und Grebel hat ein Separatvotum erlassen.

Die Cholera macht hier täglich bedeutendere Fortschritte. Seit einigen Tagen werden täglich an 50 neue Erkrankungsfälle angemeldet. Bisher sind noch sehr wenige der Erkrankten genesen.

Zudem ist gewiß, daß die angemeldeten 500 Erkrankungsfälle nur einen Theil derselben bilden, indem die größte Masse der Erkrankten und Verstorbenen nicht als an der Cholera erlegen angegeben werden.

Die Wahl Bornemanns zum Abgeordneten wird wahrscheinlich von der Vereinbarer-Versammlung für ungültig erklärt werden. Man erwartet, daß Bornemann der Ungültigkeits-Erklärung zuvor kommen und die Wahl ablehnen wird.

61 Wien, 31. Aug.

(Fortsetzung u. Schluß des kroatisch-slavonischen Manifests.)

Was die andern Rechte betreffe, die Ungarn angeblich unterdrückt habe, so seien dieselben entweder mit allen Ungarn gemeinschaftliche oder blose Munizipalrechte. In Beziehung auf erste sei hinsichtlich Kroatiens niemals eine Ausnahme gemacht worden, während die letzten ebensowenig jemals angetastet worden seien, indem Kroatien ja einen eigenen Banus, eine eigene Banal-Tafel, einen Landeskapitän und Protonotarius habe und von Einquartirung und Naturalleistungen für das Militär stets frei gewesen sei. Der ungarische Reichstag habe Kroatien sogar gegen willkührliche, durch Hofbefehle verordneten Steuererhöhungen und gegen Schmälerung der Banalautorität von jeher in Schutz genommen, und überhaupt alle Landesbeschwerden jedes Mal zu den seinigen gemacht. Wenn im Laufe der Zeiten aber dennoch Knechtung ausgeübt worden, so sei dieselbe nie durch Ungarn geschehen, sondern durch die Wiener Kamarilla an Ungarn und in Folge dessen auch an Kroatien. Es sei eine Unverschämtheit, zu behaupten, Ungarn habe sich in Folge der Ereignisse dieses Jahres von seinem Könige getrennt, da der König ja doch alle Gesetze des Reichstags, zu denen damals auch noch alle kroatisch-slavonischen Deputirten mitgewirkt hätten, in Preßburg selbst sanktionirt, und so die Verwaltung der Finanzen und Verfügung über die Landestruppen in den vormaligen Zustand zurückversetzt habe, aus welchem sie niemals hätten gerückt werden dürfen. Wie man also von einem Treubruch wider die pragmatische Sanktion sprechen könne, wenn man den Kaiser-König nicht selber anklagen wolle? An allen diesen Gesetzen hätten sich die kroatisch-slavonischen Deputirten betheiligt, und es sei demnach eine Tollheit zu behaupten, die Ungarn allein hätten diese Gesetze gemacht um andere Nationalitäten zu knechten und sich selber darüber zu erheben. Diese Tollheit behaupte indessen Jellachich und habe das Standrecht

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.

(Fortsetzung.)

Von den Pyrenäen stieg der edle Ritter hinab nach Frankreich, und von Frankreich eilte er nach Belgien. „Herr Schnapphahnski wurde Autor.“ Ja, wahrhaftig, wir sehen den sinnreichen Junker in Brüssel sitzen und seine Memoiren schreiben.

Alle großen Männer machten es so; wenn sie des Lebens Last und Hitze getragen hatten, da verkrochen sie sich in irgend einen kühlen Winkel, und die Hand, die bisher den Säbel, den Kommandostab oder das Scepter geführt hatte, sie griff dann zur Feder und brachte das Erlebte zu Papier. Wir brauchen unsern Lesern nicht zu versichern, daß sich von unsern Skizzen über Herrn von Schnapphahnski auch nicht eine Spur in den Memoiren des edlen Ritters findet. Se. Hochgeboren waren viel zu bescheiden, als daß sie alle glorreichen Aventüren der Bewunderung der Nachwelt aufbewahrt hätten.

Die Liebe, die den edlen Ritter nie verließ, zieht ihren rothen Faden auch durch den Brüsseler Aufenthalt unseres Helden. Die Weiber müssen nun einmal lieben; Schnapphahnski wußte dies. Sie können nicht anders, es ist ihre Bestimmung. Ein Weib liebt nicht allein lange, nein, ein Weib liebt unendlich, bis auf die Hefen. Ein Weib kann dich lieben, wenn deine Hose zerrissen ist, wenn dein Rock in Fetzen hinabhängt, und wenn die ewige Sonne durch die Löcher deines Hutes auf dein verwildertes Landstreichergesicht scheint, ja, noch immer wird eine schöne Frau dich lieben können, denn sie wird um dich weinen, und sie wird dich küssen und du wirst glücklich sein!

Wie meine Leser bereits bemerkt haben werden, sucht Herr von Schnapphahnski stets die Frauen auf. Um junge Mädchen ist es ihm selten zu thun. In Brüssel machte sich der edle Ritter an die Frau des *** Gesandten. Die Frau Gesandtin hatte ihren frommen Gemahl total unter dem Pantoffel.

Die Pantoffelknechtschaft ist jedenfalls noch eine süße Knechtschaft. Sie hat nur das Unangenehme, daß der zärtliche Gatte zum Lohn für seine liebevolle Unterwürfigkeit in den meisten Fällen, nicht etwa mit einer Königs- oder einer Bürgerkrone, sondern mit jenem Kopfschmuck gekrönt wird, den auch des Waldes flüchtige Gebieter tragen. Man könnte in der That bei den Ehemännern dieselben Benennungen anbringen wie bei den Hirschböcken. Nach Vollendung des ersten Jahres der gekrönten Pantoffelknechtschaft würde man einen Ehemann: Spießer tituliren; nach Vollendung des zweiten Jahres hieße man ihn: Gabler. Hierauf träte dann die Bezeichnung nach Enden ein, so daß man einen Ehemann bald einen Sechsender, einen Zehnender, einen Sechszehnender und so weiter nennen würde. Bei recht stattlichen Ehemännern könnte man sogar die Benennungen des Dam- und Elenn-Wildes eintreten lassen, ja, bis zu dem Namen Schaufler gehen.

