Neue Rheinische Zeitung. Nr. 96. Köln, 7. September 1848.Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. 41 Erfurt, 1. Sept. Das Organ unserer Reaktion, die Erfurter Zeitung, welche meist von Regierungs-Beamten redigirt wird, sagt in ihrer Nummer vom 26. v. M., über das bekannte Verbrechen in Charlottenburg, folgendes: "Charlottenburg, welches Preußens heilige Reliquien in dem Mausoleum des Schloßgartens aufbewahrt, hat sich dieser Auszeichnung würdig bewiesen. Es duldet den Verrath der Umsturz-Partei nicht in seinen Mauern, die Entweihung der heiligen Erde hat es durch seine Manneskraft verhütet, die Verräther fern von Preußens Kleinod gehalten." Wie mag man nun das Rechtsgefühl des Volkes in den unteren Schichten so sehr verdammen, wenn es, in Folge solcher Provokationen, selbst Justiz zu üben versucht, wie dieses neulich in der Nacht dadurch geschehen, daß dem Redakteur der Erfurter Zeitung die Fenster demolirt wurden und die Druckerei zerstört werden sollte? Wenn solche Volks-Justiz auch unter die Competenz der gewöhnlichen Gerichte fällt, so bezeichnet sie doch ein politisches Bewußtsein, welches Anerkennung verdiente. ! Kassel. 2. Sept. Gestern hatten wir hier eine interessante Ständesitzung. Es kam der Antrag von Lederer und 21 Genossen und von Henkel und 23 Genossen vor. Der Eine verlangte, daß der Kurfürst der Civilliste entsage, der Andere, daß er entweder den Einkünften des Hausschatzes (370,000 Rthlr.?) entsage, oder der Civilliste (300,000 Rthlr.). -- Kurz, der langen Rede kurzer Sinn, der Kurfürst sollte die Hälfte seines Einkommens schwinden lassen. Der Ausschußbericht (Referent v. Waitz) war ein Fabrikat voll Beschönigungen und Unrichtigkeiten. Als Hauptgrund, das Hofeinkommen nicht schmälern zu dürfen, wurde angeführt, daß ein solch reiches Einkommen zum Glanz der Monarchie gehöre. Die Deputirten Henckel und Knobel gingen darauf in's Feuer. Und o Himmel! Die alten Landgrafen von Hessen müssen sich im Grabe umgedreht haben bei dem heillosen Sündenregister des edlen Fürstenhauses, das hier abgewickelt wurde. Das ganze Vermögen des Kurhauses stammte aus jenem Blutgeld für die von Landgraf Friedrich an England verkauften 16,000 Soldaten, die in Amerika gegen die Freiheit kämpften (30 Rthlr. für jeden Mann, 20 Pfd. Sterling für jeden Gebliebenen). Das ist der Grundstock des Vermögens, welches für Se. königl. Hoheit den Kurfürsten beansprucht wird. Knobel hatte ausgerechnet, daß dieser Grundstock mit Zins und Zinseszinsen a 5 pCt., 44 Mill. ausmache. Von Rechtswegen gehörten diese Millionen den Hinterbliebenen der Kämpfer, auf welche pr. Kopf ohngefähr 3500 Rthlr. käme -- auf die Hinterbliebenen jedes Gefallenen dagegen circa 4500 Rthlr. Der Dep. Henkel zählte außerdem auf, wie der Hof des regierenden Kurfürsten während der Mitregentschaft des Kurfürsten von seinem Einkommen nicht im geringsten den Gebrauch gemacht habe, den er davon hätte machen müssen. Die Schlösser, die er hätte erhalten sollen, sind verfallen; an der Bezahlung der Hofdiener wurden jährlich 60,000 Rthlr. gespart. Noch mehr! Der Staat wurde bei jeder Gelegenheit übervortheilt. -- Knobel rechnete, daß der Hof seit 17 Jahren allein an baarem Geld mit Zins über die Hofdodation erhalten habe 900,000 Rthlr. (So viel läßt sich nur nachrechnen!) -- So konnte der Kurfürst jährlich 144,000 Rthlr. auf der Landeskreditkasse anlegen, wodurch es machem andern Kapitalisten unmöglich gemacht wurde, seine kleinen Kapitale unterzubringen. Die Hofgelder hatten den Vorzug. Und nun kommt der Ausschußbericht, und sagt, der Hof werde bei jeder Verminderung seiner Einkünfte die Unterstützungen, die er Künsten und Wissenschaften und der Armuth gespendet, fallen lassen! Es brach allgemeine Heiterkeit aus. Als im Jahr 1831 die Theilung des Vermögens, vermittelst Vertrags in Haus- und Staatsschatz vorgenommen wurde, kamen 22 Millionen zur Theilung. Aber andere 22 Millionen waren schon in Sicherheit gebracht. Diese 22 Millionen spazierten nach Frankfurt. Davon solle die erste Maitresse des alten Kurfürsten, Gräfin Reichenbach, 14 Mill. haben, nur 1,600,000 Rthlr. kamen wieder zurück an den jetzigen Kurfürsten; das übrige hat die Bergen, letzte Geliebte des alten Kurfürsten und des Ritter Schnapphahnsky. Aber der Glanz der Monarchie! Am Schluß wurde der Henkel'sche Antrag mit 25 Stimmen angenommen, nicht um dem Kurfürsten persönlich, sondern den Ministern mitgetheilt zu werden. ! Kassel, 3. Sept. Seit dem kurfürstlichen Geburtstag ist bei uns der Krawall in Permanenz erklärt. Vom Anfang des Unheils habe ich schon berichtet. Er ging gegen die retrograden Offiziere am 21. August. Am 22. verbreitete sich das Gerücht, daß D. Kellner und Heise vorgeladen seien. Große Volkshaufen versammelten sich vor dem Untersuchungslokale, um die Sache abzuwarten. D. Kellner war verreist; Heise wurde vom Richter aufgefordert, die Menge zu entfernen, die er bestellt habe. Heise, der nichts bestellt bestellt hatte, weigert sich dessen. Des Abends zog die Masse mit Musik und Lebehoch's vor die Wohnungen mehrerer Demokraten, und brachte einigen Reaktionären Charivaris, bei welcher Gelegenheit der Untersuchungsrichter aus Furcht durch das Fenster entsprang. Seitdem wurden die strengsten Maßregeln ergriffen; nach 9 Uhr sollten keine 6 Leute zusammenstehen u. s. w. Eben schienen sich die Unruhen gelegt zu haben, da fiel es den Bäckern und der Polizei ein, die Brodtaxe zu erhöhen. Das Volk rottete sich überall zusammen. Am 1. September Abends 9 Uhr wurden sämmtliche Bäckerläden demolirt; es wurde Allarm geschlagen als Alles vorbei war. Am 2. Sept. war die gesammte Macht unter Waffen. Dennoch wurde an einem einzelnen Punkt eine Bierbrauerwohnung angegriffen. So eben, Sonntags 12 Uhr Mittags, beordert man schon wieder die Bürgergarde, da in der Altstadt Unruhen ausgebrochen sind. Man hat einen Bäckerladen demolirt. In allen Straßen wird Allarm getrommelt. * Rendsburg, 2. Sept. Die "Schlesw.-Holst. Ztg." spricht sichauf den Grund der im Publikum vorläufig bekannt gewordenen Bedingungen des Waffenstillstandes in einem fulminanten Artikel gegen denselben aus. Sie verlangt unter Anderm, daß die Landesversammlung (die am 4. d. M. wieder zusammentreten wird) sich für permanent erkläre, daß Niemand der aufgedrungenen Regierung Gehorsam leiste, eine allgemeine Steuerverweigerung eintrete, und daß, wenn diese Mittel des passiven Widerstandes nicht hinreichen, zum aktiven Widerstande übergegangen werde. Triest, 29. Aug. Gestern erschien ein Banalcommissär in Begleitung eines Notars in Fiume mit der Ankündigung: der dortige Gouverneur und alle ungarischen Beamten müssen sofort ihren Posten verlassen, und dafür sorgen, daß die in den öffentlichen Kassen befindlichen Gelder in Fiume verbleiben, und nicht an das ungarische Ministerium abgeliefert werden. Fiume ist sohin faktisch zu Croatien geschlagen worden. Italien. * Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Französische Republik. Paris, 4. Sept. Der Moniteur enthält wieder eine Liste derjenigen "Juniräuber", die in voriger Nacht abermals nach Havre geschafft wurden. Wir erblicken darunter wieder ein Dutzend deutsche Namen. -- Heute hält die Nationalversammlung zum erstenmale Doppelsitzung. Die erste von 11 bis 1 [?]