Neue Rheinische Zeitung. Nr. 107. Köln, 20. September 1848.[Deutschland] [Fortsetzung] Zielscheibe am Platze lassend, hingegen Kanonen gegen uns gerichtet wurden. "In der Gewißheit, daß jeder von uns zu sterben, keiner von uns sich zu übergeben bereit ist, schwiegen wir trotzig und marschirten gegen eine Abtheilung deutscher Grenadiere, welche den Judenplatz absperrte, entschlossen, uns mit dem Bajonette einen Weg zu bahnen." Auf die Anfrage der Legion ließen diese Grenadiere sie durchpassiren. Wenige Minuten nachher kam vom Kriegsminister aus dem Kriegsgebäude, von wo er sich den "Fang" ansehen wollte, der Befehl, die eingeschlossenen Akademiker zu verhaften oder zu erschießen. 102 Wien, 14. September. In der heutigen um 10 1/4 Uhr beginnenden Sitzung des Reichstags erstattete die Finanzkommission Bericht über den gestrigen Antrag Brestis, den Gewerben Wiens 2 Mill. Fl. an Unterstützung zukommen zu lassen. Die Debatte, in welcher viel Hexel gehackt wurde, dauerte bis 3 Uhr. Der Antrag wurde trotz der Bohemiens, denen ein ähnlicher Kredit für Prag in Aussicht gestellt wurde, angenommen Die gewerbtreibenden Burger Wiens sind also für einstweilen anti-revolutionair gemacht und dieser Umstand macht die gestrige Versäumniß noch unentschuldbarer. Um 3 Uhr begann eine allgemeine Interpellationshetze wider die kaum ausgeschlafenen Minister. Löhner stellte Latour wegen seiner gestrigen Lügen zur Rede; ebenso Schuselka, der durchaus auf Untersuchung wider den Anonymus drang, der dem Kriegsminister angezeigt, die Aula beabsichtige den Sturz des Ministeriums und die Sprengung des Reichstags. Latour sagt, es sei ein diensteifriger Offizier gewesen, den er nicht nennen würde. Der Reichstag, meist aus Irokesen und bureaukratischen Patrioten bestehend, scheint sich damit zufrieden geben zu wollen. Auch Doblhoff versichert, daß der National-Oberkommandant, zur Verantwortung gezogen, erklärt habe, daß er den Sicherheits-Ausschußzettel nicht aufgesteckt. Durch die Stimmung des Hauses ermuthigt spricht Bach mit der rührendsten Unverschämtheit, daß das Ministerium gestern seine Pflicht gethan, daß es die Freiheit beschützt habe und mit seinem Blute beschutzen werde; daß eine strenge Untersuchung eingeleitet werde; daß die eigentlichen Leiter der Bewegung nicht zum Vorschein gekommen seien (Die Minister?); daß man sie aber zu finden wisse; daß sie nicht nur in der Aula sich befänden, sondern auch - auf die Linke hinsehend - in der Nähe. (Tumult, Zischen und Bravo's). In diesem Augenblicke (5 Uhr) beschäftigt sich das Haus mit der Neuwahl des Präsidenten, des Vicepräsidenten und Sekretare. Um wiedergewählt zu werden, hatten die Bohemiens dafür gesorgt, daß ein dummer Deutscher eben noch eine alberne Anklage wider den Präsidenten Strobach einreichte, die von der Kammer übel aufgenommen wurde und zur Folge haben wird, daß sie aus deutschem Biedersinn und Rechtsgefühl, aus czechisch-slavischem Kamarilla-Geist und aus der Irokesendummheit der Uebrigen den Bohemien Strobach wahrscheinlich wieder zum Präsidenten erwählen wird. Breslau, 14. Septbr. Als Beleg für die im Posenschen, "mit Gott für König und Vaterland" ausgeübten Brutalitäten dient u. A. ein Schriftchen, das von E. Pehmler verfaßt und bei Zapanski in Posen erschienen, seine "Erlebnisse in der preußischen Gefangenschaft auf der Festung Posen" enthält. Die "Od. Z." theilt folgendes daraus mit: Die Männer, gegen deren Verfahren Ed. Pehmler seine Anklage namentlich richtet, sind: Obrist Graf v. Lüttichau, Commandeur des 2. Husaren-Regiments; v. Dittfurth, Premier-Lieutenant der 5. Jäger-Abtheilung; v. Vietinghoff, Lieutenant im 19. Infanterie-Regiment. Ueber das Verfahren des Letztern nur einen Belag. "Mich sperrte dieser Herr Lieutenant - erzählt Pehmler - vom 8. Juni Abends bis zum 12. Morgens in die Grollmannsche Kasematte, welche 48 Fuß tief unter der Erde sich befindet. Weder Sonne noch Mond scheint in dieses scheußliche Gefängniß, in dem das Wasser von den Wänden läuft und das dem Gefangenen zum Lager dienende Stroh durchweg naß ist, hinein. Würmer und Kröten befinden sich darin in bedeutender Zahl und dienen dem darin Sitzenden als Gesellschaft. Jeder wird fragen, welches die Veranlassung war, daß ich in dieses Loch kam? Einfach kann ich nur antworten, daß ich mich bei dem die Kranken besuchenden Militär-Arzte über das schlechte und ungesunde Essen beschwert hatte! Als mich am 12. der v. Vietinghoff aus der Kasematte herausholte, in der ich bei Wasser und Brot gesessen, in der man mir in den ersten 24 Stunden auch nicht einmal dieses reichte und in den ersten 48 Stunden nicht gestattete, hinaus zu gehen, um meine Nothdurft zu verrichten, so daß ich gezwungen wurde, dieses in der Kasematte zu thun, sagte er (nämlich der v. Vietinghoff): " Daß Sie nicht Prügel bekommen haben, können Sie mir allein verdanken, denn zudiktirt waren sie Ihnen; bei der nächsten Veranlassung aber, sobald Sie über das Essen oder irgend eine andere Sache sich beklagen, erhalten Sie 25, aber nicht so etwa, daß Sie braun und blau sind, denn das ist gar nichts: sondern daß das Blut spritzen soll. Noch herschen die rothen Kragen in Preußen", fügte er hinzu, "und der Teufel soll uns die Herrschaft nicht entreißen." 62 Halle, 15. September. Der hiesige Volksverein hat durch den Abgeordneten für Erfurt an die preußische konstituirende Versammlung eine Adresse eingereicht, in welcher er erklärt: daß der Wille des Volkes, vertreten durch die konstituirende Versammlung, das höchste Gesetz sein müsse, und daß jede Beschränkung desselben vor Feststellung einer Verfassung ein Eingriff in die Rechte des Volkes sei. Der Volksverein schließt mit der Erklärung: "daß er gegen jedes Ministerium, welches die Beschlüsse der konstituirenden Versammlung nicht auszuführen gedenkt, im Namen der durch die Revolution errungenen Souveränetät des Volkes, auf das Nachdrücklichste protestirt. G. Elberfeld, 15. September. Der wohlbekannte Ex-Landtagsdeputirte und Banquier, Herr August von der Heydt, welchen einige Journale sogar als Preußen's künftigen Finanzminister bezeichnet haben, hat eine Adresse gegen die Vereinbarungs-Versammlung, in Folge ihres Beschlusses vom 7. September, zu Stande gebracht. Dagegen hat indeß sofort das Volk von Elberfeld protestirt. Eine Volksversammlung auf dem Rathhause, eine andere im politischen Klub, die dritte unter freiem Himmel haben Proteste gegen das von der Heydt'sche Attentat beschlossen und die mit Tausenden von Unterschriften bedeckten Adressen an die Berliner Versammlung kommen überein in der Erklärung: daß die Versammlung, wenn eine Auflösung versucht werden möchte, bis zur Vollendung des Verfassungswerkes sich permanent erkläre und auf das Volk stütze, welches die Versammlung mit Gut und Blut zu schützen bereit ist. ! Kassel, 16. Sept. Es ist ruhig bei uns. Nachdem so und so viel Unschuldige arretirt und außerdem bei der Arrestation von Bürgergarde und von Schutzwache mit Kolben gelauf't sind etc. ist Alles ruhig. Ein verwundeter Arrestant ist in der Untersuchungshaft gestorben. Die Haupthelden beim Einschreiten waren solche Leute, die erst dann Courage haben, wenn sie sich in Masse zusammen sehen; junge brodlose Schutzmänner, oder neubebartete Referendare. Die Wuth der Bourgeoisie war erhaben. Bei jeder Kleinigkeit wird Alarm geschlagen, und wenn man zusammen ist, ist Alles vorüber. Nun wird ins Blinde gewüthet und Jeder verhaftet, der eine Miene verzieht. Die Reaktionäre scheinen gehofft zu haben, daß die Tumulte fortdauern würden, trotz alles Bürgerwehraklarms. Man ließ der Bürgerwehr eine Frist von 24 Stunden stellen; wenn sie bis dahin nicht Ruhe hergestellt habe, solle das Militär einschreiten. Diesen Befehl hatte der interimistische Vorstand des Innern Hr. Wippermann gegeben. Dieser Hr. Wippermann soll das Portefeuille des Finanzministeriums mit dem Versprechen angetreten haben, einen Vergleich zwischen Fürst und Land zu bewirken, was das liebe Geld betrifft. Im Augenblick ist er mal wieder in Frankfurt, hofft mit den andern Männern dort auch Minister zu werden. So ein Reichsministerium: Bassermann, Biedermann, Eisenmann, Wippermann könnte uns sehr glücklich machen. Wiedermal hat Kurhessen keinen Kriegsminister. Der alte Hr. v. Bardeleben soll doch nicht so gichtbrüchig gewesen sein, wie wir glaubten. Er hat dem Kurfürsten 4 Wochen lang böse Tage gemacht. Aber S. kön. Hoheit sind nach wie vor Generalissimus der Armee und uniformiren, kommandiren und graduiren nach Höchstdero erhabener Einsicht. So'n armer Kriegsminister muß das Geld anschaffen; er ist wie die alten Landstände zum Verwilligen da, sonst ..... Das hat denn der alte Haudegen nicht thun wollen. Hauptsächlich aber soll der Umstand seinen Zurücktritt verursacht haben, daß er das Avancement von Unteroffizieren zu Offizieren verlangt hat, und daß dieses Verlangen Allergnädigst abgeschlagen wurde. Eine Portion unmündiger Burschen sind wieder Offiziere geworden. In der Kaserne ist die Stimmung darüber nicht die allerbeste, wie im Allgemeinen der Geist unserer Soldaten eben nicht ein sehr subordinationsmäßiger genannt werden kann. Kürzlich haben Soldaten ihren eigenen Rittmeister ausgepfiffen, der sich thätlich an einem seiner Leute vergriffen hatte. Der Rittmeister bekam kurzen Strafarrest. Die Soldaten und das Volk mit ihnen beabsichtigten eine Katzenmusik für den Wütherich, wie man sagt. Seit drei Nächten sind die Wachen wieder verstärkt, und die Zugänge zum Hause des edlen Rittmeisters besetzt. Das Zeughaus wird jede Nacht von einer Kompagnie Soldaten bewacht, die alle 2 Stunden abgelöst wird. Die Leute sollen mit Gewalt wüthend werden. Aber sie merken sehr gut, was man beabsichtigt; sie sagen, es soll uns nicht darauf ankommen, ob wir einige Stunden mehr oder weniger schlafen, wir halten zum Volk. An Ausstreuung von Gerüchten fehlt es nicht. Denn soll die demokratische Partei am 15., dann am 20. eine Schilderhebung beabsichtigen. Der Zurücktritt des Kriegsministers und der Umstand, daß wieder kein anderer zu finden ist, hat dem Deputirten Henkel in der gestrigen Ständesitzung Gelegenheit gegeben, nochmals auf seinen frühern Antrag zurückzukommen, daß der Fürst nicht mehr Generalissimus der Armee sein dürfe. Wird nächstens zur Abstimmung kommen. Der demokratische Verein hatte während der Crawalltage seine regelmäßigen öffentlichen Sitzung ausgesetzt, um den Philisterseelen jeden Vorwand zu nehmen, ihn mit den Unruhen zu identifiziren. Das demokratische Element ist übrigens im Zunehmen, namentlich seit den letzten Reaktionsversuchen in Berlin und Wien. Gegen die Berliner Camarilla herrscht hier durchgehends die furchtbarste Erbitterung; sie zeigte sich namentlich in einer Volksversammlung, wo von den Demokraten (von Wallach und Kellner) eine Adresse an die Nationalversammlung und ein Zuruf an die Schleswig-Holsteiner (betreffend den Waffenstillstand) vorgeschlagen und mit donnerndem Applaus angenommen wurde. Die Erbitterung gegen die preußischen Hofschurken zeigte sich ebenfalls in der gestrigen Sitzung des demokratisch-sozialen Vereins, wo Dr. Kellner bei der Darstellung der reaktionären Bestrebungen die schauderhaften Vorfälle in Mainz schilderte. Die Menge, mit ihr die anwesenden Militärs, rief Fluch und Schmach auf die Urheber dieser Gräuelthaten. Auch der Bürgerverein sucht sich aus seiner schiefen Stellung, die er durch seine Manöver in der Wahlangelegenheit eingenommen hatte, empor zu winden. Er hat einen Aufruf an alle nationalen Vereine in Deutschland ergehen lassen, welcher Partei sie angehören mögen, insgesammt der Reaktion entgegenzutreten, und zu dem Behufe einen großen Congreß zu halten. Dem demokr.