Neue Rheinische Zeitung. Nr. 156. Köln, 30. November 1848.[Deutschland] [Fortsetzung] Revolution angewandt worden und mit Erfolg; die Revolution ist in Wien, wie in Paris, unter Blut und rauchenden Trümmern erstickt worden. Aber fast scheint es, als sollte der Sieg vom 1. Nov. zugleich den Punkt bezeichnen, wo die rückgängige Bewegung umschlägt und eine Krise eintritt. Der Versuch, die Wiener Heldenthat in Preußen Stück für Stück zu widerholen, ist gescheitert; im günstigsten Falle, selbst wenn das Land die konstituirende Versammlung verlassen sollte, hat die Krone nur einen halben, nichts entscheidenden Sieg zu erwarten, und jedenfalls ist der erste entmuthigende Eindruck der Wiener Niederlage gebrochen, gebrochen durch den plumpen Versuch, sie in jedem ihrer Details zu kopiren. Und während der Norden von Europa entweder schon wieder in die Knechtschaft von 1847 zurückgeschleudert ist, oder mühsam die Eroberungen der ersten Monate gegen die Contrerevolution vertheidigt, erhebt sich plötzlich Italien wieder. Livorno, die einzige italienische Stadt, die durch den Fall Mailands zu einer siegreichen Revolution aufgestachelt wurde, Livorno hat endlich seinen demokratischen Aufschwung dem ganzen Toskana mitgetheilt und ein entschieden demokratisches Ministerium durchgesetzt, entschiedener als je eins in einer Monarchie und so entschieden, wie nur wenige in einer Republik bestanden; ein Ministerium, das auf den Fall Wiens und die Wiederherstellung Oestreichs mit der Proklamation der italiänischen konstituirenden Nationalversammlung antwortet. Und der revolutionäre Feuerbrand, den dies demokratische Ministerium damit in das italienische Volk geschleudert, hat gezündet: in Rom ist Volk, Nationalgarde und Armee wie Ein Mann aufgestanden, hat das tergiversirende, kontrerevolutionäre Ministerium gestürzt, ein demokratisches Ministerium errungen und an der Spitze seiner durchgesetzten Forderungen steht: Regierung nach dem Prinzip der italienischen Nationalität, d. h. Beschickung der italienischen Constituante, die Guerazzi vorgeschlagen. Daß Piemont und Sizilien folgen werden, ist keinem Zweifel unterworfen. Sie werden folgen, wie sie im vorigen Jahre gefolgt sind. Und nun? Wird diese zweite Auferstehung Italiens binnen drei Jahren, wie die vorhergehende, die Morgenröthe eines neuen Aufschwungs der europäischen Demokratie sein? Fast hat es den Anschein. Das Maaß der Contrerevolution ist voll bis zum Ueberlaufen. Frankreich im Begriff, sich einem Abentheuerer in die Arme zu werfen, um nur der Herrschaft Cavaignac's und Marrast's zu entgehn, Deutschland zerrissener als je, Oesterreich erdrückt, Preußen am Vorabend des Bürgerkriegs, alle, alle Illusionen des Februar und März unbarmherzig vom Sturmschritt der Geschichte zertreten. -- Wahrlich, das Volk könnte aus neuen Siegen der Contrerevolution nichts mehr lernen! Möge es die Lehren dieser letzten sechs Monate bei der kommenden Gelegenheit rechtzeitig und furchtlos anwenden. * Köln, 29. Nov. Die Lakaien-Natur deutscher Professoren wird in den gelehrten Herrn zu Berlin und Halle in ihrem Ideale übertroffen. Vor diesem Knechtssinn steht der russische Leibeigene beschämt da. Der fromme Buddhist, der gläubig die Excremente seines Dalai-Lama hinunterschluckt, er hört verwundert die Sage von den Berliner-Hallischen Buddhisten, deren Prostitution vor dem Königthum "von Gottes Gnaden" ihm als Fabel erscheint. Er glaubt erst an die Wirklichkeit, wenn man ihm die Adressen der Berliner und Hallischen Professoren an den König von Preußen, resp. vom 24. und 21. Nov., nebst den eigenhändigen Unterschriften vorzeigt. "Es war die Freiheit der Berathung aufgehoben, das Leben der Abgeordneten bedroht, die Würde der Versammlung, die Ehre der Nation geschändet, und die wohlmeinendsten und gerechtesten Vorschläge, dieser Schreckensherrschaft ein Ziel zu setzen, scheiterten an dem Widerstande derer, denen sie diente." Mit diesen und ähnlichen frechen Lügen und mit den hündischsten Versicherungen angestammter Treue fabriziren 80 Berliner Professoren -- unter ihnen Hengstenberg, Schönlein, Ehrenberg, Böckh, die beiden Grimm etc. -- eine Adresse an den König, worin sie ihm für die Gewaltschritte des Brandenburgischen Ministeriums ihren gelehrten Beifall zuiahen. Aehnlich lautet die Adresse von 19 Hallischen Professoren, die aber die Komik so weit treiben, daß sie nebenbei von dem "Ernst ihres Berufes" sprechen. Des Pudels Kern in beiden Adressen ist eine unbeschreibliche Wuth über die Steuerverweigerung. Sehr begreiflich! Keine Steuern mehr -- und die privilegirte Gelehrsamkeit macht Bankerut. Diesem geldgierigen Professorengeschlecht darf nur im Entferntesten der Beutel bedroht werden, so steht die ganze Wissenschaft in Feuer und Flammen. Ihr Monopol wurzelt im Königthum "von Gottes Gnaden." Sie schreiben ihm Ergebenheitsadressen, d. h. sie sind ihrem eigenen Monopol bis zum Tode ergeben. Erringt das Volk den schließlichen Sieg, so werden die Herren trotz alles "Ernstes ihres wissenschaftlichen Berufes" sich schnell auf Seite der jetzt von ihnen so sehr verdammten Volkssouveränetät zu stellen wissen. Das Volk wird ihnen aber dann sein "zu spät!" zurufen und der ganzen Misere der privilegirten Gelehrsamkeit ein rasches Ende bereiten. * Köln, 28. November. Das Organ der Potsdamer Kamarilla, die berüchtigte "Kreuzritterin", belehrt uns, daß es in Preußen "zwei ganz verschiedene Völker" giebt, welche hier nach einander auftreten. Das Eine wird von dem gottbegnadeten Blatte also charakterisirt: "Zuerst jener geistig-lächerliche Haufe, geführt von ein Paar Dutzend ehrgeiziger Schurken, gefolgt von einem Schwarm in ihrer Armseligkeit und Feigheit links und rechts zappelnder Magistrate, ähnlich den Hanswurst-Figuren unserer Buchbinder; .... gefolgt von einem Haufen Industrierittern aller Art, von der mildesten (Abgeordneter Milde) Eitelkeitskränze binderischsten (Pinder -- welch' geistreiches Potsdamer Wortspiel!) Gattung bis zu eigentlichsten Taschendieben und Wegelagerern herab -- dies ist das erste Volk," Will der Leser nun auch das zweite preußische Volk sehen? Voici. Es ist "dies brave, bedächtige, gesetzliche, selbst gegen Esel, wie du (erstes Volk) bist, gesetzliche Volk, was aber bei seiner Gesetzlichkeit eine helle, feurige Liebe zu seinem Könige ("von Gottes Gnaden"), zu dem Andenken seiner braven Verfahren (also keine Abschaffung des Adels und was drum und dran hängt), zu dem Ruhme und Ehrenbestande seines herrlichen, jugendfrischen, sieggekrönten Heeres (l. G. im Schauspielhause zu Berlin) hat", dieses Volk, "welches gar nicht begreift, wie du Esel (erstes Volk) dazu kömmst, gegen den Grafen Brandenburg zu bellen" (die königl. preußischen Esel bellen: Fortschritt im christlich-germanischen Staate). Der Wahlspruch dieses zweiten preußischen Volkes ist: "dem Esel die Peitsche und dem Hunde der Knüttel." Dasselbe Volk, welches seit dem März die Praxis dieses Wahlspruchs auf einige Wochen unterbrechen ließ, "rückt nun in die Reihe der Mitsprechenden ein" und dankt dem Hrn. Brandenburg, daß er den ersten Schritt gethan, "es von dem Schmutzgesindel zu reinigen, was auf seiner Haupt klebte, nämlich von dir (erstes Volk)." Dieses zweite Volk fühlt sich "wie in einem duftenden Kräuterbade erquickt, daß es endlich Thaten, und zwar preußische (ja wohl, ächt-preußische!) Thaten sieht. Denn "binnen 8 Tagen wird sich Jedermann überzeugen können, daß ein populäreres Ministerium, als das des Grafen Brandenburg, in Preußen nicht zu finden ist." Dies die neueste Entdeckung der braven "Kreuzritterin mit Gott, für König und Vaterland!" 43 Trier, 27. Novbr. Wir rücken dem Belagerungszustande von Tag zu Tag näher. Unser Regierungspräsident Sebaldt hat entweder den Befehl von oben, Trier a tout prix in Belagerungszustand zu versetzen, oder er selbst geht daauf los, sich die Falten eines Diktatorgewandes zu gewinnen. Die Waffen unserer im Frühjahr aufgelös'ten Bürgerwehr lagen bisher auf dem Rathhause. Sebaldt läßt den Gemeinderath sich erklären, ob er dafür stehe, daß diese Waffen nicht mißbraucht würden. Da der Stadtrath in seiner bornirten Aengstlichkeit eine solche Erklärung verweigerte, entfaltete sich urplötzlich die gesammte Militärmacht der Stadt; die Ulanen machten Patrouillen durch die Umgebung; die Artillerie stand auf dem Palastplatze mit ihrem Geschütz; die Infanterie hielt einen großen Theil der Stadt besetzt. Kein Mensch außer Sebaldt, verstand dies Manöver, bis einer der Gemeinderathsvorsteher auf das Rathhaus gerufen und aufgefordert wurde, das Waffendepot zu öffnen. Als sich dieser weigerte, erzwang man den Schlüssel mit Gewalt, drang in das Depot ein und nahm die Waffen, das Eigenthum der Stadt, um sie in das Militärwaffendepot zu transportiren. Die Bürger ärgerten sich, blieben aber ruhig. Am andern Tage beschloß der Gemeinderath, die geraubten Waffen wieder zu verlangen und im Falle der verweigerten Herausgabe, den Weg Rechtens einzuschlagen. Das ist das Höchste, wozu unsere Stadträthe fähig sind. Ferner ließ Sebaldt eine Extrabeilage der hier erscheinenden, demokratischen Flugblatter, durch einen Gensd'armen dem Kolporteur wegnehmen. Drei Tage darauf läßt der Untersuchungsrichter den Drucker derselben in's Gefängniß führen. Den Grund zu diesem Verfahren gab ein Brief aus Schlesien ab, worin es heißt, daß Niederschlesien losbrechen werde, um Wien und Berlin zu rächen, daß Breslau der Centralpunkt werde für die deutsche sociale Republik. Bei dem Redakteur der Flugblätter, S. Imandt, wurde Haussuchung gehalten, indeß ohne Erfolg; S. Imandt sollte auch verhaftet werden, er entzog sich der Justiz. Noch mehr von Sebaldt. Da Louis Simon zur Freude der Trierer hier eingetroffen, wollte man einen Fackelzug veranstalten; der krawallsüchtige Diktatur-Kandidat Sebaldt untersagte ihn. Wir haben gewiß die beste Gelegenheit, uns in dem passiven Widerstande zu üben. Soeben geht ein Zug durch die Straßen zu Ehren Rob. Blum's und aller Gefallenen in Wien, und zugleich ziehen zwei Compagnien 26ger nebst zwei Geschützen nach dem benachbarten Bernkastel. Daselbst war gestern der Teufel los. Der Korrespondent der Kölnischen Zeitung, Advokat Bolz, in Begleitung von 300 Soldaten, war von Sebaldt als Regierungskommissär dorthin gesandt; nachdem er die Beamten und Gemeindevorsteher gehörig bearbeitet, erkannte er, daß all sein Wirken bei dem Bernkastler Volke fruchtlos sein würde, so lange der Führer der demokratischen Partei daselbst, Coblenz, der Steuerzahlung entgegen arbeiten könnte. Also sollte Coblenz verhaftet werden. Die 300 M. Soldaten waren zu dem Ende vor dem Hause des Demagogen aufgestellt. Coblenz widersetzte sich; die Glocken in Berukastel und in den nahen Ortschaften läuteten Sturm; es schaaren sich viele mit Gewehren, Sensen und Piken bewaffnete Männer und Frauen zusammen; das Militär zieht sich zurück, Bolz wird geprügelt, Coblenz bleibt in Freiheit. Das geschah gestern Nachmittag; gestern Abend kehrte der für's Vaterland geprügelte Korrespondent der Kölnischen Zeitung hierher zurück; das eben abgehende Militär soll Bernkastel züchtigen, wohl in Belagerungszustand setzen. Man hat Lust, in bewaffnetem Zug, den wackern Bernkastelern zu Hülfe zu ziehen. Aber wir sind behext von der Phrase des passiven Widerstandes. In Saarbrück haben das einrückende Militar und Kommissäre des H. Sebaldt eine ähnliche Revolte hervorgerufen. Auch dorthin ist militärische Verstärkung beordert. 