Neue Rheinische Zeitung. Nr. 135. Köln, 5. November 1848. Zweite Ausgabe.vom Präsidenten verlesen war, entfernte sich der König, ohne ein Wort zu antworten, der Abg. Jakoby nahm jedoch das Wort und sagte: (Hier erhebt sich ein fürchterlicher Lärm von der Rechten.) "Die Krone darf nicht in die Debatte kommen. D'Ester spricht von der Tribüne zur Rechten, aber kein Mensch versteht ein Wort, so groß ist der Lärm. - Der Präsident stellt endlich die Ruhe her, indem er sagte, der Abg. D'Ester referirt nur was vorgefallen; das ist keine Debatte. Er bittet auch denselben, kein Raisonnement an sein Referat zu knüpfen. - D'Ester fährt fort: "wir sind nicht blos hierher gesandt, um Ew. Majestät eine Adresse zu überreichen, sondern auch um über die Lage des Landes Bericht zu erstatten." Der König gab keine Antwort. - Jacoby fährt fort: "Gestatten Ew. Majestät uns Gehör?" - Der König antwortet: Nein! und entfernt sich; Jacobi ruft ihm nach: "Das ist das Unglück der Könige, daß sie nie die Wahrheit hören wollen!" (Bravo! Links.) Die Abgeordneten Brett und Pelzer (von der Rechten, Mitglieder der Deputation) verwahren sich dagegen, daß Jacobi im Namen der Deputation gesprochen. Er wäre nicht befugt gewesen, das Wort zu ergreifen. Die Deputation hätte das Mandat gehabt, eine Adresse zu überreichen und nicht zu sprechen. Uebrigens hätte der größte Theil der Deputation, die Herren Rodbertus und Berg an der Spitze, diese Reden desavouirt. Jacoby: Es ist hier gesagt worden, ich wäre nicht befugt gewesen, zum König zu sprechen, es wäre mir auch kein Auftrag dazu ertheilt gewesen. Aber die Adresse enthält ausdrücklich den Passus, daß die Deputation über die Lage des Landes dem Könige Bericht erstatte. - Es ist auch nicht ganz richtig, daß ich unmittelbar nach Verlesung der Adresse das Wort ergriff. Ich wartete vergebens auf die Antwort des Königs, und als er sich ohne Antwort entfernte, redete ich ihn an; wir als eine von der Versammlung abgesandte Deputation waren berechtigt dies zu thun. Rodbertus erklärt, daß er allerdings nach Beendigung der Audienz dem Adjutanten gesagt habe, er möge zum König gehen und ihm sagen, daß Se. Majestät die Adresse der Nationalversammlung von den Worten eines Einzelnen unterscheiden möge. Waldeck macht die Bemerkung, daß nicht alle Mitglieder der Deputation die Worte Jacoby's verläugnen und desavouiren, er und seine Freunde wären nicht in diesem Falle. Reichensperger hält es noch für seine Schuldigkeit, mitzutheilen, daß der Adjutant ihm gesagt habe, der König hätte sich entfernt und wolle in Folge der Worte des Abgeordneten Jacoby keine Antwort geben. Nachdem Karl Grün einigen Unsinn gesprochen, vertagt sich die Versammlung bis 3 Uhr Nachmittags. Der Präsident und einige Sekretäre bleiben aber permanent auf ihren Plätzen. Um 4 Uhr Abends wird die Vormitags vertagte Sitzung wieder eröffnet. Die Minister sind auf ihren Plätzen. Eine kön. Botschaft als Antwort auf die gestern dem Könige überreichte Adresse wird verlesen. Sie ist ist vom Minister Eichmann contrasignirt und lautet: Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen etc. haben die am gestrigen Tage uns überreichte Adresse der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung in reifliche Erwägung gezogen und eröffnen derselben darauf folgendes: Fest entschlossen, den von uns in Uebereinstimmung mit den Wünschen unseres getreuen Volkes betretenen constitutionellen Wege unverrückt zu verfolgen, haben wir den General-Lieutenant Grafen Brandenburg mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt, weil wir nach seinen uns bekannten Gesinnungen fest überzeugt sind, daß er zur festen Begründung und gedeihlichen Entwickelung der constitutionellen Freiheiten mit Freudigkeit seine Kräfte widmen und sich bemühen wird, die ihm von uns gestellte Aufgabe in entsprechender Weise zu erfüllen. Wenn ihm dies gelingt, so wird das neue Ministerium wie Wir hoffen, sich Ansprüche auf das Vertrauen des Landes zu erwerben wissen. Einem andern Ministerium, als ein solches von dem wir dies erwarten können, dessen dürfen die Vertreter unseres Volkes sich überzeugt halten, werden wir nie die Leitung der Regierung anvertrauen. Wir können uns daher weder durch die in der Adresse vom gestrigen Tage ohne nähere Begründung angedeuteten Gerüchte, die in keiner Handlung unserer Regierung Bestätigung erhalten, noch durch die ausgesprochenen Besorgnisse bewogen finden, den, in Folge Unserer wohlerwogenen Entschließung, dem Grafen Brandenburg ertheilten Auftrag zurückzunehmen. Mit Genugthuung haben wir aus der Adresse das Anerkenntniß entnommen, daß unser Herz stets für das Wohl des Volkes warm geschlagen. Das Wohl des Volkes bleibt stets das einzige Ziel unseres Strebens und hoffen wir, daß die gewissenhafte Verfolgung desselben stets im Einklange mit den Wünschen des Volkes stehen wird und rechnen dabei auf die kräftigste Unterstützung der Vertreter desselben." Nachdem diese Botschaft verlesen war, fügte der Präsident Unruh noch hinzu, daß er soeben vom Grafen Brandenburg gekommen, welcher ihn berufen hatte um über die Lage des Landes Auskunft zu geben. Er habe diese Auskunft nach seinem besten Wissen gegeben. - Elsner frägt den Präsidenten, ob er diese Auskunft als Präsident der Nationalversammlung oder als Privatperson gegeben habe. - Der Präsident erwiederte, daß sich das Letztere von selbst verstehe, da er als Präsident nur im Auftrage der Versammlung eine Antwort geben könne. Waldeck, Jacoby und Temme stellen hierauf einen dringenden Antrag, der an die Prioritäts-Kommission verwiesen und dem auch die Priorität zur morgenden Sitzung zuerkannt wird. Die Minister haben gleich nach Verlesung der Königl. Botschaft die Sitzung wieder verlassen. v. Berg stellt den Antrag: "Bis morgen Vormittag 10 Uhr die Sitzung zu vertagen und bis dahin die Anwesenheit der Minister zu fordern. - " Dieser Antrag wird ohne Debatte angenommen, und die Sitzung ist daher bis morgen Vormittag vertagt. Stettin. Hr. Milde hat den Deputirten der Nationalversammlung eine Denkschrift überreicht, in welcher er die Ansicht geltend zu machen sucht, der Staat könne nichts Besseres thun, als schleunigst alle Eisenbahnen an sich zu bringen, denn Herr Milde sieht hierin (wir beneiden ihn um ein solches Auge) nichts mehr und nichts weniger, als die Lösung der ganzen socialen Frage. Ehe wir auf die Denkschrift selber eingehen, haben wir zuvörderst zu untersuchen, welche Motive überhaupt Hrn. Milde möglicherweise bewogen haben; eine solche Denkschrift zu schreiben. Was hat Hrn. Milde bewogen? Hr. Milde ist uns niemals als ein Mann erschienen, der sich mit reinem Feuer für eine gemeinnützige Idee zu entzünden vermag; jede Seite des vor uns liegenden Werkes trägt aber entschieden den Stempel der Berechnung, den Stempel der Spekulation (nicht der philosophischen). Unwillkürlich drängt sich uns bei dieser Gelegenheit die Erinnerung einer seltsamen Geschichte auf, die uns bereits vor Monaten, noch unter Hansemann, von Berlin aus mitgetheilt wurde. Wenn wir nicht irren, so ward uns berichtet, daß schon Hr. Hansemann damals ein ähnliches Projekt im Hinterhalt hatte, daß man aber in Wirklichkeit an die Realisirung gar nicht denke; es sollte sich nur darum handeln, die Frage mit großem Geschrei in die Kammer zu werfen, und dadurch - die Eisenbahnaktien, sei es auch nur momentan, in die Höhe zu treiben. Es seien, so ward uns berichtet, bei dieser Spekulation die "höchsten Herrschaften" stark betheiligt, und große Massen von Papieren seien bereits in einzelnen Händen konzentrirt. Wir legten diese Korrespondenz bei Seite, weil wir sie für eine Erfindung hielten, weil wir nicht glauben konnten, daß gerade in dieser Zeit ein solches Attentat auf den schon an sich geschmälerten Geldbeutel der Kapitalisten kaltblütig von oben herab gemacht werden könne. Sollte jener Nachricht dennoch einige Wahrheit zu Grunde gelegen und sollte Hr. Milde die Erbschaft von Hansemann übernommen haben? Wir möchten diesem Gedanken nicht gerne Raum geben, indessen, wenn wir uns fragen, ob ein Mann, wie Herr Milde, wirklich an die Möglichkeit einer Realisirung seines Planes unter den gegenwärtigen Verhältnissen glauben kann, so müssen wir doch gestehen, daß wir, wie phantastisch auch immer sein sonstiger Gedankengang sein mag, ihm eine solche Fülle der Phantasie nicht zutrauen können. Also die Realisirung des in der Denkschrift aufgestellten Projekts kann nicht der letzte Zweck des Verfassers sein, und die Kombination über die eigentlichen Motive gewinnt den weitesten Spielraum. Wir enthalten uns weiterer Auseinandersetzungen und überlassen es Jedem, zu glauben und zu kombiniren, was er will. Blicken wir einen Augenblick auf die Folgen. Sobald die Frage in die Kammer kommt, wird die Debatte allein genügen, die gedrückten Aktien wieder in die Höhe zu treiben; das Papier scheint sicherer zu werden und die Nachfrage wird größer. In diesem Augenblicke erscheinen gleichzeitig an allen Fondsplätzen die in den Händen der einzelnen aufgehäuften Effekten zum Verkauf, und wenn sie auch den Kours ein wenig drücken, werden sie dennoch mit einem vortrefflichen Avance gegen ihren jetzigen Stand zu versilbern sein. Bis dahin geht Alles vortrefflich, denn Alle haben gewonnen; aber das schlimme Ende kommt nach; wir sehen uns nach der Kammer um, und diese, da ihr die Unzweckmäßigkeit und Unmöglichkeit des Planes gewiß nicht entgehen kann, hat ihn abgelehnt. Oder gesetzt auch, das Projekt würde zum Gesetz erhoben, auch dann noch wäre es eine Illusion zu glauben, daß schon an und für sich der Besitz des Staates hinreicht, den Papieren einen höheren Kours zu geben, als er durch die Verhältnisse der Zeit geboten und nothwendig ist. In jedem Falle kommen die Aktien auf ihren ursprünglichen Stand zurück, und die auf perfide Weise verlockten Käufer zahlen die Differenz, welche klingend in die Tasche der Spekulanten geflossen ist. (Ostsee-Ztg.)Mannheim, 3. Nov. Dem "wohlwollenden, bürgerfreundlichen" Ministerium Bekk blieb es vorbehalten, eine Vorlage zu machen, deren drakonische Bestimmungen dem eynischen Despotismus Rußlands nahezu den Rang ablaufen. Es ist der Entwurf eines definitiven Gesetzes über die Anwendung des Standrechts, wodurch das Leben der Bürger unter Umständen der Willkür des militärischen Befehlshabers unbedingt preisgegeben wird. Damit nicht, wie Hr. Schaaff sich ausdrückte, das Standrecht hinterdrein hinke, wie ein altes Weib, kann es allerwärts, wo ein "bewaffneter Aufruhr" ausbricht, gegen welchen militärische Gewalt aufgeboten wird, ohne vorherige Verkündung vom Truppenkommandanten gegen Jeden zur Anwendung gebracht werden, der Anstifter des Aufruhrs ist, der an seiner Ausführung oder an damit in Verbindung stehenden Verbrechen Theil genommen, - was läßt sich nicht Alles unter dieser Theilnahme begreifen! - der endlich durch Beischaffung von Munition und Waffen oder als Spion Beihülfe geleistet, d. h. mit andern Worten, gegen Jeden, der solcher Dinge angeschuldigt wird. Ob die Anschuldigung gegründet sei, darüber entscheidet nach Stimmenmehrheit ein Kriegsgericht, welches der Kommandant nach seinem Gutfinden aus sechs Militärpersonen verschiedenen Grades und Einem "richterlichen Beamten" des nächstbelegenen Ortes zusammensetzt, binnen 24 Stunden endgültig. Fällt sein Urtheil, gegen welches dem Schuldigbefundenen weder Rechts-noch Gnadenmittel zustehen, nicht freisprechend aus, so kann es nur auf Todesstrafe, welche binnen drei Stunden durch die Kugel vollzogen wird, oder auf 10 jährige Zuchthausstrafe lauten. Raschheit geht vor Gerechtigkeit - binnen 24 Stunden muß Alles abgethan sein; könnte der Angeklagte seine Schuldlosigkeit sonnenklar durch Entlastungszeugen darthun, - sie nützen ihm nichts, sofern sie nicht binnen 24 Stunden zur Hand sind. (M. A. Z.)Prag, 1. Nov. Heute 7 Uhr Abends ist mir vom Herrn Bürgermeister Wanka aus Ollmütz folgende telegraphische Depesche zugekommen: "Die Prager Deputation wurde bei Sr. Maj. am 31. Oktober um 12 Uhr 30 Minuten zur Audienz vorgelassen und hat sich in Folge dessen bestimmt gefunden, zur Erzielung einer bestimmten Antwort weitere Schritte zu thun." Prag, 31. Oktober. Mecsury. !!! Frankfurt, 3. Nov. Sitzung der Nationalversammlung. Wie Sie sehen, besteht die Tagesordnung wieder einmal in der Ausräumung von einer dicken Portion Ausschuß-Schutt. Sie lautet: 1) Wahl eines Schriftführers an die Stelle des ausgetretenen Herrn v. Moring. 2) Berathung des vom Abgeordneten Siehr, Namens des Finanzausschusses, erstatteten Berichts, baldige Verzeichnung und Aufnahme der Bevölkerung durch ganz Deutschland betreffend. 3) Berathung des vom Abgeordneten Naumann, Namens des Ausschusses für die Geschäftsordnung, erstatteten Berichts über den Antrag von Wichmann und Genossen, auf zusätzliche Bestimmung zu §. 42 der Geschäftsordnung. 