Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 182. Köln, 30. Dezember 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

händler maß sie von oben bis unten. Da die Tollkühnen aber auf ihrem Entschluß beharrten, und mit einer wahrhaft unerbittlichen Frechheit in ihn drangen, einen Versuch zu wagen, so ging der verlegene Verleger zuletzt mit seinem buchhändlerischen Herzen zu Rathe und nach einigen Wochen erschien denn auch die Zeitschrift "Punch" -- -- Niemand dachte daran, daß sie schon nach einem halben Jahre viele Tausende von Abonnenten haben werde.

So geschah es aber, denn die Redakteure des jungen Blattes hatten nicht nur des Renomme ihres alten Gewährsmannes Punch für sich, sondern sie gingen auch allen lächerlichen Personen des Landes, in so unverschämter, und doch in so liebenswürdiger Weise zu Leibe, daß sie sich im eigentlichsten Sinne des Wortes, die Aufmerksamkeit des Publikums erzwangen. Noch fehlte ihnen indeß zum vollständigen Geling[unleserliches Material] ihres Unternehmens, irgend ein großer Coup, eine wahre Mordgeschichte, sei es welche es wolle, irgend ein nierenerschütternder -- Prozeß. Es giebt nichts famoseres als ein Prozeß!

Gott war den verwegenen Redakteuren des Punch gnädig. Er schenkte ihnen was sie bedurften. Lord Brougham war nemlich so unvorsichtig, den armen Punch wegen Verläumdung in optima forma zu verklagen. --

Ich brauche meinen Lesern nicht zu versichern, daß die Existenz des jungen Blattes von diesem Augenblicke an, für alle Ewigkeit gesichert war. Vergebens ließ der edle Lord alle Minen seines Einflusses springen. Alles was er in sechs Tagen zu Stande zu bringen wußte, vernichteten die naseweisen Herausgeber des kleinen Scherzblattes am Ende der Woche, durch immer neue Angriffe, durch immer witzigere und humoristischere Erwiederungen und ehe man sich's versah, war Punch eins der gelesensten Blätter in ganz England.

Die ersten Mitarbeiter an Punch waren Thackeray, der Verfasser der Snobs of England, Gilbert A a Beckett und Douglas Jerrold, von denen namentlich der letztere, einer der beliebtesten englischen Schriftsteller geworden ist. Die Illustrationen lieferte manchmal George Cruikshank, in den meisten Fällen aber John Leech und mit Recht kann man sagen, daß die erstern beiden, den Humor eines Swift, eines Sterne, eines Smollet in ihren Artikeln wieder auferstehen ließen; die letztern in ihren Karrikaturen den eines Hogarth.

The Story of a feather von Jerrold und The Comic Blackstone von a Beckett, die mit Illustrationen von Leech nach und nach im Punch erschienen, sind noch in Jedermanns Gedächtniß. Punch leistete wirklich das Mögliche und oft noch denke ich an die stillen großbritannischen Sonntag Nachmittage, wo ich in Yorkshire, Luft- und Menschenverlassen in dem Londoner Charivari meine einzige Erheiterung fand. Man brauchte nur die einzelnen Karrikaturen früherer Wochen und Jahre durchzugehen, um in wenigen Augenblicken die ganze neuere englische Geschichte vor Augen zu haben und sich jeder Parlaments-Debatte auf's lebhafteste zu erinnern. Da war Lord Brougham, den Punch seit seiner Verläumdungsklage, wahrhaft systematisch verfolgte -- Lord Henry, mit den Hosen aux grands carraux, und mit der rothen Kartoffelnase, wie er bei jeder Debatte des Oberhauses, sei es in einem Rechtsstreit mit Lord Campbell, oder in einer Debatte über den Sclavenhandel seine Weisheit an den Mann zu bringen suchte. Da war "der eiserne Herzog," der Herzog von Wellington steif wie er einst bei Waterloo zu Roß saß, mit der großen Schaafsnase und dem freundlich milden Lächeln, was ihm stets um die Lippen schwebte, wenn er sich nichts weniger als eisern, wie bei der Katholischen Emancipations-Bill und bei der Korn-Zoll-Frage, vor seinen parlamentarischen Feinden zurück zog.

Da: Sir Robert Peel, der Sohn des Baumwollspinners, von gehörigem embonpoint, mit spindeldürren Beinen, in schneeweißer Weste, der reiche, der unabhängige Mann, der schon im Jahre 1819 seine berühmte Bill vor die Commons brachte und der noch immer der Held des Hauses ist, bei jeder großen Debatte, sei es über die letzte Fabrikstadt im Norden Alt-Englands oder über die verwickeltsten Interessen des asiatischen Kontinentes. Da endlich King Dan, der alte Daniel O'Connel, der sein Advokatenhandwerk an den Nagel hing, um, wie er sich ausdrückte, dem Edelstein der See zu dienen, dem grünen Erin, der schönsten Insel der Welt, und dafür, beiläufig bemerkt, jedes Jahr circa 30 Tausend Pfund Rente in Empfang zu nehmen. Und so weiter, alle Redner Britanniens, Lord John Russel, der kleine gedrückte Mann, der Held der Reform Bill und Lord Palmerston, der berüchtigte, unruhige Whig. Disraeli der gewandteste Redner des Hauses und Roebuck, die unvermeidliche, die böse Sieben -- -- Alle, alle sah man sie wiederkehren, meisterhaft getroffen, in hundert und aber hundert verschiedenen Positionen, und in ihren Bildern wurde das Vergangene lebendig und gern erinnerte man sich noch einmal an alles das was man längst genossen und vergessen hatte.

Punch besitzt wirklich das Verdienst, daß er alle Redner und Staatsmänner Englands zu ganz familiären Leuten machte. Jeder Straßenjunge kennt jetzt die Nase Lord Broughams so gut wie seine eigne; und das ist ungeheuer viel wenn man die Nase eines Menschen kennt!

Ueber der hohen Politik vergaß Punsch indeß auch nicht das gewöhnliche, alltägliche Treiben des Volkes. In den Gardinen Predigten der Mrs. Caudle schilderte er z. B. die Langeweile des engl. Ehelebens in so ergötzlicher Weise, daß mancher Familienvater seit dem Abends ein paar Stunden später nach Hause gekommen sein wird. James's Diary mußte die Eisenbahnspekulationen illustriren; Punch Letter-Writer gab Gelegenheit zu Korrespondenzen zwischen allen Theilen der Gesellschaft. -- -- Und so würden wir noch zu hunderterlei Lob für unsern Freund Veranlassung finden, wenn es uns nicht plötzlich in den Sinn käme, den heitern Punch auch einmal als Organ einer politischen Partei in's Auge zu fassen. Humoristisch oder nicht humoristisch: jedes hervorragende Blatt eines civilisirten Landes ergreift für irgend eine Sache Partei. Wir haben

[Deutschland]

[Fortsetzung] der" erhielten und die Eurigen vor Elend und Jammer dahin starben: so bedenkt, daß das eben die im ministeriellen Erlaß empfohlene "Sitte" ist.

Ihr sollt aber Euern Zöglingen nicht bloß Achtung vor jener "Sitte", sondern auch vor dem "Gesetz" beibringen. Ihr kennt das Gesetz, das alte, wie das neue. Ihr kennt das alte, darum auch das neue.

Das "Gesetz" -- es ist nach wie vor darauf berechnet, daß die große Masse des Volkes zum Vortheile einiger Wenigen ausgesogen und mißhandelt wird. Das "Gesetz", ist es das vor den Märztagen, vom 8. April, vom Dezember? Ist es das Patent von 1847 oder das von 1848, das Standrecht oder die Habeas-Corpus-Acte?

Also Achtung vor "Sitte" und "Gesetz"! Bringt sie Euern Zöglingen bei; doch außerdem noch Liebe zum Vaterlande und -- zu ihrem Fürsten! Wie nun, wenn diese Doppelliebe unverträglich, unmöglich ist? Arme Schulmeister! Ihr müßt das Unmögliche möglich machen und daß es sich durch Heuchelei, Volksverrath, Vernunftertödtung und ähnliche Mittel ermöglichen läßt, daran werden Hr. Ladenberg, Eichhorn etc. nicht zweifeln. Sie wissen Bescheid darum.

(Schluß folgt.)

43 Bonn, 28. Dezbr.

Dr. Gottschalk hat sich, um von der Aufregung der letzten Tage zu ruhen, hierher in unsere Stille zurückgezogen, wo ihm gestern Abend Sänger aus dem Bürgerstande eine Nachtmusik brachten. Er ist durch die lange einsame Haft angegriffen; jede Berührung mit der Außenwelt strengt ihn an, und es thut ihm Noth, sich wohl noch ein paar Wochen auszuruhen und körperlich zu erstarken. Eine am vergangenen Dienstag in Kessenich abgehaltene Volksversammlung war wohl besonders deshalb so überzahlreich besucht, weil man sein Auftreten daselbst, einem Gerüchte zufolge, voraussetzte. -- Die 27er sind abgezogen, aber ebenso viele 25er eingerückt. Von neuem also drückt uns die Last der Natural-Einquartierung, durch welche die Regierung auf Bürger-Kosten ihre Soldaten futtert. Das Elend und die Nahrungslosigkeit werden hier ohnehin stets größer, alle Arbeit stockt, die Hausmiethen sinken sehr stark -- und nun muß man es schon von einst wohlhabenden Leuten hören, daß die Einquartirung ihnen ihr letztes Erspartes aufzehrt. Bonn hat zwei mächtig große Kasernen -- aber unter dem Vorwand, daß diese nur für Kavallerie Raum hätten, legt man eine Infanteriebesatzung in die Häuser des Bürgers! Uebrigens begreift es sich freilich nach den Vorfällen des letzten Monats, wenn es in Bonn Leute giebt, denen Etwas daran liegt, eine starke Truppenzahl in der Stadt zu wissen! Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi, zu Deutsch: "Sind Behörden erst verhaßt, der Soldat beim Bürger praßt."

15 Koblenz, 23. Decbr.

Die Proteste der altpreußischen Gerichtsbeamten gegen den Wiedereintritt der Majoritäts-Mitglieder der Nationalversammlung haben kaum überrascht. Von ihnen wußte man nicht anders, als daß sie Königl. Preuß. Bediente seien, an Kabinetsjustiz gewöhnt, durch und durch von jenem Beamtengeist infizirt, den schon vor 33 Jahren der Minister Stein so sehr verfluchte. Sie thaten nur, was sie nicht lassen konnten, und ohne dabei weder an Achtung des Volkes einzubüßen, noch an Anerkennung von Seiten der Staatsregierung zu gewinnen. Und beides aus auf der Hand liegenden Gründen. Aber von unsern rheinischen Juristen glaubten wir erwarten zu dürfen, daß sie uns nicht durch eine eben so perfide als eckelhafte Schweifwedelei nach oben hin blamiren würden.

Es wird vielleicht von Interesse sein, des Benehmens hiesiger Landgerichtsbeamten gegen ihren zurückgekehrten Collegen Schornbaum zu erwähnen. Der geistreiche Chef des Parkets, v. Runkel, empfing Herrn Schornbaum entschieden ernsthaft, würdevoll, mit Klagen über die vielen Freisprechungen bei den Assisen; der gemüthliche Gerichtschef v. Olfers, in aristokratisch-gereizter, ganz auf die ultima ratio regum bauender Stimmung; der Kollege und "Kölsche Spaßmacher" Maus, frostig und ohne Handschlag, und äußerte später -- es sei ihm dabei ganz unheimlich zu Muthe gewesen; -- der weinfreundliche joviale Kollege Schild sagte: Tag! und las dann in seinen Akten. Auf Befragen hieß es: "zwischen uns kann fortan von keiner Verbindung die Rede sein." Der edle außerordentliche Landwehroffizier und Kammerpräsident Herr de Marees, die dichterische Pflanze aus Dessau, ließ sich nebst Ehehälfte verleugnen, hatte aber ganz insgeheim einen förmlichen Protest entworfen und den Uebrigen zur Unterschrift vorgelegt. Und so war die Stimmung und der Empfang des übrigen Personals bis zum jüngsten Assessor! --

Den Koblenzern wird es angenehm sein, zu hören, daß in aller Stille eine von sämmtlichen Mitgliedern des Gerichts unterschriebene Dankadresse für die Verfassung an Se. Majestät abgegangen ist, und werden darin eine Garantie für die Trefflichkeit derselben erkennen.

307 Münster, 27. Dez.

Sie kennen die Geschichte von dem Fuchse, der mal in eine Falle gerieth, seinen Schwanz einbüßte und bei seiner Rückkehr zu seinen Brüdern, diesen vorpredigte, sie möchten sich gleichfalls die Schwänze nehmen, es sei das sehr hübsch; er erndtete verdienten Hohn. -- Die Geschichte wiederholt sich eben hier. Das hiesige Oberlandesgericht hat bei seinem Schweifwedeln jüngsthin seinen Schweif eingebüßt, es hat durch seine verächtliche Maßregel gegen Temme gänzlich alles Zutrauen, alle Achtung verloren und steht auf's äußerste blamirt da. Man suchte sich wunderlich genug zu helfen und intriguirte bei den -- Untergerichten, um sie zu ähnlichen Demonstrationen gegen Temme zu bewegen. Die Aufforderung dazu ist Seitens des hiesigen Land- und Stadtgerichts von einem Assessor ausgegangen, der sich längst durch seine verunglückten Bemühungen, eine Rolle zu spielen, namentlich Abgeordneter zu werden, lächerlich gemacht hat; es ist der Schwiegersohn des Obergerichtspräsidenten. Die Intrigue war zu plump. Die Untergerichte bewiesen, was sie freilich schon wohl öfter gezeigt, daß bei ihnen mehr Rechtssinn und Ehrenhaftigkeit, wie beim höhern Gerichtshofe und haben bis jetzt der Aufforderung nicht entsprechen wollen.