126 Andernach, 24. Nov. Auch bei uns sind jetzt die Folgen einer Revolution eingetreten. Und wenn man fragt, worin die uns schuldgegebene Revolution bestehe, so halten die Reaktionäre uns entgegen, daß am letzten Sonntage eine Volksversammlung hier gehalten, bei dieser eine Adresse entworfen und abgehandelt worden, welche das Verfahren der Nationalversammlung gegenüber den Anmaßungen der Krone und des Ministeriums vollkommen billige. In Folge dessen sind wir heute mit einem Militär-Exekutions-Kommando von 150 Mann beglückt worden, weil nämlich jene Adresse -- risum teneatis amici -- Befürchtungen für das hiesige Landwehrzeughaus erregte. Wahr an dieser Sache ist, daß zwar auf Waffen von keiner Seite spekulirt wurde, der ärmere Theil der hiesigen Bevölkerung jedoch unpräjudicirlich meinen wollte, "zu den im Zeughause befindlichen Livree-Stücken habe das Volk das Tuch und den Macherlohn bezahlt, und es habe daher einigermaßen ein Recht, sich mit Kleidungsstücken für den kommenden Winter zu versehen." Wir haben uns mit der uns näher liegenden Frage zu befassen, wie unsere ungebenen Gäste in kürzester Frist weiter zu spediren seien. Auf dem Wege des Rechtes wird dies sobald nicht gehen, wohl aber auf jenem des Gesetzes. Ich meine, daß den Soldaten nur das, was ihnen gesetzlich zusteht, aber auch nichts weiter, zu verabreichen sei, und stehe dafür, daß sie dann bald von selbst fortlaufen werden. [unleserliches Material] Gerresheim, den 27. Nov. Das System der Volksentwaffnung ist auch in unserm Städchen schon zur Ausführung gekommen. Unsere sehr gut organisirte Bürgerwehr ist des Dienstes enthoben von dem Schellfischfreunde Herrn Spiegel unter Zusage freundlicher Unterstützung durch den Communisten Drigalsky. Der dienstenthebende Erlaß ist dadurch motivirt, daß der Chef der Bürgerwehr am 18. d. M. einer antibrandenburgischen Volksversammlung beigewohnt und ohne Rücksicht auf seine Eigenschaft als Chef in eine aus drei Personen bestehende Deputation gewählt wurde, die den Auftrag hatte, den hiesigen Beamten die allerwärts gestellte Frage vorzulegen, welche Stellung sie der Nationalversammlung gegenüber einzunehmen gedächten, worauf befriedigende Antworten und, jetzt freilich anders interpretirte, Ehrenwörter erfolgten. Das Offizierkorps der Bürgerwehr hat einen Protest eingereicht. 28 Münster, 27. Novbr. Die Absicht des hochverrätherischen Ministerii, nach und nach alle größeren Städte in Belagerungszustand zu erklären, um die spärlichen Märzerrungenschaften abzuringen, wird auch hier bald erreicht werden. Als Mittel dazu muß hier Aufhetzung des Militärs gegen die Bürger dienen, wodurch man Konflikte herbeizuführen hofft, welche einen willkommenen Anlaß zur Erklärung des Belagerungszustandes darbieten. Da nun die hiesige Garnison mit Ausnahme des aus der getreuen Mark stammenden Theils der Husaren sehr bürgerfreundlich, ja fast vollständig demokratisirt ist, so hat der mit dem kommandirenden General v. d. Gröben und dem Regierungs- und interimistischen Oberpräsidenten v. Bodelschwingh befreundete interimistischen Oberbürgermeister v. Olfers in Gemeinschaft mit diesen Personen ein Bataillon des Mindener 15. Inf.-Reg., welches eben aus Köln, wo es sich durch seine Brutalität bereits ausgezeichnet hatte, zurückberufen war, hierher kommen lassen. Das Bataillon langte gleichzeitig mit den Deputirten zu dem am 18. hier begonnenen Provinzialkongreß an, nachdem es in Hamm scharf geladen. Gleich am ersten Abend begannen diese Fünfzehner die Bürger, nicht minder aber auch die von ihnen mit dem ein Schimpfwort seinsollenden Ehrentitel "Demokraten" belegten Soldaten des hiesigen 13. Inf.-Reg., auf welche die täglich auf dem Appell vorgelesenen Schmähartikel gegen die Nationalversammlung und die unter sie vertheilten, o Schmach! bei einem hiesigen Buchhändler, dem Verleger des servilen Westfälischen Merkurs, gedruckten, die wildeste Rache gegen das "Demokratengesindel" athmenden Pamphlete bisher nicht den mindesten Eindruck gemacht haben, zu vexiren. Desto mehr Eindruck machten dieselben auf die Fünfzehner und die aus der Mark stammenden Husaren, und um diesen Eindruck noch zu erhöhen, wurden und werden dieselben jeden Abend von ihren Offizieren und Feldwebeln resp. Wachtmeistern, (aus welchen Fonds?) regalirt. Dies Verfahren hat ihnen solchen Muth eingeflößt, daß sie schon anfangen, am hellen Tage mit Bürgern anzubinden und daß namentlich Fünfzehner auf öffentlichem Markte bekannte Demokraten geohrfeigt haben. Ein Bürger, dem solches widerfuhr, beschwerte sich beim Bataillonskommandeur, und was geschah? "Der Kommandeur belobte auf dem Appell die Thäter vor dem ganzen Bataillon und hieß sie vortreten, damit er ihnen die Hand geben könne, was auch geschah." Daß ein solches Benehmen, das einen Bestandtheil der gerühmten preußischen Disziplin ausmacht, die Soldaten zu noch größeren Heldenstreichen encouragiren mußte, versteht sich von selbst und so werden die Ereignisse des gestrigen Abends Niemand überraschen. Um 6 1/2 Uhr zogen trunkene Haufen von Fünfzehnern, worunter auch einige Husaren, mit gezücktem Säbel durch die Straßen, wo sie jeden Vorübergehenden insultirten, zur Knappschen Reitbahn, in der eine Volksversammlung abgehalten ward. Nachdem sie von Außen die Fenster eingeworfen, drangen sie unter wildem Geschrei und "ich bin ein Preuße" brüllend, ein und hieben ohne Weiteres auf die Anwesenden ein. Die wehrlose Menge bat um Schonung, aber die wilde Horde schonte weder Greis noch Kind, wüthete vielmehr gleich tollen Hunden. Wie viele tödtliche Verwundungen vorgefallen sind, ist noch nicht konstatirt, einem Bürger ist der Kopf gänzlich gespalten. Erst als Alles vorüber war -- die Mordscene währte über eine halbe Stunde -- erschienen einige Offiziere vom 15. Regiment auf dem Kampfplatz, obgleich die Kunde von dem Mordanfall, wenn derselbe, wie zu vermuthen, nicht gar von ihnen ausgegangen, ohne Zweifel sofort in die benachbarte Kaserne, in der die Fünfzehner zum Theil einquartirt sind, gedrungen war. Man kann sich die Wuth des Volkes denken, dasselbe lief racheschnaubend durch die Straßen unter dem Rufe: "Bürgerwehr heraus!" viele Wehrmänner eilten auch mit ihren Waffen herbei, obgleich das Kommando der Bürgerwehr, welches dieselben nur zu Ehren des Reichsverwesers und des Königs bestimmt glaubt, nichts von sich hören noch sehen ließ, und wer weiß, was passirt wäre, wenn nicht der kommandirende General sogleich hätte Generalmarsch schlagen und sämmtliches Militär in die Kaserne ziehen lassen. Die Bürgerschaft will die sofortige Entfernung des fremden Bataillons beantragen. Arme Bürgerschaft! Dasselbe ist ja gerade zu dem Zwecke hier, um dich im Zaum zu halten. Ich bin überzeugt, man wird das Bataillon seines Patriotismus wegen noch beloben. So ist es denn jetzt dahin gekommen, daß man ohne Lebensgefahr nicht mehr über die Straße gehen darf. Der Belagerungszustand wird nicht lange ausbleiben. Nachschrift. Vormittags 11 1/2 Uhr. So eben höre ich, daß auf dem Markte Bürger und Soldaten des 15. Inf.-Reg. in vollem Kampf mit einander begriffen sind. Der kommandirende General reitet unter meinem Fenster vorbei dorthin; der Generalmarsch ertönt. Auch für die Bürgerwehr wird Allarm geblasen. Ich eile auf den Sammelplatz. Nachmittags 3 Uhr. Ich begebe mich auf einen Augenblick nach Hause, um meinen Bericht fortzusetzen. Der Kampf von diesem Morgen ist allerdings ernstlich gewesen; Arbeiter, mit Aexten, Hämmern und Knitteln bewaffnet, hatten furchtbar unter den Fünfzehnern gewirthschaftet. Fünf von denselben sollen bereits todt oder am Sterben sein, zwei habe ich, während ich als Wehrmann zum Markte eilte, an mir auf einer Bahre vorbeitragen gesehen; über 40 sollen blessirt sein und haben sich die meisten nur unter dem Schutze von Dreizehnern, die das Volk überall hoch leben ließ, retten können. Die Arbeiter sollen mit einer beispiellosen Tollkühnheit auf die in großen Haufen auf dem Markte versammelten Fünfzehnern losgegangen sein und ihnen die Gewehre entrissen oder zerbrochen haben Als ich auf dem Markte ankam, war der Kampf vorbei und kein Fünfzehner mehr zu sehen. Eben vorher hatte das Volk die Thüren eines Hauses, in dem es einen Offizier dieses Regiments am Fenster stehen gesehen, erbrochen, und der Offizier wäre unfehlbar ermordet worden, wenn nicht zeitig genug die Bürgerwehr angelangt wäre. Die Stadt bot einen düstern, drohenden Anblick. Alle Läden, fast alle Häuser waren geschlossen, Arbeiterhaufen zogen mit drohendem Rachegeschrei durch die Straßen; die Bürgerwehr selbst hatte sich auf einen Kampf gefaßt gemacht und, freilich ohne Befehl, scharf geladen. Der geängstigte Magistrat ließ an den Straßenecken Plakate anschlagen, worin er den Vorwurf, als habe er die Fünfzehner hereingerufen, als unwahr bezeichnete, und unter der Bitte an die "Gutgesinnten" dafür zu sorgen versprach, daß die Fünfzehner die Stadt verließen. Ueberall wurden diese Plakate vom aufgeregten Volke und von der Bürgerwehr abgerissen und zerfetzt. Der Magistrat und das Kommando der Bürgerwehr begab sich zum kommandirenden General, um ihn zu bitten, die Fünfzehner sofort aus der Stadt zu entfernen. Nachmittags 5 1/2 Uhr. Der kommandirende General hat erklärt, dem Wunsche nach Entfernung der Fünfzehner nicht sogleich willfahren zu können, weil die Untersuchung des gestrigen Vorfalls hier an Ort und Stelle geschehen müsse, hat aber versprochen, die Fünfzehner stets in den Kasernen zu konsigniren. Ich möchte denselben auch nicht rathen, sich sehen zu lassen. Uebrigens sollen von jetzt an starke Bürgerwehrpatrouillen Tag und Nacht die Straßen durchziehen. Man befürchtet aber noch gegenseitige blutige Konflikte, da die gegenseitige Erbitterung zu groß ist, und als das Ende vom Liede die Erklärung des Belagerungszustandes. 065 Münster, 28. Nov. Ueber die Vorfälle hierselbst schweigt der "Merkur" gänzlich, als wäre nichts vorgefallen; wahrscheinlich hat ihm Niemand einen Artikel über das, was unter seinen Augen vorgeht, zugestellt. Gestern Morgen sammelten sich viele Haufen von Bürgern, und verlangten die Entfernung der 15er, die ihnen schon gestern versprochen war. Statt dessen zeigten sich gerade diese Truppen bewaffnet. Es wurden mehrere ergriffen und hart mitgenommen. Das Volk holte den Feind aus einer Schutzwache der 13er heraus. Da die Militärbehörde den Haß kennt, den das Volk auf die 15er hat, so wäre deren Konsignirung die höchste Pflicht gewesen. Hiernächst trat die Bürgerwehr unter die Waffen, und hielt die Ruhe aufrecht, weil kein Soldat des 15. Regiments sich blicken ließ. Am Abende hatten sich jedoch einige Mann, sowie auch Artilleristen, mit ihren Waffen aus den Kasernen begeben und zeigten sich mit entblößten Klingen auf dem Markt. Sie wurden sofort verhaftet. -- Die Anarchie ist unter den Truppen! Was es heute geben wird, weiß der Himmel. -- Schlimm, daß das Kriminalgericht sich hat verleiten lassen, gestern Abend einen hier sehr beliebten jungen Mann, einen Ober-Landesgerichts-Referendar, einzuziehen, wegen eines vor 10-12 Tagen ausgegebenen Plakats einer Volksversammlung von 3000 Mann. Dasselbe ist höchst unschuldig, enthält weniger als jede oppositionelle Zeitung täglich bringt, und würde wohl nirgend solche Schritte veranlaßt haben. Vielleicht freut sich aber die Militärbehörde sehr, daß sie einberichten kann, es seien hier aufrührerische Plakate verbreitet worden, das Militär deshalb aufgebracht u. s. w. -- Gegen das Militär enthielt aber das Plakat nichts, auch leben wir noch jetzt mit den 13ern und der Artillerie sehr gut. [Deutschland] [Fortsetzung] Revolution angewandt worden und mit Erfolg; die Revolution ist in Wien, wie in Paris, unter Blut und rauchenden Trümmern erstickt worden. Aber fast scheint es, als sollte der Sieg vom 1. Nov. zugleich den Punkt bezeichnen, wo die rückgängige Bewegung umschlägt und eine Krise eintritt. Der Versuch, die Wiener Heldenthat in Preußen Stück für Stück zu widerholen, ist gescheitert; im günstigsten Falle, selbst wenn das Land die konstituirende Versammlung verlassen sollte, hat die Krone nur einen