4) Berathung des vom Abgeordneten Röben, Namens des Marineausschusses, erstatteten Berichts, das Gesetz über die deutsche Kriegs-und Handelsflagge betreffend. 5) Fortsetzung der Berathung über Abschnitt II. des Verfassungsentwurfs, und eventuell: 6) Berathung des vom Abgeordneten Böcler, Namens des Ausschusses für Gesetzgebung, erstatteten Berichts, über die Anträge von Wiesner, Brentano etc., auf sofortige Aufhebung der Strafe der körperlichen Züchtigung bei den Reichstruppen. 7) Berathung des vom Abgeordneten Carl, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Berichts über verschiedene Anträge und Petitionen, das Eisenbahnwesen betreffend. 8) Berathung des vom Abgeordneten Lette, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Berichts, über die demselben fernerhin zugegangenen Petitionen, wegen Aufhebung der Feudalverhältnisse. 9) Berathung des vom Abgeordneten Leue, Namens des Ausschusses für Gesetzgebung, erstatteten Berichts, über den Antrag der Abgeordneten Schaffrath und Genossen vom 20. September 1848, Aufhebung des Belagerungszustandes betreffend. 10) Berathung der vom Abgeordneten Compes, Namens des Prioritäts-und Petitions-Ausschusses, erstatteten Berichte: a) über die Eingabe des Mechanikus Joh. Jos. Graß zu Düsseldorf, die Gefangenen zu Bruchsal betreffend. b) über die Eingabe des Obergerichtsanwalts Sternberg in Marburg, die Wahlen zur Reichsversammlung betreffend. c) die Ausweisung des Literaten Diezel betreffend. Vor der Tagesordnung. Präsident zeigt den Austritt des Abgeordneten Pogge aus Mecklenburg an. Mittermaier (im Namen des Verfassungsausschusses) erstattet den Bericht über die in meinem gestrigen Bericht erwähnten Anträge, welche die über Deutschlands Wehrverfassung handelnden Paragraphen erst zu Ende des Verfassungsentwurfs vornehmen, also fürs erste hinausschieben wollen. Der Ausschuß beantragt, auf keinen verschiedenden Antrag einzugehen, sondern im Entwurf der gewöhnlichen Ordnung nach fortzufahren. Benedey (für den Ausschuß über die österreichischen Angelegenheiten) verliest einen langen Bericht (jetzt !!! kommt Deutschland!) Der Ausschuß in Folge von früher mitgetheilten Anträgen von Rauwerk, Rank, Berger, Wiesner etc., und in Erwägung von unendlich vielen Punkten, fühle sich veranlaßt zu beantragen, wie folgt: (Es klingt jetzt fast wie Hohn!) "Die hohe Versammlung möge das Reichsministerium auffordern, alle mögliche und nachträgliche Sorge dafür zu tragen: 1) daß die Reichskommissare das Ansehen und die Anerkennung der deutschen Centralgewalt überall kräftigst zur vollen Geltung zu bringen sich angelegen sein lassen; 2) daß sie die Interessen Deutschlands in Oesterreich überall zu schützen suchen; 3) daß sie ihren vollen Einfluß aufbieten, die fernere Entwicklung der österreichischen Wirren auf friedlichem und unblutigem Wege herbeizuführen; 4) daß sie endlich, wie diese Entwickelung auch ausfallen möge, die in den Monaten März und Mai zugestandenen Rechte und Freiheiten der österreichisch-deutschen Völker gegen alle Angriffe in Schutz nehmen. Zachariä (für den internationalen Ausschuß). Bericht über einen Antrag wegen der diplomatischen Verbindung mit Rußland. Ausschuß beantragt Verweisung an das Reichsministerium und Tagesordnung. (Links: sehr brav!) Eckart aus Bromberg interpellirt: In Erwägung des direkten Widerspruchs des Beschlusses der Nationalversammlung und der Berliner Vereinbarer-Versammlung über Posen - welche Maßregeln hat das Reichsministerium zur Aufrechterhaltung des Beschlusses der Nationalversammlung in der Posen'schen Angelegenheit, und zur Beruhigung der durch den Berliner Beschluß in Deutsch-Posen gewaltig erregten Bevölkerung getroffen? - Dieselben Interpellationen stellen Jordan von Berlin, Dunker und Kerst. Schmerling wird diese 4 Interpellationen Montag den 6. November beantworten, Präsident (v. Gagern) verliest einen höchst dringlichen Antrag zur Wahrung der Wiener Bevölkerung, den obenangedeuteten Bericht Benedey's sogleich vor der heutigen Tagesordnung zur Debatte und Beschlußnahme zu bringen. Der Antrag wird als dringlich erkannt. (Gallerien Bravo!) "Spät kommt ihr, doch ihr kommt!" Diesmal leider zu spät. Es wird sehr lebendig in der Versammlung in Folge der zu verändernden Tagesordnung. Punkt 1 der Tagesordnung (Einsammlung von Stimmzetteln zur Wahl eines neuen Schriftführers) wird erledigt. Hierauf geht man zu der Diskussion über die Wiener Angelegenheit. Zu den matten Anträgen des Ausschusses sind eine ganze Portion mit etwas starken Dosen gestellt. (Rechts lacht man über dieselben. - links wüthend Ruhe, es ist hier nichts zu lachen.) Unter andern beantragt man, Windischgrätz (den Städtebezwinger) und noch mehrere andere in Anklagezustand zu versetzen. Die Anträge von Bauernschmied, mitunterzeichnet von mindestens 30-40 Abgeordneten lauten: 1) Die unumwundene Anerkennung der Centralgewalt Seitens Deutsch-Oesterreichs zu verlangen. 2) Den Belagerungszustand von Wien aufzuheben. 3) Sämmtliche Truppen, Croaten und alle andern (nicht-deutschen) aus und von Wien fortzuschicken. 4) Alle im März für Deutschland errungenen Volksfreiheiten auch in Wien zu schützen. Zur Ausführung dieser Anträge sollen neue Reichskommissäre an Welker's und Mosle's Stelle erwählt, und die Ausführung nöthigerweise durch Reichstruppen unterstützt und bewirkt werden. Pattai (dem Linke und linkes Centrum das Wort geben) frägt vor der Debatte das Ministerium, ob es aus Oesterreich nicht neuere Depeschen gebe als die im Ausschußbericht berührten? Schmerling (Minister) hat seit dem 24. Oktober (!) keine weitere Depesche erhalten. (Verwunderung.) Die Diskussion beginnt mit Eisenmann. Weswegen wagt man es, ein solches Verfahren gegen Wien einzuschlagen? weswegen wagt man es, Wien in Schutt und Asche zu legen? (Bravo. Getümmel.) Die Revolution in Wien ist entstanden, weil man deutsche Truppen nicht zum Schergendienste fremder Horden brauchen lassen wollte. - Wer dies mißbilligt, ist nicht werth ein Deutscher zu sein. - (Tumult, lauter Beifall, Präsident unterbricht Herrn Eisenmann mißbilligend). Den Mord Latours! wem legen. Sie denn den zur Last? Etwa der Legion? Etwa der Aula? Etwa den braven Arbeitern von Wien? (Rechts Gelächter.) In Oesterreich ist so mancher ermordet worden seit Wallenstein! (Bravo links) Was hat die österreichische Regierung zur Sühne der ermordeten polnischen Aristokratie in Gallizien gethan? - Antwort: Nichts! Was sagen Sie zu der scheußlichen Ermordung jener vier Studenten? - Das Organ des Reichs-Ministeriums (die Oberpostamts-Zeitung!) hat diese Morde mit einem gewissen Wohlgefallen betrachtet. (Links Bravo. Tumult. Rechts pfui! Der Präsident (von Gagern) ruft den Redner zur Ordnung!) - Der Ausschuß sagt: Windischgrätz hat die Reichskommissäre mit einer gewissen Schroffheit empfangen - soll heißen, hat sie zur Thür hinausgeworfen! - Eisenmann beantragt schließlich: 1) Mosle und Welker abzurufen. 2) Das Benehmen der österreichischen Regierung gegen dieselben zu untersuchen und zu mißbilligen. (Langes Bravo.) Schneer (Unterstaatssekretariats-Kandidat aus Breslau) meint, unsere Versammlung theilt sich in drei Lager. Nr. 1 will sich bloß mit der Verfassung befassen. Nr. 2 (links) will, wie der französische Convent alles selbst regieren. (Links zur Ordnung!) Präsident empfiehlt Leidenschaftslosigkeit. (Ist ganz überflüssig!) Die dritte Partei ist die Vermittelnde, wozu ich (Schneer) gehöre. (Gelächter!) Der Grund, warum wir bisher in der österreichischen Angelegenheit nichts gethan, ist, weil Frankfurt von Wien 4 Tagereisen entfernt ist. (Gelächter). Folgt eine Lobrede auf Herrn Welker, und schließlich meint Herr Schneer, von der National-Versammlung aus sei für Wien schon zuviel geschehen! (Was denn?) Löwe aus Kalbe. Wie sollten wir in dieser Frage nicht Leidenschaft zeigen, wenn die herrlichste Stadt Deutschlands in Schutt verwandelt wird. Meine Herren, wie der Protestantismus auf den Trümmern von Magdeburg erstand, so wird aus dem Schutt über den Leichen Wiens die Freiheit emporsteigen (Donnerndes Bravo.) - Alles was wir jetzt noch in dieser Sache reden sind eben nur Worte. - Was seit der Märzrevolution uns so heruntergebracht hat sind die Phrasen gegenüber den Thaten. (Das ist wahr!) Phrasen nichts als Phrasen! Die Reichskommissäre haben gar nichts gethan. Soweit ist es mit uns gekommen, daß die preußische Versammlung (nach dem Antrag von Rodbertus für den sogar Pfuel stimmte.) die Centralgewalt zu energischem Handeln für Wien auffordern muß. - Man hat gesagt, der Weg von Frankfurt nach Wien sei weit, wir aber reisen über Berlin dahin. - Die Kommissäre Welker und Mosle müssen zur Verantwortung gezogen werden. Ebenso Windischgrätz. (Bassermann wiederspricht vom Platz. Links Bravo.) Löwe empfiehlt die Anträge von Bauernschmied. - Dazu einen Antrag der den Schutz des Reichstags ausspricht. - Reitter aus Prag, spricht diesmal für den Ausschuß, weil er dazu gehört. Natürlich ist der Ausschußantrag das Minimum. Wiesner (haufenweise unter Gelächter und großer Unruhe verlassen die Centren das Haus.) In einer kräftigen Rede gegen die Ausschußanträge und für die Bauernschmiedschen meint er u. a. man hat den Wienern vorgeworfen, das ungarische Gold habe sie zum Aufstande bewogen. Die Ungarn haben nicht einmal Silber, vielweniget Gold. Wenn Welker nicht durch sein früheres Leben achtbar dastände, sagt er, so würde ich ihn einen Landesverräther nennen, so kann ich nur sagen daß re vollkommen undiplomatisch und ungeschickt gehandelt hat. (Bravo.) Rüder aus Oldenburg für den Ausschuß. (Ganz unbedeutende Rede.) Der Minister von Bekkerath: macht seine gewöhnlichen rührenden Phrasen zur Bewegung der Centren. Er kommt dabei auf die Frankfurter Emeute, die Pfingstwiese u. s. w. zurück und versetzt den Abgeordneten die sich bei der Volksversammlung betheiligt noch ein paar Schläge. (Links zur Sache!) Welker und von Mosle hält er eine warme Lobrede. - (Zum Schluß kein Bravo.) Vogt. Es giebt eine Ansicht in der Staatskunst, welche die Kanonen und Kartätschen für Mittel zur Völkerbeglückung hält. Zu diesen gehöre derv orige Redner nicht - er sei einer von denen sich vom Wagen der Zeit so nachschleppen lassen. - Er käme wie die Reue nach der Missethat. - Man müßte auf ihn anwenden: sag mir mit wem du gehst, und ich sage dir wer du bist. (Rechts und Centren höhnisch bravo.) - Die Mehrheit der Versammlung habe fortwährend die Wiener Verhältnisse als nicht dringlich betrachtet. - Ist keine Noth verhanden gewesen, Wien zu schützen fragt Vogt? - (Bassermann und rechtes Centrum: Nein!) Vogt zu Bassermann: Bewahren Sie diese Ansicht aber wollen Sie ja nie sagen, daß Sie ein Herz für das Wohl des deutschen Vatersandes haben. (Lautes Bravo.) Die Minister und die Reichskommissäre beschuldigt Vogt in dieser Sache offen des Verbrechens. (Das Centrum bekommt einen Schreck.) Man spräche sich billigend aus über die Generäle, welche den konstitutionellen Ministern Kraus und Hornbostl den Gehorsam verweigert haben, wie Auersperg und Windischgrätz (der Städtebezwinger) - ob denn diese Billigung im konstitutionellen Sinne sei? - Die Herren Reichskommissäre sind von Windischgrätz gradezu, und vom Kaiser und Hof in Ollmütz mit einigen Umständen herausgeschmissen worden und dies nehmen Sie ruhig hin. - Erklären Sie doch offen, daß Sie den alten Partikularismus haben wollen, und dann wird Ihnen meine Anerkennung nicht fehlen. - Unser Ministerium wurde sogar in Rußland und Asien keine Reaktion finden. Wenn eine schauderhafte Entwickelung in Oesterreich folgen wird, hat die Versammlung offenbar Mitschuld. - Fahren Sie nur fort an ihrem Verfassungswerk zu bauen, während die Zeit drängt und Sie überflügelt. Ihr Einfluß geht zu Ende im Volke. Sie haben Furcht, in das Rad der Zeit einzugreifen. (Präsident verweist der Gallerie ihre "unschickliche" Theilnahme, welche in Bravoklatschen besteht.) Ein Redner hat gefürchtet, Wien wird ein Mausoleum der Dynastie werden, ich fürchte dies nicht, denn ich hoffe es. - Das Blut, was in Wien vergossen wird, wird früher oder später über Sie kommen. - Aber die Freiheit wird dennoch kommen. Ihr Weg, wie Franklin sagt, geht urch Blut! (Langer Beifall.) vom Präsidenten verlesen war, entfernte sich der König, ohne ein Wort zu antworten, der Abg. Jakoby nahm jedoch das Wort und sagte: (Hier erhebt sich ein fürchterlicher Lärm von der Rechten.) „Die Krone darf nicht in die Debatte kommen. D'Ester spricht von der Tribüne zur Rechten, aber kein Mensch versteht ein Wort, so groß ist der Lärm. ‒ Der Präsident stellt endlich die Ruhe her, indem er sagte, der Abg. D'Ester referirt nur was vorgefallen; das ist keine Debatte. Er bittet auch denselben, kein Raisonnement an sein Referat zu knüpfen. ‒ D'Ester fährt fort: „wir sind nicht blos hierher gesandt, um Ew. Majestät eine Adresse zu überreichen, sondern auch um über die Lage des Landes Bericht zu erstatten.“ Der König gab keine Antwort. ‒ Jacoby fährt fort: „Gestatten Ew. Majestät uns Gehör?