-sozialen Verein in Kassel aber hat er noch Nichts zukommen lassen, dieser könnte ihm zuvorkommen, wie er das bei den meisten Sachen gethan hat. ! Kassel, 17. Sept. Am 10. hatten wir hier ein Turnfest. An der Spitze der hiesigen Turngemeinde steht der Deput. Henkel; und wie dieser Mann mit einem Fuß noch in dem Constitutionalismus steht, so ging es auch seiner Turngemeinde. An seinem Feste aber waren viele fremde Turner zugegen; und namentlich die anwesenden Göttinger sprachen sich dahin aus, ein Turner müsse ein Republikaner sein. Der Dep. Henkel übersetzte nur das Wort Republikaner in Demokrat; ob er nun mit seinen Turnern sich wirklich zur Republik gewendet hat? An diesem Tage kam der Spaß vor, daß plötzlich die Gewehre des Militärs, welche auf dem Königsplatze standen, während die Soldaten in der Kirche waren, nach der Kaserne geschafft wurden. Der Kurfürst selbst soll den Befehl gegeben haben. Die Angst ist groß! - Am 15. war der Jahrestag der ersten Verfassungsverheißung (am 15. Sept. 1830). Die Demokraten der Burgergarde drangen darauf, daß man diesen Tag festlich begehe, einmal, weil er der Anfang vom Ende ist, dann weil man ihn früher in Kassel nicht feiern durfte, zuletzt weil man den 20. Aug. (den Geburtstag des Kurfürsten) gefeiert habe. Es wurde eine Bürgerparade abgehalten vor dem Kommandeur und einigen Ministern. 14 Hamm, 17. Sept. Gestern hat bei uns ein unpolitischer Kongreß stattgefunden. Eine große Anzahl alter Corpsburschen, die sich im burgerlichen Leben die vielversprechende Stellung als Auskultatoren, Referendarien und unbesoldete Assessoren erschwungen, aber trotzdem von dem schönen Burschenleben nichts gelernt und nichts vergessen haben, hielten hier eine Zusammenkunft. Ueber den Zweck dieser Versammlung ist nichts in's Publikum gedrungen. Die Sitzung war für öffentlich erklärt, der Zufall nur wollte, daß das Lokal, in welchem die Gerechtigkeit tagte, das Monopol der heiligen Hermandat und statutenmäßig dem Pöbel unzugänglich ist. So viel aber steht fest, daß das festordnende Comite eine Anzahl der beliebtesten Lieder aus dem Commersbuche abgedruckt und an die Fremden vertheilt hat, woraus zu entnehmen, daß die Tagesordnung eine sehr gemüthliche gewesen. Am besten sollen die neuen Volkslieder "Schleswig-Holstein meerumschlungen" und "Rinaldini" gefallen haben; ich hörte Morgens 2 Uhr, einen heimkehrenden Trupp angehender Justizminister diese schönen Weisen mit tiefer Andacht und inbrünstiger Begeisterung absingen. Ungarn. 15 Pesth, 12. Sept. Mit welch' schnödem Hohne die Reichstagsdeputation, welche den König zur Sanktion der Gesetze nach Pesth einlud, zu Schönbrunn empfangen und entlassen wurde, werden Sie bereits erfahren haben. Mit welcher Spannung man aber hier der Rückkehr der Deputation entgegen sah, läßt sich leicht ermessen, wenn man bedenkt, daß in der Antwort das Sein oder Nichtsein der Selbstständigkeit des ungarischen Volkes liegen sollte. Man beschloß in Schönbrunn das Nichtsein, der Kaiser von Oestreich opferte den König von Ungarn und bestätigte, um die der ungarischen Nation geschlagene Wunde noch tiefer zu graben, zu gleicher Zeit den am 10. Juli zum Hochverräther erklärten Ban von Kroatien in seiner faktisch nie unterbrochenen Thätigkeit. Die Würfel sind nun gefallen, Ungarn muß nun den ungleichen Kampf wagen und wird eher untergehen, als sich in's alte Joch knechten lassen. Eben der Gedanke durchwehte die gestrige Kammersitzung und entschied die Ministerkrise. Schon seit längerer Zeit war das Ministerium in zwei Parteien gespalten; die Fraktion Batthyany wollte Alles auf friedlichem Wege gelöst sehen, und ließ den Strom der Empörung im Süden mit beispielloser Apathie immer höher anschwellen. Die Fraktion Kossuth hingegen wollte gleich Anfangs energisches Einschreiten, offenen Kampf gegen die Kamarilla. Im Ministerium selbst lauerte der Verrath eines Szechenyi, eines Messaros, eines Batthyany, und nun, da sie das Vaterland an den äußersten Rand des Verderbens gebracht, wird der eine wahnsinnig, treten die andern zurück von dem Schauplatze. Das so zerrissene Ministerium reichte also gestern seine Demission dem Palatin ein, der nun die Zügel der Regierung allein zu erfassen und zu führen erklärte. Die willkührliche Verletzung aller Gesetzesformen, selbst von dem bisher geachteten Palatin nach dem schnöden Wortbruche des Königs, brachte aber eine neue Reaktion hervor, und Kossuth übernahm, auf ein altes Gesetz, das in Abwesenheit des Königs dem Parlament die höchste Macht einräumt, gestützt, die von der Kammer ihm angebotene Präsidentschaft des neu zu bildenden Ministeriums, das zwar vom Palatin nicht bestätigt worden, seine Funktionen jedoch nichts destoweniger sofort übernahm, um unter Kossuth's Diktatur den Kampf gegen die alte Despotie zu kämpfen. Aus der Kammer. So eben wird ein Schreiben des Grafen Teleki, Kommandanten des freiwilligen Korps an der kroatischen Gränze, der Kammer mitgetheilt, daß Jellachich die Drau überschritten und bereits auf ungarischem Boden stehend seinen Marsch gegen Ofen angetreten habe. Werden die um Ofen konzentrirten Truppen bei dem Geiste, den die östreichische Armee athmet, dem Schildknappen des Absolutismus ernstlichen Widerstand leisten? Das ist kaum anzunehmen, und Jellachich wird Budapesth gleich Prag und Mailand gut östreichisch machen. Nicht minder verzweifelt sieht es an den römischen Schanzen und im Lager von Szent-Tamas (dem Kriegsschauplatze gegen die Serben) aus, wo das Militär mehr als lau verfährt, die freiwilligen Schaaren und Nationalgarden nicht nur an Erfolgen hemmt, sondern sie sogar im Stiche läßt. Sie werden es jetzt begreiflich finden, wie eine Macht von 60 - 80,000 Mann seit Monaten vor einfachen Verschanzungen steht, wie eine Macht, die unter guter Leitung in weit kürzerer Zeit die stärkste Festung bezwungen hätte, einige Tausend Räuber nicht bezwingen konnte. Verrath von Innen, Verrath von Außen! Nur die Revolution, nur das Vorrücken der Kolonnen der französischen Republik an den Po und Mincio kann uns retten!. Agram. Die Agramer Zeitung schreibt: Hauptquartier der croatisch-slavonischen Armee in Warasdin am 11. Septbr. 1848. Heute um halb 5 Uhr Früh ist unsere Armee, und zwar die Division Kempen, über die Drave; der Ban ist bereits mit seinem Gefolge in das Hauptquartier zurückgekehrt; der Ban und die Armee wurden von jenseitiger Bevölkerung mit Civio empfangen. Redelic und Cakaturn ist von unserer Truppe ohne Schwertstreich und ohne einen Schuß eingenommen worden. Das 3. Bataillon von Ernst hat sich unserer Truppe angeschlossen. Morgen rückt das Hauptquartier nach Redelic. Italien. * Genua hielt am 11. Septbr. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Französische Republik. 17 Paris, 16. Sept. Der Wahlsturm ist los. Die Sozialpartei strengt sich mehr an als früher und ist minder uneinig. Kersausie, Dupoty und Alton Shee haben sich von der Liste gestrichen, um den drei Kandidaten Thore, Raspail und Cabet nicht Abbruch zu thun. Auch Schölcher, heißt es, wird freiwillig zurücktreten. Wohin man blickt, klebt das kleine Zettelchen mit jenen drei Namen und darüber ein Winkelmaaß und Richtscheid: "Im Namen der demokratisch-sozialen Republik die demokratischen Assoziationen (lies: Klubs) und Arbeiter-Korporationen." Auf den Riesenplakaten der Bourgeoisie ist keine Einigkeit. Oft streichen die Blousenmänner den großen Achilles Fould und Adam und Benjamin Delessert und Konsorten weg und kritzeln die drei Volksmänner mit Bleistift hin; oft reißen feingekleidete Messieurs dieses ab, werden vom Volke arretirt, doch von den Polizeiagenten wieder befreit. Die Bourgeois knirschen; ich sprach heute drei Wechselagenten, die fast vor Ingrimm weinten: "Wir, die Junisieger, sind nahe daran, unsere Ordnungskandidaten durchfallen zu sehen. Gestern wichen die Börsenfonds aus Angst vor den sozialistischen Wahlresultaten. Und das Alles unter dem Belagerungszustande! Was wird erst kommen, wenn er aufgehoben ist?" Die Ordnungspartei darf sich übringens rühmen, auch diesmal eine gränzenlose Anordnung in die Wahloperation gebracht zu haben; alle Demokratenblätter denunziren täglich, wie z. B. die Linie um das Votiren theils geprellt, theils mit Zwangsvotums behelligt wird (fünf Infanteristen hatten für den Arzt Raspail, den Maigefangenen, gestimmt und sitzen dafür in Arrest); wie die Arbeiter der Eisenbahnen und Industrieen bedroht und bestraft werden, wenn sie für die obrigen Drei stimmen; wie der 3. Bezirk, dieses klassische Land der Volksfeinde, seit dem 7. Sept. keine Einschreibungen mehr macht, obschon das Gesetz sie bis zum 14. Sept. gestattet; wie überall das tückische Gerücht ausgesprengt wird, kein in Folge des Juni entwaffneter Bürger dürfe votiren; wie absichtlich der Ausdruck "Identitätsfeststellung" so vieldeutig gelassen ist, daß jeder der zwölf Maires und Polizeikommissäre ein verschiedenes Personalzeugniß den votirenden Ouviers abverlangt und sie von Pontius zu Pilatus schickt, nur damit sie so die Zeit verpassen. Auch enthalten sich Viele ganz des Votirens, aus Ekel. Höchst wacker ist der Klub "Bonne Nouvelle", wo der Präsident Bernard, ein sehr tüchtiger Sozialdemokrat, allabendlich 4000 Männern Wahleifer einprägt; er hatte gestern den berüchtigten Herrn Thomas (von den Nationalwerkstätten) geradezu citirt und stellte ihn öffentlich zur Rede wegen seiner Kandidatur neben Girardin und Prinz Bonaparte. Herr Thomas verstummte zu allgemeinem Jubel. Der Arbeiterklub "St. Jean" im Faubourg St. Antoine, unter dem jungen Sozialdemokraten Barnabe, ist auch sehr wacker. Die Sozialvorlesungen von Dameth, Boulevard du Temple, sind von Frauen und Kindern nicht minder besucht als die Hennequins im Freimaurersaale. Gegen all' dieses haben die Bourgeois bis jetzt nur ihren miserablen "Nationalgardeklub" in der Chaussee d' Antin zu setzen. Der Kursus Dameth's giebt eine kleine Broschüre heraus, die viel wirkt. "Da steht Ihr nun," ruft "La Liberte" von Lyon, "Ihr elenden Tröpfe in Gold und Seide, Ihr Börsenherren und Arbeitskommandanten, mit all' Euren tausend Kanonen und Mobilen und laßt Bücher schmieren gegen unsere Idee'n, und kein Mensch kauft sie, Ihr großen Geister! ob Herr Thiers oder Herr Tocqueville gegen Kommunismus kritzelt, berührt uns nicht, aber die kleinste Broschüre unserer Autoren verschlingen wir. Und Eure Mobile wird nicht lange mehr mobil bleiben, glaubt's uns; eine Truppe, die, gleich nordamerikanischen Rothhäuten, den an die Fensterläden gebundenen Junigefangenen, zwanzig Minuten lang, unter Lachen, Glied um Glied abschoß, wird nicht immer in Aktivität bleiben." Dieses saubere Faktum ist mir [Deutschland] [Fortsetzung] Zielscheibe am Platze lassend, hingegen Kanonen gegen uns gerichtet wurden. „In der Gewißheit, daß jeder von uns zu sterben, keiner von uns sich zu übergeben bereit ist, schwiegen wir trotzig und marschirten gegen eine Abtheilung deutscher Grenadiere, welche den Judenplatz absperrte, entschlossen, uns mit dem Bajonette einen Weg zu bahnen.“ Auf die Anfrage der Legion ließen diese Grenadiere sie durchpassiren. Wenige Minuten nachher kam vom Kriegsminister aus dem Kriegsgebäude, von wo er sich den „Fang“ ansehen wollte, der Befehl, die eingeschlossenen Akademiker zu verhaften oder zu erschießen. 