/2, die [?]weite von 2 bis 6 Uhr. Die Nachmittagssitzungen sind der Verfassungsberathung gewidmet. -- Cormenin (Timon) hat ein "Petit Pamphlet" über die neue Verfassung, deren Taufpathe er ist, veröffentlicht, von dem die heutigen Blätter Auszüge liefern. Er gesteht darin, daß Er die Phrase: "Im Namen Gottes und des französischen Volks" an deren Spitze gestellt, und zeigt sich sehr unwillig, daß man das Recht auf Arbeit daraus gestrichen habe. In der Hauptsache bekämpft er die Zweikammergelüste eines großen Theils der Nationalversammlung. -- Das Gerücht geht, die Herzogin v. Berry sei in Marseille gelandet. (?) -- Die Rue de Poitiers, konspirirt fleißig. Ergrimmt über die Niederlage, welche die Propositionen Lichtenberger's und de la Touche's erlitten, beabsichtigt sie in Masse gegen den Pascal Duprat'schen Antrag: "die Nationalversammlung möge auch die organischen Gesetze berathen, ehe sie sich trenne," zu stimmen, indem sie die question prealable verlangt, was einer Beerdigung gleichkömmt. -- Die monarchische Union widerlegt das Gerücht von einer Anleihe von 2 Mill. Fr. für den Herzog v. Bordeaux (Grafen v. Chambord), die kürzlich negozirt worden sei. -- Ein Erlaß des Ministers Senard vom 22. Juli, der aber durch ein Rundschreiben des Direktors der schönen Künste, Karl Blanc, an sämmtliche Theaterdirektionen erst heute bekannt wird, setzt im Interesse der öffentlichen Moral und Staatssicherheit die Theatercensur wieder ein. Die Gesellschaft der dramatischen Künstler und Schriftsteller redigirt so eben einen Protest gegen diese Maßregel. -- Man spricht von großer Uneinigkeit unter den Ministern. Die Einen wollen warten, bis sich Karl Albert und Radetzki völlig überworfen; die Anderen wollen in's Feld rücken, sobald Oestreich die Mediation definitiv ausgeschlagen. Ein anderer Punkt zu Mißhelligkeiten bestehe in der Frage: wer die Armee befehligen solle, die in Oberitalien einrücke? Mehrere Stimmen hätten schüchtern den Marschall Bugeaud genannt. Dieser Vorschlag sei mit einigem Stirnrunzeln empfangen worden. -- Die Demokratie pacifique erläßt eine lange Proklamation an das deutsche Volk. Nachdem sie der sozialistischen Partei das Vorrecht vindizirt hat, schon seit 1837 die innige Verbrüderung des deutschen und französischen Volks gepredigt zu haben "weil nur diese beiden Völker die Freiheit mit gleichem Enthusiasmus lieben," räth sie jedoch den Deutschen, sich ihre Freiheit und nationalen Größe nicht durch Unterjochung der Italiener und Dänen erstreben zu wollen. Im übrigen enthält es nur bekannte Phrasen. -- Protestation der Italiener in Paris gegen jede Verschmelzung der Lombardei mit Sardinien. Die nach Paris geflüchteten Italiener erlassen durch das Organ F. G. Urbino's folgende Protestation, gegen die vom sardinischen Ministerium an den Rath der Lombardei unterm 24. August gerichtete Einladung, die Lombardei mit Piemont zu verschmelzen. -- Protestation der italienischen Emigration. Im Namen der italienischen Emigration und aller Lombarden und Nach Einsicht des Inhalts des Dekrets der provisorischen Regierung vom 12. Mai 1848, das sich über die Verschmelzung der Lombardei mit Piemont ausspricht; Nach Einsicht der Einladung, die der Ministerrath von Turin an die Glieder der provisorischen Regierung der Lombardei unterm 24. August richtet; In Erwägung, daß die in dem erwähnten Dekret der lombardisch provisorischen Regierung vom 12. Mai 1848 rücksichtlich einer Verschmelzung der Lombardei mit Piemont aufgestellten Gründe gar nicht mehr existiren; daß die Unterschriften unter jenem Dekret auf betrügerische und ungesetzliche Weise erzielt worden sind; In Erwägung endlich daß Karl Albert in seiner Kapitulation vom 6. August, die übrigens von keinem der anwesenden Lombarden genehmigt worden, aus eigener Machtvollkommenheit aller Rechte entsagt hat, die er etwa aus seinem Dekret auf die Lombardei hätte geltend machen können; Erklären die Emigration und sämmtliche Lombarden die Verschmelzung der Lombardei mit Piemont als null oder nichtig und gar nicht geschehen, und protestiren gegen alle Handlungen der Exprovisorischen Regierung, welche auf diese Verschmelzung Bezug haben. Paris, 2. September 1848. (Unterschriften). -- Nationalversammlung. Sitzung vom 4. Sept. -- Anfang 11 Uhr. -- Präsident: Marrast. Goudchaux, Finanzminister, legt heute schon einen neuen Plan rücksichtlich der direkten Steuern für 1849 vor. Fallour erhält das Wort. "Sie entsinnen sich, Mitbürger, daß Laurent (Ardeche) den Antrag auf Untersuchung der im Lande [?]itirenden drei dynastischen Parteien stellte. Die jüngste Rede des Konseilspräsidenten -- in der er sich weigerte, weder den Belagerungsstand von Paris aufzuheben noch die Zeitungspresse freizugeben, weil Staatsgefahr obwalte -- verleihen diesem Antrage besondere Wichtigkeit. Ich trage daher auf Beschleunigung desselben an." Cavaignac (sehr gereizt): "Meine Erklärung vom Sonnabend war eben so klar als bündig. Sie bezog sich auf kein Glied, auf keinen Theil der Versammlung, sondern auf ein Pariser Journal, das die Republik unten und die Monarchie oben hin stellte" (wörtlich). "Die Sprache gewisser Departementsblätter ist nicht minder heftig. Gegen diese Zeitungspolemik war meine Rede vorzüglich gerichtet." Falloux dankt dem Diktator für die gefällige Antwort, findet sie aber doch so dürftig, daß er auf Beschleunigung und Erledigung des Laurent'schen Antrages dringt. Babaud-Laribie, Berichterstatter, verspricht im Namen des Ausschusses für innere Angelegenheiten sein Gutachten der Versammlung bald vorzulegen. Die Versammlung geht zur Tagesordnung über, nämlich zu der abgebrochenen Debatte über Abschaffung des Dekrets vom 2. März 1848, das die Arbeitsdauer auf 10 Stunden täglich festsetzte. Leon Faucher legt im Namen des Arbeitsausschusses die neue Fassung des Gesetzentwurfes vor: Art. 1. Das Dekret vom 2. März 1848 ist abgeschafft. Art. II. Die Arbeitsdauer in Fabriken und Hüttenwerken darf 12 Stunden täglich nicht uberschreiten. Art. III Ausnahmen sind nur durch obrigkeitliche Spezialverordnungen zu bewilligen. Art IV Die Arbeitszeit über 12 Stunden ist als Supplement besonders zu bezahlen. Art. V. Uebertretungen dieser Verordnung sind mit 100-1000 Frs. im ersten und mit 1000-2000 Frs. im Wiederholungs-Falle zu ahnden "Bürger Reprasentanten! Das Gesetz, welches Ihnen der Arbeitsausschuß vorlegt, läßt sich in die Worte zusammenfassen: Feststellung der Arbeitsdauer mit voller Aenderungsfreiheit für die Behörden. Jede andere Verfügung würde Sie nothwendig in die Februar-Irrthümer führen und aus Frankreich ein neues Egypten oder einen Kommunistenstaat machen (Agitation)". Senard, Minister des Innern, sieht in diesem Schlusse einen Angriff gegen die Regierung, die sich dem Alcan'schen Amendement beigesellt habe, ohne deshalb sozialistisch zu sein. Alcan (bitter): "Ich danke dem System des Laisser faire und Laisser passer, daß es meinen Antrag, obgleich verstümmelt, zu Tage förderte. Derselbe ist weder sozialistisch noch kommunistisch, er hatte nur die Besserung des fürchterlichen Looses unzähliger Arbeiter zum Zwecke." Um diese Besserung zu wollen, brauche man weder Sozialist noch Kommunist zu sein. Das Geschrei der Freihandelsschule über Eingriffe in die Freiheit der Fabrikanten, wenn man die Arbeitsstunden regulire, sei lächerlich. Wie könne man das Verhältniß zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ein freies nennen? Flocon: Es schlägt Ein Uhr! Der neuen Anordnung gemäß müsse man daher die Diskussion abbrechen. In so kurzen Vorsitzungen lasse sich, wie man sehe, kein wichtiger Gegenstand erledigen Er trage daher auf Beibe- Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. 41 Erfurt, 1. Sept. Das Organ unserer Reaktion, die Erfurter Zeitung, welche meist von Regierungs-Beamten redigirt wird, sagt in ihrer Nummer vom 26. v. M., über das bekannte Verbrechen in Charlottenburg, folgendes: „Charlottenburg, welches Preußens heilige Reliquien in dem Mausoleum des Schloßgartens aufbewahrt, hat sich dieser Auszeichnung würdig bewiesen. Es duldet den Verrath der Umsturz-Partei nicht in seinen Mauern, die Entweihung der heiligen Erde hat es durch seine Manneskraft verhütet, die Verräther fern von Preußens Kleinod gehalten.