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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 121. Köln, 20. Oktober 1848.

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Entgegneten sie: nun wohl, wir werden uns mit dem Militär verbinden, um diese bewaffneten Hunde, die uns nicht als ihres Gleichen betrachten, zu erschlagen.

Heute um Mittag erschienen alle Erdarbeiter mit ihren sämmtlichen Fahnen auf dem Gensd'armenmarkte. Es mochten gegen 2000 Mann sein. Sie sandten eine Deputation in die National-Versammlung mit der Forderung, dieselbe solle die Mörder ihrer Brüder verhaften lassen, ferner die Todten feierlich auf städtische Kosten beerdigen, für die Hinterbliebenen derselben sorgen und ihnen für den verlorenen Zeitverlust 2 Tage Arbeitslohn auszahlen. Wie billig das Volk ist! - Der Präsident der Versammlung hat ihnen morgen Bescheid versprochen.

Berlin, 17. October.

Nach der National-Zeitung bildet das Militär, welches um Berlin herumgelagert ist, eine beträchtliche und in jedem Augenblicke schlagfertige Armee. Besonders stark ist die Artillerie, welche bis in die neueste Zeit noch verstärkt worden ist. Im Ganzen befinden sich 45 Batterien mit 360 Geschützen in der Nähe der Hauptstadt; und jede Batterie ist mit 242 Schuß versehen, In Zossen, einer Stadt von 2000 Seelen, liegen allein 2 Batterien. Die Infanterie ist beständig mit 60 scharfen Patronen versehen. Aus allen diesen Angaben geht hervor, wie sehr man in jedem Moment auf einen Schlag gerüstet ist. Ueberall auf den Dörfern, wo Infanterie liegt, sind auch zugleich Cavallerie-Piquets stationirt, um die beständige Verbindung mit den einzelnen Kantonirungen zu unterhalten.

103 Berlin, 17. Okt.

Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Der Präsident Grabowverkündigt das Resultat der gestern Abend vorgenommenen Wahlen der Vicepräsidenten und Sekretaire. Zahl der Stimmenden 327. Absolute Majorität 164. Gewählt wurden zu Vicepräsidenten: Unruh mit 247 Stimmen, Bornemann mit 215, Jonas mit 170 Stimmen, Außerdem erhielten: Waldeck 155, Tamnau 106, Temme 88, Jacoby 68 Stimmen.

Zu stellvertretenden Sekretairen wurden gewählt: v. Besser mit 190 Stimmen, Hildenhagen mit 184, Schornbaum mit 457 und Ostermann mit 157 Stimmen.

Der Minister des Innnern verlangt das Wort, um über die gestrigen Unruhen Mittheilungen zu machen und glaubt, daß diese Unruhen eine Folge der, Donnerstag stattgefundenen, Zerstörung einer Maschine seien. Die Unruhen sind gedämpft und obgleich schon Militair requirirt war, ist dasselbe doch später wieder zurückgesandt worden. Das Nähere würde durch die eingeleitete Untersuchung festgestellt werden.

Der Abg. Temme verlangt das Wort zu faktischen Berichtigungen. Er sei in der Versammlung seiner Partei benachrichtigt worden, daß Militair requirirt worden von dem Sicherheitsausschusse, der im Schlosse seine Sitzung hielt. Er begab sich sogleich mit dem Abgeordneten Elsner nach dem Schlosse, wo sie von der Bürgerwehr mit Freuden zum Sicherheitsausschuß geführt, wo sie es bestätigt fanden, daß der Kommandeur Rimpler das Verlangen auf Requisition des Militairs gestellt habe, welchen er nun zurücknahm. Zugleich muß er hinzufügen, daß die Bürgerwehr sehr entrüstet darüber war, daß ein großer Trupp Constabler, mit Schußwaffen bewaffnet, im Rücken der Bürgerwehr manövrirte, wozu die Constabler wohl keinesfalls befugt seien.

Der Minister des Innern erklärt, daß er den Constablern den Befehl gegeben, sich zu bewaffnen und die öffentlichen Gebäude und Hotels zu besetzen.

Hierauf werden folgende schleunige Interpellationen vor der Tagesordnung zugelassen.

Abg. Otto (Trier): Am 7 Oktober erklärte bei der Verhandlung über die Dringlichkeit des Behnschschen Antrages der Herr Justizminister Kisker:

"Das Staatsministerium hat Vorbereitungen getroffen Behufs Amnestirung für gewisse Kategorien von politischen Vergehen, dahin gehören insbesondere die Posener Angelegenheiten, dahin gehören die Angelegenheiten, von denen der Abgeordnete aus Trier gesprochen hat."

Ich interpellire nun das hohe Justizministerium:

"Weshalb durch die im Staatsministerium getroffenen Vorbereitungen, eine Amnestie der Trierer politischen Vergehen nicht herbeigeführt worden ist?"

Der Abg. Otto fügt noch hinzu (nachdem der Minister erklärte, er würde sogleich antworten), daß in Fölge des vom Minister am 7. gegebenen Versprechens, man die Amnestie in Trier täglich erwartete und sich nun dort, nachdem die Amnestie für die Posener erlassen, sehr getäuscht fand. Wenn man bedenkt, daß die vielen Angeklagten am 20. nach Köln vor die Assisen transportirt werden sollen, welches jedenfalls eine große Aufregung hervorbringen muß.

Der Justizminister Kisker erklärt, daß die Vorberathungen noch nicht vollständig erledigt seien, die Sache solle aber so viel wie möglich beschleunigt werden.

Abg. Otto will sich mit dieser Antwort nicht befriedigen, indem dem Ministerium seit langer Zeit der ganze Thatbestand durch die Anklage-Akte vorliege und er müsse daher auf sofortige Erlassung der Amnestie dringen.

Der Minister Eichmann erklärt, daß sich die Krone durchaus keine Amnestie abdrängen lassen werde; die Amnestie sei ein Recht der Krone, welches das Ministerium zu schützen wissen werde. - Man müsse sich mit dem Versprechen des Ministeriums begnügen, welches die Sache in Berathung gezogen habe. -

Abg. Dierschke: Das Staatsministerium wolle sich sofort darüber erklären:

1) ob dasselbe den in der Sitzung vom 1. September gefaßten Beschluß über bessere Versorgung der invaliden Combattanten aus den Feldzügen von 1806 und 1813-15 und die baldige Ermittelung ihrer Zahl bereits zur Ausführung gebracht hat;

2) welche Resultate daraus hervorgegangen sind? eventuell aber

3) ob und welche Hinderungs-Ursachen der Ausführung jenes Beschlusses entgegenstehen?

Der Minister-Präsident erklärt, daß die Sache in vollem Gange, daß aber die Ermittelung der Zahl der Invaliden sehr schwierig und zeitraubend sei.

Abg. Pinoff: In mehreren Theilen der Provinz Schlesien wird gegenwärtig das erste Aufgebot der Landwehr eingezogen. In Rücksicht darauf, daß diese außerordentliche Maßregel eine große Aufregung in der Provinz hervorruft, wird das hohe Kriegsministerium angefragt:

"Aus welchen Gründen und zu welchem Zwecke die schlesische Landwehr in diesem Augenblicke eingezogen werde?"

Die Zulassung dieser Interpellation erfordert eine Abstimmung, welche zweifelhaft ist. Die Zählung ergiebt: 171 Stimmen für und 152 gegen die Zulassung.

Abg. Pinoff schildert die Aufregung welche die Einziehung der Landwehr, als wäre der Feind vor der Thur, in ganz Schlesien hervorgerufen habe. Besonders da Familienväter eingezogen würden, deren Angehörigen dadurch brodlos würden, da der Staat diesen Angehörigen keine Unterstützung ertheilt.

Der Kriegsminister Pfuel antwortet, daß die Sache sehr einfach sei, indem den Behörden von allen Seiten Vorstellungen eingegangen seien, Vorkehrungen zum Schutze des Eigenthums zu treffen. Uebrigens würde die Landwehr nicht vollständig einberufen, sondern nur 4-600 Mann von jedem Bataillon, welche einberufen worden, da das Eigenthum niedergebrannt und zerstört worden ist.

Abg. Pinhoff: Wir haben die Mittel in der Hand, diesen Zerstörungen Einhalt za thun, daß sind freie Institutionen; geben wir diese nicht, so rufen wir die Anarchie hervor.

Der Minister Eichmann erklärt ebenfalls, daß die Landwehr nur zum Schutz des Eigenthums einberufen werde.

Nachdem noch einige Anträge, wie der des Abg. Kirchmann und Consorten, einen Gesetzentwurf, betreffend die Einführung der Geschwornen, Grebel wegen Holzdiebstahl, an die betreffenden Fach-Kommissionen verwiesen wurden, kommt man zur Tagesordnung, die Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben.

Da es sich heute um die sehr wichtige Frage, die Aufhebung der Laudemien handelt, so sieht sich die Versammlung genöthigt, die Debatte, obgleich sie schon Sonnabend begann und heute drei Stunden fortgesetzt wurde, doch bis morgen zu vertagen und morgen wieder aufzunehmen.

Die Abg. Teichmann, Wollheim u. A. sprachen mit vieler Gründlichkeit für die Aufhebung.

Gegen 1 Uhr Mittags zogen mehrere tausend Arbeiter vor dem Sitzungssaale der Versammlung. Sie sandten eine Deputation an den Präsidenten und übergaben vermittelst dem Abg. Behrens eine Petition. Die Versammlung hat diese Petition für dringend anerkannt und hat die Petitionskommission beauftragt, morgen darüber Bericht zu erstatten.

109 Düsseldorf, 17. Okt.

Am 15. Oktober war, wie man weiß, Königs Geburtstag; Kanonen wurden gelöst, Paraden und ähnliche harmlose Spielereien vorgenommen, Bier und doppelte Löhnung unter die Soldaten vertheilt; die rechte Feier aber ging erst heute vor sich. Heute Abend nämlich fand eine Versammlung des demokratisch-monarchischen Vereins statt. Die Soldaten waren, wie überhaupt in letzter Zeit, in äußerst großer Anzahl erschienen, einige aber mit unter den Röcken verborgenen Säbeln. In der heutigen Düsseldorfer Zeitung hatte ein, von einem Unteroffizier unterzeichneter Aufsatz gestanden, dessen wesentlicher Inhalt etwa ist, das Militär werde sich nicht durch die Vorspiegelungen der Demokraten verleiten lassen; sein Wahlspruch werde vor wie nach bleiben: "mit Gott für König und Vaterland" und so weiter in dem alten Commisstyle. In der heutigen Versammlung wurde nun von den Mitgliedern des demokratischen Vereins dieser Aufsatz verlesen und die Anfrage an die Soldaten gerichtet, ob sie denselben billigten. Ein einstimmiges "Nein" erscholl aus allen Kehlen, einzelne Soldaten riefen: das habe sicherlich der Major einrücken lassen. Unter Lebehochs auf die Demokratie und Freiligrath entfernte sich das Militär. Aber beim Austritt aus dem Saale fing ein Unteroffizier mit einigen Mann plötzlich an unter dem Ruf: "es lebe der König!" mit Steinen die Fenster des Saales einzuwerfen. Die meisten Soldaten zogen sich in die Kaserne zurück, manche blieben in dem Saale, einige Angestiftete aber richteten ein wohlunterhaltenes Bombardement von Steinen auf den Saal, während andere unter dem Lied: "ich bin ein Preuße etc." mit gezogenem Säbel auf- und abstürzten und ruhige Bürger (Comptoirist Becker, Geometer Engels etc.) mißhandelten. Die Thüren des Lokals waren natürlich sofort geschlossen worden, und nur mit Mühe gelang es dem Präsidium, die fortwährenden Steinwürfen ausgesetzten Mitglieder des Vereins abzuhalten, hinauszustürzen, um die Unruhstifter zu bestrafen. Ein Kind soll von den Soldaten arg durch Steinwürfe und mit Säbelhieben niedergeworfen und mißhandelt worden sein. Unterdeß befand ich mich zufällig zusammen mit dem Hauptmann der 8. Bürgerwehrkompagnie Hr. Hölterhoff in einer vom Vereinslokal nicht weit entfernten Weinstube. Auf die Nachricht von diesen Vorgängen beschloß der Hauptmann natürlich die Kompagnie sofort alarmiren zu lassen. Zu diesem Zwecke wollten wir uns auf die Wachtstube, welche dem Vereinslokale gegenüber liegt, begeben. Aber kaum hatten wir einige Schritte gemacht, als eine Anzahl von 15-20 Soldaten mit gezogenen Säbeln auf uns losstürzte und unter dem Geschrei: "Demokraten, Demokraten!" einen Regen von faustdicken Bausteinen uns entgegensandten. Umsonst versuchten wir seitwärts vorzurücken, unser Ziel zu erreichen, aber der Steinhagel wurde immer heftiger, dicke Kiesel flogen uns um Kopf und Schultern, so daß wir uns eiligst in die Weinstube, von der wir ausgegangen waren, zurückziehen mußten. Zehn Minuten darauf versuchten wir noch einmal die Wachtstube zu gewinnen, um die Alarmirung der Bürgerwehr veranlassen zu können. Inzwischen waren aber die Soldaten in die Kaserne zurückgegangen. Wir begegneten einer aus 4 Mann bestehenden Deputation des demokratischen Vereins, welche sich zu dem General v. Drigalsky begab, um sich über jene Excesse zu beschweren. Wir schlossen uns der Deputation an. Und nun folgte eine Scene, die ich umsonst versuchen werde, Ihnen würdig zu beschreiben. Wir ließen uns als eine aus 6 Mitgliedern bestehende Deputation melden. Wenn die Zahl 6 Hrn. v. Dr. zu groß erschien und ihm Besorgnisse irgend einer Art erregte, so hätte er uns dies hinunter sagen lassen müssen. Dies geschah nicht. Wir werden vielmehr angenommen. Sr. Exz. empfing uns auf dem obern Ende der Treppe. Die etwas schmale Treppe nöthigte uns einzeln hinaufzugehen.