halben, nichts entscheidenden Sieg zu erwarten, und jedenfalls ist der erste entmuthigende Eindruck der Wiener Niederlage gebrochen, gebrochen durch den plumpen Versuch, sie in jedem ihrer Details zu kopiren. Und während der Norden von Europa entweder schon wieder in die Knechtschaft von 1847 zurückgeschleudert ist, oder mühsam die Eroberungen der ersten Monate gegen die Contrerevolution vertheidigt, erhebt sich plötzlich Italien wieder. Livorno, die einzige italienische Stadt, die durch den Fall Mailands zu einer siegreichen Revolution aufgestachelt wurde, Livorno hat endlich seinen demokratischen Aufschwung dem ganzen Toskana mitgetheilt und ein entschieden demokratisches Ministerium durchgesetzt, entschiedener als je eins in einer Monarchie und so entschieden, wie nur wenige in einer Republik bestanden; ein Ministerium, das auf den Fall Wiens und die Wiederherstellung Oestreichs mit der Proklamation der italiänischen konstituirenden Nationalversammlung antwortet. Und der revolutionäre Feuerbrand, den dies demokratische Ministerium damit in das italienische Volk geschleudert, hat gezündet: in Rom ist Volk, Nationalgarde und Armee wie Ein Mann aufgestanden, hat das tergiversirende, kontrerevolutionäre Ministerium gestürzt, ein demokratisches Ministerium errungen und an der Spitze seiner durchgesetzten Forderungen steht: Regierung nach dem Prinzip der italienischen Nationalität, d. h. Beschickung der italienischen Constituante, die Guerazzi vorgeschlagen. Daß Piemont und Sizilien folgen werden, ist keinem Zweifel unterworfen. Sie werden folgen, wie sie im vorigen Jahre gefolgt sind. Und nun? Wird diese zweite Auferstehung Italiens binnen drei Jahren, wie die vorhergehende, die Morgenröthe eines neuen Aufschwungs der europäischen Demokratie sein? Fast hat es den Anschein. Das Maaß der Contrerevolution ist voll bis zum Ueberlaufen. Frankreich im Begriff, sich einem Abentheuerer in die Arme zu werfen, um nur der Herrschaft Cavaignac's und Marrast's zu entgehn, Deutschland zerrissener als je, Oesterreich erdrückt, Preußen am Vorabend des Bürgerkriegs, alle, alle Illusionen des Februar und März unbarmherzig vom Sturmschritt der Geschichte zertreten. — Wahrlich, das Volk könnte aus neuen Siegen der Contrerevolution nichts mehr lernen! Möge es die Lehren dieser letzten sechs Monate bei der kommenden Gelegenheit rechtzeitig und furchtlos anwenden. * Köln, 29. Nov. Die Lakaien-Natur deutscher Professoren wird in den gelehrten Herrn zu Berlin und Halle in ihrem Ideale übertroffen. Vor diesem Knechtssinn steht der russische Leibeigene beschämt da. Der fromme Buddhist, der gläubig die Excremente seines Dalai-Lama hinunterschluckt, er hört verwundert die Sage von den Berliner-Hallischen Buddhisten, deren Prostitution vor dem Königthum „von Gottes Gnaden“ ihm als Fabel erscheint. Er glaubt erst an die Wirklichkeit, wenn man ihm die Adressen der Berliner und Hallischen Professoren an den König von Preußen, resp. vom 24. und 21. Nov., nebst den eigenhändigen Unterschriften vorzeigt. „Es war die Freiheit der Berathung aufgehoben, das Leben der Abgeordneten bedroht, die Würde der Versammlung, die Ehre der Nation geschändet, und die wohlmeinendsten und gerechtesten Vorschläge, dieser Schreckensherrschaft ein Ziel zu setzen, scheiterten an dem Widerstande derer, denen sie diente.“ Mit diesen und ähnlichen frechen Lügen und mit den hündischsten Versicherungen angestammter Treue fabriziren 80 Berliner Professoren — unter ihnen Hengstenberg, Schönlein, Ehrenberg, Böckh, die beiden Grimm etc. — eine Adresse an den König, worin sie ihm für die Gewaltschritte des Brandenburgischen Ministeriums ihren gelehrten Beifall zuiahen. Aehnlich lautet die Adresse von 19 Hallischen Professoren, die aber die Komik so weit treiben, daß sie nebenbei von dem „Ernst ihres Berufes“ sprechen. Des Pudels Kern in beiden Adressen ist eine unbeschreibliche Wuth über die Steuerverweigerung. Sehr begreiflich! Keine Steuern mehr — und die privilegirte Gelehrsamkeit macht Bankerut. Diesem geldgierigen Professorengeschlecht darf nur im Entferntesten der Beutel bedroht werden, so steht die ganze Wissenschaft in Feuer und Flammen. Ihr Monopol wurzelt im Königthum „von Gottes Gnaden.“ Sie schreiben ihm Ergebenheitsadressen, d. h. sie sind ihrem eigenen Monopol bis zum Tode ergeben. Erringt das Volk den schließlichen Sieg, so werden die Herren trotz alles „Ernstes ihres wissenschaftlichen Berufes“ sich schnell auf Seite der jetzt von ihnen so sehr verdammten Volkssouveränetät zu stellen wissen. Das Volk wird ihnen aber dann sein „zu spät!“ zurufen und der ganzen Misere der privilegirten Gelehrsamkeit ein rasches Ende bereiten. * Köln, 28. November. Das Organ der Potsdamer Kamarilla, die berüchtigte „Kreuzritterin“, belehrt uns, daß es in Preußen „zwei ganz verschiedene Völker“ giebt, welche hier nach einander auftreten. Das Eine wird von dem gottbegnadeten Blatte also charakterisirt: „Zuerst jener geistig-lächerliche Haufe, geführt von ein Paar Dutzend ehrgeiziger Schurken, gefolgt von einem Schwarm in ihrer Armseligkeit und Feigheit links und rechts zappelnder Magistrate, ähnlich den Hanswurst-Figuren unserer Buchbinder; ‥‥ gefolgt von einem Haufen Industrierittern aller Art, von der mildesten (Abgeordneter Milde) Eitelkeitskränze binderischsten (Pinder — welch' geistreiches Potsdamer Wortspiel!) Gattung bis zu eigentlichsten Taschendieben und Wegelagerern herab — dies ist das erste Volk,“ Will der Leser nun auch das zweite preußische Volk sehen? Voici. Es ist „dies brave, bedächtige, gesetzliche, selbst gegen Esel, wie du (erstes Volk) bist, gesetzliche Volk, was aber bei seiner Gesetzlichkeit eine helle, feurige Liebe zu seinem Könige („von Gottes Gnaden“), zu dem Andenken seiner braven Verfahren (also keine Abschaffung des Adels und was drum und dran hängt), zu dem Ruhme und Ehrenbestande seines herrlichen, jugendfrischen, sieggekrönten Heeres (l. G. im Schauspielhause zu Berlin) hat“, dieses Volk, „welches gar nicht begreift, wie du Esel (erstes Volk) dazu kömmst, gegen den Grafen Brandenburg zu bellen“ (die königl. preußischen Esel bellen: Fortschritt im christlich-germanischen Staate). Der Wahlspruch dieses zweiten preußischen Volkes ist: „dem Esel die Peitsche und dem Hunde der Knüttel.“ Dasselbe Volk, welches seit dem März die Praxis dieses Wahlspruchs auf einige Wochen unterbrechen ließ, „rückt nun in die Reihe der Mitsprechenden ein“ und dankt dem Hrn. Brandenburg, daß er den ersten Schritt gethan, „es von dem Schmutzgesindel zu reinigen, was auf seiner Haupt klebte, nämlich von dir (erstes Volk).“ Dieses zweite Volk fühlt sich „wie in einem duftenden Kräuterbade erquickt, daß es endlich Thaten, und zwar preußische (ja wohl, ächt-preußische!) Thaten sieht. Denn „binnen 8 Tagen wird sich Jedermann überzeugen können, daß ein populäreres Ministerium, als das des Grafen Brandenburg, in Preußen nicht zu finden ist.“ Dies die neueste Entdeckung der braven „Kreuzritterin mit Gott, für König und Vaterland!“ 43 Trier, 27. Novbr. Wir rücken dem Belagerungszustande von Tag zu Tag näher. Unser Regierungspräsident Sebaldt hat entweder den Befehl von oben, Trier à tout prix in Belagerungszustand zu versetzen, oder er selbst geht daauf los, sich die Falten eines Diktatorgewandes zu gewinnen. Die Waffen unserer im Frühjahr aufgelös'ten Bürgerwehr lagen bisher auf dem Rathhause. Sebaldt läßt den Gemeinderath sich erklären, ob er dafür stehe, daß diese Waffen nicht mißbraucht würden. Da der Stadtrath in seiner bornirten Aengstlichkeit eine solche Erklärung verweigerte, entfaltete sich urplötzlich die gesammte Militärmacht der Stadt; die Ulanen machten Patrouillen durch die Umgebung; die Artillerie stand auf dem Palastplatze mit ihrem Geschütz; die Infanterie hielt einen großen Theil der Stadt besetzt. Kein Mensch außer Sebaldt, verstand dies Manöver, bis einer der Gemeinderathsvorsteher auf das Rathhaus gerufen und aufgefordert wurde, das Waffendepot zu öffnen. Als sich dieser weigerte, erzwang man den Schlüssel mit Gewalt, drang in das Depot ein und nahm die Waffen, das Eigenthum der Stadt, um sie in das Militärwaffendepot zu transportiren. Die Bürger ärgerten sich, blieben aber ruhig. Am andern Tage beschloß der Gemeinderath, die geraubten Waffen wieder zu verlangen und im Falle der verweigerten Herausgabe, den Weg Rechtens einzuschlagen. Das ist das Höchste, wozu unsere Stadträthe fähig sind. Ferner ließ Sebaldt eine Extrabeilage der hier erscheinenden, demokratischen Flugblatter, durch einen Gensd'armen dem Kolporteur wegnehmen. Drei Tage darauf läßt der Untersuchungsrichter den Drucker derselben in's Gefängniß führen. Den Grund zu diesem Verfahren gab ein Brief aus Schlesien ab, worin es heißt, daß Niederschlesien losbrechen werde, um Wien und Berlin zu rächen, daß Breslau der Centralpunkt werde für die deutsche sociale Republik. Bei dem Redakteur der Flugblätter, S. Imandt, wurde Haussuchung gehalten, indeß ohne Erfolg; S. Imandt sollte auch verhaftet werden, er entzog sich der Justiz. Noch mehr von Sebaldt. Da Louis Simon zur Freude der Trierer hier eingetroffen, wollte man einen Fackelzug veranstalten; der krawallsüchtige Diktatur-Kandidat Sebaldt untersagte ihn. Wir haben gewiß die beste Gelegenheit, uns in dem passiven Widerstande zu üben. Soeben geht ein Zug durch die Straßen zu Ehren Rob. Blum's und aller Gefallenen in Wien, und zugleich ziehen zwei Compagnien 26ger nebst zwei Geschützen nach dem benachbarten Bernkastel. Daselbst war gestern der Teufel los. Der Korrespondent der Kölnischen Zeitung, Advokat Bolz, in Begleitung von 300 Soldaten, war von Sebaldt als Regierungskommissär dorthin gesandt; nachdem er die Beamten und Gemeindevorsteher gehörig bearbeitet, erkannte er, daß all sein Wirken bei dem Bernkastler Volke fruchtlos sein würde, so lange der Führer der demokratischen Partei daselbst, Coblenz, der Steuerzahlung entgegen arbeiten könnte. Also sollte Coblenz verhaftet werden. Die 300 M. Soldaten waren zu dem Ende vor dem Hause des Demagogen aufgestellt. Coblenz widersetzte sich; die Glocken in Berukastel und in den nahen Ortschaften läuteten Sturm; es schaaren sich viele mit Gewehren, Sensen und Piken bewaffnete Männer und Frauen zusammen; das Militär zieht sich zurück, Bolz wird geprügelt, Coblenz bleibt in Freiheit. Das geschah gestern Nachmittag; gestern Abend kehrte der für's Vaterland geprügelte Korrespondent der Kölnischen Zeitung hierher zurück; das eben abgehende Militär soll Bernkastel züchtigen, wohl in Belagerungszustand setzen. Man hat Lust, in bewaffnetem Zug, den wackern Bernkastelern zu Hülfe zu ziehen. Aber wir sind behext von der Phrase des passiven Widerstandes. In Saarbrück haben das einrückende Militar und Kommissäre des H. Sebaldt eine ähnliche Revolte hervorgerufen. Auch dorthin ist militärische Verstärkung beordert. 126 Andernach, 24. Nov. Auch bei uns sind jetzt die Folgen einer Revolution eingetreten. Und wenn man fragt, worin die uns schuldgegebene Revolution bestehe, so halten die Reaktionäre uns entgegen, daß am letzten Sonntage eine Volksversammlung hier gehalten, bei dieser eine Adresse entworfen und abgehandelt worden, welche das Verfahren der Nationalversammlung gegenüber den Anmaßungen der Krone und des Ministeriums vollkommen billige. In Folge dessen sind wir heute mit einem Militär-Exekutions-Kommando von 150 Mann beglückt worden, weil nämlich jene Adresse — risum teneatis amici — Befürchtungen für das hiesige Landwehrzeughaus erregte. Wahr an dieser Sache ist, daß zwar auf Waffen von keiner Seite spekulirt wurde, der ärmere Theil der hiesigen Bevölkerung jedoch unpräjudicirlich meinen wollte, „zu den im Zeughause befindlichen Livree-Stücken habe das Volk das Tuch und den Macherlohn bezahlt, und es habe daher einigermaßen ein Recht, sich mit Kleidungsstücken für den kommenden Winter zu versehen.