“ Wie mag man nun das Rechtsgefühl des Volkes in den unteren Schichten so sehr verdammen, wenn es, in Folge solcher Provokationen, selbst Justiz zu üben versucht, wie dieses neulich in der Nacht dadurch geschehen, daß dem Redakteur der Erfurter Zeitung die Fenster demolirt wurden und die Druckerei zerstört werden sollte? Wenn solche Volks-Justiz auch unter die Competenz der gewöhnlichen Gerichte fällt, so bezeichnet sie doch ein politisches Bewußtsein, welches Anerkennung verdiente. ! Kassel. 2. Sept. Gestern hatten wir hier eine interessante Ständesitzung. Es kam der Antrag von Lederer und 21 Genossen und von Henkel und 23 Genossen vor. Der Eine verlangte, daß der Kurfürst der Civilliste entsage, der Andere, daß er entweder den Einkünften des Hausschatzes (370,000 Rthlr.?) entsage, oder der Civilliste (300,000 Rthlr.). — Kurz, der langen Rede kurzer Sinn, der Kurfürst sollte die Hälfte seines Einkommens schwinden lassen. Der Ausschußbericht (Referent v. Waitz) war ein Fabrikat voll Beschönigungen und Unrichtigkeiten. Als Hauptgrund, das Hofeinkommen nicht schmälern zu dürfen, wurde angeführt, daß ein solch reiches Einkommen zum Glanz der Monarchie gehöre. Die Deputirten Henckel und Knobel gingen darauf in's Feuer. Und o Himmel! Die alten Landgrafen von Hessen müssen sich im Grabe umgedreht haben bei dem heillosen Sündenregister des edlen Fürstenhauses, das hier abgewickelt wurde. Das ganze Vermögen des Kurhauses stammte aus jenem Blutgeld für die von Landgraf Friedrich an England verkauften 16,000 Soldaten, die in Amerika gegen die Freiheit kämpften (30 Rthlr. für jeden Mann, 20 Pfd. Sterling für jeden Gebliebenen). Das ist der Grundstock des Vermögens, welches für Se. königl. Hoheit den Kurfürsten beansprucht wird. Knobel hatte ausgerechnet, daß dieser Grundstock mit Zins und Zinseszinsen a 5 pCt., 44 Mill. ausmache. Von Rechtswegen gehörten diese Millionen den Hinterbliebenen der Kämpfer, auf welche pr. Kopf ohngefähr 3500 Rthlr. käme — auf die Hinterbliebenen jedes Gefallenen dagegen circa 4500 Rthlr. Der Dep. Henkel zählte außerdem auf, wie der Hof des regierenden Kurfürsten während der Mitregentschaft des Kurfürsten von seinem Einkommen nicht im geringsten den Gebrauch gemacht habe, den er davon hätte machen müssen. Die Schlösser, die er hätte erhalten sollen, sind verfallen; an der Bezahlung der Hofdiener wurden jährlich 60,000 Rthlr. gespart. Noch mehr! Der Staat wurde bei jeder Gelegenheit übervortheilt. — Knobel rechnete, daß der Hof seit 17 Jahren allein an baarem Geld mit Zins über die Hofdodation erhalten habe 900,000 Rthlr. (So viel läßt sich nur nachrechnen!) — So konnte der Kurfürst jährlich 144,000 Rthlr. auf der Landeskreditkasse anlegen, wodurch es machem andern Kapitalisten unmöglich gemacht wurde, seine kleinen Kapitale unterzubringen. Die Hofgelder hatten den Vorzug. Und nun kommt der Ausschußbericht, und sagt, der Hof werde bei jeder Verminderung seiner Einkünfte die Unterstützungen, die er Künsten und Wissenschaften und der Armuth gespendet, fallen lassen! Es brach allgemeine Heiterkeit aus. Als im Jahr 1831 die Theilung des Vermögens, vermittelst Vertrags in Haus- und Staatsschatz vorgenommen wurde, kamen 22 Millionen zur Theilung. Aber andere 22 Millionen waren schon in Sicherheit gebracht. Diese 22 Millionen spazierten nach Frankfurt. Davon solle die erste Maitresse des alten Kurfürsten, Gräfin Reichenbach, 14 Mill. haben, nur 1,600,000 Rthlr. kamen wieder zurück an den jetzigen Kurfürsten; das übrige hat die Bergen, letzte Geliebte des alten Kurfürsten und des Ritter Schnapphahnsky. Aber der Glanz der Monarchie! Am Schluß wurde der Henkel'sche Antrag mit 25 Stimmen angenommen, nicht um dem Kurfürsten persönlich, sondern den Ministern mitgetheilt zu werden. ! Kassel, 3. Sept. Seit dem kurfürstlichen Geburtstag ist bei uns der Krawall in Permanenz erklärt. Vom Anfang des Unheils habe ich schon berichtet. Er ging gegen die retrograden Offiziere am 21. August. Am 22. verbreitete sich das Gerücht, daß D. Kellner und Heise vorgeladen seien. Große Volkshaufen versammelten sich vor dem Untersuchungslokale, um die Sache abzuwarten. D. Kellner war verreist; Heise wurde vom Richter aufgefordert, die Menge zu entfernen, die er bestellt habe. Heise, der nichts bestellt bestellt hatte, weigert sich dessen. Des Abends zog die Masse mit Musik und Lebehoch's vor die Wohnungen mehrerer Demokraten, und brachte einigen Reaktionären Charivaris, bei welcher Gelegenheit der Untersuchungsrichter aus Furcht durch das Fenster entsprang. Seitdem wurden die strengsten Maßregeln ergriffen; nach 9 Uhr sollten keine 6 Leute zusammenstehen u. s. w. Eben schienen sich die Unruhen gelegt zu haben, da fiel es den Bäckern und der Polizei ein, die Brodtaxe zu erhöhen. Das Volk rottete sich überall zusammen. Am 1. September Abends 9 Uhr wurden sämmtliche Bäckerläden demolirt; es wurde Allarm geschlagen als Alles vorbei war. Am 2. Sept. war die gesammte Macht unter Waffen. Dennoch wurde an einem einzelnen Punkt eine Bierbrauerwohnung angegriffen. So eben, Sonntags 12 Uhr Mittags, beordert man schon wieder die Bürgergarde, da in der Altstadt Unruhen ausgebrochen sind. Man hat einen Bäckerladen demolirt. In allen Straßen wird Allarm getrommelt. * Rendsburg, 2. Sept. Die „Schlesw.-Holst. Ztg.“ spricht sichauf den Grund der im Publikum vorläufig bekannt gewordenen Bedingungen des Waffenstillstandes in einem fulminanten Artikel gegen denselben aus. Sie verlangt unter Anderm, daß die Landesversammlung (die am 4. d. M. wieder zusammentreten wird) sich für permanent erkläre, daß Niemand der aufgedrungenen Regierung Gehorsam leiste, eine allgemeine Steuerverweigerung eintrete, und daß, wenn diese Mittel des passiven Widerstandes nicht hinreichen, zum aktiven Widerstande übergegangen werde. Triest, 29. Aug. Gestern erschien ein Banalcommissär in Begleitung eines Notars in Fiume mit der Ankündigung: der dortige Gouverneur und alle ungarischen Beamten müssen sofort ihren Posten verlassen, und dafür sorgen, daß die in den öffentlichen Kassen befindlichen Gelder in Fiume verbleiben, und nicht an das ungarische Ministerium abgeliefert werden. Fiume ist sohin faktisch zu Croatien geschlagen worden. Italien. * Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Französische Republik. Paris, 4. Sept. Der Moniteur enthält wieder eine Liste derjenigen „Juniräuber“, die in voriger Nacht abermals nach Havre geschafft wurden. Wir erblicken darunter wieder ein Dutzend deutsche Namen. — Heute hält die Nationalversammlung zum erstenmale Doppelsitzung. Die erste von 11 bis 1 [?]/2, die [?]weite von 2 bis 6 Uhr. Die Nachmittagssitzungen sind der Verfassungsberathung gewidmet. — Cormenin (Timon) hat ein „Petit Pamphlet“ über die neue Verfassung, deren Taufpathe er ist, veröffentlicht, von dem die heutigen Blätter Auszüge liefern. Er gesteht darin, daß Er die Phrase: „Im Namen Gottes und des französischen Volks“ an deren Spitze gestellt, und zeigt sich sehr unwillig, daß man das Recht auf Arbeit daraus gestrichen habe. In der Hauptsache bekämpft er die Zweikammergelüste eines großen Theils der Nationalversammlung. — Das Gerücht geht, die Herzogin v. Berry sei in Marseille gelandet. (?) — Die Rue de Poitiers, konspirirt fleißig. Ergrimmt über die Niederlage, welche die Propositionen Lichtenberger's und de la Touche's erlitten, beabsichtigt sie in Masse gegen den Pascal Duprat'schen Antrag: „die Nationalversammlung möge auch die organischen Gesetze berathen, ehe sie sich trenne,“ zu stimmen, indem sie die question préalable verlangt, was einer Beerdigung gleichkömmt. — Die monarchische Union widerlegt das Gerücht von einer Anleihe von 2 Mill. Fr. für den Herzog v. Bordeaux (Grafen v. Chambord), die kürzlich negozirt worden sei. — Ein Erlaß des Ministers Senard