“ ‒ Der König antwortet: Nein! und entfernt sich; Jacobi ruft ihm nach: „Das ist das Unglück der Könige, daß sie nie die Wahrheit hören wollen!“ (Bravo! Links.) Die Abgeordneten Brett und Pelzer (von der Rechten, Mitglieder der Deputation) verwahren sich dagegen, daß Jacobi im Namen der Deputation gesprochen. Er wäre nicht befugt gewesen, das Wort zu ergreifen. Die Deputation hätte das Mandat gehabt, eine Adresse zu überreichen und nicht zu sprechen. Uebrigens hätte der größte Theil der Deputation, die Herren Rodbertus und Berg an der Spitze, diese Reden desavouirt. Jacoby: Es ist hier gesagt worden, ich wäre nicht befugt gewesen, zum König zu sprechen, es wäre mir auch kein Auftrag dazu ertheilt gewesen. Aber die Adresse enthält ausdrücklich den Passus, daß die Deputation über die Lage des Landes dem Könige Bericht erstatte. ‒ Es ist auch nicht ganz richtig, daß ich unmittelbar nach Verlesung der Adresse das Wort ergriff. Ich wartete vergebens auf die Antwort des Königs, und als er sich ohne Antwort entfernte, redete ich ihn an; wir als eine von der Versammlung abgesandte Deputation waren berechtigt dies zu thun. Rodbertus erklärt, daß er allerdings nach Beendigung der Audienz dem Adjutanten gesagt habe, er möge zum König gehen und ihm sagen, daß Se. Majestät die Adresse der Nationalversammlung von den Worten eines Einzelnen unterscheiden möge. Waldeck macht die Bemerkung, daß nicht alle Mitglieder der Deputation die Worte Jacoby's verläugnen und desavouiren, er und seine Freunde wären nicht in diesem Falle. Reichensperger hält es noch für seine Schuldigkeit, mitzutheilen, daß der Adjutant ihm gesagt habe, der König hätte sich entfernt und wolle in Folge der Worte des Abgeordneten Jacoby keine Antwort geben. Nachdem Karl Grün einigen Unsinn gesprochen, vertagt sich die Versammlung bis 3 Uhr Nachmittags. Der Präsident und einige Sekretäre bleiben aber permanent auf ihren Plätzen. Um 4 Uhr Abends wird die Vormitags vertagte Sitzung wieder eröffnet. Die Minister sind auf ihren Plätzen. Eine kön. Botschaft als Antwort auf die gestern dem Könige überreichte Adresse wird verlesen. Sie ist ist vom Minister Eichmann contrasignirt und lautet: Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen etc. haben die am gestrigen Tage uns überreichte Adresse der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung in reifliche Erwägung gezogen und eröffnen derselben darauf folgendes: Fest entschlossen, den von uns in Uebereinstimmung mit den Wünschen unseres getreuen Volkes betretenen constitutionellen Wege unverrückt zu verfolgen, haben wir den General-Lieutenant Grafen Brandenburg mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt, weil wir nach seinen uns bekannten Gesinnungen fest überzeugt sind, daß er zur festen Begründung und gedeihlichen Entwickelung der constitutionellen Freiheiten mit Freudigkeit seine Kräfte widmen und sich bemühen wird, die ihm von uns gestellte Aufgabe in entsprechender Weise zu erfüllen. Wenn ihm dies gelingt, so wird das neue Ministerium wie Wir hoffen, sich Ansprüche auf das Vertrauen des Landes zu erwerben wissen. Einem andern Ministerium, als ein solches von dem wir dies erwarten können, dessen dürfen die Vertreter unseres Volkes sich überzeugt halten, werden wir nie die Leitung der Regierung anvertrauen. Wir können uns daher weder durch die in der Adresse vom gestrigen Tage ohne nähere Begründung angedeuteten Gerüchte, die in keiner Handlung unserer Regierung Bestätigung erhalten, noch durch die ausgesprochenen Besorgnisse bewogen finden, den, in Folge Unserer wohlerwogenen Entschließung, dem Grafen Brandenburg ertheilten Auftrag zurückzunehmen. Mit Genugthuung haben wir aus der Adresse das Anerkenntniß entnommen, daß unser Herz stets für das Wohl des Volkes warm geschlagen. Das Wohl des Volkes bleibt stets das einzige Ziel unseres Strebens und hoffen wir, daß die gewissenhafte Verfolgung desselben stets im Einklange mit den Wünschen des Volkes stehen wird und rechnen dabei auf die kräftigste Unterstützung der Vertreter desselben.“ Nachdem diese Botschaft verlesen war, fügte der Präsident Unruh noch hinzu, daß er soeben vom Grafen Brandenburg gekommen, welcher ihn berufen hatte um über die Lage des Landes Auskunft zu geben. Er habe diese Auskunft nach seinem besten Wissen gegeben. ‒ Elsner frägt den Präsidenten, ob er diese Auskunft als Präsident der Nationalversammlung oder als Privatperson gegeben habe. ‒ Der Präsident erwiederte, daß sich das Letztere von selbst verstehe, da er als Präsident nur im Auftrage der Versammlung eine Antwort geben könne. Waldeck, Jacoby und Temme stellen hierauf einen dringenden Antrag, der an die Prioritäts-Kommission verwiesen und dem auch die Priorität zur morgenden Sitzung zuerkannt wird. Die Minister haben gleich nach Verlesung der Königl. Botschaft die Sitzung wieder verlassen. v. Berg stellt den Antrag: „Bis morgen Vormittag 10 Uhr die Sitzung zu vertagen und bis dahin die Anwesenheit der Minister zu fordern. ‒ “ Dieser Antrag wird ohne Debatte angenommen, und die Sitzung ist daher bis morgen Vormittag vertagt. Stettin. Hr. Milde hat den Deputirten der Nationalversammlung eine Denkschrift überreicht, in welcher er die Ansicht geltend zu machen sucht, der Staat könne nichts Besseres thun, als schleunigst alle Eisenbahnen an sich zu bringen, denn Herr Milde sieht hierin (wir beneiden ihn um ein solches Auge) nichts mehr und nichts weniger, als die Lösung der ganzen socialen Frage. Ehe wir auf die Denkschrift selber eingehen, haben wir zuvörderst zu untersuchen, welche Motive überhaupt Hrn. Milde möglicherweise bewogen haben; eine solche Denkschrift zu schreiben. Was hat Hrn. Milde bewogen? Hr. Milde ist uns niemals als ein Mann erschienen, der sich mit reinem Feuer für eine gemeinnützige Idee zu entzünden vermag; jede Seite des vor uns liegenden Werkes trägt aber entschieden den Stempel der Berechnung, den Stempel der Spekulation (nicht der philosophischen). Unwillkürlich drängt sich uns bei dieser Gelegenheit die Erinnerung einer seltsamen Geschichte auf, die uns bereits vor Monaten, noch unter Hansemann, von Berlin aus mitgetheilt wurde. Wenn wir nicht irren, so ward uns berichtet, daß schon Hr. Hansemann damals ein ähnliches Projekt im Hinterhalt hatte, daß man aber in Wirklichkeit an die Realisirung gar nicht denke; es sollte sich nur darum handeln, die Frage mit großem Geschrei in die Kammer zu werfen, und dadurch ‒ die Eisenbahnaktien, sei es auch nur momentan, in die Höhe zu treiben. Es seien, so ward uns berichtet, bei dieser Spekulation die „höchsten Herrschaften“ stark betheiligt, und große Massen von Papieren seien bereits in einzelnen Händen konzentrirt. Wir legten diese Korrespondenz bei Seite, weil wir sie für eine Erfindung hielten, weil wir nicht glauben konnten, daß gerade in dieser Zeit ein solches Attentat auf den schon an sich geschmälerten Geldbeutel der Kapitalisten kaltblütig von oben herab gemacht werden könne. Sollte jener Nachricht dennoch einige Wahrheit zu Grunde gelegen und sollte Hr. Milde die Erbschaft von Hansemann übernommen haben? Wir möchten diesem Gedanken nicht gerne Raum geben, indessen, wenn wir uns fragen, ob ein Mann, wie Herr Milde, wirklich an die Möglichkeit einer Realisirung seines Planes unter den gegenwärtigen Verhältnissen glauben kann, so müssen wir doch gestehen, daß wir, wie phantastisch auch immer sein sonstiger Gedankengang sein mag, ihm eine solche Fülle der Phantasie nicht zutrauen können. Also die Realisirung des in der Denkschrift aufgestellten Projekts kann nicht der letzte Zweck des Verfassers sein, und die Kombination über die eigentlichen Motive gewinnt den weitesten Spielraum. Wir enthalten uns weiterer Auseinandersetzungen und überlassen es Jedem, zu glauben und zu kombiniren, was er will. Blicken wir einen Augenblick auf die Folgen. Sobald die Frage in die Kammer kommt, wird die Debatte allein genügen, die gedrückten Aktien wieder in die Höhe zu treiben; das Papier scheint sicherer zu werden und die Nachfrage wird größer. In diesem Augenblicke erscheinen gleichzeitig an allen Fondsplätzen die in den Händen der einzelnen aufgehäuften Effekten zum Verkauf, und wenn sie auch den Kours ein wenig drücken, werden sie dennoch mit einem vortrefflichen Avance gegen ihren jetzigen Stand zu versilbern sein. Bis dahin geht Alles vortrefflich, denn Alle haben gewonnen; aber das schlimme Ende kommt nach; wir sehen uns nach der Kammer um, und diese, da ihr die Unzweckmäßigkeit und Unmöglichkeit des Planes gewiß nicht entgehen kann, hat ihn abgelehnt. Oder gesetzt auch, das Projekt würde zum Gesetz erhoben, auch dann noch wäre es eine Illusion zu glauben, daß schon an und für sich der Besitz des Staates hinreicht, den Papieren einen höheren Kours zu geben, als er durch die Verhältnisse der Zeit geboten und nothwendig ist. In jedem Falle kommen die Aktien auf ihren ursprünglichen Stand zurück, und die auf perfide Weise verlockten Käufer zahlen die Differenz, welche klingend in die Tasche der Spekulanten geflossen ist. (Ostsee-Ztg.)Mannheim, 3. Nov. Dem „wohlwollenden, bürgerfreundlichen“ Ministerium Bekk blieb es vorbehalten, eine Vorlage zu machen, deren drakonische Bestimmungen dem eynischen Despotismus Rußlands nahezu den Rang ablaufen. Es ist der Entwurf eines definitiven Gesetzes über die Anwendung des Standrechts, wodurch das Leben der Bürger unter Umständen der Willkür des militärischen Befehlshabers unbedingt preisgegeben wird. Damit nicht, wie Hr. Schaaff sich ausdrückte, das Standrecht hinterdrein hinke, wie ein altes Weib, kann es allerwärts, wo ein „bewaffneter Aufruhr“ ausbricht, gegen welchen militärische Gewalt aufgeboten wird, ohne vorherige Verkündung vom Truppenkommandanten gegen Jeden zur Anwendung gebracht werden, der Anstifter des Aufruhrs ist, der an seiner Ausführung oder an damit in Verbindung stehenden Verbrechen Theil genommen, ‒ was läßt sich nicht Alles unter dieser Theilnahme begreifen! ‒ der endlich durch Beischaffung von Munition und Waffen oder als Spion Beihülfe geleistet, d. h. mit andern Worten, gegen Jeden, der solcher Dinge angeschuldigt wird. Ob die Anschuldigung gegründet sei, darüber entscheidet nach Stimmenmehrheit ein Kriegsgericht, welches der Kommandant nach seinem Gutfinden aus sechs Militärpersonen verschiedenen Grades und Einem „richterlichen Beamten“ des nächstbelegenen Ortes zusammensetzt, binnen 24 Stunden endgültig. Fällt sein Urtheil, gegen welches dem Schuldigbefundenen weder Rechts-noch Gnadenmittel zustehen, nicht freisprechend aus, so kann es nur auf Todesstrafe, welche binnen drei Stunden durch die Kugel vollzogen wird, oder auf 10 jährige Zuchthausstrafe lauten. Raschheit geht vor Gerechtigkeit ‒ binnen 24 Stunden muß Alles abgethan sein; könnte der Angeklagte seine Schuldlosigkeit sonnenklar durch Entlastungszeugen darthun, ‒ sie nützen ihm nichts, sofern sie nicht binnen 24 Stunden zur Hand sind. (M. A. Z.)Prag, 1. Nov. Heute 7 Uhr Abends ist mir vom Herrn Bürgermeister Wanka aus Ollmütz folgende telegraphische Depesche zugekommen: „Die Prager Deputation wurde bei Sr. Maj. am 31. Oktober um 12 Uhr 30 Minuten zur Audienz vorgelassen und hat sich in Folge dessen bestimmt gefunden, zur Erzielung einer bestimmten Antwort weitere Schritte zu thun.“ Prag, 31. Oktober. Mecsury. !!! Frankfurt, 3. Nov. Sitzung der Nationalversammlung. Wie Sie sehen, besteht die Tagesordnung wieder einmal in der Ausräumung von einer dicken Portion Ausschuß-Schutt. Sie lautet: 1) Wahl eines Schriftführers an die Stelle des ausgetretenen Herrn v. Moring. 2) Berathung des vom Abgeordneten Siehr, Namens des Finanzausschusses, erstatteten Berichts, baldige Verzeichnung und Aufnahme der Bevölkerung durch ganz Deutschland betreffend. 3) Berathung des vom Abgeordneten Naumann, Namens des Ausschusses für die Geschäftsordnung, erstatteten Berichts über den Antrag von Wichmann und Genossen, auf zusätzliche Bestimmung zu §. 42 der Geschäftsordnung. 4) Berathung des vom Abgeordneten Röben, Namens des Marineausschusses, erstatteten Berichts, das Gesetz über die deutsche Kriegs-und Handelsflagge betreffend. 5) Fortsetzung der Berathung über Abschnitt II. des Verfassungsentwurfs, und eventuell: 6) Berathung des vom Abgeordneten Böcler, Namens des Ausschusses für Gesetzgebung, erstatteten Berichts, über die Anträge von Wiesner, Brentano etc., auf sofortige Aufhebung der Strafe der körperlichen Züchtigung bei den Reichstruppen. 7) Berathung des vom Abgeordneten Carl, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Berichts über verschiedene Anträge und Petitionen, das Eisenbahnwesen betreffend. 8) Berathung des vom Abgeordneten Lette, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Berichts, über die demselben fernerhin zugegangenen Petitionen, wegen Aufhebung der Feudalverhältnisse. 