Nachdem die beiden ersten von uns auf dem Flur angelangt und bei Hrn. v. Drigalski vorbeipassirt waren, machte Hr. v. D. mit der Hand ein haltgebietendes Zeichen und donnerte mit überlauter Kommandostimme: "Nun ist's genug, die andern machen, daß sie fortkommen. Zwei davon sind genug. Auch nicht ein halber Mann mehr als zwei Mann, sage ich." Bei diesen Worten bemühte sich Hr. Hölterhoff, der Hrn. v. D. persönlich bekannt ist, den Flur zu gewinnen. Hr. v. D. machte zuerst eine Bewegung, um ihn zurückzustoßen. Als er ihn aber erkannte, korrigirte er sich. "Ach, Sie sind Herr Hölterhoff. Sie kenne ich(!) Bleiben Sie da. Die anderen Leute aber kenne ich nicht. Wollen Sie augenblicklich das Haus verlassen." Ich, der ich mich unter dem so flegelhaft zurückgewiesenen Theile der Deputation befand, sah mich bewogen, für diese das Wort zu ergreifen. "Wir wollten Ihnen als Behörde wichtige Thatsachen vortragen, Hr. v. Drigalski. Wollen Sie verweigern dieselben anzuhören?" Der General gewann mehr und mehr das Aussehen eines wüthend gewordenen kalekutischen Auerhahns. Er hatte von Anfang an mit donnernder Stimme gesprochen. Jetzt steigerte er sie durch ein eigenthümliches Geschnarre zu einem ohrenzerreißenden Gebrülle. "Wollen Sie gehen? Sind zwei Mann nicht genug? Was kommen Sie 6 Mann hoch bei sinkender Nacht (!)." Ich: "Wir haben Sie vielleicht über 6 verschiedene Thatsachen zu unterhalten."

Er: "Ich kann bei diesen stürmischen Zeiten bei sinkender Nacht nicht Deputationen von 6 Mann hoch annehmen." (Der kgl. preuß. General fürchtete sich also; das Vorherrschen dieses Gemüthszustandes in ihm scheint beiläufig auch dadurch bestätigt zu werden, daß, wie wir später Gelegenheit hatten wahrzunehmen, das Haus mit mindestens 10-15 Mann Soldaten angefüllt war). Ich: "Ich glaube nicht, daß Sie von einer friedlichen Deputation etwas zu fürchten haben." Der General wurde kirschbraun: "Herraus, herraus sage ich. Wollen Sie 'raus?" Ich: "Meine Herren, ich bitte Sie, diesen Empfang sich zu notifiziren. Das Weitere wird sich finden. Hr. v. D. verweigert uns anzuhören. Es ist gut. Lassen Sie uns gehen." Damit wandten wir uns. Der General, welcher merkt, daß er eine Dummheit gemacht habe und sie redressiren will, brüllt uns nach: "Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, dann besuchen Sie mich." Ich (zurücktretend): "Gut, Das ist es, was wir thun. Dazu sind wir da." Der General, wieder kirschbraun: "Aber nicht heute, kommen Sie wieder." Ich: "Darf man fragen, wann Hr. v. D. für Angelegenheiten von der höchsten Dringlichkeit zu sprechen ist?" Er: Kommen Sie, wenn ich die ersten Zwei gesprochen habe." Ich: "Meine Herren, dann lassen Sie uns warten, bis dies geschehen ist." Der General, vor Wuth überschnappend: "Aber nicht in meinem Hause. Herrraus, sage ich, herrraus. Wollen Sie augenblicklich machen, daß Sie fortkommen? Soll ich meine Leate rufen? Werde ich mein Hausrecht haben? (Eine Behörde, die gegen Beschwerde führende Bürger das Hausrecht geltend macht! Bei diesen Worten macht der General eine Bewegung nach dem Korridor zu, wie um seine Diener zu rufen.) Ich: "Meine Herren, ich bitte Sie, sich auch dies zu notifiziren. Lassen Sie uns gehen." Wir gehen die Treppe hinab. Der General hinter uns herstürzend: Notiren Sie sich, was Sie wollen. Notifiziren Sie sich auch, daß ich Sie mit Gewalt hinausgeschmissen habe.

Der General begleitete uns dabei, dicht hinter uns her, die Treppen hinunter, natürlich nicht um uns das Ehrengeleit zu geben, sondern um unsern Gang, der ihm zu langsam sein mochte, zu beschleunigen. Seine Haltung - er hatte die Hand ausgestreckt und machte mit derselben die Geberde eines in Thätigkeit begriffenen Kehrbesens - war so drohend, daß wir alle Augenblicke fürchteten, er würde mit uns handgemein werden. Doch verschonte er uns noch mit dieser letzten Gattung von Gemeinheit. Nachdem wir so glücklich zum Hause hinaus geschmissen waren, kehrte der General zu jenen drei zurückgelassenen Deputirten zurück und bemühte sich nun, jenen Empfang, dessen beschämende Folgen für ihn zum Bewußtsein kommen mochten, wieder auszugleichen. Er versicherte, über das Benehmen der Soldaten höchlich entrüstet zu sein, eine strenge Untersuchung einzuleiten, wenn dies von der Oberprokuratur beantragt würde; Ja, er trieb die Leutseligkeit so weit, am Schlusse des Gesprächs zu erklären, nunmehr auch die andern Herren hören zu wollen. Natürlich fanden wir uns nicht veranlaßt, uns zu Hern. v. D. zurückzubegeben.

Auf so pöbelhafte, so schamlose Weise wird von der obersten Militärbehörde Düsseldorfs eine Deputation Bürger empfangen, welche sich an den Schutz derselben mit einer Beschwerde über die rohesten Mißhandlungen von Seiten der Soldaten wendet. Ich kann Sie versichern, daß wir über die Exzesse des Hrn. v. D. bei Weitem mehr entrüstet waren, als über die der Soldaten.

36 Minden, 16. October.

Zur Feier des Geburtstages des Königs von Preußen hatten sich die Preußenfreunde bei einem Zweckessen versammelt, um bei Regimentsmusik und perlendem Champagner ihrem Ingrimm gegen die Demokraten Luft zu machen und in patriotischen Seufzern der untergegangenen Monarchie nachzuheulen. Ein Obrist sprach salbungsvolle Toaste. Preußen soll nicht in Deutschland aufgehen! Nein, es soll an seiner Spitze stehen! so brüllte unaufhörlich das Corps der Preußenfreunde mit martialischer Manier und des süßen Weines voll. Wir würden nicht von diesen geringfügigen schwarzweißen Demonstrationen reden, diesen albernen Comödien bureaukratischer Schmarotzer, deren Hurrah! und Hoch! die blasse Furcht vor der Zukunft schlecht verbirgt, wenn der Comödie am Tage nicht eine Tragödie am Abende nachgefolgt wäre, die einem Menschen beinahe das Leben gekostet hätte. Das Militär wird hier von seinen Offizieren schon seit einiger Zeit systematisch aufgehetzt; man erzählt sich sogar - doch fehlen hiefür noch die genauen Beweise - daß ein höherer Offizier vollständige Amnestie für alle Vergehen der Soldaten am 15. October versprochen habe. Daß er den Soldaten befohlen hat, augenblicklich Jeden niederzustoßen oder zu verhaften, der ihnen mit Plakaten u. dgl. sich zu nähern wagen sollte, ist bekannt genug. Es scheint, man will durch Brutalitäten der aufgehetzten Soldateska auch hier Unruhen hervorrufen, den "friedlichen" Bürger zum Widerstande reizen, dann unter dem Vorgeben, daß die " Ruhe und Ordnung wiederhergestellt werden müsse", die Bürgerwehr entwaffnen, dann die Stadt a la Köln in Belagerungszustand erklären, kurz, es hier so machen, wie überall. Es wäre ein Leichtes, dem Militärdespotismus Veranlassung zu diesen "Sicherheitsmaßregeln" zu geben. Jener Bürger von Minden begibt sich nämlich harmlos auf den Platz, wo die Militärbehörde die Soldaten fütterte und tanzen ließ, wo die Offiziere leutselig mit den Soldaten herumsprangen und brüderlich mit ihnen schwarzweiße Gesänge brüllten. Kaum hatte er sich dem Tanzboden genähert, als er schon von besoffenen Soldaten, die ihn seines starken Bartes wegen für einen "Republikaner" erklärten, umringt und insultirt wurde. Immer dichter umringt ihn der tobende Haufen, so daß er in das Tanzlokal zurückfliehen mußte; hier trat ihn ein Unteroffizier, der Rädelsführer bei dieser Schlacht, entgegen, und machte ihm durch einige Prügel bemerklich, daß er das Preußenlied singen müsse, wenn er nicht - todtgeschlagen werden wolle! Er mußte, um sein Leben zu retten, dem Willen der bis zur Bestialität aufgehetzten Rotte nachgeben. Wie schmachvoll und empörend! Die Mütze wurde ihm vom Kopfe geschlagen, Prügel regnete es von allen Seiten, so daß der Mißhandelte beinahe besinnungslos zusammensank; der Mantel wurde ihm abgenommen, der Rock in Fetzen gerissen, mit einem Stein wurde ihm ein Loch in den Kopf geschlagen, dann wollte ihn die besoffene Bande in einen Festungsgraben werfen, ließ ihn aber wieder los. Er wurde in das Wachtlokal abgeführt, verfolgt von brüllenden Haufen. Hier trat ihm der wachthabende Offizier (von Döring heißt dieser kleine Held) entgegen: "Eigentlich müßte ich Ihn der Rache des Volkes (?!) preisgeben, Er hat's verdient dadurch, daß Er die Leute gegen ihre Oberen aufgehetzt hat (ist nämlich eine unverschämte Lüge, der Mann hat nicht durch ein einziges Wort zu solchen Brutalitäten Veranlassung gegeben)! Der Laternenpfahl ist viel zu gut für Ihn! In das schmutzigste Loch werde ich Ihn mit Bajonetten hinabstoßen lassen!" Ein anderer Bramarbas, der Lieutenant Rintel besieht sich den Arrestanten, weil er wie ein zerlumpter Vagabund aussah, von Oben nach Unten, den Schnurbart streichend: Herr, hat Er Ehre (Aehre preußisch) im Leibe? Wenn Er Ehre hätte, so möchte ich mich 'mal mit ihm fassen u. dgl. Nachdem der Mißhandelte 1/2 Stunde in ein Arrestlokal eingesperrt worden war, wurde er wieder herausgeholt und ging unter dem Schutze des Polizei-Kommissars nach Hause. Eine auf Morgen anberaumte Volksversammlung wird die geeigneten Mittel berathschlagen, wie man künftig Seitens der Bürger dem Soldaten übermuth entgegenzutreten habe!

Soeben hören wir, daß noch mehrere Bürger ohne alle Veranlassung von Soldaten mißhandelt worden sind. Man sieht, wie der Beschluß gegen die reaktionären Offiziere praktisch ausgeführt wird!

Liegnitz im Oktober.

Der hiesige demokratische Verein hat an den Minister Eichmann folgenden "offenen Brief" erlassen:

Exzellenz! Sie waren so gnädig, sich unser, der Demokraten, wenn auch vielleicht nicht in der freundlichsten Beziehung zu erinnern; und wir fühlen uns verpflichtet, auf diese Bemerkung eine Erwiderung folgen zu lassen. Bis jetzt haben wir mit Bestimmtheit geglaubt, daß da, von wo aus uns die demokratische Verfassung kommen soll, auch die ersten, edelsten Demokraten sein müßten; aber leider scheint dieser Glaube, wie so mancher, auf Trugschlüssen zu beruhen. Freilich mögen seit den Märztagen manche Gedächtnisse Lücken bekommen haben, daß man nun die Erinnerung an längst vergessene Dinge unbequem findet, und so mag es auch mit dem verpönten Worte Demokratie sein. Exzellenz waren ferner so gnädig, uns Demokraten mit Anarchisten in gleiche Reihe zu stellen: dagegen müssen wir aber entschieden protestiren, weil grade die anarchischen Bestrebungen von - uns ganz entgegengesetzten - Punkten ausgehen, wir aber streng auf dem Rechte sutzen. Allerdings ist es unangenehm, wenn die leuchtenden Blitze von Unten die Wühler von Oben beleuchten; dergleichen Dinge sind jedoch zu vermeiden oder zu ertragen. Exzellenz sagten: "die Aufregung im Lande Schlesien sei eine bedeutende!" Davon müßten wir Schlesier doch vor allen Dingen zuerst Kunde haben? Zwar wissen wir nicht genau, welchen Begriff Sie mit dem Worte Aufregung verbinden. Nach unserem schwachen Verständiß sind wir aufgewacht aus der Nacht der Knechtschaft; wenn Sie das Aufregung zu nennen belieben, dann freilich sind wir aufgeregt. Exzellenz sagten ferner: daß Breslau und Liegnitz die Hauptpunkte der Unruhen in Schlesien seien: das ist wieder nicht der Fall, und daß Emissäre anarchische und demokratische Gesinnungen zu verbreiten bemüht seien. Ja, Sie haben Recht! Nur wissen wir nicht, welcher Partei Sie Recht geben? Ob Sie den anarchischen Wühlereien von Oben herab oder den demokratischen Bestrebungen von Unten herauf den Vorzug ertheilen? Ja, Exzellenz haben mit Ihrem Ausspruche vollkommen Recht! Es gibt, wenn auch wenige, Anarchisten, und es gibt, aber sehr viele, Demokraten. Während wir Demokraten auf gesetzmäßigem Wege fortschreiten und Licht zu verbreiten bemüht sind in die untersten Schichten der Menschheit, um die gewaltsamen Elemente abzuschäumen; wühlen die Anarchisten unter allen möglichen Formen von Oben her, versuchen es, die gesunde Vernunft wieder zu umschleiern und bedienen sich aller, selbst des fluchwürdigsten Mittel, ihren Zweck zu erreichen. Dadurch freilich Hierzu eine Beilage.

Entgegneten sie: nun wohl, wir werden uns mit dem Militär verbinden, um diese bewaffneten Hunde, die uns nicht als ihres Gleichen betrachten, zu erschlagen.

Heute um Mittag erschienen alle Erdarbeiter mit ihren sämmtlichen Fahnen auf dem Gensd'armenmarkte. Es mochten gegen 2000 Mann sein. Sie sandten eine Deputation in die National-Versammlung mit der Forderung, dieselbe solle die Mörder ihrer Brüder verhaften lassen, ferner die Todten feierlich auf städtische Kosten beerdigen, für die Hinterbliebenen derselben sorgen und ihnen für den verlorenen Zeitverlust 2 Tage Arbeitslohn auszahlen. Wie billig das Volk ist! ‒ Der Präsident der Versammlung hat ihnen morgen Bescheid versprochen.