“ Wir haben uns mit der uns näher liegenden Frage zu befassen, wie unsere ungebenen Gäste in kürzester Frist weiter zu spediren seien. Auf dem Wege des Rechtes wird dies sobald nicht gehen, wohl aber auf jenem des Gesetzes. Ich meine, daß den Soldaten nur das, was ihnen gesetzlich zusteht, aber auch nichts weiter, zu verabreichen sei, und stehe dafür, daß sie dann bald von selbst fortlaufen werden. [unleserliches Material] Gerresheim, den 27. Nov. Das System der Volksentwaffnung ist auch in unserm Städchen schon zur Ausführung gekommen. Unsere sehr gut organisirte Bürgerwehr ist des Dienstes enthoben von dem Schellfischfreunde Herrn Spiegel unter Zusage freundlicher Unterstützung durch den Communisten Drigalsky. Der dienstenthebende Erlaß ist dadurch motivirt, daß der Chef der Bürgerwehr am 18. d. M. einer antibrandenburgischen Volksversammlung beigewohnt und ohne Rücksicht auf seine Eigenschaft als Chef in eine aus drei Personen bestehende Deputation gewählt wurde, die den Auftrag hatte, den hiesigen Beamten die allerwärts gestellte Frage vorzulegen, welche Stellung sie der Nationalversammlung gegenüber einzunehmen gedächten, worauf befriedigende Antworten und, jetzt freilich anders interpretirte, Ehrenwörter erfolgten. Das Offizierkorps der Bürgerwehr hat einen Protest eingereicht. 28 Münster, 27. Novbr. Die Absicht des hochverrätherischen Ministerii, nach und nach alle größeren Städte in Belagerungszustand zu erklären, um die spärlichen Märzerrungenschaften abzuringen, wird auch hier bald erreicht werden. Als Mittel dazu muß hier Aufhetzung des Militärs gegen die Bürger dienen, wodurch man Konflikte herbeizuführen hofft, welche einen willkommenen Anlaß zur Erklärung des Belagerungszustandes darbieten. Da nun die hiesige Garnison mit Ausnahme des aus der getreuen Mark stammenden Theils der Husaren sehr bürgerfreundlich, ja fast vollständig demokratisirt ist, so hat der mit dem kommandirenden General v. d. Gröben und dem Regierungs- und interimistischen Oberpräsidenten v. Bodelschwingh befreundete interimistischen Oberbürgermeister v. Olfers in Gemeinschaft mit diesen Personen ein Bataillon des Mindener 15. Inf.-Reg., welches eben aus Köln, wo es sich durch seine Brutalität bereits ausgezeichnet hatte, zurückberufen war, hierher kommen lassen. Das Bataillon langte gleichzeitig mit den Deputirten zu dem am 18. hier begonnenen Provinzialkongreß an, nachdem es in Hamm scharf geladen. Gleich am ersten Abend begannen diese Fünfzehner die Bürger, nicht minder aber auch die von ihnen mit dem ein Schimpfwort seinsollenden Ehrentitel „Demokraten“ belegten Soldaten des hiesigen 13. Inf.-Reg., auf welche die täglich auf dem Appell vorgelesenen Schmähartikel gegen die Nationalversammlung und die unter sie vertheilten, o Schmach! bei einem hiesigen Buchhändler, dem Verleger des servilen Westfälischen Merkurs, gedruckten, die wildeste Rache gegen das „Demokratengesindel“ athmenden Pamphlete bisher nicht den mindesten Eindruck gemacht haben, zu vexiren. Desto mehr Eindruck machten dieselben auf die Fünfzehner und die aus der Mark stammenden Husaren, und um diesen Eindruck noch zu erhöhen, wurden und werden dieselben jeden Abend von ihren Offizieren und Feldwebeln resp. Wachtmeistern, (aus welchen Fonds?) regalirt. Dies Verfahren hat ihnen solchen Muth eingeflößt, daß sie schon anfangen, am hellen Tage mit Bürgern anzubinden und daß namentlich Fünfzehner auf öffentlichem Markte bekannte Demokraten geohrfeigt haben. Ein Bürger, dem solches widerfuhr, beschwerte sich beim Bataillonskommandeur, und was geschah? „Der Kommandeur belobte auf dem Appell die Thäter vor dem ganzen Bataillon und hieß sie vortreten, damit er ihnen die Hand geben könne, was auch geschah.“ Daß ein solches Benehmen, das einen Bestandtheil der gerühmten preußischen Disziplin ausmacht, die Soldaten zu noch größeren Heldenstreichen encouragiren mußte, versteht sich von selbst und so werden die Ereignisse des gestrigen Abends Niemand überraschen. Um 6 1/2 Uhr zogen trunkene Haufen von Fünfzehnern, worunter auch einige Husaren, mit gezücktem Säbel durch die Straßen, wo sie jeden Vorübergehenden insultirten, zur Knappschen Reitbahn, in der eine Volksversammlung abgehalten ward. Nachdem sie von Außen die Fenster eingeworfen, drangen sie unter wildem Geschrei und „ich bin ein Preuße“ brüllend, ein und hieben ohne Weiteres auf die Anwesenden ein. Die wehrlose Menge bat um Schonung, aber die wilde Horde schonte weder Greis noch Kind, wüthete vielmehr gleich tollen Hunden. Wie viele tödtliche Verwundungen vorgefallen sind, ist noch nicht konstatirt, einem Bürger ist der Kopf gänzlich gespalten. Erst als Alles vorüber war — die Mordscene währte über eine halbe Stunde — erschienen einige Offiziere vom 15. Regiment auf dem Kampfplatz, obgleich die Kunde von dem Mordanfall, wenn derselbe, wie zu vermuthen, nicht gar von ihnen ausgegangen, ohne Zweifel sofort in die benachbarte Kaserne, in der die Fünfzehner zum Theil einquartirt sind, gedrungen war. Man kann sich die Wuth des Volkes denken, dasselbe lief racheschnaubend durch die Straßen unter dem Rufe: „Bürgerwehr heraus!“ viele Wehrmänner eilten auch mit ihren Waffen herbei, obgleich das Kommando der Bürgerwehr, welches dieselben nur zu Ehren des Reichsverwesers und des Königs bestimmt glaubt, nichts von sich hören noch sehen ließ, und wer weiß, was passirt wäre, wenn nicht der kommandirende General sogleich hätte Generalmarsch schlagen und sämmtliches Militär in die Kaserne ziehen lassen. Die Bürgerschaft will die sofortige Entfernung des fremden Bataillons beantragen. Arme Bürgerschaft! Dasselbe ist ja gerade zu dem Zwecke hier, um dich im Zaum zu halten. Ich bin überzeugt, man wird das Bataillon seines Patriotismus wegen noch beloben. So ist es denn jetzt dahin gekommen, daß man ohne Lebensgefahr nicht mehr über die Straße gehen darf. Der Belagerungszustand wird nicht lange ausbleiben. Nachschrift. Vormittags 11 1/2 Uhr. So eben höre ich, daß auf dem Markte Bürger und Soldaten des 15. Inf.-Reg. in vollem Kampf mit einander begriffen sind. Der kommandirende General reitet unter meinem Fenster vorbei dorthin; der Generalmarsch ertönt. Auch für die Bürgerwehr wird Allarm geblasen. Ich eile auf den Sammelplatz. Nachmittags 3 Uhr. Ich begebe mich auf einen Augenblick nach Hause, um meinen Bericht fortzusetzen. Der Kampf von diesem Morgen ist allerdings ernstlich gewesen; Arbeiter, mit Aexten, Hämmern und Knitteln bewaffnet, hatten furchtbar unter den Fünfzehnern gewirthschaftet. Fünf von denselben sollen bereits todt oder am Sterben sein, zwei habe ich, während ich als Wehrmann zum Markte eilte, an mir auf einer Bahre vorbeitragen gesehen; über 40 sollen blessirt sein und haben sich die meisten nur unter dem Schutze von Dreizehnern, die das Volk überall hoch leben ließ, retten können. Die Arbeiter sollen mit einer beispiellosen Tollkühnheit auf die in großen Haufen auf dem Markte versammelten Fünfzehnern losgegangen sein und ihnen die Gewehre entrissen oder zerbrochen haben Als ich auf dem Markte ankam, war der Kampf vorbei und kein Fünfzehner mehr zu sehen. Eben vorher hatte das Volk die Thüren eines Hauses, in dem es einen Offizier dieses Regiments am Fenster stehen gesehen, erbrochen, und der Offizier wäre unfehlbar ermordet worden, wenn nicht zeitig genug die Bürgerwehr angelangt wäre. Die Stadt bot einen düstern, drohenden Anblick. Alle Läden, fast alle Häuser waren geschlossen, Arbeiterhaufen zogen mit drohendem Rachegeschrei durch die Straßen; die Bürgerwehr selbst hatte sich auf einen Kampf gefaßt gemacht und, freilich ohne Befehl, scharf geladen. Der geängstigte Magistrat ließ an den Straßenecken Plakate anschlagen, worin er den Vorwurf, als habe er die Fünfzehner hereingerufen, als unwahr bezeichnete, und unter der Bitte an die „Gutgesinnten“ dafür zu sorgen versprach, daß die Fünfzehner die Stadt verließen. Ueberall wurden diese Plakate vom aufgeregten Volke und von der Bürgerwehr abgerissen und zerfetzt. Der Magistrat und das Kommando der Bürgerwehr begab sich zum kommandirenden General, um ihn zu bitten, die Fünfzehner sofort aus der Stadt zu entfernen. Nachmittags 5 1/2 Uhr. Der kommandirende General hat erklärt, dem Wunsche nach Entfernung der Fünfzehner nicht sogleich willfahren zu können, weil die Untersuchung des gestrigen Vorfalls hier an Ort und Stelle geschehen müsse, hat aber versprochen, die Fünfzehner stets in den Kasernen zu konsigniren. Ich möchte denselben auch nicht rathen, sich sehen zu lassen. Uebrigens sollen von jetzt an starke Bürgerwehrpatrouillen Tag und Nacht die Straßen durchziehen. Man befürchtet aber noch gegenseitige blutige Konflikte, da die gegenseitige Erbitterung zu groß ist, und als das Ende vom Liede die Erklärung des Belagerungszustandes. 065 Münster, 28. Nov. Ueber die Vorfälle hierselbst schweigt der „Merkur“ gänzlich, als wäre nichts vorgefallen; wahrscheinlich hat ihm Niemand einen Artikel über das, was unter seinen Augen vorgeht, zugestellt. Gestern Morgen sammelten sich viele Haufen von Bürgern, und verlangten die Entfernung der 15er, die ihnen schon gestern versprochen war. Statt dessen zeigten sich gerade diese Truppen bewaffnet. Es wurden mehrere ergriffen und hart mitgenommen. Das Volk holte den Feind aus einer Schutzwache der 13er heraus. Da die Militärbehörde den Haß kennt, den das Volk auf die 15er hat, so wäre deren Konsignirung die höchste Pflicht gewesen. Hiernächst trat die Bürgerwehr unter die Waffen, und hielt die Ruhe aufrecht, weil kein Soldat des 15. Regiments sich blicken ließ. Am Abende hatten sich jedoch einige Mann, sowie auch Artilleristen, mit ihren Waffen aus den Kasernen begeben und zeigten sich mit entblößten Klingen auf dem Markt. Sie wurden sofort verhaftet. — Die Anarchie ist unter den Truppen! Was es heute geben wird, weiß der Himmel. — Schlimm, daß das Kriminalgericht sich hat verleiten lassen, gestern Abend einen hier sehr beliebten jungen Mann, einen Ober-Landesgerichts-Referendar, einzuziehen, wegen eines vor 10-12 Tagen ausgegebenen Plakats einer Volksversammlung von 3000 Mann. Dasselbe ist höchst unschuldig, enthält weniger als jede oppositionelle Zeitung täglich bringt, und würde wohl nirgend solche Schritte veranlaßt haben. Vielleicht freut sich aber die Militärbehörde sehr, daß sie einberichten kann, es seien hier aufrührerische Plakate verbreitet worden, das Militär deshalb aufgebracht u. s. w. — Gegen das Militär enthielt aber das Plakat nichts, auch leben wir noch jetzt mit den 13ern und der Artillerie sehr gut. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="0826"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar156_004" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Revolution angewandt worden und mit Erfolg; die Revolution ist in Wien, wie in Paris, unter Blut und rauchenden Trümmern erstickt worden.</p> <p>Aber fast scheint es, als sollte der Sieg vom 1. Nov. zugleich den Punkt bezeichnen, wo die rückgängige Bewegung umschlägt und eine Krise eintritt. Der Versuch, die Wiener Heldenthat in Preußen Stück für Stück zu widerholen, ist gescheitert; im günstigsten Falle, selbst wenn das Land die konstituirende Versammlung verlassen sollte, hat die Krone nur einen halben, nichts entscheidenden Sieg zu erwarten, und jedenfalls ist der erste entmuthigende Eindruck der Wiener Niederlage gebrochen, gebrochen durch den plumpen Versuch, sie in jedem ihrer Details zu kopiren.