Die Untersuchung gegen die Unzahl der hiesigen "Staatsverbrecher" geht ihren "Gang", aber wie? Mehrere der Verhafteten sind seit drei Wochen gar nicht vernommen worden. Es lebe die Habeas-Corpus-Acte und die Gewährleistung der persönlichen Freiheit! -- Mit dem 1. Januar k. J. erscheint hier eine neue politische Zeitschrift radikaler Richtung, die "Westphälische Volkshalle". Es thut wahrlich Noth, daß dem "Westphälischen Merkur" das Monopol genommen wird.

Nachschrift. Abends 7 Uhr. Um 5 Uhr heute Nachmittag erfolgte die Verhaftung des Obergerichtsdirektors Temme durch den Kriminaldirektor Giese, der ihn persönlich aus seiner Wohnung abholte und zum Zuchthause (welches zugleich Untersuchungsgefängniß ist) führte. Ueber den Grund dieser die allgemeinste Sensation erregenden Maßregel vernehme ich nur so viel, daß dieselbe nicht etwa Folge der Untersuchung ist, welche beim k. Kammergericht in Berlin gegen sämmtliche Abgeordnete, die am Steuerverweigerungsbeschlusse Theil genommen, beantragt resp. eingeleitet worden, sondern Folge einer gegen Temme eingeleiteten besondern Untersuchung. Welches Verbrechen dem Temme zur Last gestellt, von welchem Gerichtshof diese besondere Untersuchung eingeleitet und die Verhaftung beschlossen worden, konnte mir meine sonst sehr gute Quelle nicht angeben.

006 Münster, 27. Dez.

"Ich weiß mich trefflich mit der Polizei,
Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden."

Es ist ein Blutbann, der über unser Land geht, ärger, als in den Zeiten der heiligen Behme. Heute Abend ist Temme hier verhaftet worden; seine Eigenschaft als Richter, als Direktor eines obersten Gerichtshofes hat ihn nicht geschützt vor der blinden Verfolgungswuth des hiesigen Oberlandesgerichts, das er bei seinem Eintritte so kräftig zurechtgewiesen, daß auch nicht einer seiner Gegner ein Wörtchen zu erwidern wagte. Warum ist diese schmähliche Verhaftung geschehen? Etwa auf Requisition des Staatsanwalts Sethe? Etwa wegen seiner nicht genug zu rühmenden Entschiedenheit und Thätigkeit in der Nationalversammlung? Man weiß es nicht; was aber auch der vorgeschützte Grund sein möge, dieser Schritt der Contrerevolution hat neues Oel in's Feuer gegossen. Obgleich die Verhaftung in tiefer Dunkelheit vorgenommen wurde, durchlief die Nachricht doch sofort die ganze Stadt, und welche Entrüstung sie hervorgerufen, ist kaum zu beschreiben. Eine solche Erbitterung setzt sich nur zu fest: so lohnt das deutsche, das preußische Volk seine Vertreter, seine treuesten Söhne! Wir haben ja eine "freisinnige" Verfassung -- auf dem Papiere. Man erzählt sich sogar, daß vorher schon Bett und Möbel bereit gehalten worden, und von gewisser Seite will man erfahren haben, daß der Haftbefehl einseitig vom hiesigen Gericht ausgegangen, weil -- staunen Sie! -- Temme mit dem hier stattgehabten konstitutionellen Kongreß in Verbindung gestanden.

Dieser höchst unschuldige Kongreß, von dem man jetzt, um die Maßregeln gegen die Mitglieder desselben zu rechtfertigen, sogar aussprengt, man habe damit eine geheime Verschwörung gestiftet und am 15. d. mit dem Morden und Sengen anfangen wollen, erlangt auf diese Weise eine Wichtigkeit, an die hier Niemand gedacht; indeß er muß einmal zum Vorwande dienen. Betheiligt an demselben sind Alle gleicherweise und es ist gar nicht einzusehen, warum nicht sämmtliche 168 Erschienene eingezogen werden. Am härtesten ist offenbar das Verfahren gegen den Buchdrucker Wundermann, der ungeachtet der dringensten Vorstellungen und obschon Hammacher alle Verantworlichkeit für Autorschaft und Besorgung der inkriminirten Plakate übernommen hat, dennoch nicht freigelassen wird. Die Räume des hiesigen Zuchthauses beherbergen jetzt eine wahrhaft "noble" Gesellschaft, die sich noch vermehren zu sollen scheint; außer Hammacher, Groneweg, dem braven Stadtverordneten Hartmann, außer Löher, Mirbach, Graumann, Schmitz, Gruwe, Blumenfeld, sind noch viele andere politische Angeklagte darin untergebracht. Schließlich die Bemerkung, daß diese edlen Verbrecher von Seiten der Strafanstalts-Direktion anständig und mit der größten Freundlichkeit behandelt werden.

135 Münster, 27. Dezbr.

Die Sache wird immer gelungener! Heute Abend ist der Ober-Landes-Gerichts-Director Temme verhaftet, nachdem am 22. d. M. der erleuchtete Criminal-Senat des Ober-Landes-Gerichts beschlossen:

"Daß gegen Temme wegen des gegen ihn begründeten Verdachts, den Steuerverweigerungs-Beschluß, erlassen von Abgeordneten zur Nationalversammlung, datirt Berlin den 15. November, zur Ausführung und Geltung gebracht, wenigstens dieses versucht und darauf hingewirkt zu haben, auf den Grund des §. 92 resp. 233 und 167 Tit. 20 Th. II. des Allg. Land-Rechts die Untersuchung zu eröffnen."

In dem Verhöre wurde Temme vorgehalten: daß die Unterschrift unterm Aufruf an das Volk vom 27. November sein Verbrechen sei, und man daraus den Schluß ziehen müsse, daß er an der Verbreitung dieses Aufrufs Schuld sei! Kant würde sich im Sarge umdrehen, wenn er diesen Schluß hörte.

Temme hat sich auf die Anklage nicht eingelassen, vielmehr dagegen protestirt und zwar:

1) weil das Kammergericht allein als Forum delicti der competente Gerichtshof sei;

2) weil das hiesige Ober-Landes-Gericht durch seinen allerunterthänigst am Fuße des Throns niedergelegten Protest gegen Temme sich ihm gegenüber als Partei gerirt habe;

3) weil er als Abgeordneter gehandelt und deßhalb nur seinem Gewissen verantwortlich sei.

Temme hat an das Ministerium der Justiz (nicht an den Justiz-Minister) einen Protest erlassen gegen Einleitung der Untersuchung und gegen das Ober-Landes-Gericht.

Temme sitzt unter einem Dache mit den gemeinsten Verbrechern, (das Gefängniß für die Untersuchungs-Gefangenen und das Zuchthaus ist ein Gebäude) während der davon gelaufene Abgeordnete Rintelen sich als Justiz-Minister brüstet.

Zur Charakteristik des Kriminalsenats des würdigen hiesigen Oberlandesgerichts folgendes: Im August v. J. sollte gegen einen sogenannten Adligen des Münsterlandes, Frhrn. v. K., (Regierungsassessor) wegen fleischlicher Verbrechen die Untersuchung eingeleitet werden. Der Freiherr entfloh aber nach Belgien und nur sein Complice, ein hiesiger Unteroffizier, wurde verhaftet. In Folge allerunterthänigster Bitten der Verwandten des edlen gemeinen Frhn. v. K. wurde eine Kabinetsordre erlassen, daß jede Verfolgung des Frhn. v. K. zu unterlassen, und die Untersuchung nur einzuleiten, wenn derselbe sich im Inlande "betreten ließe." Der Kriminalsenat, an dessen Spitze damals der Präsident von Olfers, dieser ehrenhafte preußische Richter stand, unterließ natürlich pflichtschuldigst jede Verfolgung. Der gemeine Verbrecher treibt sich nun 5 Jahre im Auslande umher, dann ist das Verbrechen verjährt und der Freiherr kehrt zurück zur Freude der münsterländer Noblesse, die in ihm ihren Pair verehrt.

Man erinnert sich, daß Hr. Ex-Justizminister Uhden auf dem vereinigten Landtage von 1847 einmal äußerte, daß er es sich zur Ehre anrechne, dem ehrenwerthen Stande der preußischen Richter angehört zu haben. Damals, wo man noch keine Ahnung von der Möglichkeit der neuesten Prostitution der preußischen Gerichtshöfe hatte, wo alles noch in den Illusionen eines ehrenwerthen Richterstandes befangen war, damals konnten viele die Aeußerung des cidevant geheimen Kabinetsraths und Ministers Uhden nicht begreifen. Die Kurzsichtigen! Uhden kannte seine Pappenheimer, das zeigt das Auftreten des Revisionshofes, des geh. Ober-Tribunals, der Ober-Landesgerichte in Münster, Ratibor, Bromberg.

61 Wien, 24. Dez.

Während unsere Standrechtspresse mit dem unverschämtesten Uebermuth wahnsinniger Ohnmacht fortfährt, die französische Bourgeois-Republik anzugreifen, Deutschland die plumpsten Fußtritte zu geben, eine verächtliche provozirende Sprache wider Preußen zu führen, den Banditen im eigenen Lande henkern zu helfen, bekommt zuverlässigen Gerüchten nach die kaiserliche Armee von den Magyaren die anständigsten Prügel.

Nachdem man am 17. durch tausendfach hier verbreitete sogenannte Siegesbülletins die Besetzung einiger menschenleeren, obendrein jüdisch-deutschen Städtchen dicht jenseits der ungarischen Gränze marktschreierisch-breit verkündet hat, sind die Nachfolger dieser Siegesbülletins des unüberwindlichen Banditen Windischgrätz und des Sippesahler Jellachich seitdem ausgeblieben. Das Wiener Publikum und die Börse ziehen daraus den einfachen Schluß, daß eben keine Siege erfochten worden, obgleich die hunderte von Wagen mit Verwundeten ihnen seit einigen Tagen anschaulich machen, daß man sich furchtbar geschlagen haben müsse. So ist es denn auch. Die Freiheits- und Meuchelmörder sind zwischen Raab und Komorn von den Magyaren so bedeutend auf's Haupt geschlagen worden, daß sie sich nach Wieselburg, Preßburg u. s. w. haben zurückziehen müssen, und dem Gerüchte zufolge selbst diese Städte wieder geräumt haben. Es sollen ganze Kavallerieregimenter in die Luft gesprengt worden sein, indem die Ungarn unterminirte Positionen scheinbar vertheidigten, dann flohen und die nacheilende Kavallerie durch rasches Anzünden der mit den verlassenen Positionen in Verbindung stehenden Laufgräben in's Verderben stürzten. Die Magyaren, so heißt es, sollen Windischgrätz dabei 15 Kanonen abgenommen haben. Ueberdies soll unter dem deutschen Theil der Armee eine Emeute ausgebrochen sein, die nur durch die furchtbarste Energie und Zusammenschießen eines ganzen Bataillons deutscher Grenadiere habe erdrückt werden können. Der Sumpf in Frankfurt bekommt dadurch vielleicht Gelegenheit zu neuen Redensarten und neuen Reichskommissarien, die sich freuen, am Tische der k. k. Banditen speisen zu dürfen. Noch gestern begegnete ich einer Unzahl Wagen mit in Stroh gewickelten Verwundeten, die ein erbarmungsvolles Jammergeschrei in den Straßen ertönen ließen, da die Kälte die offenen Wunden um so schmerzlicher machte. Diese Umstände haben die Aufmerksamkeit des Gouverneurs von Wien natürlich verzehnfacht, und er ließ gestern sofort wieder einen armen Märtyrer vor dem Neuthor erschießen. Tausende von Spionen schleichen zu jeder Zeit in allen Winkeln der Stadt herum; einer glotzt auf der Straße den andern an, und wehe dem, der verdächtig erscheint. Gast- und Kaffee-

*) Abgeordneter des Landkreises Aachen, zuletzt Sekretair der Nationalversammlung und entschieden links.

händler maß sie von oben bis unten. Da die Tollkühnen aber auf ihrem Entschluß beharrten, und mit einer wahrhaft unerbittlichen Frechheit in ihn drangen, einen Versuch zu wagen, so ging der verlegene Verleger zuletzt mit seinem buchhändlerischen Herzen zu Rathe und nach einigen Wochen erschien denn auch die Zeitschrift „Punch“ — — Niemand dachte daran, daß sie schon nach einem halben Jahre viele Tausende von Abonnenten haben werde.