Berlin, 17. October.

Nach der National-Zeitung bildet das Militär, welches um Berlin herumgelagert ist, eine beträchtliche und in jedem Augenblicke schlagfertige Armee. Besonders stark ist die Artillerie, welche bis in die neueste Zeit noch verstärkt worden ist. Im Ganzen befinden sich 45 Batterien mit 360 Geschützen in der Nähe der Hauptstadt; und jede Batterie ist mit 242 Schuß versehen, In Zossen, einer Stadt von 2000 Seelen, liegen allein 2 Batterien. Die Infanterie ist beständig mit 60 scharfen Patronen versehen. Aus allen diesen Angaben geht hervor, wie sehr man in jedem Moment auf einen Schlag gerüstet ist. Ueberall auf den Dörfern, wo Infanterie liegt, sind auch zugleich Cavallerie-Piquets stationirt, um die beständige Verbindung mit den einzelnen Kantonirungen zu unterhalten.

103 Berlin, 17. Okt.

Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Der Präsident Grabowverkündigt das Resultat der gestern Abend vorgenommenen Wahlen der Vicepräsidenten und Sekretaire. Zahl der Stimmenden 327. Absolute Majorität 164. Gewählt wurden zu Vicepräsidenten: Unruh mit 247 Stimmen, Bornemann mit 215, Jonas mit 170 Stimmen, Außerdem erhielten: Waldeck 155, Tamnau 106, Temme 88, Jacoby 68 Stimmen.

Zu stellvertretenden Sekretairen wurden gewählt: v. Besser mit 190 Stimmen, Hildenhagen mit 184, Schornbaum mit 457 und Ostermann mit 157 Stimmen.

Der Minister des Innnern verlangt das Wort, um über die gestrigen Unruhen Mittheilungen zu machen und glaubt, daß diese Unruhen eine Folge der, Donnerstag stattgefundenen, Zerstörung einer Maschine seien. Die Unruhen sind gedämpft und obgleich schon Militair requirirt war, ist dasselbe doch später wieder zurückgesandt worden. Das Nähere würde durch die eingeleitete Untersuchung festgestellt werden.

Der Abg. Temme verlangt das Wort zu faktischen Berichtigungen. Er sei in der Versammlung seiner Partei benachrichtigt worden, daß Militair requirirt worden von dem Sicherheitsausschusse, der im Schlosse seine Sitzung hielt. Er begab sich sogleich mit dem Abgeordneten Elsner nach dem Schlosse, wo sie von der Bürgerwehr mit Freuden zum Sicherheitsausschuß geführt, wo sie es bestätigt fanden, daß der Kommandeur Rimpler das Verlangen auf Requisition des Militairs gestellt habe, welchen er nun zurücknahm. Zugleich muß er hinzufügen, daß die Bürgerwehr sehr entrüstet darüber war, daß ein großer Trupp Constabler, mit Schußwaffen bewaffnet, im Rücken der Bürgerwehr manövrirte, wozu die Constabler wohl keinesfalls befugt seien.

Der Minister des Innern erklärt, daß er den Constablern den Befehl gegeben, sich zu bewaffnen und die öffentlichen Gebäude und Hotels zu besetzen.

Hierauf werden folgende schleunige Interpellationen vor der Tagesordnung zugelassen.

Abg. Otto (Trier): Am 7 Oktober erklärte bei der Verhandlung über die Dringlichkeit des Behnschschen Antrages der Herr Justizminister Kisker:

„Das Staatsministerium hat Vorbereitungen getroffen Behufs Amnestirung für gewisse Kategorien von politischen Vergehen, dahin gehören insbesondere die Posener Angelegenheiten, dahin gehören die Angelegenheiten, von denen der Abgeordnete aus Trier gesprochen hat.“

Ich interpellire nun das hohe Justizministerium:

„Weshalb durch die im Staatsministerium getroffenen Vorbereitungen, eine Amnestie der Trierer politischen Vergehen nicht herbeigeführt worden ist?“

Der Abg. Otto fügt noch hinzu (nachdem der Minister erklärte, er würde sogleich antworten), daß in Fölge des vom Minister am 7. gegebenen Versprechens, man die Amnestie in Trier täglich erwartete und sich nun dort, nachdem die Amnestie für die Posener erlassen, sehr getäuscht fand. Wenn man bedenkt, daß die vielen Angeklagten am 20. nach Köln vor die Assisen transportirt werden sollen, welches jedenfalls eine große Aufregung hervorbringen muß.

Der Justizminister Kisker erklärt, daß die Vorberathungen noch nicht vollständig erledigt seien, die Sache solle aber so viel wie möglich beschleunigt werden.

Abg. Otto will sich mit dieser Antwort nicht befriedigen, indem dem Ministerium seit langer Zeit der ganze Thatbestand durch die Anklage-Akte vorliege und er müsse daher auf sofortige Erlassung der Amnestie dringen.

Der Minister Eichmann erklärt, daß sich die Krone durchaus keine Amnestie abdrängen lassen werde; die Amnestie sei ein Recht der Krone, welches das Ministerium zu schützen wissen werde. ‒ Man müsse sich mit dem Versprechen des Ministeriums begnügen, welches die Sache in Berathung gezogen habe. ‒

Abg. Dierschke: Das Staatsministerium wolle sich sofort darüber erklären:

1) ob dasselbe den in der Sitzung vom 1. September gefaßten Beschluß über bessere Versorgung der invaliden Combattanten aus den Feldzügen von 1806 und 1813-15 und die baldige Ermittelung ihrer Zahl bereits zur Ausführung gebracht hat;

2) welche Resultate daraus hervorgegangen sind? eventuell aber

3) ob und welche Hinderungs-Ursachen der Ausführung jenes Beschlusses entgegenstehen?

Der Minister-Präsident erklärt, daß die Sache in vollem Gange, daß aber die Ermittelung der Zahl der Invaliden sehr schwierig und zeitraubend sei.

Abg. Pinoff: In mehreren Theilen der Provinz Schlesien wird gegenwärtig das erste Aufgebot der Landwehr eingezogen. In Rücksicht darauf, daß diese außerordentliche Maßregel eine große Aufregung in der Provinz hervorruft, wird das hohe Kriegsministerium angefragt:

„Aus welchen Gründen und zu welchem Zwecke die schlesische Landwehr in diesem Augenblicke eingezogen werde?“

Die Zulassung dieser Interpellation erfordert eine Abstimmung, welche zweifelhaft ist. Die Zählung ergiebt: 171 Stimmen für und 152 gegen die Zulassung.

Abg. Pinoff schildert die Aufregung welche die Einziehung der Landwehr, als wäre der Feind vor der Thur, in ganz Schlesien hervorgerufen habe. Besonders da Familienväter eingezogen würden, deren Angehörigen dadurch brodlos würden, da der Staat diesen Angehörigen keine Unterstützung ertheilt.

Der Kriegsminister Pfuel antwortet, daß die Sache sehr einfach sei, indem den Behörden von allen Seiten Vorstellungen eingegangen seien, Vorkehrungen zum Schutze des Eigenthums zu treffen. Uebrigens würde die Landwehr nicht vollständig einberufen, sondern nur 4-600 Mann von jedem Bataillon, welche einberufen worden, da das Eigenthum niedergebrannt und zerstört worden ist.

Abg. Pinhoff: Wir haben die Mittel in der Hand, diesen Zerstörungen Einhalt za thun, daß sind freie Institutionen; geben wir diese nicht, so rufen wir die Anarchie hervor.

Der Minister Eichmann erklärt ebenfalls, daß die Landwehr nur zum Schutz des Eigenthums einberufen werde.

Nachdem noch einige Anträge, wie der des Abg. Kirchmann und Consorten, einen Gesetzentwurf, betreffend die Einführung der Geschwornen, Grebel wegen Holzdiebstahl, an die betreffenden Fach-Kommissionen verwiesen wurden, kommt man zur Tagesordnung, die Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben.

Da es sich heute um die sehr wichtige Frage, die Aufhebung der Laudemien handelt, so sieht sich die Versammlung genöthigt, die Debatte, obgleich sie schon Sonnabend begann und heute drei Stunden fortgesetzt wurde, doch bis morgen zu vertagen und morgen wieder aufzunehmen.

Die Abg. Teichmann, Wollheim u. A. sprachen mit vieler Gründlichkeit für die Aufhebung.

Gegen 1 Uhr Mittags zogen mehrere tausend Arbeiter vor dem Sitzungssaale der Versammlung. Sie sandten eine Deputation an den Präsidenten und übergaben vermittelst dem Abg. Behrens eine Petition. Die Versammlung hat diese Petition für dringend anerkannt und hat die Petitionskommission beauftragt, morgen darüber Bericht zu erstatten.

109 Düsseldorf, 17. Okt.

Am 15. Oktober war, wie man weiß, Königs Geburtstag; Kanonen wurden gelöst, Paraden und ähnliche harmlose Spielereien vorgenommen, Bier und doppelte Löhnung unter die Soldaten vertheilt; die rechte Feier aber ging erst heute vor sich. Heute Abend nämlich fand eine Versammlung des demokratisch-monarchischen Vereins statt. Die Soldaten waren, wie überhaupt in letzter Zeit, in äußerst großer Anzahl erschienen, einige aber mit unter den Röcken verborgenen Säbeln. In der heutigen Düsseldorfer Zeitung hatte ein, von einem Unteroffizier unterzeichneter Aufsatz gestanden, dessen wesentlicher Inhalt etwa ist, das Militär werde sich nicht durch die Vorspiegelungen der Demokraten verleiten lassen; sein Wahlspruch werde vor wie nach bleiben: „mit Gott für König und Vaterland“ und so weiter in dem alten Commisstyle. In der heutigen Versammlung wurde nun von den Mitgliedern des demokratischen Vereins dieser Aufsatz verlesen und die Anfrage an die Soldaten gerichtet, ob sie denselben billigten. Ein einstimmiges „Nein“ erscholl aus allen Kehlen, einzelne Soldaten riefen: das habe sicherlich der Major einrücken lassen. Unter Lebehochs auf die Demokratie und Freiligrath entfernte sich das Militär. Aber beim Austritt aus dem Saale fing ein Unteroffizier mit einigen Mann plötzlich an unter dem Ruf: „es lebe der König!“ mit Steinen die Fenster des Saales einzuwerfen. Die meisten Soldaten zogen sich in die Kaserne zurück, manche blieben in dem Saale, einige Angestiftete aber richteten ein wohlunterhaltenes Bombardement von Steinen auf den Saal, während andere unter dem Lied: „ich bin ein Preuße etc.“ mit gezogenem Säbel auf- und abstürzten und ruhige Bürger (Comptoirist Becker, Geometer Engels etc.) mißhandelten. Die Thüren des Lokals waren natürlich sofort geschlossen worden, und nur mit Mühe gelang es dem Präsidium, die fortwährenden Steinwürfen ausgesetzten Mitglieder des Vereins abzuhalten, hinauszustürzen, um die Unruhstifter zu bestrafen. Ein Kind soll von den Soldaten arg durch Steinwürfe und mit Säbelhieben niedergeworfen und mißhandelt worden sein. Unterdeß befand ich mich zufällig zusammen mit dem Hauptmann der 8. Bürgerwehrkompagnie Hr. Hölterhoff in einer vom Vereinslokal nicht weit entfernten Weinstube. Auf die Nachricht von diesen Vorgängen beschloß der Hauptmann natürlich die Kompagnie sofort alarmiren zu lassen. Zu diesem Zwecke wollten wir uns auf die Wachtstube, welche dem Vereinslokale gegenüber liegt, begeben. Aber kaum hatten wir einige Schritte gemacht, als eine Anzahl von 15-20 Soldaten mit gezogenen Säbeln auf uns losstürzte und unter dem Geschrei: „Demokraten, Demokraten!“ einen Regen von faustdicken Bausteinen uns entgegensandten. Umsonst versuchten wir seitwärts vorzurücken, unser Ziel zu erreichen, aber der Steinhagel wurde immer heftiger, dicke Kiesel flogen uns um Kopf und Schultern, so daß wir uns eiligst in die Weinstube, von der wir ausgegangen waren, zurückziehen mußten. Zehn Minuten darauf versuchten wir noch einmal die Wachtstube zu gewinnen, um die Alarmirung der Bürgerwehr veranlassen zu können. Inzwischen waren aber die Soldaten in die Kaserne zurückgegangen. Wir begegneten einer aus 4 Mann bestehenden Deputation des demokratischen Vereins, welche sich zu dem General v. Drigalsky begab, um sich über jene Excesse zu beschweren. Wir schlossen uns der Deputation an. Und nun folgte eine Scene, die ich umsonst versuchen werde, Ihnen würdig zu beschreiben. Wir ließen uns als eine aus 6 Mitgliedern bestehende Deputation melden. Wenn die Zahl 6 Hrn. v. Dr. zu groß erschien und ihm Besorgnisse irgend einer Art erregte, so hätte er uns dies hinunter sagen lassen müssen. Dies geschah nicht. Wir werden vielmehr angenommen. Sr. Exz. empfing uns auf dem obern Ende der Treppe. Die etwas schmale Treppe nöthigte uns einzeln hinaufzugehen.