9) Berathung des vom Abgeordneten Leue, Namens des Ausschusses für Gesetzgebung, erstatteten Berichts, über den Antrag der Abgeordneten Schaffrath und Genossen vom 20. September 1848, Aufhebung des Belagerungszustandes betreffend. 10) Berathung der vom Abgeordneten Compes, Namens des Prioritäts-und Petitions-Ausschusses, erstatteten Berichte: a) über die Eingabe des Mechanikus Joh. Jos. Graß zu Düsseldorf, die Gefangenen zu Bruchsal betreffend. b) über die Eingabe des Obergerichtsanwalts Sternberg in Marburg, die Wahlen zur Reichsversammlung betreffend. c) die Ausweisung des Literaten Diezel betreffend. Vor der Tagesordnung. Präsident zeigt den Austritt des Abgeordneten Pogge aus Mecklenburg an. Mittermaier (im Namen des Verfassungsausschusses) erstattet den Bericht über die in meinem gestrigen Bericht erwähnten Anträge, welche die über Deutschlands Wehrverfassung handelnden Paragraphen erst zu Ende des Verfassungsentwurfs vornehmen, also fürs erste hinausschieben wollen. Der Ausschuß beantragt, auf keinen verschiedenden Antrag einzugehen, sondern im Entwurf der gewöhnlichen Ordnung nach fortzufahren. Benedey (für den Ausschuß über die österreichischen Angelegenheiten) verliest einen langen Bericht (jetzt !!! kommt Deutschland!) Der Ausschuß in Folge von früher mitgetheilten Anträgen von Rauwerk, Rank, Berger, Wiesner etc., und in Erwägung von unendlich vielen Punkten, fühle sich veranlaßt zu beantragen, wie folgt: (Es klingt jetzt fast wie Hohn!) „Die hohe Versammlung möge das Reichsministerium auffordern, alle mögliche und nachträgliche Sorge dafür zu tragen: 1) daß die Reichskommissare das Ansehen und die Anerkennung der deutschen Centralgewalt überall kräftigst zur vollen Geltung zu bringen sich angelegen sein lassen; 2) daß sie die Interessen Deutschlands in Oesterreich überall zu schützen suchen; 3) daß sie ihren vollen Einfluß aufbieten, die fernere Entwicklung der österreichischen Wirren auf friedlichem und unblutigem Wege herbeizuführen; 4) daß sie endlich, wie diese Entwickelung auch ausfallen möge, die in den Monaten März und Mai zugestandenen Rechte und Freiheiten der österreichisch-deutschen Völker gegen alle Angriffe in Schutz nehmen. Zachariä (für den internationalen Ausschuß). Bericht über einen Antrag wegen der diplomatischen Verbindung mit Rußland. Ausschuß beantragt Verweisung an das Reichsministerium und Tagesordnung. (Links: sehr brav!) Eckart aus Bromberg interpellirt: In Erwägung des direkten Widerspruchs des Beschlusses der Nationalversammlung und der Berliner Vereinbarer-Versammlung über Posen ‒ welche Maßregeln hat das Reichsministerium zur Aufrechterhaltung des Beschlusses der Nationalversammlung in der Posen'schen Angelegenheit, und zur Beruhigung der durch den Berliner Beschluß in Deutsch-Posen gewaltig erregten Bevölkerung getroffen? ‒ Dieselben Interpellationen stellen Jordan von Berlin, Dunker und Kerst. Schmerling wird diese 4 Interpellationen Montag den 6. November beantworten, Präsident (v. Gagern) verliest einen höchst dringlichen Antrag zur Wahrung der Wiener Bevölkerung, den obenangedeuteten Bericht Benedey's sogleich vor der heutigen Tagesordnung zur Debatte und Beschlußnahme zu bringen. Der Antrag wird als dringlich erkannt. (Gallerien Bravo!) „Spät kommt ihr, doch ihr kommt!“ Diesmal leider zu spät. Es wird sehr lebendig in der Versammlung in Folge der zu verändernden Tagesordnung. Punkt 1 der Tagesordnung (Einsammlung von Stimmzetteln zur Wahl eines neuen Schriftführers) wird erledigt. Hierauf geht man zu der Diskussion über die Wiener Angelegenheit. Zu den matten Anträgen des Ausschusses sind eine ganze Portion mit etwas starken Dosen gestellt. (Rechts lacht man über dieselben. ‒ links wüthend Ruhe, es ist hier nichts zu lachen.) Unter andern beantragt man, Windischgrätz (den Städtebezwinger) und noch mehrere andere in Anklagezustand zu versetzen. Die Anträge von Bauernschmied, mitunterzeichnet von mindestens 30-40 Abgeordneten lauten: 1) Die unumwundene Anerkennung der Centralgewalt Seitens Deutsch-Oesterreichs zu verlangen. 2) Den Belagerungszustand von Wien aufzuheben. 3) Sämmtliche Truppen, Croaten und alle andern (nicht-deutschen) aus und von Wien fortzuschicken. 4) Alle im März für Deutschland errungenen Volksfreiheiten auch in Wien zu schützen. Zur Ausführung dieser Anträge sollen neue Reichskommissäre an Welker's und Mosle's Stelle erwählt, und die Ausführung nöthigerweise durch Reichstruppen unterstützt und bewirkt werden. Pattai (dem Linke und linkes Centrum das Wort geben) frägt vor der Debatte das Ministerium, ob es aus Oesterreich nicht neuere Depeschen gebe als die im Ausschußbericht berührten? Schmerling (Minister) hat seit dem 24. Oktober (!) keine weitere Depesche erhalten. (Verwunderung.) Die Diskussion beginnt mit Eisenmann. Weswegen wagt man es, ein solches Verfahren gegen Wien einzuschlagen? weswegen wagt man es, Wien in Schutt und Asche zu legen? (Bravo. Getümmel.) Die Revolution in Wien ist entstanden, weil man deutsche Truppen nicht zum Schergendienste fremder Horden brauchen lassen wollte. ‒ Wer dies mißbilligt, ist nicht werth ein Deutscher zu sein. ‒ (Tumult, lauter Beifall, Präsident unterbricht Herrn Eisenmann mißbilligend). Den Mord Latours! wem legen. Sie denn den zur Last? Etwa der Legion? Etwa der Aula? Etwa den braven Arbeitern von Wien? (Rechts Gelächter.) In Oesterreich ist so mancher ermordet worden seit Wallenstein! (Bravo links) Was hat die österreichische Regierung zur Sühne der ermordeten polnischen Aristokratie in Gallizien gethan? ‒ Antwort: Nichts! Was sagen Sie zu der scheußlichen Ermordung jener vier Studenten? ‒ Das Organ des Reichs-Ministeriums (die Oberpostamts-Zeitung!) hat diese Morde mit einem gewissen Wohlgefallen betrachtet. (Links Bravo. Tumult. Rechts pfui! Der Präsident (von Gagern) ruft den Redner zur Ordnung!) ‒ Der Ausschuß sagt: Windischgrätz hat die Reichskommissäre mit einer gewissen Schroffheit empfangen ‒ soll heißen, hat sie zur Thür hinausgeworfen! ‒ Eisenmann beantragt schließlich: 1) Mosle und Welker abzurufen. 2) Das Benehmen der österreichischen Regierung gegen dieselben zu untersuchen und zu mißbilligen. (Langes Bravo.) Schneer (Unterstaatssekretariats-Kandidat aus Breslau) meint, unsere Versammlung theilt sich in drei Lager. Nr. 1 will sich bloß mit der Verfassung befassen. Nr. 2 (links) will, wie der französische Convent alles selbst regieren. (Links zur Ordnung!) Präsident empfiehlt Leidenschaftslosigkeit. (Ist ganz überflüssig!) Die dritte Partei ist die Vermittelnde, wozu ich (Schneer) gehöre. (Gelächter!) Der Grund, warum wir bisher in der österreichischen Angelegenheit nichts gethan, ist, weil Frankfurt von Wien 4 Tagereisen entfernt ist. (Gelächter). Folgt eine Lobrede auf Herrn Welker, und schließlich meint Herr Schneer, von der National-Versammlung aus sei für Wien schon zuviel geschehen! (Was denn?) Löwe aus Kalbe. Wie sollten wir in dieser Frage nicht Leidenschaft zeigen, wenn die herrlichste Stadt Deutschlands in Schutt verwandelt wird. Meine Herren, wie der Protestantismus auf den Trümmern von Magdeburg erstand, so wird aus dem Schutt über den Leichen Wiens die Freiheit emporsteigen (Donnerndes Bravo.) ‒ Alles was wir jetzt noch in dieser Sache reden sind eben nur Worte. ‒ Was seit der Märzrevolution uns so heruntergebracht hat sind die Phrasen gegenüber den Thaten. (Das ist wahr!) Phrasen nichts als Phrasen! Die Reichskommissäre haben gar nichts gethan. Soweit ist es mit uns gekommen, daß die preußische Versammlung (nach dem Antrag von Rodbertus für den sogar Pfuel stimmte.) die Centralgewalt zu energischem Handeln für Wien auffordern muß. ‒ Man hat gesagt, der Weg von Frankfurt nach Wien sei weit, wir aber reisen über Berlin dahin. ‒ Die Kommissäre Welker und Mosle müssen zur Verantwortung gezogen werden. Ebenso Windischgrätz. (Bassermann wiederspricht vom Platz. Links Bravo.) Löwe empfiehlt die Anträge von Bauernschmied. ‒ Dazu einen Antrag der den Schutz des Reichstags ausspricht. ‒ Reitter aus Prag, spricht diesmal für den Ausschuß, weil er dazu gehört. Natürlich ist der Ausschußantrag das Minimum. Wiesner (haufenweise unter Gelächter und großer Unruhe verlassen die Centren das Haus.) In einer kräftigen Rede gegen die Ausschußanträge und für die Bauernschmiedschen meint er u. a. man hat den Wienern vorgeworfen, das ungarische Gold habe sie zum Aufstande bewogen. Die Ungarn haben nicht einmal Silber, vielweniget Gold. Wenn Welker nicht durch sein früheres Leben achtbar dastände, sagt er, so würde ich ihn einen Landesverräther nennen, so kann ich nur sagen daß re vollkommen undiplomatisch und ungeschickt gehandelt hat. (Bravo.) Rüder aus Oldenburg für den Ausschuß. (Ganz unbedeutende Rede.) Der Minister von Bekkerath: macht seine gewöhnlichen rührenden Phrasen zur Bewegung der Centren. Er kommt dabei auf die Frankfurter Emeute, die Pfingstwiese u. s. w. zurück und versetzt den Abgeordneten die sich bei der Volksversammlung betheiligt noch ein paar Schläge. (Links zur Sache!) Welker und von Mosle hält er eine warme Lobrede. ‒ (Zum Schluß kein Bravo.) Vogt. Es giebt eine Ansicht in der Staatskunst, welche die Kanonen und Kartätschen für Mittel zur Völkerbeglückung hält. Zu diesen gehöre derv orige Redner nicht ‒ er sei einer von denen sich vom Wagen der Zeit so nachschleppen lassen. ‒ Er käme wie die Reue nach der Missethat. ‒ Man müßte auf ihn anwenden: sag mir mit wem du gehst, und ich sage dir wer du bist. (Rechts und Centren höhnisch bravo.) ‒ Die Mehrheit der Versammlung habe fortwährend die Wiener Verhältnisse als nicht dringlich betrachtet. ‒ Ist keine Noth verhanden gewesen, Wien zu schützen fragt Vogt? ‒ (Bassermann und rechtes Centrum: Nein!) Vogt zu Bassermann: Bewahren Sie diese Ansicht aber wollen Sie ja nie sagen, daß Sie ein Herz für das Wohl des deutschen Vatersandes haben. (Lautes Bravo.) Die Minister und die Reichskommissäre beschuldigt Vogt in dieser Sache offen des Verbrechens. (Das Centrum bekommt einen Schreck.) Man spräche sich billigend aus über die Generäle, welche den konstitutionellen Ministern Kraus und Hornbostl den Gehorsam verweigert haben, wie Auersperg und Windischgrätz (der Städtebezwinger) ‒ ob denn diese Billigung im konstitutionellen Sinne sei? ‒ Die Herren Reichskommissäre sind von Windischgrätz gradezu, und vom Kaiser und Hof in Ollmütz mit einigen Umständen herausgeschmissen worden und dies nehmen Sie ruhig hin. ‒ Erklären Sie doch offen, daß Sie den alten Partikularismus haben wollen, und dann wird Ihnen meine Anerkennung nicht fehlen. ‒ Unser Ministerium wurde sogar in Rußland und Asien keine Reaktion finden. Wenn eine schauderhafte Entwickelung in Oesterreich folgen wird, hat die Versammlung offenbar Mitschuld. ‒ Fahren Sie nur fort an ihrem Verfassungswerk zu bauen, während die Zeit drängt und Sie überflügelt. Ihr Einfluß geht zu Ende im Volke. Sie haben Furcht, in das Rad der Zeit einzugreifen. (Präsident verweist der Gallerie ihre „unschickliche“ Theilnahme, welche in Bravoklatschen besteht.) Ein Redner hat gefürchtet, Wien wird ein Mausoleum der Dynastie werden, ich fürchte dies nicht, denn ich hoffe es. ‒ Das Blut, was in Wien vergossen wird, wird früher oder später über Sie kommen. ‒ Aber die Freiheit wird dennoch kommen. Ihr Weg, wie Franklin sagt, geht urch Blut! (Langer Beifall.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar135-2_004" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0688"/> vom Präsidenten verlesen war, entfernte sich der König, ohne ein Wort zu antworten, der Abg. <hi rendition="#g">Jakoby</hi> nahm jedoch das Wort und sagte: (Hier erhebt sich ein fürchterlicher Lärm von der Rechten.) „Die Krone darf nicht in die Debatte kommen. <hi rendition="#g">D'Ester</hi> spricht von der Tribüne zur Rechten, aber kein Mensch versteht ein Wort, so groß ist der Lärm. ‒ Der <hi rendition="#g">Präsident</hi> stellt endlich die Ruhe her, indem er sagte, der Abg. <hi rendition="#g">D'Ester</hi> referirt nur was vorgefallen; das ist keine Debatte. Er bittet auch denselben, kein Raisonnement an sein Referat zu knüpfen. ‒ D'Ester fährt fort:</p> <p> <hi rendition="#g">„wir sind nicht blos hierher gesandt, um Ew. Majestät eine Adresse zu überreichen, sondern auch um über die Lage des Landes Bericht zu erstatten.“</hi> </p> <p>Der König gab keine Antwort. ‒ <hi rendition="#g">Jacoby</hi> fährt fort:</p> <p><hi rendition="#g">„Gestatten</hi> Ew. <hi rendition="#g">Majestät uns Gehör?“</hi> ‒ Der König antwortet: Nein! und entfernt sich; <hi rendition="#g">Jacobi</hi> ruft ihm nach:</p> <p><hi rendition="#g">„Das ist das Unglück der Könige, daß sie nie die Wahrheit hören wollen!“</hi> (Bravo! Links.)</p> <p>Die Abgeordneten <hi rendition="#g">Brett</hi> und <hi rendition="#g">Pelzer</hi> (von der Rechten, Mitglieder der Deputation) verwahren sich dagegen, daß Jacobi im Namen der Deputation gesprochen. Er wäre nicht befugt gewesen, das Wort zu ergreifen. Die Deputation hätte das Mandat gehabt, eine Adresse zu überreichen und nicht zu sprechen. Uebrigens hätte der größte Theil der Deputation, die Herren Rodbertus und Berg an der Spitze, diese Reden desavouirt.