So geschah es aber, denn die Redakteure des jungen Blattes hatten nicht nur des Renommé ihres alten Gewährsmannes Punch für sich, sondern sie gingen auch allen lächerlichen Personen des Landes, in so unverschämter, und doch in so liebenswürdiger Weise zu Leibe, daß sie sich im eigentlichsten Sinne des Wortes, die Aufmerksamkeit des Publikums erzwangen. Noch fehlte ihnen indeß zum vollständigen Geling[unleserliches Material] ihres Unternehmens, irgend ein großer Coup, eine wahre Mordgeschichte, sei es welche es wolle, irgend ein nierenerschütternder — Prozeß. Es giebt nichts famoseres als ein Prozeß!

Gott war den verwegenen Redakteuren des Punch gnädig. Er schenkte ihnen was sie bedurften. Lord Brougham war nemlich so unvorsichtig, den armen Punch wegen Verläumdung in optima forma zu verklagen. —

Ich brauche meinen Lesern nicht zu versichern, daß die Existenz des jungen Blattes von diesem Augenblicke an, für alle Ewigkeit gesichert war. Vergebens ließ der edle Lord alle Minen seines Einflusses springen. Alles was er in sechs Tagen zu Stande zu bringen wußte, vernichteten die naseweisen Herausgeber des kleinen Scherzblattes am Ende der Woche, durch immer neue Angriffe, durch immer witzigere und humoristischere Erwiederungen und ehe man sich's versah, war Punch eins der gelesensten Blätter in ganz England.

Die ersten Mitarbeiter an Punch waren Thackeray, der Verfasser der Snobs of England, Gilbert A à Beckett und Douglas Jerrold, von denen namentlich der letztere, einer der beliebtesten englischen Schriftsteller geworden ist. Die Illustrationen lieferte manchmal George Cruikshank, in den meisten Fällen aber John Leech und mit Recht kann man sagen, daß die erstern beiden, den Humor eines Swift, eines Sterne, eines Smollet in ihren Artikeln wieder auferstehen ließen; die letztern in ihren Karrikaturen den eines Hogarth.

The Story of a feather von Jerrold und The Comic Blackstone von à Beckett, die mit Illustrationen von Leech nach und nach im Punch erschienen, sind noch in Jedermanns Gedächtniß. Punch leistete wirklich das Mögliche und oft noch denke ich an die stillen großbritannischen Sonntag Nachmittage, wo ich in Yorkshire, Luft- und Menschenverlassen in dem Londoner Charivari meine einzige Erheiterung fand. Man brauchte nur die einzelnen Karrikaturen früherer Wochen und Jahre durchzugehen, um in wenigen Augenblicken die ganze neuere englische Geschichte vor Augen zu haben und sich jeder Parlaments-Debatte auf's lebhafteste zu erinnern. Da war Lord Brougham, den Punch seit seiner Verläumdungsklage, wahrhaft systematisch verfolgte — Lord Henry, mit den Hosen aux grands carraux, und mit der rothen Kartoffelnase, wie er bei jeder Debatte des Oberhauses, sei es in einem Rechtsstreit mit Lord Campbell, oder in einer Debatte über den Sclavenhandel seine Weisheit an den Mann zu bringen suchte. Da war „der eiserne Herzog,“ der Herzog von Wellington steif wie er einst bei Waterloo zu Roß saß, mit der großen Schaafsnase und dem freundlich milden Lächeln, was ihm stets um die Lippen schwebte, wenn er sich nichts weniger als eisern, wie bei der Katholischen Emancipations-Bill und bei der Korn-Zoll-Frage, vor seinen parlamentarischen Feinden zurück zog.

Da: Sir Robert Peel, der Sohn des Baumwollspinners, von gehörigem embonpoint, mit spindeldürren Beinen, in schneeweißer Weste, der reiche, der unabhängige Mann, der schon im Jahre 1819 seine berühmte Bill vor die Commons brachte und der noch immer der Held des Hauses ist, bei jeder großen Debatte, sei es über die letzte Fabrikstadt im Norden Alt-Englands oder über die verwickeltsten Interessen des asiatischen Kontinentes. Da endlich King Dan, der alte Daniel O'Connel, der sein Advokatenhandwerk an den Nagel hing, um, wie er sich ausdrückte, dem Edelstein der See zu dienen, dem grünen Erin, der schönsten Insel der Welt, und dafür, beiläufig bemerkt, jedes Jahr circa 30 Tausend Pfund Rente in Empfang zu nehmen. Und so weiter, alle Redner Britanniens, Lord John Russel, der kleine gedrückte Mann, der Held der Reform Bill und Lord Palmerston, der berüchtigte, unruhige Whig. Disraeli der gewandteste Redner des Hauses und Roebuck, die unvermeidliche, die böse Sieben — — Alle, alle sah man sie wiederkehren, meisterhaft getroffen, in hundert und aber hundert verschiedenen Positionen, und in ihren Bildern wurde das Vergangene lebendig und gern erinnerte man sich noch einmal an alles das was man längst genossen und vergessen hatte.

Punch besitzt wirklich das Verdienst, daß er alle Redner und Staatsmänner Englands zu ganz familiären Leuten machte. Jeder Straßenjunge kennt jetzt die Nase Lord Broughams so gut wie seine eigne; und das ist ungeheuer viel wenn man die Nase eines Menschen kennt!

Ueber der hohen Politik vergaß Punsch indeß auch nicht das gewöhnliche, alltägliche Treiben des Volkes. In den Gardinen Predigten der Mrs. Caudle schilderte er z. B. die Langeweile des engl. Ehelebens in so ergötzlicher Weise, daß mancher Familienvater seit dem Abends ein paar Stunden später nach Hause gekommen sein wird. James's Diary mußte die Eisenbahnspekulationen illustriren; Punch Letter-Writer gab Gelegenheit zu Korrespondenzen zwischen allen Theilen der Gesellschaft. — — Und so würden wir noch zu hunderterlei Lob für unsern Freund Veranlassung finden, wenn es uns nicht plötzlich in den Sinn käme, den heitern Punch auch einmal als Organ einer politischen Partei in's Auge zu fassen. Humoristisch oder nicht humoristisch: jedes hervorragende Blatt eines civilisirten Landes ergreift für irgend eine Sache Partei. Wir haben

[Deutschland]

[Fortsetzung] der“ erhielten und die Eurigen vor Elend und Jammer dahin starben: so bedenkt, daß das eben die im ministeriellen Erlaß empfohlene „Sitte“ ist.

Ihr sollt aber Euern Zöglingen nicht bloß Achtung vor jener „Sitte“, sondern auch vor dem „Gesetz“ beibringen. Ihr kennt das Gesetz, das alte, wie das neue. Ihr kennt das alte, darum auch das neue.

Das „Gesetz“ — es ist nach wie vor darauf berechnet, daß die große Masse des Volkes zum Vortheile einiger Wenigen ausgesogen und mißhandelt wird. Das „Gesetz“, ist es das vor den Märztagen, vom 8. April, vom Dezember? Ist es das Patent von 1847 oder das von 1848, das Standrecht oder die Habeas-Corpus-Acte?

Also Achtung vor „Sitte“ und „Gesetz“! Bringt sie Euern Zöglingen bei; doch außerdem noch Liebe zum Vaterlande und — zu ihrem Fürsten! Wie nun, wenn diese Doppelliebe unverträglich, unmöglich ist? Arme Schulmeister! Ihr müßt das Unmögliche möglich machen und daß es sich durch Heuchelei, Volksverrath, Vernunftertödtung und ähnliche Mittel ermöglichen läßt, daran werden Hr. Ladenberg, Eichhorn etc. nicht zweifeln. Sie wissen Bescheid darum.

(Schluß folgt.)

43 Bonn, 28. Dezbr.

Dr. Gottschalk hat sich, um von der Aufregung der letzten Tage zu ruhen, hierher in unsere Stille zurückgezogen, wo ihm gestern Abend Sänger aus dem Bürgerstande eine Nachtmusik brachten. Er ist durch die lange einsame Haft angegriffen; jede Berührung mit der Außenwelt strengt ihn an, und es thut ihm Noth, sich wohl noch ein paar Wochen auszuruhen und körperlich zu erstarken. Eine am vergangenen Dienstag in Kessenich abgehaltene Volksversammlung war wohl besonders deshalb so überzahlreich besucht, weil man sein Auftreten daselbst, einem Gerüchte zufolge, voraussetzte. — Die 27er sind abgezogen, aber ebenso viele 25er eingerückt. Von neuem also drückt uns die Last der Natural-Einquartierung, durch welche die Regierung auf Bürger-Kosten ihre Soldaten futtert. Das Elend und die Nahrungslosigkeit werden hier ohnehin stets größer, alle Arbeit stockt, die Hausmiethen sinken sehr stark — und nun muß man es schon von einst wohlhabenden Leuten hören, daß die Einquartirung ihnen ihr letztes Erspartes aufzehrt. Bonn hat zwei mächtig große Kasernen — aber unter dem Vorwand, daß diese nur für Kavallerie Raum hätten, legt man eine Infanteriebesatzung in die Häuser des Bürgers! Uebrigens begreift es sich freilich nach den Vorfällen des letzten Monats, wenn es in Bonn Leute giebt, denen Etwas daran liegt, eine starke Truppenzahl in der Stadt zu wissen! Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi, zu Deutsch: „Sind Behörden erst verhaßt, der Soldat beim Bürger praßt.“

15 Koblenz, 23. Decbr.

Die Proteste der altpreußischen Gerichtsbeamten gegen den Wiedereintritt der Majoritäts-Mitglieder der Nationalversammlung haben kaum überrascht. Von ihnen wußte man nicht anders, als daß sie Königl. Preuß. Bediente seien, an Kabinetsjustiz gewöhnt, durch und durch von jenem Beamtengeist infizirt, den schon vor 33 Jahren der Minister Stein so sehr verfluchte. Sie thaten nur, was sie nicht lassen konnten, und ohne dabei weder an Achtung des Volkes einzubüßen, noch an Anerkennung von Seiten der Staatsregierung zu gewinnen. Und beides aus auf der Hand liegenden Gründen. Aber von unsern rheinischen Juristen glaubten wir erwarten zu dürfen, daß sie uns nicht durch eine eben so perfide als eckelhafte Schweifwedelei nach oben hin blamiren würden.

Es wird vielleicht von Interesse sein, des Benehmens hiesiger Landgerichtsbeamten gegen ihren zurückgekehrten Collegen Schornbaum zu erwähnen. Der geistreiche Chef des Parkets, v. Runkel, empfing Herrn Schornbaum entschieden ernsthaft, würdevoll, mit Klagen über die vielen Freisprechungen bei den Assisen; der gemüthliche Gerichtschef v. Olfers, in aristokratisch-gereizter, ganz auf die ultima ratio regum bauender Stimmung; der Kollege und „Kölsche Spaßmacher“ Maus, frostig und ohne Handschlag, und äußerte später — es sei ihm dabei ganz unheimlich zu Muthe gewesen; — der weinfreundliche joviale Kollege Schild sagte: Tag! und las dann in seinen Akten. Auf Befragen hieß es: „zwischen uns kann fortan von keiner Verbindung die Rede sein.“ Der edle außerordentliche Landwehroffizier und Kammerpräsident Herr de Marées, die dichterische Pflanze aus Dessau, ließ sich nebst Ehehälfte verleugnen, hatte aber ganz insgeheim einen förmlichen Protest entworfen und den Uebrigen zur Unterschrift vorgelegt. Und so war die Stimmung und der Empfang des übrigen Personals bis zum jüngsten Assessor! —

Den Koblenzern wird es angenehm sein, zu hören, daß in aller Stille eine von sämmtlichen Mitgliedern des Gerichts unterschriebene Dankadresse für die Verfassung an Se. Majestät abgegangen ist, und werden darin eine Garantie für die Trefflichkeit derselben erkennen.

307 Münster, 27. Dez.

Sie kennen die Geschichte von dem Fuchse, der mal in eine Falle gerieth, seinen Schwanz einbüßte und bei seiner Rückkehr zu seinen Brüdern, diesen vorpredigte, sie möchten sich gleichfalls die Schwänze nehmen, es sei das sehr hübsch; er erndtete verdienten Hohn. — Die Geschichte wiederholt sich eben hier. Das hiesige Oberlandesgericht hat bei seinem Schweifwedeln jüngsthin seinen Schweif eingebüßt, es hat durch seine verächtliche Maßregel gegen Temme gänzlich alles Zutrauen, alle Achtung verloren und steht auf's äußerste blamirt da. Man suchte sich wunderlich genug zu helfen und intriguirte bei den — Untergerichten, um sie zu ähnlichen Demonstrationen gegen Temme zu bewegen. Die Aufforderung dazu ist Seitens des hiesigen Land- und Stadtgerichts von einem Assessor ausgegangen, der sich längst durch seine verunglückten Bemühungen, eine Rolle zu spielen, namentlich Abgeordneter zu werden, lächerlich gemacht hat; es ist der Schwiegersohn des Obergerichtspräsidenten. Die Intrigue war zu plump. Die Untergerichte bewiesen, was sie freilich schon wohl öfter gezeigt, daß bei ihnen mehr Rechtssinn und Ehrenhaftigkeit, wie beim höhern Gerichtshofe und haben bis jetzt der Aufforderung nicht entsprechen wollen.