Nachdem die beiden ersten von uns auf dem Flur angelangt und bei Hrn. v. Drigalski vorbeipassirt waren, machte Hr. v. D. mit der Hand ein haltgebietendes Zeichen und donnerte mit überlauter Kommandostimme: „Nun ist's genug, die andern machen, daß sie fortkommen. Zwei davon sind genug. Auch nicht ein halber Mann mehr als zwei Mann, sage ich.“ Bei diesen Worten bemühte sich Hr. Hölterhoff, der Hrn. v. D. persönlich bekannt ist, den Flur zu gewinnen. Hr. v. D. machte zuerst eine Bewegung, um ihn zurückzustoßen. Als er ihn aber erkannte, korrigirte er sich. „Ach, Sie sind Herr Hölterhoff. Sie kenne ich(!) Bleiben Sie da. Die anderen Leute aber kenne ich nicht. Wollen Sie augenblicklich das Haus verlassen.“ Ich, der ich mich unter dem so flegelhaft zurückgewiesenen Theile der Deputation befand, sah mich bewogen, für diese das Wort zu ergreifen. „Wir wollten Ihnen als Behörde wichtige Thatsachen vortragen, Hr. v. Drigalski. Wollen Sie verweigern dieselben anzuhören?“ Der General gewann mehr und mehr das Aussehen eines wüthend gewordenen kalekutischen Auerhahns. Er hatte von Anfang an mit donnernder Stimme gesprochen. Jetzt steigerte er sie durch ein eigenthümliches Geschnarre zu einem ohrenzerreißenden Gebrülle. „Wollen Sie gehen? Sind zwei Mann nicht genug? Was kommen Sie 6 Mann hoch bei sinkender Nacht (!).“ Ich: „Wir haben Sie vielleicht über 6 verschiedene Thatsachen zu unterhalten.“

Er: „Ich kann bei diesen stürmischen Zeiten bei sinkender Nacht nicht Deputationen von 6 Mann hoch annehmen.“ (Der kgl. preuß. General fürchtete sich also; das Vorherrschen dieses Gemüthszustandes in ihm scheint beiläufig auch dadurch bestätigt zu werden, daß, wie wir später Gelegenheit hatten wahrzunehmen, das Haus mit mindestens 10-15 Mann Soldaten angefüllt war). Ich: „Ich glaube nicht, daß Sie von einer friedlichen Deputation etwas zu fürchten haben.“ Der General wurde kirschbraun: „Herraus, herraus sage ich. Wollen Sie 'raus?“ Ich: „Meine Herren, ich bitte Sie, diesen Empfang sich zu notifiziren. Das Weitere wird sich finden. Hr. v. D. verweigert uns anzuhören. Es ist gut. Lassen Sie uns gehen.“ Damit wandten wir uns. Der General, welcher merkt, daß er eine Dummheit gemacht habe und sie redressiren will, brüllt uns nach: „Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, dann besuchen Sie mich.“ Ich (zurücktretend): „Gut, Das ist es, was wir thun. Dazu sind wir da.“ Der General, wieder kirschbraun: „Aber nicht heute, kommen Sie wieder.“ Ich: „Darf man fragen, wann Hr. v. D. für Angelegenheiten von der höchsten Dringlichkeit zu sprechen ist?“ Er: Kommen Sie, wenn ich die ersten Zwei gesprochen habe.„ Ich: „Meine Herren, dann lassen Sie uns warten, bis dies geschehen ist.“ Der General, vor Wuth überschnappend: „Aber nicht in meinem Hause. Herrraus, sage ich, herrraus. Wollen Sie augenblicklich machen, daß Sie fortkommen? Soll ich meine Leate rufen? Werde ich mein Hausrecht haben? (Eine Behörde, die gegen Beschwerde führende Bürger das Hausrecht geltend macht! Bei diesen Worten macht der General eine Bewegung nach dem Korridor zu, wie um seine Diener zu rufen.) Ich: „Meine Herren, ich bitte Sie, sich auch dies zu notifiziren. Lassen Sie uns gehen.“ Wir gehen die Treppe hinab. Der General hinter uns herstürzend: Notiren Sie sich, was Sie wollen. Notifiziren Sie sich auch, daß ich Sie mit Gewalt hinausgeschmissen habe.

Der General begleitete uns dabei, dicht hinter uns her, die Treppen hinunter, natürlich nicht um uns das Ehrengeleit zu geben, sondern um unsern Gang, der ihm zu langsam sein mochte, zu beschleunigen. Seine Haltung ‒ er hatte die Hand ausgestreckt und machte mit derselben die Geberde eines in Thätigkeit begriffenen Kehrbesens ‒ war so drohend, daß wir alle Augenblicke fürchteten, er würde mit uns handgemein werden. Doch verschonte er uns noch mit dieser letzten Gattung von Gemeinheit. Nachdem wir so glücklich zum Hause hinaus geschmissen waren, kehrte der General zu jenen drei zurückgelassenen Deputirten zurück und bemühte sich nun, jenen Empfang, dessen beschämende Folgen für ihn zum Bewußtsein kommen mochten, wieder auszugleichen. Er versicherte, über das Benehmen der Soldaten höchlich entrüstet zu sein, eine strenge Untersuchung einzuleiten, wenn dies von der Oberprokuratur beantragt würde; Ja, er trieb die Leutseligkeit so weit, am Schlusse des Gesprächs zu erklären, nunmehr auch die andern Herren hören zu wollen. Natürlich fanden wir uns nicht veranlaßt, uns zu Hern. v. D. zurückzubegeben.

Auf so pöbelhafte, so schamlose Weise wird von der obersten Militärbehörde Düsseldorfs eine Deputation Bürger empfangen, welche sich an den Schutz derselben mit einer Beschwerde über die rohesten Mißhandlungen von Seiten der Soldaten wendet. Ich kann Sie versichern, daß wir über die Exzesse des Hrn. v. D. bei Weitem mehr entrüstet waren, als über die der Soldaten.

36 Minden, 16. October.

Zur Feier des Geburtstages des Königs von Preußen hatten sich die Preußenfreunde bei einem Zweckessen versammelt, um bei Regimentsmusik und perlendem Champagner ihrem Ingrimm gegen die Demokraten Luft zu machen und in patriotischen Seufzern der untergegangenen Monarchie nachzuheulen. Ein Obrist sprach salbungsvolle Toaste. Preußen soll nicht in Deutschland aufgehen! Nein, es soll an seiner Spitze stehen! so brüllte unaufhörlich das Corps der Preußenfreunde mit martialischer Manier und des süßen Weines voll. Wir würden nicht von diesen geringfügigen schwarzweißen Demonstrationen reden, diesen albernen Comödien bureaukratischer Schmarotzer, deren Hurrah! und Hoch! die blasse Furcht vor der Zukunft schlecht verbirgt, wenn der Comödie am Tage nicht eine Tragödie am Abende nachgefolgt wäre, die einem Menschen beinahe das Leben gekostet hätte. Das Militär wird hier von seinen Offizieren schon seit einiger Zeit systematisch aufgehetzt; man erzählt sich sogar ‒ doch fehlen hiefür noch die genauen Beweise ‒ daß ein höherer Offizier vollständige Amnestie für alle Vergehen der Soldaten am 15. October versprochen habe. Daß er den Soldaten befohlen hat, augenblicklich Jeden niederzustoßen oder zu verhaften, der ihnen mit Plakaten u. dgl. sich zu nähern wagen sollte, ist bekannt genug. Es scheint, man will durch Brutalitäten der aufgehetzten Soldateska auch hier Unruhen hervorrufen, den „friedlichen“ Bürger zum Widerstande reizen, dann unter dem Vorgeben, daß die „ Ruhe und Ordnung wiederhergestellt werden müsse“, die Bürgerwehr entwaffnen, dann die Stadt à la Köln in Belagerungszustand erklären, kurz, es hier so machen, wie überall. Es wäre ein Leichtes, dem Militärdespotismus Veranlassung zu diesen „Sicherheitsmaßregeln“ zu geben. Jener Bürger von Minden begibt sich nämlich harmlos auf den Platz, wo die Militärbehörde die Soldaten fütterte und tanzen ließ, wo die Offiziere leutselig mit den Soldaten herumsprangen und brüderlich mit ihnen schwarzweiße Gesänge brüllten. Kaum hatte er sich dem Tanzboden genähert, als er schon von besoffenen Soldaten, die ihn seines starken Bartes wegen für einen „Republikaner“ erklärten, umringt und insultirt wurde. Immer dichter umringt ihn der tobende Haufen, so daß er in das Tanzlokal zurückfliehen mußte; hier trat ihn ein Unteroffizier, der Rädelsführer bei dieser Schlacht, entgegen, und machte ihm durch einige Prügel bemerklich, daß er das Preußenlied singen müsse, wenn er nicht ‒ todtgeschlagen werden wolle! Er mußte, um sein Leben zu retten, dem Willen der bis zur Bestialität aufgehetzten Rotte nachgeben. Wie schmachvoll und empörend! Die Mütze wurde ihm vom Kopfe geschlagen, Prügel regnete es von allen Seiten, so daß der Mißhandelte beinahe besinnungslos zusammensank; der Mantel wurde ihm abgenommen, der Rock in Fetzen gerissen, mit einem Stein wurde ihm ein Loch in den Kopf geschlagen, dann wollte ihn die besoffene Bande in einen Festungsgraben werfen, ließ ihn aber wieder los. Er wurde in das Wachtlokal abgeführt, verfolgt von brüllenden Haufen. Hier trat ihm der wachthabende Offizier (von Döring heißt dieser kleine Held) entgegen: „Eigentlich müßte ich Ihn der Rache des Volkes (?!) preisgeben, Er hat's verdient dadurch, daß Er die Leute gegen ihre Oberen aufgehetzt hat (ist nämlich eine unverschämte Lüge, der Mann hat nicht durch ein einziges Wort zu solchen Brutalitäten Veranlassung gegeben)! Der Laternenpfahl ist viel zu gut für Ihn! In das schmutzigste Loch werde ich Ihn mit Bajonetten hinabstoßen lassen!“ Ein anderer Bramarbas, der Lieutenant Rintel besieht sich den Arrestanten, weil er wie ein zerlumpter Vagabund aussah, von Oben nach Unten, den Schnurbart streichend: Herr, hat Er Ehre (Aehre preußisch) im Leibe? Wenn Er Ehre hätte, so möchte ich mich 'mal mit ihm fassen u. dgl. Nachdem der Mißhandelte 1/2 Stunde in ein Arrestlokal eingesperrt worden war, wurde er wieder herausgeholt und ging unter dem Schutze des Polizei-Kommissars nach Hause. Eine auf Morgen anberaumte Volksversammlung wird die geeigneten Mittel berathschlagen, wie man künftig Seitens der Bürger dem Soldaten übermuth entgegenzutreten habe!

Soeben hören wir, daß noch mehrere Bürger ohne alle Veranlassung von Soldaten mißhandelt worden sind. Man sieht, wie der Beschluß gegen die reaktionären Offiziere praktisch ausgeführt wird!

Liegnitz im Oktober.

Der hiesige demokratische Verein hat an den Minister Eichmann folgenden „offenen Brief“ erlassen:

Exzellenz! Sie waren so gnädig, sich unser, der Demokraten, wenn auch vielleicht nicht in der freundlichsten Beziehung zu erinnern; und wir fühlen uns verpflichtet, auf diese Bemerkung eine Erwiderung folgen zu lassen. Bis jetzt haben wir mit Bestimmtheit geglaubt, daß da, von wo aus uns die demokratische Verfassung kommen soll, auch die ersten, edelsten Demokraten sein müßten; aber leider scheint dieser Glaube, wie so mancher, auf Trugschlüssen zu beruhen. Freilich mögen seit den Märztagen manche Gedächtnisse Lücken bekommen haben, daß man nun die Erinnerung an längst vergessene Dinge unbequem findet, und so mag es auch mit dem verpönten Worte Demokratie sein. Exzellenz waren ferner so gnädig, uns Demokraten mit Anarchisten in gleiche Reihe zu stellen: dagegen müssen wir aber entschieden protestiren, weil grade die anarchischen Bestrebungen von ‒ uns ganz entgegengesetzten ‒ Punkten ausgehen, wir aber streng auf dem Rechte sutzen. Allerdings ist es unangenehm, wenn die leuchtenden Blitze von Unten die Wühler von Oben beleuchten; dergleichen Dinge sind jedoch zu vermeiden oder zu ertragen. Exzellenz sagten: „die Aufregung im Lande Schlesien sei eine bedeutende!“ Davon müßten wir Schlesier doch vor allen Dingen zuerst Kunde haben? Zwar wissen wir nicht genau, welchen Begriff Sie mit dem Worte Aufregung verbinden. Nach unserem schwachen Verständiß sind wir aufgewacht aus der Nacht der Knechtschaft; wenn Sie das Aufregung zu nennen belieben, dann freilich sind wir aufgeregt. Exzellenz sagten ferner: daß Breslau und Liegnitz die Hauptpunkte der Unruhen in Schlesien seien: das ist wieder nicht der Fall, und daß Emissäre anarchische und demokratische Gesinnungen zu verbreiten bemüht seien. Ja, Sie haben Recht! Nur wissen wir nicht, welcher Partei Sie Recht geben? Ob Sie den anarchischen Wühlereien von Oben herab oder den demokratischen Bestrebungen von Unten herauf den Vorzug ertheilen? Ja, Exzellenz haben mit Ihrem Ausspruche vollkommen Recht! Es gibt, wenn auch wenige, Anarchisten, und es gibt, aber sehr viele, Demokraten. Während wir Demokraten auf gesetzmäßigem Wege fortschreiten und Licht zu verbreiten bemüht sind in die untersten Schichten der Menschheit, um die gewaltsamen Elemente abzuschäumen; wühlen die Anarchisten unter allen möglichen Formen von Oben her, versuchen es, die gesunde Vernunft wieder zu umschleiern und bedienen sich aller, selbst des fluchwürdigsten Mittel, ihren Zweck zu erreichen. Dadurch freilich Hierzu eine Beilage.