„Was schadet es, wenn ein Ehemann ein paar Hörner trägt!“ hatte der edle Ritter oft zu sich selbst gesagt, wenn er in frühern Jahren wohl einmal in die untergeordneten Schichten der Gesellschaft hinabzusteigen dachte. „So ein zweibeiniger Sechszehnender kann immerhin noch Nachmittags auf die Börse und Abends in's Kasino gehen, ohne daß man ihn auslacht, denn fast überall trifft er ja Leidensgefährten, wehmüthig lächelnde Böcke, die gelebt und geliebet haben und die recht gut wissen, was es für ein Malheur ist, wenn man eine junge Frau hat, mit funkelnden Augen, mit wogendem Busen und mit kleinen alabasterweißen Füßen, recht ein Wesen wie ein üppiches Räthsel, das nur die Liebe lösen kann, die Liebe eines flinken Gesellen, der weder auf die Börse, noch in's Kasino geht und der sich den Henker schiert um alle Ehemänner, und ein flotter Edelmann ist wie ich, der Ritter Schnapphahnski!“

Die Frau des *** Gesandten hatte Mitleid mit unserm Ritter.

Zu jenem melancholischen Blick, den Herr von Schnapphahnski mitunter anzunehmen pflegte, wenn er an die Lakaien des Grafen S. in O. in Schlesien dachte und zu der interessanten Blässe der Finanznoth, die unsern Helden eigentlich nie verließ, gesellte sich nun noch die wichtige Miene eines Autors, so daß der edle Ritter wirklich eine interessante Figur ausmachte und die Frau Gesandtin immer mehr dazu veranlaßte einmal ernstlich mit sich zu Rathe zu gehen, ob sie ihrem Gemahl nicht bald die Dulderkrone aufsetzen könne. Herr von Schnapphahnski verfolgte seine Beute mit aller Hartnäckigkeit eines Ritters ohne Furcht und Tadel.

Wenn man bedenkt, welche Vorstudien der edle Abentheurer bei der Gräfin S., bei der Schwester des Grafen G., bei Charlotten, bei der Tränzerin und der Bärin gemacht hatte, so ist es zu begreifen, daß er dem frommen Gesandten täglich mehr Terrain abgewinnen mußte.

Wie es aber in den Träumen geht, so geht es auch in der Liebe; wenn man gerade im besten Zuge ist, da kommt gewöhnlich etwas dazwischen, so daß man auf tausend und aber tausend Dinge geräth nur nicht auf das, was man zunächst im Auge hatte. Herr von Schnapphahnski hatte das Pech, statt auf die Frau, auf den Portier des Gesandten zu gerathen.

Wir müssen unsern Lesern nämlich bemerken, das es bei der *** Gesandschaft in Brüssel Sitte ist, die Besuchenden in ein Zimmer zu führen, welches eben nicht nach Rosen und Veilchen duftet, sondern, welches den wahren Dunstkreis eines wohlgenährten gesandtschaftlichen Lakais führt. Die Wände des Wartesaales sind früher weiß gewesen und mit einigen erbärmlichen Portraits geschmückt. Auf dem Haupttische steht ein Service blaugeblümter Tassen; ihm gegenüber bemerkt man auf einem kleinen Bücherbrett, eine Bibel, ein Gesangbuch und mehrere fromme Schriften der

