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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 119. Köln, 18. Oktober 1848.

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reißen und das Volk verfolgte ihn bis an den nächsten Posten. Am Abend hielt man überall Versammlungen. - Auch in Livorno haben die Ereignisse von Florenz ihren Kontrekoup gehabt. Mit dem Rufe: Nieder mit dem Ministerium! Es lebe Montonelli, Minister! durchwogte eine immense Volksmasse die Straßen und verlief sich erst in der Nacht, ohne indeß weitere Störungen zu verursachen. - In Modena verbrannte man auf offenem Platze die neuliche Proklamation des Herzogs. Die Ernennung der Offiziere der Bürgergarde mißfiel ebenfalls. Der Herzog ist nach Bolzano abgereist. Auf einem der Flügel des Palastes las man die Worte: Tod Franz V.! Die Ungarn, die in Modena liegen, vertauschten die östreichischen mit den nationalen Farben. Sie wollen nach Hause zurückkehren.

Mantua ist noch immer im Belagerungszustand.

* Aus einer Korrespondenz der Reforme über Italien entnehmen wir das Folgende: "Mailand scheint noch immer der Sammelplatz der östreichischen Armee zu sein; es liegen daselbst jetzt 30,000 Mann. Die Stadt hat jeden Tag ungefähr 80,000 östr. Lire für die Soldaten zu bezahlen. Diese Ausgabe besteht seit dem 8. August. Die Offiziere bewohnen die Zimmer der abwesenden Eigenthümer und zerreißen, verderben und stehlen, ohne sich zu genieren. Die Munizipalität vertheilte, wie man versichert, mehr als 3500 Logisbillets; außerdem hat sie dem Gouverneur, dem Platzkommandanten und den Generälen die Kutschen zu stellen; täglich sieht man diese Offiziere mit ihren Mätressen vorüberfahren.

Alle Thore der Stadt sind mit Kanonen garnirt; die einen nach Außen, die andern nach der Stadt gerichtet. Um 10 Uhr Abends ist alle Welt zu Hause und man trifft in den Straßen nur Patrouillen von gewöhnlich 60 Mann Infanterie oder Kavallerie. Wehe dem Bürger, der sich verspätet! bei jedem Schritt stößt er auf Soldaten, die ihm Geld abfordern, das er nicht ohne Gefahr verweigern kann. Die Glocken dürfen für den Kirchendienst stets nur eine Minute lang geläutet werden, und jedes Mal nur eine Glocke. Radetzki leidet an der Dyssenterie und zwar ziemlich stark, so daß seine Aerzte ihn nicht einmal von der Villa royale nach dem nahen Palast Archinti hinübertransportieren lassen mogten.

Französische Republik.
Paris, 15. Okt.

Großes Ereigniß: Der "National" geht zur Opposition über! Entweder dankt Cavaignac morgen ab, oder wir haben übermorgen wieder Barrikaden - das ist die Bedeutung dieses Schrittes.

Doch hören wir den Mann mit den Glacehandschuhen, den Republicain en gants jaunes selbst:

"Wir können nicht annehmen, daß das im Februar zur Geltung gekommene Prinzip, dessen Anwendung vor unsern Augen geschieht, durch den Eintritt der neuen Glieder in das Kabinet bedroht sei. Dieses Prinzip ist zu erhaben, seine Wurzeln sind zu tief ins Volk geschlagen, um nicht den Anstrengungen aller Derer trotzen zu können, die versuchen sollten, es zu erschüttern. Uebrigens würde jene Majorität, die seit dem Februar in mehr als einer feierlichen Gelegenheit den festen Willen gezeigt hat, die demokratische Republik aufrecht zu erhalten, solchen Versuchen einen unübersteigbaren Damm entgegensetzen. Dennoch befehlen uns diese neuen Elemente, eine neue Stellung einzunehmen. Unsere Haltung wird außerordentlich vorsichtig, wir sagen mißtrauisch.

Das Kabinet wird sich morgen der Approbation der Nationalversammlung unterwerfen. Indessen zugegeben selbst, sein Programm wäre annehmbar und ihm die Majorität günstig, so würden wir doch die Handlungen des Kabinets erst abwarten, ehe wir unsere Meinung bilden. Die Beifügung dieses oder jenes Namens an das Kabinet würde unsere Grundsätze keineswegs erschüttern; aber jene Namen geben uns, da sie einer verdächtigen Vergangenheit angehören, das Recht, unsere Forderungen zu stellen (d'etre exigeans) und wir werden sie um so höher stellen, je weniger die neuen Minister der republikanischen Meinung Bürgschaft gewähren u. s. w."

- Senard und Baulabelle, die beiden Exminister, richten ihrerseits Briefe an die "Patrie", worin sie die Details berichtigen, welche dieses ultrakonservative Lügenblatt über ihren Rücktritt und die Zeilen Cavaignacs gegeben hatte.

- Die Maigefangenen in Vincennes sollen endlich gerichtet werden! Es wird gemeldet, daß der Untersuchungsrichter übermorgen, Dienstag, 17. d. M. seinen Bericht der Anklagekammer endlich vorlegen und man hören wird, was mit den Eingesperrten geschehen soll?

- Der Berg wird morgen durch Demosthenes Ollivier in Form eines Dekretsentwurfs den Antrag auf völlige Amnestie aller politischen Gefangenen der Nationalversammlung stellen. Dieser Beschluß wurde gestern Abend in seiner Sitzung im Taitbout gefaßt. Man wird seine Wichtigkeit im gegenwärtigen Augenblick begreifen.

- Marrast's Präsidentenamt der Nationalversammlung läuft am nächsten Donnerstag (19.) ab. Die Rue de Poitiers hat beschlossen, ihn wieder zu erwählen. Wahrscheinlich um ihn zu trösten?

Seine letzte Soiree war sehr dürftig. Die englischen Damen waren sehr spärlich gesäet. Die böse Welt sagt, die Ladys hätten geäußert, daß sie nicht mehr zur Frau Marrast gehen würden, weil sie erfahren, daß sie die Tochter eines reichen, in Paris am Bouleward etablirt gewesenen englischen Schusters sei etc.

- Der "Moniteur" beeilt sich, die gestrigen Beschlüsse der Nationalversammlung rücksichtlich der griechischen Schuld (Zahlung des am 1. Sept. c. fällig gewesenen Semesters) u. s. w. zu promulgiren. Tief unten erblickt man auch folgendes Dekret.

Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Brüderschaft. Auf den Vorschlag des Ministers des Innern und nach Anhörung der Minister, beschließt der mit der Vollziehungsgewalt beauftragte Konseilpräsident:

Art. 1. Der Bürger Gervais (ein Arzt aus Caen) ist zum Polizeipräfekten von Paris, in Ersetzung des Bürgers Ducoux, Demissionaires, ernannt.

Art. 2. Der Minister des Innern ist mit Vollführung gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

Paris, 14. Okt. 1848.

(gez.) Cavaignac.

(Gegengez.) Dufaure, Minister des Innern.

- In diesem Augenblicke (wo wir zur Post geben, 12 Uhr), sind die meisten Glieder der Nationalversammlung in Cafes und den Konferenzsäälen versammelt. Die Aufregung ist unbeschreiblich. Wir stehen an einem Wendepunkt, der dieses Mal um so entschiedener, als es sich darum handelt, zu wissen, ob Republik und Volksherrschaft (Demokratie) wirklich bloß ein hohler Name, oder wie sich Francisque Bouvet in gestriger Sitzung bei der Debatte über Art. 82 sehr richtig ausdrückte, ein Freistaat mit monarchischem Firlefanz sein sollen oder nicht?

Mit oder ohne Belagerungsstand, das ist nunmehr gleichgültig. Der tödtliche Schlag gegen die Februarrevolution ist geschehen; indem man die Männer Louis Philipps zu Ministern machte.

- Cavaignac vindizirt heute die Initiative gewisser Maßregeln im Moniteur durch folgende Zeilen: "Gewisse Journale melden, daß die Aufhebung des Belagerungszustandes und die Uebersiedelung der Juni-Insurgenten nach Algerien von den neuen Ministern als Bedingungen ihres Eintritts in das Kabinet gestellt worden seien. Diese Maßregeln wurden in dem Augenblick getroffen, als das Votum über Durrien's Antrag erfolgte. Sie haben übrigens die Beistimmung des neuen ganzen Ministeriums erhalten."

Also die Juniräuber segeln nach Algerien!

15 Paris, 13. Oktober.

Die Spannung auf das Resultat der, wohl schon in vier bis sechs Wochen stattfindenden, Wahl des Präsidenten der Republik ist groß: "Ihr habt's gewollt, ruft der National de L'Quest in Nantes, ihr habt das Geschick der eben wiedergeborenen Republik in die Hände der Ackerbaubevölkerung gelegt, die seit Robespierres Sturz im fanatischen Haß gegen alles antimonarchische auferzogen worden. Die Neunsous-Uebersteuer, die Nichtabsetzung der königlichen Beamten groß und klein, die Versäumung jedweder zeitgemäßen dem Hypothekenbelasteten Landmann aufhelfenden Maßregel hat vollends seine Seele mit Erbitterung gegen die Februarrevolution erfüllt; und ob Herr Lamartine noch so lieblich die Zither schlägt und sich den Barden der Humanitätsrepublik nennen läßt, das hilft alles doch nichts; das Heil der Republik hängt jämmerlicher Weise an einem Haar. Was wollt ihr machen, großartige Humanitätshelden des Provisoriums, die ihr Guillotine und Papiergeldmaschine und Nationalindustrie als unzeitgemäß weg dekretirtet, wenn ein Drittel des Heeres den läppischen, bereits 40jährigen Knaben Bonaparte, ein andres den blödsinnigen Wundersohn Henri, oder den Joinville ausruft? wenn von neun Millionen Wählern nur zwei Millionen einen echt demokratischen Kandidaten wählen, und die übrigen einen Massakrirer Bugeaud, oder einen der Prätendenten? u. s. w." Das Höhnen und Jubeln der Reaktionspresse wächst täglich; die Provinzialblätter sehen aus wie zur schönen Zeit Louis XVIII, da spukt es von Glaubensbataillonen, Glaubenssocietäten, Ordnungslegionen, über das südliche Frankreich bis Lyon ist eine halb geheime, halb öffentliche, geschloßne Gesellschaft "zur Beschützung des Eigenthums und der Sittlichkeit" ausgebreitet, in die jeder "honnette" Franzose und Ausländer eingeschrieben wird; Monatsbeiträge von einem Franken, Gliederung in Waffenbrüderschaften, Eide, heilige Fahnen, fanatisirende Pamphlete, alles im besten Gange wie unter Karl X. In Marseille tragen die Mauern Affischen wie folgt: "Die Befreiung naht, das gotteslästerliche, geldsaugende Ungeheuer des Februar wird verenden unter dem siegreichen Flammenschwert unsres gebenedeiten Wundersohnes Henri V. der den Kredit herstellen, die Schuldscheine des frommen Landmanns zerreißen wird. Hoch lebe der König, das Gesetz, und das schöne Geschlecht! Ein Gesetzesfreund." Diese und ähnliche Druckzettel erscheinen in Bordeaux, Marseille und Arles immer wieder, so oft die Demokraten sie vernichten. In Bordeaux, diesem "Natternest der Verstocktheit und Selbstsucht" predigt das Memorial Bordelais der Kaufmannschaft geradehin Ausrufen des Königthums, und sagt: "zu diesem allein moralischen, mit Frankreichs Bedürfniß allein harmonirenden Ziele haben wir Bordeleser, die wir 1813 schon zuerst den korsikanischen Uhuopator stürzten und die Herzogin Angouleme aufnahmen, jetzt den edeln weisen Grafen Mole in die Nationalassemblee geschickt; er möge dort getrost die Drachen des rothen Berges bekämpfen, wir stehen hinter ihm, dem großen Politiker und würden die leisesten Versuche der Pariser, Frankreich aufs Neue zu despotisiren, aufs Blutigste rächen."

Der "Constitutionnel" jubelt über das allgemeine Stimmrecht; "ein erhabenes Volk wird jetzt sich seinen Chef erkiesen und alles Geheul der kleinen, verworfenen Minorität, die ein 93 herausbeschwören will, wie den Vampyr aus dem Grabe, wird in Wuthgestöhn verhallen. Ha, wenn die honette, auf das von der rothen Demokratie so oft angerufene Volk Frankreichs sich stützende Majorität sich rächen wollte! aber nein, sie ist immer großmüthig und wird es auch jetzt sein wo die Wahl des Präsidenten so gewaltig zur Beschämung der Ordnungsfeinde beitragen wird." Es scheint gleichwohl, in Montpellier, wo der henrianische Abbe Genoude wieder durch fiel und der radikale Advokat Laissac trotz Annullirung der Wahl wieder gewählt wurde, halten die Philippisten zu den Republikanern "aus Angst vor der Rache der unerbittlichen Legitimisten, die im Fall wenn Henri käme, ohne Bedenken den weißen Schrecken von 95 und 1815 wiederholen würden, d. h. mit den Sonnen- und Jesusbataillonen die Demokraten in Masse niederhauen, mit den abgehackten Köpfen Kegel spielen, die Guillotine durch die Städte fahren," wie die "Liberte" in Lyon sehr treffend erinnert. "Es kommt zum Bruch (sagt "Le Republikain alsacien") und Cavaignac wird, um nicht unterzugehen und obendrein seinen Namen aus dem Tempel des Ruhms ausgelöscht zu sehen, sich der Partei in die Arme werfen müssen, die er jüngst so hart bekriegte. Sein Nachgeben half weder ihm noch der guten Sache; die Gegner derselben wurden dadurch nur immer kecker und ziehen die weiße Standarte in Journalen auf, die noch vor wenig Wochen mit der Trikolore kokettirten."