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Entgegneten sie: nun wohl, wir werden uns mit dem Militär verbinden, um diese bewaffneten Hunde, die uns nicht als ihres Gleichen betrachten, zu erschlagen.</p>
          <p>Heute um Mittag erschienen alle Erdarbeiter mit ihren sämmtlichen Fahnen auf dem Gensd'armenmarkte. Es mochten gegen 2000 Mann sein. Sie sandten eine Deputation in die National-Versammlung mit der Forderung, dieselbe solle die Mörder ihrer Brüder verhaften lassen, ferner die Todten feierlich auf städtische Kosten beerdigen, für die Hinterbliebenen derselben sorgen und ihnen für den verlorenen Zeitverlust 2 Tage Arbeitslohn auszahlen. Wie <hi rendition="#g">billig</hi> das Volk ist! &#x2012; Der Präsident der Versammlung hat ihnen morgen Bescheid versprochen.</p>
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          <head>Berlin, 17. October.</head>
          <p>Nach der National-Zeitung bildet das Militär, welches um Berlin herumgelagert ist, eine beträchtliche und in jedem Augenblicke schlagfertige Armee. Besonders stark ist die Artillerie, welche bis in die neueste Zeit noch verstärkt worden ist. Im Ganzen befinden sich 45 Batterien mit 360 Geschützen in der Nähe der Hauptstadt; und jede Batterie ist mit 242 Schuß versehen, In Zossen, einer Stadt von 2000 Seelen, liegen allein 2 Batterien. Die Infanterie ist beständig mit 60 scharfen Patronen versehen. Aus allen diesen Angaben geht hervor, wie sehr man in jedem Moment auf einen Schlag gerüstet ist. Ueberall auf den Dörfern, wo Infanterie liegt, sind auch zugleich Cavallerie-Piquets stationirt, um die beständige Verbindung mit den einzelnen Kantonirungen zu unterhalten.</p>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 17. Okt.</head>
          <p>Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Der Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi>verkündigt das Resultat der gestern Abend vorgenommenen Wahlen der Vicepräsidenten und Sekretaire. Zahl der Stimmenden 327. Absolute Majorität 164. Gewählt wurden zu Vicepräsidenten: Unruh mit 247 Stimmen, Bornemann mit 215, Jonas mit 170 Stimmen, Außerdem erhielten: Waldeck 155, Tamnau 106, Temme 88, Jacoby 68 Stimmen.</p>
          <p>Zu stellvertretenden Sekretairen wurden gewählt: v. Besser mit 190 Stimmen, Hildenhagen mit 184, Schornbaum mit 457 und Ostermann mit 157 Stimmen.</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Minister des Innnern</hi> verlangt das Wort, um über die gestrigen Unruhen Mittheilungen zu machen und glaubt, daß diese Unruhen eine Folge der, Donnerstag stattgefundenen, Zerstörung einer Maschine seien. Die Unruhen sind gedämpft und obgleich schon Militair requirirt war, ist dasselbe doch später wieder zurückgesandt worden. Das Nähere würde durch die eingeleitete Untersuchung festgestellt werden.</p>
          <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Temme</hi> verlangt das Wort zu faktischen Berichtigungen. Er sei in der Versammlung seiner Partei benachrichtigt worden, daß Militair requirirt worden von dem Sicherheitsausschusse, der im Schlosse seine Sitzung hielt. Er begab sich sogleich mit dem Abgeordneten Elsner nach dem Schlosse, wo sie von der Bürgerwehr mit Freuden zum Sicherheitsausschuß geführt, wo sie es bestätigt fanden, daß der Kommandeur Rimpler das Verlangen auf Requisition des Militairs gestellt habe, welchen er nun zurücknahm. Zugleich muß er hinzufügen, daß die Bürgerwehr sehr entrüstet darüber war, daß ein großer Trupp Constabler, mit Schußwaffen bewaffnet, im Rücken der Bürgerwehr manövrirte, wozu die Constabler wohl keinesfalls befugt seien.</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Minister des Innern</hi> erklärt, daß er den Constablern den Befehl gegeben, sich zu bewaffnen und die öffentlichen Gebäude und Hotels zu besetzen.</p>
          <p>Hierauf werden folgende schleunige Interpellationen vor der Tagesordnung zugelassen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Otto</hi> (Trier): Am 7 Oktober erklärte bei der Verhandlung über die Dringlichkeit des Behnschschen Antrages der Herr Justizminister Kisker:</p>
          <p>&#x201E;Das Staatsministerium hat Vorbereitungen getroffen Behufs Amnestirung für gewisse Kategorien von politischen Vergehen, dahin gehören insbesondere die Posener Angelegenheiten, dahin gehören die Angelegenheiten, von denen der Abgeordnete aus Trier gesprochen hat.&#x201C;</p>
          <p>Ich interpellire nun das hohe Justizministerium:</p>
          <p>&#x201E;Weshalb durch die im Staatsministerium getroffenen Vorbereitungen, eine Amnestie der Trierer politischen Vergehen nicht herbeigeführt worden ist?&#x201C;</p>
          <p>Der Abg. Otto fügt noch hinzu (nachdem der Minister erklärte, er würde sogleich antworten), daß in Fölge des vom Minister am 7. gegebenen Versprechens, man die Amnestie in Trier täglich erwartete und sich nun dort, nachdem die Amnestie für die Posener erlassen, sehr getäuscht fand. Wenn man bedenkt, daß die vielen Angeklagten am 20. nach Köln vor die Assisen transportirt werden sollen, welches jedenfalls eine große Aufregung hervorbringen muß.</p>
          <p>Der Justizminister <hi rendition="#g">Kisker</hi> erklärt, daß die Vorberathungen noch nicht vollständig erledigt seien, die Sache solle aber so viel wie möglich beschleunigt werden.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Otto</hi> will sich mit dieser Antwort nicht befriedigen, indem dem Ministerium seit langer Zeit der ganze Thatbestand durch die Anklage-Akte vorliege und er müsse daher auf sofortige Erlassung der Amnestie dringen.</p>
          <p>Der Minister <hi rendition="#g">Eichmann</hi> erklärt, daß sich die Krone durchaus keine Amnestie abdrängen lassen werde; die Amnestie sei ein Recht der Krone, welches das Ministerium zu schützen wissen werde. &#x2012; Man müsse sich mit dem Versprechen des Ministeriums begnügen, welches die Sache in Berathung gezogen habe. &#x2012;</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Dierschke:</hi> Das Staatsministerium wolle sich sofort darüber erklären:</p>
          <p>1) ob dasselbe den in der Sitzung vom 1. September gefaßten Beschluß über bessere Versorgung der invaliden Combattanten aus den Feldzügen von 1806 und 1813-15 und die baldige Ermittelung ihrer Zahl bereits zur Ausführung gebracht hat;</p>
          <p>2) welche Resultate daraus hervorgegangen sind? eventuell aber</p>
          <p>3) ob und welche Hinderungs-Ursachen der Ausführung jenes Beschlusses entgegenstehen?</p>
          <p>Der Minister-Präsident erklärt, daß die Sache in vollem Gange, daß aber die Ermittelung der Zahl der Invaliden sehr schwierig und zeitraubend sei.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Pinoff:</hi> In mehreren Theilen der Provinz Schlesien wird gegenwärtig das erste Aufgebot der Landwehr eingezogen. In Rücksicht darauf, daß diese außerordentliche Maßregel eine große Aufregung in der Provinz hervorruft, wird das hohe Kriegsministerium angefragt:</p>
          <p>&#x201E;Aus welchen Gründen und zu welchem Zwecke die schlesische Landwehr in diesem Augenblicke eingezogen werde?&#x201C;</p>
          <p>Die Zulassung dieser Interpellation erfordert eine Abstimmung, welche zweifelhaft ist. Die Zählung ergiebt: 171 Stimmen für und 152 gegen die Zulassung.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Pinoff</hi> schildert die Aufregung welche die Einziehung der Landwehr, als wäre der Feind vor der Thur, in ganz Schlesien hervorgerufen habe. Besonders da Familienväter eingezogen würden, deren Angehörigen dadurch brodlos würden, da der Staat diesen Angehörigen keine Unterstützung ertheilt.</p>
          <p>Der Kriegsminister <hi rendition="#g">Pfuel</hi> antwortet, daß die Sache sehr einfach sei, indem den Behörden von allen Seiten Vorstellungen eingegangen seien, Vorkehrungen zum Schutze des Eigenthums zu treffen. Uebrigens würde die Landwehr nicht vollständig einberufen, sondern nur 4-600 Mann von jedem Bataillon, welche einberufen worden, da das Eigenthum niedergebrannt und zerstört worden ist.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Pinhoff:</hi> Wir haben die Mittel in der Hand, diesen Zerstörungen Einhalt za thun, daß sind freie Institutionen; geben wir diese nicht, so rufen wir die Anarchie hervor.</p>
          <p>Der Minister <hi rendition="#g">Eichmann</hi> erklärt ebenfalls, daß die Landwehr nur zum Schutz des Eigenthums einberufen werde.</p>
          <p>Nachdem noch einige Anträge, wie der des Abg. Kirchmann und Consorten, einen Gesetzentwurf, betreffend die Einführung der Geschwornen, Grebel wegen Holzdiebstahl, an die betreffenden Fach-Kommissionen verwiesen wurden, kommt man zur Tagesordnung, die Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben.</p>
          <p>Da es sich heute um die sehr wichtige Frage, die Aufhebung der Laudemien handelt, so sieht sich die Versammlung genöthigt, die Debatte, obgleich sie schon Sonnabend begann und heute drei Stunden fortgesetzt wurde, doch bis morgen zu vertagen und morgen wieder aufzunehmen.</p>
          <p>Die Abg. Teichmann, Wollheim u. A. sprachen mit vieler Gründlichkeit für die Aufhebung.</p>
          <p>Gegen 1 Uhr Mittags zogen mehrere tausend Arbeiter vor dem Sitzungssaale der Versammlung. Sie sandten eine Deputation an den Präsidenten und übergaben vermittelst dem Abg. Behrens eine Petition. Die Versammlung hat diese Petition für dringend anerkannt und hat die Petitionskommission beauftragt, morgen darüber Bericht zu erstatten.</p>
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          <head><bibl><author>109</author></bibl><choice><sic>Düsseldürf</sic><corr>Düsseldorf</corr></choice>, 17. Okt.</head>
          <p>Am 15. Oktober war, wie man weiß, Königs Geburtstag; Kanonen wurden gelöst, Paraden und ähnliche harmlose Spielereien vorgenommen, Bier und doppelte Löhnung unter die Soldaten vertheilt; die <hi rendition="#g">rechte Feier</hi> aber ging erst heute vor sich. Heute Abend nämlich fand eine Versammlung des demokratisch-monarchischen Vereins statt. Die Soldaten waren, wie überhaupt in letzter Zeit, in äußerst großer Anzahl erschienen, einige aber mit unter den Röcken verborgenen Säbeln. In der heutigen Düsseldorfer Zeitung hatte ein, von einem Unteroffizier unterzeichneter Aufsatz gestanden, dessen wesentlicher Inhalt etwa ist, das Militär werde sich nicht durch die Vorspiegelungen der Demokraten verleiten lassen; sein Wahlspruch werde vor wie nach bleiben: &#x201E;mit Gott für König und Vaterland&#x201C; und so weiter in dem alten Commisstyle. In der heutigen Versammlung wurde nun von den Mitgliedern des demokratischen Vereins dieser Aufsatz verlesen und die Anfrage an die Soldaten gerichtet, ob sie denselben billigten. Ein einstimmiges &#x201E;<hi rendition="#g">Nein</hi>&#x201C; erscholl aus allen Kehlen, einzelne Soldaten riefen: das habe sicherlich der Major einrücken lassen. Unter Lebehochs auf die Demokratie und Freiligrath entfernte sich das Militär. Aber beim Austritt aus dem Saale fing ein Unteroffizier mit einigen Mann plötzlich an unter dem Ruf: &#x201E;es lebe der König!&#x201C; mit Steinen die Fenster des Saales einzuwerfen. Die meisten Soldaten zogen sich in die Kaserne zurück, manche blieben in dem Saale, einige Angestiftete aber richteten ein wohlunterhaltenes Bombardement von Steinen auf den Saal, während andere unter dem Lied: &#x201E;ich bin ein Preuße etc.&#x201C; mit gezogenem Säbel auf- und abstürzten und ruhige Bürger (Comptoirist Becker, Geometer Engels etc.) mißhandelten. Die Thüren des Lokals waren natürlich sofort geschlossen worden, und nur mit Mühe gelang es dem Präsidium, die fortwährenden Steinwürfen ausgesetzten Mitglieder des Vereins abzuhalten, hinauszustürzen, um die Unruhstifter zu bestrafen. Ein Kind soll von den Soldaten arg durch Steinwürfe und mit Säbelhieben niedergeworfen und mißhandelt worden sein. Unterdeß befand ich mich zufällig zusammen mit dem Hauptmann der 8. Bürgerwehrkompagnie Hr. Hölterhoff in einer vom Vereinslokal nicht weit entfernten Weinstube. Auf die Nachricht von diesen Vorgängen beschloß der Hauptmann natürlich die Kompagnie sofort alarmiren zu lassen. Zu diesem Zwecke wollten wir uns auf die Wachtstube, welche dem Vereinslokale gegenüber liegt, begeben. Aber kaum hatten wir einige Schritte gemacht, als eine Anzahl von 15-20 Soldaten mit gezogenen Säbeln auf uns losstürzte und unter dem Geschrei: &#x201E;Demokraten, Demokraten!&#x201C; einen Regen von faustdicken Bausteinen uns entgegensandten. Umsonst versuchten wir seitwärts vorzurücken, unser Ziel zu erreichen, aber der Steinhagel wurde immer heftiger, dicke Kiesel flogen uns um Kopf und Schultern, so daß wir uns eiligst in die Weinstube, von der wir ausgegangen waren, zurückziehen mußten. Zehn Minuten darauf versuchten wir noch einmal die Wachtstube zu gewinnen, um die Alarmirung der Bürgerwehr veranlassen zu können. Inzwischen waren aber die Soldaten in die Kaserne zurückgegangen. Wir begegneten einer aus 4 Mann bestehenden Deputation des demokratischen Vereins, welche sich zu dem General v. Drigalsky begab, um sich über jene Excesse zu beschweren. Wir schlossen uns der Deputation an. Und nun folgte eine Scene, die ich umsonst versuchen werde, Ihnen würdig zu beschreiben. Wir ließen uns als eine aus 6 Mitgliedern bestehende Deputation melden. Wenn die Zahl 6 Hrn. v. Dr. zu groß erschien und ihm Besorgnisse irgend einer Art erregte, so hätte er uns dies hinunter sagen lassen müssen. Dies geschah nicht. Wir werden vielmehr angenommen. Sr. Exz. empfing uns auf dem obern Ende der Treppe. Die etwas schmale Treppe nöthigte uns einzeln hinaufzugehen.</p>