Die Untersuchung gegen die Unzahl der hiesigen „Staatsverbrecher“ geht ihren „Gang“, aber wie? Mehrere der Verhafteten sind seit drei Wochen gar nicht vernommen worden. Es lebe die Habeas-Corpus-Acte und die Gewährleistung der persönlichen Freiheit! — Mit dem 1. Januar k. J. erscheint hier eine neue politische Zeitschrift radikaler Richtung, die „Westphälische Volkshalle“. Es thut wahrlich Noth, daß dem „Westphälischen Merkur“ das Monopol genommen wird.

Nachschrift. Abends 7 Uhr. Um 5 Uhr heute Nachmittag erfolgte die Verhaftung des Obergerichtsdirektors Temme durch den Kriminaldirektor Giese, der ihn persönlich aus seiner Wohnung abholte und zum Zuchthause (welches zugleich Untersuchungsgefängniß ist) führte. Ueber den Grund dieser die allgemeinste Sensation erregenden Maßregel vernehme ich nur so viel, daß dieselbe nicht etwa Folge der Untersuchung ist, welche beim k. Kammergericht in Berlin gegen sämmtliche Abgeordnete, die am Steuerverweigerungsbeschlusse Theil genommen, beantragt resp. eingeleitet worden, sondern Folge einer gegen Temme eingeleiteten besondern Untersuchung. Welches Verbrechen dem Temme zur Last gestellt, von welchem Gerichtshof diese besondere Untersuchung eingeleitet und die Verhaftung beschlossen worden, konnte mir meine sonst sehr gute Quelle nicht angeben.

006 Münster, 27. Dez.

„Ich weiß mich trefflich mit der Polizei,
Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden.“

Es ist ein Blutbann, der über unser Land geht, ärger, als in den Zeiten der heiligen Behme. Heute Abend ist Temme hier verhaftet worden; seine Eigenschaft als Richter, als Direktor eines obersten Gerichtshofes hat ihn nicht geschützt vor der blinden Verfolgungswuth des hiesigen Oberlandesgerichts, das er bei seinem Eintritte so kräftig zurechtgewiesen, daß auch nicht einer seiner Gegner ein Wörtchen zu erwidern wagte. Warum ist diese schmähliche Verhaftung geschehen? Etwa auf Requisition des Staatsanwalts Sethe? Etwa wegen seiner nicht genug zu rühmenden Entschiedenheit und Thätigkeit in der Nationalversammlung? Man weiß es nicht; was aber auch der vorgeschützte Grund sein möge, dieser Schritt der Contrerevolution hat neues Oel in's Feuer gegossen. Obgleich die Verhaftung in tiefer Dunkelheit vorgenommen wurde, durchlief die Nachricht doch sofort die ganze Stadt, und welche Entrüstung sie hervorgerufen, ist kaum zu beschreiben. Eine solche Erbitterung setzt sich nur zu fest: so lohnt das deutsche, das preußische Volk seine Vertreter, seine treuesten Söhne! Wir haben ja eine „freisinnige“ Verfassung — auf dem Papiere. Man erzählt sich sogar, daß vorher schon Bett und Möbel bereit gehalten worden, und von gewisser Seite will man erfahren haben, daß der Haftbefehl einseitig vom hiesigen Gericht ausgegangen, weil — staunen Sie! — Temme mit dem hier stattgehabten konstitutionellen Kongreß in Verbindung gestanden.

Dieser höchst unschuldige Kongreß, von dem man jetzt, um die Maßregeln gegen die Mitglieder desselben zu rechtfertigen, sogar aussprengt, man habe damit eine geheime Verschwörung gestiftet und am 15. d. mit dem Morden und Sengen anfangen wollen, erlangt auf diese Weise eine Wichtigkeit, an die hier Niemand gedacht; indeß er muß einmal zum Vorwande dienen. Betheiligt an demselben sind Alle gleicherweise und es ist gar nicht einzusehen, warum nicht sämmtliche 168 Erschienene eingezogen werden. Am härtesten ist offenbar das Verfahren gegen den Buchdrucker Wundermann, der ungeachtet der dringensten Vorstellungen und obschon Hammacher alle Verantworlichkeit für Autorschaft und Besorgung der inkriminirten Plakate übernommen hat, dennoch nicht freigelassen wird. Die Räume des hiesigen Zuchthauses beherbergen jetzt eine wahrhaft „noble“ Gesellschaft, die sich noch vermehren zu sollen scheint; außer Hammacher, Groneweg, dem braven Stadtverordneten Hartmann, außer Löher, Mirbach, Graumann, Schmitz, Gruwe, Blumenfeld, sind noch viele andere politische Angeklagte darin untergebracht. Schließlich die Bemerkung, daß diese edlen Verbrecher von Seiten der Strafanstalts-Direktion anständig und mit der größten Freundlichkeit behandelt werden.

135 Münster, 27. Dezbr.

Die Sache wird immer gelungener! Heute Abend ist der Ober-Landes-Gerichts-Director Temme verhaftet, nachdem am 22. d. M. der erleuchtete Criminal-Senat des Ober-Landes-Gerichts beschlossen:

„Daß gegen Temme wegen des gegen ihn begründeten Verdachts, den Steuerverweigerungs-Beschluß, erlassen von Abgeordneten zur Nationalversammlung, datirt Berlin den 15. November, zur Ausführung und Geltung gebracht, wenigstens dieses versucht und darauf hingewirkt zu haben, auf den Grund des §. 92 resp. 233 und 167 Tit. 20 Th. II. des Allg. Land-Rechts die Untersuchung zu eröffnen.“

In dem Verhöre wurde Temme vorgehalten: daß die Unterschrift unterm Aufruf an das Volk vom 27. November sein Verbrechen sei, und man daraus den Schluß ziehen müsse, daß er an der Verbreitung dieses Aufrufs Schuld sei! Kant würde sich im Sarge umdrehen, wenn er diesen Schluß hörte.

Temme hat sich auf die Anklage nicht eingelassen, vielmehr dagegen protestirt und zwar:

1) weil das Kammergericht allein als Forum delicti der competente Gerichtshof sei;

2) weil das hiesige Ober-Landes-Gericht durch seinen allerunterthänigst am Fuße des Throns niedergelegten Protest gegen Temme sich ihm gegenüber als Partei gerirt habe;

3) weil er als Abgeordneter gehandelt und deßhalb nur seinem Gewissen verantwortlich sei.

Temme hat an das Ministerium der Justiz (nicht an den Justiz-Minister) einen Protest erlassen gegen Einleitung der Untersuchung und gegen das Ober-Landes-Gericht.

Temme sitzt unter einem Dache mit den gemeinsten Verbrechern, (das Gefängniß für die Untersuchungs-Gefangenen und das Zuchthaus ist ein Gebäude) während der davon gelaufene Abgeordnete Rintelen sich als Justiz-Minister brüstet.

Zur Charakteristik des Kriminalsenats des würdigen hiesigen Oberlandesgerichts folgendes: Im August v. J. sollte gegen einen sogenannten Adligen des Münsterlandes, Frhrn. v. K., (Regierungsassessor) wegen fleischlicher Verbrechen die Untersuchung eingeleitet werden. Der Freiherr entfloh aber nach Belgien und nur sein Complice, ein hiesiger Unteroffizier, wurde verhaftet. In Folge allerunterthänigster Bitten der Verwandten des edlen gemeinen Frhn. v. K. wurde eine Kabinetsordre erlassen, daß jede Verfolgung des Frhn. v. K. zu unterlassen, und die Untersuchung nur einzuleiten, wenn derselbe sich im Inlande „betreten ließe.“ Der Kriminalsenat, an dessen Spitze damals der Präsident von Olfers, dieser ehrenhafte preußische Richter stand, unterließ natürlich pflichtschuldigst jede Verfolgung. Der gemeine Verbrecher treibt sich nun 5 Jahre im Auslande umher, dann ist das Verbrechen verjährt und der Freiherr kehrt zurück zur Freude der münsterländer Noblesse, die in ihm ihren Pair verehrt.

Man erinnert sich, daß Hr. Ex-Justizminister Uhden auf dem vereinigten Landtage von 1847 einmal äußerte, daß er es sich zur Ehre anrechne, dem ehrenwerthen Stande der preußischen Richter angehört zu haben. Damals, wo man noch keine Ahnung von der Möglichkeit der neuesten Prostitution der preußischen Gerichtshöfe hatte, wo alles noch in den Illusionen eines ehrenwerthen Richterstandes befangen war, damals konnten viele die Aeußerung des cidevant geheimen Kabinetsraths und Ministers Uhden nicht begreifen. Die Kurzsichtigen! Uhden kannte seine Pappenheimer, das zeigt das Auftreten des Revisionshofes, des geh. Ober-Tribunals, der Ober-Landesgerichte in Münster, Ratibor, Bromberg.

61 Wien, 24. Dez.

Während unsere Standrechtspresse mit dem unverschämtesten Uebermuth wahnsinniger Ohnmacht fortfährt, die französische Bourgeois-Republik anzugreifen, Deutschland die plumpsten Fußtritte zu geben, eine verächtliche provozirende Sprache wider Preußen zu führen, den Banditen im eigenen Lande henkern zu helfen, bekommt zuverlässigen Gerüchten nach die kaiserliche Armee von den Magyaren die anständigsten Prügel.

Nachdem man am 17. durch tausendfach hier verbreitete sogenannte Siegesbülletins die Besetzung einiger menschenleeren, obendrein jüdisch-deutschen Städtchen dicht jenseits der ungarischen Gränze marktschreierisch-breit verkündet hat, sind die Nachfolger dieser Siegesbülletins des unüberwindlichen Banditen Windischgrätz und des Sippesahler Jellachich seitdem ausgeblieben. Das Wiener Publikum und die Börse ziehen daraus den einfachen Schluß, daß eben keine Siege erfochten worden, obgleich die hunderte von Wagen mit Verwundeten ihnen seit einigen Tagen anschaulich machen, daß man sich furchtbar geschlagen haben müsse. So ist es denn auch. Die Freiheits- und Meuchelmörder sind zwischen Raab und Komorn von den Magyaren so bedeutend auf's Haupt geschlagen worden, daß sie sich nach Wieselburg, Preßburg u. s. w. haben zurückziehen müssen, und dem Gerüchte zufolge selbst diese Städte wieder geräumt haben. Es sollen ganze Kavallerieregimenter in die Luft gesprengt worden sein, indem die Ungarn unterminirte Positionen scheinbar vertheidigten, dann flohen und die nacheilende Kavallerie durch rasches Anzünden der mit den verlassenen Positionen in Verbindung stehenden Laufgräben in's Verderben stürzten. Die Magyaren, so heißt es, sollen Windischgrätz dabei 15 Kanonen abgenommen haben. Ueberdies soll unter dem deutschen Theil der Armee eine Emeute ausgebrochen sein, die nur durch die furchtbarste Energie und Zusammenschießen eines ganzen Bataillons deutscher Grenadiere habe erdrückt werden können. Der Sumpf in Frankfurt bekommt dadurch vielleicht Gelegenheit zu neuen Redensarten und neuen Reichskommissarien, die sich freuen, am Tische der k. k. Banditen speisen zu dürfen. Noch gestern begegnete ich einer Unzahl Wagen mit in Stroh gewickelten Verwundeten, die ein erbarmungsvolles Jammergeschrei in den Straßen ertönen ließen, da die Kälte die offenen Wunden um so schmerzlicher machte. Diese Umstände haben die Aufmerksamkeit des Gouverneurs von Wien natürlich verzehnfacht, und er ließ gestern sofort wieder einen armen Märtyrer vor dem Neuthor erschießen. Tausende von Spionen schleichen zu jeder Zeit in allen Winkeln der Stadt herum; einer glotzt auf der Straße den andern an, und wehe dem, der verdächtig erscheint. Gast- und Kaffee-