Mit unendlichem Herzklopfen blickt die junge Demokratie über den Rhein, jede Bewegung der Deutschen beobachtend; Struve's Schilderhebung, die Berliner, Kölner, Wiener Ereignisse werden mit namenlosem Interesse besprochen. So ruft der "Republicain de l'Allier" (ein Blatt in Moulins): "Stände neben dem strauchelnden, fast in Alterschwäche - Gott verzeih uns diesen Ausdruck, der unserm patriotischen Munde so weh thut, aber nur zu wahr ist! - versinkenden Frankreich, nicht das urkräftig aufstrebende demokratische Deutschland, so wäre Europa schlimm berathen. Beide Demokratieeu müssen sich verbrüdern." La Reforme theilt die Protestation des hiesigen deutschen Vereins gegen die insolenten Angriffe des "Journal des Debats" mit, welches, wie "Le Corsaire" und "La Presse" behauptete: die kölner "honnetten Klubisten" welche die rothe Republik proklamirt, wären doch gewiß bereit, Tags darauf Elsas und Lothringen von Frankreich abzureißen. Es versteht sich, daß die Sophisten des ehrenwerthen Bertin'schen Hofblatts, selbst nicht im allermindesten an diese Beschuldigung glauben, ebensowenig wie wenn sie gestern schrieben: "Jelachich, das ist der gewaltige Krieger, der siegesfreudig (!) das solide Recht der Ordnung geltend zu machen versteht, der des Kaisers von Demagogen bedrohte Krone selbst wider Willen des Kaisers retten wird, ist von den Ruhestörern auf's ekelhafteste verleumdet. In der That, zwischen den rothen aber kraftsprudelnden Barbaren des Ostens und den mit Literatur und Civilisation prahlenden Ordnungsrichtern des Westens muß endlich ein mittleres, Gleichgewicht erhaltendes, Element auftreten und wir erblicken den Beginn dazu bereits freudig in dem gemäßigten, energischen, zusammenpressenden Verfahren, das die frankfurter, berliner und sonstige Parlamentsmajoritäten Deutschlands annehmen. Nur auf diesem Wege kann für unsere überrheinischen Nachbaren Heil erblühen. Man sieht, in Frankfurt weiß die Majorität kräftig zu sein; der greise Jahn hat gerufen: die rothe Republik ist eine Pest und wird vergehen wie die Pest! Jahn hat ein hohes, herrliches Wort gesprochen." (Der alte ungewaschene Bettler wird sich freuen, solch Lob passirt ihm selten!) "Und daß die deutsche Mäßigkeitspartei, die Ordnung und Civilisation will nur dreist einherschreite! Die Gleichgesinnten aller civilisirten Länder werden mit ihr sein! " - "La Presse" heult: "Die 30,000 terroristischen Proletarier Berlin's wollen, scheint's, das deutsche Parlament in ihre Mauern verlegen, aber schon sind von Johann Befehle zum Arretiren der gar zu vorwitzigen Radikalen gegeben, die etwa dorthin pilgern möchten. Die Ordnung wird siegen, aber der Kampf wird leider der deutschen Mäßigkeitspartei Blut kosten. Unsere wärmsten Wünsche mit ihr!" Herr Alexander Weill wird sehr warm bei Verfertigung dieser Artikelchen. - Daß die Strasburger Polizei sechs Frankfurter Flüchtlinge, die ihr die deutsche Polizei als Mörder des "Märtyrer" Felix Lychnowski (des "edelsten, vollendetsten deutschen Ritters," sagt der Constitutionnel) ausgeliefert, läugnet der Moniteur; ich weiß aber daß, sie sie als "Vagabonden" einsteckte; ein neues Auskunftmittel mit "mißliebigen" Refugies ganz sachte fertig zu werden. Strasburg ist übrigens wie Thann, Mühlhausen u. s. w. sehr demokratisch und macht der pariser Reaktion viel Sorge.

17 Paris, 15. Oktbr.

Cavaignac's neuester wahnwitziger Handstreich, drei erzroyalistische, im höchsten Grade volksfeindliche Minister zu erwählen, ruft eine ehrenwerthe Protestation des Dr. med. Ducour, Polizeipräfekten (aus der Partei des National) hervor: "Bürgerpräsident, Sie stellen ein Ministerium auf, welches in meinen Augen die leibhaftige Gegenrevolution ist; die Republik, nach achtmonatlichem Bestehen, wird also jetzt von Leuten gelenkt werden, die alle ihre Zeit, Intelligenz und Kraft anwandten, das Entstehen derselben zu hindern. In Betracht der die Freiheit in Frankreich bedrohenden Gefahren, während sie in Deutschland gerade Triumphe feiert, will ich abermals meinen Platz unter den Königsfeinden einnehmen; ich werde das Königthum in allen seinen Gestaltungen bekämpfen. Jetzt müssen alle Soldaten der Demokratie auf ihren Posten stehen; der meinige ist aber nicht mehr dort, wo meine politische Sympathie aufhört. Gruß und Brüderschaft." Ducoux ist Volksrepräsentant; er überreichte diese Zeilen nebst Abschied eigenhändig dem General Cavaignac. Letzterer ist fortan als ein "abgethaner Mann" zu betrachten; das Arbeitervolk haßte ihn seit der Junikanonade, jetzt verachtet es ihn, und wird ihn vielleicht zornig von sich stoßen, wenn er, und zwar bald, sich in die Arme der Blouseninsurgenten zu werfen gezwungen sehen wird. Das Urtheil der ächten, der Sozialdemokraten, ist: "Cavaignac ist ein ehrlicher bornirter Bourgeoisrepublikaner, der durch den unehrlichen Marrast und den ehrlosen Thiers völlig gegängelt wird; folglich muß er fallen und verenden. Er will jetzt den Belagerungszustand aufheben, wofür das kindische Siecle, dessen Redakteur ins Ministerium schlüpft, ihm lobhudelt; aber der arme General versöhnt damit weder die Volksfreunde, die Rothen, noch beschwichtigt er die Volksfeinde, die Weißen; man sehe nur zum Plaisir die Leitartikel von La Presse, wo ein talent- und sündenreicher Skribler, E. Girardin, Cavaignac's Vater, den energischen Konventsmann von 1793, als Bluthund hinstellt und fragt, ob der Sohn nicht in dieselbe Krankheit verfallen könne? Man mag sich das zähnefletschende Krampfgeheul denken, womit Union monarchique, Ere nouvelle, Constitutionnel die von Ihrer Zeitung schon veröffentlichten Briefe des alten Cavaignac begleiten. Das "Bordeauxer Memorial," das Louis Philipp einen Märtyrerkönig nennt, meint dem "Sohn des konventionellen Blutsäufers" dadurch in den Augen des Girondevolks einen unheilvollen Stoß zu versetzen, daß es schwört: er sei melancholisch in Folge einer ihm durch eine Ballettänzerin beigebrachten Krankheit; dies ist jedenfalls maßgebend für die Bildungsstufe der Bordeleser Kaufmannsgilde, die bekanntlich dem Witzblatt Charivari im Frühjahr aufs Wort glaubte, in Paris bestehe ein Regiment bewaffneter Weiber, welche mit einer "Dampfguillotine" in die widerspenstigen Provinzen geschickt werden würden. Außer Graf Mole hat Bordeaux den Jesuitenzögling Advokat Denjoy in die Kammer gewählt, der von seiner Bande eine Goldmedaille für die Offenherzigkeit bekommt, mit der er das Guillotinesystem als ultima ratio revolutionum auf der Rednerbühne am 22. Sept. proklamirte. Die Leidenschaften im Süden sind sehr erhitzt, in Toulouse schreit man oft in den Straßen seit dem großen Demokratenbankett: "Hoch lebe die Guillotine!" Die Bankette mehren sich, es geht wie im letzten Jahre Louis Philipps; diesmal dürfte es den Ministern wie dem Latour ergehen. Bastide, Lamoriciere sind bereits nicht minder verabscheuungswerth als Duchatel und Konsorten. Bastide, vom National, der "katholische Jakobiner" ehedem genannt, ist so zahm und blödsinnig geworden, daß, wenn er Cigarren rauchend, die Hand in der Tasche, mit stupidem Lächeln durch die Säle der Marrast'schen Soiree schlendert, Arm in Arm mit seinem Sekretär Hetzel (ein deutscher Buchhändler), er allerdings den Beinamen vieille vache verdient, womit man ihn beehrt hat. Lamoriciere wird täglich unverschämter und spricht schnurrbartdrehend von Massakriren der Blousenkanaille, von "soldatischer Ehre" u. s. w., während seine Gemahlin den Ball eröffnet. Trotz alle den Heldenthaten dieser großen Republikaner haben die Kammerbureaux schon wieder über runde neun Million zu diskutiren, die unter die Hungerleider des Seinedepartements sofort vertheilt werden sollen; in Paris ist der siebente Mensch derzeit unterstützungsbedürftig. Während Marrast mit seinem "interessanten Griechengesicht" (wie La Republique mit Anspielung auf die Bedeutung des Wortes Grec, Beutelschneider und Falschspieler sagt) die Honneurs macht, transportirt man immer neue Ladungen Junimänner und Junifrauen; im Ganzen sind nach polizeilicher Angabe 3423 bisher weggebracht, worunter 460 Erdarbeiter, Tagelöhner; 217 Landleute; 150 Musiker, Maler; 122 Tapezirer, Weber; 111 Professionslose (National de L'Quest ruft: "Schon allein wegen dieses einzigen monstruösen Faktums, daß 111 professionslose junge starke Männer in der Februarrepublik vorhanden, wäre die ganze Kammer, das ganze Ministerium, das ganze Provisorium von Menschheitsrechtswegen zu unerbittlichster Strafe zu ziehen); 51 Thürwächter, Bediente; 33 Gelehrte, endlich 7 Rentiers; über letzteres ringt der Constitutionnel die Hände: "Ja, es wird immer klarer, daß der besitzende Stand, er, dem Gott die Aufgabe verlieh, das Staatsgleichgewicht zu erhalten, von der wahnwitzigen Geistespest, gegen die Hr. Thiers mit so großem Erfolg schrieb, angesteckt worden sind; es ist leider wahr, daß auf dem Bankett zu Toulouse, wo Wände und Möbeln roth behängt waren, und auf dem zu Paris in den Champs Elysees, Nationalgardenoffiziere sich nicht entblödeten in Uniform Theil zu nehmen;" was ich bezeugen kann; ich sprach zwei Hauptleute, die von dem des 17. Oktober kamen; "wir sind hingegangen, um die schreckliche Schmach, die auf unserm Kleide seit Juni klebt, in Gegenwart von Blousen abzuwaschen," sagte mir der eine. "Marrast est une Canaille" setzte er wüthend hinzu; er sei letzten Donnerstag nebst sechs Offizieren seiner Legion zum Abendzirkel eingeladen gewesen, an der Thüre des Palastes hörten sie indeß, daß ein nicht eingeladener einfacher Soldat der Bürgerwehr von den Marrast'schen Huissiers hinweggestoßen worden, und der gastgebende "Amphitryon" dem deshalb mit einem Handbillet des Gemißhandelten hineingeschickten Kammerdiener geantwortet: "sagt, ihr hättet mich nicht sprechen können;" die Offiziere kehrten auf der Stelle um und publiziren heute den Spaß. - Alle Wochen ist jetzt ein Sozialdemokratenbankett zu billigem Preise; jedesmal schließt der Toast "auf das Wohl der gefangenen Brüder," was, wie Corsaire und Constitutionel hoffen, dem Staatsprokurator es möglich machen wird, auf "Rebellion und Verrath an der Nation" zu klagen. Im Klub de la Redoute bedeckte sich eine feurige Adresse an die Wiener mit vielen Namen. Bonnard präsidirte. L'Union monarchique ermahnt die "gesittete, religiöse" französische Nation gegen die gottlosen deutschen Menschenfresser, Mörder Lichnowsky's, Auerswalds und des edlen Latour auf ihrer Hut zu sein, und im Nothfalle "sich zum heiligsten Kriege der Civilisation Galliens gegen die Barbarei und den Atheismus Germaniens" zu rüsten.

Das Blatt von Nouen ruft: "Seid auf dem Sprunge, Männer der Tugend und Ordnung, ohne inniges Zusammenhalten

reißen und das Volk verfolgte ihn bis an den nächsten Posten. Am Abend hielt man überall Versammlungen. ‒ Auch in Livorno haben die Ereignisse von Florenz ihren Kontrekoup gehabt. Mit dem Rufe: Nieder mit dem Ministerium! Es lebe Montonelli, Minister! durchwogte eine immense Volksmasse die Straßen und verlief sich erst in der Nacht, ohne indeß weitere Störungen zu verursachen. ‒ In Modena verbrannte man auf offenem Platze die neuliche Proklamation des Herzogs. Die Ernennung der Offiziere der Bürgergarde mißfiel ebenfalls. Der Herzog ist nach Bolzano abgereist. Auf einem der Flügel des Palastes las man die Worte: Tod Franz V.! Die Ungarn, die in Modena liegen, vertauschten die östreichischen mit den nationalen Farben. Sie wollen nach Hause zurückkehren.