          <p>Nachdem die beiden ersten von uns auf dem Flur angelangt und bei Hrn. v. Drigalski vorbeipassirt waren, machte Hr. v. D. mit der Hand ein haltgebietendes Zeichen und donnerte mit überlauter Kommandostimme: &#x201E;Nun ist's genug, die andern machen, daß sie fortkommen. Zwei davon sind genug. Auch nicht ein halber Mann mehr als zwei Mann, sage ich.&#x201C; Bei diesen Worten bemühte sich Hr. Hölterhoff, der Hrn. v. D. persönlich bekannt ist, den Flur zu gewinnen. Hr. v. D. machte zuerst eine Bewegung, um ihn zurückzustoßen. Als er ihn aber erkannte, korrigirte er sich. &#x201E;Ach, Sie sind Herr Hölterhoff. Sie <hi rendition="#g">kenne</hi> ich(!) Bleiben Sie da. Die anderen Leute aber kenne ich nicht. Wollen Sie augenblicklich das Haus verlassen.&#x201C; Ich, der ich mich unter dem so flegelhaft zurückgewiesenen Theile der Deputation befand, sah mich bewogen, für diese das Wort zu ergreifen. &#x201E;Wir wollten Ihnen als Behörde wichtige Thatsachen vortragen, Hr. v. Drigalski. Wollen Sie verweigern dieselben anzuhören?&#x201C; Der General gewann mehr und mehr das Aussehen eines wüthend gewordenen kalekutischen Auerhahns. Er hatte von Anfang an mit donnernder Stimme gesprochen. Jetzt steigerte er sie durch ein eigenthümliches Geschnarre zu einem ohrenzerreißenden Gebrülle. &#x201E;Wollen Sie gehen? Sind zwei Mann nicht genug? Was kommen Sie 6 Mann hoch bei sinkender Nacht (!).&#x201C; Ich: &#x201E;Wir haben Sie vielleicht über 6 verschiedene Thatsachen zu unterhalten.&#x201C;</p>
          <p>Er: &#x201E;Ich kann bei diesen <hi rendition="#g">stürmischen Zeiten bei sinkender Nacht</hi> nicht Deputationen von 6 Mann hoch annehmen.&#x201C; (Der kgl. preuß. General <hi rendition="#g">fürchtete sich</hi> also; das Vorherrschen dieses Gemüthszustandes in ihm scheint beiläufig auch dadurch bestätigt zu werden, daß, wie wir später Gelegenheit hatten wahrzunehmen, das Haus mit mindestens 10-15 Mann Soldaten angefüllt war). Ich: &#x201E;Ich glaube nicht, daß Sie von einer friedlichen Deputation etwas zu fürchten haben.&#x201C; Der General wurde kirschbraun: &#x201E;Herraus, herraus sage ich. Wollen Sie 'raus?&#x201C; Ich: &#x201E;Meine Herren, ich bitte Sie, diesen Empfang sich zu notifiziren. Das Weitere wird sich finden. Hr. v. D. verweigert uns anzuhören. Es ist gut. Lassen Sie uns gehen.&#x201C; Damit wandten wir uns. Der General, welcher merkt, daß er eine Dummheit gemacht habe und sie redressiren will, brüllt uns nach: &#x201E;Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, dann besuchen Sie mich.&#x201C; Ich (zurücktretend): &#x201E;Gut, Das ist es, was wir thun. Dazu sind wir da.&#x201C; Der General, wieder kirschbraun: &#x201E;Aber nicht heute, kommen Sie wieder.&#x201C; Ich: &#x201E;Darf man fragen, wann Hr. v. D. für Angelegenheiten von der <hi rendition="#g">höchsten Dringlichkeit</hi> zu sprechen ist?&#x201C; Er: Kommen Sie, wenn ich die ersten Zwei gesprochen habe.&#x201E; Ich: &#x201E;Meine Herren, dann lassen Sie uns warten, bis dies geschehen ist.&#x201C; Der General, vor Wuth überschnappend: &#x201E;Aber nicht in meinem Hause. Herrraus, sage ich, herrraus. Wollen Sie augenblicklich machen, daß Sie fortkommen? Soll ich meine Leate rufen? Werde ich mein Hausrecht haben? (Eine <hi rendition="#g">Behörde,</hi> die gegen Beschwerde führende Bürger das <hi rendition="#g">Hausrecht</hi> geltend macht! Bei diesen Worten macht der General eine Bewegung nach dem Korridor zu, wie um seine Diener zu rufen.) Ich: &#x201E;Meine Herren, ich bitte Sie, sich auch dies zu notifiziren. Lassen Sie uns gehen.&#x201C; Wir gehen die Treppe hinab. Der General hinter uns herstürzend: Notiren Sie sich, was Sie wollen. Notifiziren Sie sich auch, daß ich Sie mit Gewalt hinausgeschmissen habe.</p>
          <p>Der General begleitete uns dabei, dicht hinter uns her, die Treppen hinunter, natürlich nicht um uns das Ehrengeleit zu geben, sondern um unsern Gang, der ihm zu langsam sein mochte, zu beschleunigen. Seine Haltung &#x2012; er hatte die Hand ausgestreckt und machte mit derselben die Geberde eines in Thätigkeit begriffenen Kehrbesens &#x2012; war so drohend, daß wir alle Augenblicke fürchteten, er würde mit uns <hi rendition="#g">handgemein</hi> werden. Doch verschonte er uns noch mit dieser letzten Gattung von Gemeinheit. Nachdem wir so glücklich zum Hause hinaus geschmissen waren, kehrte der General zu jenen drei zurückgelassenen Deputirten zurück und bemühte sich nun, jenen Empfang, dessen beschämende Folgen für ihn zum Bewußtsein kommen mochten, wieder auszugleichen. Er versicherte, über das Benehmen der Soldaten höchlich entrüstet zu sein, eine strenge Untersuchung einzuleiten, wenn dies <hi rendition="#g">von der Oberprokuratur</hi> beantragt würde; Ja, er trieb die Leutseligkeit so weit, am Schlusse des Gesprächs zu erklären, nunmehr auch die andern Herren hören zu wollen. Natürlich fanden wir uns nicht veranlaßt, uns zu Hern. v. D. zurückzubegeben.</p>
          <p>Auf so pöbelhafte, so schamlose Weise wird von der obersten Militärbehörde Düsseldorfs eine Deputation Bürger empfangen, welche sich an den Schutz derselben mit einer Beschwerde über die rohesten Mißhandlungen von Seiten der Soldaten wendet. Ich kann Sie versichern, daß wir über die Exzesse des Hrn. v. D. bei Weitem mehr entrüstet waren, als über die der Soldaten.</p>
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          <head><bibl><author>36</author></bibl> Minden, 16. October.</head>
          <p>Zur Feier des Geburtstages des Königs von Preußen hatten sich die Preußenfreunde bei einem Zweckessen versammelt, um bei Regimentsmusik und perlendem Champagner ihrem Ingrimm gegen die Demokraten Luft zu machen und in patriotischen Seufzern der untergegangenen Monarchie nachzuheulen. Ein Obrist sprach salbungsvolle Toaste. Preußen soll nicht in Deutschland aufgehen! Nein, es soll an seiner Spitze stehen! so brüllte unaufhörlich das Corps der Preußenfreunde mit martialischer Manier und des süßen Weines voll. Wir würden nicht von diesen geringfügigen schwarzweißen Demonstrationen reden, diesen albernen Comödien bureaukratischer Schmarotzer, deren Hurrah! und Hoch! die blasse Furcht vor der Zukunft schlecht verbirgt, wenn der Comödie am Tage nicht eine Tragödie am Abende nachgefolgt wäre, die einem Menschen beinahe das Leben gekostet hätte. Das Militär wird hier von seinen Offizieren schon seit einiger Zeit systematisch aufgehetzt; man erzählt sich sogar &#x2012; doch fehlen hiefür noch die genauen Beweise &#x2012; daß ein höherer Offizier vollständige Amnestie für alle Vergehen der Soldaten am 15. October versprochen habe. Daß er den Soldaten befohlen hat, augenblicklich Jeden niederzustoßen oder zu verhaften, der ihnen mit Plakaten u. dgl. sich zu nähern wagen sollte, ist bekannt genug. Es scheint, man will durch Brutalitäten der aufgehetzten Soldateska auch hier Unruhen hervorrufen, den &#x201E;friedlichen&#x201C; Bürger zum Widerstande reizen, dann unter dem Vorgeben, daß die &#x201E; Ruhe und Ordnung wiederhergestellt werden müsse&#x201C;, die Bürgerwehr entwaffnen, dann die Stadt à la Köln in Belagerungszustand erklären, kurz, es hier so machen, wie überall. Es wäre ein Leichtes, dem Militärdespotismus Veranlassung zu diesen &#x201E;Sicherheitsmaßregeln&#x201C; zu geben. Jener Bürger von Minden begibt sich nämlich harmlos auf den Platz, wo die Militärbehörde die Soldaten fütterte und tanzen ließ, wo die Offiziere leutselig mit den Soldaten herumsprangen und brüderlich mit ihnen schwarzweiße Gesänge brüllten. Kaum hatte er sich dem Tanzboden genähert, als er schon von besoffenen Soldaten, die ihn seines starken Bartes wegen für einen &#x201E;Republikaner&#x201C; erklärten, umringt und insultirt wurde. Immer dichter umringt ihn der tobende Haufen, so daß er in das Tanzlokal zurückfliehen mußte; hier trat ihn ein Unteroffizier, der Rädelsführer bei dieser Schlacht, entgegen, und machte ihm durch einige Prügel bemerklich, daß er das Preußenlied singen müsse, wenn er nicht &#x2012; todtgeschlagen werden wolle! Er mußte, um sein Leben zu retten, dem Willen der bis zur Bestialität aufgehetzten Rotte nachgeben. Wie schmachvoll und empörend! Die Mütze wurde ihm vom Kopfe geschlagen, Prügel regnete es von allen Seiten, so daß der Mißhandelte beinahe besinnungslos zusammensank; der Mantel wurde ihm abgenommen, der Rock in Fetzen gerissen, mit einem Stein wurde ihm ein Loch in den Kopf geschlagen, dann wollte ihn die besoffene Bande in einen Festungsgraben werfen, ließ ihn aber wieder los. Er wurde in das Wachtlokal abgeführt, verfolgt von brüllenden Haufen. Hier trat ihm der wachthabende Offizier (von <hi rendition="#g">Döring</hi> heißt dieser kleine Held) entgegen: &#x201E;Eigentlich müßte ich Ihn der Rache des Volkes (?!) preisgeben, Er hat's verdient dadurch, daß Er die Leute gegen ihre Oberen aufgehetzt hat (ist nämlich eine unverschämte Lüge, der Mann hat nicht durch ein einziges Wort zu solchen Brutalitäten Veranlassung gegeben)! <hi rendition="#g">Der Laternenpfahl ist viel zu gut für Ihn!</hi> In das schmutzigste Loch werde ich Ihn mit Bajonetten hinabstoßen lassen!&#x201C; Ein anderer Bramarbas, der Lieutenant <hi rendition="#g">Rintel</hi> besieht sich den Arrestanten, weil er wie ein zerlumpter Vagabund aussah, von Oben nach Unten, den Schnurbart streichend: Herr, hat Er Ehre (Aehre preußisch) im Leibe? Wenn Er Ehre hätte, so möchte ich mich 'mal mit ihm fassen u. dgl. Nachdem der Mißhandelte 1/2 Stunde in ein Arrestlokal eingesperrt worden war, wurde er wieder herausgeholt und ging unter dem Schutze des Polizei-Kommissars nach Hause. Eine auf Morgen anberaumte Volksversammlung wird die geeigneten Mittel berathschlagen, wie man künftig Seitens der Bürger dem Soldaten übermuth entgegenzutreten habe!</p>
          <p>Soeben hören wir, daß noch mehrere Bürger ohne alle Veranlassung von Soldaten mißhandelt worden sind. Man sieht, wie der Beschluß gegen die reaktionären Offiziere praktisch ausgeführt wird!</p>
        </div>
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          <head>Liegnitz im Oktober.</head>
          <p>Der hiesige demokratische Verein hat an den Minister Eichmann folgenden &#x201E;offenen Brief&#x201C; erlassen:</p>
          <p>Exzellenz! Sie waren so gnädig, sich unser, der Demokraten, wenn auch vielleicht nicht in der freundlichsten Beziehung zu erinnern; und wir fühlen uns verpflichtet, auf diese Bemerkung eine Erwiderung folgen zu lassen. Bis jetzt haben wir mit Bestimmtheit geglaubt, daß da, von wo aus uns die demokratische Verfassung kommen soll, auch die ersten, edelsten Demokraten sein müßten; aber leider scheint dieser Glaube, wie so mancher, auf Trugschlüssen zu beruhen. Freilich mögen seit den Märztagen manche Gedächtnisse Lücken bekommen haben, daß man nun die Erinnerung an längst vergessene Dinge unbequem findet, und so mag es auch mit dem verpönten Worte Demokratie sein. Exzellenz waren ferner so gnädig, uns Demokraten mit Anarchisten in gleiche Reihe zu stellen: dagegen müssen wir aber entschieden protestiren, weil grade die anarchischen Bestrebungen von &#x2012; uns ganz entgegengesetzten &#x2012; Punkten ausgehen, wir aber streng auf dem <hi rendition="#g">Rechte</hi> sutzen. Allerdings ist es unangenehm, wenn die leuchtenden Blitze von Unten die Wühler von Oben beleuchten; dergleichen Dinge sind jedoch zu vermeiden oder zu ertragen. Exzellenz sagten: &#x201E;die Aufregung im Lande Schlesien sei eine bedeutende!&#x201C; Davon müßten wir Schlesier doch vor allen Dingen zuerst Kunde haben? Zwar wissen wir nicht genau, welchen Begriff Sie mit dem Worte Aufregung verbinden. Nach unserem schwachen Verständiß sind wir aufgewacht aus der Nacht der Knechtschaft; wenn Sie das Aufregung zu nennen belieben, dann freilich sind wir aufgeregt. Exzellenz sagten ferner: daß Breslau und Liegnitz die Hauptpunkte der Unruhen in Schlesien seien: das ist wieder nicht der Fall, und daß Emissäre anarchische und demokratische Gesinnungen zu verbreiten bemüht seien. Ja, Sie haben Recht! Nur wissen wir nicht, welcher Partei Sie Recht geben? Ob Sie den anarchischen Wühlereien von Oben herab oder den demokratischen Bestrebungen von Unten herauf den Vorzug ertheilen? Ja, Exzellenz haben mit Ihrem Ausspruche vollkommen Recht! Es gibt, wenn auch wenige, Anarchisten, und es gibt, aber sehr viele, Demokraten. Während wir Demokraten auf gesetzmäßigem Wege fortschreiten und Licht zu verbreiten bemüht sind in die untersten Schichten der Menschheit, um die gewaltsamen Elemente abzuschäumen; wühlen die Anarchisten unter allen möglichen Formen von Oben her, versuchen es, die gesunde Vernunft wieder zu umschleiern und bedienen sich aller, selbst des fluchwürdigsten Mittel, ihren Zweck zu erreichen. Dadurch freilich <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref>                 </p>