*) Abgeordneter des Landkreises Aachen, zuletzt Sekretair der Nationalversammlung und entschieden links.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar182_001a" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0002" n="0980"/>
händler maß sie von oben bis unten. Da die Tollkühnen aber auf ihrem Entschluß beharrten, und mit einer wahrhaft unerbittlichen Frechheit in ihn drangen, einen Versuch zu wagen, so ging der verlegene Verleger zuletzt mit seinem buchhändlerischen Herzen zu Rathe und nach einigen Wochen erschien denn auch die Zeitschrift &#x201E;Punch&#x201C; &#x2014; &#x2014; Niemand dachte daran, daß sie schon nach einem halben Jahre viele Tausende von Abonnenten haben werde.</p>
          <p>So geschah es aber, denn die Redakteure des jungen Blattes hatten nicht nur des Renommé ihres alten Gewährsmannes Punch für sich, sondern sie gingen auch allen lächerlichen Personen des Landes, in so unverschämter, und doch in so liebenswürdiger Weise zu Leibe, daß sie sich im eigentlichsten Sinne des Wortes, die Aufmerksamkeit des Publikums erzwangen. Noch fehlte ihnen indeß zum vollständigen Geling<gap reason="illegible"/> ihres Unternehmens, irgend ein großer Coup, eine wahre Mordgeschichte, sei es welche es wolle, irgend ein nierenerschütternder &#x2014; Prozeß. Es giebt nichts famoseres als ein Prozeß!</p>
          <p>Gott war den verwegenen Redakteuren des Punch gnädig. Er schenkte ihnen was sie bedurften. Lord Brougham war nemlich so unvorsichtig, den armen Punch wegen Verläumdung in optima forma zu verklagen. &#x2014;</p>
          <p>Ich brauche meinen Lesern nicht zu versichern, daß die Existenz des jungen Blattes von diesem Augenblicke an, für alle Ewigkeit gesichert war. Vergebens ließ der edle Lord alle Minen seines Einflusses springen. Alles was er in sechs Tagen zu Stande zu bringen wußte, vernichteten die naseweisen Herausgeber des kleinen Scherzblattes am Ende der Woche, durch immer neue Angriffe, durch immer witzigere und humoristischere Erwiederungen und ehe man sich's versah, war Punch eins der gelesensten Blätter in ganz England.</p>
          <p>Die ersten Mitarbeiter an Punch waren Thackeray, der Verfasser der Snobs of England, Gilbert A à Beckett und Douglas Jerrold, von denen namentlich der letztere, einer der beliebtesten englischen Schriftsteller geworden ist. Die Illustrationen lieferte manchmal George Cruikshank, in den meisten Fällen aber John Leech und mit Recht kann man sagen, daß die erstern beiden, den Humor eines Swift, eines Sterne, eines Smollet in ihren Artikeln wieder auferstehen ließen; die letztern in ihren Karrikaturen den eines Hogarth.</p>
          <p>The Story of a feather von Jerrold und The Comic Blackstone von à Beckett, die mit Illustrationen von Leech nach und nach im Punch erschienen, sind noch in Jedermanns Gedächtniß. Punch leistete wirklich das Mögliche und oft noch denke ich an die stillen großbritannischen Sonntag Nachmittage, wo ich in Yorkshire, Luft- und Menschenverlassen in dem Londoner Charivari meine einzige Erheiterung fand. Man brauchte nur die einzelnen Karrikaturen früherer Wochen und Jahre durchzugehen, um in wenigen Augenblicken die ganze neuere englische Geschichte vor Augen zu haben und sich jeder Parlaments-Debatte auf's lebhafteste zu erinnern. Da war Lord Brougham, den Punch seit seiner Verläumdungsklage, wahrhaft systematisch verfolgte &#x2014; Lord Henry, mit den Hosen aux grands carraux, und mit der rothen Kartoffelnase, wie er bei jeder Debatte des Oberhauses, sei es in einem Rechtsstreit mit Lord Campbell, oder in einer Debatte über den Sclavenhandel seine Weisheit an den Mann zu bringen suchte. Da war &#x201E;der eiserne Herzog,&#x201C; der Herzog von Wellington steif wie er einst bei Waterloo zu Roß saß, mit der großen Schaafsnase und dem freundlich milden Lächeln, was ihm stets um die Lippen schwebte, wenn er sich nichts weniger als eisern, wie bei der Katholischen Emancipations-Bill und bei der Korn-Zoll-Frage, vor seinen parlamentarischen Feinden zurück zog.</p>
          <p>Da: Sir Robert Peel, der Sohn des Baumwollspinners, von gehörigem embonpoint, mit spindeldürren Beinen, in schneeweißer Weste, der reiche, der unabhängige Mann, der schon im Jahre 1819 seine berühmte Bill vor die Commons brachte und der noch immer der Held des Hauses ist, bei jeder großen Debatte, sei es über die letzte Fabrikstadt im Norden Alt-Englands oder über die verwickeltsten Interessen des asiatischen Kontinentes. Da endlich King Dan, der alte Daniel O'Connel, der sein Advokatenhandwerk an den Nagel hing, um, wie er sich ausdrückte, dem Edelstein der See zu dienen, dem grünen Erin, der schönsten Insel der Welt, und dafür, beiläufig bemerkt, jedes Jahr circa 30 Tausend Pfund Rente in Empfang zu nehmen. Und so weiter, alle Redner Britanniens, Lord John Russel, der kleine gedrückte Mann, der Held der Reform Bill und Lord Palmerston, der berüchtigte, unruhige Whig. Disraeli der gewandteste Redner des Hauses und Roebuck, die unvermeidliche, die böse Sieben &#x2014; &#x2014; Alle, alle sah man sie wiederkehren, meisterhaft getroffen, in hundert und aber hundert verschiedenen Positionen, und in ihren Bildern wurde das Vergangene lebendig und gern erinnerte man sich noch einmal an alles das was man längst genossen und vergessen hatte.</p>
          <p>Punch besitzt wirklich das Verdienst, daß er alle Redner und Staatsmänner Englands zu ganz familiären Leuten machte. Jeder Straßenjunge kennt jetzt die Nase Lord Broughams so gut wie seine eigne; und das ist ungeheuer viel wenn man die Nase eines Menschen kennt!</p>
          <p>Ueber der hohen Politik vergaß Punsch indeß auch nicht das gewöhnliche, alltägliche Treiben des Volkes. In den Gardinen Predigten der Mrs. Caudle schilderte er z. B. die Langeweile des engl. Ehelebens in so ergötzlicher Weise, daß mancher Familienvater seit dem Abends ein paar Stunden später nach Hause gekommen sein wird. James's Diary mußte die Eisenbahnspekulationen illustriren; Punch Letter-Writer gab Gelegenheit zu Korrespondenzen zwischen allen Theilen der Gesellschaft. &#x2014; &#x2014; Und so würden wir noch zu hunderterlei Lob für unsern Freund Veranlassung finden, wenn es uns nicht plötzlich in den Sinn käme, den heitern Punch auch einmal als Organ einer politischen Partei in's Auge zu fassen. Humoristisch oder nicht humoristisch: jedes hervorragende Blatt eines civilisirten Landes ergreift für irgend eine Sache Partei. Wir haben</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>[Deutschland]</head>
        <div xml:id="ar182_003" type="jArticle">
          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> der&#x201C; erhielten und die Eurigen vor Elend und Jammer dahin starben: so bedenkt, daß das eben die im ministeriellen Erlaß empfohlene &#x201E;Sitte&#x201C; ist.</p>
          <p>Ihr sollt aber Euern Zöglingen nicht bloß Achtung vor jener &#x201E;Sitte&#x201C;, sondern auch vor dem &#x201E;Gesetz&#x201C; beibringen. Ihr kennt das Gesetz, das alte, wie das neue. Ihr kennt das alte, darum auch das neue.</p>
          <p>Das &#x201E;Gesetz&#x201C; &#x2014; es ist nach wie vor darauf berechnet, daß die große Masse des Volkes zum Vortheile einiger Wenigen ausgesogen und mißhandelt wird. Das &#x201E;Gesetz&#x201C;, ist es das vor den Märztagen, vom 8. April, vom Dezember? Ist es das Patent von 1847 oder das von 1848, das Standrecht oder die Habeas-Corpus-Acte?</p>
          <p>Also Achtung vor &#x201E;Sitte&#x201C; und &#x201E;Gesetz&#x201C;! Bringt sie Euern Zöglingen bei; doch außerdem noch Liebe zum Vaterlande und &#x2014; zu ihrem Fürsten! Wie nun, wenn diese Doppelliebe unverträglich, unmöglich ist? Arme Schulmeister! Ihr müßt das Unmögliche möglich machen und daß es sich durch Heuchelei, Volksverrath, Vernunftertödtung und ähnliche Mittel ermöglichen läßt, daran werden Hr. Ladenberg, Eichhorn etc. nicht zweifeln. Sie wissen Bescheid darum.</p>
          <p>
            <ref type="link">(Schluß folgt.)</ref>
          </p>
        </div>
        <div xml:id="ar182_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>43</author></bibl> Bonn, 28. Dezbr.</head>
          <p>Dr. Gottschalk hat sich, um von der Aufregung der letzten Tage zu ruhen, hierher in unsere Stille zurückgezogen, wo ihm gestern Abend Sänger aus dem Bürgerstande eine Nachtmusik brachten. Er ist durch die lange einsame Haft angegriffen; jede Berührung mit der Außenwelt strengt ihn an, und es thut ihm Noth, sich wohl noch ein paar Wochen auszuruhen und körperlich zu erstarken. Eine am vergangenen Dienstag in Kessenich abgehaltene Volksversammlung war wohl besonders deshalb so überzahlreich besucht, weil man sein Auftreten daselbst, einem Gerüchte zufolge, voraussetzte. &#x2014; Die 27er sind abgezogen, aber ebenso viele 25er eingerückt. Von neuem also drückt uns die Last der Natural-Einquartierung, durch welche die Regierung auf Bürger-Kosten ihre Soldaten futtert. Das Elend und die Nahrungslosigkeit werden hier ohnehin stets größer, alle Arbeit stockt, die Hausmiethen sinken sehr stark &#x2014; und nun muß man es schon von einst wohlhabenden Leuten hören, daß die Einquartirung ihnen ihr letztes Erspartes aufzehrt. Bonn hat zwei mächtig große Kasernen &#x2014; aber unter dem Vorwand, daß diese nur für Kavallerie Raum hätten, legt man eine Infanteriebesatzung in die Häuser des Bürgers! Uebrigens begreift es sich freilich nach den Vorfällen des letzten Monats, wenn es in Bonn Leute giebt, denen Etwas daran liegt, eine starke Truppenzahl in der Stadt zu wissen! Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi, zu Deutsch: &#x201E;Sind Behörden erst verhaßt, der Soldat beim Bürger praßt.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar182_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Koblenz, 23. Decbr.</head>
          <p>Die Proteste der altpreußischen Gerichtsbeamten gegen den Wiedereintritt der Majoritäts-Mitglieder der Nationalversammlung haben kaum überrascht. Von ihnen wußte man nicht anders, als daß sie Königl. Preuß. Bediente seien, an Kabinetsjustiz gewöhnt, durch und durch von jenem Beamtengeist infizirt, den schon vor 33 Jahren der Minister Stein so sehr verfluchte. Sie thaten nur, was sie nicht lassen konnten, und ohne dabei weder an Achtung des Volkes einzubüßen, noch an Anerkennung von Seiten der Staatsregierung zu gewinnen. Und beides aus auf der Hand liegenden Gründen. Aber von unsern rheinischen Juristen glaubten wir erwarten zu dürfen, daß sie uns nicht durch eine eben so perfide als eckelhafte Schweifwedelei nach oben hin blamiren würden.</p>
          <p>Es wird vielleicht von Interesse sein, des Benehmens hiesiger Landgerichtsbeamten gegen ihren zurückgekehrten Collegen Schornbaum zu erwähnen. Der geistreiche Chef des Parkets, v. Runkel, empfing Herrn Schornbaum entschieden ernsthaft, würdevoll, mit Klagen über die vielen Freisprechungen bei den Assisen; der gemüthliche Gerichtschef v. Olfers, in aristokratisch-gereizter, ganz auf die ultima ratio regum bauender Stimmung; der Kollege und &#x201E;Kölsche Spaßmacher&#x201C; Maus, frostig und ohne Handschlag, und äußerte später &#x2014; es sei ihm dabei ganz unheimlich zu Muthe gewesen; &#x2014; der weinfreundliche joviale Kollege Schild sagte: <hi rendition="#g">Tag!</hi> und las dann in seinen Akten. Auf Befragen hieß es: &#x201E;zwischen uns kann fortan von keiner Verbindung die Rede sein.&#x201C; Der edle außerordentliche Landwehroffizier und Kammerpräsident Herr de Marées, die dichterische Pflanze aus Dessau, ließ sich nebst Ehehälfte verleugnen, hatte aber ganz insgeheim einen förmlichen Protest entworfen und den Uebrigen zur Unterschrift vorgelegt. Und so war die Stimmung und der Empfang des übrigen Personals bis zum jüngsten Assessor! &#x2014;</p>