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        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 95. Köln, Mittwoch den 6. September. 1848.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <div type="jExpedition">
        <p>Die &#x201E;Neue Rheinische Zeitung&#x201C; erscheint vom 1. Juni an, mit Ausnahme des Montags,                     täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man                     baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.</p>
        <p>Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in                     Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl.                     Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72                     Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl.                     Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich.</p>
        <p><hi rendition="#g">Abonnementspreis</hi> in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr.,                     in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. <hi rendition="#g">Inserate:</hi> die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.</p>
        <p>Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die                     weiteste Verbreitung.</p>
        <p>Die neuerdings getroffenen Anordnungen werden es in wenigen Tagen der Expedition                     möglich machen, die Versendung des Blattes mit der größten Regelmäßigkeit zu                     besorgen.</p>
      </div>
      <div type="contents" n="1">
        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Gerichtliche Verfolgung der Neuen                     Rhein. Ztg.) Berlin. (Gesetz über Beschränkung von Volksversammlungen. &#x2014; Ein                     Todter aus dem dänischen Kriege. &#x2014; Weinsteuer und Zwangsanleihe. &#x2014; Cholera. &#x2014;                     Bornemann.) Wien. (Das kroatisch-slavonische Manifest. &#x2014; Reichstag. &#x2014;                     Finanznoth.) Breslau. (Katzenmusiken. &#x2014; Die verhafteten Landwehrmänner. &#x2014;                     Lychnowski.) Nördlingen. (Demokraten-Versammlung.) Berleburg.                     (Polizei-Verfahren.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. (Die Borfälle in Livorno. &#x2014; Russische Note. &#x2014;                     Russische Orden an Radetzki.) Turin. (Die lombardische Consulta nach Turin. &#x2014;                     Widerruf der offiziellen Zeitg.) Reggi[?]. (Der Herzog von Modena.) Piacenza.                     (Das Schalten der Oestreicher.) Florenz. (Sitzung der Deputirten. &#x2014; Die                     Verfolgung gegen den Corriere Livornese abgelehnt. &#x2014; Die Unruhen in Livorno.)                     Rom. (Sardische Belohnung für Freiwillige. &#x2014; Interpellation in der Kammer. &#x2014; Das                     Kriegsministerium. &#x2014; Gaggiotti.) Neapel. (Die Reaktion. Das Ministerium                     Bozzelli. &#x2014; Die sizilische Expedition.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Frankreich</hi>. Paris. (Die Konstitution. &#x2014; Journalschau. &#x2014;                     Revue. &#x2014; Zusammenrottungen. &#x2014; Montpellier. &#x2014; Truppen nach den Alpen. &#x2014;                     Vermischtes.</p>
        <p><hi rendition="#g">Schweiz</hi>. Zürich. (Abstimmungen über die Verfassung. &#x2014; Die                     ital. Flüchtlinge.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer</hi>. Bucharest. (Russische Pläne. &#x2014;                     Manifest Nesselrodes)</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar095_001_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Gerichtliche Verfolgung der Neuen Rheinischen Zeitung. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 657.</bibl>                </note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 5. Sept.</head>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
        <div xml:id="ar095_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>35</author></bibl> Berlin, 1. September.</head>
          <p>Die Central-Kommission zur Berathung des Gesetzes über die Beschränkung der                         Volksversammlungen, geht in ihrer Arbeit mit lobenswerther Gründlichkeit zu                         Werke. Sie ist jetzt erst zu dem 7. §. gekommen, über den sie vorgestern                         Abend in Anwesenheit von 4 Ministern 4 Stunden lang berathen hat, ohne ein                         Resultat zu erlangen. &#x2014; Die 6 beendigten §§. lauten folgendermaßen:</p>
          <p>§. 1.</p>
          <p>Alle Preußen sind berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln.                         Volksversammlungen in nicht geschlossenen Räumen und öffentliche Aufzüge                         müssen 24 Stunden vor dem Beginn derselben der Ortspolizeibehörde angezeigt                         werden. Die Anzeige muß Namen und Wohnort der Anordner, Zeit und Ort der                         Versammlung und bei Aufzügen den beabsichtigten Weg angeben.</p>
          <p>§. 2.</p>
          <p>Zu Volksversammlungen, welche auf öffentlichen Plätzen in Städten und                         Ortschaften oder auf Straßen Statt finden oder sich daselbst in Aufzügen                         bewegen sollen, bedarf es der vorgangigen Genehmigung der                         Ortspolizeibehörde. Diese Genehmigung darf nur aus Rücksichten für die                         Freiheit und Sicherheit des Verkehrs verweigert werden.</p>
          <p>§. 3.</p>
          <p>Volksversammlungen und Aufzüge, deren vorherige Anzeige nach §§. 1 und 2                         erforderlich, aber nicht gehörig erfolgt ist, oder zu denen die nach §. 2                         erforderliche Genehmigung nicht ertheilt ist, darf die Ortspolizei-Behörde                         verhindern oder auflösen.</p>
          <p>Dieselbe Befugniß hat sie in Betreff jeder Volksversammlung, sobald darin zu                         gewaltsamem Umsturz oder zu gewaltsamer Aenderung der Verfassung, zu                         thätlichem Angriff oder Widerstand gegen die Obrigkeit und deren Organe,                         oder zu Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Eigenthum aufgefordert wird                         (!)</p>
          <p>§. 4.</p>