</p> <p>Und während der Norden von Europa entweder schon wieder in die Knechtschaft von 1847 zurückgeschleudert ist, oder mühsam die Eroberungen der ersten Monate gegen die Contrerevolution vertheidigt, erhebt sich plötzlich Italien wieder. Livorno, die einzige italienische Stadt, die durch den Fall Mailands zu einer siegreichen Revolution aufgestachelt wurde, Livorno hat endlich seinen demokratischen Aufschwung dem ganzen Toskana mitgetheilt und ein entschieden demokratisches Ministerium durchgesetzt, entschiedener als je eins in einer Monarchie und so entschieden, wie nur wenige in einer Republik bestanden; ein Ministerium, das auf den Fall Wiens und die Wiederherstellung Oestreichs mit der Proklamation der italiänischen konstituirenden Nationalversammlung antwortet. Und der revolutionäre Feuerbrand, den dies demokratische Ministerium damit in das italienische Volk geschleudert, hat gezündet: in Rom ist Volk, Nationalgarde und Armee wie Ein Mann aufgestanden, hat das tergiversirende, kontrerevolutionäre Ministerium gestürzt, ein demokratisches Ministerium errungen und an der Spitze seiner durchgesetzten Forderungen steht: Regierung nach dem Prinzip der italienischen Nationalität, d. h. Beschickung der italienischen Constituante, die Guerazzi vorgeschlagen.</p> <p>Daß Piemont und Sizilien folgen werden, ist keinem Zweifel unterworfen. Sie werden folgen, wie sie im vorigen Jahre gefolgt sind.</p> <p>Und nun? Wird diese zweite Auferstehung Italiens binnen drei Jahren, wie die vorhergehende, die Morgenröthe eines neuen Aufschwungs der europäischen Demokratie sein? Fast hat es den Anschein. Das Maaß der Contrerevolution ist voll bis zum Ueberlaufen. Frankreich im Begriff, sich einem Abentheuerer in die Arme zu werfen, um nur der Herrschaft Cavaignac's und Marrast's zu entgehn, Deutschland zerrissener als je, Oesterreich erdrückt, Preußen am Vorabend des Bürgerkriegs, alle, alle Illusionen des Februar und März unbarmherzig vom Sturmschritt der Geschichte zertreten. — Wahrlich, das Volk könnte aus neuen Siegen der Contrerevolution nichts mehr lernen!</p> <p>Möge es die Lehren dieser letzten sechs Monate bei der kommenden Gelegenheit <hi rendition="#g">rechtzeitig</hi> und <hi rendition="#g">furchtlos</hi> anwenden.</p> </div> <div xml:id="ar156_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 29. Nov.</head> <p>Die Lakaien-Natur deutscher Professoren wird in den gelehrten Herrn zu Berlin und Halle in ihrem Ideale übertroffen. Vor diesem Knechtssinn steht der russische Leibeigene beschämt da. Der fromme Buddhist, der gläubig die Excremente seines Dalai-Lama hinunterschluckt, er hört verwundert die Sage von den Berliner-Hallischen Buddhisten, deren Prostitution vor dem Königthum „von Gottes Gnaden“ ihm als Fabel erscheint. Er glaubt erst an die Wirklichkeit, wenn man ihm die Adressen der Berliner und Hallischen Professoren an den König von Preußen, resp. vom 24. und 21. Nov., nebst den eigenhändigen Unterschriften vorzeigt.</p> <p>„Es war die Freiheit der Berathung aufgehoben, das Leben der Abgeordneten bedroht, die Würde der Versammlung, die Ehre der Nation geschändet, und die wohlmeinendsten und gerechtesten Vorschläge, dieser Schreckensherrschaft ein Ziel zu setzen, scheiterten an dem Widerstande derer, denen sie diente.“</p> <p>Mit diesen und ähnlichen frechen Lügen und mit den hündischsten Versicherungen angestammter Treue fabriziren 80 Berliner Professoren — unter ihnen Hengstenberg, Schönlein, Ehrenberg, Böckh, die beiden Grimm etc. — eine Adresse an den König, worin sie ihm für die Gewaltschritte des Brandenburgischen Ministeriums ihren gelehrten Beifall zuiahen.</p> <p>Aehnlich lautet die Adresse von 19 Hallischen Professoren, die aber die Komik so weit treiben, daß sie nebenbei von dem „Ernst ihres Berufes“ sprechen.</p> <p>Des Pudels Kern in beiden Adressen ist eine unbeschreibliche Wuth über die <hi rendition="#g">Steuerverweigerung</hi>. Sehr begreiflich! Keine Steuern mehr — und die privilegirte Gelehrsamkeit macht Bankerut. Diesem geldgierigen Professorengeschlecht darf nur im Entferntesten der Beutel bedroht werden, so steht die ganze Wissenschaft in Feuer und Flammen. Ihr Monopol wurzelt im Königthum „von Gottes Gnaden.“ Sie schreiben ihm Ergebenheitsadressen, d. h. sie sind ihrem eigenen Monopol bis zum Tode ergeben. Erringt das Volk den schließlichen Sieg, so werden die Herren trotz alles „Ernstes ihres wissenschaftlichen Berufes“ sich schnell auf Seite der jetzt von ihnen so sehr verdammten Volkssouveränetät zu stellen wissen. Das Volk wird ihnen aber dann sein „zu spät!“ zurufen und der ganzen Misere der privilegirten Gelehrsamkeit ein rasches Ende bereiten.</p> </div> <div xml:id="ar156_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 28. November.</head> <p>Das Organ der Potsdamer Kamarilla, die berüchtigte „Kreuzritterin“, belehrt uns, daß es in Preußen „zwei ganz verschiedene Völker“ giebt, welche hier nach einander auftreten. Das Eine wird von dem gottbegnadeten Blatte also charakterisirt:</p> <p>„Zuerst jener geistig-lächerliche Haufe, geführt von ein Paar Dutzend ehrgeiziger Schurken, gefolgt von einem Schwarm in ihrer Armseligkeit und Feigheit links und rechts zappelnder Magistrate, ähnlich den Hanswurst-Figuren unserer Buchbinder; ‥‥ gefolgt von einem Haufen Industrierittern aller Art, von der <hi rendition="#g">mildesten</hi> (Abgeordneter <hi rendition="#g">Milde</hi>) Eitelkeitskränze <hi rendition="#g">binder</hi>ischsten (<hi rendition="#g">Pinder</hi> — welch' geistreiches Potsdamer Wortspiel!) Gattung bis zu eigentlichsten Taschendieben und Wegelagerern herab — dies ist das erste Volk,“</p> <p>Will der Leser nun auch das zweite preußische Volk sehen? Voici.</p> <p>Es ist „dies brave, bedächtige, gesetzliche, selbst gegen Esel, wie du (erstes Volk) bist, gesetzliche Volk, was aber bei seiner Gesetzlichkeit eine helle, feurige Liebe zu seinem Könige („von Gottes Gnaden“), zu dem Andenken seiner braven Verfahren (also keine Abschaffung des Adels und was drum und dran hängt), zu dem Ruhme und Ehrenbestande seines herrlichen, jugendfrischen, sieggekrönten Heeres (l. G. im Schauspielhause zu Berlin) hat“, dieses Volk, „welches gar nicht begreift, wie du Esel (erstes Volk) dazu kömmst, gegen den Grafen Brandenburg zu bellen“ (die königl. preußischen Esel <hi rendition="#g">bellen:</hi> Fortschritt im christlich-germanischen Staate).</p> <p>Der Wahlspruch dieses zweiten preußischen Volkes ist: „dem Esel die Peitsche und dem Hunde der Knüttel.“ Dasselbe Volk, welches seit dem März die Praxis dieses Wahlspruchs auf einige Wochen unterbrechen ließ, „rückt nun in die Reihe der Mitsprechenden ein“ und dankt dem Hrn. Brandenburg, daß er den ersten Schritt gethan, „es von dem Schmutzgesindel zu reinigen, was auf seiner Haupt klebte, nämlich von dir (erstes Volk).“</p> <p>Dieses zweite Volk fühlt sich „wie in einem duftenden Kräuterbade erquickt, daß es endlich Thaten, und zwar <hi rendition="#g">preußische</hi> (ja wohl, ächt-preußische!) Thaten sieht. Denn „binnen 8 Tagen wird sich Jedermann überzeugen können, daß ein populäreres Ministerium, als das des Grafen Brandenburg, in Preußen nicht zu finden ist.“</p> <p>Dies die neueste Entdeckung der braven „Kreuzritterin mit Gott, für König und Vaterland!“</p> </div> <div xml:id="ar156_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>43</author></bibl> Trier, 27. Novbr.</head> <p>Wir rücken dem Belagerungszustande von Tag zu Tag näher. Unser Regierungspräsident <hi rendition="#g">Sebaldt</hi> hat entweder den Befehl von oben, Trier à tout prix in Belagerungszustand zu versetzen, oder er selbst geht daauf los, sich die Falten eines Diktatorgewandes zu gewinnen.</p> <p>Die Waffen unserer im Frühjahr aufgelös'ten Bürgerwehr lagen bisher auf dem Rathhause. Sebaldt läßt den Gemeinderath sich erklären, ob er dafür stehe, daß diese Waffen nicht mißbraucht würden. Da der Stadtrath in seiner bornirten Aengstlichkeit eine solche Erklärung verweigerte, entfaltete sich urplötzlich die gesammte Militärmacht der Stadt; die Ulanen machten Patrouillen durch die Umgebung; die Artillerie stand auf dem Palastplatze mit ihrem Geschütz; die Infanterie hielt einen großen Theil der Stadt besetzt.</p> <p>Kein Mensch außer Sebaldt, verstand dies Manöver, bis einer der Gemeinderathsvorsteher auf das Rathhaus gerufen und aufgefordert wurde, das Waffendepot zu öffnen. Als sich dieser weigerte, erzwang man den Schlüssel mit Gewalt, drang in das Depot ein und nahm die Waffen, das Eigenthum der Stadt, um sie in das Militärwaffendepot zu transportiren. Die Bürger ärgerten sich, blieben aber ruhig. Am andern Tage beschloß der Gemeinderath, die geraubten Waffen wieder zu verlangen und im Falle der verweigerten Herausgabe, den Weg Rechtens einzuschlagen. Das ist das Höchste, wozu unsere Stadträthe fähig sind.</p> <p>Ferner ließ Sebaldt eine Extrabeilage der hier erscheinenden, demokratischen Flugblatter, durch einen Gensd'armen dem Kolporteur wegnehmen. Drei Tage darauf läßt der Untersuchungsrichter den Drucker derselben in's Gefängniß führen. Den Grund zu diesem Verfahren gab ein Brief aus Schlesien ab, worin es heißt, daß Niederschlesien losbrechen werde, um Wien und Berlin zu rächen, daß Breslau der Centralpunkt werde für die deutsche sociale Republik. Bei dem Redakteur der Flugblätter, S. Imandt, wurde Haussuchung gehalten, indeß ohne Erfolg; S. Imandt sollte auch verhaftet werden, er entzog sich der Justiz.</p> <p>Noch mehr von Sebaldt. Da <hi rendition="#g">Louis Simon</hi> zur Freude der Trierer hier eingetroffen, wollte man einen Fackelzug veranstalten; der krawallsüchtige Diktatur-Kandidat Sebaldt untersagte ihn. Wir haben gewiß die beste Gelegenheit, uns in dem passiven Widerstande zu üben.</p> <p>Soeben geht ein Zug durch die Straßen zu Ehren Rob. Blum's und aller Gefallenen in Wien, und zugleich ziehen zwei Compagnien 26ger nebst zwei Geschützen nach dem benachbarten Bernkastel. Daselbst war gestern der Teufel los. Der Korrespondent der Kölnischen Zeitung, Advokat Bolz, in Begleitung von 300 Soldaten, war von Sebaldt als Regierungskommissär dorthin gesandt; nachdem er die Beamten und Gemeindevorsteher gehörig bearbeitet, erkannte er, daß all sein Wirken bei dem Bernkastler Volke fruchtlos sein würde, so lange der Führer der demokratischen Partei daselbst, Coblenz, der Steuerzahlung entgegen arbeiten könnte. Also sollte Coblenz verhaftet werden. Die 300 M. Soldaten waren zu dem Ende vor dem Hause des Demagogen aufgestellt. Coblenz widersetzte sich; die Glocken in Berukastel und in den nahen Ortschaften läuteten Sturm; es schaaren sich viele mit Gewehren, Sensen und Piken bewaffnete Männer und Frauen zusammen; das Militär zieht sich zurück, Bolz wird geprügelt, Coblenz bleibt in Freiheit. Das geschah gestern Nachmittag; gestern Abend kehrte der für's Vaterland geprügelte Korrespondent der Kölnischen Zeitung hierher zurück; das eben abgehende Militär soll Bernkastel züchtigen, wohl in Belagerungszustand setzen. Man hat Lust, in bewaffnetem Zug, den wackern Bernkastelern zu Hülfe zu ziehen. Aber wir sind behext von der Phrase des passiven Widerstandes. In Saarbrück haben das einrückende Militar und Kommissäre des H. Sebaldt eine ähnliche Revolte hervorgerufen. Auch dorthin ist militärische Verstärkung beordert.</p> </div> <div xml:id="ar156_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>126</author></bibl> Andernach, 24. Nov.</head> <p>Auch bei uns sind jetzt die Folgen einer Revolution eingetreten. Und wenn man fragt, worin die uns schuldgegebene Revolution bestehe, so halten die Reaktionäre uns entgegen, daß am letzten Sonntage eine Volksversammlung hier gehalten, bei dieser eine Adresse entworfen und abgehandelt worden, welche das Verfahren der Nationalversammlung gegenüber den Anmaßungen der Krone und des Ministeriums vollkommen billige. In Folge dessen sind wir heute mit einem Militär-Exekutions-Kommando von 150 Mann beglückt worden, weil nämlich jene Adresse — risum teneatis amici — Befürchtungen für das hiesige Landwehrzeughaus erregte. Wahr an dieser Sache ist, daß zwar auf Waffen von keiner Seite spekulirt wurde, der ärmere Theil der hiesigen Bevölkerung jedoch unpräjudicirlich meinen wollte, „zu den im Zeughause befindlichen Livree-Stücken habe das Volk das Tuch und den Macherlohn bezahlt, und es habe daher einigermaßen ein Recht, sich mit Kleidungsstücken für den kommenden Winter zu versehen.