102 Wien, 14. September. In der heutigen um 10 1/4 Uhr beginnenden Sitzung des Reichstags erstattete die Finanzkommission Bericht über den gestrigen Antrag Brestis, den Gewerben Wiens 2 Mill. Fl. an Unterstützung zukommen zu lassen. Die Debatte, in welcher viel Hexel gehackt wurde, dauerte bis 3 Uhr. Der Antrag wurde trotz der Bohemiens, denen ein ähnlicher Kredit für Prag in Aussicht gestellt wurde, angenommen Die gewerbtreibenden Burger Wiens sind also für einstweilen anti-revolutionair gemacht und dieser Umstand macht die gestrige Versäumniß noch unentschuldbarer. Um 3 Uhr begann eine allgemeine Interpellationshetze wider die kaum ausgeschlafenen Minister. Löhner stellte Latour wegen seiner gestrigen Lügen zur Rede; ebenso Schuselka, der durchaus auf Untersuchung wider den Anonymus drang, der dem Kriegsminister angezeigt, die Aula beabsichtige den Sturz des Ministeriums und die Sprengung des Reichstags. Latour sagt, es sei ein diensteifriger Offizier gewesen, den er nicht nennen würde. Der Reichstag, meist aus Irokesen und bureaukratischen Patrioten bestehend, scheint sich damit zufrieden geben zu wollen. Auch Doblhoff versichert, daß der National-Oberkommandant, zur Verantwortung gezogen, erklärt habe, daß er den Sicherheits-Ausschußzettel nicht aufgesteckt. Durch die Stimmung des Hauses ermuthigt spricht Bach mit der rührendsten Unverschämtheit, daß das Ministerium gestern seine Pflicht gethan, daß es die Freiheit beschützt habe und mit seinem Blute beschutzen werde; daß eine strenge Untersuchung eingeleitet werde; daß die eigentlichen Leiter der Bewegung nicht zum Vorschein gekommen seien (Die Minister?); daß man sie aber zu finden wisse; daß sie nicht nur in der Aula sich befänden, sondern auch ‒ auf die Linke hinsehend ‒ in der Nähe. (Tumult, Zischen und Bravo's). In diesem Augenblicke (5 Uhr) beschäftigt sich das Haus mit der Neuwahl des Präsidenten, des Vicepräsidenten und Sekretare. Um wiedergewählt zu werden, hatten die Bohémiens dafür gesorgt, daß ein dummer Deutscher eben noch eine alberne Anklage wider den Präsidenten Strobach einreichte, die von der Kammer übel aufgenommen wurde und zur Folge haben wird, daß sie aus deutschem Biedersinn und Rechtsgefühl, aus czechisch-slavischem Kamarilla-Geist und aus der Irokesendummheit der Uebrigen den Bohémien Strobach wahrscheinlich wieder zum Präsidenten erwählen wird. Breslau, 14. Septbr. Als Beleg für die im Posenschen, „mit Gott für König und Vaterland“ ausgeübten Brutalitäten dient u. A. ein Schriftchen, das von E. Pehmler verfaßt und bei Zapanski in Posen erschienen, seine „Erlebnisse in der preußischen Gefangenschaft auf der Festung Posen“ enthält. Die „Od. Z.“ theilt folgendes daraus mit: Die Männer, gegen deren Verfahren Ed. Pehmler seine Anklage namentlich richtet, sind: Obrist Graf v. Lüttichau, Commandeur des 2. Husaren-Regiments; v. Dittfurth, Premier-Lieutenant der 5. Jäger-Abtheilung; v. Vietinghoff, Lieutenant im 19. Infanterie-Regiment. Ueber das Verfahren des Letztern nur einen Belag. „Mich sperrte dieser Herr Lieutenant ‒ erzählt Pehmler ‒ vom 8. Juni Abends bis zum 12. Morgens in die Grollmannsche Kasematte, welche 48 Fuß tief unter der Erde sich befindet. Weder Sonne noch Mond scheint in dieses scheußliche Gefängniß, in dem das Wasser von den Wänden läuft und das dem Gefangenen zum Lager dienende Stroh durchweg naß ist, hinein. Würmer und Kröten befinden sich darin in bedeutender Zahl und dienen dem darin Sitzenden als Gesellschaft. Jeder wird fragen, welches die Veranlassung war, daß ich in dieses Loch kam? Einfach kann ich nur antworten, daß ich mich bei dem die Kranken besuchenden Militär-Arzte über das schlechte und ungesunde Essen beschwert hatte! Als mich am 12. der v. Vietinghoff aus der Kasematte herausholte, in der ich bei Wasser und Brot gesessen, in der man mir in den ersten 24 Stunden auch nicht einmal dieses reichte und in den ersten 48 Stunden nicht gestattete, hinaus zu gehen, um meine Nothdurft zu verrichten, so daß ich gezwungen wurde, dieses in der Kasematte zu thun, sagte er (nämlich der v. Vietinghoff): „ Daß Sie nicht Prügel bekommen haben, können Sie mir allein verdanken, denn zudiktirt waren sie Ihnen; bei der nächsten Veranlassung aber, sobald Sie über das Essen oder irgend eine andere Sache sich beklagen, erhalten Sie 25, aber nicht so etwa, daß Sie braun und blau sind, denn das ist gar nichts: sondern daß das Blut spritzen soll. Noch herschen die rothen Kragen in Preußen“, fügte er hinzu, „und der Teufel soll uns die Herrschaft nicht entreißen.“ 62 Halle, 15. September. Der hiesige Volksverein hat durch den Abgeordneten für Erfurt an die preußische konstituirende Versammlung eine Adresse eingereicht, in welcher er erklärt: daß der Wille des Volkes, vertreten durch die konstituirende Versammlung, das höchste Gesetz sein müsse, und daß jede Beschränkung desselben vor Feststellung einer Verfassung ein Eingriff in die Rechte des Volkes sei. Der Volksverein schließt mit der Erklärung: „daß er gegen jedes Ministerium, welches die Beschlüsse der konstituirenden Versammlung nicht auszuführen gedenkt, im Namen der durch die Revolution errungenen Souveränetät des Volkes, auf das Nachdrücklichste protestirt. G. Elberfeld, 15. September. Der wohlbekannte Ex-Landtagsdeputirte und Banquier, Herr August von der Heydt, welchen einige Journale sogar als Preußen's künftigen Finanzminister bezeichnet haben, hat eine Adresse gegen die Vereinbarungs-Versammlung, in Folge ihres Beschlusses vom 7. September, zu Stande gebracht. Dagegen hat indeß sofort das Volk von Elberfeld protestirt. Eine Volksversammlung auf dem Rathhause, eine andere im politischen Klub, die dritte unter freiem Himmel haben Proteste gegen das von der Heydt'sche Attentat beschlossen und die mit Tausenden von Unterschriften bedeckten Adressen an die Berliner Versammlung kommen überein in der Erklärung: daß die Versammlung, wenn eine Auflösung versucht werden möchte, bis zur Vollendung des Verfassungswerkes sich permanent erkläre und auf das Volk stütze, welches die Versammlung mit Gut und Blut zu schützen bereit ist. ! Kassel, 16. Sept. Es ist ruhig bei uns. Nachdem so und so viel Unschuldige arretirt und außerdem bei der Arrestation von Bürgergarde und von Schutzwache mit Kolben gelauf't sind etc. ist Alles ruhig. Ein verwundeter Arrestant ist in der Untersuchungshaft gestorben. Die Haupthelden beim Einschreiten waren solche Leute, die erst dann Courage haben, wenn sie sich in Masse zusammen sehen; junge brodlose Schutzmänner, oder neubebartete Referendare. Die Wuth der Bourgeoisie war erhaben. Bei jeder Kleinigkeit wird Alarm geschlagen, und wenn man zusammen ist, ist Alles vorüber. Nun wird ins Blinde gewüthet und Jeder verhaftet, der eine Miene verzieht. Die Reaktionäre scheinen gehofft zu haben, daß die Tumulte fortdauern würden, trotz alles Bürgerwehraklarms. Man ließ der Bürgerwehr eine Frist von 24 Stunden stellen; wenn sie bis dahin nicht Ruhe hergestellt habe, solle das Militär einschreiten. Diesen Befehl hatte der interimistische Vorstand des Innern Hr. Wippermann gegeben. Dieser Hr. Wippermann soll das Portefeuille des Finanzministeriums mit dem Versprechen angetreten haben, einen Vergleich zwischen Fürst und Land zu bewirken, was das liebe Geld betrifft. Im Augenblick ist er mal wieder in Frankfurt, hofft mit den andern Männern dort auch Minister zu werden. So ein Reichsministerium: Bassermann, Biedermann, Eisenmann, Wippermann könnte uns sehr glücklich machen. Wiedermal hat Kurhessen keinen Kriegsminister. Der alte Hr. v. Bardeleben soll doch nicht so gichtbrüchig gewesen sein, wie wir glaubten. Er hat dem Kurfürsten 4 Wochen lang böse Tage gemacht. Aber S. kön. Hoheit sind nach wie vor Generalissimus der Armee und uniformiren, kommandiren und graduiren nach Höchstdero erhabener Einsicht. So'n armer Kriegsminister muß das Geld anschaffen; er ist wie die alten Landstände zum Verwilligen da, sonst …‥ Das hat denn der alte Haudegen nicht thun wollen. Hauptsächlich aber soll der Umstand seinen Zurücktritt verursacht haben, daß er das Avancement von Unteroffizieren zu Offizieren verlangt hat, und daß dieses Verlangen Allergnädigst abgeschlagen wurde. Eine Portion unmündiger Burschen sind wieder Offiziere geworden. In der Kaserne ist die Stimmung darüber nicht die allerbeste, wie im Allgemeinen der Geist unserer Soldaten eben nicht ein sehr subordinationsmäßiger genannt werden kann. Kürzlich haben Soldaten ihren eigenen Rittmeister ausgepfiffen, der sich thätlich an einem seiner Leute vergriffen hatte. Der Rittmeister bekam kurzen Strafarrest. Die Soldaten und das Volk mit ihnen beabsichtigten eine Katzenmusik für den Wütherich, wie man sagt. Seit drei Nächten sind die Wachen wieder verstärkt, und die Zugänge zum Hause des edlen Rittmeisters besetzt. Das Zeughaus wird jede Nacht von einer Kompagnie Soldaten bewacht, die alle 2 Stunden abgelöst wird. Die Leute sollen mit Gewalt wüthend werden. Aber sie merken sehr gut, was man beabsichtigt; sie sagen, es soll uns nicht darauf ankommen, ob wir einige Stunden mehr oder weniger schlafen, wir halten zum Volk. An Ausstreuung von Gerüchten fehlt es nicht. Denn soll die demokratische Partei am 15., dann am 20. eine Schilderhebung beabsichtigen. Der Zurücktritt des Kriegsministers und der Umstand, daß wieder kein anderer zu finden ist, hat dem Deputirten Henkel in der gestrigen Ständesitzung Gelegenheit gegeben, nochmals auf seinen frühern Antrag zurückzukommen, daß der Fürst nicht mehr Generalissimus der Armee sein dürfe. Wird nächstens zur Abstimmung kommen. Der demokratische Verein hatte während der Crawalltage seine regelmäßigen öffentlichen Sitzung ausgesetzt, um den Philisterseelen jeden Vorwand zu nehmen, ihn mit den Unruhen zu identifiziren. Das demokratische Element ist übrigens im Zunehmen, namentlich seit den letzten Reaktionsversuchen in Berlin und Wien. Gegen die Berliner Camarilla herrscht hier durchgehends die furchtbarste Erbitterung; sie zeigte sich namentlich in einer Volksversammlung, wo von den Demokraten (von Wallach und Kellner) eine Adresse an die Nationalversammlung und ein Zuruf an die Schleswig-Holsteiner (betreffend den Waffenstillstand) vorgeschlagen und mit donnerndem Applaus angenommen wurde. Die Erbitterung gegen die preußischen Hofschurken zeigte sich ebenfalls in der gestrigen Sitzung des demokratisch-sozialen Vereins, wo Dr. Kellner bei der Darstellung der reaktionären Bestrebungen die schauderhaften Vorfälle in Mainz schilderte. Die Menge, mit ihr die anwesenden Militärs, rief Fluch und Schmach auf die Urheber dieser Gräuelthaten. Auch der Bürgerverein sucht sich aus seiner schiefen Stellung, die er durch seine Manöver in der Wahlangelegenheit eingenommen hatte, empor zu winden. Er hat einen Aufruf an alle nationalen Vereine in Deutschland ergehen lassen, welcher Partei sie angehören mögen, insgesammt der Reaktion entgegenzutreten, und zu dem Behufe einen großen Congreß zu halten. Dem demokr.