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</TEI>
[0610/0004] Entgegneten sie: nun wohl, wir werden uns mit dem Militär verbinden, um diese bewaffneten Hunde, die uns nicht als ihres Gleichen betrachten, zu erschlagen. Heute um Mittag erschienen alle Erdarbeiter mit ihren sämmtlichen Fahnen auf dem Gensd'armenmarkte. Es mochten gegen 2000 Mann sein. Sie sandten eine Deputation in die National-Versammlung mit der Forderung, dieselbe solle die Mörder ihrer Brüder verhaften lassen, ferner die Todten feierlich auf städtische Kosten beerdigen, für die Hinterbliebenen derselben sorgen und ihnen für den verlorenen Zeitverlust 2 Tage Arbeitslohn auszahlen. Wie billig das Volk ist! ‒ Der Präsident der Versammlung hat ihnen morgen Bescheid versprochen. Berlin, 17. October. Nach der National-Zeitung bildet das Militär, welches um Berlin herumgelagert ist, eine beträchtliche und in jedem Augenblicke schlagfertige Armee. Besonders stark ist die Artillerie, welche bis in die neueste Zeit noch verstärkt worden ist. Im Ganzen befinden sich 45 Batterien mit 360 Geschützen in der Nähe der Hauptstadt; und jede Batterie ist mit 242 Schuß versehen, In Zossen, einer Stadt von 2000 Seelen, liegen allein 2 Batterien. Die Infanterie ist beständig mit 60 scharfen Patronen versehen. Aus allen diesen Angaben geht hervor, wie sehr man in jedem Moment auf einen Schlag gerüstet ist. Ueberall auf den Dörfern, wo Infanterie liegt, sind auch zugleich Cavallerie-Piquets stationirt, um die beständige Verbindung mit den einzelnen Kantonirungen zu unterhalten. 103 Berlin, 17. Okt. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Der Präsident Grabowverkündigt das Resultat der gestern Abend vorgenommenen Wahlen der Vicepräsidenten und Sekretaire. Zahl der Stimmenden 327. Absolute Majorität 164. Gewählt wurden zu Vicepräsidenten: Unruh mit 247 Stimmen, Bornemann mit 215, Jonas mit 170 Stimmen, Außerdem erhielten: Waldeck 155, Tamnau 106, Temme 88, Jacoby 68 Stimmen. Zu stellvertretenden Sekretairen wurden gewählt: v. Besser mit 190 Stimmen, Hildenhagen mit 184, Schornbaum mit 457 und Ostermann mit 157 Stimmen. Der Minister des Innnern verlangt das Wort, um über die gestrigen Unruhen Mittheilungen zu machen und glaubt, daß diese Unruhen eine Folge der, Donnerstag stattgefundenen, Zerstörung einer Maschine seien. Die Unruhen sind gedämpft und obgleich schon Militair requirirt war, ist dasselbe doch später wieder zurückgesandt worden. Das Nähere würde durch die eingeleitete Untersuchung festgestellt werden. Der Abg. Temme verlangt das Wort zu faktischen Berichtigungen. Er sei in der Versammlung seiner Partei benachrichtigt worden, daß Militair requirirt worden von dem Sicherheitsausschusse, der im Schlosse seine Sitzung hielt. Er begab sich sogleich mit dem Abgeordneten Elsner nach dem Schlosse, wo sie von der Bürgerwehr mit Freuden zum Sicherheitsausschuß geführt, wo sie es bestätigt fanden, daß der Kommandeur Rimpler das Verlangen auf Requisition des Militairs gestellt habe, welchen er nun zurücknahm. Zugleich muß er hinzufügen, daß die Bürgerwehr sehr entrüstet darüber war, daß ein großer Trupp Constabler, mit Schußwaffen bewaffnet, im Rücken der Bürgerwehr manövrirte, wozu die Constabler wohl keinesfalls befugt seien. Der Minister des Innern erklärt, daß er den Constablern den Befehl gegeben, sich zu bewaffnen und die öffentlichen Gebäude und Hotels zu besetzen. Hierauf werden folgende schleunige Interpellationen vor der Tagesordnung zugelassen. Abg. Otto (Trier): Am 7 Oktober erklärte bei der Verhandlung über die Dringlichkeit des Behnschschen Antrages der Herr Justizminister Kisker: „Das Staatsministerium hat Vorbereitungen getroffen Behufs Amnestirung für gewisse Kategorien von politischen Vergehen, dahin gehören insbesondere die Posener Angelegenheiten, dahin gehören die Angelegenheiten, von denen der Abgeordnete aus Trier gesprochen hat.“ Ich interpellire nun das hohe Justizministerium: „Weshalb durch die im Staatsministerium getroffenen Vorbereitungen, eine Amnestie der Trierer politischen Vergehen nicht herbeigeführt worden ist?“ Der Abg. Otto fügt noch hinzu (nachdem der Minister erklärte, er würde sogleich antworten), daß in Fölge des vom Minister am 7. gegebenen Versprechens, man die Amnestie in Trier täglich erwartete und sich nun dort, nachdem die Amnestie für die Posener erlassen, sehr getäuscht fand. Wenn man bedenkt, daß die vielen Angeklagten am 20. nach Köln vor die Assisen transportirt werden sollen, welches jedenfalls eine große Aufregung hervorbringen muß. Der Justizminister Kisker erklärt, daß die Vorberathungen noch nicht vollständig erledigt seien, die Sache solle aber so viel wie möglich beschleunigt werden. Abg. Otto will sich mit dieser Antwort nicht befriedigen, indem dem Ministerium seit langer Zeit der ganze Thatbestand durch die Anklage-Akte vorliege und er müsse daher auf sofortige Erlassung der Amnestie dringen. Der Minister Eichmann erklärt, daß sich die Krone durchaus keine Amnestie abdrängen lassen werde; die Amnestie sei ein Recht der Krone, welches das Ministerium zu schützen wissen werde. ‒ Man müsse sich mit dem Versprechen des Ministeriums begnügen, welches die Sache in Berathung gezogen habe. ‒ Abg. Dierschke: Das Staatsministerium wolle sich sofort darüber erklären: 1) ob dasselbe den in der Sitzung vom 1. September gefaßten Beschluß über bessere Versorgung der invaliden Combattanten aus den Feldzügen von 1806 und 1813-15 und die baldige Ermittelung ihrer Zahl bereits zur Ausführung gebracht hat; 2) welche Resultate daraus hervorgegangen sind? eventuell aber 3) ob und welche Hinderungs-Ursachen der Ausführung jenes Beschlusses entgegenstehen? Der Minister-Präsident erklärt, daß die Sache in vollem Gange, daß aber die Ermittelung der Zahl der Invaliden sehr schwierig und zeitraubend sei. Abg. Pinoff: In mehreren Theilen der Provinz Schlesien wird gegenwärtig das erste Aufgebot der Landwehr eingezogen. In Rücksicht darauf, daß diese außerordentliche Maßregel eine große Aufregung in der Provinz hervorruft, wird das hohe Kriegsministerium angefragt: „Aus welchen Gründen und zu welchem Zwecke die schlesische Landwehr in diesem Augenblicke eingezogen werde?“ Die Zulassung dieser Interpellation erfordert eine Abstimmung, welche zweifelhaft ist. Die Zählung ergiebt: 171 Stimmen für und 152 gegen die Zulassung. Abg. Pinoff schildert die Aufregung welche die Einziehung der Landwehr, als wäre der Feind vor der Thur, in ganz Schlesien hervorgerufen habe. Besonders da Familienväter eingezogen würden, deren Angehörigen dadurch brodlos würden, da der Staat diesen Angehörigen keine Unterstützung ertheilt. Der Kriegsminister Pfuel antwortet, daß die Sache sehr einfach sei, indem den Behörden von allen Seiten Vorstellungen eingegangen seien, Vorkehrungen zum Schutze des Eigenthums zu treffen. Uebrigens würde die Landwehr nicht vollständig einberufen, sondern nur 4-600 Mann von jedem Bataillon, welche einberufen worden, da das Eigenthum niedergebrannt und zerstört worden ist. Abg. Pinhoff: Wir haben die Mittel in der Hand, diesen Zerstörungen Einhalt za thun, daß sind freie Institutionen; geben wir diese nicht, so rufen wir die Anarchie hervor. Der Minister Eichmann erklärt ebenfalls, daß die Landwehr nur zum Schutz des Eigenthums einberufen werde. Nachdem noch einige Anträge, wie der des Abg. Kirchmann und Consorten, einen Gesetzentwurf, betreffend die Einführung der Geschwornen, Grebel wegen Holzdiebstahl, an die betreffenden Fach-Kommissionen verwiesen wurden, kommt man zur Tagesordnung, die Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben. Da es sich heute um die sehr wichtige Frage, die Aufhebung der Laudemien handelt, so sieht sich die Versammlung genöthigt, die Debatte, obgleich sie schon Sonnabend begann und heute drei Stunden fortgesetzt wurde, doch bis morgen zu vertagen und morgen wieder aufzunehmen. Die Abg. Teichmann, Wollheim u. A. sprachen mit vieler Gründlichkeit für die Aufhebung. Gegen 1 Uhr Mittags zogen mehrere tausend Arbeiter vor dem Sitzungssaale der Versammlung. Sie sandten eine Deputation an den Präsidenten und übergaben vermittelst dem Abg. Behrens eine Petition. Die Versammlung hat diese Petition für dringend anerkannt und hat die Petitionskommission beauftragt, morgen darüber Bericht zu erstatten. 109 Düsseldorf, 17. Okt. Am 15. Oktober war, wie man weiß, Königs Geburtstag; Kanonen wurden gelöst, Paraden und ähnliche harmlose Spielereien vorgenommen, Bier und doppelte Löhnung unter die Soldaten vertheilt; die rechte Feier aber ging erst heute vor sich. Heute Abend nämlich fand eine Versammlung des demokratisch-monarchischen Vereins statt. Die Soldaten waren, wie überhaupt in letzter Zeit, in äußerst großer Anzahl erschienen, einige aber mit unter den Röcken verborgenen Säbeln. In der heutigen Düsseldorfer Zeitung hatte ein, von einem Unteroffizier unterzeichneter Aufsatz gestanden, dessen wesentlicher Inhalt etwa ist, das Militär werde sich nicht durch die Vorspiegelungen der Demokraten verleiten lassen; sein Wahlspruch werde vor wie nach bleiben: „mit Gott für König und Vaterland“ und so weiter in dem alten Commisstyle. In der heutigen Versammlung wurde nun von den Mitgliedern des demokratischen Vereins dieser Aufsatz verlesen und die Anfrage an die Soldaten gerichtet, ob sie denselben billigten. Ein einstimmiges „Nein“ erscholl aus allen Kehlen, einzelne Soldaten riefen: das habe sicherlich der Major einrücken lassen. Unter Lebehochs auf die Demokratie und Freiligrath entfernte sich das Militär. Aber beim Austritt aus dem Saale fing ein Unteroffizier mit einigen Mann plötzlich an unter dem Ruf: „es lebe der König!“ mit Steinen die Fenster des Saales einzuwerfen. Die meisten Soldaten zogen sich in die Kaserne zurück, manche blieben in dem Saale, einige Angestiftete aber richteten ein wohlunterhaltenes Bombardement von Steinen auf den Saal, während andere unter dem Lied: „ich bin ein Preuße etc.“ mit gezogenem Säbel auf- und abstürzten und ruhige Bürger (Comptoirist Becker, Geometer Engels etc.) mißhandelten. Die Thüren des Lokals waren natürlich sofort geschlossen worden, und nur mit Mühe gelang es dem Präsidium, die fortwährenden Steinwürfen ausgesetzten Mitglieder des Vereins abzuhalten, hinauszustürzen, um die Unruhstifter zu bestrafen. Ein Kind soll von den Soldaten arg durch Steinwürfe und mit Säbelhieben niedergeworfen und mißhandelt worden sein. Unterdeß befand ich mich zufällig zusammen mit dem Hauptmann der 8. Bürgerwehrkompagnie Hr. Hölterhoff in einer vom Vereinslokal nicht weit entfernten Weinstube. Auf die Nachricht von diesen Vorgängen beschloß der Hauptmann natürlich die Kompagnie sofort alarmiren zu lassen. Zu diesem Zwecke wollten wir uns auf die Wachtstube, welche dem Vereinslokale gegenüber liegt, begeben. Aber kaum hatten wir einige Schritte gemacht, als eine Anzahl von 15-20 Soldaten mit gezogenen Säbeln auf uns losstürzte und unter dem Geschrei: „Demokraten, Demokraten!