          <p>Wer zu einer Volksversammlung oder zu einem Aufzuge auffordert, oder die                         Aufforderung dazu verbreiten läßt, wird, wenn die nach §. 1. erforderliche                         Anzeige unterblieben ist, mit Gefängniß bis zu 3 Monaten bestraft. Dieselbe                         Strafe trifft den, welcher in Fällen, in denen es der Genehmigung zu der                         Versammlung bedarf, vor Ertheilung derselben dazu auffordert, oder                         Aufforderungen verbreiten läßt, desgleichen Jeden, der in einer nicht                         gehörig angezeigten Volksversammlung als Ordner thätig ist.</p>
          <p>Wer einer in Gemäßheit des §. 3 ergehenden Aufforderung des zuständigen                         Beamten (cf. §. &#x2026;) eine Volksversammlung oder einen Aufzug zu verlassen,                         nicht sofort Folge leistet, hat Gefängniß bis zu 8 Tagen, und wenn er nach                         der Aufforderung als Ordner thätig ist, bis zu 6 Monaten verwirkt.</p>
          <p>§. 5.</p>
          <p>Wer auffordert in einer Versammlung bewaffnet zu erscheinen, oder die                         Aufforderung dazu verbreiten läßt, ist mit Gefängniß zu 6 Wochen bis zu                         einem Jahre zu bestrafen.</p>
          <p>§. 6</p>
          <p>Wer an einer Volksversammlung bewaffnet Theil nimmt wird mit Gefängniß bis zu                         6 Monaten bestraft.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar095_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 3. Sept.</head>
          <p>Die Zahl der in der Nacht vom 18. bis 19. März gefallenen Soldaten wurde                         allgemein auf wenigstens einige Hundert angeschlagen. Da veröffentlicht das                         Kriegsministerium zum Erstaunen des ganzen Volkes eine Liste von nur <hi rendition="#g">neunzehn</hi> Getödteten. Mit Recht vermuthete man, daß                         hier die Wahrheit auf irgend eine Weise umgangen werde und durch einen                         blinden Zufall ist man jetzt hinter diese Schliche gekommen. Ein Grenadier                         vom Garderegiment wird in jener verhängnißvollen Nacht verwundet und bleibt                         unberücksichtigt auf der Straße liegen. Er rafft sich auf und verbirgt sich                         bei einem in der Nähe wohnenden Bekannten, der ihn auch freundlich aufnimmt.                         Unterdessen jedoch muß sich das Militär aus Berlin herausziehen und unser                         verwundeter Grenadier erfährt nichts davon und bleibt zurück. Bei der                         damaligen aufgeregten Stimmung in Berlin gegen alle Soldaten, hat der                         Grenadier nach Abzug seines Regiments nichts anderes zu thun, als sich in                         Civilkleidung nach Prenslau zu seinen Eltern zu begeben. Die                         Regimentsbehörde, die nichts wieder von ihm zu hören bekam nahm ihn als todt                         an. So weit ist die Sache ganz in Ordnung. Aber statt daß unser Grenadier                         mit auf der offiziellen Todtenliste der gebliebenen <hi rendition="#g">Neunzehn</hi> zu finden wäre, erhält der Vater desselben vor einigen                         Tagen von der Regimentsbehörde aus Holstein einen Todtenschein, <hi rendition="#g">daß sein Sohn in der Schlacht bei Schleswig</hi> geblieben wäre. Der Vater sieht verwundert seinen Sohn an und kann sich dies                         Räthsel nicht lösen. Deute mir o Orindur, dieses Wunder der Natur? Cie                         Erklärung ist einfach. Einfach auch als Beleg der großen Zahl tapfrer                         Garden, die in dem dänischen Krieg geblieben sein sollten, während viele                         Briefe aus Schleswig versicherten, daß die Garde bei allen Gefechten kaum                         in's Feuer gekommen sei. Glücklicher Zufall dieser dänische Krieg.</p>
          <p>Der Bericht der Commission für die Finanzen und Steuern über den Antrag der                         Abgeordneten <hi rendition="#g">D'Ester, Borchardt</hi> und mehrerer Anderen                         betreffend <hi rendition="#g">die Aufhebung der Weinsteuer</hi> ist                         verneinend ausgefallen. Der Herr <hi rendition="#g">Finanzminister</hi> erklärt sich gegen die Aufhebung dieser Steuer.</p>
          <p>Auch den Antrag auf Niederschlagung der Weinsteuerreste hat die Commission                         für nicht gerechtfertigt gehalten. Man theilte jedoch einstimmig die                         Ansicht, daß zur Linderung des Nothstandes der Weinbauern Kreditkassen                         errichtet, und die Revision des Grundsteuerkatasters der Weinberge möglichst                         beschleunigt werden möge. Die Commission trägt demnach darauf an:</p>
          <p rendition="#et">1) daß den Anträgen auf Aufhebung der Weinsteuer und                         Niederschlagung der Weinsteuerreste keine Folge zu geben,<lb/>
2) daß die                         Regierung dagegen zu veranlassen sei zur Unterstützung des Weinbaues die                         Errichtung von Kreditkassen zu befördern, welche die Weine zur Lagerung                         aufnehmen und darauf Vorschüsse geben, und zugleich auch bei der möglichst                         zu beschleunigenden Revision des Grundsteuerkatasters auf die Grundsteuer                         des Weinlandes besonders Bedacht zu nehmen sei. &#x2014;</p>
          <p>Die Central Abtheilung hat sich mit 6 gegen 2 Stimmen für den vom                         Finanzminister vorgelegten Gesetz-Entwurf wegen Ausschreibung einer                         Zwangs-Anleihe entschieden. Die Minorität bestehend aus den Abgeordnete <hi rendition="#g">Cießkowski</hi> und <hi rendition="#g">Grebel</hi> hat                         ein Separatvotum erlassen.</p>
          <p>Die Cholera macht hier täglich bedeutendere Fortschritte. Seit einigen Tagen                         werden täglich an 50 neue Erkrankungsfälle angemeldet. Bisher sind noch sehr                         wenige der Erkrankten genesen.</p>
          <p>Zudem ist gewiß, daß die angemeldeten 500 Erkrankungsfälle nur einen Theil                         derselben bilden, indem die größte Masse der Erkrankten und Verstorbenen                         nicht als an der Cholera erlegen angegeben werden.</p>
          <p>Die Wahl Bornemanns zum Abgeordneten wird wahrscheinlich von der                         Vereinbarer-Versammlung für ungültig erklärt werden. Man erwartet, daß                         Bornemann der Ungültigkeits-Erklärung zuvor kommen und die Wahl ablehnen                         wird.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar095_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 31. Aug.</head>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung u. Schluß des kroatisch-slavonischen                             Manifests.)</ref>