</p> <p><hi rendition="#g">Jacoby:</hi> Es ist hier gesagt worden, ich wäre nicht befugt gewesen, zum König zu sprechen, es wäre mir auch kein Auftrag dazu ertheilt gewesen. Aber die Adresse enthält ausdrücklich den Passus, daß die Deputation über die Lage des Landes dem Könige Bericht erstatte. ‒ Es ist auch nicht ganz richtig, daß ich unmittelbar nach Verlesung der Adresse das Wort ergriff. Ich wartete vergebens auf die Antwort des Königs, und als er sich ohne Antwort entfernte, redete ich ihn an; wir als eine von der Versammlung abgesandte Deputation waren berechtigt dies zu thun.</p> <p><hi rendition="#g">Rodbertus</hi> erklärt, daß er allerdings nach Beendigung der Audienz dem Adjutanten gesagt habe, er möge zum König gehen und ihm sagen, daß Se. Majestät die Adresse der Nationalversammlung von den Worten eines Einzelnen unterscheiden möge.</p> <p><hi rendition="#g">Waldeck</hi> macht die Bemerkung, daß nicht alle Mitglieder der Deputation die Worte Jacoby's verläugnen und desavouiren, er und seine Freunde wären nicht in diesem Falle.</p> <p><hi rendition="#g">Reichensperger</hi> hält es noch für seine Schuldigkeit, mitzutheilen, daß der Adjutant ihm gesagt habe, der König hätte sich entfernt und wolle in Folge der Worte des Abgeordneten Jacoby keine Antwort geben.</p> <p>Nachdem Karl Grün einigen Unsinn gesprochen, vertagt sich die Versammlung bis 3 Uhr Nachmittags. Der Präsident und einige Sekretäre bleiben aber permanent auf ihren Plätzen.</p> <p>Um 4 Uhr Abends wird die Vormitags vertagte Sitzung wieder eröffnet. Die Minister sind auf ihren Plätzen. Eine kön. Botschaft als Antwort auf die gestern dem Könige überreichte Adresse wird verlesen. Sie ist ist vom Minister Eichmann contrasignirt und lautet:</p> <p>Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen etc. haben die am gestrigen Tage uns überreichte Adresse der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung in reifliche Erwägung gezogen und eröffnen derselben darauf folgendes:</p> <p>Fest entschlossen, den von uns in Uebereinstimmung mit den Wünschen unseres getreuen Volkes betretenen constitutionellen Wege unverrückt zu verfolgen, haben wir den General-Lieutenant Grafen Brandenburg mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt, weil wir nach seinen uns bekannten Gesinnungen fest überzeugt sind, daß er zur festen Begründung und gedeihlichen Entwickelung der constitutionellen Freiheiten mit Freudigkeit seine Kräfte widmen und sich bemühen wird, die ihm von uns gestellte Aufgabe in entsprechender Weise zu erfüllen. Wenn ihm dies gelingt, so wird das neue Ministerium wie Wir hoffen, sich Ansprüche auf das Vertrauen des Landes zu erwerben wissen. Einem andern Ministerium, als ein solches von dem wir dies erwarten können, dessen dürfen die Vertreter unseres Volkes sich überzeugt halten, werden wir nie die Leitung der Regierung anvertrauen. Wir können uns daher weder durch die in der Adresse vom gestrigen Tage ohne nähere Begründung angedeuteten Gerüchte, die in keiner Handlung unserer Regierung Bestätigung erhalten, noch durch die ausgesprochenen Besorgnisse bewogen finden, den, in Folge Unserer wohlerwogenen Entschließung, dem Grafen Brandenburg ertheilten Auftrag zurückzunehmen.</p> <p>Mit Genugthuung haben wir aus der Adresse das Anerkenntniß entnommen, daß unser Herz stets für das Wohl des Volkes warm geschlagen. Das Wohl des Volkes bleibt stets das einzige Ziel unseres Strebens und hoffen wir, daß die gewissenhafte Verfolgung desselben stets im Einklange mit den Wünschen des Volkes stehen wird und rechnen dabei auf die kräftigste Unterstützung der Vertreter desselben.“</p> <p>Nachdem diese Botschaft verlesen war, fügte der Präsident Unruh noch hinzu, daß er soeben vom Grafen Brandenburg gekommen, welcher ihn berufen hatte um über die Lage des Landes Auskunft zu geben. Er habe diese Auskunft nach seinem besten Wissen gegeben. ‒ <hi rendition="#g">Elsner</hi> frägt den Präsidenten, ob er diese Auskunft als Präsident der Nationalversammlung oder als Privatperson gegeben habe. ‒ Der Präsident erwiederte, daß sich das Letztere von selbst verstehe, da er als Präsident nur im Auftrage der Versammlung eine Antwort geben könne.</p> <p><hi rendition="#g">Waldeck, Jacoby</hi> und <hi rendition="#g">Temme</hi> stellen hierauf einen dringenden Antrag, der an die Prioritäts-Kommission verwiesen und dem auch die Priorität zur morgenden Sitzung zuerkannt wird.</p> <p>Die Minister haben gleich nach Verlesung der Königl. Botschaft die Sitzung wieder verlassen.</p> <p><hi rendition="#g">v. Berg</hi> stellt den Antrag: „Bis morgen Vormittag 10 Uhr die Sitzung zu vertagen und bis dahin die Anwesenheit der Minister zu fordern. ‒ “</p> <p>Dieser Antrag wird ohne Debatte angenommen, und die Sitzung ist daher bis morgen Vormittag vertagt.</p> </div> <div xml:id="ar135-2_005" type="jArticle"> <head>Stettin.</head> <p>Hr. Milde hat den Deputirten der Nationalversammlung eine Denkschrift überreicht, in welcher er die Ansicht geltend zu machen sucht, der Staat könne nichts Besseres thun, als schleunigst alle Eisenbahnen an sich zu bringen, denn Herr Milde sieht hierin (wir beneiden ihn um ein solches Auge) nichts mehr und nichts weniger, als die Lösung der ganzen socialen Frage. Ehe wir auf die Denkschrift selber eingehen, haben wir zuvörderst zu untersuchen, welche Motive überhaupt Hrn. Milde möglicherweise bewogen haben; eine solche Denkschrift zu schreiben.</p> <p>Was hat Hrn. Milde bewogen? Hr. Milde ist uns niemals als ein Mann erschienen, der sich mit reinem Feuer für eine gemeinnützige Idee zu entzünden vermag; jede Seite des vor uns liegenden Werkes trägt aber entschieden den Stempel der Berechnung, den Stempel der Spekulation (nicht der philosophischen). Unwillkürlich drängt sich uns bei dieser Gelegenheit die Erinnerung einer seltsamen Geschichte auf, die uns bereits vor Monaten, noch unter Hansemann, von Berlin aus mitgetheilt wurde. Wenn wir nicht irren, so ward uns berichtet, daß schon Hr. Hansemann damals ein ähnliches Projekt im Hinterhalt hatte, daß man aber in Wirklichkeit an die Realisirung gar nicht denke; es sollte sich nur darum handeln, die Frage mit großem Geschrei in die Kammer zu werfen, und dadurch ‒ die Eisenbahnaktien, sei es auch nur momentan, in die Höhe zu treiben. Es seien, so ward uns berichtet, bei dieser Spekulation die „höchsten Herrschaften“ stark betheiligt, und große Massen von Papieren seien bereits in einzelnen Händen konzentrirt. Wir legten diese Korrespondenz bei Seite, weil wir sie für eine Erfindung hielten, weil wir nicht glauben konnten, daß gerade in dieser Zeit ein solches Attentat auf den schon an sich geschmälerten Geldbeutel der Kapitalisten kaltblütig von oben herab gemacht werden könne.</p> <p>Sollte jener Nachricht dennoch einige Wahrheit zu Grunde gelegen und sollte Hr. Milde die Erbschaft von Hansemann übernommen haben? Wir möchten diesem Gedanken nicht gerne Raum geben, indessen, wenn wir uns fragen, ob ein Mann, wie Herr Milde, wirklich an die Möglichkeit einer Realisirung seines Planes unter den gegenwärtigen Verhältnissen glauben kann, so müssen wir doch gestehen, daß wir, wie phantastisch auch immer sein sonstiger Gedankengang sein mag, ihm eine solche Fülle der Phantasie nicht zutrauen können. Also die Realisirung des in der Denkschrift aufgestellten Projekts kann nicht der letzte Zweck des Verfassers sein, und die Kombination über die eigentlichen Motive gewinnt den weitesten Spielraum. Wir enthalten uns weiterer Auseinandersetzungen und überlassen es Jedem, zu glauben und zu kombiniren, was er will. Blicken wir einen Augenblick auf die Folgen. Sobald die Frage in die Kammer kommt, wird die Debatte allein genügen, die gedrückten Aktien wieder in die Höhe zu treiben; das Papier scheint sicherer zu werden und die Nachfrage wird größer. In diesem Augenblicke erscheinen gleichzeitig an allen Fondsplätzen die in den Händen der einzelnen aufgehäuften Effekten zum Verkauf, und wenn sie auch den Kours ein wenig drücken, werden sie dennoch mit einem vortrefflichen Avance gegen ihren jetzigen Stand zu versilbern sein. Bis dahin geht Alles vortrefflich, denn Alle haben gewonnen; aber das schlimme Ende kommt nach; wir sehen uns nach der Kammer um, und diese, da ihr die Unzweckmäßigkeit und Unmöglichkeit des Planes gewiß nicht entgehen kann, hat ihn abgelehnt. Oder gesetzt auch, das Projekt würde zum Gesetz erhoben, auch dann noch wäre es eine Illusion zu glauben, daß schon an und für sich der Besitz des Staates hinreicht, den Papieren einen höheren Kours zu geben, als er durch die Verhältnisse der Zeit geboten und nothwendig ist. In jedem Falle kommen die Aktien auf ihren ursprünglichen Stand zurück, und die auf perfide Weise verlockten Käufer zahlen die Differenz, welche klingend in die Tasche der Spekulanten geflossen ist.</p> <bibl>(Ostsee-Ztg.)</bibl> </div> <div xml:id="ar135-2_006" type="jArticle"> <head>Mannheim, 3. Nov.</head> <p>Dem „wohlwollenden, bürgerfreundlichen“ Ministerium Bekk blieb es vorbehalten, eine Vorlage zu machen, deren drakonische Bestimmungen dem eynischen Despotismus Rußlands nahezu den Rang ablaufen. Es ist der Entwurf eines definitiven Gesetzes über die Anwendung des Standrechts, wodurch das Leben der Bürger unter Umständen der Willkür des militärischen Befehlshabers unbedingt preisgegeben wird. Damit nicht, wie Hr. Schaaff sich ausdrückte, das Standrecht hinterdrein hinke, wie ein altes Weib, kann es allerwärts, wo ein „bewaffneter Aufruhr“ ausbricht, gegen welchen militärische Gewalt aufgeboten wird, <hi rendition="#g">ohne vorherige Verkündung</hi> vom <hi rendition="#g">Truppenkommandanten</hi> gegen Jeden zur Anwendung gebracht werden, der Anstifter des Aufruhrs ist, der an seiner Ausführung oder an damit in Verbindung stehenden Verbrechen <hi rendition="#g">Theil</hi> genommen, ‒ was läßt sich nicht Alles unter dieser Theilnahme begreifen! ‒ der endlich durch Beischaffung von Munition und Waffen oder als Spion Beihülfe geleistet, d. h. mit andern Worten, gegen Jeden, der solcher Dinge <hi rendition="#g">angeschuldigt</hi> wird. Ob die Anschuldigung gegründet sei, darüber entscheidet nach Stimmenmehrheit ein Kriegsgericht, welches der <hi rendition="#g">Kommandant</hi> nach seinem Gutfinden aus sechs Militärpersonen verschiedenen Grades und <hi rendition="#g">Einem</hi> „richterlichen Beamten“ des nächstbelegenen Ortes zusammensetzt, <hi rendition="#g">binnen 24 Stunden endgültig.</hi> Fällt sein Urtheil, gegen welches dem Schuldigbefundenen <hi rendition="#g">weder Rechts-noch Gnadenmittel</hi> zustehen, nicht freisprechend aus, so kann es nur auf <hi rendition="#g">Todesstrafe,</hi> welche binnen <hi rendition="#g">drei Stunden</hi> durch die Kugel vollzogen wird, oder auf <hi rendition="#g">10 jährige Zuchthausstrafe</hi> lauten. Raschheit geht vor Gerechtigkeit ‒ binnen 24 Stunden muß Alles abgethan sein; könnte der Angeklagte seine Schuldlosigkeit sonnenklar durch Entlastungszeugen darthun, ‒ sie nützen ihm <hi rendition="#g">nichts,</hi> sofern sie nicht binnen 24 Stunden zur Hand sind.</p> <bibl>(M. A. 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Moring.</p> <p>2) Berathung des vom Abgeordneten Siehr, Namens des Finanzausschusses, erstatteten Berichts, baldige Verzeichnung und Aufnahme der Bevölkerung durch ganz Deutschland betreffend.</p> <p>3) Berathung des vom Abgeordneten Naumann, Namens des Ausschusses für die Geschäftsordnung, erstatteten Berichts über den Antrag von Wichmann und Genossen, auf zusätzliche Bestimmung zu §. 42 der Geschäftsordnung.</p> <p>4) Berathung des vom Abgeordneten Röben, Namens des Marineausschusses, erstatteten Berichts, das Gesetz über die deutsche Kriegs-und Handelsflagge betreffend.</p> <p>5) Fortsetzung der Berathung über Abschnitt II. des Verfassungsentwurfs,</p> <p>und eventuell:</p> <p>6) Berathung des vom Abgeordneten Böcler, Namens des Ausschusses für Gesetzgebung, erstatteten Berichts, über die Anträge von Wiesner, Brentano etc., auf sofortige Aufhebung der Strafe der körperlichen Züchtigung bei den Reichstruppen.</p> <p>7) Berathung des vom Abgeordneten Carl, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Berichts über verschiedene Anträge und Petitionen, das Eisenbahnwesen betreffend.</p> <p>8) Berathung des vom Abgeordneten Lette, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Berichts, über die demselben fernerhin zugegangenen Petitionen, wegen Aufhebung der Feudalverhältnisse.</p> <p>9) Berathung des vom Abgeordneten Leue, Namens des Ausschusses für Gesetzgebung, erstatteten Berichts, über den Antrag der Abgeordneten Schaffrath und Genossen vom 20. September 1848, Aufhebung des Belagerungszustandes betreffend.