“ einen Regen von faustdicken Bausteinen uns entgegensandten. Umsonst versuchten wir seitwärts vorzurücken, unser Ziel zu erreichen, aber der Steinhagel wurde immer heftiger, dicke Kiesel flogen uns um Kopf und Schultern, so daß wir uns eiligst in die Weinstube, von der wir ausgegangen waren, zurückziehen mußten. Zehn Minuten darauf versuchten wir noch einmal die Wachtstube zu gewinnen, um die Alarmirung der Bürgerwehr veranlassen zu können. Inzwischen waren aber die Soldaten in die Kaserne zurückgegangen. Wir begegneten einer aus 4 Mann bestehenden Deputation des demokratischen Vereins, welche sich zu dem General v. Drigalsky begab, um sich über jene Excesse zu beschweren. Wir schlossen uns der Deputation an. Und nun folgte eine Scene, die ich umsonst versuchen werde, Ihnen würdig zu beschreiben. Wir ließen uns als eine aus 6 Mitgliedern bestehende Deputation melden. Wenn die Zahl 6 Hrn. v. Dr. zu groß erschien und ihm Besorgnisse irgend einer Art erregte, so hätte er uns dies hinunter sagen lassen müssen. Dies geschah nicht. Wir werden vielmehr angenommen. Sr. Exz. empfing uns auf dem obern Ende der Treppe. Die etwas schmale Treppe nöthigte uns einzeln hinaufzugehen. Nachdem die beiden ersten von uns auf dem Flur angelangt und bei Hrn. v. Drigalski vorbeipassirt waren, machte Hr. v. D. mit der Hand ein haltgebietendes Zeichen und donnerte mit überlauter Kommandostimme: „Nun ist's genug, die andern machen, daß sie fortkommen. Zwei davon sind genug. Auch nicht ein halber Mann mehr als zwei Mann, sage ich.“ Bei diesen Worten bemühte sich Hr. Hölterhoff, der Hrn. v. D. persönlich bekannt ist, den Flur zu gewinnen. Hr. v. D. machte zuerst eine Bewegung, um ihn zurückzustoßen. Als er ihn aber erkannte, korrigirte er sich. „Ach, Sie sind Herr Hölterhoff. Sie kenne ich(!) Bleiben Sie da. Die anderen Leute aber kenne ich nicht. Wollen Sie augenblicklich das Haus verlassen.“ Ich, der ich mich unter dem so flegelhaft zurückgewiesenen Theile der Deputation befand, sah mich bewogen, für diese das Wort zu ergreifen. „Wir wollten Ihnen als Behörde wichtige Thatsachen vortragen, Hr. v. Drigalski. Wollen Sie verweigern dieselben anzuhören?“ Der General gewann mehr und mehr das Aussehen eines wüthend gewordenen kalekutischen Auerhahns. Er hatte von Anfang an mit donnernder Stimme gesprochen. Jetzt steigerte er sie durch ein eigenthümliches Geschnarre zu einem ohrenzerreißenden Gebrülle. „Wollen Sie gehen? Sind zwei Mann nicht genug? Was kommen Sie 6 Mann hoch bei sinkender Nacht (!).“ Ich: „Wir haben Sie vielleicht über 6 verschiedene Thatsachen zu unterhalten.“ Er: „Ich kann bei diesen stürmischen Zeiten bei sinkender Nacht nicht Deputationen von 6 Mann hoch annehmen.“ (Der kgl. preuß. General fürchtete sich also; das Vorherrschen dieses Gemüthszustandes in ihm scheint beiläufig auch dadurch bestätigt zu werden, daß, wie wir später Gelegenheit hatten wahrzunehmen, das Haus mit mindestens 10-15 Mann Soldaten angefüllt war). Ich: „Ich glaube nicht, daß Sie von einer friedlichen Deputation etwas zu fürchten haben.“ Der General wurde kirschbraun: „Herraus, herraus sage ich. Wollen Sie 'raus?“ Ich: „Meine Herren, ich bitte Sie, diesen Empfang sich zu notifiziren. Das Weitere wird sich finden. Hr. v. D. verweigert uns anzuhören. Es ist gut. Lassen Sie uns gehen.“ Damit wandten wir uns. Der General, welcher merkt, daß er eine Dummheit gemacht habe und sie redressiren will, brüllt uns nach: „Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, dann besuchen Sie mich.“ Ich (zurücktretend): „Gut, Das ist es, was wir thun. Dazu sind wir da.“ Der General, wieder kirschbraun: „Aber nicht heute, kommen Sie wieder.“ Ich: „Darf man fragen, wann Hr. v. D. für Angelegenheiten von der höchsten Dringlichkeit zu sprechen ist?“ Er: Kommen Sie, wenn ich die ersten Zwei gesprochen habe.„ Ich: „Meine Herren, dann lassen Sie uns warten, bis dies geschehen ist.“ Der General, vor Wuth überschnappend: „Aber nicht in meinem Hause. Herrraus, sage ich, herrraus. Wollen Sie augenblicklich machen, daß Sie fortkommen? Soll ich meine Leate rufen? Werde ich mein Hausrecht haben? (Eine Behörde, die gegen Beschwerde führende Bürger das Hausrecht geltend macht! Bei diesen Worten macht der General eine Bewegung nach dem Korridor zu, wie um seine Diener zu rufen.) Ich: „Meine Herren, ich bitte Sie, sich auch dies zu notifiziren. Lassen Sie uns gehen.“ Wir gehen die Treppe hinab. Der General hinter uns herstürzend: Notiren Sie sich, was Sie wollen. Notifiziren Sie sich auch, daß ich Sie mit Gewalt hinausgeschmissen habe. Der General begleitete uns dabei, dicht hinter uns her, die Treppen hinunter, natürlich nicht um uns das Ehrengeleit zu geben, sondern um unsern Gang, der ihm zu langsam sein mochte, zu beschleunigen. Seine Haltung ‒ er hatte die Hand ausgestreckt und machte mit derselben die Geberde eines in Thätigkeit begriffenen Kehrbesens ‒ war so drohend, daß wir alle Augenblicke fürchteten, er würde mit uns handgemein werden. Doch verschonte er uns noch mit dieser letzten Gattung von Gemeinheit. Nachdem wir so glücklich zum Hause hinaus geschmissen waren, kehrte der General zu jenen drei zurückgelassenen Deputirten zurück und bemühte sich nun, jenen Empfang, dessen beschämende Folgen für ihn zum Bewußtsein kommen mochten, wieder auszugleichen. Er versicherte, über das Benehmen der Soldaten höchlich entrüstet zu sein, eine strenge Untersuchung einzuleiten, wenn dies von der Oberprokuratur beantragt würde; Ja, er trieb die Leutseligkeit so weit, am Schlusse des Gesprächs zu erklären, nunmehr auch die andern Herren hören zu wollen. Natürlich fanden wir uns nicht veranlaßt, uns zu Hern. v. D. zurückzubegeben. Auf so pöbelhafte, so schamlose Weise wird von der obersten Militärbehörde Düsseldorfs eine Deputation Bürger empfangen, welche sich an den Schutz derselben mit einer Beschwerde über die rohesten Mißhandlungen von Seiten der Soldaten wendet. Ich kann Sie versichern, daß wir über die Exzesse des Hrn. v. D. bei Weitem mehr entrüstet waren, als über die der Soldaten. 36 Minden, 16. October. Zur Feier des Geburtstages des Königs von Preußen hatten sich die Preußenfreunde bei einem Zweckessen versammelt, um bei Regimentsmusik und perlendem Champagner ihrem Ingrimm gegen die Demokraten Luft zu machen und in patriotischen Seufzern der untergegangenen Monarchie nachzuheulen. Ein Obrist sprach salbungsvolle Toaste. Preußen soll nicht in Deutschland aufgehen! Nein, es soll an seiner Spitze stehen! so brüllte unaufhörlich das Corps der Preußenfreunde mit martialischer Manier und des süßen Weines voll. Wir würden nicht von diesen geringfügigen schwarzweißen Demonstrationen reden, diesen albernen Comödien bureaukratischer Schmarotzer, deren Hurrah! und Hoch! die blasse Furcht vor der Zukunft schlecht verbirgt, wenn der Comödie am Tage nicht eine Tragödie am Abende nachgefolgt wäre, die einem Menschen beinahe das Leben gekostet hätte. Das Militär wird hier von seinen Offizieren schon seit einiger Zeit systematisch aufgehetzt; man erzählt sich sogar ‒ doch fehlen hiefür noch die genauen Beweise ‒ daß ein höherer Offizier vollständige Amnestie für alle Vergehen der Soldaten am 15. October versprochen habe. Daß er den Soldaten befohlen hat, augenblicklich Jeden niederzustoßen oder zu verhaften, der ihnen mit Plakaten u. dgl. sich zu nähern wagen sollte, ist bekannt genug. Es scheint, man will durch Brutalitäten der aufgehetzten Soldateska auch hier Unruhen hervorrufen, den „friedlichen“ Bürger zum Widerstande reizen, dann unter dem Vorgeben, daß die „ Ruhe und Ordnung wiederhergestellt werden müsse“, die Bürgerwehr entwaffnen, dann die Stadt à la Köln in Belagerungszustand erklären, kurz, es hier so machen, wie überall. Es wäre ein Leichtes, dem Militärdespotismus Veranlassung zu diesen „Sicherheitsmaßregeln“ zu geben. Jener Bürger von Minden begibt sich nämlich harmlos auf den Platz, wo die Militärbehörde die Soldaten fütterte und tanzen ließ, wo die Offiziere leutselig mit den Soldaten herumsprangen und brüderlich mit ihnen schwarzweiße Gesänge brüllten. Kaum hatte er sich dem Tanzboden genähert, als er schon von besoffenen Soldaten, die ihn seines starken Bartes wegen für einen „Republikaner“ erklärten, umringt und insultirt wurde. Immer dichter umringt ihn der tobende Haufen, so daß er in das Tanzlokal zurückfliehen mußte; hier trat ihn ein Unteroffizier, der Rädelsführer bei dieser Schlacht, entgegen, und machte ihm durch einige Prügel bemerklich, daß er das Preußenlied singen müsse, wenn er nicht ‒ todtgeschlagen werden wolle! Er mußte, um sein Leben zu retten, dem Willen der bis zur Bestialität aufgehetzten Rotte nachgeben. Wie schmachvoll und empörend! Die Mütze wurde ihm vom Kopfe geschlagen, Prügel regnete es von allen Seiten, so daß der Mißhandelte beinahe besinnungslos zusammensank; der Mantel wurde ihm abgenommen, der Rock in Fetzen gerissen, mit einem Stein wurde ihm ein Loch in den Kopf geschlagen, dann wollte ihn die besoffene Bande in einen Festungsgraben werfen, ließ ihn aber wieder los. Er wurde in das Wachtlokal abgeführt, verfolgt von brüllenden Haufen. Hier trat ihm der wachthabende Offizier (von Döring heißt dieser kleine Held) entgegen: „Eigentlich müßte ich Ihn der Rache des Volkes (?!) preisgeben, Er hat's verdient dadurch, daß Er die Leute gegen ihre Oberen aufgehetzt hat (ist nämlich eine unverschämte Lüge, der Mann hat nicht durch ein einziges Wort zu solchen Brutalitäten Veranlassung gegeben)! Der Laternenpfahl ist viel zu gut für Ihn! In das schmutzigste Loch werde ich Ihn mit Bajonetten hinabstoßen lassen!“ Ein anderer Bramarbas, der Lieutenant Rintel besieht sich den Arrestanten, weil er wie ein zerlumpter Vagabund aussah, von Oben nach Unten, den Schnurbart streichend: Herr, hat Er Ehre (Aehre preußisch) im Leibe? Wenn Er Ehre hätte, so möchte ich mich 'mal mit ihm fassen u. dgl. Nachdem der Mißhandelte 1/2 Stunde in ein Arrestlokal eingesperrt worden war, wurde er wieder herausgeholt und ging unter dem Schutze des Polizei-Kommissars nach Hause. Eine auf Morgen anberaumte Volksversammlung wird die geeigneten Mittel berathschlagen, wie man künftig Seitens der Bürger dem Soldaten übermuth entgegenzutreten habe! Soeben hören wir, daß noch mehrere Bürger ohne alle Veranlassung von Soldaten mißhandelt worden sind. Man sieht, wie der Beschluß gegen die reaktionären Offiziere praktisch ausgeführt wird! Liegnitz im Oktober. Der hiesige demokratische Verein hat an den Minister Eichmann folgenden „offenen Brief“ erlassen: Exzellenz! Sie waren so gnädig, sich unser, der Demokraten, wenn auch vielleicht nicht in der freundlichsten Beziehung zu erinnern; und wir fühlen uns verpflichtet, auf diese Bemerkung eine Erwiderung folgen zu lassen. Bis jetzt haben wir mit Bestimmtheit geglaubt, daß da, von wo aus uns die demokratische Verfassung kommen soll, auch die ersten, edelsten Demokraten sein müßten; aber leider scheint dieser Glaube, wie so mancher, auf Trugschlüssen zu beruhen. Freilich mögen seit den Märztagen manche Gedächtnisse Lücken bekommen haben, daß man nun die Erinnerung an längst vergessene Dinge unbequem findet, und so mag es auch mit dem verpönten Worte Demokratie sein. Exzellenz waren ferner so gnädig, uns Demokraten mit Anarchisten in gleiche Reihe zu stellen: dagegen müssen wir aber entschieden protestiren, weil grade die anarchischen Bestrebungen von ‒ uns ganz entgegengesetzten ‒ Punkten ausgehen, wir aber streng auf dem Rechte sutzen. Allerdings ist es unangenehm, wenn die leuchtenden Blitze von Unten die Wühler von Oben beleuchten; dergleichen Dinge sind jedoch zu vermeiden oder zu ertragen. Exzellenz sagten: „die Aufregung im Lande Schlesien sei eine bedeutende!“ Davon müßten wir Schlesier doch vor allen Dingen zuerst Kunde haben? Zwar wissen wir nicht genau, welchen Begriff Sie mit dem Worte Aufregung verbinden. Nach unserem schwachen Verständiß sind wir aufgewacht aus der Nacht der Knechtschaft; wenn Sie das Aufregung zu nennen belieben, dann freilich sind wir aufgeregt. Exzellenz sagten ferner: daß Breslau und Liegnitz die Hauptpunkte der Unruhen in Schlesien seien: das ist wieder nicht der Fall, und daß Emissäre anarchische und demokratische Gesinnungen zu verbreiten bemüht seien. Ja, Sie haben Recht! Nur wissen wir nicht, welcher Partei Sie Recht geben? Ob Sie den anarchischen Wühlereien von Oben herab oder den demokratischen Bestrebungen von Unten herauf den Vorzug ertheilen? Ja, Exzellenz haben mit Ihrem Ausspruche vollkommen Recht! Es gibt, wenn auch wenige, Anarchisten, und es gibt, aber sehr viele, Demokraten. Während wir Demokraten auf gesetzmäßigem Wege fortschreiten und Licht zu verbreiten bemüht sind in die untersten Schichten der Menschheit, um die gewaltsamen Elemente abzuschäumen; wühlen die Anarchisten unter allen möglichen Formen von Oben her, versuchen es, die gesunde Vernunft wieder zu umschleiern und bedienen sich aller, selbst des fluchwürdigsten Mittel, ihren Zweck zu erreichen. Dadurch freilich Hierzu eine Beilage.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 121. Köln, 20. Oktober 1848, S. 0610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz121_1848/4>, abgerufen am 21.11.2024.