Mantua ist noch immer im Belagerungszustand.

* Aus einer Korrespondenz der Reforme über Italien entnehmen wir das Folgende: „Mailand scheint noch immer der Sammelplatz der östreichischen Armee zu sein; es liegen daselbst jetzt 30,000 Mann. Die Stadt hat jeden Tag ungefähr 80,000 östr. Lire für die Soldaten zu bezahlen. Diese Ausgabe besteht seit dem 8. August. Die Offiziere bewohnen die Zimmer der abwesenden Eigenthümer und zerreißen, verderben und stehlen, ohne sich zu genieren. Die Munizipalität vertheilte, wie man versichert, mehr als 3500 Logisbillets; außerdem hat sie dem Gouverneur, dem Platzkommandanten und den Generälen die Kutschen zu stellen; täglich sieht man diese Offiziere mit ihren Mätressen vorüberfahren.

Alle Thore der Stadt sind mit Kanonen garnirt; die einen nach Außen, die andern nach der Stadt gerichtet. Um 10 Uhr Abends ist alle Welt zu Hause und man trifft in den Straßen nur Patrouillen von gewöhnlich 60 Mann Infanterie oder Kavallerie. Wehe dem Bürger, der sich verspätet! bei jedem Schritt stößt er auf Soldaten, die ihm Geld abfordern, das er nicht ohne Gefahr verweigern kann. Die Glocken dürfen für den Kirchendienst stets nur eine Minute lang geläutet werden, und jedes Mal nur eine Glocke. Radetzki leidet an der Dyssenterie und zwar ziemlich stark, so daß seine Aerzte ihn nicht einmal von der Villa royale nach dem nahen Palast Archinti hinübertransportieren lassen mogten.

Französische Republik.
Paris, 15. Okt.

Großes Ereigniß: Der „National“ geht zur Opposition über! Entweder dankt Cavaignac morgen ab, oder wir haben übermorgen wieder Barrikaden ‒ das ist die Bedeutung dieses Schrittes.

Doch hören wir den Mann mit den Glacehandschuhen, den Républicain en gants jaunes selbst:

„Wir können nicht annehmen, daß das im Februar zur Geltung gekommene Prinzip, dessen Anwendung vor unsern Augen geschieht, durch den Eintritt der neuen Glieder in das Kabinet bedroht sei. Dieses Prinzip ist zu erhaben, seine Wurzeln sind zu tief ins Volk geschlagen, um nicht den Anstrengungen aller Derer trotzen zu können, die versuchen sollten, es zu erschüttern. Uebrigens würde jene Majorität, die seit dem Februar in mehr als einer feierlichen Gelegenheit den festen Willen gezeigt hat, die demokratische Republik aufrecht zu erhalten, solchen Versuchen einen unübersteigbaren Damm entgegensetzen. Dennoch befehlen uns diese neuen Elemente, eine neue Stellung einzunehmen. Unsere Haltung wird außerordentlich vorsichtig, wir sagen mißtrauisch.

Das Kabinet wird sich morgen der Approbation der Nationalversammlung unterwerfen. Indessen zugegeben selbst, sein Programm wäre annehmbar und ihm die Majorität günstig, so würden wir doch die Handlungen des Kabinets erst abwarten, ehe wir unsere Meinung bilden. Die Beifügung dieses oder jenes Namens an das Kabinet würde unsere Grundsätze keineswegs erschüttern; aber jene Namen geben uns, da sie einer verdächtigen Vergangenheit angehören, das Recht, unsere Forderungen zu stellen (d'être exigeans) und wir werden sie um so höher stellen, je weniger die neuen Minister der republikanischen Meinung Bürgschaft gewähren u. s. w.“

‒ Senard und Baulabelle, die beiden Exminister, richten ihrerseits Briefe an die „Patrie“, worin sie die Details berichtigen, welche dieses ultrakonservative Lügenblatt über ihren Rücktritt und die Zeilen Cavaignacs gegeben hatte.

‒ Die Maigefangenen in Vincennes sollen endlich gerichtet werden! Es wird gemeldet, daß der Untersuchungsrichter übermorgen, Dienstag, 17. d. M. seinen Bericht der Anklagekammer endlich vorlegen und man hören wird, was mit den Eingesperrten geschehen soll?

‒ Der Berg wird morgen durch Demosthenes Ollivier in Form eines Dekretsentwurfs den Antrag auf völlige Amnestie aller politischen Gefangenen der Nationalversammlung stellen. Dieser Beschluß wurde gestern Abend in seiner Sitzung im Taitbout gefaßt. Man wird seine Wichtigkeit im gegenwärtigen Augenblick begreifen.

‒ Marrast's Präsidentenamt der Nationalversammlung läuft am nächsten Donnerstag (19.) ab. Die Rue de Poitiers hat beschlossen, ihn wieder zu erwählen. Wahrscheinlich um ihn zu trösten?

Seine letzte Soiree war sehr dürftig. Die englischen Damen waren sehr spärlich gesäet. Die böse Welt sagt, die Ladys hätten geäußert, daß sie nicht mehr zur Frau Marrast gehen würden, weil sie erfahren, daß sie die Tochter eines reichen, in Paris am Bouleward etablirt gewesenen englischen Schusters sei etc.

‒ Der „Moniteur“ beeilt sich, die gestrigen Beschlüsse der Nationalversammlung rücksichtlich der griechischen Schuld (Zahlung des am 1. Sept. c. fällig gewesenen Semesters) u. s. w. zu promulgiren. Tief unten erblickt man auch folgendes Dekret.

Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Brüderschaft. Auf den Vorschlag des Ministers des Innern und nach Anhörung der Minister, beschließt der mit der Vollziehungsgewalt beauftragte Konseilpräsident:

Art. 1. Der Bürger Gervais (ein Arzt aus Caen) ist zum Polizeipräfekten von Paris, in Ersetzung des Bürgers Ducoux, Demissionaires, ernannt.

Art. 2. Der Minister des Innern ist mit Vollführung gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

Paris, 14. Okt. 1848.

(gez.) Cavaignac.

(Gegengez.) Dufaure, Minister des Innern.

‒ In diesem Augenblicke (wo wir zur Post geben, 12 Uhr), sind die meisten Glieder der Nationalversammlung in Cafés und den Konferenzsäälen versammelt. Die Aufregung ist unbeschreiblich. Wir stehen an einem Wendepunkt, der dieses Mal um so entschiedener, als es sich darum handelt, zu wissen, ob Republik und Volksherrschaft (Demokratie) wirklich bloß ein hohler Name, oder wie sich Francisque Bouvet in gestriger Sitzung bei der Debatte über Art. 82 sehr richtig ausdrückte, ein Freistaat mit monarchischem Firlefanz sein sollen oder nicht?

Mit oder ohne Belagerungsstand, das ist nunmehr gleichgültig. Der tödtliche Schlag gegen die Februarrevolution ist geschehen; indem man die Männer Louis Philipps zu Ministern machte.

‒ Cavaignac vindizirt heute die Initiative gewisser Maßregeln im Moniteur durch folgende Zeilen: „Gewisse Journale melden, daß die Aufhebung des Belagerungszustandes und die Uebersiedelung der Juni-Insurgenten nach Algerien von den neuen Ministern als Bedingungen ihres Eintritts in das Kabinet gestellt worden seien. Diese Maßregeln wurden in dem Augenblick getroffen, als das Votum über Durrien's Antrag erfolgte. Sie haben übrigens die Beistimmung des neuen ganzen Ministeriums erhalten.“

Also die Juniräuber segeln nach Algerien!

15 Paris, 13. Oktober.

Die Spannung auf das Resultat der, wohl schon in vier bis sechs Wochen stattfindenden, Wahl des Präsidenten der Republik ist groß: „Ihr habt's gewollt, ruft der National de L'Quest in Nantes, ihr habt das Geschick der eben wiedergeborenen Republik in die Hände der Ackerbaubevölkerung gelegt, die seit Robespierres Sturz im fanatischen Haß gegen alles antimonarchische auferzogen worden. Die Neunsous-Uebersteuer, die Nichtabsetzung der königlichen Beamten groß und klein, die Versäumung jedweder zeitgemäßen dem Hypothekenbelasteten Landmann aufhelfenden Maßregel hat vollends seine Seele mit Erbitterung gegen die Februarrevolution erfüllt; und ob Herr Lamartine noch so lieblich die Zither schlägt und sich den Barden der Humanitätsrepublik nennen läßt, das hilft alles doch nichts; das Heil der Republik hängt jämmerlicher Weise an einem Haar. Was wollt ihr machen, großartige Humanitätshelden des Provisoriums, die ihr Guillotine und Papiergeldmaschine und Nationalindustrie als unzeitgemäß weg dekretirtet, wenn ein Drittel des Heeres den läppischen, bereits 40jährigen Knaben Bonaparte, ein andres den blödsinnigen Wundersohn Henri, oder den Joinville ausruft? wenn von neun Millionen Wählern nur zwei Millionen einen echt demokratischen Kandidaten wählen, und die übrigen einen Massakrirer Bugeaud, oder einen der Prätendenten? u. s. w.“ Das Höhnen und Jubeln der Reaktionspresse wächst täglich; die Provinzialblätter sehen aus wie zur schönen Zeit Louis XVIII, da spukt es von Glaubensbataillonen, Glaubenssocietäten, Ordnungslegionen, über das südliche Frankreich bis Lyon ist eine halb geheime, halb öffentliche, geschloßne Gesellschaft „zur Beschützung des Eigenthums und der Sittlichkeit“ ausgebreitet, in die jeder „honnette“ Franzose und Ausländer eingeschrieben wird; Monatsbeiträge von einem Franken, Gliederung in Waffenbrüderschaften, Eide, heilige Fahnen, fanatisirende Pamphlete, alles im besten Gange wie unter Karl X. In Marseille tragen die Mauern Affischen wie folgt: „Die Befreiung naht, das gotteslästerliche, geldsaugende Ungeheuer des Februar wird verenden unter dem siegreichen Flammenschwert unsres gebenedeiten Wundersohnes Henri V. der den Kredit herstellen, die Schuldscheine des frommen Landmanns zerreißen wird. Hoch lebe der König, das Gesetz, und das schöne Geschlecht! Ein Gesetzesfreund.“ Diese und ähnliche Druckzettel erscheinen in Bordeaux, Marseille und Arles immer wieder, so oft die Demokraten sie vernichten. In Bordeaux, diesem „Natternest der Verstocktheit und Selbstsucht“ predigt das Memorial Bordelais der Kaufmannschaft geradehin Ausrufen des Königthums, und sagt: „zu diesem allein moralischen, mit Frankreichs Bedürfniß allein harmonirenden Ziele haben wir Bordeleser, die wir 1813 schon zuerst den korsikanischen Uhuopator stürzten und die Herzogin Angouleme aufnahmen, jetzt den edeln weisen Grafen Molé in die Nationalassemblée geschickt; er möge dort getrost die Drachen des rothen Berges bekämpfen, wir stehen hinter ihm, dem großen Politiker und würden die leisesten Versuche der Pariser, Frankreich aufs Neue zu despotisiren, aufs Blutigste rächen.“

Der „Constitutionnel“ jubelt über das allgemeine Stimmrecht; „ein erhabenes Volk wird jetzt sich seinen Chef erkiesen und alles Geheul der kleinen, verworfenen Minorität, die ein 93 herausbeschwören will, wie den Vampyr aus dem Grabe, wird in Wuthgestöhn verhallen. Ha, wenn die honette, auf das von der rothen Demokratie so oft angerufene Volk Frankreichs sich stützende Majorität sich rächen wollte! aber nein, sie ist immer großmüthig und wird es auch jetzt sein wo die Wahl des Präsidenten so gewaltig zur Beschämung der Ordnungsfeinde beitragen wird.“ Es scheint gleichwohl, in Montpellier, wo der henrianische Abbe Genoude wieder durch fiel und der radikale Advokat Laissac trotz Annullirung der Wahl wieder gewählt wurde, halten die Philippisten zu den Republikanern „aus Angst vor der Rache der unerbittlichen Legitimisten, die im Fall wenn Henri käme, ohne Bedenken den weißen Schrecken von 95 und 1815 wiederholen würden, d. h. mit den Sonnen- und Jesusbataillonen die Demokraten in Masse niederhauen, mit den abgehackten Köpfen Kegel spielen, die Guillotine durch die Städte fahren,“ wie die „Liberté“ in Lyon sehr treffend erinnert. „Es kommt zum Bruch (sagt „Le Republikain alsacien“) und Cavaignac wird, um nicht unterzugehen und obendrein seinen Namen aus dem Tempel des Ruhms ausgelöscht zu sehen, sich der Partei in die Arme werfen müssen, die er jüngst so hart bekriegte. Sein Nachgeben half weder ihm noch der guten Sache; die Gegner derselben wurden dadurch nur immer kecker und ziehen die weiße Standarte in Journalen auf, die noch vor wenig Wochen mit der Trikolore kokettirten.“