          <p>Den Koblenzern wird es angenehm sein, zu hören, daß in aller Stille eine von sämmtlichen Mitgliedern des Gerichts unterschriebene Dankadresse für die Verfassung an Se. Majestät abgegangen ist, und werden darin eine Garantie für die Trefflichkeit derselben erkennen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar182_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>307</author></bibl> Münster, 27. Dez.</head>
          <p>Sie kennen die Geschichte von dem Fuchse, der mal in eine Falle gerieth, seinen Schwanz einbüßte und bei seiner Rückkehr zu seinen Brüdern, diesen vorpredigte, sie möchten sich gleichfalls die Schwänze nehmen, es sei das sehr hübsch; er erndtete verdienten Hohn. &#x2014; Die Geschichte wiederholt sich eben hier. Das hiesige Oberlandesgericht hat bei seinem Schweifwedeln jüngsthin seinen Schweif eingebüßt, es hat durch <note place="foot">*) Abgeordneter des Landkreises Aachen, zuletzt Sekretair der Nationalversammlung und entschieden <hi rendition="#g">links</hi>.</note> seine verächtliche Maßregel gegen Temme gänzlich alles Zutrauen, alle Achtung verloren und steht auf's äußerste blamirt da. Man suchte sich wunderlich genug zu helfen und intriguirte bei den &#x2014; Untergerichten, um sie zu ähnlichen Demonstrationen gegen Temme zu bewegen. Die Aufforderung dazu ist Seitens des hiesigen Land- und Stadtgerichts von einem Assessor ausgegangen, der sich längst durch seine verunglückten Bemühungen, eine Rolle zu spielen, namentlich Abgeordneter zu werden, lächerlich gemacht hat; es ist der Schwiegersohn des Obergerichtspräsidenten. Die Intrigue war zu plump. Die Untergerichte bewiesen, was sie freilich schon wohl öfter gezeigt, daß bei ihnen mehr Rechtssinn und Ehrenhaftigkeit, wie beim höhern Gerichtshofe und haben bis jetzt der Aufforderung nicht entsprechen wollen.</p>
          <p>Die Untersuchung gegen die Unzahl der hiesigen &#x201E;Staatsverbrecher&#x201C; geht ihren &#x201E;Gang&#x201C;, aber wie? Mehrere der Verhafteten sind seit drei Wochen gar nicht vernommen worden. Es lebe die Habeas-Corpus-Acte und die Gewährleistung der persönlichen Freiheit! &#x2014; Mit dem 1. Januar k. J. erscheint hier eine neue politische Zeitschrift radikaler Richtung, die &#x201E;Westphälische Volkshalle&#x201C;. Es thut wahrlich Noth, daß dem &#x201E;Westphälischen Merkur&#x201C; das Monopol genommen wird.</p>
          <p><hi rendition="#g">Nachschrift</hi>. Abends 7 Uhr. Um 5 Uhr heute Nachmittag erfolgte die Verhaftung des Obergerichtsdirektors Temme durch den Kriminaldirektor Giese, der ihn persönlich aus seiner Wohnung abholte und zum Zuchthause (welches zugleich Untersuchungsgefängniß ist) führte. Ueber den Grund dieser die allgemeinste Sensation erregenden Maßregel vernehme ich nur so viel, daß dieselbe <hi rendition="#g">nicht</hi> etwa Folge der Untersuchung ist, welche beim k. Kammergericht in Berlin gegen sämmtliche Abgeordnete, die am Steuerverweigerungsbeschlusse Theil genommen, beantragt resp. eingeleitet worden, sondern Folge einer gegen Temme eingeleiteten besondern Untersuchung. <hi rendition="#g">Welches</hi> Verbrechen dem Temme zur Last gestellt, von welchem Gerichtshof diese besondere Untersuchung eingeleitet und die Verhaftung beschlossen worden, konnte mir meine sonst sehr gute Quelle nicht angeben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar182_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>006</author></bibl> Münster, 27. Dez.</head>
          <p rendition="#et">&#x201E;Ich weiß mich trefflich mit der Polizei,<lb/>
Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden.&#x201C;</p>
          <p>Es ist ein Blutbann, der über unser Land geht, ärger, als in den Zeiten der heiligen Behme. Heute Abend ist <hi rendition="#b">Temme</hi> hier verhaftet worden; seine Eigenschaft als Richter, als Direktor eines obersten Gerichtshofes hat ihn nicht geschützt vor der blinden Verfolgungswuth des hiesigen Oberlandesgerichts, das er bei seinem Eintritte so kräftig zurechtgewiesen, daß auch nicht <hi rendition="#g">einer</hi> seiner Gegner ein Wörtchen zu erwidern wagte. Warum ist diese schmähliche Verhaftung geschehen? Etwa auf Requisition des Staatsanwalts Sethe? Etwa wegen seiner nicht genug zu rühmenden Entschiedenheit und Thätigkeit in der Nationalversammlung? Man weiß es nicht; was aber auch der vorgeschützte Grund sein möge, dieser Schritt der Contrerevolution hat neues Oel in's Feuer gegossen. Obgleich die Verhaftung in tiefer Dunkelheit vorgenommen wurde, durchlief die Nachricht doch sofort die ganze Stadt, und welche Entrüstung sie hervorgerufen, ist kaum zu beschreiben. Eine solche Erbitterung setzt sich nur zu fest: so lohnt das deutsche, das preußische Volk seine Vertreter, seine treuesten Söhne! Wir haben ja eine &#x201E;<hi rendition="#g">freisinnige</hi>&#x201C; Verfassung &#x2014; auf dem Papiere. Man erzählt sich sogar, daß vorher schon Bett und Möbel bereit gehalten worden, und von gewisser Seite will man erfahren haben, daß der Haftbefehl einseitig vom hiesigen Gericht ausgegangen, weil &#x2014; staunen Sie! &#x2014; Temme mit dem hier stattgehabten konstitutionellen Kongreß in Verbindung gestanden.</p>
          <p>Dieser höchst unschuldige Kongreß, von dem man jetzt, um die Maßregeln gegen die Mitglieder desselben zu rechtfertigen, sogar aussprengt, man habe damit eine geheime Verschwörung gestiftet und am 15. d. mit dem Morden und Sengen anfangen wollen, erlangt auf diese Weise eine Wichtigkeit, an die hier Niemand gedacht; indeß er muß einmal zum Vorwande dienen. Betheiligt an demselben sind Alle gleicherweise und es ist gar nicht einzusehen, warum nicht sämmtliche 168 Erschienene eingezogen werden. Am härtesten ist offenbar das Verfahren gegen den Buchdrucker Wundermann, der ungeachtet der dringensten Vorstellungen und obschon Hammacher alle Verantworlichkeit für Autorschaft und Besorgung der inkriminirten Plakate übernommen hat, dennoch nicht freigelassen wird. Die Räume des hiesigen Zuchthauses beherbergen jetzt eine wahrhaft &#x201E;noble&#x201C; Gesellschaft, die sich noch vermehren zu sollen scheint; außer Hammacher, Groneweg, dem braven Stadtverordneten Hartmann, außer Löher, Mirbach, Graumann, Schmitz, Gruwe, Blumenfeld, sind noch viele andere politische Angeklagte darin untergebracht. Schließlich die Bemerkung, daß diese edlen Verbrecher von Seiten der Strafanstalts-Direktion anständig und mit der größten Freundlichkeit behandelt werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar182_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>135</author></bibl> Münster, 27. Dezbr.</head>
          <p>Die Sache wird immer gelungener! Heute Abend ist der Ober-Landes-Gerichts-Director Temme verhaftet, nachdem am 22. d. M. der erleuchtete Criminal-Senat des Ober-Landes-Gerichts beschlossen:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Daß gegen Temme wegen des gegen ihn begründeten Verdachts, den Steuerverweigerungs-Beschluß, erlassen von Abgeordneten zur Nationalversammlung, datirt Berlin den 15. November, zur Ausführung und Geltung gebracht, <hi rendition="#g">wenigstens dieses versucht und darauf hingewirkt</hi> zu haben, auf den Grund des §. 92 resp. 233 und 167 Tit. 20 Th. II. des Allg. Land-Rechts die Untersuchung zu eröffnen.&#x201C;</p>
          <p>In dem Verhöre wurde Temme vorgehalten: daß die Unterschrift unterm Aufruf an das Volk vom 27. November sein Verbrechen sei, und man daraus den Schluß ziehen müsse, daß er an der Verbreitung dieses Aufrufs Schuld sei! Kant würde sich im Sarge umdrehen, wenn er diesen Schluß hörte.</p>
          <p>Temme hat sich auf die Anklage nicht eingelassen, vielmehr dagegen protestirt und zwar:</p>
          <p>1) weil das Kammergericht allein als Forum delicti der competente Gerichtshof sei;</p>
          <p>2) weil das hiesige Ober-Landes-Gericht durch seinen allerunterthänigst am Fuße des Throns niedergelegten Protest gegen Temme sich ihm gegenüber als Partei gerirt habe;</p>
          <p>3) weil er als Abgeordneter gehandelt und deßhalb nur seinem Gewissen verantwortlich sei.</p>
          <p>Temme hat an das Ministerium der Justiz (nicht an den Justiz-Minister) einen Protest erlassen gegen Einleitung der Untersuchung und gegen das Ober-Landes-Gericht.</p>
          <p>Temme sitzt unter einem Dache mit den gemeinsten Verbrechern, (das Gefängniß für die Untersuchungs-Gefangenen und das Zuchthaus ist ein Gebäude) während der davon gelaufene Abgeordnete Rintelen sich als Justiz-Minister brüstet.</p>
          <p>Zur Charakteristik des Kriminalsenats des würdigen hiesigen Oberlandesgerichts folgendes: Im August v. J. sollte gegen einen sogenannten Adligen des Münsterlandes, Frhrn. v. K., (Regierungsassessor) wegen fleischlicher Verbrechen die Untersuchung eingeleitet werden. Der Freiherr entfloh aber nach Belgien und nur sein Complice, ein hiesiger Unteroffizier, wurde verhaftet. In Folge allerunterthänigster Bitten der Verwandten des edlen gemeinen Frhn. v. K. wurde eine Kabinetsordre erlassen, daß jede Verfolgung des Frhn. v. K. zu unterlassen, und die Untersuchung nur einzuleiten, wenn derselbe sich im Inlande &#x201E;betreten ließe.&#x201C; Der Kriminalsenat, an dessen Spitze damals der Präsident von Olfers, dieser ehrenhafte preußische Richter stand, unterließ natürlich pflichtschuldigst jede Verfolgung. Der gemeine Verbrecher treibt sich nun 5 Jahre im Auslande umher, dann ist das Verbrechen verjährt und der Freiherr kehrt zurück zur Freude der münsterländer Noblesse, die in ihm ihren Pair verehrt.</p>
          <p>Man erinnert sich, daß Hr. Ex-Justizminister Uhden auf dem vereinigten Landtage von 1847 einmal äußerte, daß er es sich zur Ehre anrechne, dem ehrenwerthen Stande der preußischen Richter angehört zu haben. Damals, wo man noch keine Ahnung von der Möglichkeit der neuesten Prostitution der preußischen Gerichtshöfe hatte, wo alles noch in den Illusionen eines ehrenwerthen Richterstandes befangen war, damals konnten viele die Aeußerung des cidevant geheimen Kabinetsraths und Ministers Uhden nicht begreifen. Die Kurzsichtigen! Uhden kannte seine Pappenheimer, das zeigt das Auftreten des Revisionshofes, des geh. Ober-Tribunals, der Ober-Landesgerichte in Münster, Ratibor, Bromberg.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar182_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 24. Dez.</head>
          <p>Während unsere Standrechtspresse mit dem unverschämtesten Uebermuth wahnsinniger Ohnmacht fortfährt, die französische Bourgeois-Republik anzugreifen, Deutschland die plumpsten Fußtritte zu geben, eine verächtliche provozirende Sprache wider Preußen zu führen, den Banditen im eigenen Lande henkern zu helfen, bekommt zuverlässigen Gerüchten nach die kaiserliche Armee von den Magyaren die anständigsten Prügel.</p>