-sozialen Verein in Kassel aber hat er noch Nichts zukommen lassen, dieser könnte ihm zuvorkommen, wie er das bei den meisten Sachen gethan hat. ! Kassel, 17. Sept. Am 10. hatten wir hier ein Turnfest. An der Spitze der hiesigen Turngemeinde steht der Deput. Henkel; und wie dieser Mann mit einem Fuß noch in dem Constitutionalismus steht, so ging es auch seiner Turngemeinde. An seinem Feste aber waren viele fremde Turner zugegen; und namentlich die anwesenden Göttinger sprachen sich dahin aus, ein Turner müsse ein Republikaner sein. Der Dep. Henkel übersetzte nur das Wort Republikaner in Demokrat; ob er nun mit seinen Turnern sich wirklich zur Republik gewendet hat? An diesem Tage kam der Spaß vor, daß plötzlich die Gewehre des Militärs, welche auf dem Königsplatze standen, während die Soldaten in der Kirche waren, nach der Kaserne geschafft wurden. Der Kurfürst selbst soll den Befehl gegeben haben. Die Angst ist groß! ‒ Am 15. war der Jahrestag der ersten Verfassungsverheißung (am 15. Sept. 1830). Die Demokraten der Burgergarde drangen darauf, daß man diesen Tag festlich begehe, einmal, weil er der Anfang vom Ende ist, dann weil man ihn früher in Kassel nicht feiern durfte, zuletzt weil man den 20. Aug. (den Geburtstag des Kurfürsten) gefeiert habe. Es wurde eine Bürgerparade abgehalten vor dem Kommandeur und einigen Ministern. 14 Hamm, 17. Sept. Gestern hat bei uns ein unpolitischer Kongreß stattgefunden. Eine große Anzahl alter Corpsburschen, die sich im burgerlichen Leben die vielversprechende Stellung als Auskultatoren, Referendarien und unbesoldete Assessoren erschwungen, aber trotzdem von dem schönen Burschenleben nichts gelernt und nichts vergessen haben, hielten hier eine Zusammenkunft. Ueber den Zweck dieser Versammlung ist nichts in's Publikum gedrungen. Die Sitzung war für öffentlich erklärt, der Zufall nur wollte, daß das Lokal, in welchem die Gerechtigkeit tagte, das Monopol der heiligen Hermandat und statutenmäßig dem Pöbel unzugänglich ist. So viel aber steht fest, daß das festordnende Comité eine Anzahl der beliebtesten Lieder aus dem Commersbuche abgedruckt und an die Fremden vertheilt hat, woraus zu entnehmen, daß die Tagesordnung eine sehr gemüthliche gewesen. Am besten sollen die neuen Volkslieder „Schleswig-Holstein meerumschlungen“ und „Rinaldini“ gefallen haben; ich hörte Morgens 2 Uhr, einen heimkehrenden Trupp angehender Justizminister diese schönen Weisen mit tiefer Andacht und inbrünstiger Begeisterung absingen. Ungarn. 15 Pesth, 12. Sept. Mit welch' schnödem Hohne die Reichstagsdeputation, welche den König zur Sanktion der Gesetze nach Pesth einlud, zu Schönbrunn empfangen und entlassen wurde, werden Sie bereits erfahren haben. Mit welcher Spannung man aber hier der Rückkehr der Deputation entgegen sah, läßt sich leicht ermessen, wenn man bedenkt, daß in der Antwort das Sein oder Nichtsein der Selbstständigkeit des ungarischen Volkes liegen sollte. Man beschloß in Schönbrunn das Nichtsein, der Kaiser von Oestreich opferte den König von Ungarn und bestätigte, um die der ungarischen Nation geschlagene Wunde noch tiefer zu graben, zu gleicher Zeit den am 10. Juli zum Hochverräther erklärten Ban von Kroatien in seiner faktisch nie unterbrochenen Thätigkeit. Die Würfel sind nun gefallen, Ungarn muß nun den ungleichen Kampf wagen und wird eher untergehen, als sich in's alte Joch knechten lassen. Eben der Gedanke durchwehte die gestrige Kammersitzung und entschied die Ministerkrise. Schon seit längerer Zeit war das Ministerium in zwei Parteien gespalten; die Fraktion Batthyany wollte Alles auf friedlichem Wege gelöst sehen, und ließ den Strom der Empörung im Süden mit beispielloser Apathie immer höher anschwellen. Die Fraktion Kossuth hingegen wollte gleich Anfangs energisches Einschreiten, offenen Kampf gegen die Kamarilla. Im Ministerium selbst lauerte der Verrath eines Szechenyi, eines Messaros, eines Batthyany, und nun, da sie das Vaterland an den äußersten Rand des Verderbens gebracht, wird der eine wahnsinnig, treten die andern zurück von dem Schauplatze. Das so zerrissene Ministerium reichte also gestern seine Demission dem Palatin ein, der nun die Zügel der Regierung allein zu erfassen und zu führen erklärte. Die willkührliche Verletzung aller Gesetzesformen, selbst von dem bisher geachteten Palatin nach dem schnöden Wortbruche des Königs, brachte aber eine neue Reaktion hervor, und Kossuth übernahm, auf ein altes Gesetz, das in Abwesenheit des Königs dem Parlament die höchste Macht einräumt, gestützt, die von der Kammer ihm angebotene Präsidentschaft des neu zu bildenden Ministeriums, das zwar vom Palatin nicht bestätigt worden, seine Funktionen jedoch nichts destoweniger sofort übernahm, um unter Kossuth's Diktatur den Kampf gegen die alte Despotie zu kämpfen. Aus der Kammer. So eben wird ein Schreiben des Grafen Teleki, Kommandanten des freiwilligen Korps an der kroatischen Gränze, der Kammer mitgetheilt, daß Jellachich die Drau überschritten und bereits auf ungarischem Boden stehend seinen Marsch gegen Ofen angetreten habe. Werden die um Ofen konzentrirten Truppen bei dem Geiste, den die östreichische Armee athmet, dem Schildknappen des Absolutismus ernstlichen Widerstand leisten? Das ist kaum anzunehmen, und Jellachich wird Budapesth gleich Prag und Mailand gut östreichisch machen. Nicht minder verzweifelt sieht es an den römischen Schanzen und im Lager von Szent-Tamas (dem Kriegsschauplatze gegen die Serben) aus, wo das Militär mehr als lau verfährt, die freiwilligen Schaaren und Nationalgarden nicht nur an Erfolgen hemmt, sondern sie sogar im Stiche läßt. Sie werden es jetzt begreiflich finden, wie eine Macht von 60 - 80,000 Mann seit Monaten vor einfachen Verschanzungen steht, wie eine Macht, die unter guter Leitung in weit kürzerer Zeit die stärkste Festung bezwungen hätte, einige Tausend Räuber nicht bezwingen konnte. Verrath von Innen, Verrath von Außen! Nur die Revolution, nur das Vorrücken der Kolonnen der französischen Republik an den Po und Mincio kann uns retten!. Agram. Die Agramer Zeitung schreibt: Hauptquartier der croatisch-slavonischen Armee in Warasdin am 11. Septbr. 1848. Heute um halb 5 Uhr Früh ist unsere Armee, und zwar die Division Kempen, über die Drave; der Ban ist bereits mit seinem Gefolge in das Hauptquartier zurückgekehrt; der Ban und die Armee wurden von jenseitiger Bevölkerung mit Civio empfangen. Redelic und Cakaturn ist von unserer Truppe ohne Schwertstreich und ohne einen Schuß eingenommen worden. Das 3. Bataillon von Ernst hat sich unserer Truppe angeschlossen. Morgen rückt das Hauptquartier nach Redelic. Italien. * Genua hielt am 11. Septbr. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Französische Republik. 17 Paris, 16. Sept. Der Wahlsturm ist los. Die Sozialpartei strengt sich mehr an als früher und ist minder uneinig. Kersausie, Dupoty und Alton Shee haben sich von der Liste gestrichen, um den drei Kandidaten Thoré, Raspail und Cabet nicht Abbruch zu thun. Auch Schölcher, heißt es, wird freiwillig zurücktreten. Wohin man blickt, klebt das kleine Zettelchen mit jenen drei Namen und darüber ein Winkelmaaß und Richtscheid: „Im Namen der demokratisch-sozialen Republik die demokratischen Assoziationen (lies: Klubs) und Arbeiter-Korporationen.“ Auf den Riesenplakaten der Bourgeoisie ist keine Einigkeit. Oft streichen die Blousenmänner den großen Achilles Fould und Adam und Benjamin Delessert und Konsorten weg und kritzeln die drei Volksmänner mit Bleistift hin; oft reißen feingekleidete Messieurs dieses ab, werden vom Volke arretirt, doch von den Polizeiagenten wieder befreit. Die Bourgeois knirschen; ich sprach heute drei Wechselagenten, die fast vor Ingrimm weinten: „Wir, die Junisieger, sind nahe daran, unsere Ordnungskandidaten durchfallen zu sehen. Gestern wichen die Börsenfonds aus Angst vor den sozialistischen Wahlresultaten. Und das Alles unter dem Belagerungszustande! Was wird erst kommen, wenn er aufgehoben ist?„ Die Ordnungspartei darf sich übringens rühmen, auch diesmal eine gränzenlose Anordnung in die Wahloperation gebracht zu haben; alle Demokratenblätter denunziren täglich, wie z. B. die Linie um das Votiren theils geprellt, theils mit Zwangsvotums behelligt wird (fünf Infanteristen hatten für den Arzt Raspail, den Maigefangenen, gestimmt und sitzen dafür in Arrest); wie die Arbeiter der Eisenbahnen und Industrieen bedroht und bestraft werden, wenn sie für die obrigen Drei stimmen; wie der 3. Bezirk, dieses klassische Land der Volksfeinde, seit dem 7. Sept. keine Einschreibungen mehr macht, obschon das Gesetz sie bis zum 14. Sept. gestattet; wie überall das tückische Gerücht ausgesprengt wird, kein in Folge des Juni entwaffneter Bürger dürfe votiren; wie absichtlich der Ausdruck „Identitätsfeststellung“ so vieldeutig gelassen ist, daß jeder der zwölf Maires und Polizeikommissäre ein verschiedenes Personalzeugniß den votirenden Ouviers abverlangt und sie von Pontius zu Pilatus schickt, nur damit sie so die Zeit verpassen. Auch enthalten sich Viele ganz des Votirens, aus Ekel. Höchst wacker ist der Klub „Bonne Nouvelle“, wo der Präsident Bernard, ein sehr tüchtiger Sozialdemokrat, allabendlich 4000 Männern Wahleifer einprägt; er hatte gestern den berüchtigten Herrn Thomas (von den Nationalwerkstätten) geradezu citirt und stellte ihn öffentlich zur Rede wegen seiner Kandidatur neben Girardin und Prinz Bonaparte. Herr Thomas verstummte zu allgemeinem Jubel. Der Arbeiterklub „St. Jean“ im Faubourg St. Antoine, unter dem jungen Sozialdemokraten Barnabé, ist auch sehr wacker. Die Sozialvorlesungen von Dameth, Boulevard du Temple, sind von Frauen und Kindern nicht minder besucht als die Hennequins im Freimaurersaale. Gegen all' dieses haben die Bourgeois bis jetzt nur ihren miserablen „Nationalgardeklub“ in der Chaussee d' Antin zu setzen. Der Kursus Dameth's giebt eine kleine Broschüre heraus, die viel wirkt. „Da steht Ihr nun,“ ruft „La Liberté“ von Lyon, „Ihr elenden Tröpfe in Gold und Seide, Ihr Börsenherren und Arbeitskommandanten, mit all' Euren tausend Kanonen und Mobilen und laßt Bücher schmieren gegen unsere Idee'n, und kein Mensch kauft sie, Ihr großen Geister! ob Herr Thiers oder Herr Tocqueville gegen Kommunismus kritzelt, berührt uns nicht, aber die kleinste Broschüre unserer Autoren verschlingen wir. Und Eure Mobile wird nicht lange mehr mobil bleiben, glaubt's uns; eine Truppe, die, gleich nordamerikanischen Rothhäuten, den an die Fensterläden gebundenen Junigefangenen, zwanzig Minuten lang, unter Lachen, Glied um Glied abschoß, wird nicht immer in Aktivität bleiben.“ Dieses saubere Faktum ist mir <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="0533"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar107_013" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref><hi rendition="#g">Zielscheibe</hi> am Platze lassend, hingegen Kanonen gegen uns gerichtet wurden.</p> <p>„In der Gewißheit, daß jeder von uns zu sterben, keiner von uns sich zu übergeben bereit ist, schwiegen wir trotzig und marschirten gegen eine Abtheilung <hi rendition="#g">deutscher</hi> Grenadiere, welche den Judenplatz absperrte, entschlossen, uns mit dem Bajonette einen Weg zu bahnen.“</p> <p>Auf die Anfrage der Legion ließen diese Grenadiere sie durchpassiren. Wenige Minuten nachher kam vom Kriegsminister aus dem Kriegsgebäude, von wo er sich den „Fang“ ansehen wollte, der Befehl, die eingeschlossenen Akademiker zu verhaften oder zu erschießen.</p> </div> <div xml:id="ar107_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>102</author></bibl> Wien, 14. September.</head> <p>In der heutigen um 10 1/4 Uhr beginnenden Sitzung des Reichstags erstattete die Finanzkommission Bericht über den gestrigen Antrag Brestis, den Gewerben Wiens 2 Mill. Fl. an Unterstützung zukommen zu lassen. Die Debatte, in welcher viel Hexel gehackt wurde, dauerte bis 3 Uhr. Der Antrag wurde trotz der Bohemiens, denen ein ähnlicher Kredit für Prag in Aussicht gestellt wurde, angenommen Die gewerbtreibenden Burger Wiens sind also für einstweilen anti-revolutionair gemacht und dieser Umstand macht die gestrige Versäumniß noch unentschuldbarer.