Mit unendlichem Herzklopfen blickt die junge Demokratie über den Rhein, jede Bewegung der Deutschen beobachtend; Struve's Schilderhebung, die Berliner, Kölner, Wiener Ereignisse werden mit namenlosem Interesse besprochen. So ruft der „Republicain de l'Allier“ (ein Blatt in Moulins): „Stände neben dem strauchelnden, fast in Alterschwäche ‒ Gott verzeih uns diesen Ausdruck, der unserm patriotischen Munde so weh thut, aber nur zu wahr ist! ‒ versinkenden Frankreich, nicht das urkräftig aufstrebende demokratische Deutschland, so wäre Europa schlimm berathen. Beide Demokratieeu müssen sich verbrüdern.“ La Reforme theilt die Protestation des hiesigen deutschen Vereins gegen die insolenten Angriffe des „Journal des Debats“ mit, welches, wie „Le Corsaire“ und „La Presse“ behauptete: die kölner „honnetten Klubisten“ welche die rothe Republik proklamirt, wären doch gewiß bereit, Tags darauf Elsas und Lothringen von Frankreich abzureißen. Es versteht sich, daß die Sophisten des ehrenwerthen Bertin'schen Hofblatts, selbst nicht im allermindesten an diese Beschuldigung glauben, ebensowenig wie wenn sie gestern schrieben: „Jelachich, das ist der gewaltige Krieger, der siegesfreudig (!) das solide Recht der Ordnung geltend zu machen versteht, der des Kaisers von Demagogen bedrohte Krone selbst wider Willen des Kaisers retten wird, ist von den Ruhestörern auf's ekelhafteste verleumdet. In der That, zwischen den rothen aber kraftsprudelnden Barbaren des Ostens und den mit Literatur und Civilisation prahlenden Ordnungsrichtern des Westens muß endlich ein mittleres, Gleichgewicht erhaltendes, Element auftreten und wir erblicken den Beginn dazu bereits freudig in dem gemäßigten, energischen, zusammenpressenden Verfahren, das die frankfurter, berliner und sonstige Parlamentsmajoritäten Deutschlands annehmen. Nur auf diesem Wege kann für unsere überrheinischen Nachbaren Heil erblühen. Man sieht, in Frankfurt weiß die Majorität kräftig zu sein; der greise Jahn hat gerufen: die rothe Republik ist eine Pest und wird vergehen wie die Pest! Jahn hat ein hohes, herrliches Wort gesprochen.“ (Der alte ungewaschene Bettler wird sich freuen, solch Lob passirt ihm selten!) „Und daß die deutsche Mäßigkeitspartei, die Ordnung und Civilisation will nur dreist einherschreite! Die Gleichgesinnten aller civilisirten Länder werden mit ihr sein! “ ‒ „La Presse“ heult: „Die 30,000 terroristischen Proletarier Berlin's wollen, scheint's, das deutsche Parlament in ihre Mauern verlegen, aber schon sind von Johann Befehle zum Arretiren der gar zu vorwitzigen Radikalen gegeben, die etwa dorthin pilgern möchten. Die Ordnung wird siegen, aber der Kampf wird leider der deutschen Mäßigkeitspartei Blut kosten. Unsere wärmsten Wünsche mit ihr!“ Herr Alexander Weill wird sehr warm bei Verfertigung dieser Artikelchen. ‒ Daß die Strasburger Polizei sechs Frankfurter Flüchtlinge, die ihr die deutsche Polizei als Mörder des „Märtyrer“ Felix Lychnowski (des „edelsten, vollendetsten deutschen Ritters,“ sagt der Constitutionnel) ausgeliefert, läugnet der Moniteur; ich weiß aber daß, sie sie als „Vagabonden“ einsteckte; ein neues Auskunftmittel mit „mißliebigen“ Refugiés ganz sachte fertig zu werden. Strasburg ist übrigens wie Thann, Mühlhausen u. s. w. sehr demokratisch und macht der pariser Reaktion viel Sorge.

17 Paris, 15. Oktbr.

Cavaignac's neuester wahnwitziger Handstreich, drei erzroyalistische, im höchsten Grade volksfeindliche Minister zu erwählen, ruft eine ehrenwerthe Protestation des Dr. med. Ducour, Polizeipräfekten (aus der Partei des National) hervor: „Bürgerpräsident, Sie stellen ein Ministerium auf, welches in meinen Augen die leibhaftige Gegenrevolution ist; die Republik, nach achtmonatlichem Bestehen, wird also jetzt von Leuten gelenkt werden, die alle ihre Zeit, Intelligenz und Kraft anwandten, das Entstehen derselben zu hindern. In Betracht der die Freiheit in Frankreich bedrohenden Gefahren, während sie in Deutschland gerade Triumphe feiert, will ich abermals meinen Platz unter den Königsfeinden einnehmen; ich werde das Königthum in allen seinen Gestaltungen bekämpfen. Jetzt müssen alle Soldaten der Demokratie auf ihren Posten stehen; der meinige ist aber nicht mehr dort, wo meine politische Sympathie aufhört. Gruß und Brüderschaft.“ Ducoux ist Volksrepräsentant; er überreichte diese Zeilen nebst Abschied eigenhändig dem General Cavaignac. Letzterer ist fortan als ein „abgethaner Mann“ zu betrachten; das Arbeitervolk haßte ihn seit der Junikanonade, jetzt verachtet es ihn, und wird ihn vielleicht zornig von sich stoßen, wenn er, und zwar bald, sich in die Arme der Blouseninsurgenten zu werfen gezwungen sehen wird. Das Urtheil der ächten, der Sozialdemokraten, ist: „Cavaignac ist ein ehrlicher bornirter Bourgeoisrepublikaner, der durch den unehrlichen Marrast und den ehrlosen Thiers völlig gegängelt wird; folglich muß er fallen und verenden. Er will jetzt den Belagerungszustand aufheben, wofür das kindische Siecle, dessen Redakteur ins Ministerium schlüpft, ihm lobhudelt; aber der arme General versöhnt damit weder die Volksfreunde, die Rothen, noch beschwichtigt er die Volksfeinde, die Weißen; man sehe nur zum Plaisir die Leitartikel von La Presse, wo ein talent- und sündenreicher Skribler, E. Girardin, Cavaignac's Vater, den energischen Konventsmann von 1793, als Bluthund hinstellt und fragt, ob der Sohn nicht in dieselbe Krankheit verfallen könne? Man mag sich das zähnefletschende Krampfgeheul denken, womit Union monarchique, Ere nouvelle, Constitutionnel die von Ihrer Zeitung schon veröffentlichten Briefe des alten Cavaignac begleiten. Das „Bordeauxer Memorial,“ das Louis Philipp einen Märtyrerkönig nennt, meint dem „Sohn des konventionellen Blutsäufers“ dadurch in den Augen des Girondevolks einen unheilvollen Stoß zu versetzen, daß es schwört: er sei melancholisch in Folge einer ihm durch eine Ballettänzerin beigebrachten Krankheit; dies ist jedenfalls maßgebend für die Bildungsstufe der Bordeleser Kaufmannsgilde, die bekanntlich dem Witzblatt Charivari im Frühjahr aufs Wort glaubte, in Paris bestehe ein Regiment bewaffneter Weiber, welche mit einer „Dampfguillotine“ in die widerspenstigen Provinzen geschickt werden würden. Außer Graf Molé hat Bordeaux den Jesuitenzögling Advokat Denjoy in die Kammer gewählt, der von seiner Bande eine Goldmedaille für die Offenherzigkeit bekommt, mit der er das Guillotinesystem als ultima ratio revolutionum auf der Rednerbühne am 22. Sept. proklamirte. Die Leidenschaften im Süden sind sehr erhitzt, in Toulouse schreit man oft in den Straßen seit dem großen Demokratenbankett: „Hoch lebe die Guillotine!“ Die Bankette mehren sich, es geht wie im letzten Jahre Louis Philipps; diesmal dürfte es den Ministern wie dem Latour ergehen. Bastide, Lamoriciere sind bereits nicht minder verabscheuungswerth als Duchatel und Konsorten. Bastide, vom National, der „katholische Jakobiner“ ehedem genannt, ist so zahm und blödsinnig geworden, daß, wenn er Cigarren rauchend, die Hand in der Tasche, mit stupidem Lächeln durch die Säle der Marrast'schen Soiree schlendert, Arm in Arm mit seinem Sekretär Hetzel (ein deutscher Buchhändler), er allerdings den Beinamen vieille vaché verdient, womit man ihn beehrt hat. Lamoriciere wird täglich unverschämter und spricht schnurrbartdrehend von Massakriren der Blousenkanaille, von „soldatischer Ehre“ u. s. w., während seine Gemahlin den Ball eröffnet. Trotz alle den Heldenthaten dieser großen Republikaner haben die Kammerbureaux schon wieder über runde neun Million zu diskutiren, die unter die Hungerleider des Seinedepartements sofort vertheilt werden sollen; in Paris ist der siebente Mensch derzeit unterstützungsbedürftig. Während Marrast mit seinem „interessanten Griechengesicht“ (wie La Republique mit Anspielung auf die Bedeutung des Wortes Grec, Beutelschneider und Falschspieler sagt) die Honneurs macht, transportirt man immer neue Ladungen Junimänner und Junifrauen; im Ganzen sind nach polizeilicher Angabe 3423 bisher weggebracht, worunter 460 Erdarbeiter, Tagelöhner; 217 Landleute; 150 Musiker, Maler; 122 Tapezirer, Weber; 111 Professionslose (National de L'Quest ruft: „Schon allein wegen dieses einzigen monstruösen Faktums, daß 111 professionslose junge starke Männer in der Februarrepublik vorhanden, wäre die ganze Kammer, das ganze Ministerium, das ganze Provisorium von Menschheitsrechtswegen zu unerbittlichster Strafe zu ziehen); 51 Thürwächter, Bediente; 33 Gelehrte, endlich 7 Rentiers; über letzteres ringt der Constitutionnel die Hände: „Ja, es wird immer klarer, daß der besitzende Stand, er, dem Gott die Aufgabe verlieh, das Staatsgleichgewicht zu erhalten, von der wahnwitzigen Geistespest, gegen die Hr. Thiers mit so großem Erfolg schrieb, angesteckt worden sind; es ist leider wahr, daß auf dem Bankett zu Toulouse, wo Wände und Möbeln roth behängt waren, und auf dem zu Paris in den Champs Elysées, Nationalgardenoffiziere sich nicht entblödeten in Uniform Theil zu nehmen;“ was ich bezeugen kann; ich sprach zwei Hauptleute, die von dem des 17. Oktober kamen; „wir sind hingegangen, um die schreckliche Schmach, die auf unserm Kleide seit Juni klebt, in Gegenwart von Blousen abzuwaschen,“ sagte mir der eine. „Marrast est une Canaille“ setzte er wüthend hinzu; er sei letzten Donnerstag nebst sechs Offizieren seiner Legion zum Abendzirkel eingeladen gewesen, an der Thüre des Palastes hörten sie indeß, daß ein nicht eingeladener einfacher Soldat der Bürgerwehr von den Marrast'schen Huissiers hinweggestoßen worden, und der gastgebende „Amphitryon“ dem deshalb mit einem Handbillet des Gemißhandelten hineingeschickten Kammerdiener geantwortet: „sagt, ihr hättet mich nicht sprechen können;“ die Offiziere kehrten auf der Stelle um und publiziren heute den Spaß. ‒ Alle Wochen ist jetzt ein Sozialdemokratenbankett zu billigem Preise; jedesmal schließt der Toast „auf das Wohl der gefangenen Brüder,“ was, wie Corsaire und Constitutionel hoffen, dem Staatsprokurator es möglich machen wird, auf „Rebellion und Verrath an der Nation“ zu klagen. Im Klub de la Redoute bedeckte sich eine feurige Adresse an die Wiener mit vielen Namen. Bonnard präsidirte. L'Union monarchique ermahnt die „gesittete, religiöse“ französische Nation gegen die gottlosen deutschen Menschenfresser, Mörder Lichnowsky's, Auerswalds und des edlen Latour auf ihrer Hut zu sein, und im Nothfalle „sich zum heiligsten Kriege der Civilisation Galliens gegen die Barbarei und den Atheismus Germaniens“ zu rüsten.