“ Wir haben uns mit der uns näher liegenden Frage zu befassen, wie unsere ungebenen Gäste in kürzester Frist weiter zu spediren seien. Auf dem Wege des <hi rendition="#g">Rechtes</hi> wird dies sobald nicht gehen, wohl aber auf jenem des <hi rendition="#g">Gesetzes</hi>. Ich meine, daß den Soldaten nur das, was ihnen <hi rendition="#g">gesetzlich</hi> zusteht, aber auch nichts weiter, zu verabreichen sei, und stehe dafür, daß sie dann bald von selbst fortlaufen werden.</p> </div> <div xml:id="ar156_009" type="jArticle"> <head><gap reason="illegible"/> Gerresheim, den 27. Nov.</head> <p>Das System der Volksentwaffnung ist auch in unserm Städchen schon zur Ausführung gekommen. Unsere sehr gut organisirte Bürgerwehr ist des Dienstes enthoben von dem Schellfischfreunde Herrn Spiegel unter Zusage freundlicher Unterstützung durch den Communisten Drigalsky. Der dienstenthebende Erlaß ist dadurch motivirt, daß der Chef der Bürgerwehr am 18. d. M. einer antibrandenburgischen Volksversammlung beigewohnt und ohne Rücksicht auf seine Eigenschaft als Chef in eine aus drei Personen bestehende Deputation gewählt wurde, die den Auftrag hatte, den hiesigen Beamten die allerwärts gestellte Frage vorzulegen, welche Stellung sie der Nationalversammlung gegenüber einzunehmen gedächten, worauf befriedigende Antworten und, jetzt freilich anders interpretirte, Ehrenwörter erfolgten. Das Offizierkorps der Bürgerwehr hat einen Protest eingereicht.</p> </div> <div xml:id="ar156_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>28</author></bibl> Münster, 27. Novbr.</head> <p>Die Absicht des hochverrätherischen Ministerii, nach und nach alle größeren Städte in Belagerungszustand zu erklären, um die spärlichen Märzerrungenschaften abzuringen, wird auch hier bald erreicht werden. Als Mittel dazu muß hier Aufhetzung des Militärs gegen die Bürger dienen, wodurch man Konflikte herbeizuführen hofft, welche einen willkommenen Anlaß zur Erklärung des Belagerungszustandes darbieten. Da nun die hiesige Garnison mit Ausnahme des aus der getreuen Mark stammenden Theils der Husaren sehr bürgerfreundlich, ja fast vollständig demokratisirt ist, so hat der mit dem kommandirenden General v. d. Gröben und dem Regierungs- und interimistischen Oberpräsidenten v. Bodelschwingh befreundete interimistischen Oberbürgermeister v. Olfers in Gemeinschaft mit diesen Personen ein Bataillon des Mindener 15. Inf.-Reg., welches eben aus Köln, wo es sich durch seine Brutalität bereits ausgezeichnet hatte, zurückberufen war, hierher kommen lassen. Das Bataillon langte gleichzeitig mit den Deputirten zu dem am 18. hier begonnenen Provinzialkongreß an, nachdem es in <hi rendition="#g">Hamm scharf geladen</hi>. Gleich am ersten Abend begannen diese Fünfzehner die Bürger, nicht minder aber auch die von ihnen mit dem ein Schimpfwort seinsollenden Ehrentitel „Demokraten“ belegten Soldaten des hiesigen 13. Inf.-Reg., auf welche die täglich auf dem Appell vorgelesenen Schmähartikel gegen die Nationalversammlung und die unter sie vertheilten, o Schmach! bei einem hiesigen Buchhändler, dem Verleger des servilen Westfälischen Merkurs, gedruckten, die wildeste Rache gegen das „Demokratengesindel“ athmenden Pamphlete bisher nicht den mindesten Eindruck gemacht haben, zu vexiren. Desto mehr Eindruck machten dieselben auf die Fünfzehner und die aus der Mark stammenden Husaren, und um diesen Eindruck noch zu erhöhen, wurden und werden dieselben jeden Abend von ihren Offizieren und Feldwebeln resp. Wachtmeistern, (aus welchen Fonds?) regalirt. Dies Verfahren hat ihnen solchen <hi rendition="#g">Muth</hi> eingeflößt, daß sie schon anfangen, am hellen Tage mit Bürgern anzubinden und daß namentlich Fünfzehner auf öffentlichem Markte bekannte Demokraten geohrfeigt haben. Ein Bürger, dem solches widerfuhr, beschwerte sich beim Bataillonskommandeur, und was geschah? „Der Kommandeur belobte auf dem Appell die Thäter vor dem ganzen Bataillon und hieß sie vortreten, damit er ihnen die Hand geben könne, was auch geschah.“ Daß ein solches Benehmen, das einen Bestandtheil der gerühmten preußischen Disziplin ausmacht, die Soldaten zu noch größeren Heldenstreichen encouragiren mußte, versteht sich von selbst und so werden die Ereignisse des gestrigen Abends Niemand überraschen. Um 6 1/2 Uhr zogen trunkene Haufen von Fünfzehnern, worunter auch einige Husaren, mit gezücktem Säbel durch die Straßen, wo sie jeden Vorübergehenden insultirten, zur Knappschen Reitbahn, in der eine Volksversammlung abgehalten ward. Nachdem sie von Außen die Fenster eingeworfen, drangen sie unter wildem Geschrei und „ich bin ein Preuße“ brüllend, ein und hieben ohne Weiteres auf die Anwesenden ein. Die wehrlose Menge bat um Schonung, aber die wilde Horde schonte weder Greis noch Kind, wüthete vielmehr gleich tollen Hunden. Wie viele tödtliche Verwundungen vorgefallen sind, ist noch nicht konstatirt, einem Bürger ist der Kopf gänzlich gespalten. Erst als Alles vorüber war — die Mordscene währte über eine halbe Stunde — erschienen einige Offiziere vom 15. Regiment auf dem Kampfplatz, obgleich die Kunde von dem Mordanfall, wenn derselbe, wie zu vermuthen, nicht gar von ihnen ausgegangen, ohne Zweifel sofort in die benachbarte Kaserne, in der die Fünfzehner zum Theil einquartirt sind, gedrungen war. Man kann sich die Wuth des Volkes denken, dasselbe lief racheschnaubend durch die Straßen unter dem Rufe: „Bürgerwehr heraus!“ viele Wehrmänner eilten auch mit ihren Waffen herbei, obgleich das Kommando der Bürgerwehr, welches dieselben nur zu Ehren des Reichsverwesers und des Königs bestimmt glaubt, nichts von sich hören noch sehen ließ, und wer weiß, was passirt wäre, wenn nicht der kommandirende General sogleich hätte Generalmarsch schlagen und sämmtliches Militär in die Kaserne ziehen lassen. Die Bürgerschaft will die sofortige Entfernung des fremden Bataillons beantragen. Arme Bürgerschaft! Dasselbe ist ja gerade zu dem Zwecke hier, um dich im Zaum zu halten. Ich bin überzeugt, man wird das Bataillon seines Patriotismus wegen noch beloben. So ist es denn jetzt dahin gekommen, daß man ohne Lebensgefahr nicht mehr über die Straße gehen darf. Der Belagerungszustand wird nicht lange ausbleiben.</p> <p><hi rendition="#g">Nachschrift</hi>. Vormittags 11 1/2 Uhr. So eben höre ich, daß auf dem Markte Bürger und Soldaten des 15. Inf.-Reg. in vollem Kampf mit einander begriffen sind. Der kommandirende General reitet unter meinem Fenster vorbei dorthin; der Generalmarsch ertönt. Auch für die Bürgerwehr wird Allarm geblasen. Ich eile auf den Sammelplatz.</p> <p><hi rendition="#g">Nachmittags 3 Uhr</hi>. Ich begebe mich auf einen Augenblick nach Hause, um meinen Bericht fortzusetzen. Der Kampf von diesem Morgen ist allerdings ernstlich gewesen; Arbeiter, mit Aexten, Hämmern und Knitteln bewaffnet, hatten furchtbar unter den Fünfzehnern gewirthschaftet. Fünf von denselben sollen bereits todt oder am Sterben sein, zwei habe ich, während ich als Wehrmann zum Markte eilte, an mir auf einer Bahre vorbeitragen gesehen; über 40 sollen blessirt sein und haben sich die meisten nur unter dem Schutze von Dreizehnern, die das Volk überall hoch leben ließ, retten können. Die Arbeiter sollen mit einer beispiellosen Tollkühnheit auf die in großen Haufen auf dem Markte versammelten Fünfzehnern losgegangen sein und ihnen die Gewehre entrissen oder zerbrochen haben Als ich auf dem Markte ankam, war der Kampf vorbei und kein Fünfzehner mehr zu sehen. Eben vorher hatte das Volk die Thüren eines Hauses, in dem es einen Offizier dieses Regiments am Fenster stehen gesehen, erbrochen, und der Offizier wäre unfehlbar ermordet worden, wenn nicht zeitig genug die Bürgerwehr angelangt wäre. Die Stadt bot einen düstern, drohenden Anblick. Alle Läden, fast alle Häuser waren geschlossen, Arbeiterhaufen zogen mit drohendem Rachegeschrei durch die Straßen; die Bürgerwehr selbst hatte sich auf einen Kampf gefaßt gemacht und, freilich ohne Befehl, scharf geladen. Der geängstigte Magistrat ließ an den Straßenecken Plakate anschlagen, worin er den Vorwurf, als habe er die Fünfzehner hereingerufen, als unwahr bezeichnete, und unter der Bitte an die „Gutgesinnten“ dafür zu sorgen versprach, daß die Fünfzehner die Stadt verließen. Ueberall wurden diese Plakate vom aufgeregten Volke und von der Bürgerwehr abgerissen und zerfetzt. Der Magistrat und das Kommando der Bürgerwehr begab sich zum kommandirenden General, um ihn zu bitten, die Fünfzehner sofort aus der Stadt zu entfernen.</p> <p><hi rendition="#g">Nachmittags 5 1/2 Uhr</hi>. Der kommandirende General hat erklärt, dem Wunsche nach Entfernung der Fünfzehner nicht sogleich willfahren zu können, weil die Untersuchung des gestrigen Vorfalls hier an Ort und Stelle geschehen müsse, hat aber versprochen, die Fünfzehner stets in den Kasernen zu konsigniren. Ich möchte denselben auch nicht rathen, sich sehen zu lassen. Uebrigens sollen von jetzt an starke Bürgerwehrpatrouillen Tag und Nacht die Straßen durchziehen. Man befürchtet aber noch gegenseitige blutige Konflikte, da die gegenseitige Erbitterung zu groß ist, und als das Ende vom Liede die Erklärung des Belagerungszustandes.</p> </div> <div xml:id="ar156_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>065</author></bibl> Münster, 28. Nov.</head> <p>Ueber die Vorfälle hierselbst schweigt der „Merkur“ gänzlich, als wäre nichts vorgefallen; wahrscheinlich hat ihm Niemand einen Artikel über das, was unter seinen Augen vorgeht, zugestellt.</p> <p>Gestern Morgen sammelten sich viele Haufen von Bürgern, und verlangten die Entfernung der 15er, die ihnen schon gestern versprochen war. Statt dessen zeigten sich gerade diese Truppen bewaffnet. Es wurden mehrere ergriffen und hart mitgenommen. Das Volk holte den Feind aus einer Schutzwache der 13er heraus.</p> <p>Da die Militärbehörde den Haß kennt, den das Volk auf die 15er hat, so wäre deren Konsignirung die höchste Pflicht gewesen. Hiernächst trat die Bürgerwehr unter die Waffen, und hielt die Ruhe aufrecht, weil kein Soldat des 15. Regiments sich blicken ließ. Am Abende hatten sich jedoch einige Mann, sowie auch Artilleristen, mit ihren Waffen aus den Kasernen begeben und zeigten sich mit entblößten Klingen auf dem Markt. Sie wurden sofort verhaftet. — Die Anarchie ist unter den Truppen!</p> <p>Was es heute geben wird, weiß der Himmel. — Schlimm, daß das Kriminalgericht sich hat verleiten lassen, gestern Abend einen hier sehr beliebten jungen Mann, einen Ober-Landesgerichts-Referendar, einzuziehen, wegen eines vor 10-12 Tagen ausgegebenen Plakats einer Volksversammlung von 3000 Mann. Dasselbe ist höchst unschuldig, enthält weniger als jede oppositionelle Zeitung täglich bringt, und würde wohl nirgend solche Schritte veranlaßt haben.</p> <p>Vielleicht freut sich aber die Militärbehörde sehr, daß sie einberichten kann, es seien hier aufrührerische Plakate verbreitet worden, das Militär <hi rendition="#g">deshalb</hi> aufgebracht u. s. w. — Gegen das Militär enthielt aber das Plakat nichts, auch leben wir noch jetzt mit den 13ern und der Artillerie sehr gut.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0826/0002]
[Deutschland] [Fortsetzung] Revolution angewandt worden und mit Erfolg; die Revolution ist in Wien, wie in Paris, unter Blut und rauchenden Trümmern erstickt worden.