</p> <p>Um 3 Uhr begann eine allgemeine Interpellationshetze wider die kaum ausgeschlafenen Minister. Löhner stellte Latour wegen seiner gestrigen Lügen zur Rede; ebenso Schuselka, der durchaus auf Untersuchung wider den Anonymus drang, der dem Kriegsminister angezeigt, die Aula beabsichtige den Sturz des Ministeriums und die Sprengung des Reichstags. Latour sagt, es sei ein diensteifriger Offizier gewesen, den er nicht nennen würde. Der Reichstag, meist aus Irokesen und bureaukratischen Patrioten bestehend, scheint sich damit zufrieden geben zu wollen.</p> <p>Auch Doblhoff versichert, daß der National-Oberkommandant, zur Verantwortung gezogen, erklärt habe, daß er den Sicherheits-Ausschußzettel nicht aufgesteckt. Durch die Stimmung des Hauses ermuthigt spricht Bach mit der rührendsten Unverschämtheit, daß das Ministerium gestern seine Pflicht gethan, daß es die Freiheit beschützt habe und mit seinem Blute beschutzen werde; daß eine strenge Untersuchung eingeleitet werde; daß die eigentlichen Leiter der Bewegung nicht zum Vorschein gekommen seien (Die Minister?); daß man sie aber zu finden wisse; daß sie nicht nur in der Aula sich befänden, sondern auch ‒ auf die Linke hinsehend ‒ in der Nähe. (Tumult, Zischen und Bravo's).</p> <p>In diesem Augenblicke (5 Uhr) beschäftigt sich das Haus mit der Neuwahl des Präsidenten, des Vicepräsidenten und Sekretare. Um wiedergewählt zu werden, hatten die Bohémiens dafür gesorgt, daß ein dummer Deutscher eben noch eine alberne Anklage wider den Präsidenten Strobach einreichte, die von der Kammer übel aufgenommen wurde und zur Folge haben wird, daß sie aus deutschem Biedersinn und Rechtsgefühl, aus czechisch-slavischem Kamarilla-Geist und aus der Irokesendummheit der Uebrigen den Bohémien Strobach wahrscheinlich wieder zum Präsidenten erwählen wird.</p> </div> <div xml:id="ar107_015" type="jArticle"> <head>Breslau, 14. Septbr.</head> <p>Als Beleg für die im Posenschen, „mit Gott für König und Vaterland“ ausgeübten Brutalitäten dient u. A. ein Schriftchen, das von E. Pehmler verfaßt und bei Zapanski in Posen erschienen, seine „Erlebnisse in der preußischen Gefangenschaft auf der Festung Posen“ enthält. Die „Od. Z.“ theilt folgendes daraus mit:</p> <p>Die Männer, gegen deren Verfahren Ed. <hi rendition="#g">Pehmler</hi> seine Anklage namentlich richtet, sind: Obrist Graf <hi rendition="#g">v. Lüttichau,</hi> Commandeur des 2. Husaren-Regiments; <hi rendition="#g">v. Dittfurth,</hi> Premier-Lieutenant der 5. Jäger-Abtheilung; <hi rendition="#g">v. Vietinghoff,</hi> Lieutenant im 19. Infanterie-Regiment. Ueber das Verfahren des Letztern nur einen Belag. „Mich sperrte dieser Herr Lieutenant ‒ erzählt Pehmler ‒ vom 8. Juni Abends bis zum 12. Morgens in die Grollmannsche Kasematte, welche 48 Fuß tief unter der Erde sich befindet. Weder Sonne noch Mond scheint in dieses scheußliche Gefängniß, in dem das Wasser von den Wänden läuft und das dem Gefangenen zum Lager dienende Stroh durchweg naß ist, hinein. Würmer und Kröten befinden sich darin in bedeutender Zahl und dienen dem darin Sitzenden als Gesellschaft.</p> <p>Jeder wird fragen, welches die Veranlassung war, daß ich in dieses Loch kam? Einfach kann ich nur antworten, daß ich mich bei dem die Kranken besuchenden Militär-Arzte über das schlechte und ungesunde Essen beschwert hatte! Als mich am 12. der <hi rendition="#g">v. Vietinghoff</hi> aus der Kasematte herausholte, in der ich bei Wasser und Brot gesessen, in der man mir in den ersten 24 Stunden auch nicht einmal dieses reichte und in den ersten 48 Stunden nicht gestattete, hinaus zu gehen, um meine Nothdurft zu verrichten, so daß ich gezwungen wurde, dieses in der Kasematte zu thun, sagte er (nämlich der <hi rendition="#g">v. Vietinghoff):</hi> „ Daß Sie nicht Prügel bekommen haben, können Sie mir allein verdanken, denn zudiktirt waren sie Ihnen; bei der nächsten Veranlassung aber, sobald Sie über das Essen oder irgend eine andere Sache sich beklagen, erhalten Sie 25, aber nicht so etwa, daß Sie braun und blau sind, denn das ist gar nichts: sondern daß das Blut spritzen soll. Noch herschen die rothen Kragen in Preußen“, fügte er hinzu, „und der Teufel soll uns die Herrschaft nicht entreißen.“</p> </div> <div xml:id="ar107_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>62</author></bibl> Halle, 15. September.</head> <p>Der hiesige Volksverein hat durch den Abgeordneten für Erfurt an die preußische konstituirende Versammlung eine Adresse eingereicht, in welcher er erklärt: daß der Wille des Volkes, vertreten durch die konstituirende Versammlung, das höchste Gesetz sein müsse, und daß jede Beschränkung desselben vor Feststellung einer Verfassung ein Eingriff in die Rechte des Volkes sei. Der Volksverein schließt mit der Erklärung: „daß er gegen jedes Ministerium, welches die Beschlüsse der konstituirenden Versammlung nicht auszuführen gedenkt, im Namen der durch die Revolution errungenen Souveränetät des Volkes, auf das Nachdrücklichste protestirt.</p> </div> <div xml:id="ar107_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>G.</author></bibl> Elberfeld, 15. September.</head> <p>Der wohlbekannte Ex-Landtagsdeputirte und Banquier, Herr August von der <hi rendition="#g">Heydt,</hi> welchen einige Journale sogar als Preußen's künftigen Finanzminister bezeichnet haben, hat eine Adresse gegen die Vereinbarungs-Versammlung, in Folge ihres Beschlusses vom 7. September, zu Stande gebracht. Dagegen hat indeß sofort das Volk von Elberfeld protestirt. Eine Volksversammlung auf dem Rathhause, eine andere im politischen Klub, die dritte unter freiem Himmel haben Proteste gegen das von der Heydt'sche Attentat beschlossen und die mit Tausenden von Unterschriften bedeckten Adressen an die Berliner Versammlung kommen überein in der Erklärung: daß die Versammlung, wenn eine Auflösung versucht werden möchte, bis zur Vollendung des Verfassungswerkes sich <hi rendition="#g">permanent</hi> erkläre und auf das Volk stütze, welches die Versammlung mit Gut und Blut zu schützen bereit ist.</p> </div> <div xml:id="ar107_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>!</author></bibl> Kassel, 16. Sept.</head> <p>Es ist ruhig bei uns. Nachdem so und so viel Unschuldige arretirt und außerdem bei der Arrestation von Bürgergarde und von Schutzwache mit Kolben gelauf't sind etc. ist Alles ruhig. Ein verwundeter Arrestant ist in der Untersuchungshaft gestorben. Die Haupthelden beim Einschreiten waren solche Leute, die erst dann Courage haben, wenn sie sich in Masse zusammen sehen; junge brodlose Schutzmänner, oder neubebartete Referendare. Die Wuth der Bourgeoisie war erhaben. Bei jeder Kleinigkeit wird Alarm geschlagen, und wenn man zusammen ist, ist Alles vorüber. Nun wird ins Blinde gewüthet und Jeder verhaftet, der eine Miene verzieht. Die Reaktionäre scheinen gehofft zu haben, daß die Tumulte fortdauern würden, trotz alles Bürgerwehraklarms. Man ließ der Bürgerwehr eine Frist von 24 Stunden stellen; wenn sie bis dahin nicht Ruhe hergestellt habe, solle das Militär einschreiten. Diesen Befehl hatte der interimistische Vorstand des Innern <hi rendition="#g">Hr. Wippermann</hi> gegeben.</p> <p>Dieser Hr. Wippermann soll das Portefeuille des Finanzministeriums mit dem Versprechen angetreten haben, einen Vergleich zwischen Fürst und Land zu bewirken, was das <hi rendition="#g">liebe Geld</hi> betrifft. Im Augenblick ist er mal wieder in Frankfurt, hofft mit den andern Männern dort auch Minister zu werden. So ein Reichsministerium: Bassermann, Biedermann, Eisenmann, Wippermann könnte uns sehr glücklich machen.</p> <p>Wiedermal hat Kurhessen keinen Kriegsminister. Der alte Hr. v. Bardeleben soll doch nicht so gichtbrüchig gewesen sein, wie wir glaubten. Er hat dem Kurfürsten 4 Wochen lang böse Tage gemacht. Aber S. kön. Hoheit sind nach wie vor Generalissimus der Armee und uniformiren, kommandiren und graduiren nach Höchstdero erhabener Einsicht. So'n armer Kriegsminister muß das Geld anschaffen; er ist wie die alten Landstände zum <hi rendition="#g">Verwilligen</hi> da, sonst …‥ Das hat denn der alte Haudegen nicht thun wollen. Hauptsächlich aber soll der Umstand seinen Zurücktritt verursacht haben, daß er das Avancement von Unteroffizieren zu Offizieren verlangt hat, und daß dieses Verlangen Allergnädigst abgeschlagen wurde. Eine Portion unmündiger Burschen sind wieder Offiziere geworden. In der Kaserne ist die Stimmung darüber nicht die allerbeste, wie im Allgemeinen der Geist unserer Soldaten eben nicht ein sehr subordinationsmäßiger genannt werden kann. Kürzlich haben Soldaten ihren eigenen Rittmeister ausgepfiffen, der sich thätlich an einem seiner Leute vergriffen hatte. Der Rittmeister bekam kurzen Strafarrest. Die Soldaten und das Volk mit ihnen beabsichtigten eine Katzenmusik für den Wütherich, wie man sagt. Seit drei Nächten sind die Wachen wieder verstärkt, und die Zugänge zum Hause des edlen Rittmeisters besetzt. Das Zeughaus wird jede Nacht von einer Kompagnie Soldaten bewacht, die alle 2 Stunden abgelöst wird. Die Leute sollen mit Gewalt wüthend werden. Aber sie merken sehr gut, was man beabsichtigt; sie sagen, es soll uns nicht darauf ankommen, ob wir einige Stunden mehr oder weniger schlafen, wir halten zum Volk. An Ausstreuung von Gerüchten fehlt es nicht. Denn soll die demokratische Partei am 15., dann am 20. eine Schilderhebung beabsichtigen.</p> <p>Der Zurücktritt des Kriegsministers und der Umstand, daß wieder kein anderer zu finden ist, hat dem Deputirten <hi rendition="#g">Henkel</hi> in der gestrigen Ständesitzung Gelegenheit gegeben, nochmals auf seinen frühern Antrag zurückzukommen, daß der Fürst nicht mehr Generalissimus der Armee sein dürfe. Wird nächstens zur Abstimmung kommen.</p> <p>Der demokratische Verein hatte während der Crawalltage seine regelmäßigen öffentlichen Sitzung ausgesetzt, um den Philisterseelen jeden Vorwand zu nehmen, ihn mit den Unruhen zu identifiziren. Das demokratische Element ist übrigens im Zunehmen, namentlich seit den letzten Reaktionsversuchen in Berlin und Wien. Gegen die Berliner Camarilla herrscht hier durchgehends die furchtbarste Erbitterung; sie zeigte sich namentlich in einer Volksversammlung, wo von den Demokraten (von Wallach und Kellner) eine Adresse an die Nationalversammlung und ein Zuruf an die Schleswig-Holsteiner (betreffend den Waffenstillstand) vorgeschlagen und mit donnerndem Applaus angenommen wurde. Die Erbitterung gegen die preußischen Hofschurken zeigte sich ebenfalls in der gestrigen Sitzung des demokratisch-sozialen Vereins, wo Dr. Kellner bei der Darstellung der reaktionären Bestrebungen die schauderhaften Vorfälle in Mainz schilderte. Die Menge, mit ihr die anwesenden Militärs, rief Fluch und Schmach auf die Urheber dieser Gräuelthaten. Auch der Bürgerverein sucht sich aus seiner schiefen Stellung, die er durch seine Manöver in der Wahlangelegenheit eingenommen hatte, empor zu winden. Er hat einen Aufruf an alle nationalen Vereine in Deutschland ergehen lassen, welcher Partei sie angehören mögen, insgesammt der Reaktion entgegenzutreten, und zu dem Behufe einen großen Congreß zu halten. Dem demokr.-sozialen Verein in Kassel aber hat er noch Nichts zukommen lassen, dieser könnte ihm zuvorkommen, wie er das bei den meisten Sachen gethan hat.</p> </div> <div xml:id="ar107_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>!</author></bibl> Kassel, 17. Sept.