Das Blatt von Nouen ruft: „Seid auf dem Sprunge, Männer der Tugend und Ordnung, ohne inniges Zusammenhalten

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reißen und das Volk verfolgte ihn bis an den nächsten Posten. Am Abend hielt man überall Versammlungen. &#x2012; Auch in Livorno haben die Ereignisse von Florenz ihren Kontrekoup gehabt. Mit dem Rufe: Nieder mit dem Ministerium! Es lebe Montonelli, Minister! durchwogte eine immense Volksmasse die Straßen und verlief sich erst in der Nacht, ohne indeß weitere Störungen zu verursachen. &#x2012; In Modena verbrannte man auf offenem Platze die neuliche Proklamation des Herzogs. Die Ernennung der Offiziere der Bürgergarde mißfiel ebenfalls. Der Herzog ist nach Bolzano abgereist. Auf einem der Flügel des Palastes las man die Worte: Tod Franz V.! Die Ungarn, die in Modena liegen, vertauschten die östreichischen mit den nationalen Farben. Sie wollen nach Hause zurückkehren.</p>
          <p><hi rendition="#g">Mantua</hi> ist noch immer im Belagerungszustand.</p>
          <p><bibl><author>*</author></bibl> Aus einer Korrespondenz der Reforme über Italien entnehmen wir das Folgende: &#x201E;Mailand scheint noch immer der Sammelplatz der östreichischen Armee zu sein; es liegen daselbst jetzt 30,000 Mann. Die Stadt hat jeden Tag ungefähr 80,000 östr. Lire für die Soldaten zu bezahlen. Diese Ausgabe besteht seit dem 8. August. Die Offiziere bewohnen die Zimmer der abwesenden Eigenthümer und zerreißen, verderben und stehlen, ohne sich zu genieren. Die Munizipalität vertheilte, wie man versichert, mehr als 3500 Logisbillets; außerdem hat sie dem Gouverneur, dem Platzkommandanten und den Generälen die Kutschen zu stellen; täglich sieht man diese Offiziere mit ihren Mätressen vorüberfahren.</p>
          <p>Alle Thore der Stadt sind mit Kanonen garnirt; die einen nach Außen, die andern nach der Stadt gerichtet. Um 10 Uhr Abends ist alle Welt zu Hause und man trifft in den Straßen nur Patrouillen von gewöhnlich 60 Mann Infanterie oder Kavallerie. Wehe dem Bürger, der sich verspätet! bei jedem Schritt stößt er auf Soldaten, die ihm Geld abfordern, das er nicht ohne Gefahr verweigern kann. Die Glocken dürfen für den Kirchendienst stets nur eine Minute lang geläutet werden, und jedes Mal nur eine Glocke. Radetzki leidet an der Dyssenterie und zwar ziemlich stark, so daß seine Aerzte ihn nicht einmal von der Villa royale nach dem nahen Palast Archinti hinübertransportieren lassen mogten.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head>Paris, 15. Okt.</head>
          <p>Großes Ereigniß: Der &#x201E;National&#x201C; geht zur Opposition über! Entweder dankt Cavaignac morgen ab, oder wir haben übermorgen wieder Barrikaden &#x2012; das ist die Bedeutung dieses Schrittes.</p>
          <p>Doch hören wir den Mann mit den Glacehandschuhen, den Républicain en gants jaunes selbst:</p>
          <p>&#x201E;Wir können nicht annehmen, daß das im Februar zur Geltung gekommene Prinzip, dessen Anwendung vor unsern Augen geschieht, durch den Eintritt der neuen Glieder in das Kabinet bedroht sei. Dieses Prinzip ist zu erhaben, seine Wurzeln sind zu tief ins Volk geschlagen, um nicht den Anstrengungen aller Derer trotzen zu können, die versuchen sollten, es zu erschüttern. Uebrigens würde jene Majorität, die seit dem Februar in mehr als einer feierlichen Gelegenheit den festen Willen gezeigt hat, die demokratische Republik aufrecht zu erhalten, solchen Versuchen einen unübersteigbaren Damm entgegensetzen. Dennoch befehlen uns diese neuen Elemente, <hi rendition="#g">eine neue Stellung einzunehmen.</hi> Unsere Haltung wird außerordentlich vorsichtig, wir sagen mißtrauisch.</p>
          <p>Das Kabinet wird sich morgen der Approbation der Nationalversammlung unterwerfen. Indessen zugegeben selbst, sein Programm wäre annehmbar und ihm die Majorität günstig, so würden wir doch die Handlungen des Kabinets erst abwarten, ehe wir unsere Meinung bilden. Die Beifügung dieses oder jenes Namens an das Kabinet würde unsere Grundsätze keineswegs erschüttern; aber jene Namen geben uns, da sie einer verdächtigen Vergangenheit angehören, das Recht, unsere Forderungen zu stellen (d'être exigeans) und wir werden sie um so höher stellen, je weniger die neuen Minister der republikanischen Meinung Bürgschaft gewähren u. s. w.&#x201C;</p>
          <p>&#x2012; Senard und Baulabelle, die beiden Exminister, richten ihrerseits Briefe an die &#x201E;Patrie&#x201C;, worin sie die Details berichtigen, welche dieses ultrakonservative Lügenblatt über ihren Rücktritt und die Zeilen Cavaignacs gegeben hatte.</p>
          <p>&#x2012; Die Maigefangenen in Vincennes sollen endlich gerichtet werden! Es wird gemeldet, daß der Untersuchungsrichter übermorgen, Dienstag, 17. d. M. seinen Bericht der Anklagekammer endlich vorlegen und man hören wird, was mit den Eingesperrten geschehen soll?</p>
          <p>&#x2012; Der <hi rendition="#g">Berg</hi> wird morgen durch Demosthenes Ollivier in Form eines Dekretsentwurfs den Antrag auf völlige Amnestie aller politischen Gefangenen der Nationalversammlung stellen. Dieser Beschluß wurde gestern Abend in seiner Sitzung im Taitbout gefaßt. Man wird seine Wichtigkeit im gegenwärtigen Augenblick begreifen.</p>
          <p>&#x2012; Marrast's Präsidentenamt der Nationalversammlung läuft am nächsten Donnerstag (19.) ab. Die Rue de Poitiers hat beschlossen, ihn wieder zu erwählen. Wahrscheinlich um ihn zu trösten?</p>
          <p>Seine letzte Soiree war sehr dürftig. Die englischen Damen waren sehr spärlich gesäet. Die böse Welt sagt, die Ladys hätten geäußert, daß sie nicht mehr zur Frau Marrast gehen würden, weil sie erfahren, daß sie die Tochter eines reichen, in Paris am Bouleward etablirt gewesenen englischen Schusters sei etc.</p>
          <p>&#x2012; Der &#x201E;Moniteur&#x201C; beeilt sich, die gestrigen Beschlüsse der Nationalversammlung rücksichtlich der griechischen Schuld (Zahlung des am 1. Sept. c. fällig gewesenen Semesters) u. s. w. zu promulgiren. Tief unten erblickt man auch folgendes Dekret.</p>
          <p>Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Brüderschaft. Auf den Vorschlag des Ministers des Innern und nach Anhörung der Minister, beschließt der mit der Vollziehungsgewalt beauftragte Konseilpräsident:</p>
          <p>Art. 1. Der Bürger <hi rendition="#g">Gervais</hi> (ein Arzt aus Caen) ist zum Polizeipräfekten von Paris, in Ersetzung des Bürgers Ducoux, Demissionaires, ernannt.</p>
          <p>Art. 2. Der Minister des Innern ist mit Vollführung gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.</p>
          <p>Paris, 14. Okt. 1848.</p>
          <p>(gez.) <hi rendition="#g">Cavaignac.</hi> </p>
          <p>(Gegengez.) <hi rendition="#g">Dufaure,</hi> Minister des Innern.</p>
          <p>&#x2012; In diesem Augenblicke (wo wir zur Post geben, 12 Uhr), sind die meisten Glieder der Nationalversammlung in Cafés und den Konferenzsäälen versammelt. Die Aufregung ist unbeschreiblich. Wir stehen an einem Wendepunkt, der dieses Mal um so entschiedener, als es sich darum handelt, zu wissen, ob Republik und Volksherrschaft (Demokratie) wirklich bloß ein hohler Name, oder wie sich Francisque Bouvet in gestriger Sitzung bei der Debatte über Art. 82 sehr richtig ausdrückte, ein Freistaat mit monarchischem Firlefanz sein sollen oder nicht?</p>
          <p>Mit oder ohne Belagerungsstand, das ist nunmehr gleichgültig. Der tödtliche Schlag gegen die Februarrevolution ist geschehen; indem man die Männer Louis Philipps zu Ministern machte.</p>
          <p>&#x2012; Cavaignac vindizirt heute die Initiative gewisser Maßregeln im Moniteur durch folgende Zeilen: &#x201E;Gewisse Journale melden, daß die Aufhebung des Belagerungszustandes und die Uebersiedelung der Juni-Insurgenten nach Algerien von den neuen Ministern als Bedingungen ihres Eintritts in das Kabinet gestellt worden seien. Diese Maßregeln wurden in dem Augenblick getroffen, als das Votum über Durrien's Antrag erfolgte. Sie haben übrigens die Beistimmung des neuen ganzen Ministeriums erhalten.&#x201C;</p>
          <p>Also die Juniräuber segeln nach Algerien!</p>
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          <head><bibl><author>15</author></bibl> Paris, 13. Oktober.</head>
          <p>Die Spannung auf das Resultat der, wohl schon in vier bis sechs Wochen stattfindenden, Wahl des Präsidenten der Republik ist groß: &#x201E;Ihr habt's gewollt, ruft der National de L'Quest in Nantes, ihr habt das Geschick der eben wiedergeborenen Republik in die Hände der Ackerbaubevölkerung gelegt, die seit Robespierres Sturz im fanatischen Haß gegen alles antimonarchische auferzogen worden. Die Neunsous-Uebersteuer, die Nichtabsetzung der königlichen Beamten groß und klein, die Versäumung jedweder zeitgemäßen dem Hypothekenbelasteten Landmann aufhelfenden Maßregel hat vollends seine Seele mit Erbitterung gegen die Februarrevolution erfüllt; und ob Herr Lamartine noch so lieblich die Zither schlägt und sich den Barden der Humanitätsrepublik nennen läßt, das hilft alles doch nichts; das Heil der Republik hängt jämmerlicher Weise an einem Haar. Was wollt ihr machen, großartige Humanitätshelden des Provisoriums, die ihr Guillotine und Papiergeldmaschine und Nationalindustrie als unzeitgemäß weg dekretirtet, wenn ein Drittel des Heeres den läppischen, bereits 40jährigen Knaben Bonaparte, ein andres den blödsinnigen Wundersohn Henri, oder den Joinville ausruft? wenn von neun Millionen Wählern nur zwei Millionen einen echt demokratischen Kandidaten wählen, und die übrigen einen Massakrirer Bugeaud, oder einen der Prätendenten? u. s. w.&#x201C; Das Höhnen und Jubeln der Reaktionspresse wächst täglich; die Provinzialblätter sehen aus wie zur schönen Zeit Louis XVIII, da spukt es von Glaubensbataillonen, Glaubenssocietäten, Ordnungslegionen, über das südliche Frankreich bis Lyon ist eine halb geheime, halb öffentliche, geschloßne Gesellschaft &#x201E;zur Beschützung des Eigenthums und der Sittlichkeit&#x201C; ausgebreitet, in die jeder &#x201E;honnette&#x201C; Franzose und Ausländer eingeschrieben wird; Monatsbeiträge von einem Franken, Gliederung in Waffenbrüderschaften, Eide, heilige Fahnen, fanatisirende Pamphlete, alles im besten Gange wie unter Karl X. In Marseille tragen die Mauern Affischen wie folgt: &#x201E;Die Befreiung naht, das gotteslästerliche, geldsaugende Ungeheuer des Februar wird verenden unter dem siegreichen Flammenschwert unsres gebenedeiten Wundersohnes Henri V. der den Kredit herstellen, die Schuldscheine des frommen Landmanns zerreißen wird. Hoch lebe der König, das Gesetz, und das schöne Geschlecht! Ein Gesetzesfreund.&#x201C; Diese und ähnliche Druckzettel erscheinen in Bordeaux, Marseille und Arles immer wieder, so oft die Demokraten sie vernichten. In Bordeaux, diesem &#x201E;Natternest der Verstocktheit und Selbstsucht&#x201C; predigt das Memorial Bordelais der Kaufmannschaft geradehin Ausrufen des Königthums, und sagt: &#x201E;zu diesem allein moralischen, mit Frankreichs Bedürfniß allein harmonirenden Ziele haben wir Bordeleser, die wir 1813 schon zuerst den korsikanischen Uhuopator stürzten und die Herzogin Angouleme aufnahmen, jetzt den edeln weisen Grafen Molé in die Nationalassemblée geschickt; er möge dort getrost die Drachen des rothen Berges bekämpfen, wir stehen hinter ihm, dem großen Politiker und würden die leisesten Versuche der Pariser, Frankreich aufs Neue zu despotisiren, aufs Blutigste rächen.&#x201C;</p>