vom 22. Juli, der aber durch ein Rundschreiben des Direktors der schönen Künste, Karl Blanc, an sämmtliche Theaterdirektionen erst heute bekannt wird, setzt im Interesse der öffentlichen Moral und Staatssicherheit die Theatercensur wieder ein. Die Gesellschaft der dramatischen Künstler und Schriftsteller redigirt so eben einen Protest gegen diese Maßregel. — Man spricht von großer Uneinigkeit unter den Ministern. Die Einen wollen warten, bis sich Karl Albert und Radetzki völlig überworfen; die Anderen wollen in's Feld rücken, sobald Oestreich die Mediation definitiv ausgeschlagen. Ein anderer Punkt zu Mißhelligkeiten bestehe in der Frage: wer die Armee befehligen solle, die in Oberitalien einrücke? Mehrere Stimmen hätten schüchtern den Marschall Bugeaud genannt. Dieser Vorschlag sei mit einigem Stirnrunzeln empfangen worden. — Die Demokratie pacifique erläßt eine lange Proklamation an das deutsche Volk. Nachdem sie der sozialistischen Partei das Vorrecht vindizirt hat, schon seit 1837 die innige Verbrüderung des deutschen und französischen Volks gepredigt zu haben „weil nur diese beiden Völker die Freiheit mit gleichem Enthusiasmus lieben,“ räth sie jedoch den Deutschen, sich ihre Freiheit und nationalen Größe nicht durch Unterjochung der Italiener und Dänen erstreben zu wollen. Im übrigen enthält es nur bekannte Phrasen. — Protestation der Italiener in Paris gegen jede Verschmelzung der Lombardei mit Sardinien. Die nach Paris geflüchteten Italiener erlassen durch das Organ F. G. Urbino's folgende Protestation, gegen die vom sardinischen Ministerium an den Rath der Lombardei unterm 24. August gerichtete Einladung, die Lombardei mit Piemont zu verschmelzen. — Protestation der italienischen Emigration. Im Namen der italienischen Emigration und aller Lombarden und Nach Einsicht des Inhalts des Dekrets der provisorischen Regierung vom 12. Mai 1848, das sich über die Verschmelzung der Lombardei mit Piemont ausspricht; Nach Einsicht der Einladung, die der Ministerrath von Turin an die Glieder der provisorischen Regierung der Lombardei unterm 24. August richtet; In Erwägung, daß die in dem erwähnten Dekret der lombardisch provisorischen Regierung vom 12. Mai 1848 rücksichtlich einer Verschmelzung der Lombardei mit Piemont aufgestellten Gründe gar nicht mehr existiren; daß die Unterschriften unter jenem Dekret auf betrügerische und ungesetzliche Weise erzielt worden sind; In Erwägung endlich daß Karl Albert in seiner Kapitulation vom 6. August, die übrigens von keinem der anwesenden Lombarden genehmigt worden, aus eigener Machtvollkommenheit aller Rechte entsagt hat, die er etwa aus seinem Dekret auf die Lombardei hätte geltend machen können; Erklären die Emigration und sämmtliche Lombarden die Verschmelzung der Lombardei mit Piemont als null oder nichtig und gar nicht geschehen, und protestiren gegen alle Handlungen der Exprovisorischen Regierung, welche auf diese Verschmelzung Bezug haben. Paris, 2. September 1848. (Unterschriften). — Nationalversammlung. Sitzung vom 4. Sept. — Anfang 11 Uhr. — Präsident: Marrast. Goudchaux, Finanzminister, legt heute schon einen neuen Plan rücksichtlich der direkten Steuern für 1849 vor. Fallour erhält das Wort. „Sie entsinnen sich, Mitbürger, daß Laurent (Ardeche) den Antrag auf Untersuchung der im Lande [?]itirenden drei dynastischen Parteien stellte. Die jüngste Rede des Konseilspräsidenten — in der er sich weigerte, weder den Belagerungsstand von Paris aufzuheben noch die Zeitungspresse freizugeben, weil Staatsgefahr obwalte — verleihen diesem Antrage besondere Wichtigkeit. Ich trage daher auf Beschleunigung desselben an.“ Cavaignac (sehr gereizt): „Meine Erklärung vom Sonnabend war eben so klar als bündig. Sie bezog sich auf kein Glied, auf keinen Theil der Versammlung, sondern auf ein Pariser Journal, das die Republik unten und die Monarchie oben hin stellte“ (wörtlich). „Die Sprache gewisser Departementsblätter ist nicht minder heftig. Gegen diese Zeitungspolemik war meine Rede vorzüglich gerichtet.“ Falloux dankt dem Diktator für die gefällige Antwort, findet sie aber doch so dürftig, daß er auf Beschleunigung und Erledigung des Laurent'schen Antrages dringt. Babaud-Laribiè, Berichterstatter, verspricht im Namen des Ausschusses für innere Angelegenheiten sein Gutachten der Versammlung bald vorzulegen. Die Versammlung geht zur Tagesordnung über, nämlich zu der abgebrochenen Debatte über Abschaffung des Dekrets vom 2. März 1848, das die Arbeitsdauer auf 10 Stunden täglich festsetzte. Leon Faucher legt im Namen des Arbeitsausschusses die neue Fassung des Gesetzentwurfes vor: Art. 1. Das Dekret vom 2. März 1848 ist abgeschafft. Art. II. Die Arbeitsdauer in Fabriken und Hüttenwerken darf 12 Stunden täglich nicht uberschreiten. Art. III Ausnahmen sind nur durch obrigkeitliche Spezialverordnungen zu bewilligen. Art IV Die Arbeitszeit über 12 Stunden ist als Supplement besonders zu bezahlen. Art. V. Uebertretungen dieser Verordnung sind mit 100-1000 Frs. im ersten und mit 1000-2000 Frs. im Wiederholungs-Falle zu ahnden „Bürger Reprasentanten! Das Gesetz, welches Ihnen der Arbeitsausschuß vorlegt, läßt sich in die Worte zusammenfassen: Feststellung der Arbeitsdauer mit voller Aenderungsfreiheit für die Behörden. Jede andere Verfügung würde Sie nothwendig in die Februar-Irrthümer führen und aus Frankreich ein neues Egypten oder einen Kommunistenstaat machen (Agitation)“. Senard, Minister des Innern, sieht in diesem Schlusse einen Angriff gegen die Regierung, die sich dem Alcan'schen Amendement beigesellt habe, ohne deshalb sozialistisch zu sein. Alcan (bitter): „Ich danke dem System des Laisser faire und Laisser passer, daß es meinen Antrag, obgleich verstümmelt, zu Tage förderte. Derselbe ist weder sozialistisch noch kommunistisch, er hatte nur die Besserung des fürchterlichen Looses unzähliger Arbeiter zum Zwecke.“ Um diese Besserung zu wollen, brauche man weder Sozialist noch Kommunist zu sein. Das Geschrei der Freihandelsschule über Eingriffe in die Freiheit der Fabrikanten, wenn man die Arbeitsstunden regulire, sei lächerlich. Wie könne man das Verhältniß zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ein freies nennen? Flocon: Es schlägt Ein Uhr! Der neuen Anordnung gemäß müsse man daher die Diskussion abbrechen. In so kurzen Vorsitzungen lasse sich, wie man sehe, kein wichtiger Gegenstand erledigen Er trage daher auf Beibe- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0003" n="0483"/> <div xml:id="ar096_006_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Text des Waffenstillstandes von Malmö. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 662.</bibl> </note> <head>Berlin, 5. September.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar096_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>41</author></bibl> Erfurt, 1. 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Wenn solche Volks-Justiz auch unter die Competenz der gewöhnlichen Gerichte fällt, so bezeichnet sie doch ein politisches Bewußtsein, welches Anerkennung verdiente.</p> </div> <div xml:id="ar096_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>!</author></bibl> Kassel. 2. Sept.