</head> <p>Am 10. hatten wir hier ein Turnfest. An der Spitze der hiesigen Turngemeinde steht der Deput. <hi rendition="#g">Henkel;</hi> und wie dieser Mann mit einem Fuß noch in dem Constitutionalismus steht, so ging es auch seiner Turngemeinde. An seinem Feste aber waren viele fremde Turner zugegen; und namentlich die anwesenden Göttinger sprachen sich dahin aus, ein Turner müsse ein Republikaner sein. Der Dep. Henkel übersetzte nur das Wort Republikaner in Demokrat; ob er nun mit seinen Turnern sich wirklich zur Republik gewendet hat? An diesem <hi rendition="#g">Tage</hi> kam der Spaß vor, daß plötzlich die Gewehre des Militärs, welche auf dem Königsplatze standen, während die Soldaten in der Kirche waren, nach der Kaserne geschafft wurden. Der Kurfürst selbst soll den Befehl gegeben haben. Die Angst ist groß! ‒ Am 15. war der Jahrestag der ersten Verfassungsverheißung (am 15. Sept. 1830). Die Demokraten der Burgergarde drangen darauf, daß man diesen Tag festlich begehe, einmal, weil er der Anfang vom Ende ist, dann weil man ihn früher in Kassel nicht feiern durfte, zuletzt weil man den 20. Aug. (den Geburtstag des Kurfürsten) gefeiert habe. Es wurde eine Bürgerparade abgehalten vor dem Kommandeur und einigen Ministern.</p> </div> <div xml:id="ar107_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>14</author></bibl> Hamm, 17. Sept.</head> <p>Gestern hat bei uns ein unpolitischer Kongreß stattgefunden. Eine große Anzahl alter Corpsburschen, die sich im burgerlichen Leben die vielversprechende Stellung als Auskultatoren, Referendarien und unbesoldete Assessoren erschwungen, aber trotzdem von dem schönen Burschenleben nichts gelernt und nichts vergessen haben, hielten hier eine Zusammenkunft. Ueber den Zweck dieser Versammlung ist nichts in's Publikum gedrungen. Die Sitzung war für öffentlich erklärt, der Zufall nur wollte, daß das Lokal, in welchem die Gerechtigkeit tagte, das Monopol der heiligen Hermandat und statutenmäßig dem Pöbel unzugänglich ist. So viel aber steht fest, daß das festordnende Comité eine Anzahl der beliebtesten Lieder aus dem Commersbuche abgedruckt und an die Fremden vertheilt hat, woraus zu entnehmen, daß die Tagesordnung eine sehr gemüthliche gewesen. Am besten sollen die neuen Volkslieder „Schleswig-Holstein meerumschlungen“ und „Rinaldini“ gefallen haben; ich hörte Morgens 2 Uhr, einen heimkehrenden Trupp angehender Justizminister diese schönen Weisen mit tiefer Andacht und inbrünstiger Begeisterung absingen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn.</head> <div xml:id="ar107_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Pesth, 12. Sept.</head> <p>Mit welch' schnödem Hohne die Reichstagsdeputation, welche den König zur Sanktion der Gesetze nach Pesth einlud, zu Schönbrunn empfangen und entlassen wurde, werden Sie bereits erfahren haben. Mit welcher Spannung man aber hier der Rückkehr der Deputation entgegen sah, läßt sich leicht ermessen, wenn man bedenkt, daß in der Antwort das Sein oder Nichtsein der Selbstständigkeit des ungarischen Volkes liegen sollte. Man beschloß in Schönbrunn das Nichtsein, der Kaiser von Oestreich opferte den König von Ungarn und bestätigte, um die der ungarischen Nation geschlagene Wunde noch tiefer zu graben, zu gleicher Zeit den am 10. Juli zum Hochverräther erklärten Ban von Kroatien in seiner faktisch nie unterbrochenen Thätigkeit. Die Würfel sind nun gefallen, Ungarn muß nun den ungleichen Kampf wagen und wird eher untergehen, als sich in's alte Joch knechten lassen. Eben der Gedanke durchwehte die gestrige Kammersitzung und entschied die Ministerkrise. Schon seit längerer Zeit war das Ministerium in zwei Parteien gespalten; die Fraktion Batthyany wollte Alles auf friedlichem Wege gelöst sehen, und ließ den Strom der Empörung im Süden mit beispielloser Apathie immer höher anschwellen. Die Fraktion Kossuth hingegen wollte gleich Anfangs energisches Einschreiten, offenen Kampf gegen die Kamarilla. Im Ministerium selbst lauerte der Verrath eines Szechenyi, eines Messaros, eines Batthyany, und nun, da sie das Vaterland an den äußersten Rand des Verderbens gebracht, wird der eine wahnsinnig, treten die andern zurück von dem Schauplatze. Das so zerrissene Ministerium reichte also gestern seine Demission dem Palatin ein, der nun die Zügel der Regierung allein zu erfassen und zu führen erklärte. Die willkührliche Verletzung aller Gesetzesformen, selbst von dem bisher geachteten Palatin nach dem schnöden Wortbruche des Königs, brachte aber eine neue Reaktion hervor, und Kossuth übernahm, auf ein altes Gesetz, das in Abwesenheit des Königs dem Parlament die höchste Macht einräumt, gestützt, die von der Kammer ihm angebotene Präsidentschaft des neu zu bildenden Ministeriums, das zwar vom Palatin nicht bestätigt worden, seine Funktionen jedoch nichts destoweniger sofort übernahm, um unter Kossuth's Diktatur den Kampf gegen die alte Despotie zu kämpfen.</p> <p>Aus der Kammer. So eben wird ein Schreiben des Grafen Teleki, Kommandanten des freiwilligen Korps an der kroatischen Gränze, der Kammer mitgetheilt, daß Jellachich die Drau überschritten und bereits auf ungarischem Boden stehend seinen Marsch gegen Ofen angetreten habe. Werden die um Ofen konzentrirten Truppen bei dem Geiste, den die östreichische Armee athmet, dem Schildknappen des Absolutismus ernstlichen Widerstand leisten? Das ist kaum anzunehmen, und Jellachich wird Budapesth gleich Prag und Mailand gut östreichisch machen. Nicht minder verzweifelt sieht es an den römischen Schanzen und im Lager von Szent-Tamas (dem Kriegsschauplatze gegen die Serben) aus, wo das Militär mehr als lau verfährt, die freiwilligen Schaaren und Nationalgarden nicht nur an Erfolgen hemmt, sondern sie sogar im Stiche läßt. Sie werden es jetzt begreiflich finden, wie eine Macht von 60 - 80,000 Mann seit Monaten vor einfachen Verschanzungen steht, wie eine Macht, die unter guter Leitung in weit kürzerer Zeit die stärkste Festung bezwungen hätte, einige Tausend Räuber nicht bezwingen konnte. Verrath von Innen, Verrath von Außen! Nur die Revolution, nur das Vorrücken der Kolonnen der französischen Republik an den Po und Mincio kann uns retten!.</p> </div> <div xml:id="ar107_022" type="jArticle"> <head>Agram.</head> <p>Die Agramer Zeitung schreibt: Hauptquartier der croatisch-slavonischen Armee in Warasdin am 11. Septbr. 1848.</p> <p>Heute um halb 5 Uhr Früh ist unsere Armee, und zwar die Division Kempen, über die Drave; der Ban ist bereits mit seinem Gefolge in das Hauptquartier zurückgekehrt; der Ban und die Armee wurden von jenseitiger Bevölkerung mit Civio empfangen. Redelic und Cakaturn ist von unserer Truppe ohne Schwertstreich und ohne einen Schuß eingenommen worden. Das 3. Bataillon von Ernst hat sich unserer Truppe angeschlossen. Morgen rückt das Hauptquartier nach Redelic.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar107_023_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Italien. 20. September 1848. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 726.</bibl> </note> <head><bibl><author>*</author></bibl> Genua hielt am 11. Septbr. </head> <gap reason="copyright"/> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar107_024" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 16. Sept. </head> <p>Der Wahlsturm ist los. Die Sozialpartei strengt sich mehr an als früher und ist minder uneinig. Kersausie, Dupoty und Alton Shee haben sich von der Liste gestrichen, um den drei Kandidaten <hi rendition="#g">Thoré, Raspail</hi> und <hi rendition="#g">Cabet</hi> nicht Abbruch zu thun. Auch Schölcher, heißt es, wird freiwillig zurücktreten. Wohin man blickt, klebt das kleine Zettelchen mit jenen drei Namen und darüber ein Winkelmaaß und Richtscheid: „Im Namen der demokratisch-sozialen Republik die demokratischen Assoziationen (lies: Klubs) und Arbeiter-Korporationen.“ Auf den Riesenplakaten der Bourgeoisie ist keine Einigkeit. Oft streichen die Blousenmänner den großen Achilles Fould und Adam und Benjamin Delessert und Konsorten weg und kritzeln die drei Volksmänner mit Bleistift hin; oft reißen feingekleidete Messieurs dieses ab, werden vom Volke arretirt, doch von den Polizeiagenten wieder befreit. <hi rendition="#g">Die Bourgeois knirschen;</hi> ich sprach heute drei Wechselagenten, die fast vor Ingrimm weinten: „Wir, die Junisieger, sind nahe daran, unsere Ordnungskandidaten durchfallen zu sehen. <hi rendition="#g">Gestern wichen die Börsenfonds aus Angst vor den sozialistischen Wahlresultaten.</hi> Und das Alles unter dem Belagerungszustande! Was wird erst kommen, wenn er aufgehoben ist?„ Die Ordnungspartei darf sich übringens rühmen, auch diesmal eine gränzenlose Anordnung in die Wahloperation gebracht zu haben; alle Demokratenblätter denunziren täglich, wie z. B. die Linie um das Votiren theils geprellt, theils mit Zwangsvotums behelligt wird (fünf Infanteristen hatten für den Arzt Raspail, den Maigefangenen, gestimmt und sitzen dafür in Arrest); wie die Arbeiter der Eisenbahnen und Industrieen bedroht und bestraft werden, wenn sie für die obrigen Drei stimmen; wie der 3. Bezirk, dieses klassische Land der Volksfeinde, seit dem 7. Sept. keine Einschreibungen mehr macht, obschon das Gesetz sie bis zum 14. Sept. gestattet; wie überall das tückische Gerücht ausgesprengt wird, kein in Folge des Juni entwaffneter Bürger dürfe votiren; wie absichtlich der Ausdruck „Identitätsfeststellung“ so vieldeutig gelassen ist, daß jeder der zwölf Maires und Polizeikommissäre ein verschiedenes Personalzeugniß den votirenden Ouviers abverlangt und sie von Pontius zu Pilatus schickt, nur damit sie so die Zeit verpassen. Auch enthalten sich Viele ganz des Votirens, aus Ekel. Höchst wacker ist der Klub „Bonne Nouvelle“, wo der Präsident Bernard, ein sehr tüchtiger Sozialdemokrat, allabendlich 4000 Männern Wahleifer einprägt; er hatte gestern den berüchtigten Herrn Thomas (von den Nationalwerkstätten) geradezu citirt und stellte ihn öffentlich zur Rede wegen seiner Kandidatur neben Girardin und Prinz Bonaparte. Herr Thomas verstummte zu allgemeinem Jubel. Der Arbeiterklub „St. Jean“ im Faubourg St. Antoine, unter dem jungen Sozialdemokraten Barnabé, ist auch sehr wacker. Die Sozialvorlesungen von Dameth, Boulevard du Temple, sind von Frauen und Kindern nicht minder besucht als die Hennequins im Freimaurersaale. Gegen all' dieses haben die Bourgeois bis jetzt nur ihren miserablen „Nationalgardeklub“ in der Chaussee d' Antin zu setzen. Der Kursus Dameth's giebt eine kleine Broschüre heraus, die viel wirkt. „Da steht Ihr nun,“ ruft „La Liberté“ von Lyon, „Ihr elenden Tröpfe in Gold und Seide, Ihr Börsenherren und Arbeitskommandanten, mit all' Euren tausend Kanonen und Mobilen und laßt Bücher schmieren gegen unsere Idee'n, und kein Mensch kauft sie, Ihr großen Geister! ob Herr Thiers oder Herr Tocqueville gegen Kommunismus kritzelt, berührt uns nicht, aber die kleinste Broschüre <hi rendition="#g">unserer</hi> Autoren verschlingen wir. Und Eure Mobile wird nicht lange mehr mobil bleiben, glaubt's uns; eine Truppe, die, gleich nordamerikanischen Rothhäuten, <hi rendition="#g">den an die Fensterläden gebundenen Junigefangenen, zwanzig Minuten lang, unter Lachen, Glied um Glied abschoß,</hi> wird nicht immer in Aktivität bleiben.“ Dieses saubere Faktum ist mir </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0533/0003]
[Deutschland] [Fortsetzung] Zielscheibe am Platze lassend, hingegen Kanonen gegen uns gerichtet wurden.