          </p>
          <p>Was die andern Rechte betreffe, die Ungarn angeblich unterdrückt habe, so                         seien dieselben entweder mit allen Ungarn gemeinschaftliche oder blose                         Munizipalrechte. In Beziehung auf erste sei hinsichtlich Kroatiens niemals                         eine Ausnahme gemacht worden, während die letzten ebensowenig jemals                         angetastet worden seien, indem Kroatien ja einen eigenen Banus, eine eigene                         Banal-Tafel, einen Landeskapitän und Protonotarius habe und von                         Einquartirung und Naturalleistungen für das Militär stets frei gewesen sei.                         Der ungarische Reichstag habe Kroatien sogar gegen willkührliche, durch                         Hofbefehle verordneten Steuererhöhungen und gegen Schmälerung der                         Banalautorität von jeher in Schutz genommen, und überhaupt alle                         Landesbeschwerden jedes Mal zu den seinigen gemacht. Wenn im Laufe der                         Zeiten aber dennoch Knechtung ausgeübt worden, so sei dieselbe nie durch                         Ungarn geschehen, sondern durch die Wiener Kamarilla an Ungarn und in Folge                         dessen auch an Kroatien. Es sei eine Unverschämtheit, zu behaupten, Ungarn                         habe sich in Folge der Ereignisse dieses Jahres von seinem Könige getrennt,                         da der König ja doch alle Gesetze des Reichstags, zu denen damals auch noch                         alle kroatisch-slavonischen Deputirten mitgewirkt hätten, in Preßburg selbst                         sanktionirt, und so die Verwaltung der Finanzen und Verfügung über die                         Landestruppen in den vormaligen Zustand zurückversetzt habe, aus welchem sie                         niemals hätten gerückt werden dürfen. Wie man also von einem Treubruch wider                         die pragmatische Sanktion sprechen könne, wenn man den Kaiser-König nicht                         selber anklagen wolle? An allen diesen Gesetzen hätten sich die                         kroatisch-slavonischen Deputirten betheiligt, und es sei demnach eine                         Tollheit zu behaupten, die Ungarn allein hätten diese Gesetze gemacht um                         andere Nationalitäten zu knechten und sich selber darüber zu erheben. Diese                         Tollheit behaupte indessen Jellachich und habe das Standrecht</p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar095_005" type="jArticle">
          <head>Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.</head>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung.)</ref>
          </p>
          <p>Von den Pyrenäen stieg der edle Ritter hinab nach Frankreich, und von                         Frankreich eilte er nach Belgien. &#x201E;Herr Schnapphahnski wurde Autor.&#x201C; Ja,                         wahrhaftig, wir sehen den sinnreichen Junker in Brüssel sitzen und seine                         Memoiren schreiben.</p>
          <p>Alle großen Männer machten es so; wenn sie des Lebens Last und Hitze getragen                         hatten, da verkrochen sie sich in irgend einen kühlen Winkel, und die Hand,                         die bisher den Säbel, den Kommandostab oder das Scepter geführt hatte, sie                         griff dann zur Feder und brachte das Erlebte zu Papier. Wir brauchen unsern                         Lesern nicht zu versichern, daß sich von unsern Skizzen über Herrn von                         Schnapphahnski auch nicht eine Spur in den Memoiren des edlen Ritters                         findet. Se. Hochgeboren waren viel zu bescheiden, als daß sie alle                         glorreichen Aventüren der Bewunderung der Nachwelt aufbewahrt hätten.</p>
          <p>Die Liebe, die den edlen Ritter nie verließ, zieht ihren rothen Faden auch                         durch den Brüsseler Aufenthalt unseres Helden. Die Weiber müssen nun einmal                         lieben; Schnapphahnski wußte dies. Sie können nicht anders, es ist ihre                         Bestimmung. Ein Weib liebt nicht allein lange, nein, ein Weib liebt                         unendlich, bis auf die Hefen. Ein Weib kann dich lieben, wenn deine Hose                         zerrissen ist, wenn dein Rock in Fetzen hinabhängt, und wenn die ewige Sonne                         durch die Löcher deines Hutes auf dein verwildertes Landstreichergesicht                         scheint, ja, noch immer wird eine schöne Frau dich lieben können, denn sie                         wird um dich weinen, und sie wird dich küssen und du wirst glücklich                         sein!</p>
          <p>Wie meine Leser bereits bemerkt haben werden, sucht Herr von Schnapphahnski                         stets die Frauen auf. Um junge Mädchen ist es ihm selten zu thun. In Brüssel                         machte sich der edle Ritter an die Frau des *** Gesandten. Die Frau                         Gesandtin hatte ihren frommen Gemahl total unter dem Pantoffel.</p>
          <p>Die Pantoffelknechtschaft ist jedenfalls noch eine süße Knechtschaft. Sie hat                         nur <hi rendition="#g">das</hi> Unangenehme, daß der zärtliche Gatte zum                         Lohn für seine liebevolle Unterwürfigkeit in den meisten Fällen, nicht etwa                         mit einer Königs- oder einer Bürgerkrone, sondern mit jenem Kopfschmuck                         gekrönt wird, den auch des Waldes flüchtige Gebieter tragen. Man könnte in                         der That bei den Ehemännern dieselben Benennungen anbringen wie bei den                         Hirschböcken. Nach Vollendung des ersten Jahres der gekrönten                         Pantoffelknechtschaft würde man einen Ehemann: <hi rendition="#g">Spießer</hi> tituliren; nach Vollendung des zweiten Jahres hieße man                         ihn: <hi rendition="#g">Gabler</hi>. Hierauf träte dann die Bezeichnung nach                         Enden ein, so daß man einen Ehemann bald einen Sechsender, einen Zehnender,                         einen Sechszehnender und so weiter nennen würde. Bei recht stattlichen                         Ehemännern könnte man sogar die Benennungen des Dam- und Elenn-Wildes                         eintreten lassen, ja, bis zu dem Namen <hi rendition="#g">Schaufler</hi> gehen.</p>