          <p>Der &#x201E;Constitutionnel&#x201C; jubelt über das allgemeine Stimmrecht; &#x201E;ein erhabenes Volk wird jetzt sich seinen Chef erkiesen und alles Geheul der kleinen, verworfenen Minorität, die ein 93 herausbeschwören will, wie den Vampyr aus dem Grabe, wird in Wuthgestöhn verhallen. Ha, wenn die honette, auf das von der rothen Demokratie so oft angerufene Volk Frankreichs sich stützende Majorität sich rächen wollte! aber nein, sie ist immer großmüthig und wird es auch jetzt sein wo die Wahl des Präsidenten so gewaltig zur Beschämung der Ordnungsfeinde beitragen wird.&#x201C; Es scheint gleichwohl, in Montpellier, wo der henrianische Abbe Genoude wieder durch fiel und der radikale Advokat Laissac trotz Annullirung der Wahl wieder gewählt wurde, halten die Philippisten zu den Republikanern &#x201E;aus Angst vor der Rache der unerbittlichen Legitimisten, die im Fall wenn Henri käme, ohne Bedenken den weißen Schrecken von 95 und 1815 wiederholen würden, d. h. mit den Sonnen- und Jesusbataillonen die Demokraten in Masse niederhauen, mit den abgehackten Köpfen Kegel spielen, die Guillotine durch die Städte fahren,&#x201C; wie die &#x201E;Liberté&#x201C; in Lyon sehr treffend erinnert. &#x201E;Es kommt zum Bruch (sagt &#x201E;Le Republikain alsacien&#x201C;) und Cavaignac wird, um nicht unterzugehen und obendrein seinen Namen aus dem Tempel des Ruhms ausgelöscht zu sehen, sich der Partei in die Arme werfen müssen, die er jüngst so hart bekriegte. Sein Nachgeben half weder ihm noch der guten Sache; die Gegner derselben wurden dadurch nur immer kecker und ziehen die weiße Standarte in Journalen auf, die noch vor wenig Wochen mit der Trikolore kokettirten.&#x201C;</p>
          <p>Mit unendlichem Herzklopfen blickt die junge Demokratie über den Rhein, jede Bewegung der Deutschen beobachtend; Struve's Schilderhebung, die Berliner, Kölner, Wiener Ereignisse werden mit namenlosem Interesse besprochen. So ruft der &#x201E;Republicain de l'Allier&#x201C; (ein Blatt in Moulins): &#x201E;Stände neben dem strauchelnden, fast in Alterschwäche &#x2012; Gott verzeih uns diesen Ausdruck, der unserm patriotischen Munde so weh thut, aber nur zu wahr ist! &#x2012; versinkenden Frankreich, nicht das urkräftig aufstrebende demokratische Deutschland, so wäre Europa schlimm berathen. Beide Demokratieeu müssen sich verbrüdern.&#x201C; La Reforme theilt die Protestation des hiesigen deutschen Vereins gegen die insolenten Angriffe des &#x201E;Journal des Debats&#x201C; mit, welches, wie &#x201E;Le Corsaire&#x201C; und &#x201E;La Presse&#x201C; behauptete: die kölner &#x201E;honnetten Klubisten&#x201C; welche die rothe Republik proklamirt, wären doch gewiß bereit, Tags darauf Elsas und Lothringen von Frankreich abzureißen. Es versteht sich, daß die Sophisten des ehrenwerthen Bertin'schen Hofblatts, selbst nicht im allermindesten an diese Beschuldigung glauben, ebensowenig wie wenn sie gestern schrieben: &#x201E;Jelachich, das ist der gewaltige Krieger, der siegesfreudig (!) das solide Recht der Ordnung geltend zu machen versteht, der des Kaisers von Demagogen bedrohte Krone selbst wider Willen des Kaisers retten wird, ist von den Ruhestörern auf's ekelhafteste verleumdet. In der That, zwischen den rothen aber kraftsprudelnden Barbaren des Ostens und den mit Literatur und Civilisation prahlenden Ordnungsrichtern des Westens muß endlich ein mittleres, Gleichgewicht erhaltendes, Element auftreten und wir erblicken den Beginn dazu bereits freudig in dem gemäßigten, energischen, zusammenpressenden Verfahren, das die frankfurter, berliner und sonstige Parlamentsmajoritäten Deutschlands annehmen. Nur auf diesem Wege kann für unsere überrheinischen Nachbaren Heil erblühen. Man sieht, in Frankfurt weiß die Majorität kräftig zu sein; der greise Jahn hat gerufen: die rothe Republik ist eine Pest und wird vergehen wie die Pest! Jahn hat ein hohes, herrliches Wort gesprochen.&#x201C; (Der alte ungewaschene Bettler wird sich freuen, solch Lob passirt ihm selten!) &#x201E;Und daß die deutsche Mäßigkeitspartei, die Ordnung und Civilisation will nur dreist einherschreite! Die Gleichgesinnten aller civilisirten Länder werden mit ihr sein! &#x201C; &#x2012; &#x201E;La Presse&#x201C; heult: &#x201E;Die 30,000 terroristischen Proletarier Berlin's wollen, scheint's, das deutsche Parlament in ihre Mauern verlegen, aber schon sind von Johann Befehle zum Arretiren der gar zu vorwitzigen Radikalen gegeben, die etwa dorthin pilgern möchten. Die Ordnung wird siegen, aber der Kampf wird leider der deutschen Mäßigkeitspartei Blut kosten. Unsere wärmsten Wünsche mit ihr!&#x201C; Herr Alexander Weill wird sehr warm bei Verfertigung dieser Artikelchen. &#x2012; Daß die Strasburger Polizei sechs Frankfurter Flüchtlinge, die ihr die deutsche Polizei als Mörder des &#x201E;Märtyrer&#x201C; Felix Lychnowski (des &#x201E;edelsten, vollendetsten deutschen Ritters,&#x201C; sagt der Constitutionnel) ausgeliefert, läugnet der Moniteur; ich weiß aber daß, sie sie als &#x201E;Vagabonden&#x201C; einsteckte; ein neues Auskunftmittel mit &#x201E;mißliebigen&#x201C; Refugiés ganz sachte fertig zu werden. Strasburg ist übrigens wie Thann, Mühlhausen u. s. w. sehr demokratisch und macht der pariser Reaktion viel Sorge.</p>
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          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 15. Oktbr.</head>
          <p>Cavaignac's neuester wahnwitziger Handstreich, drei erzroyalistische, im höchsten Grade volksfeindliche Minister zu erwählen, ruft eine ehrenwerthe Protestation des Dr. med. Ducour, Polizeipräfekten (aus der Partei des National) hervor: &#x201E;Bürgerpräsident, Sie stellen ein Ministerium auf, welches in meinen Augen die leibhaftige Gegenrevolution ist; die Republik, nach achtmonatlichem Bestehen, wird also jetzt von Leuten gelenkt werden, die alle ihre Zeit, Intelligenz und Kraft anwandten, das Entstehen derselben zu hindern. In Betracht der die Freiheit in Frankreich bedrohenden Gefahren, während sie in Deutschland gerade Triumphe feiert, will ich abermals meinen Platz unter den Königsfeinden einnehmen; ich werde das Königthum in allen seinen Gestaltungen bekämpfen. Jetzt müssen alle Soldaten der Demokratie auf ihren Posten stehen; der meinige ist aber nicht mehr dort, wo meine politische Sympathie aufhört. Gruß und Brüderschaft.&#x201C; Ducoux ist Volksrepräsentant; er überreichte diese Zeilen nebst Abschied eigenhändig dem General Cavaignac. Letzterer ist fortan als ein &#x201E;abgethaner Mann&#x201C; zu betrachten; das Arbeitervolk haßte ihn seit der Junikanonade, jetzt verachtet es ihn, und wird ihn vielleicht zornig von sich stoßen, wenn er, und zwar bald, sich in die Arme der Blouseninsurgenten zu werfen gezwungen sehen wird. Das Urtheil der ächten, der Sozialdemokraten, ist: &#x201E;Cavaignac ist ein ehrlicher bornirter Bourgeoisrepublikaner, der durch den unehrlichen Marrast und den ehrlosen Thiers völlig gegängelt wird; folglich muß er fallen und verenden. Er will jetzt den Belagerungszustand aufheben, wofür das kindische Siecle, dessen Redakteur ins Ministerium schlüpft, ihm lobhudelt; aber der arme General versöhnt damit weder die Volksfreunde, die Rothen, noch beschwichtigt er die Volksfeinde, die Weißen; man sehe nur zum Plaisir die Leitartikel von La Presse, wo ein talent- und sündenreicher Skribler, E. Girardin, Cavaignac's Vater, den energischen Konventsmann von 1793, als Bluthund hinstellt und fragt, ob der Sohn nicht in dieselbe Krankheit verfallen könne? Man mag sich das zähnefletschende Krampfgeheul denken, womit Union monarchique, Ere nouvelle, Constitutionnel die von Ihrer Zeitung schon veröffentlichten Briefe des alten Cavaignac begleiten. Das &#x201E;Bordeauxer Memorial,&#x201C; das Louis Philipp einen Märtyrerkönig nennt, meint dem &#x201E;Sohn des konventionellen Blutsäufers&#x201C; dadurch in den Augen des Girondevolks einen unheilvollen Stoß zu versetzen, daß es schwört: er sei melancholisch in Folge einer ihm durch eine Ballettänzerin beigebrachten Krankheit; dies ist jedenfalls maßgebend für die Bildungsstufe der Bordeleser Kaufmannsgilde, die bekanntlich dem Witzblatt Charivari im Frühjahr aufs Wort glaubte, in Paris bestehe ein Regiment bewaffneter Weiber, welche mit einer &#x201E;Dampfguillotine&#x201C; in die widerspenstigen Provinzen geschickt werden würden. Außer Graf Molé hat Bordeaux den Jesuitenzögling Advokat Denjoy in die Kammer gewählt, der von seiner Bande eine Goldmedaille für die Offenherzigkeit bekommt, mit der er das Guillotinesystem als ultima ratio revolutionum auf der Rednerbühne am 22. Sept. proklamirte. Die Leidenschaften im Süden sind sehr erhitzt, in Toulouse schreit man oft in den Straßen seit dem großen Demokratenbankett: &#x201E;Hoch lebe die Guillotine!&#x201C; Die Bankette mehren sich, es geht wie im letzten Jahre Louis Philipps; diesmal dürfte es den Ministern wie dem Latour ergehen. Bastide, Lamoriciere sind bereits nicht minder verabscheuungswerth als Duchatel und Konsorten. Bastide, vom National, der &#x201E;katholische Jakobiner&#x201C; ehedem genannt, ist so zahm und blödsinnig geworden, daß, wenn er Cigarren rauchend, die Hand in der Tasche, mit stupidem Lächeln durch die Säle der Marrast'schen Soiree schlendert, Arm in Arm mit seinem Sekretär Hetzel (ein deutscher Buchhändler), er allerdings den Beinamen vieille vaché verdient, womit man ihn beehrt hat. Lamoriciere wird täglich unverschämter und spricht schnurrbartdrehend von Massakriren der Blousenkanaille, von &#x201E;soldatischer Ehre&#x201C; u. s. w., während seine Gemahlin den Ball eröffnet. Trotz alle den Heldenthaten dieser großen Republikaner haben die Kammerbureaux schon wieder über runde neun Million zu diskutiren, die unter die Hungerleider des Seinedepartements sofort vertheilt werden sollen; in Paris ist der siebente Mensch derzeit unterstützungsbedürftig. Während Marrast mit seinem &#x201E;interessanten Griechengesicht&#x201C; (wie La Republique mit Anspielung auf die Bedeutung des Wortes Grec, Beutelschneider und Falschspieler sagt) die Honneurs macht, transportirt man immer neue Ladungen Junimänner und Junifrauen; im Ganzen sind nach polizeilicher Angabe 3423 bisher weggebracht, worunter 460 Erdarbeiter, Tagelöhner; 217 Landleute; 150 Musiker, Maler; 122 Tapezirer, Weber; 111 Professionslose (National de L'Quest ruft: &#x201E;Schon allein wegen dieses einzigen monstruösen Faktums, daß 111 professionslose junge starke Männer in der Februarrepublik vorhanden, wäre die ganze Kammer, das ganze Ministerium, das ganze Provisorium von Menschheitsrechtswegen zu unerbittlichster Strafe zu ziehen); 51 Thürwächter, Bediente; 33 Gelehrte, endlich 7 Rentiers; über letzteres ringt der Constitutionnel die Hände: &#x201E;Ja, es wird immer klarer, daß der besitzende Stand, er, dem Gott die Aufgabe verlieh, das Staatsgleichgewicht zu erhalten, von der wahnwitzigen Geistespest, gegen die Hr. Thiers mit so großem Erfolg schrieb, angesteckt worden sind; es ist leider wahr, daß auf dem Bankett zu Toulouse, wo Wände und Möbeln roth behängt waren, und auf dem zu Paris in den Champs Elysées, Nationalgardenoffiziere sich nicht entblödeten in Uniform Theil zu nehmen;&#x201C; was ich bezeugen kann; ich sprach zwei Hauptleute, die von dem des 17. Oktober kamen; &#x201E;wir sind hingegangen, um die schreckliche Schmach, die auf unserm Kleide seit Juni klebt, in Gegenwart von Blousen abzuwaschen,&#x201C; sagte mir der eine. &#x201E;Marrast est une Canaille&#x201C; setzte er wüthend hinzu; er sei letzten Donnerstag nebst sechs Offizieren seiner Legion zum Abendzirkel eingeladen gewesen, an der Thüre des Palastes hörten sie indeß, daß ein nicht eingeladener einfacher Soldat der Bürgerwehr von den Marrast'schen Huissiers hinweggestoßen worden, und der gastgebende &#x201E;Amphitryon&#x201C; dem deshalb mit einem Handbillet des Gemißhandelten hineingeschickten Kammerdiener geantwortet: &#x201E;sagt, ihr hättet mich nicht sprechen können;&#x201C; die Offiziere kehrten auf der Stelle um und publiziren heute den Spaß. &#x2012; Alle Wochen ist jetzt ein Sozialdemokratenbankett zu billigem Preise; jedesmal schließt der Toast &#x201E;auf das Wohl der gefangenen Brüder,&#x201C; was, wie Corsaire und Constitutionel hoffen, dem Staatsprokurator es möglich machen wird, auf &#x201E;Rebellion und Verrath an der Nation&#x201C; zu klagen. Im Klub de la Redoute bedeckte sich eine feurige Adresse an die Wiener mit vielen Namen. Bonnard präsidirte. L'Union monarchique ermahnt die &#x201E;gesittete, religiöse&#x201C; französische Nation gegen die gottlosen deutschen Menschenfresser, Mörder Lichnowsky's, Auerswalds und des edlen Latour auf ihrer Hut zu sein, und im Nothfalle &#x201E;sich zum heiligsten Kriege der Civilisation Galliens gegen die Barbarei und den Atheismus Germaniens&#x201C; zu rüsten.</p>