„In der Gewißheit, daß jeder von uns zu sterben, keiner von uns sich zu übergeben bereit ist, schwiegen wir trotzig und marschirten gegen eine Abtheilung deutscher Grenadiere, welche den Judenplatz absperrte, entschlossen, uns mit dem Bajonette einen Weg zu bahnen.“
Auf die Anfrage der Legion ließen diese Grenadiere sie durchpassiren. Wenige Minuten nachher kam vom Kriegsminister aus dem Kriegsgebäude, von wo er sich den „Fang“ ansehen wollte, der Befehl, die eingeschlossenen Akademiker zu verhaften oder zu erschießen.
102 Wien, 14. September. In der heutigen um 10 1/4 Uhr beginnenden Sitzung des Reichstags erstattete die Finanzkommission Bericht über den gestrigen Antrag Brestis, den Gewerben Wiens 2 Mill. Fl. an Unterstützung zukommen zu lassen. Die Debatte, in welcher viel Hexel gehackt wurde, dauerte bis 3 Uhr. Der Antrag wurde trotz der Bohemiens, denen ein ähnlicher Kredit für Prag in Aussicht gestellt wurde, angenommen Die gewerbtreibenden Burger Wiens sind also für einstweilen anti-revolutionair gemacht und dieser Umstand macht die gestrige Versäumniß noch unentschuldbarer.
Um 3 Uhr begann eine allgemeine Interpellationshetze wider die kaum ausgeschlafenen Minister. Löhner stellte Latour wegen seiner gestrigen Lügen zur Rede; ebenso Schuselka, der durchaus auf Untersuchung wider den Anonymus drang, der dem Kriegsminister angezeigt, die Aula beabsichtige den Sturz des Ministeriums und die Sprengung des Reichstags. Latour sagt, es sei ein diensteifriger Offizier gewesen, den er nicht nennen würde. Der Reichstag, meist aus Irokesen und bureaukratischen Patrioten bestehend, scheint sich damit zufrieden geben zu wollen.
Auch Doblhoff versichert, daß der National-Oberkommandant, zur Verantwortung gezogen, erklärt habe, daß er den Sicherheits-Ausschußzettel nicht aufgesteckt. Durch die Stimmung des Hauses ermuthigt spricht Bach mit der rührendsten Unverschämtheit, daß das Ministerium gestern seine Pflicht gethan, daß es die Freiheit beschützt habe und mit seinem Blute beschutzen werde; daß eine strenge Untersuchung eingeleitet werde; daß die eigentlichen Leiter der Bewegung nicht zum Vorschein gekommen seien (Die Minister?); daß man sie aber zu finden wisse; daß sie nicht nur in der Aula sich befänden, sondern auch ‒ auf die Linke hinsehend ‒ in der Nähe. (Tumult, Zischen und Bravo's).
In diesem Augenblicke (5 Uhr) beschäftigt sich das Haus mit der Neuwahl des Präsidenten, des Vicepräsidenten und Sekretare. Um wiedergewählt zu werden, hatten die Bohémiens dafür gesorgt, daß ein dummer Deutscher eben noch eine alberne Anklage wider den Präsidenten Strobach einreichte, die von der Kammer übel aufgenommen wurde und zur Folge haben wird, daß sie aus deutschem Biedersinn und Rechtsgefühl, aus czechisch-slavischem Kamarilla-Geist und aus der Irokesendummheit der Uebrigen den Bohémien Strobach wahrscheinlich wieder zum Präsidenten erwählen wird.
Breslau, 14. Septbr. Als Beleg für die im Posenschen, „mit Gott für König und Vaterland“ ausgeübten Brutalitäten dient u. A. ein Schriftchen, das von E. Pehmler verfaßt und bei Zapanski in Posen erschienen, seine „Erlebnisse in der preußischen Gefangenschaft auf der Festung Posen“ enthält. Die „Od. Z.“ theilt folgendes daraus mit:
Die Männer, gegen deren Verfahren Ed. Pehmler seine Anklage namentlich richtet, sind: Obrist Graf v. Lüttichau, Commandeur des 2. Husaren-Regiments; v. Dittfurth, Premier-Lieutenant der 5. Jäger-Abtheilung; v. Vietinghoff, Lieutenant im 19. Infanterie-Regiment. Ueber das Verfahren des Letztern nur einen Belag. „Mich sperrte dieser Herr Lieutenant ‒ erzählt Pehmler ‒ vom 8. Juni Abends bis zum 12. Morgens in die Grollmannsche Kasematte, welche 48 Fuß tief unter der Erde sich befindet. Weder Sonne noch Mond scheint in dieses scheußliche Gefängniß, in dem das Wasser von den Wänden läuft und das dem Gefangenen zum Lager dienende Stroh durchweg naß ist, hinein. Würmer und Kröten befinden sich darin in bedeutender Zahl und dienen dem darin Sitzenden als Gesellschaft.
Jeder wird fragen, welches die Veranlassung war, daß ich in dieses Loch kam? Einfach kann ich nur antworten, daß ich mich bei dem die Kranken besuchenden Militär-Arzte über das schlechte und ungesunde Essen beschwert hatte! Als mich am 12. der v. Vietinghoff aus der Kasematte herausholte, in der ich bei Wasser und Brot gesessen, in der man mir in den ersten 24 Stunden auch nicht einmal dieses reichte und in den ersten 48 Stunden nicht gestattete, hinaus zu gehen, um meine Nothdurft zu verrichten, so daß ich gezwungen wurde, dieses in der Kasematte zu thun, sagte er (nämlich der v. Vietinghoff): „ Daß Sie nicht Prügel bekommen haben, können Sie mir allein verdanken, denn zudiktirt waren sie Ihnen; bei der nächsten Veranlassung aber, sobald Sie über das Essen oder irgend eine andere Sache sich beklagen, erhalten Sie 25, aber nicht so etwa, daß Sie braun und blau sind, denn das ist gar nichts: sondern daß das Blut spritzen soll. Noch herschen die rothen Kragen in Preußen“, fügte er hinzu, „und der Teufel soll uns die Herrschaft nicht entreißen.“
62 Halle, 15. September. Der hiesige Volksverein hat durch den Abgeordneten für Erfurt an die preußische konstituirende Versammlung eine Adresse eingereicht, in welcher er erklärt: daß der Wille des Volkes, vertreten durch die konstituirende Versammlung, das höchste Gesetz sein müsse, und daß jede Beschränkung desselben vor Feststellung einer Verfassung ein Eingriff in die Rechte des Volkes sei. Der Volksverein schließt mit der Erklärung: „daß er gegen jedes Ministerium, welches die Beschlüsse der konstituirenden Versammlung nicht auszuführen gedenkt, im Namen der durch die Revolution errungenen Souveränetät des Volkes, auf das Nachdrücklichste protestirt.
G. Elberfeld, 15. September. Der wohlbekannte Ex-Landtagsdeputirte und Banquier, Herr August von der Heydt, welchen einige Journale sogar als Preußen's künftigen Finanzminister bezeichnet haben, hat eine Adresse gegen die Vereinbarungs-Versammlung, in Folge ihres Beschlusses vom 7. September, zu Stande gebracht. Dagegen hat indeß sofort das Volk von Elberfeld protestirt. Eine Volksversammlung auf dem Rathhause, eine andere im politischen Klub, die dritte unter freiem Himmel haben Proteste gegen das von der Heydt'sche Attentat beschlossen und die mit Tausenden von Unterschriften bedeckten Adressen an die Berliner Versammlung kommen überein in der Erklärung: daß die Versammlung, wenn eine Auflösung versucht werden möchte, bis zur Vollendung des Verfassungswerkes sich permanent erkläre und auf das Volk stütze, welches die Versammlung mit Gut und Blut zu schützen bereit ist.
! Kassel, 16. Sept. Es ist ruhig bei uns. Nachdem so und so viel Unschuldige arretirt und außerdem bei der Arrestation von Bürgergarde und von Schutzwache mit Kolben gelauf't sind etc. ist Alles ruhig. Ein verwundeter Arrestant ist in der Untersuchungshaft gestorben. Die Haupthelden beim Einschreiten waren solche Leute, die erst dann Courage haben, wenn sie sich in Masse zusammen sehen; junge brodlose Schutzmänner, oder neubebartete Referendare. Die Wuth der Bourgeoisie war erhaben. Bei jeder Kleinigkeit wird Alarm geschlagen, und wenn man zusammen ist, ist Alles vorüber. Nun wird ins Blinde gewüthet und Jeder verhaftet, der eine Miene verzieht. Die Reaktionäre scheinen gehofft zu haben, daß die Tumulte fortdauern würden, trotz alles Bürgerwehraklarms. Man ließ der Bürgerwehr eine Frist von 24 Stunden stellen; wenn sie bis dahin nicht Ruhe hergestellt habe, solle das Militär einschreiten. Diesen Befehl hatte der interimistische Vorstand des Innern Hr. Wippermann gegeben.
Dieser Hr. Wippermann soll das Portefeuille des Finanzministeriums mit dem Versprechen angetreten haben, einen Vergleich zwischen Fürst und Land zu bewirken, was das liebe Geld betrifft. Im Augenblick ist er mal wieder in Frankfurt, hofft mit den andern Männern dort auch Minister zu werden. So ein Reichsministerium: Bassermann, Biedermann, Eisenmann, Wippermann könnte uns sehr glücklich machen.
Wiedermal hat Kurhessen keinen Kriegsminister. Der alte Hr. v. Bardeleben soll doch nicht so gichtbrüchig gewesen sein, wie wir glaubten. Er hat dem Kurfürsten 4 Wochen lang böse Tage gemacht. Aber S. kön. Hoheit sind nach wie vor Generalissimus der Armee und uniformiren, kommandiren und graduiren nach Höchstdero erhabener Einsicht. So'n armer Kriegsminister muß das Geld anschaffen; er ist wie die alten Landstände zum Verwilligen da, sonst …‥ Das hat denn der alte Haudegen nicht thun wollen. Hauptsächlich aber soll der Umstand seinen Zurücktritt verursacht haben, daß er das Avancement von Unteroffizieren zu Offizieren verlangt hat, und daß dieses Verlangen Allergnädigst abgeschlagen wurde. Eine Portion unmündiger Burschen sind wieder Offiziere geworden. In der Kaserne ist die Stimmung darüber nicht die allerbeste, wie im Allgemeinen der Geist unserer Soldaten eben nicht ein sehr subordinationsmäßiger genannt werden kann. Kürzlich haben Soldaten ihren eigenen Rittmeister ausgepfiffen, der sich thätlich an einem seiner Leute vergriffen hatte. Der Rittmeister bekam kurzen Strafarrest. Die Soldaten und das Volk mit ihnen beabsichtigten eine Katzenmusik für den Wütherich, wie man sagt. Seit drei Nächten sind die Wachen wieder verstärkt, und die Zugänge zum Hause des edlen Rittmeisters besetzt. Das Zeughaus wird jede Nacht von einer Kompagnie Soldaten bewacht, die alle 2 Stunden abgelöst wird. Die Leute sollen mit Gewalt wüthend werden. Aber sie merken sehr gut, was man beabsichtigt; sie sagen, es soll uns nicht darauf ankommen, ob wir einige Stunden mehr oder weniger schlafen, wir halten zum Volk. An Ausstreuung von Gerüchten fehlt es nicht. Denn soll die demokratische Partei am 15., dann am 20. eine Schilderhebung beabsichtigen.
Der Zurücktritt des Kriegsministers und der Umstand, daß wieder kein anderer zu finden ist, hat dem Deputirten Henkel in der gestrigen Ständesitzung Gelegenheit gegeben, nochmals auf seinen frühern Antrag zurückzukommen, daß der Fürst nicht mehr Generalissimus der Armee sein dürfe. Wird nächstens zur Abstimmung kommen.