          <p>&#x201E;Was schadet es, wenn ein Ehemann ein paar Hörner trägt!&#x201C; hatte der edle                         Ritter oft zu sich selbst gesagt, wenn er in frühern Jahren wohl einmal in                         die untergeordneten Schichten der Gesellschaft hinabzusteigen dachte. &#x201E;So                         ein zweibeiniger Sechszehnender kann immerhin noch Nachmittags auf die Börse                         und Abends in's Kasino gehen, ohne daß man ihn auslacht, denn fast überall                         trifft er ja Leidensgefährten, wehmüthig lächelnde Böcke, die gelebt und                         geliebet haben und die recht gut wissen, was es für ein Malheur ist, wenn                         man eine junge Frau hat, mit funkelnden Augen, mit wogendem Busen und mit                         kleinen alabasterweißen Füßen, recht ein Wesen wie ein üppiches Räthsel, das                         nur die Liebe lösen kann, die Liebe eines flinken Gesellen, der weder auf                         die Börse, noch in's Kasino geht und der sich den Henker schiert um alle                         Ehemänner, und ein flotter Edelmann ist wie ich, der Ritter                         Schnapphahnski!&#x201C;</p>
          <p>Die Frau des *** Gesandten hatte Mitleid mit unserm Ritter.</p>
          <p>Zu jenem melancholischen Blick, den Herr von Schnapphahnski mitunter                         anzunehmen pflegte, wenn er an die Lakaien des Grafen S. in O. in Schlesien                         dachte und zu der interessanten Blässe der Finanznoth, die unsern Helden                         eigentlich nie verließ, gesellte sich nun noch die wichtige Miene eines                         Autors, so daß der edle Ritter wirklich eine interessante Figur ausmachte                         und die Frau Gesandtin immer mehr dazu veranlaßte einmal ernstlich mit sich                         zu Rathe zu gehen, ob sie ihrem Gemahl nicht bald die Dulderkrone aufsetzen                         könne. Herr von Schnapphahnski verfolgte seine Beute mit aller                         Hartnäckigkeit eines Ritters ohne Furcht und Tadel.</p>
          <p>Wenn man bedenkt, welche Vorstudien der edle Abentheurer bei der Gräfin S.,                         bei der Schwester des Grafen G., bei Charlotten, bei der Tränzerin und der                         Bärin gemacht hatte, so ist es zu begreifen, daß er dem frommen Gesandten                         täglich mehr Terrain abgewinnen mußte.</p>
          <p>Wie es aber in den Träumen geht, so geht es auch in der Liebe; wenn man                         gerade im besten Zuge ist, da kommt gewöhnlich etwas dazwischen, so daß man                         auf tausend und aber tausend Dinge geräth nur nicht auf das, was man                         zunächst im Auge hatte. Herr von Schnapphahnski hatte das Pech, statt auf                         die Frau, auf den Portier des Gesandten zu gerathen.</p>
          <p>Wir müssen unsern Lesern nämlich bemerken, das es bei der *** Gesandschaft in                         Brüssel Sitte ist, die Besuchenden in ein Zimmer zu führen, welches eben                         nicht nach Rosen und Veilchen duftet, sondern, welches den wahren Dunstkreis                         eines wohlgenährten gesandtschaftlichen Lakais führt. Die Wände des                         Wartesaales sind früher weiß gewesen und mit einigen erbärmlichen Portraits                         geschmückt. Auf dem Haupttische steht ein Service blaugeblümter Tassen; ihm                         gegenüber bemerkt man auf einem kleinen Bücherbrett, eine Bibel, ein                         Gesangbuch und mehrere fromme Schriften der
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[0477/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 95. Köln, Mittwoch den 6. September. 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an, mit Ausnahme des Montags, täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Die neuerdings getroffenen Anordnungen werden es in wenigen Tagen der Expedition möglich machen, die Versendung des Blattes mit der größten Regelmäßigkeit zu besorgen. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Gerichtliche Verfolgung der Neuen Rhein. Ztg.) Berlin. (Gesetz über Beschränkung von Volksversammlungen. — Ein Todter aus dem dänischen Kriege. — Weinsteuer und Zwangsanleihe. — Cholera. — Bornemann.) Wien. (Das kroatisch-slavonische Manifest. — Reichstag. — Finanznoth.) Breslau. (Katzenmusiken. — Die verhafteten Landwehrmänner. — Lychnowski.) Nördlingen. (Demokraten-Versammlung.) Berleburg. (Polizei-Verfahren.) Italien. (Die Borfälle in Livorno. — Russische Note. — Russische Orden an Radetzki.) Turin. (Die lombardische Consulta nach Turin. — Widerruf der offiziellen Zeitg.) Reggi[?]. (Der Herzog von Modena.) Piacenza. (Das Schalten der Oestreicher.) Florenz. (Sitzung der Deputirten. — Die Verfolgung gegen den Corriere Livornese abgelehnt. — Die Unruhen in Livorno.) Rom. (Sardische Belohnung für Freiwillige. — Interpellation in der Kammer. — Das Kriegsministerium. — Gaggiotti.) Neapel. (Die Reaktion. Das Ministerium Bozzelli. — Die sizilische Expedition.) Frankreich. Paris. (Die Konstitution. — Journalschau. — Revue. — Zusammenrottungen. — Montpellier. — Truppen nach den Alpen. — Vermischtes. Schweiz. Zürich. (Abstimmungen über die Verfassung. — Die ital. Flüchtlinge.) Donaufürstenthümer. Bucharest. (Russische Pläne. — Manifest Nesselrodes) Deutschland. * Köln, 5. Sept. _ 35 Berlin, 1. September. Die Central-Kommission zur Berathung des Gesetzes über die Beschränkung der Volksversammlungen, geht in ihrer Arbeit mit lobenswerther Gründlichkeit zu Werke. Sie ist jetzt erst zu dem 7. §. gekommen, über den sie vorgestern Abend in Anwesenheit von 4 Ministern 4 Stunden lang berathen hat, ohne ein Resultat zu erlangen. — Die 6 beendigten §§. lauten folgendermaßen: §. 1. Alle Preußen sind berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Volksversammlungen in nicht geschlossenen Räumen und öffentliche Aufzüge müssen 24 Stunden vor dem Beginn derselben der Ortspolizeibehörde angezeigt werden. Die Anzeige muß Namen und Wohnort der Anordner, Zeit und Ort der Versammlung und bei Aufzügen den beabsichtigten Weg angeben. §. 2. Zu Volksversammlungen, welche auf öffentlichen Plätzen in Städten und Ortschaften oder auf Straßen Statt finden oder sich daselbst in Aufzügen bewegen sollen, bedarf es der vorgangigen Genehmigung der Ortspolizeibehörde. Diese Genehmigung darf nur aus Rücksichten für die Freiheit und Sicherheit des Verkehrs verweigert werden. §. 