          <p>Das Blatt von Nouen ruft: &#x201E;Seid auf dem Sprunge, Männer der Tugend und Ordnung, ohne inniges Zusammenhalten
</p>
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</TEI>
[0599/0003] reißen und das Volk verfolgte ihn bis an den nächsten Posten. Am Abend hielt man überall Versammlungen. ‒ Auch in Livorno haben die Ereignisse von Florenz ihren Kontrekoup gehabt. Mit dem Rufe: Nieder mit dem Ministerium! Es lebe Montonelli, Minister! durchwogte eine immense Volksmasse die Straßen und verlief sich erst in der Nacht, ohne indeß weitere Störungen zu verursachen. ‒ In Modena verbrannte man auf offenem Platze die neuliche Proklamation des Herzogs. Die Ernennung der Offiziere der Bürgergarde mißfiel ebenfalls. Der Herzog ist nach Bolzano abgereist. Auf einem der Flügel des Palastes las man die Worte: Tod Franz V.! Die Ungarn, die in Modena liegen, vertauschten die östreichischen mit den nationalen Farben. Sie wollen nach Hause zurückkehren. Mantua ist noch immer im Belagerungszustand. * Aus einer Korrespondenz der Reforme über Italien entnehmen wir das Folgende: „Mailand scheint noch immer der Sammelplatz der östreichischen Armee zu sein; es liegen daselbst jetzt 30,000 Mann. Die Stadt hat jeden Tag ungefähr 80,000 östr. Lire für die Soldaten zu bezahlen. Diese Ausgabe besteht seit dem 8. August. Die Offiziere bewohnen die Zimmer der abwesenden Eigenthümer und zerreißen, verderben und stehlen, ohne sich zu genieren. Die Munizipalität vertheilte, wie man versichert, mehr als 3500 Logisbillets; außerdem hat sie dem Gouverneur, dem Platzkommandanten und den Generälen die Kutschen zu stellen; täglich sieht man diese Offiziere mit ihren Mätressen vorüberfahren. Alle Thore der Stadt sind mit Kanonen garnirt; die einen nach Außen, die andern nach der Stadt gerichtet. Um 10 Uhr Abends ist alle Welt zu Hause und man trifft in den Straßen nur Patrouillen von gewöhnlich 60 Mann Infanterie oder Kavallerie. Wehe dem Bürger, der sich verspätet! bei jedem Schritt stößt er auf Soldaten, die ihm Geld abfordern, das er nicht ohne Gefahr verweigern kann. Die Glocken dürfen für den Kirchendienst stets nur eine Minute lang geläutet werden, und jedes Mal nur eine Glocke. Radetzki leidet an der Dyssenterie und zwar ziemlich stark, so daß seine Aerzte ihn nicht einmal von der Villa royale nach dem nahen Palast Archinti hinübertransportieren lassen mogten. Französische Republik. Paris, 15. Okt. Großes Ereigniß: Der „National“ geht zur Opposition über! Entweder dankt Cavaignac morgen ab, oder wir haben übermorgen wieder Barrikaden ‒ das ist die Bedeutung dieses Schrittes. Doch hören wir den Mann mit den Glacehandschuhen, den Républicain en gants jaunes selbst: „Wir können nicht annehmen, daß das im Februar zur Geltung gekommene Prinzip, dessen Anwendung vor unsern Augen geschieht, durch den Eintritt der neuen Glieder in das Kabinet bedroht sei. Dieses Prinzip ist zu erhaben, seine Wurzeln sind zu tief ins Volk geschlagen, um nicht den Anstrengungen aller Derer trotzen zu können, die versuchen sollten, es zu erschüttern. Uebrigens würde jene Majorität, die seit dem Februar in mehr als einer feierlichen Gelegenheit den festen Willen gezeigt hat, die demokratische Republik aufrecht zu erhalten, solchen Versuchen einen unübersteigbaren Damm entgegensetzen. Dennoch befehlen uns diese neuen Elemente, eine neue Stellung einzunehmen. Unsere Haltung wird außerordentlich vorsichtig, wir sagen mißtrauisch. Das Kabinet wird sich morgen der Approbation der Nationalversammlung unterwerfen. Indessen zugegeben selbst, sein Programm wäre annehmbar und ihm die Majorität günstig, so würden wir doch die Handlungen des Kabinets erst abwarten, ehe wir unsere Meinung bilden. Die Beifügung dieses oder jenes Namens an das Kabinet würde unsere Grundsätze keineswegs erschüttern; aber jene Namen geben uns, da sie einer verdächtigen Vergangenheit angehören, das Recht, unsere Forderungen zu stellen (d'être exigeans) und wir werden sie um so höher stellen, je weniger die neuen Minister der republikanischen Meinung Bürgschaft gewähren u. s. w.“ ‒ Senard und Baulabelle, die beiden Exminister, richten ihrerseits Briefe an die „Patrie“, worin sie die Details berichtigen, welche dieses ultrakonservative Lügenblatt über ihren Rücktritt und die Zeilen Cavaignacs gegeben hatte. ‒ Die Maigefangenen in Vincennes sollen endlich gerichtet werden! Es wird gemeldet, daß der Untersuchungsrichter übermorgen, Dienstag, 17. d. M. seinen Bericht der Anklagekammer endlich vorlegen und man hören wird, was mit den Eingesperrten geschehen soll? ‒ Der Berg wird morgen durch Demosthenes Ollivier in Form eines Dekretsentwurfs den Antrag auf völlige Amnestie aller politischen Gefangenen der Nationalversammlung stellen. Dieser Beschluß wurde gestern Abend in seiner Sitzung im Taitbout gefaßt. Man wird seine Wichtigkeit im gegenwärtigen Augenblick begreifen. ‒ Marrast's Präsidentenamt der Nationalversammlung läuft am nächsten Donnerstag (19.) ab. Die Rue de Poitiers hat beschlossen, ihn wieder zu erwählen. Wahrscheinlich um ihn zu trösten? Seine letzte Soiree war sehr dürftig. Die englischen Damen waren sehr spärlich gesäet. Die böse Welt sagt, die Ladys hätten geäußert, daß sie nicht mehr zur Frau Marrast gehen würden, weil sie erfahren, daß sie die Tochter eines reichen, in Paris am Bouleward etablirt gewesenen englischen Schusters sei etc. ‒ Der „Moniteur“ beeilt sich, die gestrigen Beschlüsse der Nationalversammlung rücksichtlich der griechischen Schuld (Zahlung des am 1. Sept. c. fällig gewesenen Semesters) u. s. w. zu promulgiren. Tief unten erblickt man auch folgendes Dekret. Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Brüderschaft. Auf den Vorschlag des Ministers des Innern und nach Anhörung der Minister, beschließt der mit der Vollziehungsgewalt beauftragte Konseilpräsident: Art. 1. Der Bürger Gervais (ein Arzt aus Caen) ist zum Polizeipräfekten von Paris, in Ersetzung des Bürgers Ducoux, Demissionaires, ernannt. Art. 2. Der Minister des Innern ist mit Vollführung gegenwärtigen Beschlusses beauftragt. Paris, 14. Okt. 1848. (gez.) Cavaignac. (Gegengez.) Dufaure, Minister des Innern. ‒ In diesem Augenblicke (wo wir zur Post geben, 12 Uhr), sind die meisten Glieder der Nationalversammlung in Cafés und den Konferenzsäälen versammelt. Die Aufregung ist unbeschreiblich. Wir stehen an einem Wendepunkt, der dieses Mal um so entschiedener, als es sich darum handelt, zu wissen, ob Republik und Volksherrschaft (Demokratie) wirklich bloß ein hohler Name, oder wie sich Francisque Bouvet in gestriger Sitzung bei der Debatte über Art. 82 sehr richtig ausdrückte, ein Freistaat mit monarchischem Firlefanz sein sollen oder nicht? Mit oder ohne Belagerungsstand, das ist nunmehr gleichgültig. Der tödtliche Schlag gegen die Februarrevolution ist geschehen; indem man die Männer Louis Philipps zu Ministern machte. ‒ Cavaignac vindizirt heute die Initiative gewisser Maßregeln im Moniteur durch folgende Zeilen: „Gewisse Journale melden, daß die Aufhebung des Belagerungszustandes und die Uebersiedelung der Juni-Insurgenten nach Algerien von den neuen Ministern als Bedingungen ihres Eintritts in das Kabinet gestellt worden seien. Diese Maßregeln wurden in dem Augenblick getroffen, als das Votum über Durrien's Antrag erfolgte. Sie haben übrigens die Beistimmung des neuen ganzen Ministeriums erhalten.“ Also die Juniräuber segeln nach Algerien! 15 Paris, 13. Oktober. Die Spannung auf das Resultat der, wohl schon in vier bis sechs Wochen stattfindenden, Wahl des Präsidenten der Republik ist groß: „Ihr habt's gewollt, ruft der National de L'Quest in Nantes, ihr habt das Geschick der eben wiedergeborenen Republik in die Hände der Ackerbaubevölkerung gelegt, die seit Robespierres Sturz im fanatischen Haß gegen alles antimonarchische auferzogen worden. Die Neunsous-Uebersteuer, die Nichtabsetzung der königlichen Beamten groß und klein, die Versäumung jedweder zeitgemäßen dem Hypothekenbelasteten Landmann aufhelfenden Maßregel hat vollends seine Seele mit Erbitterung gegen die Februarrevolution erfüllt; und ob Herr Lamartine noch so lieblich die Zither schlägt und sich den Barden der Humanitätsrepublik nennen läßt, das hilft alles doch nichts; das Heil der Republik hängt jämmerlicher Weise an einem Haar. Was wollt ihr machen, großartige Humanitätshelden des Provisoriums, die ihr Guillotine und Papiergeldmaschine und Nationalindustrie als unzeitgemäß weg dekretirtet, wenn ein Drittel des Heeres den läppischen, bereits 40jährigen Knaben Bonaparte, ein andres den blödsinnigen Wundersohn Henri, oder den Joinville ausruft? wenn von neun Millionen Wählern nur zwei Millionen einen echt demokratischen Kandidaten wählen, und die übrigen einen Massakrirer Bugeaud, oder einen der Prätendenten? u. s. w.“ Das Höhnen und Jubeln der Reaktionspresse wächst täglich; die Provinzialblätter sehen aus wie zur schönen Zeit Louis XVIII, da spukt es von Glaubensbataillonen, Glaubenssocietäten, Ordnungslegionen, über das südliche Frankreich bis Lyon ist eine halb geheime, halb öffentliche, geschloßne Gesellschaft „zur Beschützung des Eigenthums und der Sittlichkeit“ ausgebreitet, in die jeder „honnette“ Franzose und Ausländer eingeschrieben wird; Monatsbeiträge von einem Franken, Gliederung in Waffenbrüderschaften, Eide, heilige Fahnen, fanatisirende Pamphlete, alles im besten Gange wie unter Karl X. In Marseille tragen die Mauern Affischen wie folgt: „Die Befreiung naht, das gotteslästerliche, geldsaugende Ungeheuer des Februar wird verenden unter dem siegreichen Flammenschwert unsres gebenedeiten Wundersohnes Henri V. der den Kredit herstellen, die Schuldscheine des frommen Landmanns zerreißen wird. Hoch lebe der König, das Gesetz, und das schöne Geschlecht! Ein Gesetzesfreund.“ Diese und ähnliche Druckzettel erscheinen in Bordeaux, Marseille und Arles immer wieder, so oft die Demokraten sie vernichten. In Bordeaux, diesem „Natternest der Verstocktheit und Selbstsucht“ predigt das Memorial Bordelais der Kaufmannschaft geradehin Ausrufen des Königthums, und sagt: „zu diesem allein moralischen, mit Frankreichs Bedürfniß allein harmonirenden Ziele haben wir Bordeleser, die wir 1813 schon zuerst den korsikanischen Uhuopator stürzten und die Herzogin Angouleme aufnahmen, jetzt den edeln weisen Grafen Molé in die Nationalassemblée geschickt; er möge dort getrost die Drachen des rothen Berges bekämpfen, wir stehen hinter ihm, dem großen Politiker und würden die leisesten Versuche der Pariser, Frankreich aufs Neue zu despotisiren, aufs Blutigste rächen.“ Der „Constitutionnel“ jubelt über das allgemeine Stimmrecht; „ein erhabenes Volk wird jetzt sich seinen Chef erkiesen und alles Geheul der kleinen, verworfenen Minorität, die ein 93 herausbeschwören will, wie den Vampyr aus dem Grabe, wird in Wuthgestöhn verhallen. Ha, wenn die honette, auf das von der rothen Demokratie so oft angerufene Volk Frankreichs sich stützende Majorität sich rächen wollte! aber nein, sie ist immer großmüthig und wird es auch jetzt sein wo die Wahl des Präsidenten so gewaltig zur Beschämung der Ordnungsfeinde beitragen wird.