</head> <p>Gestern hatten wir hier eine interessante Ständesitzung. Es kam der Antrag von <hi rendition="#g">Lederer</hi> und 21 Genossen und von <hi rendition="#g">Henkel</hi> und 23 Genossen vor. Der Eine verlangte, daß der Kurfürst der Civilliste entsage, der Andere, daß er entweder den Einkünften des Hausschatzes (370,000 Rthlr.?) entsage, oder der Civilliste (300,000 Rthlr.). — Kurz, der langen Rede kurzer Sinn, der Kurfürst sollte die Hälfte seines Einkommens schwinden lassen. Der Ausschußbericht (Referent v. Waitz) war ein Fabrikat voll Beschönigungen und Unrichtigkeiten. Als Hauptgrund, das Hofeinkommen nicht schmälern zu dürfen, wurde angeführt, daß ein solch reiches Einkommen zum Glanz der Monarchie gehöre. Die Deputirten Henckel und Knobel gingen darauf in's Feuer. Und o Himmel! Die alten Landgrafen von Hessen müssen sich im Grabe umgedreht haben bei dem heillosen Sündenregister des edlen Fürstenhauses, das hier abgewickelt wurde. Das ganze Vermögen des Kurhauses stammte aus jenem Blutgeld für die von Landgraf Friedrich an England verkauften 16,000 Soldaten, die in Amerika gegen die Freiheit kämpften (30 Rthlr. für jeden Mann, 20 Pfd. Sterling für jeden Gebliebenen). Das ist der Grundstock des Vermögens, welches für Se. königl. Hoheit den Kurfürsten beansprucht wird. Knobel hatte ausgerechnet, daß dieser Grundstock mit Zins und Zinseszinsen a 5 pCt., 44 Mill. ausmache. Von Rechtswegen gehörten diese Millionen den Hinterbliebenen der Kämpfer, auf welche pr. Kopf ohngefähr 3500 Rthlr. käme — auf die Hinterbliebenen jedes Gefallenen dagegen circa 4500 Rthlr.</p> <p>Der Dep. <hi rendition="#g">Henkel</hi> zählte außerdem auf, wie der Hof des regierenden Kurfürsten während der Mitregentschaft des Kurfürsten von seinem Einkommen nicht im geringsten den Gebrauch gemacht habe, den er davon hätte machen müssen. Die Schlösser, die er hätte erhalten sollen, sind verfallen; an der Bezahlung der Hofdiener wurden jährlich 60,000 Rthlr. gespart. Noch mehr! Der Staat wurde bei jeder Gelegenheit übervortheilt. — Knobel rechnete, daß der Hof seit 17 Jahren allein an baarem Geld mit Zins über die Hofdodation erhalten habe 900,000 Rthlr. (So viel läßt sich nur <hi rendition="#g">nachrechnen!</hi>) — So konnte der Kurfürst jährlich 144,000 Rthlr. auf der Landeskreditkasse anlegen, wodurch es machem andern Kapitalisten unmöglich gemacht wurde, seine kleinen Kapitale unterzubringen. Die Hofgelder hatten den Vorzug.</p> <p>Und nun kommt der Ausschußbericht, und sagt, der Hof werde bei jeder Verminderung seiner Einkünfte die Unterstützungen, die er Künsten und Wissenschaften und der Armuth gespendet, fallen lassen! Es brach allgemeine Heiterkeit aus.</p> <p>Als im Jahr 1831 die Theilung des Vermögens, vermittelst Vertrags in Haus- und Staatsschatz vorgenommen wurde, kamen 22 Millionen zur Theilung. Aber andere 22 Millionen waren schon in Sicherheit gebracht. Diese 22 Millionen spazierten nach Frankfurt. Davon solle die erste Maitresse des alten Kurfürsten, Gräfin Reichenbach, 14 Mill. haben, nur 1,600,000 Rthlr. kamen wieder zurück an den jetzigen Kurfürsten; das übrige hat die <hi rendition="#g">Bergen,</hi> letzte Geliebte des alten Kurfürsten und des Ritter Schnapphahnsky.</p> <p>Aber der Glanz der Monarchie!</p> <p>Am Schluß wurde der Henkel'sche Antrag mit 25 Stimmen angenommen, nicht um dem Kurfürsten persönlich, sondern den Ministern mitgetheilt zu werden.</p> </div> <div xml:id="ar096_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>!</author></bibl> Kassel, 3. Sept.</head> <p>Seit dem kurfürstlichen Geburtstag ist bei uns der Krawall in Permanenz erklärt. Vom Anfang des Unheils habe ich schon berichtet. Er ging gegen die retrograden Offiziere am 21. August. Am 22. verbreitete sich das Gerücht, daß D. Kellner und Heise vorgeladen seien. Große Volkshaufen versammelten sich vor dem Untersuchungslokale, um die Sache abzuwarten. D. Kellner war verreist; Heise wurde vom Richter aufgefordert, die Menge zu entfernen, die er <hi rendition="#g">bestellt</hi> habe. <hi rendition="#g">Heise</hi>, der nichts bestellt bestellt hatte, weigert sich dessen. Des Abends zog die Masse mit Musik und Lebehoch's vor die Wohnungen mehrerer Demokraten, und brachte einigen Reaktionären Charivaris, bei welcher Gelegenheit der Untersuchungsrichter aus Furcht durch das Fenster entsprang. Seitdem wurden die strengsten Maßregeln ergriffen; nach 9 Uhr sollten keine 6 Leute zusammenstehen u. s. w. Eben schienen sich die Unruhen gelegt zu haben, da fiel es den Bäckern und der Polizei ein, die Brodtaxe zu erhöhen. Das Volk rottete sich überall zusammen. Am 1. September Abends 9 Uhr wurden sämmtliche Bäckerläden demolirt; es wurde Allarm geschlagen als Alles vorbei war. Am 2. Sept. war die gesammte Macht unter Waffen. Dennoch wurde an einem einzelnen Punkt eine Bierbrauerwohnung angegriffen. So eben, Sonntags 12 Uhr Mittags, beordert man schon wieder die Bürgergarde, da in der Altstadt Unruhen ausgebrochen sind. Man hat einen Bäckerladen demolirt. In allen Straßen wird Allarm getrommelt.</p> </div> <div xml:id="ar096_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Rendsburg, 2. Sept.</head> <p>Die „Schlesw.-Holst. Ztg.“ spricht sichauf den Grund der im Publikum vorläufig bekannt gewordenen Bedingungen des Waffenstillstandes in einem fulminanten Artikel gegen denselben aus. Sie verlangt unter Anderm, daß die Landesversammlung (die am 4. d. M. wieder zusammentreten wird) sich für permanent erkläre, daß Niemand der aufgedrungenen Regierung Gehorsam leiste, eine allgemeine Steuerverweigerung eintrete, und daß, wenn diese Mittel des passiven Widerstandes nicht hinreichen, zum aktiven Widerstande übergegangen werde.</p> </div> <div xml:id="ar096_011" type="jArticle"> <head>Triest, 29. Aug.</head> <p>Gestern erschien ein Banalcommissär in Begleitung eines Notars in Fiume mit der Ankündigung: der dortige Gouverneur und alle ungarischen Beamten müssen sofort ihren Posten verlassen, und dafür sorgen, daß die in den öffentlichen Kassen befindlichen Gelder in Fiume verbleiben, und nicht an das ungarische Ministerium abgeliefert werden. Fiume ist sohin faktisch zu Croatien geschlagen worden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar096_012_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Italien. 7. September 1848. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 664.</bibl> </note> <head> <bibl> <author>*</author> </bibl> </head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar096_012a_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Italien. 7. September 1848. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 664.</bibl> </note> <gap reason="copyright"/> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar096_013" type="jArticle"> <head>Paris, 4. Sept.</head> <p>Der Moniteur enthält wieder eine Liste derjenigen „Juniräuber“, die in voriger Nacht abermals nach Havre geschafft wurden. Wir erblicken darunter wieder ein Dutzend deutsche Namen.</p> <p>— Heute hält die Nationalversammlung zum erstenmale Doppelsitzung. Die erste von 11 bis 1 [?]/2, die [?]weite von 2 bis 6 Uhr. Die Nachmittagssitzungen sind der Verfassungsberathung gewidmet.</p> <p>— Cormenin (Timon) hat ein „Petit Pamphlet“ über die neue Verfassung, deren Taufpathe er ist, veröffentlicht, von dem die heutigen Blätter Auszüge liefern. Er gesteht darin, daß Er die Phrase: „Im Namen Gottes und des französischen Volks“ an deren Spitze gestellt, und zeigt sich sehr unwillig, daß man das <hi rendition="#g">Recht auf Arbeit</hi> daraus gestrichen habe. In der Hauptsache bekämpft er die Zweikammergelüste eines großen Theils der Nationalversammlung.</p> <p>— Das Gerücht geht, die Herzogin v. Berry sei in Marseille gelandet. (?)</p> <p>— Die Rue de Poitiers, konspirirt fleißig. Ergrimmt über die Niederlage, welche die Propositionen Lichtenberger's und de la Touche's erlitten, beabsichtigt sie in Masse gegen den Pascal Duprat'schen Antrag: „die Nationalversammlung möge auch die organischen Gesetze berathen, ehe sie sich trenne,“ zu stimmen, indem sie die question préalable verlangt, was einer Beerdigung gleichkömmt.</p> <p>— Die monarchische Union widerlegt das Gerücht von einer Anleihe von 2 Mill. Fr. für den Herzog v. Bordeaux (Grafen v. Chambord), die kürzlich negozirt worden sei.