</p> <p>10) Berathung der vom Abgeordneten Compes, Namens des Prioritäts-und Petitions-Ausschusses, erstatteten Berichte:</p> <p>a) über die Eingabe des Mechanikus Joh. Jos. Graß zu Düsseldorf, die Gefangenen zu Bruchsal betreffend.</p> <p>b) über die Eingabe des Obergerichtsanwalts Sternberg in Marburg, die Wahlen zur Reichsversammlung betreffend.</p> <p>c) die Ausweisung des Literaten Diezel betreffend.</p> <p>Vor der Tagesordnung.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> zeigt den Austritt des Abgeordneten Pogge aus Mecklenburg an.</p> <p><hi rendition="#g">Mittermaier</hi> (im Namen des Verfassungsausschusses) erstattet den Bericht über die in meinem gestrigen Bericht erwähnten Anträge, welche die über Deutschlands Wehrverfassung handelnden Paragraphen erst zu Ende des Verfassungsentwurfs vornehmen, also fürs erste hinausschieben wollen. Der Ausschuß beantragt, auf keinen verschiedenden Antrag einzugehen, sondern im Entwurf der gewöhnlichen Ordnung nach fortzufahren.</p> <p><hi rendition="#g">Benedey</hi> (für den Ausschuß über die österreichischen Angelegenheiten) verliest einen langen Bericht (jetzt !!! kommt Deutschland!) Der Ausschuß in Folge von früher mitgetheilten Anträgen von Rauwerk, Rank, Berger, Wiesner etc., und in Erwägung von unendlich vielen Punkten, fühle sich veranlaßt zu beantragen, wie folgt:</p> <p>(Es klingt <hi rendition="#g">jetzt</hi> fast wie Hohn!)</p> <p>„Die hohe Versammlung möge das Reichsministerium auffordern, alle mögliche und nachträgliche Sorge dafür zu tragen:</p> <p>1) daß die Reichskommissare das Ansehen und die Anerkennung der deutschen Centralgewalt überall kräftigst zur vollen Geltung zu bringen sich angelegen sein lassen;</p> <p>2) daß sie die Interessen Deutschlands in Oesterreich überall zu schützen suchen;</p> <p>3) daß sie ihren vollen Einfluß aufbieten, die fernere Entwicklung der österreichischen Wirren auf friedlichem und unblutigem Wege herbeizuführen;</p> <p>4) daß sie endlich, wie diese Entwickelung auch ausfallen möge, die in den Monaten März und Mai zugestandenen Rechte und Freiheiten der österreichisch-deutschen Völker gegen alle Angriffe in Schutz nehmen.</p> <p><hi rendition="#g">Zachariä</hi> (für den internationalen Ausschuß). Bericht über einen Antrag wegen der diplomatischen Verbindung mit Rußland. Ausschuß beantragt Verweisung an das Reichsministerium und Tagesordnung. (Links: sehr brav!)</p> <p><hi rendition="#g">Eckart</hi> aus Bromberg interpellirt: In Erwägung des direkten Widerspruchs des Beschlusses der Nationalversammlung und der Berliner Vereinbarer-Versammlung über Posen ‒ welche Maßregeln hat das Reichsministerium zur Aufrechterhaltung des Beschlusses der Nationalversammlung in der Posen'schen Angelegenheit, und zur Beruhigung der durch den Berliner Beschluß in Deutsch-Posen gewaltig erregten Bevölkerung getroffen? ‒ Dieselben Interpellationen stellen Jordan von Berlin, Dunker und Kerst.</p> <p><hi rendition="#g">Schmerling</hi> wird diese 4 Interpellationen Montag den 6. November beantworten,</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> (v. Gagern) verliest einen höchst dringlichen Antrag zur Wahrung der Wiener Bevölkerung, den obenangedeuteten Bericht Benedey's sogleich vor der heutigen Tagesordnung zur Debatte und Beschlußnahme zu bringen. Der Antrag wird als dringlich erkannt. (Gallerien Bravo!) „Spät kommt ihr, doch ihr kommt!“ Diesmal leider zu spät.</p> <p>Es wird sehr lebendig in der Versammlung in Folge der zu verändernden Tagesordnung.</p> <p>Punkt 1 der Tagesordnung (Einsammlung von Stimmzetteln zur Wahl eines neuen Schriftführers) wird erledigt. Hierauf geht man zu der Diskussion über die Wiener Angelegenheit.</p> <p>Zu den matten Anträgen des Ausschusses sind eine ganze Portion mit etwas starken Dosen gestellt. (Rechts lacht man über dieselben. ‒ links wüthend Ruhe, es ist hier nichts zu lachen.) Unter andern beantragt man, Windischgrätz (den Städtebezwinger) und noch mehrere andere in Anklagezustand zu versetzen. Die Anträge von Bauernschmied, mitunterzeichnet von mindestens 30-40 Abgeordneten lauten:</p> <p>1) Die unumwundene Anerkennung der Centralgewalt Seitens Deutsch-Oesterreichs zu verlangen.</p> <p>2) Den Belagerungszustand von Wien aufzuheben.</p> <p>3) Sämmtliche Truppen, Croaten und alle andern (nicht-deutschen) aus und von Wien fortzuschicken.</p> <p>4) Alle im März für Deutschland errungenen Volksfreiheiten auch in Wien zu schützen.</p> <p>Zur Ausführung dieser Anträge sollen neue Reichskommissäre an Welker's und Mosle's Stelle erwählt, und die Ausführung nöthigerweise durch Reichstruppen unterstützt und bewirkt werden.</p> <p><hi rendition="#g">Pattai</hi> (dem Linke und linkes Centrum das Wort geben) frägt vor der Debatte das Ministerium, ob es aus Oesterreich nicht neuere Depeschen gebe als die im Ausschußbericht berührten?</p> <p><hi rendition="#g">Schmerling</hi> (Minister) hat seit dem 24. Oktober (!) keine weitere Depesche erhalten. (Verwunderung.)</p> <p>Die Diskussion beginnt mit</p> <p><hi rendition="#g">Eisenmann.</hi> Weswegen wagt man es, ein solches Verfahren gegen Wien einzuschlagen? weswegen wagt man es, Wien in Schutt und Asche zu legen? (Bravo. Getümmel.) Die Revolution in Wien ist entstanden, weil man deutsche Truppen nicht zum Schergendienste fremder Horden brauchen lassen wollte. ‒ Wer dies mißbilligt, ist nicht werth ein Deutscher zu sein. ‒ (Tumult, lauter Beifall, Präsident unterbricht Herrn Eisenmann mißbilligend). Den Mord Latours! wem legen. Sie denn den zur Last? Etwa der Legion? Etwa der Aula? Etwa den braven Arbeitern von Wien? (Rechts Gelächter.) In Oesterreich ist so mancher ermordet worden seit Wallenstein! (Bravo links) Was hat die österreichische Regierung zur Sühne der ermordeten polnischen Aristokratie in Gallizien gethan? ‒ Antwort: Nichts! Was sagen Sie zu der scheußlichen Ermordung jener vier Studenten? ‒ Das Organ des Reichs-Ministeriums (die Oberpostamts-Zeitung!) hat diese Morde mit einem gewissen Wohlgefallen betrachtet. (Links Bravo. Tumult. Rechts pfui! Der Präsident (von Gagern) ruft den Redner zur Ordnung!) ‒ Der Ausschuß sagt: Windischgrätz hat die Reichskommissäre mit einer gewissen Schroffheit empfangen ‒ soll heißen, hat sie zur Thür hinausgeworfen! ‒ Eisenmann beantragt schließlich:</p> <p>1) Mosle und Welker abzurufen.</p> <p>2) Das Benehmen der österreichischen Regierung gegen dieselben zu untersuchen und zu mißbilligen. (Langes Bravo.)</p> <p><hi rendition="#g">Schneer</hi> (Unterstaatssekretariats-Kandidat aus Breslau) meint, unsere Versammlung theilt sich in drei Lager. Nr. 1 will sich bloß mit der Verfassung befassen. Nr. 2 (links) will, wie der französische Convent alles selbst regieren. (Links zur Ordnung!) Präsident empfiehlt Leidenschaftslosigkeit. (Ist ganz überflüssig!) Die dritte Partei ist die Vermittelnde, wozu ich (Schneer) gehöre. (Gelächter!) Der Grund, warum wir bisher in der österreichischen Angelegenheit nichts gethan, ist, weil Frankfurt von Wien 4 Tagereisen entfernt ist. (Gelächter). Folgt eine Lobrede auf Herrn Welker, und schließlich meint Herr Schneer, von der National-Versammlung aus sei für Wien schon zuviel geschehen! (Was denn?)</p> <p><hi rendition="#g">Löwe</hi> aus Kalbe. Wie sollten wir in dieser Frage nicht Leidenschaft zeigen, wenn die herrlichste Stadt Deutschlands in Schutt verwandelt wird.</p> <p>Meine Herren, wie der Protestantismus auf den Trümmern von Magdeburg erstand, so wird aus dem Schutt über den Leichen Wiens die Freiheit emporsteigen (Donnerndes Bravo.) ‒ Alles was wir jetzt noch in dieser Sache reden sind eben nur Worte. ‒ Was seit der Märzrevolution uns so heruntergebracht hat sind die Phrasen gegenüber den Thaten. (Das ist wahr!) Phrasen nichts als Phrasen!</p> <p>Die Reichskommissäre haben gar nichts gethan. Soweit ist es mit uns gekommen, daß die preußische Versammlung (nach dem Antrag von Rodbertus für den sogar Pfuel stimmte.) die Centralgewalt zu energischem Handeln für Wien auffordern muß. ‒ Man hat gesagt, der Weg von Frankfurt nach Wien sei weit, wir aber reisen über Berlin dahin. ‒ Die Kommissäre Welker und Mosle müssen zur Verantwortung gezogen werden. Ebenso Windischgrätz. (Bassermann wiederspricht vom Platz. Links Bravo.) Löwe empfiehlt die Anträge von Bauernschmied. ‒ Dazu einen Antrag der den Schutz des Reichstags ausspricht. ‒</p> <p><hi rendition="#g">Reitter</hi> aus Prag, spricht diesmal für den Ausschuß, weil er dazu gehört. Natürlich ist der Ausschußantrag das Minimum.</p> <p><hi rendition="#g">Wiesner</hi> (haufenweise unter Gelächter und großer Unruhe verlassen die Centren das Haus.) In einer kräftigen Rede gegen die Ausschußanträge und für die Bauernschmiedschen meint er u. a. man hat den Wienern vorgeworfen, das ungarische Gold habe sie zum Aufstande bewogen. Die Ungarn haben nicht einmal Silber, vielweniget Gold.</p> <p>Wenn Welker nicht durch sein früheres Leben achtbar dastände, sagt er, so würde ich ihn einen Landesverräther nennen, so kann ich nur sagen daß re vollkommen undiplomatisch und ungeschickt gehandelt hat. (Bravo.)</p> <p><hi rendition="#g">Rüder</hi> aus Oldenburg für den Ausschuß. (Ganz unbedeutende Rede.)</p> <p>Der Minister von <hi rendition="#g">Bekkerath:</hi> macht seine gewöhnlichen rührenden Phrasen zur Bewegung der Centren. Er kommt dabei auf die Frankfurter Emeute, die Pfingstwiese u. s. w. zurück und versetzt den Abgeordneten die sich bei der Volksversammlung betheiligt noch ein paar Schläge. (Links zur Sache!) Welker und von Mosle hält er eine warme Lobrede. ‒ (Zum Schluß kein Bravo.)</p> <p><hi rendition="#g">Vogt.</hi> Es giebt eine Ansicht in der Staatskunst, welche die Kanonen und Kartätschen für Mittel zur Völkerbeglückung hält. Zu diesen gehöre derv orige Redner nicht ‒ er sei einer von denen sich vom Wagen der Zeit so nachschleppen lassen. ‒ Er käme wie die Reue nach der Missethat. ‒ Man müßte auf ihn anwenden: sag mir mit wem du gehst, und ich sage dir wer du bist. (Rechts und Centren höhnisch bravo.) ‒ Die Mehrheit der Versammlung habe fortwährend die Wiener Verhältnisse als nicht dringlich betrachtet. ‒ Ist keine Noth verhanden gewesen, Wien zu schützen fragt Vogt? ‒ (Bassermann und rechtes Centrum: Nein!) Vogt zu Bassermann: Bewahren Sie diese Ansicht aber wollen Sie ja nie sagen, daß Sie ein Herz für das Wohl des deutschen Vatersandes haben. (Lautes Bravo.) Die Minister und die Reichskommissäre beschuldigt Vogt in dieser Sache offen des Verbrechens. (Das Centrum bekommt einen Schreck.) Man spräche sich billigend aus über die Generäle, welche den konstitutionellen Ministern Kraus und Hornbostl den Gehorsam verweigert haben, wie Auersperg und Windischgrätz (der Städtebezwinger) ‒ ob denn diese Billigung im konstitutionellen Sinne sei? ‒ Die Herren Reichskommissäre sind von Windischgrätz gradezu, und vom Kaiser und Hof in Ollmütz mit einigen Umständen herausgeschmissen worden und dies nehmen Sie ruhig hin. ‒ Erklären Sie doch offen, daß Sie den alten Partikularismus haben wollen, und dann wird Ihnen meine Anerkennung nicht fehlen. ‒ Unser Ministerium wurde sogar in Rußland und Asien keine Reaktion finden. Wenn eine schauderhafte Entwickelung in Oesterreich folgen wird, hat die Versammlung offenbar Mitschuld. ‒ Fahren Sie nur fort an ihrem Verfassungswerk zu bauen, während die Zeit drängt und Sie überflügelt. Ihr Einfluß geht zu Ende im Volke. Sie haben Furcht, in das Rad der Zeit einzugreifen.</p> <p>(Präsident verweist der Gallerie ihre „unschickliche“ Theilnahme, welche in Bravoklatschen besteht.) Ein Redner hat gefürchtet, Wien wird ein Mausoleum der Dynastie werden, ich fürchte dies nicht, denn ich hoffe es. ‒ Das Blut, was in Wien vergossen wird, wird früher oder später über Sie kommen. ‒ Aber die Freiheit wird dennoch kommen. Ihr Weg, wie Franklin sagt, geht urch Blut! (Langer Beifall.)</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0688/0002]
vom Präsidenten verlesen war, entfernte sich der König, ohne ein Wort zu antworten, der Abg. Jakoby nahm jedoch das Wort und sagte: (Hier erhebt sich ein fürchterlicher Lärm von der Rechten.) „Die Krone darf nicht in die Debatte kommen. D'Ester spricht von der Tribüne zur Rechten, aber kein Mensch versteht ein Wort, so groß ist der Lärm. ‒ Der Präsident stellt endlich die Ruhe her, indem er sagte, der Abg. D'Ester referirt nur was vorgefallen; das ist keine Debatte. Er bittet auch denselben, kein Raisonnement an sein Referat zu knüpfen. ‒ D'Ester fährt fort:
„wir sind nicht blos hierher gesandt, um Ew. Majestät eine Adresse zu überreichen, sondern auch um über die Lage des Landes Bericht zu erstatten.“
Der König gab keine Antwort. ‒ Jacoby fährt fort:
„Gestatten Ew. Majestät uns Gehör?“ ‒ Der König antwortet: Nein! und entfernt sich; Jacobi ruft ihm nach:
„Das ist das Unglück der Könige, daß sie nie die Wahrheit hören wollen!“ (Bravo! Links.)