          <p>Nachdem man am 17. durch tausendfach hier verbreitete sogenannte Siegesbülletins die Besetzung einiger menschenleeren, obendrein jüdisch-deutschen Städtchen dicht jenseits der ungarischen Gränze marktschreierisch-breit verkündet hat, sind die Nachfolger dieser Siegesbülletins des unüberwindlichen Banditen Windischgrätz und des Sippesahler Jellachich seitdem ausgeblieben. Das Wiener Publikum und die Börse ziehen daraus den einfachen Schluß, daß eben keine Siege erfochten worden, obgleich die hunderte von Wagen mit Verwundeten ihnen seit einigen Tagen anschaulich machen, daß man sich furchtbar geschlagen haben müsse. So ist es denn auch. Die Freiheits- und Meuchelmörder sind zwischen <hi rendition="#g">Raab</hi> und <hi rendition="#g">Komorn</hi> von den Magyaren so bedeutend auf's Haupt geschlagen worden, daß sie sich nach Wieselburg, Preßburg u. s. w. haben zurückziehen müssen, und dem Gerüchte zufolge selbst diese Städte wieder geräumt haben. Es sollen ganze Kavallerieregimenter in die Luft gesprengt worden sein, indem die Ungarn unterminirte Positionen scheinbar vertheidigten, dann flohen und die nacheilende Kavallerie durch rasches Anzünden der mit den verlassenen Positionen in Verbindung stehenden Laufgräben in's Verderben stürzten. Die Magyaren, so heißt es, sollen Windischgrätz dabei 15 Kanonen abgenommen haben. Ueberdies soll unter dem deutschen Theil der Armee eine Emeute ausgebrochen sein, die nur durch die furchtbarste Energie und Zusammenschießen eines ganzen Bataillons deutscher Grenadiere habe erdrückt werden können. Der Sumpf in Frankfurt bekommt dadurch vielleicht Gelegenheit zu neuen Redensarten und neuen Reichskommissarien, die sich freuen, am Tische der k. k. Banditen speisen zu dürfen. Noch gestern begegnete ich einer Unzahl Wagen mit in Stroh gewickelten Verwundeten, die ein erbarmungsvolles Jammergeschrei in den Straßen ertönen ließen, da die Kälte die offenen Wunden um so schmerzlicher machte. Diese Umstände haben die Aufmerksamkeit des Gouverneurs von Wien natürlich verzehnfacht, und er ließ gestern sofort wieder einen armen Märtyrer vor dem Neuthor erschießen. Tausende von Spionen schleichen zu jeder Zeit in allen Winkeln der Stadt herum; einer glotzt auf der Straße den andern an, und wehe dem, der verdächtig erscheint. Gast- und Kaffee-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0980/0002] händler maß sie von oben bis unten. Da die Tollkühnen aber auf ihrem Entschluß beharrten, und mit einer wahrhaft unerbittlichen Frechheit in ihn drangen, einen Versuch zu wagen, so ging der verlegene Verleger zuletzt mit seinem buchhändlerischen Herzen zu Rathe und nach einigen Wochen erschien denn auch die Zeitschrift „Punch“ — — Niemand dachte daran, daß sie schon nach einem halben Jahre viele Tausende von Abonnenten haben werde. So geschah es aber, denn die Redakteure des jungen Blattes hatten nicht nur des Renommé ihres alten Gewährsmannes Punch für sich, sondern sie gingen auch allen lächerlichen Personen des Landes, in so unverschämter, und doch in so liebenswürdiger Weise zu Leibe, daß sie sich im eigentlichsten Sinne des Wortes, die Aufmerksamkeit des Publikums erzwangen. Noch fehlte ihnen indeß zum vollständigen Geling_ ihres Unternehmens, irgend ein großer Coup, eine wahre Mordgeschichte, sei es welche es wolle, irgend ein nierenerschütternder — Prozeß. Es giebt nichts famoseres als ein Prozeß! Gott war den verwegenen Redakteuren des Punch gnädig. Er schenkte ihnen was sie bedurften. Lord Brougham war nemlich so unvorsichtig, den armen Punch wegen Verläumdung in optima forma zu verklagen. — Ich brauche meinen Lesern nicht zu versichern, daß die Existenz des jungen Blattes von diesem Augenblicke an, für alle Ewigkeit gesichert war. Vergebens ließ der edle Lord alle Minen seines Einflusses springen. Alles was er in sechs Tagen zu Stande zu bringen wußte, vernichteten die naseweisen Herausgeber des kleinen Scherzblattes am Ende der Woche, durch immer neue Angriffe, durch immer witzigere und humoristischere Erwiederungen und ehe man sich's versah, war Punch eins der gelesensten Blätter in ganz England. Die ersten Mitarbeiter an Punch waren Thackeray, der Verfasser der Snobs of England, Gilbert A à Beckett und Douglas Jerrold, von denen namentlich der letztere, einer der beliebtesten englischen Schriftsteller geworden ist. Die Illustrationen lieferte manchmal George Cruikshank, in den meisten Fällen aber John Leech und mit Recht kann man sagen, daß die erstern beiden, den Humor eines Swift, eines Sterne, eines Smollet in ihren Artikeln wieder auferstehen ließen; die letztern in ihren Karrikaturen den eines Hogarth. The Story of a feather von Jerrold und The Comic Blackstone von à Beckett, die mit Illustrationen von Leech nach und nach im Punch erschienen, sind noch in Jedermanns Gedächtniß. Punch leistete wirklich das Mögliche und oft noch denke ich an die stillen großbritannischen Sonntag Nachmittage, wo ich in Yorkshire, Luft- und Menschenverlassen in dem Londoner Charivari meine einzige Erheiterung fand. Man brauchte nur die einzelnen Karrikaturen früherer Wochen und Jahre durchzugehen, um in wenigen Augenblicken die ganze neuere englische Geschichte vor Augen zu haben und sich jeder Parlaments-Debatte auf's lebhafteste zu erinnern. Da war Lord Brougham, den Punch seit seiner Verläumdungsklage, wahrhaft systematisch verfolgte — Lord Henry, mit den Hosen aux grands carraux, und mit der rothen Kartoffelnase, wie er bei jeder Debatte des Oberhauses, sei es in einem Rechtsstreit mit Lord Campbell, oder in einer Debatte über den Sclavenhandel seine Weisheit an den Mann zu bringen suchte. Da war „der eiserne Herzog,“ der Herzog von Wellington steif wie er einst bei Waterloo zu Roß saß, mit der großen Schaafsnase und dem freundlich milden Lächeln, was ihm stets um die Lippen schwebte, wenn er sich nichts weniger als eisern, wie bei der Katholischen Emancipations-Bill und bei der Korn-Zoll-Frage, vor seinen parlamentarischen Feinden zurück zog. Da: Sir Robert Peel, der Sohn des Baumwollspinners, von gehörigem embonpoint, mit spindeldürren Beinen, in schneeweißer Weste, der reiche, der unabhängige Mann, der schon im Jahre 1819 seine berühmte Bill vor die Commons brachte und der noch immer der Held des Hauses ist, bei jeder großen Debatte, sei es über die letzte Fabrikstadt im Norden Alt-Englands oder über die verwickeltsten Interessen des asiatischen Kontinentes. Da endlich King Dan, der alte Daniel O'Connel, der sein Advokatenhandwerk an den Nagel hing, um, wie er sich ausdrückte, dem Edelstein der See zu dienen, dem grünen Erin, der schönsten Insel der Welt, und dafür, beiläufig bemerkt, jedes Jahr circa 30 Tausend Pfund Rente in Empfang zu nehmen. Und so weiter, alle Redner Britanniens, Lord John Russel, der kleine gedrückte Mann, der Held der Reform Bill und Lord Palmerston, der berüchtigte, unruhige Whig. Disraeli der gewandteste Redner des Hauses und Roebuck, die unvermeidliche, die böse Sieben — — Alle, alle sah man sie wiederkehren, meisterhaft getroffen, in hundert und aber hundert verschiedenen Positionen, und in ihren Bildern wurde das Vergangene lebendig und gern erinnerte man sich noch einmal an alles das was man längst genossen und vergessen hatte. Punch besitzt wirklich das Verdienst, daß er alle Redner und Staatsmänner Englands zu ganz familiären Leuten machte. Jeder Straßenjunge kennt jetzt die Nase Lord Broughams so gut wie seine eigne; und das ist ungeheuer viel wenn man die Nase eines Menschen kennt! Ueber der hohen Politik vergaß Punsch indeß auch nicht das gewöhnliche, alltägliche Treiben des Volkes. In den Gardinen Predigten der Mrs. Caudle schilderte er z. B. die Langeweile des engl. Ehelebens in so ergötzlicher Weise, daß mancher Familienvater seit dem Abends ein paar Stunden später nach Hause gekommen sein wird. James's Diary mußte die Eisenbahnspekulationen illustriren; Punch Letter-Writer gab Gelegenheit zu Korrespondenzen zwischen allen Theilen der Gesellschaft. — — Und so würden wir noch zu hunderterlei Lob für unsern Freund Veranlassung finden, wenn es uns nicht plötzlich in den Sinn käme, den heitern Punch auch einmal als Organ einer politischen Partei in's Auge zu fassen. Humoristisch oder nicht humoristisch: jedes hervorragende Blatt eines civilisirten Landes ergreift für irgend eine Sache Partei. Wir haben [Deutschland] [Fortsetzung] der“ erhielten und die Eurigen vor Elend und Jammer dahin starben: so bedenkt, daß das eben die im ministeriellen Erlaß empfohlene „Sitte“ ist. Ihr sollt aber Euern Zöglingen nicht bloß Achtung vor jener „Sitte“, sondern auch vor dem „Gesetz“ beibringen. Ihr kennt das Gesetz, das alte, wie das neue. Ihr kennt das alte, darum auch das neue. Das „Gesetz“ — es ist nach wie vor darauf berechnet, daß die große Masse des Volkes zum Vortheile einiger Wenigen ausgesogen und mißhandelt wird. Das „Gesetz“, ist es das vor den Märztagen, vom 8. April, vom Dezember? Ist es das Patent von 1847 oder das von 1848, das Standrecht oder die Habeas-Corpus-Acte? Also Achtung vor „Sitte“ und „Gesetz“! Bringt sie Euern Zöglingen bei; doch außerdem noch Liebe zum Vaterlande und — zu ihrem Fürsten! Wie nun, wenn diese Doppelliebe unverträglich, unmöglich ist? Arme Schulmeister! Ihr müßt das Unmögliche möglich machen und daß es sich durch Heuchelei, Volksverrath, Vernunftertödtung und ähnliche Mittel ermöglichen läßt, daran werden Hr. Ladenberg, Eichhorn etc. nicht zweifeln. Sie wissen Bescheid darum. (Schluß folgt.) 43 Bonn, 28. Dezbr. Dr. Gottschalk hat sich, um von der Aufregung der letzten Tage zu ruhen, hierher in unsere Stille zurückgezogen, wo ihm gestern Abend Sänger aus dem Bürgerstande eine Nachtmusik brachten. Er ist durch die lange einsame Haft angegriffen; jede Berührung mit der Außenwelt strengt ihn an, und es thut ihm Noth, sich wohl noch ein paar Wochen auszuruhen und körperlich zu erstarken. Eine am vergangenen Dienstag in Kessenich abgehaltene Volksversammlung war wohl besonders deshalb so überzahlreich besucht, weil man sein Auftreten daselbst, einem Gerüchte zufolge, voraussetzte. — Die 27er sind abgezogen, aber ebenso viele 25er eingerückt. Von neuem also drückt uns die Last der Natural-Einquartierung, durch welche die Regierung auf Bürger-Kosten ihre Soldaten futtert. Das Elend und die Nahrungslosigkeit werden hier ohnehin stets größer, alle Arbeit stockt, die Hausmiethen sinken sehr stark — und nun muß man es schon von einst wohlhabenden Leuten hören, daß die Einquartirung ihnen ihr letztes Erspartes aufzehrt. Bonn hat zwei mächtig große Kasernen — aber unter dem Vorwand, daß diese nur für Kavallerie Raum hätten, legt man eine Infanteriebesatzung in die Häuser des Bürgers! Uebrigens begreift es sich freilich nach den Vorfällen des letzten Monats, wenn es in Bonn Leute giebt, denen Etwas daran liegt, eine starke Truppenzahl in der Stadt zu wissen! Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi, zu Deutsch: „Sind Behörden erst verhaßt, der Soldat beim Bürger praßt.“ 15 Koblenz, 23. Decbr. Die Proteste der altpreußischen Gerichtsbeamten gegen den Wiedereintritt der Majoritäts-Mitglieder der Nationalversammlung haben kaum überrascht. Von ihnen wußte man nicht anders, als daß sie Königl. Preuß. Bediente seien, an Kabinetsjustiz gewöhnt, durch und durch von jenem Beamtengeist infizirt, den schon vor 33 Jahren der Minister Stein so sehr verfluchte. Sie thaten nur, was sie nicht lassen konnten, und ohne dabei weder an Achtung des Volkes einzubüßen, noch an Anerkennung von Seiten der Staatsregierung zu gewinnen. Und beides aus auf der Hand liegenden Gründen. Aber von unsern rheinischen Juristen glaubten wir erwarten zu dürfen, daß sie uns nicht durch eine eben so perfide als eckelhafte Schweifwedelei nach oben hin blamiren würden. Es wird vielleicht von Interesse sein, des Benehmens hiesiger Landgerichtsbeamten gegen ihren zurückgekehrten Collegen Schornbaum zu erwähnen. Der geistreiche Chef des Parkets, v. Runkel, empfing Herrn Schornbaum entschieden ernsthaft, würdevoll, mit Klagen über die vielen Freisprechungen bei den Assisen; der gemüthliche Gerichtschef v. Olfers, in aristokratisch-gereizter, ganz auf die ultima ratio regum bauender Stimmung; der Kollege und „Kölsche Spaßmacher“ Maus, frostig und ohne Handschlag, und äußerte später — es sei ihm dabei ganz unheimlich zu Muthe gewesen; — der weinfreundliche joviale Kollege Schild sagte: Tag! und las dann in seinen Akten. Auf Befragen hieß es: „zwischen uns kann fortan von keiner Verbindung die Rede sein.“ Der edle außerordentliche Landwehroffizier und Kammerpräsident Herr de Marées, die dichterische Pflanze aus Dessau, ließ sich nebst Ehehälfte verleugnen, hatte aber ganz insgeheim einen förmlichen Protest entworfen und den Uebrigen zur Unterschrift vorgelegt. Und so war die Stimmung und der Empfang des übrigen Personals bis zum jüngsten Assessor! — Den Koblenzern wird es angenehm sein, zu hören, daß in aller Stille eine von sämmtlichen Mitgliedern des Gerichts unterschriebene Dankadresse für die Verfassung an Se. Majestät abgegangen ist, und werden darin eine Garantie für die Trefflichkeit derselben erkennen. 