3. Volksversammlungen und Aufzüge, deren vorherige Anzeige nach §§. 1 und 2 erforderlich, aber nicht gehörig erfolgt ist, oder zu denen die nach §. 2 erforderliche Genehmigung nicht ertheilt ist, darf die Ortspolizei-Behörde verhindern oder auflösen. Dieselbe Befugniß hat sie in Betreff jeder Volksversammlung, sobald darin zu gewaltsamem Umsturz oder zu gewaltsamer Aenderung der Verfassung, zu thätlichem Angriff oder Widerstand gegen die Obrigkeit und deren Organe, oder zu Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Eigenthum aufgefordert wird (!) §. 4. Wer zu einer Volksversammlung oder zu einem Aufzuge auffordert, oder die Aufforderung dazu verbreiten läßt, wird, wenn die nach §. 1. erforderliche Anzeige unterblieben ist, mit Gefängniß bis zu 3 Monaten bestraft. Dieselbe Strafe trifft den, welcher in Fällen, in denen es der Genehmigung zu der Versammlung bedarf, vor Ertheilung derselben dazu auffordert, oder Aufforderungen verbreiten läßt, desgleichen Jeden, der in einer nicht gehörig angezeigten Volksversammlung als Ordner thätig ist. Wer einer in Gemäßheit des §. 3 ergehenden Aufforderung des zuständigen Beamten (cf. §. …) eine Volksversammlung oder einen Aufzug zu verlassen, nicht sofort Folge leistet, hat Gefängniß bis zu 8 Tagen, und wenn er nach der Aufforderung als Ordner thätig ist, bis zu 6 Monaten verwirkt. §. 5. Wer auffordert in einer Versammlung bewaffnet zu erscheinen, oder die Aufforderung dazu verbreiten läßt, ist mit Gefängniß zu 6 Wochen bis zu einem Jahre zu bestrafen. §. 6 Wer an einer Volksversammlung bewaffnet Theil nimmt wird mit Gefängniß bis zu 6 Monaten bestraft. 103 Berlin, 3. Sept. Die Zahl der in der Nacht vom 18. bis 19. März gefallenen Soldaten wurde allgemein auf wenigstens einige Hundert angeschlagen. Da veröffentlicht das Kriegsministerium zum Erstaunen des ganzen Volkes eine Liste von nur neunzehn Getödteten. Mit Recht vermuthete man, daß hier die Wahrheit auf irgend eine Weise umgangen werde und durch einen blinden Zufall ist man jetzt hinter diese Schliche gekommen. Ein Grenadier vom Garderegiment wird in jener verhängnißvollen Nacht verwundet und bleibt unberücksichtigt auf der Straße liegen. Er rafft sich auf und verbirgt sich bei einem in der Nähe wohnenden Bekannten, der ihn auch freundlich aufnimmt. Unterdessen jedoch muß sich das Militär aus Berlin herausziehen und unser verwundeter Grenadier erfährt nichts davon und bleibt zurück. Bei der damaligen aufgeregten Stimmung in Berlin gegen alle Soldaten, hat der Grenadier nach Abzug seines Regiments nichts anderes zu thun, als sich in Civilkleidung nach Prenslau zu seinen Eltern zu begeben. Die Regimentsbehörde, die nichts wieder von ihm zu hören bekam nahm ihn als todt an. So weit ist die Sache ganz in Ordnung. Aber statt daß unser Grenadier mit auf der offiziellen Todtenliste der gebliebenen Neunzehn zu finden wäre, erhält der Vater desselben vor einigen Tagen von der Regimentsbehörde aus Holstein einen Todtenschein, daß sein Sohn in der Schlacht bei Schleswig geblieben wäre. Der Vater sieht verwundert seinen Sohn an und kann sich dies Räthsel nicht lösen. Deute mir o Orindur, dieses Wunder der Natur? Cie Erklärung ist einfach. Einfach auch als Beleg der großen Zahl tapfrer Garden, die in dem dänischen Krieg geblieben sein sollten, während viele Briefe aus Schleswig versicherten, daß die Garde bei allen Gefechten kaum in's Feuer gekommen sei. Glücklicher Zufall dieser dänische Krieg. Der Bericht der Commission für die Finanzen und Steuern über den Antrag der Abgeordneten D'Ester, Borchardt und mehrerer Anderen betreffend die Aufhebung der Weinsteuer ist verneinend ausgefallen. Der Herr Finanzminister erklärt sich gegen die Aufhebung dieser Steuer. Auch den Antrag auf Niederschlagung der Weinsteuerreste hat die Commission für nicht gerechtfertigt gehalten. Man theilte jedoch einstimmig die Ansicht, daß zur Linderung des Nothstandes der Weinbauern Kreditkassen errichtet, und die Revision des Grundsteuerkatasters der Weinberge möglichst beschleunigt werden möge. Die Commission trägt demnach darauf an: 1) daß den Anträgen auf Aufhebung der Weinsteuer und Niederschlagung der Weinsteuerreste keine Folge zu geben, 2) daß die Regierung dagegen zu veranlassen sei zur Unterstützung des Weinbaues die Errichtung von Kreditkassen zu befördern, welche die Weine zur Lagerung aufnehmen und darauf Vorschüsse geben, und zugleich auch bei der möglichst zu beschleunigenden Revision des Grundsteuerkatasters auf die Grundsteuer des Weinlandes besonders Bedacht zu nehmen sei. — Die Central Abtheilung hat sich mit 6 gegen 2 Stimmen für den vom Finanzminister vorgelegten Gesetz-Entwurf wegen Ausschreibung einer Zwangs-Anleihe entschieden. Die Minorität bestehend aus den Abgeordnete Cießkowski und Grebel hat ein Separatvotum erlassen. Die Cholera macht hier täglich bedeutendere Fortschritte. Seit einigen Tagen werden täglich an 50 neue Erkrankungsfälle angemeldet. Bisher sind noch sehr wenige der Erkrankten genesen. Zudem ist gewiß, daß die angemeldeten 500 Erkrankungsfälle nur einen Theil derselben bilden, indem die größte Masse der Erkrankten und Verstorbenen nicht als an der Cholera erlegen angegeben werden. Die Wahl Bornemanns zum Abgeordneten wird wahrscheinlich von der Vereinbarer-Versammlung für ungültig erklärt werden. Man erwartet, daß Bornemann der Ungültigkeits-Erklärung zuvor kommen und die Wahl ablehnen wird. 61 Wien, 31. Aug. (Fortsetzung u. Schluß des kroatisch-slavonischen Manifests.) Was die andern Rechte betreffe, die Ungarn angeblich unterdrückt habe, so seien dieselben entweder mit allen Ungarn gemeinschaftliche oder blose Munizipalrechte. In Beziehung auf erste sei hinsichtlich Kroatiens niemals eine Ausnahme gemacht worden, während die letzten ebensowenig jemals angetastet worden seien, indem Kroatien ja einen eigenen Banus, eine eigene Banal-Tafel, einen Landeskapitän und Protonotarius habe und von Einquartirung und Naturalleistungen für das Militär stets frei gewesen sei. Der ungarische Reichstag habe Kroatien sogar gegen willkührliche, durch Hofbefehle verordneten Steuererhöhungen und gegen Schmälerung der Banalautorität von jeher in Schutz genommen, und überhaupt alle Landesbeschwerden jedes Mal zu den seinigen gemacht. Wenn im Laufe der Zeiten aber dennoch Knechtung ausgeübt worden, so sei dieselbe nie durch Ungarn geschehen, sondern durch die Wiener Kamarilla an Ungarn und in Folge dessen auch an Kroatien. Es sei eine Unverschämtheit, zu behaupten, Ungarn habe sich in Folge