“ Es scheint gleichwohl, in Montpellier, wo der henrianische Abbe Genoude wieder durch fiel und der radikale Advokat Laissac trotz Annullirung der Wahl wieder gewählt wurde, halten die Philippisten zu den Republikanern „aus Angst vor der Rache der unerbittlichen Legitimisten, die im Fall wenn Henri käme, ohne Bedenken den weißen Schrecken von 95 und 1815 wiederholen würden, d. h. mit den Sonnen- und Jesusbataillonen die Demokraten in Masse niederhauen, mit den abgehackten Köpfen Kegel spielen, die Guillotine durch die Städte fahren,“ wie die „Liberté“ in Lyon sehr treffend erinnert. „Es kommt zum Bruch (sagt „Le Republikain alsacien“) und Cavaignac wird, um nicht unterzugehen und obendrein seinen Namen aus dem Tempel des Ruhms ausgelöscht zu sehen, sich der Partei in die Arme werfen müssen, die er jüngst so hart bekriegte. Sein Nachgeben half weder ihm noch der guten Sache; die Gegner derselben wurden dadurch nur immer kecker und ziehen die weiße Standarte in Journalen auf, die noch vor wenig Wochen mit der Trikolore kokettirten.“ Mit unendlichem Herzklopfen blickt die junge Demokratie über den Rhein, jede Bewegung der Deutschen beobachtend; Struve's Schilderhebung, die Berliner, Kölner, Wiener Ereignisse werden mit namenlosem Interesse besprochen. So ruft der „Republicain de l'Allier“ (ein Blatt in Moulins): „Stände neben dem strauchelnden, fast in Alterschwäche ‒ Gott verzeih uns diesen Ausdruck, der unserm patriotischen Munde so weh thut, aber nur zu wahr ist! ‒ versinkenden Frankreich, nicht das urkräftig aufstrebende demokratische Deutschland, so wäre Europa schlimm berathen. Beide Demokratieeu müssen sich verbrüdern.“ La Reforme theilt die Protestation des hiesigen deutschen Vereins gegen die insolenten Angriffe des „Journal des Debats“ mit, welches, wie „Le Corsaire“ und „La Presse“ behauptete: die kölner „honnetten Klubisten“ welche die rothe Republik proklamirt, wären doch gewiß bereit, Tags darauf Elsas und Lothringen von Frankreich abzureißen. Es versteht sich, daß die Sophisten des ehrenwerthen Bertin'schen Hofblatts, selbst nicht im allermindesten an diese Beschuldigung glauben, ebensowenig wie wenn sie gestern schrieben: „Jelachich, das ist der gewaltige Krieger, der siegesfreudig (!) das solide Recht der Ordnung geltend zu machen versteht, der des Kaisers von Demagogen bedrohte Krone selbst wider Willen des Kaisers retten wird, ist von den Ruhestörern auf's ekelhafteste verleumdet. In der That, zwischen den rothen aber kraftsprudelnden Barbaren des Ostens und den mit Literatur und Civilisation prahlenden Ordnungsrichtern des Westens muß endlich ein mittleres, Gleichgewicht erhaltendes, Element auftreten und wir erblicken den Beginn dazu bereits freudig in dem gemäßigten, energischen, zusammenpressenden Verfahren, das die frankfurter, berliner und sonstige Parlamentsmajoritäten Deutschlands annehmen. Nur auf diesem Wege kann für unsere überrheinischen Nachbaren Heil erblühen. Man sieht, in Frankfurt weiß die Majorität kräftig zu sein; der greise Jahn hat gerufen: die rothe Republik ist eine Pest und wird vergehen wie die Pest! Jahn hat ein hohes, herrliches Wort gesprochen.“ (Der alte ungewaschene Bettler wird sich freuen, solch Lob passirt ihm selten!) „Und daß die deutsche Mäßigkeitspartei, die Ordnung und Civilisation will nur dreist einherschreite! Die Gleichgesinnten aller civilisirten Länder werden mit ihr sein! “ ‒ „La Presse“ heult: „Die 30,000 terroristischen Proletarier Berlin's wollen, scheint's, das deutsche Parlament in ihre Mauern verlegen, aber schon sind von Johann Befehle zum Arretiren der gar zu vorwitzigen Radikalen gegeben, die etwa dorthin pilgern möchten. Die Ordnung wird siegen, aber der Kampf wird leider der deutschen Mäßigkeitspartei Blut kosten. Unsere wärmsten Wünsche mit ihr!“ Herr Alexander Weill wird sehr warm bei Verfertigung dieser Artikelchen. ‒ Daß die Strasburger Polizei sechs Frankfurter Flüchtlinge, die ihr die deutsche Polizei als Mörder des „Märtyrer“ Felix Lychnowski (des „edelsten, vollendetsten deutschen Ritters,“ sagt der Constitutionnel) ausgeliefert, läugnet der Moniteur; ich weiß aber daß, sie sie als „Vagabonden“ einsteckte; ein neues Auskunftmittel mit „mißliebigen“ Refugiés ganz sachte fertig zu werden. Strasburg ist übrigens wie Thann, Mühlhausen u. s. w. sehr demokratisch und macht der pariser Reaktion viel Sorge. 17 Paris, 15. Oktbr. Cavaignac's neuester wahnwitziger Handstreich, drei erzroyalistische, im höchsten Grade volksfeindliche Minister zu erwählen, ruft eine ehrenwerthe Protestation des Dr. med. Ducour, Polizeipräfekten (aus der Partei des National) hervor: „Bürgerpräsident, Sie stellen ein Ministerium auf, welches in meinen Augen die leibhaftige Gegenrevolution ist; die Republik, nach achtmonatlichem Bestehen, wird also jetzt von Leuten gelenkt werden, die alle ihre Zeit, Intelligenz und Kraft anwandten, das Entstehen derselben zu hindern. In Betracht der die Freiheit in Frankreich bedrohenden Gefahren, während sie in Deutschland gerade Triumphe feiert, will ich abermals meinen Platz unter den Königsfeinden einnehmen; ich werde das Königthum in allen seinen Gestaltungen bekämpfen. Jetzt müssen alle Soldaten der Demokratie auf ihren Posten stehen; der meinige ist aber nicht mehr dort, wo meine politische Sympathie aufhört. Gruß und Brüderschaft.“ Ducoux ist Volksrepräsentant; er überreichte diese Zeilen nebst Abschied eigenhändig dem General Cavaignac. Letzterer ist fortan als ein „abgethaner Mann“ zu betrachten; das Arbeitervolk haßte ihn seit der Junikanonade, jetzt verachtet es ihn, und wird ihn vielleicht zornig von sich stoßen, wenn er, und zwar bald, sich in die Arme der Blouseninsurgenten zu werfen gezwungen sehen wird. Das Urtheil der ächten, der Sozialdemokraten, ist: „Cavaignac ist ein ehrlicher bornirter Bourgeoisrepublikaner, der durch den unehrlichen Marrast und den ehrlosen Thiers völlig gegängelt wird; folglich muß er fallen und verenden. Er will jetzt den Belagerungszustand aufheben, wofür das kindische Siecle, dessen Redakteur ins Ministerium schlüpft, ihm lobhudelt; aber der arme General versöhnt damit weder die Volksfreunde, die Rothen, noch beschwichtigt er die Volksfeinde, die Weißen; man sehe nur zum Plaisir die Leitartikel von La Presse, wo ein talent- und sündenreicher Skribler, E. Girardin, Cavaignac's Vater, den energischen Konventsmann von 1793, als Bluthund hinstellt und fragt, ob der Sohn nicht in dieselbe Krankheit verfallen könne? Man mag sich das zähnefletschende Krampfgeheul denken, womit Union monarchique, Ere nouvelle, Constitutionnel die von Ihrer Zeitung schon veröffentlichten Briefe des alten Cavaignac begleiten. Das „Bordeauxer Memorial,“ das Louis Philipp einen Märtyrerkönig nennt, meint dem „Sohn des konventionellen Blutsäufers“ dadurch in den Augen des Girondevolks einen unheilvollen Stoß zu versetzen, daß es schwört: er sei melancholisch in Folge einer ihm durch eine Ballettänzerin beigebrachten Krankheit; dies ist jedenfalls maßgebend für die Bildungsstufe der Bordeleser Kaufmannsgilde, die bekanntlich dem Witzblatt Charivari im Frühjahr aufs Wort glaubte, in Paris bestehe ein Regiment bewaffneter Weiber, welche mit einer „Dampfguillotine“ in die widerspenstigen Provinzen geschickt werden würden. Außer Graf Molé hat Bordeaux den Jesuitenzögling Advokat Denjoy in die Kammer gewählt, der von seiner Bande eine Goldmedaille für die Offenherzigkeit bekommt, mit der er das Guillotinesystem als ultima ratio revolutionum auf der Rednerbühne am 22. Sept. proklamirte. Die Leidenschaften im Süden sind sehr erhitzt, in Toulouse schreit man oft in den Straßen seit dem großen Demokratenbankett: „Hoch lebe die Guillotine!“ Die Bankette mehren sich, es geht wie im letzten Jahre Louis Philipps; diesmal dürfte es den Ministern wie dem Latour ergehen. Bastide, Lamoriciere sind bereits nicht minder verabscheuungswerth als Duchatel und Konsorten. Bastide, vom National, der „katholische Jakobiner“ ehedem genannt, ist so zahm und blödsinnig geworden, daß, wenn er Cigarren rauchend, die Hand in der Tasche, mit stupidem Lächeln durch die Säle der Marrast'schen Soiree schlendert, Arm in Arm mit seinem Sekretär Hetzel (ein deutscher Buchhändler), er allerdings den Beinamen vieille vaché verdient, womit man ihn beehrt hat. Lamoriciere wird täglich unverschämter und spricht schnurrbartdrehend von Massakriren der Blousenkanaille, von „soldatischer Ehre“ u. s. w., während seine Gemahlin den Ball eröffnet. Trotz alle den Heldenthaten dieser großen Republikaner haben die Kammerbureaux schon wieder über runde neun Million zu diskutiren, die unter die Hungerleider des Seinedepartements sofort vertheilt werden sollen; in Paris ist der siebente Mensch derzeit unterstützungsbedürftig. Während Marrast mit seinem „interessanten Griechengesicht“ (wie La Republique mit Anspielung auf die Bedeutung des Wortes Grec, Beutelschneider und Falschspieler sagt) die Honneurs macht, transportirt man immer neue Ladungen Junimänner und Junifrauen; im Ganzen sind nach polizeilicher Angabe 3423 bisher weggebracht, worunter 460 Erdarbeiter, Tagelöhner; 217 Landleute; 150 Musiker, Maler; 122 Tapezirer, Weber; 111 Professionslose (National de L'Quest ruft: „Schon allein wegen dieses einzigen monstruösen Faktums, daß 111 professionslose junge starke Männer in der Februarrepublik vorhanden, wäre die ganze Kammer, das ganze Ministerium, das ganze Provisorium von Menschheitsrechtswegen zu unerbittlichster Strafe zu ziehen); 51 Thürwächter, Bediente; 33 Gelehrte, endlich 7 Rentiers; über letzteres ringt der Constitutionnel die Hände: „Ja, es wird immer klarer, daß der besitzende Stand, er, dem Gott die Aufgabe verlieh, das Staatsgleichgewicht zu erhalten, von der wahnwitzigen Geistespest, gegen die Hr. Thiers mit so großem Erfolg schrieb, angesteckt worden sind; es ist leider wahr, daß auf dem Bankett zu Toulouse, wo Wände und Möbeln roth behängt waren, und auf dem zu Paris in den Champs Elysées, Nationalgardenoffiziere sich nicht entblödeten in Uniform Theil zu nehmen;“ was ich bezeugen kann; ich sprach zwei Hauptleute, die von dem des 17. Oktober kamen; „wir sind hingegangen, um die schreckliche Schmach, die auf unserm Kleide seit Juni klebt, in Gegenwart von Blousen abzuwaschen,“ sagte mir der eine. „Marrast est une Canaille“ setzte er wüthend hinzu; er sei letzten Donnerstag nebst sechs Offizieren seiner Legion zum Abendzirkel eingeladen gewesen, an der Thüre des Palastes hörten sie indeß, daß ein nicht eingeladener einfacher Soldat der Bürgerwehr von den Marrast'schen Huissiers hinweggestoßen worden, und der gastgebende „Amphitryon“ dem deshalb mit einem Handbillet des Gemißhandelten hineingeschickten Kammerdiener geantwortet: „sagt, ihr hättet mich nicht sprechen können;“ die Offiziere kehrten auf der Stelle um und publiziren heute den Spaß. ‒ Alle Wochen ist jetzt ein Sozialdemokratenbankett zu billigem Preise; jedesmal schließt der Toast „auf das Wohl der gefangenen Brüder,“ was, wie Corsaire und Constitutionel hoffen, dem Staatsprokurator es möglich machen wird, auf „Rebellion und Verrath an der Nation“ zu klagen. Im Klub de la Redoute bedeckte sich eine feurige Adresse an die Wiener mit vielen Namen. Bonnard präsidirte. L'Union monarchique ermahnt die „gesittete, religiöse“ französische Nation gegen die gottlosen deutschen Menschenfresser, Mörder Lichnowsky's, Auerswalds und des edlen Latour auf ihrer Hut zu sein, und im Nothfalle „sich zum heiligsten Kriege der Civilisation Galliens gegen die Barbarei und den Atheismus Germaniens“ zu rüsten. Das Blatt von Nouen ruft: „Seid auf dem Sprunge, Männer der Tugend und Ordnung, ohne inniges Zusammenhalten

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 119. Köln, 18. Oktober 1848, S. 0599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz119_1848/3>, abgerufen am 23.11.2024.