307 Münster, 27. Dez. Sie kennen die Geschichte von dem Fuchse, der mal in eine Falle gerieth, seinen Schwanz einbüßte und bei seiner Rückkehr zu seinen Brüdern, diesen vorpredigte, sie möchten sich gleichfalls die Schwänze nehmen, es sei das sehr hübsch; er erndtete verdienten Hohn. — Die Geschichte wiederholt sich eben hier. Das hiesige Oberlandesgericht hat bei seinem Schweifwedeln jüngsthin seinen Schweif eingebüßt, es hat durch seine verächtliche Maßregel gegen Temme gänzlich alles Zutrauen, alle Achtung verloren und steht auf's äußerste blamirt da. Man suchte sich wunderlich genug zu helfen und intriguirte bei den — Untergerichten, um sie zu ähnlichen Demonstrationen gegen Temme zu bewegen. Die Aufforderung dazu ist Seitens des hiesigen Land- und Stadtgerichts von einem Assessor ausgegangen, der sich längst durch seine verunglückten Bemühungen, eine Rolle zu spielen, namentlich Abgeordneter zu werden, lächerlich gemacht hat; es ist der Schwiegersohn des Obergerichtspräsidenten. Die Intrigue war zu plump. Die Untergerichte bewiesen, was sie freilich schon wohl öfter gezeigt, daß bei ihnen mehr Rechtssinn und Ehrenhaftigkeit, wie beim höhern Gerichtshofe und haben bis jetzt der Aufforderung nicht entsprechen wollen. Die Untersuchung gegen die Unzahl der hiesigen „Staatsverbrecher“ geht ihren „Gang“, aber wie? Mehrere der Verhafteten sind seit drei Wochen gar nicht vernommen worden. Es lebe die Habeas-Corpus-Acte und die Gewährleistung der persönlichen Freiheit! — Mit dem 1. Januar k. J. erscheint hier eine neue politische Zeitschrift radikaler Richtung, die „Westphälische Volkshalle“. Es thut wahrlich Noth, daß dem „Westphälischen Merkur“ das Monopol genommen wird. Nachschrift. Abends 7 Uhr. Um 5 Uhr heute Nachmittag erfolgte die Verhaftung des Obergerichtsdirektors Temme durch den Kriminaldirektor Giese, der ihn persönlich aus seiner Wohnung abholte und zum Zuchthause (welches zugleich Untersuchungsgefängniß ist) führte. Ueber den Grund dieser die allgemeinste Sensation erregenden Maßregel vernehme ich nur so viel, daß dieselbe nicht etwa Folge der Untersuchung ist, welche beim k. Kammergericht in Berlin gegen sämmtliche Abgeordnete, die am Steuerverweigerungsbeschlusse Theil genommen, beantragt resp. eingeleitet worden, sondern Folge einer gegen Temme eingeleiteten besondern Untersuchung. Welches Verbrechen dem Temme zur Last gestellt, von welchem Gerichtshof diese besondere Untersuchung eingeleitet und die Verhaftung beschlossen worden, konnte mir meine sonst sehr gute Quelle nicht angeben. 006 Münster, 27. Dez. „Ich weiß mich trefflich mit der Polizei, Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden.“ Es ist ein Blutbann, der über unser Land geht, ärger, als in den Zeiten der heiligen Behme. Heute Abend ist Temme hier verhaftet worden; seine Eigenschaft als Richter, als Direktor eines obersten Gerichtshofes hat ihn nicht geschützt vor der blinden Verfolgungswuth des hiesigen Oberlandesgerichts, das er bei seinem Eintritte so kräftig zurechtgewiesen, daß auch nicht einer seiner Gegner ein Wörtchen zu erwidern wagte. Warum ist diese schmähliche Verhaftung geschehen? Etwa auf Requisition des Staatsanwalts Sethe? Etwa wegen seiner nicht genug zu rühmenden Entschiedenheit und Thätigkeit in der Nationalversammlung? Man weiß es nicht; was aber auch der vorgeschützte Grund sein möge, dieser Schritt der Contrerevolution hat neues Oel in's Feuer gegossen. Obgleich die Verhaftung in tiefer Dunkelheit vorgenommen wurde, durchlief die Nachricht doch sofort die ganze Stadt, und welche Entrüstung sie hervorgerufen, ist kaum zu beschreiben. Eine solche Erbitterung setzt sich nur zu fest: so lohnt das deutsche, das preußische Volk seine Vertreter, seine treuesten Söhne! Wir haben ja eine „freisinnige“ Verfassung — auf dem Papiere. Man erzählt sich sogar, daß vorher schon Bett und Möbel bereit gehalten worden, und von gewisser Seite will man erfahren haben, daß der Haftbefehl einseitig vom hiesigen Gericht ausgegangen, weil — staunen Sie! — Temme mit dem hier stattgehabten konstitutionellen Kongreß in Verbindung gestanden. Dieser höchst unschuldige Kongreß, von dem man jetzt, um die Maßregeln gegen die Mitglieder desselben zu rechtfertigen, sogar aussprengt, man habe damit eine geheime Verschwörung gestiftet und am 15. d. mit dem Morden und Sengen anfangen wollen, erlangt auf diese Weise eine Wichtigkeit, an die hier Niemand gedacht; indeß er muß einmal zum Vorwande dienen. Betheiligt an demselben sind Alle gleicherweise und es ist gar nicht einzusehen, warum nicht sämmtliche 168 Erschienene eingezogen werden. Am härtesten ist offenbar das Verfahren gegen den Buchdrucker Wundermann, der ungeachtet der dringensten Vorstellungen und obschon Hammacher alle Verantworlichkeit für Autorschaft und Besorgung der inkriminirten Plakate übernommen hat, dennoch nicht freigelassen wird. Die Räume des hiesigen Zuchthauses beherbergen jetzt eine wahrhaft „noble“ Gesellschaft, die sich noch vermehren zu sollen scheint; außer Hammacher, Groneweg, dem braven Stadtverordneten Hartmann, außer Löher, Mirbach, Graumann, Schmitz, Gruwe, Blumenfeld, sind noch viele andere politische Angeklagte darin untergebracht. Schließlich die Bemerkung, daß diese edlen Verbrecher von Seiten der Strafanstalts-Direktion anständig und mit der größten Freundlichkeit behandelt werden. 135 Münster, 27. Dezbr. Die Sache wird immer gelungener! Heute Abend ist der Ober-Landes-Gerichts-Director Temme verhaftet, nachdem am 22. d. M. der erleuchtete Criminal-Senat des Ober-Landes-Gerichts beschlossen: „Daß gegen Temme wegen des gegen ihn begründeten Verdachts, den Steuerverweigerungs-Beschluß, erlassen von Abgeordneten zur Nationalversammlung, datirt Berlin den 15. November, zur Ausführung und Geltung gebracht, wenigstens dieses versucht und darauf hingewirkt zu haben, auf den Grund des §. 92 resp. 233 und 167 Tit. 20 Th. II. des Allg. Land-Rechts die Untersuchung zu eröffnen.“ In dem Verhöre wurde Temme vorgehalten: daß die Unterschrift unterm Aufruf an das Volk vom 27. November sein Verbrechen sei, und man daraus den Schluß ziehen müsse, daß er an der Verbreitung dieses Aufrufs Schuld sei! Kant würde sich im Sarge umdrehen, wenn er diesen Schluß hörte. Temme hat sich auf die Anklage nicht eingelassen, vielmehr dagegen protestirt und zwar: 1) weil das Kammergericht allein als Forum delicti der competente Gerichtshof sei; 2) weil das hiesige Ober-Landes-Gericht durch seinen allerunterthänigst am Fuße des Throns niedergelegten Protest gegen Temme sich ihm gegenüber als Partei gerirt habe; 3) weil er als Abgeordneter gehandelt und deßhalb nur seinem Gewissen verantwortlich sei. Temme hat an das Ministerium der Justiz (nicht an den Justiz-Minister) einen Protest erlassen gegen Einleitung der Untersuchung und gegen das Ober-Landes-Gericht. Temme sitzt unter einem Dache mit den gemeinsten Verbrechern, (das Gefängniß für die Untersuchungs-Gefangenen und das Zuchthaus ist ein Gebäude) während der davon gelaufene Abgeordnete Rintelen sich als Justiz-Minister brüstet. Zur Charakteristik des Kriminalsenats des würdigen hiesigen Oberlandesgerichts folgendes: Im August v. J. sollte gegen einen sogenannten Adligen des Münsterlandes, Frhrn. v. K., (Regierungsassessor) wegen fleischlicher Verbrechen die Untersuchung eingeleitet werden. Der Freiherr entfloh aber nach Belgien und nur sein Complice, ein hiesiger Unteroffizier, wurde verhaftet. In Folge allerunterthänigster Bitten der Verwandten des edlen gemeinen Frhn. v. K. wurde eine Kabinetsordre erlassen, daß jede Verfolgung des Frhn. v. K. zu unterlassen, und die Untersuchung nur einzuleiten, wenn derselbe sich im Inlande „betreten ließe.“ Der Kriminalsenat, an dessen Spitze damals der Präsident von Olfers, dieser ehrenhafte preußische Richter stand, unterließ natürlich pflichtschuldigst jede Verfolgung. Der gemeine Verbrecher treibt sich nun 5 Jahre im Auslande umher, dann ist das Verbrechen verjährt und der Freiherr kehrt zurück zur Freude der münsterländer Noblesse, die in ihm ihren Pair verehrt. Man erinnert sich, daß Hr. Ex-Justizminister Uhden auf dem vereinigten Landtage von 1847 einmal äußerte, daß er es sich zur Ehre anrechne, dem ehrenwerthen Stande der preußischen Richter angehört zu haben. Damals, wo man noch keine Ahnung von der Möglichkeit der neuesten Prostitution der preußischen Gerichtshöfe hatte, wo alles noch in den Illusionen eines ehrenwerthen Richterstandes befangen war, damals konnten viele die Aeußerung des cidevant geheimen Kabinetsraths und Ministers Uhden nicht begreifen. Die Kurzsichtigen! Uhden kannte seine Pappenheimer, das zeigt das Auftreten des Revisionshofes, des geh. Ober-Tribunals, der Ober-Landesgerichte in Münster, Ratibor, Bromberg. 61 Wien, 24. Dez. Während unsere Standrechtspresse mit dem unverschämtesten Uebermuth wahnsinniger Ohnmacht fortfährt, die französische Bourgeois-Republik anzugreifen, Deutschland die plumpsten Fußtritte zu geben, eine verächtliche provozirende Sprache wider Preußen zu führen, den Banditen im eigenen Lande henkern zu helfen, bekommt zuverlässigen Gerüchten nach die kaiserliche Armee von den Magyaren die anständigsten Prügel. Nachdem man am 17. durch tausendfach hier verbreitete sogenannte Siegesbülletins die Besetzung einiger menschenleeren, obendrein jüdisch-deutschen Städtchen dicht jenseits der ungarischen Gränze marktschreierisch-breit verkündet hat, sind die Nachfolger dieser Siegesbülletins des unüberwindlichen Banditen Windischgrätz und des Sippesahler Jellachich seitdem ausgeblieben. Das Wiener Publikum und die Börse ziehen daraus den einfachen Schluß, daß eben keine Siege erfochten worden, obgleich die hunderte von Wagen mit Verwundeten ihnen seit einigen Tagen anschaulich machen, daß man sich furchtbar geschlagen haben müsse. So ist es denn auch. Die Freiheits- und Meuchelmörder sind zwischen Raab und Komorn von den Magyaren so bedeutend auf's Haupt geschlagen worden, daß sie sich nach Wieselburg, Preßburg u. s. w. haben zurückziehen müssen, und dem Gerüchte zufolge selbst diese Städte wieder geräumt haben. Es sollen ganze Kavallerieregimenter in die Luft gesprengt worden sein, indem die Ungarn unterminirte Positionen scheinbar vertheidigten, dann flohen und die nacheilende Kavallerie durch rasches Anzünden der mit den verlassenen Positionen in Verbindung stehenden Laufgräben in's Verderben stürzten. Die Magyaren, so heißt es, sollen Windischgrätz dabei 15 Kanonen abgenommen haben. Ueberdies soll unter dem deutschen Theil der Armee eine Emeute ausgebrochen sein, die nur durch die furchtbarste Energie und Zusammenschießen eines ganzen Bataillons deutscher Grenadiere habe erdrückt werden können. Der Sumpf in Frankfurt bekommt dadurch vielleicht Gelegenheit zu neuen Redensarten und neuen Reichskommissarien, die sich freuen, am Tische der k. k. Banditen speisen zu dürfen. Noch gestern begegnete ich einer Unzahl Wagen mit in Stroh gewickelten Verwundeten, die ein erbarmungsvolles Jammergeschrei in den Straßen ertönen ließen, da die Kälte die offenen Wunden um so schmerzlicher machte. Diese Umstände haben die Aufmerksamkeit des Gouverneurs von Wien natürlich verzehnfacht, und er ließ gestern sofort wieder einen armen Märtyrer vor dem Neuthor erschießen. Tausende von Spionen schleichen zu jeder Zeit in allen Winkeln der Stadt herum; einer glotzt auf der Straße den andern an, und wehe dem, der verdächtig erscheint. Gast- und Kaffee- *) Abgeordneter des Landkreises Aachen, zuletzt Sekretair der Nationalversammlung und entschieden links.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz182_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz182_1848/2
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 182. Köln, 30. Dezember 1848, S. 0980. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz182_1848/2>, abgerufen am 21.11.2024.