Aber fast scheint es, als sollte der Sieg vom 1. Nov. zugleich den Punkt bezeichnen, wo die rückgängige Bewegung umschlägt und eine Krise eintritt. Der Versuch, die Wiener Heldenthat in Preußen Stück für Stück zu widerholen, ist gescheitert; im günstigsten Falle, selbst wenn das Land die konstituirende Versammlung verlassen sollte, hat die Krone nur einen halben, nichts entscheidenden Sieg zu erwarten, und jedenfalls ist der erste entmuthigende Eindruck der Wiener Niederlage gebrochen, gebrochen durch den plumpen Versuch, sie in jedem ihrer Details zu kopiren.
Und während der Norden von Europa entweder schon wieder in die Knechtschaft von 1847 zurückgeschleudert ist, oder mühsam die Eroberungen der ersten Monate gegen die Contrerevolution vertheidigt, erhebt sich plötzlich Italien wieder. Livorno, die einzige italienische Stadt, die durch den Fall Mailands zu einer siegreichen Revolution aufgestachelt wurde, Livorno hat endlich seinen demokratischen Aufschwung dem ganzen Toskana mitgetheilt und ein entschieden demokratisches Ministerium durchgesetzt, entschiedener als je eins in einer Monarchie und so entschieden, wie nur wenige in einer Republik bestanden; ein Ministerium, das auf den Fall Wiens und die Wiederherstellung Oestreichs mit der Proklamation der italiänischen konstituirenden Nationalversammlung antwortet. Und der revolutionäre Feuerbrand, den dies demokratische Ministerium damit in das italienische Volk geschleudert, hat gezündet: in Rom ist Volk, Nationalgarde und Armee wie Ein Mann aufgestanden, hat das tergiversirende, kontrerevolutionäre Ministerium gestürzt, ein demokratisches Ministerium errungen und an der Spitze seiner durchgesetzten Forderungen steht: Regierung nach dem Prinzip der italienischen Nationalität, d. h. Beschickung der italienischen Constituante, die Guerazzi vorgeschlagen.
Daß Piemont und Sizilien folgen werden, ist keinem Zweifel unterworfen. Sie werden folgen, wie sie im vorigen Jahre gefolgt sind.
Und nun? Wird diese zweite Auferstehung Italiens binnen drei Jahren, wie die vorhergehende, die Morgenröthe eines neuen Aufschwungs der europäischen Demokratie sein? Fast hat es den Anschein. Das Maaß der Contrerevolution ist voll bis zum Ueberlaufen. Frankreich im Begriff, sich einem Abentheuerer in die Arme zu werfen, um nur der Herrschaft Cavaignac's und Marrast's zu entgehn, Deutschland zerrissener als je, Oesterreich erdrückt, Preußen am Vorabend des Bürgerkriegs, alle, alle Illusionen des Februar und März unbarmherzig vom Sturmschritt der Geschichte zertreten. — Wahrlich, das Volk könnte aus neuen Siegen der Contrerevolution nichts mehr lernen!
Möge es die Lehren dieser letzten sechs Monate bei der kommenden Gelegenheit rechtzeitig und furchtlos anwenden.
* Köln, 29. Nov. Die Lakaien-Natur deutscher Professoren wird in den gelehrten Herrn zu Berlin und Halle in ihrem Ideale übertroffen. Vor diesem Knechtssinn steht der russische Leibeigene beschämt da. Der fromme Buddhist, der gläubig die Excremente seines Dalai-Lama hinunterschluckt, er hört verwundert die Sage von den Berliner-Hallischen Buddhisten, deren Prostitution vor dem Königthum „von Gottes Gnaden“ ihm als Fabel erscheint. Er glaubt erst an die Wirklichkeit, wenn man ihm die Adressen der Berliner und Hallischen Professoren an den König von Preußen, resp. vom 24. und 21. Nov., nebst den eigenhändigen Unterschriften vorzeigt.
„Es war die Freiheit der Berathung aufgehoben, das Leben der Abgeordneten bedroht, die Würde der Versammlung, die Ehre der Nation geschändet, und die wohlmeinendsten und gerechtesten Vorschläge, dieser Schreckensherrschaft ein Ziel zu setzen, scheiterten an dem Widerstande derer, denen sie diente.“
Mit diesen und ähnlichen frechen Lügen und mit den hündischsten Versicherungen angestammter Treue fabriziren 80 Berliner Professoren — unter ihnen Hengstenberg, Schönlein, Ehrenberg, Böckh, die beiden Grimm etc. — eine Adresse an den König, worin sie ihm für die Gewaltschritte des Brandenburgischen Ministeriums ihren gelehrten Beifall zuiahen.
Aehnlich lautet die Adresse von 19 Hallischen Professoren, die aber die Komik so weit treiben, daß sie nebenbei von dem „Ernst ihres Berufes“ sprechen.
Des Pudels Kern in beiden Adressen ist eine unbeschreibliche Wuth über die Steuerverweigerung. Sehr begreiflich! Keine Steuern mehr — und die privilegirte Gelehrsamkeit macht Bankerut. Diesem geldgierigen Professorengeschlecht darf nur im Entferntesten der Beutel bedroht werden, so steht die ganze Wissenschaft in Feuer und Flammen. Ihr Monopol wurzelt im Königthum „von Gottes Gnaden.“ Sie schreiben ihm Ergebenheitsadressen, d. h. sie sind ihrem eigenen Monopol bis zum Tode ergeben. Erringt das Volk den schließlichen Sieg, so werden die Herren trotz alles „Ernstes ihres wissenschaftlichen Berufes“ sich schnell auf Seite der jetzt von ihnen so sehr verdammten Volkssouveränetät zu stellen wissen. Das Volk wird ihnen aber dann sein „zu spät!“ zurufen und der ganzen Misere der privilegirten Gelehrsamkeit ein rasches Ende bereiten.
* Köln, 28. November. Das Organ der Potsdamer Kamarilla, die berüchtigte „Kreuzritterin“, belehrt uns, daß es in Preußen „zwei ganz verschiedene Völker“ giebt, welche hier nach einander auftreten. Das Eine wird von dem gottbegnadeten Blatte also charakterisirt:
„Zuerst jener geistig-lächerliche Haufe, geführt von ein Paar Dutzend ehrgeiziger Schurken, gefolgt von einem Schwarm in ihrer Armseligkeit und Feigheit links und rechts zappelnder Magistrate, ähnlich den Hanswurst-Figuren unserer Buchbinder; ‥‥ gefolgt von einem Haufen Industrierittern aller Art, von der mildesten (Abgeordneter Milde) Eitelkeitskränze binderischsten (Pinder — welch' geistreiches Potsdamer Wortspiel!) Gattung bis zu eigentlichsten Taschendieben und Wegelagerern herab — dies ist das erste Volk,“
Will der Leser nun auch das zweite preußische Volk sehen? Voici.
Es ist „dies brave, bedächtige, gesetzliche, selbst gegen Esel, wie du (erstes Volk) bist, gesetzliche Volk, was aber bei seiner Gesetzlichkeit eine helle, feurige Liebe zu seinem Könige („von Gottes Gnaden“), zu dem Andenken seiner braven Verfahren (also keine Abschaffung des Adels und was drum und dran hängt), zu dem Ruhme und Ehrenbestande seines herrlichen, jugendfrischen, sieggekrönten Heeres (l. G. im Schauspielhause zu Berlin) hat“, dieses Volk, „welches gar nicht begreift, wie du Esel (erstes Volk) dazu kömmst, gegen den Grafen Brandenburg zu bellen“ (die königl. preußischen Esel bellen: Fortschritt im christlich-germanischen Staate).
Der Wahlspruch dieses zweiten preußischen Volkes ist: „dem Esel die Peitsche und dem Hunde der Knüttel.“ Dasselbe Volk, welches seit dem März die Praxis dieses Wahlspruchs auf einige Wochen unterbrechen ließ, „rückt nun in die Reihe der Mitsprechenden ein“ und dankt dem Hrn. Brandenburg, daß er den ersten Schritt gethan, „es von dem Schmutzgesindel zu reinigen, was auf seiner Haupt klebte, nämlich von dir (erstes Volk).“
Dieses zweite Volk fühlt sich „wie in einem duftenden Kräuterbade erquickt, daß es endlich Thaten, und zwar preußische (ja wohl, ächt-preußische!) Thaten sieht. Denn „binnen 8 Tagen wird sich Jedermann überzeugen können, daß ein populäreres Ministerium, als das des Grafen Brandenburg, in Preußen nicht zu finden ist.“
Dies die neueste Entdeckung der braven „Kreuzritterin mit Gott, für König und Vaterland!“
43 Trier, 27. Novbr. Wir rücken dem Belagerungszustande von Tag zu Tag näher. Unser Regierungspräsident Sebaldt hat entweder den Befehl von oben, Trier à tout prix in Belagerungszustand zu versetzen, oder er selbst geht daauf los, sich die Falten eines Diktatorgewandes zu gewinnen.
Die Waffen unserer im Frühjahr aufgelös'ten Bürgerwehr lagen bisher auf dem Rathhause. Sebaldt läßt den Gemeinderath sich erklären, ob er dafür stehe, daß diese Waffen nicht mißbraucht würden. Da der Stadtrath in seiner bornirten Aengstlichkeit eine solche Erklärung verweigerte, entfaltete sich urplötzlich die gesammte Militärmacht der Stadt; die Ulanen machten Patrouillen durch die Umgebung; die Artillerie stand auf dem Palastplatze mit ihrem Geschütz; die Infanterie hielt einen großen Theil der Stadt besetzt.
Kein Mensch außer Sebaldt, verstand dies Manöver, bis einer der Gemeinderathsvorsteher auf das Rathhaus gerufen und aufgefordert wurde, das Waffendepot zu öffnen. Als sich dieser weigerte, erzwang man den Schlüssel mit Gewalt, drang in das Depot ein und nahm die Waffen, das Eigenthum der Stadt, um sie in das Militärwaffendepot zu transportiren. Die Bürger ärgerten sich, blieben aber ruhig. Am andern Tage beschloß der Gemeinderath, die geraubten Waffen wieder zu verlangen und im Falle der verweigerten Herausgabe, den Weg Rechtens einzuschlagen. Das ist das Höchste, wozu unsere Stadträthe fähig sind.
Ferner ließ Sebaldt eine Extrabeilage der hier erscheinenden, demokratischen Flugblatter, durch einen Gensd'armen dem Kolporteur wegnehmen. Drei Tage darauf läßt der Untersuchungsrichter den Drucker derselben in's Gefängniß führen. Den Grund zu diesem Verfahren gab ein Brief aus Schlesien ab, worin es heißt, daß Niederschlesien losbrechen werde, um Wien und Berlin zu rächen, daß Breslau der Centralpunkt werde für die deutsche sociale Republik. Bei dem Redakteur der Flugblätter, S. Imandt, wurde Haussuchung gehalten, indeß ohne Erfolg; S. Imandt sollte auch verhaftet werden, er entzog sich der Justiz.
Noch mehr von Sebaldt. Da Louis Simon zur Freude der Trierer hier eingetroffen, wollte man einen Fackelzug veranstalten; der krawallsüchtige Diktatur-Kandidat Sebaldt untersagte ihn. Wir haben gewiß die beste Gelegenheit, uns in dem passiven Widerstande zu üben.
Soeben geht ein Zug durch die Straßen zu Ehren Rob. Blum's und aller Gefallenen in Wien, und zugleich ziehen zwei Compagnien 26ger nebst zwei Geschützen nach dem benachbarten Bernkastel. Daselbst war gestern der Teufel los. Der Korrespondent der Kölnischen Zeitung, Advokat Bolz, in Begleitung von 300 Soldaten, war von Sebaldt als Regierungskommissär dorthin gesandt; nachdem er die Beamten und Gemeindevorsteher gehörig bearbeitet, erkannte er, daß all sein Wirken bei dem Bernkastler Volke fruchtlos sein würde, so lange der Führer der demokratischen Partei daselbst, Coblenz, der Steuerzahlung entgegen arbeiten könnte. Also sollte Coblenz verhaftet werden. Die 300 M. Soldaten waren zu dem Ende vor dem Hause des Demagogen aufgestellt. Coblenz widersetzte sich; die Glocken in Berukastel und in den nahen Ortschaften läuteten Sturm; es schaaren sich viele mit Gewehren, Sensen und Piken bewaffnete Männer und Frauen zusammen; das Militär zieht sich zurück, Bolz wird geprügelt, Coblenz bleibt in Freiheit. Das geschah gestern Nachmittag; gestern Abend kehrte der für's Vaterland geprügelte Korrespondent der Kölnischen Zeitung hierher zurück; das eben abgehende Militär soll Bernkastel züchtigen, wohl in Belagerungszustand setzen. Man hat Lust, in bewaffnetem Zug, den wackern Bernkastelern zu Hülfe zu ziehen. Aber wir sind behext von der Phrase des passiven Widerstandes. In Saarbrück haben das einrückende Militar und Kommissäre des H. Sebaldt eine ähnliche Revolte hervorgerufen. Auch dorthin ist militärische Verstärkung beordert.