Die Abgeordneten Brett und Pelzer (von der Rechten, Mitglieder der Deputation) verwahren sich dagegen, daß Jacobi im Namen der Deputation gesprochen. Er wäre nicht befugt gewesen, das Wort zu ergreifen. Die Deputation hätte das Mandat gehabt, eine Adresse zu überreichen und nicht zu sprechen. Uebrigens hätte der größte Theil der Deputation, die Herren Rodbertus und Berg an der Spitze, diese Reden desavouirt.
Jacoby: Es ist hier gesagt worden, ich wäre nicht befugt gewesen, zum König zu sprechen, es wäre mir auch kein Auftrag dazu ertheilt gewesen. Aber die Adresse enthält ausdrücklich den Passus, daß die Deputation über die Lage des Landes dem Könige Bericht erstatte. ‒ Es ist auch nicht ganz richtig, daß ich unmittelbar nach Verlesung der Adresse das Wort ergriff. Ich wartete vergebens auf die Antwort des Königs, und als er sich ohne Antwort entfernte, redete ich ihn an; wir als eine von der Versammlung abgesandte Deputation waren berechtigt dies zu thun.
Rodbertus erklärt, daß er allerdings nach Beendigung der Audienz dem Adjutanten gesagt habe, er möge zum König gehen und ihm sagen, daß Se. Majestät die Adresse der Nationalversammlung von den Worten eines Einzelnen unterscheiden möge.
Waldeck macht die Bemerkung, daß nicht alle Mitglieder der Deputation die Worte Jacoby's verläugnen und desavouiren, er und seine Freunde wären nicht in diesem Falle.
Reichensperger hält es noch für seine Schuldigkeit, mitzutheilen, daß der Adjutant ihm gesagt habe, der König hätte sich entfernt und wolle in Folge der Worte des Abgeordneten Jacoby keine Antwort geben.
Nachdem Karl Grün einigen Unsinn gesprochen, vertagt sich die Versammlung bis 3 Uhr Nachmittags. Der Präsident und einige Sekretäre bleiben aber permanent auf ihren Plätzen.
Um 4 Uhr Abends wird die Vormitags vertagte Sitzung wieder eröffnet. Die Minister sind auf ihren Plätzen. Eine kön. Botschaft als Antwort auf die gestern dem Könige überreichte Adresse wird verlesen. Sie ist ist vom Minister Eichmann contrasignirt und lautet:
Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen etc. haben die am gestrigen Tage uns überreichte Adresse der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung in reifliche Erwägung gezogen und eröffnen derselben darauf folgendes:
Fest entschlossen, den von uns in Uebereinstimmung mit den Wünschen unseres getreuen Volkes betretenen constitutionellen Wege unverrückt zu verfolgen, haben wir den General-Lieutenant Grafen Brandenburg mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt, weil wir nach seinen uns bekannten Gesinnungen fest überzeugt sind, daß er zur festen Begründung und gedeihlichen Entwickelung der constitutionellen Freiheiten mit Freudigkeit seine Kräfte widmen und sich bemühen wird, die ihm von uns gestellte Aufgabe in entsprechender Weise zu erfüllen. Wenn ihm dies gelingt, so wird das neue Ministerium wie Wir hoffen, sich Ansprüche auf das Vertrauen des Landes zu erwerben wissen. Einem andern Ministerium, als ein solches von dem wir dies erwarten können, dessen dürfen die Vertreter unseres Volkes sich überzeugt halten, werden wir nie die Leitung der Regierung anvertrauen. Wir können uns daher weder durch die in der Adresse vom gestrigen Tage ohne nähere Begründung angedeuteten Gerüchte, die in keiner Handlung unserer Regierung Bestätigung erhalten, noch durch die ausgesprochenen Besorgnisse bewogen finden, den, in Folge Unserer wohlerwogenen Entschließung, dem Grafen Brandenburg ertheilten Auftrag zurückzunehmen.
Mit Genugthuung haben wir aus der Adresse das Anerkenntniß entnommen, daß unser Herz stets für das Wohl des Volkes warm geschlagen. Das Wohl des Volkes bleibt stets das einzige Ziel unseres Strebens und hoffen wir, daß die gewissenhafte Verfolgung desselben stets im Einklange mit den Wünschen des Volkes stehen wird und rechnen dabei auf die kräftigste Unterstützung der Vertreter desselben.“
Nachdem diese Botschaft verlesen war, fügte der Präsident Unruh noch hinzu, daß er soeben vom Grafen Brandenburg gekommen, welcher ihn berufen hatte um über die Lage des Landes Auskunft zu geben. Er habe diese Auskunft nach seinem besten Wissen gegeben. ‒ Elsner frägt den Präsidenten, ob er diese Auskunft als Präsident der Nationalversammlung oder als Privatperson gegeben habe. ‒ Der Präsident erwiederte, daß sich das Letztere von selbst verstehe, da er als Präsident nur im Auftrage der Versammlung eine Antwort geben könne.
Waldeck, Jacoby und Temme stellen hierauf einen dringenden Antrag, der an die Prioritäts-Kommission verwiesen und dem auch die Priorität zur morgenden Sitzung zuerkannt wird.
Die Minister haben gleich nach Verlesung der Königl. Botschaft die Sitzung wieder verlassen.
v. Berg stellt den Antrag: „Bis morgen Vormittag 10 Uhr die Sitzung zu vertagen und bis dahin die Anwesenheit der Minister zu fordern. ‒ “
Dieser Antrag wird ohne Debatte angenommen, und die Sitzung ist daher bis morgen Vormittag vertagt.
Stettin. Hr. Milde hat den Deputirten der Nationalversammlung eine Denkschrift überreicht, in welcher er die Ansicht geltend zu machen sucht, der Staat könne nichts Besseres thun, als schleunigst alle Eisenbahnen an sich zu bringen, denn Herr Milde sieht hierin (wir beneiden ihn um ein solches Auge) nichts mehr und nichts weniger, als die Lösung der ganzen socialen Frage. Ehe wir auf die Denkschrift selber eingehen, haben wir zuvörderst zu untersuchen, welche Motive überhaupt Hrn. Milde möglicherweise bewogen haben; eine solche Denkschrift zu schreiben.
Was hat Hrn. Milde bewogen? Hr. Milde ist uns niemals als ein Mann erschienen, der sich mit reinem Feuer für eine gemeinnützige Idee zu entzünden vermag; jede Seite des vor uns liegenden Werkes trägt aber entschieden den Stempel der Berechnung, den Stempel der Spekulation (nicht der philosophischen). Unwillkürlich drängt sich uns bei dieser Gelegenheit die Erinnerung einer seltsamen Geschichte auf, die uns bereits vor Monaten, noch unter Hansemann, von Berlin aus mitgetheilt wurde. Wenn wir nicht irren, so ward uns berichtet, daß schon Hr. Hansemann damals ein ähnliches Projekt im Hinterhalt hatte, daß man aber in Wirklichkeit an die Realisirung gar nicht denke; es sollte sich nur darum handeln, die Frage mit großem Geschrei in die Kammer zu werfen, und dadurch ‒ die Eisenbahnaktien, sei es auch nur momentan, in die Höhe zu treiben. Es seien, so ward uns berichtet, bei dieser Spekulation die „höchsten Herrschaften“ stark betheiligt, und große Massen von Papieren seien bereits in einzelnen Händen konzentrirt. Wir legten diese Korrespondenz bei Seite, weil wir sie für eine Erfindung hielten, weil wir nicht glauben konnten, daß gerade in dieser Zeit ein solches Attentat auf den schon an sich geschmälerten Geldbeutel der Kapitalisten kaltblütig von oben herab gemacht werden könne.
Sollte jener Nachricht dennoch einige Wahrheit zu Grunde gelegen und sollte Hr. Milde die Erbschaft von Hansemann übernommen haben? Wir möchten diesem Gedanken nicht gerne Raum geben, indessen, wenn wir uns fragen, ob ein Mann, wie Herr Milde, wirklich an die Möglichkeit einer Realisirung seines Planes unter den gegenwärtigen Verhältnissen glauben kann, so müssen wir doch gestehen, daß wir, wie phantastisch auch immer sein sonstiger Gedankengang sein mag, ihm eine solche Fülle der Phantasie nicht zutrauen können. Also die Realisirung des in der Denkschrift aufgestellten Projekts kann nicht der letzte Zweck des Verfassers sein, und die Kombination über die eigentlichen Motive gewinnt den weitesten Spielraum. Wir enthalten uns weiterer Auseinandersetzungen und überlassen es Jedem, zu glauben und zu kombiniren, was er will. Blicken wir einen Augenblick auf die Folgen. Sobald die Frage in die Kammer kommt, wird die Debatte allein genügen, die gedrückten Aktien wieder in die Höhe zu treiben; das Papier scheint sicherer zu werden und die Nachfrage wird größer. In diesem Augenblicke erscheinen gleichzeitig an allen Fondsplätzen die in den Händen der einzelnen aufgehäuften Effekten zum Verkauf, und wenn sie auch den Kours ein wenig drücken, werden sie dennoch mit einem vortrefflichen Avance gegen ihren jetzigen Stand zu versilbern sein. Bis dahin geht Alles vortrefflich, denn Alle haben gewonnen; aber das schlimme Ende kommt nach; wir sehen uns nach der Kammer um, und diese, da ihr die Unzweckmäßigkeit und Unmöglichkeit des Planes gewiß nicht entgehen kann, hat ihn abgelehnt. Oder gesetzt auch, das Projekt würde zum Gesetz erhoben, auch dann noch wäre es eine Illusion zu glauben, daß schon an und für sich der Besitz des Staates hinreicht, den Papieren einen höheren Kours zu geben, als er durch die Verhältnisse der Zeit geboten und nothwendig ist. In jedem Falle kommen die Aktien auf ihren ursprünglichen Stand zurück, und die auf perfide Weise verlockten Käufer zahlen die Differenz, welche klingend in die Tasche der Spekulanten geflossen ist.
(Ostsee-Ztg.) Mannheim, 3. Nov. Dem „wohlwollenden, bürgerfreundlichen“ Ministerium Bekk blieb es vorbehalten, eine Vorlage zu machen, deren drakonische Bestimmungen dem eynischen Despotismus Rußlands nahezu den Rang ablaufen. Es ist der Entwurf eines definitiven Gesetzes über die Anwendung des Standrechts, wodurch das Leben der Bürger unter Umständen der Willkür des militärischen Befehlshabers unbedingt preisgegeben wird. Damit nicht, wie Hr. Schaaff sich ausdrückte, das Standrecht hinterdrein hinke, wie ein altes Weib, kann es allerwärts, wo ein „bewaffneter Aufruhr“ ausbricht, gegen welchen militärische Gewalt aufgeboten wird, ohne vorherige Verkündung vom Truppenkommandanten gegen Jeden zur Anwendung gebracht werden, der Anstifter des Aufruhrs ist, der an seiner Ausführung oder an damit in Verbindung stehenden Verbrechen Theil genommen, ‒ was läßt sich nicht Alles unter dieser Theilnahme begreifen! ‒ der endlich durch Beischaffung von Munition und Waffen oder als Spion Beihülfe geleistet, d. h. mit andern Worten, gegen Jeden, der solcher Dinge angeschuldigt wird. Ob die Anschuldigung gegründet sei, darüber entscheidet nach Stimmenmehrheit ein Kriegsgericht, welches der Kommandant nach seinem Gutfinden aus sechs Militärpersonen verschiedenen Grades und Einem „richterlichen Beamten“ des nächstbelegenen Ortes zusammensetzt, binnen 24 Stunden endgültig. Fällt sein Urtheil, gegen welches dem Schuldigbefundenen weder Rechts-noch Gnadenmittel zustehen, nicht freisprechend aus, so kann es nur auf Todesstrafe, welche binnen drei Stunden durch die Kugel vollzogen wird, oder auf 10 jährige Zuchthausstrafe lauten. Raschheit geht vor Gerechtigkeit ‒ binnen 24 Stunden muß Alles abgethan sein; könnte der Angeklagte seine Schuldlosigkeit sonnenklar durch Entlastungszeugen darthun, ‒ sie nützen ihm nichts, sofern sie nicht binnen 24 Stunden zur Hand sind.
(M. A. Z.) Prag, 1. Nov. Heute 7 Uhr Abends ist mir vom Herrn Bürgermeister Wanka aus Ollmütz folgende telegraphische Depesche zugekommen:
„Die Prager Deputation wurde bei Sr. Maj. am 31. Oktober um 12 Uhr 30 Minuten zur Audienz vorgelassen und hat sich in Folge dessen bestimmt gefunden, zur Erzielung einer bestimmten Antwort weitere Schritte zu thun.“
Prag, 31. Oktober.
Mecsury.
!!! Frankfurt, 3. Nov. Sitzung der Nationalversammlung. Wie Sie sehen, besteht die Tagesordnung wieder einmal in der Ausräumung von einer dicken Portion Ausschuß-Schutt. Sie lautet:
1) Wahl eines Schriftführers an die Stelle des ausgetretenen Herrn v. Moring.
2) Berathung des vom Abgeordneten Siehr, Namens des Finanzausschusses, erstatteten Berichts, baldige Verzeichnung und Aufnahme der Bevölkerung durch ganz Deutschland betreffend.