der Ereignisse dieses Jahres von seinem Könige getrennt, da der König ja doch alle Gesetze des Reichstags, zu denen damals auch noch alle kroatisch-slavonischen Deputirten mitgewirkt hätten, in Preßburg selbst sanktionirt, und so die Verwaltung der Finanzen und Verfügung über die Landestruppen in den vormaligen Zustand zurückversetzt habe, aus welchem sie niemals hätten gerückt werden dürfen. Wie man also von einem Treubruch wider die pragmatische Sanktion sprechen könne, wenn man den Kaiser-König nicht selber anklagen wolle? An allen diesen Gesetzen hätten sich die kroatisch-slavonischen Deputirten betheiligt, und es sei demnach eine Tollheit zu behaupten, die Ungarn allein hätten diese Gesetze gemacht um andere Nationalitäten zu knechten und sich selber darüber zu erheben. Diese Tollheit behaupte indessen Jellachich und habe das Standrecht Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. (Fortsetzung.) Von den Pyrenäen stieg der edle Ritter hinab nach Frankreich, und von Frankreich eilte er nach Belgien. „Herr Schnapphahnski wurde Autor.“ Ja, wahrhaftig, wir sehen den sinnreichen Junker in Brüssel sitzen und seine Memoiren schreiben. Alle großen Männer machten es so; wenn sie des Lebens Last und Hitze getragen hatten, da verkrochen sie sich in irgend einen kühlen Winkel, und die Hand, die bisher den Säbel, den Kommandostab oder das Scepter geführt hatte, sie griff dann zur Feder und brachte das Erlebte zu Papier. Wir brauchen unsern Lesern nicht zu versichern, daß sich von unsern Skizzen über Herrn von Schnapphahnski auch nicht eine Spur in den Memoiren des edlen Ritters findet. Se. Hochgeboren waren viel zu bescheiden, als daß sie alle glorreichen Aventüren der Bewunderung der Nachwelt aufbewahrt hätten. Die Liebe, die den edlen Ritter nie verließ, zieht ihren rothen Faden auch durch den Brüsseler Aufenthalt unseres Helden. Die Weiber müssen nun einmal lieben; Schnapphahnski wußte dies. Sie können nicht anders, es ist ihre Bestimmung. Ein Weib liebt nicht allein lange, nein, ein Weib liebt unendlich, bis auf die Hefen. Ein Weib kann dich lieben, wenn deine Hose zerrissen ist, wenn dein Rock in Fetzen hinabhängt, und wenn die ewige Sonne durch die Löcher deines Hutes auf dein verwildertes Landstreichergesicht scheint, ja, noch immer wird eine schöne Frau dich lieben können, denn sie wird um dich weinen, und sie wird dich küssen und du wirst glücklich sein! Wie meine Leser bereits bemerkt haben werden, sucht Herr von Schnapphahnski stets die Frauen auf. Um junge Mädchen ist es ihm selten zu thun. In Brüssel machte sich der edle Ritter an die Frau des *** Gesandten. Die Frau Gesandtin hatte ihren frommen Gemahl total unter dem Pantoffel. Die Pantoffelknechtschaft ist jedenfalls noch eine süße Knechtschaft. Sie hat nur das Unangenehme, daß der zärtliche Gatte zum Lohn für seine liebevolle Unterwürfigkeit in den meisten Fällen, nicht etwa mit einer Königs- oder einer Bürgerkrone, sondern mit jenem Kopfschmuck gekrönt wird, den auch des Waldes flüchtige Gebieter tragen. Man könnte in der That bei den Ehemännern dieselben Benennungen anbringen wie bei den Hirschböcken. Nach Vollendung des ersten Jahres der gekrönten Pantoffelknechtschaft würde man einen Ehemann: Spießer tituliren; nach Vollendung des zweiten Jahres hieße man ihn: Gabler. Hierauf träte dann die Bezeichnung nach Enden ein, so daß man einen Ehemann bald einen Sechsender, einen Zehnender, einen Sechszehnender und so weiter nennen würde. Bei recht stattlichen Ehemännern könnte man sogar die Benennungen des Dam- und Elenn-Wildes eintreten lassen, ja, bis zu dem Namen Schaufler gehen. „Was schadet es, wenn ein Ehemann ein paar Hörner trägt!“ hatte der edle Ritter oft zu sich selbst gesagt, wenn er in frühern Jahren wohl einmal in die untergeordneten Schichten der Gesellschaft hinabzusteigen dachte. „So ein zweibeiniger Sechszehnender kann immerhin noch Nachmittags auf die Börse und Abends in's Kasino gehen, ohne daß man ihn auslacht, denn fast überall trifft er ja Leidensgefährten, wehmüthig lächelnde Böcke, die gelebt und geliebet haben und die recht gut wissen, was es für ein Malheur ist, wenn man eine junge Frau hat, mit funkelnden Augen, mit wogendem Busen und mit kleinen alabasterweißen Füßen, recht ein Wesen wie ein üppiches Räthsel, das nur die Liebe lösen kann, die Liebe eines flinken Gesellen, der weder auf die Börse, noch in's Kasino geht und der sich den Henker schiert um alle Ehemänner, und ein flotter Edelmann ist wie ich, der Ritter Schnapphahnski!“ Die Frau des *** Gesandten hatte Mitleid mit unserm Ritter. Zu jenem melancholischen Blick, den Herr von Schnapphahnski mitunter anzunehmen pflegte, wenn er an die Lakaien des Grafen S. in O. in Schlesien dachte und zu der interessanten Blässe der Finanznoth, die unsern Helden eigentlich nie verließ, gesellte sich nun noch die wichtige Miene eines Autors, so daß der edle Ritter wirklich eine interessante Figur ausmachte und die Frau Gesandtin immer mehr dazu veranlaßte einmal ernstlich mit sich zu Rathe zu gehen, ob sie ihrem Gemahl nicht bald die Dulderkrone aufsetzen könne. Herr von Schnapphahnski verfolgte seine Beute mit aller Hartnäckigkeit eines Ritters ohne Furcht und Tadel. Wenn man bedenkt, welche Vorstudien der edle Abentheurer bei der Gräfin S., bei der Schwester des Grafen G., bei Charlotten, bei der Tränzerin und der Bärin gemacht hatte, so ist es zu begreifen, daß er dem frommen Gesandten täglich mehr Terrain abgewinnen mußte. Wie es aber in den Träumen geht, so geht es auch in der Liebe; wenn man gerade im besten Zuge ist, da kommt gewöhnlich etwas dazwischen, so daß man auf tausend und aber tausend Dinge geräth nur nicht auf das, was man zunächst im Auge hatte. Herr von Schnapphahnski hatte das Pech, statt auf die Frau, auf den Portier des Gesandten zu gerathen. Wir müssen unsern Lesern nämlich bemerken, das es bei der *** Gesandschaft in Brüssel Sitte ist, die Besuchenden in ein Zimmer zu führen, welches eben nicht nach Rosen und Veilchen duftet, sondern, welches den wahren Dunstkreis eines wohlgenährten gesandtschaftlichen Lakais führt. Die Wände des Wartesaales sind früher weiß gewesen und mit einigen erbärmlichen Portraits geschmückt. Auf dem Haupttische steht ein Service blaugeblümter Tassen; ihm gegenüber bemerkt man auf einem kleinen Bücherbrett, eine Bibel, ein Gesangbuch und mehrere fromme Schriften der

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 95. Köln, 6. September 1848, S. 0477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz095_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.