</p> <p>— Ein Erlaß des Ministers Senard vom 22. Juli, der aber durch ein Rundschreiben des Direktors der schönen Künste, Karl Blanc, an sämmtliche Theaterdirektionen erst heute bekannt wird, setzt im Interesse der öffentlichen Moral und Staatssicherheit <hi rendition="#g">die Theatercensur wieder ein</hi>. Die Gesellschaft der dramatischen Künstler und Schriftsteller redigirt so eben einen Protest gegen diese Maßregel.</p> <p>— Man spricht von großer Uneinigkeit unter den Ministern. Die Einen wollen warten, bis sich Karl Albert und Radetzki völlig überworfen; die Anderen wollen in's Feld rücken, sobald Oestreich die Mediation definitiv ausgeschlagen. Ein anderer Punkt zu Mißhelligkeiten bestehe in der Frage: wer die Armee befehligen solle, die in Oberitalien einrücke? Mehrere Stimmen hätten schüchtern den Marschall Bugeaud genannt. Dieser Vorschlag sei mit einigem Stirnrunzeln empfangen worden.</p> <p>— Die Demokratie pacifique erläßt eine lange Proklamation an das deutsche Volk. Nachdem sie der sozialistischen Partei das Vorrecht vindizirt hat, schon seit 1837 die innige Verbrüderung des deutschen und französischen Volks gepredigt zu haben „weil nur diese beiden Völker die Freiheit mit gleichem Enthusiasmus lieben,“ räth sie jedoch den Deutschen, sich ihre Freiheit und nationalen Größe nicht durch Unterjochung der Italiener und Dänen erstreben zu wollen. Im übrigen enthält es nur bekannte Phrasen.</p> <p>— Protestation der Italiener in Paris gegen jede Verschmelzung der Lombardei mit Sardinien.</p> <p>Die nach Paris geflüchteten Italiener erlassen durch das Organ F. G. Urbino's folgende Protestation, gegen die vom sardinischen Ministerium an den Rath der Lombardei unterm 24. August gerichtete Einladung, die Lombardei mit Piemont zu verschmelzen.</p> <p>— Protestation der italienischen Emigration.</p> <p>Im Namen der italienischen Emigration und aller Lombarden und</p> <p>Nach Einsicht des Inhalts des Dekrets der provisorischen Regierung vom 12. Mai 1848, das sich über die Verschmelzung der Lombardei mit Piemont ausspricht;</p> <p>Nach Einsicht der Einladung, die der Ministerrath von Turin an die Glieder der provisorischen Regierung der Lombardei unterm 24. August richtet;</p> <p>In Erwägung, daß die in dem erwähnten Dekret der lombardisch provisorischen Regierung vom 12. Mai 1848 rücksichtlich einer Verschmelzung der Lombardei mit Piemont aufgestellten Gründe gar nicht mehr existiren; daß die Unterschriften unter jenem Dekret auf betrügerische und ungesetzliche Weise erzielt worden sind;</p> <p>In Erwägung endlich daß Karl Albert in seiner Kapitulation vom 6. August, die übrigens von keinem der anwesenden Lombarden genehmigt worden, aus eigener Machtvollkommenheit aller Rechte entsagt hat, die er etwa aus seinem Dekret auf die Lombardei hätte geltend machen können;</p> <p>Erklären die Emigration und sämmtliche Lombarden die Verschmelzung der Lombardei mit Piemont als null oder nichtig und gar nicht geschehen, und protestiren gegen alle Handlungen der Exprovisorischen Regierung, welche auf diese Verschmelzung Bezug haben.</p> <p>Paris, 2. September 1848. (Unterschriften).</p> <p>— <hi rendition="#g">Nationalversammlung</hi>. Sitzung vom 4. Sept. — Anfang 11 Uhr. — Präsident: Marrast.</p> <p>Goudchaux, Finanzminister, legt heute schon einen neuen Plan rücksichtlich der direkten Steuern für 1849 vor.</p> <p>Fallour erhält das Wort. „Sie entsinnen sich, Mitbürger, daß Laurent (Ardeche) den Antrag auf Untersuchung der im Lande [?]itirenden drei dynastischen Parteien stellte. Die jüngste Rede des Konseilspräsidenten — in der er sich weigerte, weder den Belagerungsstand von Paris aufzuheben noch die Zeitungspresse freizugeben, weil Staatsgefahr obwalte — verleihen diesem Antrage besondere Wichtigkeit. Ich trage daher auf Beschleunigung desselben an.“</p> <p>Cavaignac (sehr gereizt): „Meine Erklärung vom Sonnabend war eben so klar als bündig. Sie bezog sich auf kein Glied, auf keinen Theil der Versammlung, sondern auf ein Pariser Journal, das die Republik unten und die Monarchie oben hin stellte“ (wörtlich). „Die Sprache gewisser Departementsblätter ist nicht minder heftig. Gegen diese Zeitungspolemik war meine Rede vorzüglich gerichtet.“</p> <p>Falloux dankt dem Diktator für die gefällige Antwort, findet sie aber doch so dürftig, daß er auf Beschleunigung und Erledigung des Laurent'schen Antrages dringt.</p> <p>Babaud-Laribiè, Berichterstatter, verspricht im Namen des Ausschusses für innere Angelegenheiten sein Gutachten der Versammlung bald vorzulegen.</p> <p>Die Versammlung geht zur Tagesordnung über, nämlich zu der abgebrochenen Debatte über Abschaffung des Dekrets vom 2. März 1848, das die Arbeitsdauer auf 10 Stunden täglich festsetzte.</p> <p>Leon Faucher legt im Namen des Arbeitsausschusses die neue Fassung des Gesetzentwurfes vor:</p> <p>Art. 1. Das Dekret vom 2. März 1848 ist abgeschafft. Art. II. Die Arbeitsdauer in Fabriken und Hüttenwerken darf 12 Stunden täglich nicht uberschreiten. Art. III Ausnahmen sind nur durch obrigkeitliche Spezialverordnungen zu bewilligen. Art IV Die Arbeitszeit über 12 Stunden ist als Supplement besonders zu bezahlen. Art. V. Uebertretungen dieser Verordnung sind mit 100-1000 Frs. im ersten und mit 1000-2000 Frs. im Wiederholungs-Falle zu ahnden</p> <p>„Bürger Reprasentanten! Das Gesetz, welches Ihnen der Arbeitsausschuß vorlegt, läßt sich in die Worte zusammenfassen: Feststellung der Arbeitsdauer mit voller Aenderungsfreiheit für die Behörden. Jede andere Verfügung würde Sie nothwendig in die Februar-Irrthümer führen und aus Frankreich ein neues Egypten oder einen Kommunistenstaat machen (Agitation)“.</p> <p>Senard, Minister des Innern, sieht in diesem Schlusse einen Angriff gegen die Regierung, die sich dem Alcan'schen Amendement beigesellt habe, ohne deshalb sozialistisch zu sein.</p> <p>Alcan (bitter): „Ich danke dem System des Laisser faire und Laisser passer, daß es meinen Antrag, obgleich verstümmelt, zu Tage förderte. Derselbe ist weder sozialistisch noch kommunistisch, er hatte nur die Besserung des fürchterlichen Looses unzähliger Arbeiter zum Zwecke.“ Um diese Besserung zu wollen, brauche man weder Sozialist noch Kommunist zu sein. Das Geschrei der Freihandelsschule über Eingriffe in die Freiheit der Fabrikanten, wenn man die Arbeitsstunden regulire, sei lächerlich. Wie könne man das Verhältniß zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ein freies nennen?</p> <p>Flocon: Es schlägt Ein Uhr! Der neuen Anordnung gemäß müsse man daher die Diskussion abbrechen. In so kurzen Vorsitzungen lasse sich, wie man sehe, kein wichtiger Gegenstand erledigen Er trage daher auf Beibe- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0483/0003]
Berlin, 5. September. _ 41 Erfurt, 1. Sept. Das Organ unserer Reaktion, die Erfurter Zeitung, welche meist von Regierungs-Beamten redigirt wird, sagt in ihrer Nummer vom 26. v. M., über das bekannte Verbrechen in Charlottenburg, folgendes: „Charlottenburg, welches Preußens heilige Reliquien in dem Mausoleum des Schloßgartens aufbewahrt, hat sich dieser Auszeichnung würdig bewiesen. Es duldet den Verrath der Umsturz-Partei nicht in seinen Mauern, die Entweihung der heiligen Erde hat es durch seine Manneskraft verhütet, die Verräther fern von Preußens Kleinod gehalten.“ Wie mag man nun das Rechtsgefühl des Volkes in den unteren Schichten so sehr verdammen, wenn es, in Folge solcher Provokationen, selbst Justiz zu üben versucht, wie dieses neulich in der Nacht dadurch geschehen, daß dem Redakteur der Erfurter Zeitung die Fenster demolirt wurden und die Druckerei zerstört werden sollte? Wenn solche Volks-Justiz auch unter die Competenz der gewöhnlichen Gerichte fällt, so bezeichnet sie doch ein politisches Bewußtsein, welches Anerkennung verdiente.