3) Berathung des vom Abgeordneten Naumann, Namens des Ausschusses für die Geschäftsordnung, erstatteten Berichts über den Antrag von Wichmann und Genossen, auf zusätzliche Bestimmung zu §. 42 der Geschäftsordnung.
4) Berathung des vom Abgeordneten Röben, Namens des Marineausschusses, erstatteten Berichts, das Gesetz über die deutsche Kriegs-und Handelsflagge betreffend.
5) Fortsetzung der Berathung über Abschnitt II. des Verfassungsentwurfs,
und eventuell:
6) Berathung des vom Abgeordneten Böcler, Namens des Ausschusses für Gesetzgebung, erstatteten Berichts, über die Anträge von Wiesner, Brentano etc., auf sofortige Aufhebung der Strafe der körperlichen Züchtigung bei den Reichstruppen.
7) Berathung des vom Abgeordneten Carl, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Berichts über verschiedene Anträge und Petitionen, das Eisenbahnwesen betreffend.
8) Berathung des vom Abgeordneten Lette, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Berichts, über die demselben fernerhin zugegangenen Petitionen, wegen Aufhebung der Feudalverhältnisse.
9) Berathung des vom Abgeordneten Leue, Namens des Ausschusses für Gesetzgebung, erstatteten Berichts, über den Antrag der Abgeordneten Schaffrath und Genossen vom 20. September 1848, Aufhebung des Belagerungszustandes betreffend.
10) Berathung der vom Abgeordneten Compes, Namens des Prioritäts-und Petitions-Ausschusses, erstatteten Berichte:
a) über die Eingabe des Mechanikus Joh. Jos. Graß zu Düsseldorf, die Gefangenen zu Bruchsal betreffend.
b) über die Eingabe des Obergerichtsanwalts Sternberg in Marburg, die Wahlen zur Reichsversammlung betreffend.
c) die Ausweisung des Literaten Diezel betreffend.
Vor der Tagesordnung.
Präsident zeigt den Austritt des Abgeordneten Pogge aus Mecklenburg an.
Mittermaier (im Namen des Verfassungsausschusses) erstattet den Bericht über die in meinem gestrigen Bericht erwähnten Anträge, welche die über Deutschlands Wehrverfassung handelnden Paragraphen erst zu Ende des Verfassungsentwurfs vornehmen, also fürs erste hinausschieben wollen. Der Ausschuß beantragt, auf keinen verschiedenden Antrag einzugehen, sondern im Entwurf der gewöhnlichen Ordnung nach fortzufahren.
Benedey (für den Ausschuß über die österreichischen Angelegenheiten) verliest einen langen Bericht (jetzt !!! kommt Deutschland!) Der Ausschuß in Folge von früher mitgetheilten Anträgen von Rauwerk, Rank, Berger, Wiesner etc., und in Erwägung von unendlich vielen Punkten, fühle sich veranlaßt zu beantragen, wie folgt:
(Es klingt jetzt fast wie Hohn!)
„Die hohe Versammlung möge das Reichsministerium auffordern, alle mögliche und nachträgliche Sorge dafür zu tragen:
1) daß die Reichskommissare das Ansehen und die Anerkennung der deutschen Centralgewalt überall kräftigst zur vollen Geltung zu bringen sich angelegen sein lassen;
2) daß sie die Interessen Deutschlands in Oesterreich überall zu schützen suchen;
3) daß sie ihren vollen Einfluß aufbieten, die fernere Entwicklung der österreichischen Wirren auf friedlichem und unblutigem Wege herbeizuführen;
4) daß sie endlich, wie diese Entwickelung auch ausfallen möge, die in den Monaten März und Mai zugestandenen Rechte und Freiheiten der österreichisch-deutschen Völker gegen alle Angriffe in Schutz nehmen.
Zachariä (für den internationalen Ausschuß). Bericht über einen Antrag wegen der diplomatischen Verbindung mit Rußland. Ausschuß beantragt Verweisung an das Reichsministerium und Tagesordnung. (Links: sehr brav!)
Eckart aus Bromberg interpellirt: In Erwägung des direkten Widerspruchs des Beschlusses der Nationalversammlung und der Berliner Vereinbarer-Versammlung über Posen ‒ welche Maßregeln hat das Reichsministerium zur Aufrechterhaltung des Beschlusses der Nationalversammlung in der Posen'schen Angelegenheit, und zur Beruhigung der durch den Berliner Beschluß in Deutsch-Posen gewaltig erregten Bevölkerung getroffen? ‒ Dieselben Interpellationen stellen Jordan von Berlin, Dunker und Kerst.
Schmerling wird diese 4 Interpellationen Montag den 6. November beantworten,
Präsident (v. Gagern) verliest einen höchst dringlichen Antrag zur Wahrung der Wiener Bevölkerung, den obenangedeuteten Bericht Benedey's sogleich vor der heutigen Tagesordnung zur Debatte und Beschlußnahme zu bringen. Der Antrag wird als dringlich erkannt. (Gallerien Bravo!) „Spät kommt ihr, doch ihr kommt!“ Diesmal leider zu spät.
Es wird sehr lebendig in der Versammlung in Folge der zu verändernden Tagesordnung.
Punkt 1 der Tagesordnung (Einsammlung von Stimmzetteln zur Wahl eines neuen Schriftführers) wird erledigt. Hierauf geht man zu der Diskussion über die Wiener Angelegenheit.
Zu den matten Anträgen des Ausschusses sind eine ganze Portion mit etwas starken Dosen gestellt. (Rechts lacht man über dieselben. ‒ links wüthend Ruhe, es ist hier nichts zu lachen.) Unter andern beantragt man, Windischgrätz (den Städtebezwinger) und noch mehrere andere in Anklagezustand zu versetzen. Die Anträge von Bauernschmied, mitunterzeichnet von mindestens 30-40 Abgeordneten lauten:
1) Die unumwundene Anerkennung der Centralgewalt Seitens Deutsch-Oesterreichs zu verlangen.
2) Den Belagerungszustand von Wien aufzuheben.
3) Sämmtliche Truppen, Croaten und alle andern (nicht-deutschen) aus und von Wien fortzuschicken.
4) Alle im März für Deutschland errungenen Volksfreiheiten auch in Wien zu schützen.
Zur Ausführung dieser Anträge sollen neue Reichskommissäre an Welker's und Mosle's Stelle erwählt, und die Ausführung nöthigerweise durch Reichstruppen unterstützt und bewirkt werden.
Pattai (dem Linke und linkes Centrum das Wort geben) frägt vor der Debatte das Ministerium, ob es aus Oesterreich nicht neuere Depeschen gebe als die im Ausschußbericht berührten?
Schmerling (Minister) hat seit dem 24. Oktober (!) keine weitere Depesche erhalten. (Verwunderung.)
Die Diskussion beginnt mit
Eisenmann. Weswegen wagt man es, ein solches Verfahren gegen Wien einzuschlagen? weswegen wagt man es, Wien in Schutt und Asche zu legen? (Bravo. Getümmel.) Die Revolution in Wien ist entstanden, weil man deutsche Truppen nicht zum Schergendienste fremder Horden brauchen lassen wollte. ‒ Wer dies mißbilligt, ist nicht werth ein Deutscher zu sein. ‒ (Tumult, lauter Beifall, Präsident unterbricht Herrn Eisenmann mißbilligend). Den Mord Latours! wem legen. Sie denn den zur Last? Etwa der Legion? Etwa der Aula? Etwa den braven Arbeitern von Wien? (Rechts Gelächter.) In Oesterreich ist so mancher ermordet worden seit Wallenstein! (Bravo links) Was hat die österreichische Regierung zur Sühne der ermordeten polnischen Aristokratie in Gallizien gethan? ‒ Antwort: Nichts! Was sagen Sie zu der scheußlichen Ermordung jener vier Studenten? ‒ Das Organ des Reichs-Ministeriums (die Oberpostamts-Zeitung!) hat diese Morde mit einem gewissen Wohlgefallen betrachtet. (Links Bravo. Tumult. Rechts pfui! Der Präsident (von Gagern) ruft den Redner zur Ordnung!) ‒ Der Ausschuß sagt: Windischgrätz hat die Reichskommissäre mit einer gewissen Schroffheit empfangen ‒ soll heißen, hat sie zur Thür hinausgeworfen! ‒ Eisenmann beantragt schließlich:
1) Mosle und Welker abzurufen.
2) Das Benehmen der österreichischen Regierung gegen dieselben zu untersuchen und zu mißbilligen. (Langes Bravo.)
Schneer (Unterstaatssekretariats-Kandidat aus Breslau) meint, unsere Versammlung theilt sich in drei Lager. Nr. 1 will sich bloß mit der Verfassung befassen. Nr. 2 (links) will, wie der französische Convent alles selbst regieren. (Links zur Ordnung!) Präsident empfiehlt Leidenschaftslosigkeit. (Ist ganz überflüssig!) Die dritte Partei ist die Vermittelnde, wozu ich (Schneer) gehöre. (Gelächter!) Der Grund, warum wir bisher in der österreichischen Angelegenheit nichts gethan, ist, weil Frankfurt von Wien 4 Tagereisen entfernt ist. (Gelächter). Folgt eine Lobrede auf Herrn Welker, und schließlich meint Herr Schneer, von der National-Versammlung aus sei für Wien schon zuviel geschehen! (Was denn?)
Löwe aus Kalbe. Wie sollten wir in dieser Frage nicht Leidenschaft zeigen, wenn die herrlichste Stadt Deutschlands in Schutt verwandelt wird.
Meine Herren, wie der Protestantismus auf den Trümmern von Magdeburg erstand, so wird aus dem Schutt über den Leichen Wiens die Freiheit emporsteigen (Donnerndes Bravo.) ‒ Alles was wir jetzt noch in dieser Sache reden sind eben nur Worte. ‒ Was seit der Märzrevolution uns so heruntergebracht hat sind die Phrasen gegenüber den Thaten. (Das ist wahr!) Phrasen nichts als Phrasen!
Die Reichskommissäre haben gar nichts gethan. Soweit ist es mit uns gekommen, daß die preußische Versammlung (nach dem Antrag von Rodbertus für den sogar Pfuel stimmte.) die Centralgewalt zu energischem Handeln für Wien auffordern muß. ‒ Man hat gesagt, der Weg von Frankfurt nach Wien sei weit, wir aber reisen über Berlin dahin. ‒ Die Kommissäre Welker und Mosle müssen zur Verantwortung gezogen werden. Ebenso Windischgrätz. (Bassermann wiederspricht vom Platz. Links Bravo.) Löwe empfiehlt die Anträge von Bauernschmied. ‒ Dazu einen Antrag der den Schutz des Reichstags ausspricht. ‒
Reitter aus Prag, spricht diesmal für den Ausschuß, weil er dazu gehört. Natürlich ist der Ausschußantrag das Minimum.
Wiesner (haufenweise unter Gelächter und großer Unruhe verlassen die Centren das Haus.) In einer kräftigen Rede gegen die Ausschußanträge und für die Bauernschmiedschen meint er u. a. man hat den Wienern vorgeworfen, das ungarische Gold habe sie zum Aufstande bewogen. Die Ungarn haben nicht einmal Silber, vielweniget Gold.
Wenn Welker nicht durch sein früheres Leben achtbar dastände, sagt er, so würde ich ihn einen Landesverräther nennen, so kann ich nur sagen daß re vollkommen undiplomatisch und ungeschickt gehandelt hat. (Bravo.)
Rüder aus Oldenburg für den Ausschuß. (Ganz unbedeutende Rede.)
Der Minister von Bekkerath: macht seine gewöhnlichen rührenden Phrasen zur Bewegung der Centren. Er kommt dabei auf die Frankfurter Emeute, die Pfingstwiese u. s. w. zurück und versetzt den Abgeordneten die sich bei der Volksversammlung betheiligt noch ein paar Schläge. (Links zur Sache!) Welker und von Mosle hält er eine warme Lobrede. ‒ (Zum Schluß kein Bravo.)
Vogt. Es giebt eine Ansicht in der Staatskunst, welche die Kanonen und Kartätschen für Mittel zur Völkerbeglückung hält. Zu diesen gehöre derv orige Redner nicht ‒ er sei einer von denen sich vom Wagen der Zeit so nachschleppen lassen. ‒ Er käme wie die Reue nach der Missethat. ‒ Man müßte auf ihn anwenden: sag mir mit wem du gehst, und ich sage dir wer du bist. (Rechts und Centren höhnisch bravo.) ‒ Die Mehrheit der Versammlung habe fortwährend die Wiener Verhältnisse als nicht dringlich betrachtet. ‒ Ist keine Noth verhanden gewesen, Wien zu schützen fragt Vogt? ‒ (Bassermann und rechtes Centrum: Nein!) Vogt zu Bassermann: Bewahren Sie diese Ansicht aber wollen Sie ja nie sagen, daß Sie ein Herz für das Wohl des deutschen Vatersandes haben. (Lautes Bravo.) Die Minister und die Reichskommissäre beschuldigt Vogt in dieser Sache offen des Verbrechens. (Das Centrum bekommt einen Schreck.) Man spräche sich billigend aus über die Generäle, welche den konstitutionellen Ministern Kraus und Hornbostl den Gehorsam verweigert haben, wie Auersperg und Windischgrätz (der Städtebezwinger) ‒ ob denn diese Billigung im konstitutionellen Sinne sei? ‒ Die Herren Reichskommissäre sind von Windischgrätz gradezu, und vom Kaiser und Hof in Ollmütz mit einigen Umständen herausgeschmissen worden und dies nehmen Sie ruhig hin. ‒ Erklären Sie doch offen, daß Sie den alten Partikularismus haben wollen, und dann wird Ihnen meine Anerkennung nicht fehlen. ‒ Unser Ministerium wurde sogar in Rußland und Asien keine Reaktion finden. Wenn eine schauderhafte Entwickelung in Oesterreich folgen wird, hat die Versammlung offenbar Mitschuld. ‒ Fahren Sie nur fort an ihrem Verfassungswerk zu bauen, während die Zeit drängt und Sie überflügelt. Ihr Einfluß geht zu Ende im Volke. Sie haben Furcht, in das Rad der Zeit einzugreifen.
(Präsident verweist der Gallerie ihre „unschickliche“ Theilnahme, welche in Bravoklatschen besteht.) Ein Redner hat gefürchtet, Wien wird ein Mausoleum der Dynastie werden, ich fürchte dies nicht, denn ich hoffe es. ‒ Das Blut, was in Wien vergossen wird, wird früher oder später über Sie kommen. ‒ Aber die Freiheit wird dennoch kommen. Ihr Weg, wie Franklin sagt, geht urch Blut! (Langer Beifall.)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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