126 Andernach, 24. Nov. Auch bei uns sind jetzt die Folgen einer Revolution eingetreten. Und wenn man fragt, worin die uns schuldgegebene Revolution bestehe, so halten die Reaktionäre uns entgegen, daß am letzten Sonntage eine Volksversammlung hier gehalten, bei dieser eine Adresse entworfen und abgehandelt worden, welche das Verfahren der Nationalversammlung gegenüber den Anmaßungen der Krone und des Ministeriums vollkommen billige. In Folge dessen sind wir heute mit einem Militär-Exekutions-Kommando von 150 Mann beglückt worden, weil nämlich jene Adresse — risum teneatis amici — Befürchtungen für das hiesige Landwehrzeughaus erregte. Wahr an dieser Sache ist, daß zwar auf Waffen von keiner Seite spekulirt wurde, der ärmere Theil der hiesigen Bevölkerung jedoch unpräjudicirlich meinen wollte, „zu den im Zeughause befindlichen Livree-Stücken habe das Volk das Tuch und den Macherlohn bezahlt, und es habe daher einigermaßen ein Recht, sich mit Kleidungsstücken für den kommenden Winter zu versehen.“ Wir haben uns mit der uns näher liegenden Frage zu befassen, wie unsere ungebenen Gäste in kürzester Frist weiter zu spediren seien. Auf dem Wege des Rechtes wird dies sobald nicht gehen, wohl aber auf jenem des Gesetzes. Ich meine, daß den Soldaten nur das, was ihnen gesetzlich zusteht, aber auch nichts weiter, zu verabreichen sei, und stehe dafür, daß sie dann bald von selbst fortlaufen werden.
_ Gerresheim, den 27. Nov. Das System der Volksentwaffnung ist auch in unserm Städchen schon zur Ausführung gekommen. Unsere sehr gut organisirte Bürgerwehr ist des Dienstes enthoben von dem Schellfischfreunde Herrn Spiegel unter Zusage freundlicher Unterstützung durch den Communisten Drigalsky. Der dienstenthebende Erlaß ist dadurch motivirt, daß der Chef der Bürgerwehr am 18. d. M. einer antibrandenburgischen Volksversammlung beigewohnt und ohne Rücksicht auf seine Eigenschaft als Chef in eine aus drei Personen bestehende Deputation gewählt wurde, die den Auftrag hatte, den hiesigen Beamten die allerwärts gestellte Frage vorzulegen, welche Stellung sie der Nationalversammlung gegenüber einzunehmen gedächten, worauf befriedigende Antworten und, jetzt freilich anders interpretirte, Ehrenwörter erfolgten. Das Offizierkorps der Bürgerwehr hat einen Protest eingereicht.
28 Münster, 27. Novbr. Die Absicht des hochverrätherischen Ministerii, nach und nach alle größeren Städte in Belagerungszustand zu erklären, um die spärlichen Märzerrungenschaften abzuringen, wird auch hier bald erreicht werden. Als Mittel dazu muß hier Aufhetzung des Militärs gegen die Bürger dienen, wodurch man Konflikte herbeizuführen hofft, welche einen willkommenen Anlaß zur Erklärung des Belagerungszustandes darbieten. Da nun die hiesige Garnison mit Ausnahme des aus der getreuen Mark stammenden Theils der Husaren sehr bürgerfreundlich, ja fast vollständig demokratisirt ist, so hat der mit dem kommandirenden General v. d. Gröben und dem Regierungs- und interimistischen Oberpräsidenten v. Bodelschwingh befreundete interimistischen Oberbürgermeister v. Olfers in Gemeinschaft mit diesen Personen ein Bataillon des Mindener 15. Inf.-Reg., welches eben aus Köln, wo es sich durch seine Brutalität bereits ausgezeichnet hatte, zurückberufen war, hierher kommen lassen. Das Bataillon langte gleichzeitig mit den Deputirten zu dem am 18. hier begonnenen Provinzialkongreß an, nachdem es in Hamm scharf geladen. Gleich am ersten Abend begannen diese Fünfzehner die Bürger, nicht minder aber auch die von ihnen mit dem ein Schimpfwort seinsollenden Ehrentitel „Demokraten“ belegten Soldaten des hiesigen 13. Inf.-Reg., auf welche die täglich auf dem Appell vorgelesenen Schmähartikel gegen die Nationalversammlung und die unter sie vertheilten, o Schmach! bei einem hiesigen Buchhändler, dem Verleger des servilen Westfälischen Merkurs, gedruckten, die wildeste Rache gegen das „Demokratengesindel“ athmenden Pamphlete bisher nicht den mindesten Eindruck gemacht haben, zu vexiren. Desto mehr Eindruck machten dieselben auf die Fünfzehner und die aus der Mark stammenden Husaren, und um diesen Eindruck noch zu erhöhen, wurden und werden dieselben jeden Abend von ihren Offizieren und Feldwebeln resp. Wachtmeistern, (aus welchen Fonds?) regalirt. Dies Verfahren hat ihnen solchen Muth eingeflößt, daß sie schon anfangen, am hellen Tage mit Bürgern anzubinden und daß namentlich Fünfzehner auf öffentlichem Markte bekannte Demokraten geohrfeigt haben. Ein Bürger, dem solches widerfuhr, beschwerte sich beim Bataillonskommandeur, und was geschah? „Der Kommandeur belobte auf dem Appell die Thäter vor dem ganzen Bataillon und hieß sie vortreten, damit er ihnen die Hand geben könne, was auch geschah.“ Daß ein solches Benehmen, das einen Bestandtheil der gerühmten preußischen Disziplin ausmacht, die Soldaten zu noch größeren Heldenstreichen encouragiren mußte, versteht sich von selbst und so werden die Ereignisse des gestrigen Abends Niemand überraschen. Um 6 1/2 Uhr zogen trunkene Haufen von Fünfzehnern, worunter auch einige Husaren, mit gezücktem Säbel durch die Straßen, wo sie jeden Vorübergehenden insultirten, zur Knappschen Reitbahn, in der eine Volksversammlung abgehalten ward. Nachdem sie von Außen die Fenster eingeworfen, drangen sie unter wildem Geschrei und „ich bin ein Preuße“ brüllend, ein und hieben ohne Weiteres auf die Anwesenden ein. Die wehrlose Menge bat um Schonung, aber die wilde Horde schonte weder Greis noch Kind, wüthete vielmehr gleich tollen Hunden. Wie viele tödtliche Verwundungen vorgefallen sind, ist noch nicht konstatirt, einem Bürger ist der Kopf gänzlich gespalten. Erst als Alles vorüber war — die Mordscene währte über eine halbe Stunde — erschienen einige Offiziere vom 15. Regiment auf dem Kampfplatz, obgleich die Kunde von dem Mordanfall, wenn derselbe, wie zu vermuthen, nicht gar von ihnen ausgegangen, ohne Zweifel sofort in die benachbarte Kaserne, in der die Fünfzehner zum Theil einquartirt sind, gedrungen war. Man kann sich die Wuth des Volkes denken, dasselbe lief racheschnaubend durch die Straßen unter dem Rufe: „Bürgerwehr heraus!“ viele Wehrmänner eilten auch mit ihren Waffen herbei, obgleich das Kommando der Bürgerwehr, welches dieselben nur zu Ehren des Reichsverwesers und des Königs bestimmt glaubt, nichts von sich hören noch sehen ließ, und wer weiß, was passirt wäre, wenn nicht der kommandirende General sogleich hätte Generalmarsch schlagen und sämmtliches Militär in die Kaserne ziehen lassen. Die Bürgerschaft will die sofortige Entfernung des fremden Bataillons beantragen. Arme Bürgerschaft! Dasselbe ist ja gerade zu dem Zwecke hier, um dich im Zaum zu halten. Ich bin überzeugt, man wird das Bataillon seines Patriotismus wegen noch beloben. So ist es denn jetzt dahin gekommen, daß man ohne Lebensgefahr nicht mehr über die Straße gehen darf. Der Belagerungszustand wird nicht lange ausbleiben.
Nachschrift. Vormittags 11 1/2 Uhr. So eben höre ich, daß auf dem Markte Bürger und Soldaten des 15. Inf.-Reg. in vollem Kampf mit einander begriffen sind. Der kommandirende General reitet unter meinem Fenster vorbei dorthin; der Generalmarsch ertönt. Auch für die Bürgerwehr wird Allarm geblasen. Ich eile auf den Sammelplatz.
Nachmittags 3 Uhr. Ich begebe mich auf einen Augenblick nach Hause, um meinen Bericht fortzusetzen. Der Kampf von diesem Morgen ist allerdings ernstlich gewesen; Arbeiter, mit Aexten, Hämmern und Knitteln bewaffnet, hatten furchtbar unter den Fünfzehnern gewirthschaftet. Fünf von denselben sollen bereits todt oder am Sterben sein, zwei habe ich, während ich als Wehrmann zum Markte eilte, an mir auf einer Bahre vorbeitragen gesehen; über 40 sollen blessirt sein und haben sich die meisten nur unter dem Schutze von Dreizehnern, die das Volk überall hoch leben ließ, retten können. Die Arbeiter sollen mit einer beispiellosen Tollkühnheit auf die in großen Haufen auf dem Markte versammelten Fünfzehnern losgegangen sein und ihnen die Gewehre entrissen oder zerbrochen haben Als ich auf dem Markte ankam, war der Kampf vorbei und kein Fünfzehner mehr zu sehen. Eben vorher hatte das Volk die Thüren eines Hauses, in dem es einen Offizier dieses Regiments am Fenster stehen gesehen, erbrochen, und der Offizier wäre unfehlbar ermordet worden, wenn nicht zeitig genug die Bürgerwehr angelangt wäre. Die Stadt bot einen düstern, drohenden Anblick. Alle Läden, fast alle Häuser waren geschlossen, Arbeiterhaufen zogen mit drohendem Rachegeschrei durch die Straßen; die Bürgerwehr selbst hatte sich auf einen Kampf gefaßt gemacht und, freilich ohne Befehl, scharf geladen. Der geängstigte Magistrat ließ an den Straßenecken Plakate anschlagen, worin er den Vorwurf, als habe er die Fünfzehner hereingerufen, als unwahr bezeichnete, und unter der Bitte an die „Gutgesinnten“ dafür zu sorgen versprach, daß die Fünfzehner die Stadt verließen. Ueberall wurden diese Plakate vom aufgeregten Volke und von der Bürgerwehr abgerissen und zerfetzt. Der Magistrat und das Kommando der Bürgerwehr begab sich zum kommandirenden General, um ihn zu bitten, die Fünfzehner sofort aus der Stadt zu entfernen.
Nachmittags 5 1/2 Uhr. Der kommandirende General hat erklärt, dem Wunsche nach Entfernung der Fünfzehner nicht sogleich willfahren zu können, weil die Untersuchung des gestrigen Vorfalls hier an Ort und Stelle geschehen müsse, hat aber versprochen, die Fünfzehner stets in den Kasernen zu konsigniren. Ich möchte denselben auch nicht rathen, sich sehen zu lassen. Uebrigens sollen von jetzt an starke Bürgerwehrpatrouillen Tag und Nacht die Straßen durchziehen. Man befürchtet aber noch gegenseitige blutige Konflikte, da die gegenseitige Erbitterung zu groß ist, und als das Ende vom Liede die Erklärung des Belagerungszustandes.
065 Münster, 28. Nov. Ueber die Vorfälle hierselbst schweigt der „Merkur“ gänzlich, als wäre nichts vorgefallen; wahrscheinlich hat ihm Niemand einen Artikel über das, was unter seinen Augen vorgeht, zugestellt.
Gestern Morgen sammelten sich viele Haufen von Bürgern, und verlangten die Entfernung der 15er, die ihnen schon gestern versprochen war. Statt dessen zeigten sich gerade diese Truppen bewaffnet. Es wurden mehrere ergriffen und hart mitgenommen. Das Volk holte den Feind aus einer Schutzwache der 13er heraus.
Da die Militärbehörde den Haß kennt, den das Volk auf die 15er hat, so wäre deren Konsignirung die höchste Pflicht gewesen. Hiernächst trat die Bürgerwehr unter die Waffen, und hielt die Ruhe aufrecht, weil kein Soldat des 15. Regiments sich blicken ließ. Am Abende hatten sich jedoch einige Mann, sowie auch Artilleristen, mit ihren Waffen aus den Kasernen begeben und zeigten sich mit entblößten Klingen auf dem Markt. Sie wurden sofort verhaftet. — Die Anarchie ist unter den Truppen!
Was es heute geben wird, weiß der Himmel. — Schlimm, daß das Kriminalgericht sich hat verleiten lassen, gestern Abend einen hier sehr beliebten jungen Mann, einen Ober-Landesgerichts-Referendar, einzuziehen, wegen eines vor 10-12 Tagen ausgegebenen Plakats einer Volksversammlung von 3000 Mann. Dasselbe ist höchst unschuldig, enthält weniger als jede oppositionelle Zeitung täglich bringt, und würde wohl nirgend solche Schritte veranlaßt haben.
Vielleicht freut sich aber die Militärbehörde sehr, daß sie einberichten kann, es seien hier aufrührerische Plakate verbreitet worden, das Militär deshalb aufgebracht u. s. w. — Gegen das Militär enthielt aber das Plakat nichts, auch leben wir noch jetzt mit den 13ern und der Artillerie sehr gut.
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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