Der demokratische Verein hatte während der Crawalltage seine regelmäßigen öffentlichen Sitzung ausgesetzt, um den Philisterseelen jeden Vorwand zu nehmen, ihn mit den Unruhen zu identifiziren. Das demokratische Element ist übrigens im Zunehmen, namentlich seit den letzten Reaktionsversuchen in Berlin und Wien. Gegen die Berliner Camarilla herrscht hier durchgehends die furchtbarste Erbitterung; sie zeigte sich namentlich in einer Volksversammlung, wo von den Demokraten (von Wallach und Kellner) eine Adresse an die Nationalversammlung und ein Zuruf an die Schleswig-Holsteiner (betreffend den Waffenstillstand) vorgeschlagen und mit donnerndem Applaus angenommen wurde. Die Erbitterung gegen die preußischen Hofschurken zeigte sich ebenfalls in der gestrigen Sitzung des demokratisch-sozialen Vereins, wo Dr. Kellner bei der Darstellung der reaktionären Bestrebungen die schauderhaften Vorfälle in Mainz schilderte. Die Menge, mit ihr die anwesenden Militärs, rief Fluch und Schmach auf die Urheber dieser Gräuelthaten. Auch der Bürgerverein sucht sich aus seiner schiefen Stellung, die er durch seine Manöver in der Wahlangelegenheit eingenommen hatte, empor zu winden. Er hat einen Aufruf an alle nationalen Vereine in Deutschland ergehen lassen, welcher Partei sie angehören mögen, insgesammt der Reaktion entgegenzutreten, und zu dem Behufe einen großen Congreß zu halten. Dem demokr.-sozialen Verein in Kassel aber hat er noch Nichts zukommen lassen, dieser könnte ihm zuvorkommen, wie er das bei den meisten Sachen gethan hat.
! Kassel, 17. Sept. Am 10. hatten wir hier ein Turnfest. An der Spitze der hiesigen Turngemeinde steht der Deput. Henkel; und wie dieser Mann mit einem Fuß noch in dem Constitutionalismus steht, so ging es auch seiner Turngemeinde. An seinem Feste aber waren viele fremde Turner zugegen; und namentlich die anwesenden Göttinger sprachen sich dahin aus, ein Turner müsse ein Republikaner sein. Der Dep. Henkel übersetzte nur das Wort Republikaner in Demokrat; ob er nun mit seinen Turnern sich wirklich zur Republik gewendet hat? An diesem Tage kam der Spaß vor, daß plötzlich die Gewehre des Militärs, welche auf dem Königsplatze standen, während die Soldaten in der Kirche waren, nach der Kaserne geschafft wurden. Der Kurfürst selbst soll den Befehl gegeben haben. Die Angst ist groß! ‒ Am 15. war der Jahrestag der ersten Verfassungsverheißung (am 15. Sept. 1830). Die Demokraten der Burgergarde drangen darauf, daß man diesen Tag festlich begehe, einmal, weil er der Anfang vom Ende ist, dann weil man ihn früher in Kassel nicht feiern durfte, zuletzt weil man den 20. Aug. (den Geburtstag des Kurfürsten) gefeiert habe. Es wurde eine Bürgerparade abgehalten vor dem Kommandeur und einigen Ministern.
14 Hamm, 17. Sept. Gestern hat bei uns ein unpolitischer Kongreß stattgefunden. Eine große Anzahl alter Corpsburschen, die sich im burgerlichen Leben die vielversprechende Stellung als Auskultatoren, Referendarien und unbesoldete Assessoren erschwungen, aber trotzdem von dem schönen Burschenleben nichts gelernt und nichts vergessen haben, hielten hier eine Zusammenkunft. Ueber den Zweck dieser Versammlung ist nichts in's Publikum gedrungen. Die Sitzung war für öffentlich erklärt, der Zufall nur wollte, daß das Lokal, in welchem die Gerechtigkeit tagte, das Monopol der heiligen Hermandat und statutenmäßig dem Pöbel unzugänglich ist. So viel aber steht fest, daß das festordnende Comité eine Anzahl der beliebtesten Lieder aus dem Commersbuche abgedruckt und an die Fremden vertheilt hat, woraus zu entnehmen, daß die Tagesordnung eine sehr gemüthliche gewesen. Am besten sollen die neuen Volkslieder „Schleswig-Holstein meerumschlungen“ und „Rinaldini“ gefallen haben; ich hörte Morgens 2 Uhr, einen heimkehrenden Trupp angehender Justizminister diese schönen Weisen mit tiefer Andacht und inbrünstiger Begeisterung absingen.
Ungarn. 15 Pesth, 12. Sept. Mit welch' schnödem Hohne die Reichstagsdeputation, welche den König zur Sanktion der Gesetze nach Pesth einlud, zu Schönbrunn empfangen und entlassen wurde, werden Sie bereits erfahren haben. Mit welcher Spannung man aber hier der Rückkehr der Deputation entgegen sah, läßt sich leicht ermessen, wenn man bedenkt, daß in der Antwort das Sein oder Nichtsein der Selbstständigkeit des ungarischen Volkes liegen sollte. Man beschloß in Schönbrunn das Nichtsein, der Kaiser von Oestreich opferte den König von Ungarn und bestätigte, um die der ungarischen Nation geschlagene Wunde noch tiefer zu graben, zu gleicher Zeit den am 10. Juli zum Hochverräther erklärten Ban von Kroatien in seiner faktisch nie unterbrochenen Thätigkeit. Die Würfel sind nun gefallen, Ungarn muß nun den ungleichen Kampf wagen und wird eher untergehen, als sich in's alte Joch knechten lassen. Eben der Gedanke durchwehte die gestrige Kammersitzung und entschied die Ministerkrise. Schon seit längerer Zeit war das Ministerium in zwei Parteien gespalten; die Fraktion Batthyany wollte Alles auf friedlichem Wege gelöst sehen, und ließ den Strom der Empörung im Süden mit beispielloser Apathie immer höher anschwellen. Die Fraktion Kossuth hingegen wollte gleich Anfangs energisches Einschreiten, offenen Kampf gegen die Kamarilla. Im Ministerium selbst lauerte der Verrath eines Szechenyi, eines Messaros, eines Batthyany, und nun, da sie das Vaterland an den äußersten Rand des Verderbens gebracht, wird der eine wahnsinnig, treten die andern zurück von dem Schauplatze. Das so zerrissene Ministerium reichte also gestern seine Demission dem Palatin ein, der nun die Zügel der Regierung allein zu erfassen und zu führen erklärte. Die willkührliche Verletzung aller Gesetzesformen, selbst von dem bisher geachteten Palatin nach dem schnöden Wortbruche des Königs, brachte aber eine neue Reaktion hervor, und Kossuth übernahm, auf ein altes Gesetz, das in Abwesenheit des Königs dem Parlament die höchste Macht einräumt, gestützt, die von der Kammer ihm angebotene Präsidentschaft des neu zu bildenden Ministeriums, das zwar vom Palatin nicht bestätigt worden, seine Funktionen jedoch nichts destoweniger sofort übernahm, um unter Kossuth's Diktatur den Kampf gegen die alte Despotie zu kämpfen.
Aus der Kammer. So eben wird ein Schreiben des Grafen Teleki, Kommandanten des freiwilligen Korps an der kroatischen Gränze, der Kammer mitgetheilt, daß Jellachich die Drau überschritten und bereits auf ungarischem Boden stehend seinen Marsch gegen Ofen angetreten habe. Werden die um Ofen konzentrirten Truppen bei dem Geiste, den die östreichische Armee athmet, dem Schildknappen des Absolutismus ernstlichen Widerstand leisten? Das ist kaum anzunehmen, und Jellachich wird Budapesth gleich Prag und Mailand gut östreichisch machen. Nicht minder verzweifelt sieht es an den römischen Schanzen und im Lager von Szent-Tamas (dem Kriegsschauplatze gegen die Serben) aus, wo das Militär mehr als lau verfährt, die freiwilligen Schaaren und Nationalgarden nicht nur an Erfolgen hemmt, sondern sie sogar im Stiche läßt. Sie werden es jetzt begreiflich finden, wie eine Macht von 60 - 80,000 Mann seit Monaten vor einfachen Verschanzungen steht, wie eine Macht, die unter guter Leitung in weit kürzerer Zeit die stärkste Festung bezwungen hätte, einige Tausend Räuber nicht bezwingen konnte. Verrath von Innen, Verrath von Außen! Nur die Revolution, nur das Vorrücken der Kolonnen der französischen Republik an den Po und Mincio kann uns retten!.
Agram. Die Agramer Zeitung schreibt: Hauptquartier der croatisch-slavonischen Armee in Warasdin am 11. Septbr. 1848.
Heute um halb 5 Uhr Früh ist unsere Armee, und zwar die Division Kempen, über die Drave; der Ban ist bereits mit seinem Gefolge in das Hauptquartier zurückgekehrt; der Ban und die Armee wurden von jenseitiger Bevölkerung mit Civio empfangen. Redelic und Cakaturn ist von unserer Truppe ohne Schwertstreich und ohne einen Schuß eingenommen worden. Das 3. Bataillon von Ernst hat sich unserer Truppe angeschlossen. Morgen rückt das Hauptquartier nach Redelic.
Italien. * Genua hielt am 11. Septbr. _ Französische Republik. 17 Paris, 16. Sept. Der Wahlsturm ist los. Die Sozialpartei strengt sich mehr an als früher und ist minder uneinig. Kersausie, Dupoty und Alton Shee haben sich von der Liste gestrichen, um den drei Kandidaten Thoré, Raspail und Cabet nicht Abbruch zu thun. Auch Schölcher, heißt es, wird freiwillig zurücktreten. Wohin man blickt, klebt das kleine Zettelchen mit jenen drei Namen und darüber ein Winkelmaaß und Richtscheid: „Im Namen der demokratisch-sozialen Republik die demokratischen Assoziationen (lies: Klubs) und Arbeiter-Korporationen.“ Auf den Riesenplakaten der Bourgeoisie ist keine Einigkeit. Oft streichen die Blousenmänner den großen Achilles Fould und Adam und Benjamin Delessert und Konsorten weg und kritzeln die drei Volksmänner mit Bleistift hin; oft reißen feingekleidete Messieurs dieses ab, werden vom Volke arretirt, doch von den Polizeiagenten wieder befreit. Die Bourgeois knirschen; ich sprach heute drei Wechselagenten, die fast vor Ingrimm weinten: „Wir, die Junisieger, sind nahe daran, unsere Ordnungskandidaten durchfallen zu sehen. Gestern wichen die Börsenfonds aus Angst vor den sozialistischen Wahlresultaten. Und das Alles unter dem Belagerungszustande! Was wird erst kommen, wenn er aufgehoben ist?„ Die Ordnungspartei darf sich übringens rühmen, auch diesmal eine gränzenlose Anordnung in die Wahloperation gebracht zu haben; alle Demokratenblätter denunziren täglich, wie z. B. die Linie um das Votiren theils geprellt, theils mit Zwangsvotums behelligt wird (fünf Infanteristen hatten für den Arzt Raspail, den Maigefangenen, gestimmt und sitzen dafür in Arrest); wie die Arbeiter der Eisenbahnen und Industrieen bedroht und bestraft werden, wenn sie für die obrigen Drei stimmen; wie der 3. Bezirk, dieses klassische Land der Volksfeinde, seit dem 7. Sept. keine Einschreibungen mehr macht, obschon das Gesetz sie bis zum 14. Sept. gestattet; wie überall das tückische Gerücht ausgesprengt wird, kein in Folge des Juni entwaffneter Bürger dürfe votiren; wie absichtlich der Ausdruck „Identitätsfeststellung“ so vieldeutig gelassen ist, daß jeder der zwölf Maires und Polizeikommissäre ein verschiedenes Personalzeugniß den votirenden Ouviers abverlangt und sie von Pontius zu Pilatus schickt, nur damit sie so die Zeit verpassen. Auch enthalten sich Viele ganz des Votirens, aus Ekel. Höchst wacker ist der Klub „Bonne Nouvelle“, wo der Präsident Bernard, ein sehr tüchtiger Sozialdemokrat, allabendlich 4000 Männern Wahleifer einprägt; er hatte gestern den berüchtigten Herrn Thomas (von den Nationalwerkstätten) geradezu citirt und stellte ihn öffentlich zur Rede wegen seiner Kandidatur neben Girardin und Prinz Bonaparte. Herr Thomas verstummte zu allgemeinem Jubel. Der Arbeiterklub „St. Jean“ im Faubourg St. Antoine, unter dem jungen Sozialdemokraten Barnabé, ist auch sehr wacker. Die Sozialvorlesungen von Dameth, Boulevard du Temple, sind von Frauen und Kindern nicht minder besucht als die Hennequins im Freimaurersaale. Gegen all' dieses haben die Bourgeois bis jetzt nur ihren miserablen „Nationalgardeklub“ in der Chaussee d' Antin zu setzen. Der Kursus Dameth's giebt eine kleine Broschüre heraus, die viel wirkt. „Da steht Ihr nun,“ ruft „La Liberté“ von Lyon, „Ihr elenden Tröpfe in Gold und Seide, Ihr Börsenherren und Arbeitskommandanten, mit all' Euren tausend Kanonen und Mobilen und laßt Bücher schmieren gegen unsere Idee'n, und kein Mensch kauft sie, Ihr großen Geister! ob Herr Thiers oder Herr Tocqueville gegen Kommunismus kritzelt, berührt uns nicht, aber die kleinste Broschüre unserer Autoren verschlingen wir. Und Eure Mobile wird nicht lange mehr mobil bleiben, glaubt's uns; eine Truppe, die, gleich nordamerikanischen Rothhäuten, den an die Fensterläden gebundenen Junigefangenen, zwanzig Minuten lang, unter Lachen, Glied um Glied abschoß, wird nicht immer in Aktivität bleiben.“ Dieses saubere Faktum ist mir
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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