! Kassel. 2. Sept. Gestern hatten wir hier eine interessante Ständesitzung. Es kam der Antrag von Lederer und 21 Genossen und von Henkel und 23 Genossen vor. Der Eine verlangte, daß der Kurfürst der Civilliste entsage, der Andere, daß er entweder den Einkünften des Hausschatzes (370,000 Rthlr.?) entsage, oder der Civilliste (300,000 Rthlr.). — Kurz, der langen Rede kurzer Sinn, der Kurfürst sollte die Hälfte seines Einkommens schwinden lassen. Der Ausschußbericht (Referent v. Waitz) war ein Fabrikat voll Beschönigungen und Unrichtigkeiten. Als Hauptgrund, das Hofeinkommen nicht schmälern zu dürfen, wurde angeführt, daß ein solch reiches Einkommen zum Glanz der Monarchie gehöre. Die Deputirten Henckel und Knobel gingen darauf in's Feuer. Und o Himmel! Die alten Landgrafen von Hessen müssen sich im Grabe umgedreht haben bei dem heillosen Sündenregister des edlen Fürstenhauses, das hier abgewickelt wurde. Das ganze Vermögen des Kurhauses stammte aus jenem Blutgeld für die von Landgraf Friedrich an England verkauften 16,000 Soldaten, die in Amerika gegen die Freiheit kämpften (30 Rthlr. für jeden Mann, 20 Pfd. Sterling für jeden Gebliebenen). Das ist der Grundstock des Vermögens, welches für Se. königl. Hoheit den Kurfürsten beansprucht wird. Knobel hatte ausgerechnet, daß dieser Grundstock mit Zins und Zinseszinsen a 5 pCt., 44 Mill. ausmache. Von Rechtswegen gehörten diese Millionen den Hinterbliebenen der Kämpfer, auf welche pr. Kopf ohngefähr 3500 Rthlr. käme — auf die Hinterbliebenen jedes Gefallenen dagegen circa 4500 Rthlr.
Der Dep. Henkel zählte außerdem auf, wie der Hof des regierenden Kurfürsten während der Mitregentschaft des Kurfürsten von seinem Einkommen nicht im geringsten den Gebrauch gemacht habe, den er davon hätte machen müssen. Die Schlösser, die er hätte erhalten sollen, sind verfallen; an der Bezahlung der Hofdiener wurden jährlich 60,000 Rthlr. gespart. Noch mehr! Der Staat wurde bei jeder Gelegenheit übervortheilt. — Knobel rechnete, daß der Hof seit 17 Jahren allein an baarem Geld mit Zins über die Hofdodation erhalten habe 900,000 Rthlr. (So viel läßt sich nur nachrechnen!) — So konnte der Kurfürst jährlich 144,000 Rthlr. auf der Landeskreditkasse anlegen, wodurch es machem andern Kapitalisten unmöglich gemacht wurde, seine kleinen Kapitale unterzubringen. Die Hofgelder hatten den Vorzug.
Und nun kommt der Ausschußbericht, und sagt, der Hof werde bei jeder Verminderung seiner Einkünfte die Unterstützungen, die er Künsten und Wissenschaften und der Armuth gespendet, fallen lassen! Es brach allgemeine Heiterkeit aus.
Als im Jahr 1831 die Theilung des Vermögens, vermittelst Vertrags in Haus- und Staatsschatz vorgenommen wurde, kamen 22 Millionen zur Theilung. Aber andere 22 Millionen waren schon in Sicherheit gebracht. Diese 22 Millionen spazierten nach Frankfurt. Davon solle die erste Maitresse des alten Kurfürsten, Gräfin Reichenbach, 14 Mill. haben, nur 1,600,000 Rthlr. kamen wieder zurück an den jetzigen Kurfürsten; das übrige hat die Bergen, letzte Geliebte des alten Kurfürsten und des Ritter Schnapphahnsky.
Aber der Glanz der Monarchie!
Am Schluß wurde der Henkel'sche Antrag mit 25 Stimmen angenommen, nicht um dem Kurfürsten persönlich, sondern den Ministern mitgetheilt zu werden.
! Kassel, 3. Sept. Seit dem kurfürstlichen Geburtstag ist bei uns der Krawall in Permanenz erklärt. Vom Anfang des Unheils habe ich schon berichtet. Er ging gegen die retrograden Offiziere am 21. August. Am 22. verbreitete sich das Gerücht, daß D. Kellner und Heise vorgeladen seien. Große Volkshaufen versammelten sich vor dem Untersuchungslokale, um die Sache abzuwarten. D. Kellner war verreist; Heise wurde vom Richter aufgefordert, die Menge zu entfernen, die er bestellt habe. Heise, der nichts bestellt bestellt hatte, weigert sich dessen. Des Abends zog die Masse mit Musik und Lebehoch's vor die Wohnungen mehrerer Demokraten, und brachte einigen Reaktionären Charivaris, bei welcher Gelegenheit der Untersuchungsrichter aus Furcht durch das Fenster entsprang. Seitdem wurden die strengsten Maßregeln ergriffen; nach 9 Uhr sollten keine 6 Leute zusammenstehen u. s. w. Eben schienen sich die Unruhen gelegt zu haben, da fiel es den Bäckern und der Polizei ein, die Brodtaxe zu erhöhen. Das Volk rottete sich überall zusammen. Am 1. September Abends 9 Uhr wurden sämmtliche Bäckerläden demolirt; es wurde Allarm geschlagen als Alles vorbei war. Am 2. Sept. war die gesammte Macht unter Waffen. Dennoch wurde an einem einzelnen Punkt eine Bierbrauerwohnung angegriffen. So eben, Sonntags 12 Uhr Mittags, beordert man schon wieder die Bürgergarde, da in der Altstadt Unruhen ausgebrochen sind. Man hat einen Bäckerladen demolirt. In allen Straßen wird Allarm getrommelt.
* Rendsburg, 2. Sept. Die „Schlesw.-Holst. Ztg.“ spricht sichauf den Grund der im Publikum vorläufig bekannt gewordenen Bedingungen des Waffenstillstandes in einem fulminanten Artikel gegen denselben aus. Sie verlangt unter Anderm, daß die Landesversammlung (die am 4. d. M. wieder zusammentreten wird) sich für permanent erkläre, daß Niemand der aufgedrungenen Regierung Gehorsam leiste, eine allgemeine Steuerverweigerung eintrete, und daß, wenn diese Mittel des passiven Widerstandes nicht hinreichen, zum aktiven Widerstande übergegangen werde.
Triest, 29. Aug. Gestern erschien ein Banalcommissär in Begleitung eines Notars in Fiume mit der Ankündigung: der dortige Gouverneur und alle ungarischen Beamten müssen sofort ihren Posten verlassen, und dafür sorgen, daß die in den öffentlichen Kassen befindlichen Gelder in Fiume verbleiben, und nicht an das ungarische Ministerium abgeliefert werden. Fiume ist sohin faktisch zu Croatien geschlagen worden.
Italien. * _ _ Französische Republik. Paris, 4. Sept. Der Moniteur enthält wieder eine Liste derjenigen „Juniräuber“, die in voriger Nacht abermals nach Havre geschafft wurden. Wir erblicken darunter wieder ein Dutzend deutsche Namen.
— Heute hält die Nationalversammlung zum erstenmale Doppelsitzung. Die erste von 11 bis 1 [?]/2, die [?]weite von 2 bis 6 Uhr. Die Nachmittagssitzungen sind der Verfassungsberathung gewidmet.
— Cormenin (Timon) hat ein „Petit Pamphlet“ über die neue Verfassung, deren Taufpathe er ist, veröffentlicht, von dem die heutigen Blätter Auszüge liefern. Er gesteht darin, daß Er die Phrase: „Im Namen Gottes und des französischen Volks“ an deren Spitze gestellt, und zeigt sich sehr unwillig, daß man das Recht auf Arbeit daraus gestrichen habe. In der Hauptsache bekämpft er die Zweikammergelüste eines großen Theils der Nationalversammlung.
— Das Gerücht geht, die Herzogin v. Berry sei in Marseille gelandet. (?)
— Die Rue de Poitiers, konspirirt fleißig. Ergrimmt über die Niederlage, welche die Propositionen Lichtenberger's und de la Touche's erlitten, beabsichtigt sie in Masse gegen den Pascal Duprat'schen Antrag: „die Nationalversammlung möge auch die organischen Gesetze berathen, ehe sie sich trenne,“ zu stimmen, indem sie die question préalable verlangt, was einer Beerdigung gleichkömmt.
— Die monarchische Union widerlegt das Gerücht von einer Anleihe von 2 Mill. Fr. für den Herzog v. Bordeaux (Grafen v. Chambord), die kürzlich negozirt worden sei.
— Ein Erlaß des Ministers Senard vom 22. Juli, der aber durch ein Rundschreiben des Direktors der schönen Künste, Karl Blanc, an sämmtliche Theaterdirektionen erst heute bekannt wird, setzt im Interesse der öffentlichen Moral und Staatssicherheit die Theatercensur wieder ein. Die Gesellschaft der dramatischen Künstler und Schriftsteller redigirt so eben einen Protest gegen diese Maßregel.
— Man spricht von großer Uneinigkeit unter den Ministern. Die Einen wollen warten, bis sich Karl Albert und Radetzki völlig überworfen; die Anderen wollen in's Feld rücken, sobald Oestreich die Mediation definitiv ausgeschlagen. Ein anderer Punkt zu Mißhelligkeiten bestehe in der Frage: wer die Armee befehligen solle, die in Oberitalien einrücke? Mehrere Stimmen hätten schüchtern den Marschall Bugeaud genannt. Dieser Vorschlag sei mit einigem Stirnrunzeln empfangen worden.
— Die Demokratie pacifique erläßt eine lange Proklamation an das deutsche Volk. Nachdem sie der sozialistischen Partei das Vorrecht vindizirt hat, schon seit 1837 die innige Verbrüderung des deutschen und französischen Volks gepredigt zu haben „weil nur diese beiden Völker die Freiheit mit gleichem Enthusiasmus lieben,“ räth sie jedoch den Deutschen, sich ihre Freiheit und nationalen Größe nicht durch Unterjochung der Italiener und Dänen erstreben zu wollen. Im übrigen enthält es nur bekannte Phrasen.
— Protestation der Italiener in Paris gegen jede Verschmelzung der Lombardei mit Sardinien.
Die nach Paris geflüchteten Italiener erlassen durch das Organ F. G. Urbino's folgende Protestation, gegen die vom sardinischen Ministerium an den Rath der Lombardei unterm 24. August gerichtete Einladung, die Lombardei mit Piemont zu verschmelzen.
— Protestation der italienischen Emigration.
Im Namen der italienischen Emigration und aller Lombarden und
Nach Einsicht des Inhalts des Dekrets der provisorischen Regierung vom 12. Mai 1848, das sich über die Verschmelzung der Lombardei mit Piemont ausspricht;
Nach Einsicht der Einladung, die der Ministerrath von Turin an die Glieder der provisorischen Regierung der Lombardei unterm 24. August richtet;
In Erwägung, daß die in dem erwähnten Dekret der lombardisch provisorischen Regierung vom 12. Mai 1848 rücksichtlich einer Verschmelzung der Lombardei mit Piemont aufgestellten Gründe gar nicht mehr existiren; daß die Unterschriften unter jenem Dekret auf betrügerische und ungesetzliche Weise erzielt worden sind;
In Erwägung endlich daß Karl Albert in seiner Kapitulation vom 6. August, die übrigens von keinem der anwesenden Lombarden genehmigt worden, aus eigener Machtvollkommenheit aller Rechte entsagt hat, die er etwa aus seinem Dekret auf die Lombardei hätte geltend machen können;
Erklären die Emigration und sämmtliche Lombarden die Verschmelzung der Lombardei mit Piemont als null oder nichtig und gar nicht geschehen, und protestiren gegen alle Handlungen der Exprovisorischen Regierung, welche auf diese Verschmelzung Bezug haben.
Paris, 2. September 1848. (Unterschriften).
— Nationalversammlung. Sitzung vom 4. Sept. — Anfang 11 Uhr. — Präsident: Marrast.
Goudchaux, Finanzminister, legt heute schon einen neuen Plan rücksichtlich der direkten Steuern für 1849 vor.
Fallour erhält das Wort. „Sie entsinnen sich, Mitbürger, daß Laurent (Ardeche) den Antrag auf Untersuchung der im Lande [?]itirenden drei dynastischen Parteien stellte. Die jüngste Rede des Konseilspräsidenten — in der er sich weigerte, weder den Belagerungsstand von Paris aufzuheben noch die Zeitungspresse freizugeben, weil Staatsgefahr obwalte — verleihen diesem Antrage besondere Wichtigkeit. Ich trage daher auf Beschleunigung desselben an.“
Cavaignac (sehr gereizt): „Meine Erklärung vom Sonnabend war eben so klar als bündig. Sie bezog sich auf kein Glied, auf keinen Theil der Versammlung, sondern auf ein Pariser Journal, das die Republik unten und die Monarchie oben hin stellte“ (wörtlich). „Die Sprache gewisser Departementsblätter ist nicht minder heftig. Gegen diese Zeitungspolemik war meine Rede vorzüglich gerichtet.“
Falloux dankt dem Diktator für die gefällige Antwort, findet sie aber doch so dürftig, daß er auf Beschleunigung und Erledigung des Laurent'schen Antrages dringt.
Babaud-Laribiè, Berichterstatter, verspricht im Namen des Ausschusses für innere Angelegenheiten sein Gutachten der Versammlung bald vorzulegen.
Die Versammlung geht zur Tagesordnung über, nämlich zu der abgebrochenen Debatte über Abschaffung des Dekrets vom 2. März 1848, das die Arbeitsdauer auf 10 Stunden täglich festsetzte.
Leon Faucher legt im Namen des Arbeitsausschusses die neue Fassung des Gesetzentwurfes vor:
Art. 1. Das Dekret vom 2. März 1848 ist abgeschafft. Art. II. Die Arbeitsdauer in Fabriken und Hüttenwerken darf 12 Stunden täglich nicht uberschreiten. Art. III Ausnahmen sind nur durch obrigkeitliche Spezialverordnungen zu bewilligen. Art IV Die Arbeitszeit über 12 Stunden ist als Supplement besonders zu bezahlen. Art. V. Uebertretungen dieser Verordnung sind mit 100-1000 Frs. im ersten und mit 1000-2000 Frs. im Wiederholungs-Falle zu ahnden
„Bürger Reprasentanten! Das Gesetz, welches Ihnen der Arbeitsausschuß vorlegt, läßt sich in die Worte zusammenfassen: Feststellung der Arbeitsdauer mit voller Aenderungsfreiheit für die Behörden. Jede andere Verfügung würde Sie nothwendig in die Februar-Irrthümer führen und aus Frankreich ein neues Egypten oder einen Kommunistenstaat machen (Agitation)“.
Senard, Minister des Innern, sieht in diesem Schlusse einen Angriff gegen die Regierung, die sich dem Alcan'schen Amendement beigesellt habe, ohne deshalb sozialistisch zu sein.
Alcan (bitter): „Ich danke dem System des Laisser faire und Laisser passer, daß es meinen Antrag, obgleich verstümmelt, zu Tage förderte. Derselbe ist weder sozialistisch noch kommunistisch, er hatte nur die Besserung des fürchterlichen Looses unzähliger Arbeiter zum Zwecke.“ Um diese Besserung zu wollen, brauche man weder Sozialist noch Kommunist zu sein. Das Geschrei der Freihandelsschule über Eingriffe in die Freiheit der Fabrikanten, wenn man die Arbeitsstunden regulire, sei lächerlich. Wie könne man das Verhältniß zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ein freies nennen?
Flocon: Es schlägt Ein Uhr! Der neuen Anordnung gemäß müsse man daher die Diskussion abbrechen. In so kurzen Vorsitzungen lasse sich, wie man sehe, kein wichtiger Gegenstand erledigen Er trage daher auf Beibe-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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