Neue Rheinische Zeitung. Nr. 200. Köln, 20. Januar 1849.daß wir die erbärmlichsten Tölpel wären, ließen wir uns in einer solchen Wolfsgrube fangen. Aber es kommt noch besser. Ihr wißt, daß der Geldbeutel der Unterthanen dasjenige Ding ist, aus und von dessen Gnaden der König lebt und seine Kammerherren und Lakaien, seine Minister und Marschälle, seine Beamten und Soldaten besoldet, seine Geldgeschenke und Gnadenbezeugungen austheilt u. s. w. Eben weil wir bisher das preußische Königthum mit unsern Geldern so unverantwortlich haben schalten und walten lassen: deßhalb hatten wir keine Kraft, wir hatten uns ihrer entäußert und wurden verspottet von denen, die unsere Kraft aussaugten und boten das Schauspiel des von der Delila geschwächten Simson. Ihr könnt Euch wohl denken, daß der preuß. König bei seinem Geschenk sein Bedacht darauf genommen. Seine Verfassung setzt fest, daß die Steuern so wie bisher fort erhoben werden, so lange die beiden Kammern nicht etwas Anderes bestimmen und -- der König es genehmigt hat. Nun wird schon die erste Kammer sich hüten, für Steuerverminderung zu stimmen. Denn aus den Steuern des Volks ziehen ja gerade die bevorrechteten Stände, die in der ersten Kammer vertreten sind, den besten Theil. Eine gerechtere Steuervertheilung werden sie eben so wenig zugeben, da alsdann die gnädigen Gutsherren und die Reichen überhaupt mehr blechen müßten, als bisher. Aber dafür ist in einem eigenen Artikel der sogenannten Verfassung gesorgt, daß der König mit seinen Ministern neue Steuern ausschreiben oder alte erhöhen kann, je nach Belieben. Indeß nicht nur die ganze Steuerangelegenheit hat der preußische König in seiner Verfassung seinem Belieben und seiner Laune vorbehalten, sondern auch das Recht, jeden Artikel der Verfassung und die ganze Verfassung insgesammt für die Zeit, wo die Kammern nicht versammelt sind, außer Kraft zu setzen. Nun, das ist nur ein kleines Pröbchen von den Schlichen, Kniffen und Fallstricken der neuen Musterverfassung. Die rheinischen Bauern sind indeß keine Nessiner oder pommersche Taglöhner. Vor allen Dingen mögen sie beherzigen, daß wir zum zweiten Mal wählen, wenn gleich jetzt unter tausenderlei von der Regierung bereiteten Hindernissen. Das erste Mal -- im Mai vorigen Jahres wählten wir Leute, denen wir zutrauten, sie würden unsere Rechte und Forderungen würdig zu vertreten und durchzusetzen wissen. Wir hatten uns insofern getäuscht, als unsere Vertreter, sei's Feigheit, sei's Dummheit, sei's beides zusammen, die beste Zeit verstreichen ließen, in welcher sie mit Energie und Einsicht die zeitweilig erschrockenen Volksfeinde für immer unschädlich machen und ihnen die Stützen im Militär und Civil wegziehen konnten, an denen sie sich später wieder aufrichteten und nun ihrerseits eine Revolution im entgegengesetzten Sinne zu Stande brachten. Als es zu spät war, da kam unsern Vertretern erst das nöthige Licht. Da war's eben zu spät und so wurde mit ihnen geendigt, wie sie hätte beginnen sollen. Drum müssen wir dies Mal von vorn herein ganz entschiedene Männer zu Wahlmännern nehmen und diesen auftragen, nur völlig energische und dem Volk ergebene Deputirte nach Berlin zu senden. * Köln, 19. Jan. In den Kasernen genügt es nicht, die Wahlen dadurch zu destilliren, daß, wie beim Civil, Wahlmänner, und von diesen die Deputirten ernannt werden. Dieses Verfahren ist den Herren Offizieren viel zu einfach und noch zu unsicher. Drum ist gestern den Soldaten befohlen worden, in jeder Kompagnie erst Gestern sollte in der Dominikaner-Kaserne (Artillerie) diese Operation vorgenommen werden. Die Soldaten protestirten unter Berufung auf das für alle Wähler, Civil wie Militär, gültige Wahlgesetz. Die Debatte wurde lebhaft, allein die Vertrauensmänner-Wahl kam nicht zu Stande! Große "schwarz-weiße" Wuth! Es soll nun die "Altenberger Kaserne" (Pommern etc. enthaltend), obgleich sie der Lage nach gar nicht zum Bezirk der Dominikaner-Kaserne gehört, mit letzterer behufs dieser Wahlen verbunden werden -- natürlich aus sehr triftigen Gründen. Und da nun gestern die "drei gewählten Vertrauensmänner" wegen Widerstandes unerzeugt geblieben: so sollen sie heute Vormittag 11 Uhr beim Appel erschaffen werden. Hier sind die Urwähler im Dienste, hier haben sie nicht zu protestiren, nicht zu widersprechen: hier heißt's "Ordre pariren!" Ein anderes militärisches Wahlmanöver ist der Kommandanturbefehl, welcher am 15. Januar den Offizieren bekannt gemacht wurde. Die Offiziere haben sich nämlich aus ihren städtischen Wohnungen zurückzuziehen und in den verschiedenen Kasernen ihr Lokal aufzuschlagen, natürlich nur für die Zeit der Wahlen, da in den respektiven Kasernen keine wohnlichen Räumlichkeiten für Offiziere vorhanden sind. Endlich haben die Wahllisten des Militärs nicht auf dem Stadthause ausgelegen, während gerade hier die Kontrolle des Publikums um so nothwendiger ist, als die Mehrzahl der Soldaten nicht das gesetzlich zur Urwählerschaft erforderliche Alter besitzt. Ueber diesen Gegenstand fand folgender Dialog zwischen einem Deputirten der Urwählerversammlung und dem Hrn. Oberbürgermeister Gräff Statt: Gräff. Das Militär wählt in den Kasernen. Die Listen hat Oberst Engels festgesetzt. Der Oberst Engels verfährt mit der größten Gewissenhaftigkei, er hat selbst die Truppen ausgeschieden, welche in den letzten 6 Monaten ihre Garnison gewechselt, so daß 12-1500 Mann nicht mitwählen. Der Deputirte. Aber, Hr. Oberbürgermeister, ich sehe nicht ein, wie das Sache des Oberst Engels sein kann. Die politischen Wahlen sind bürgerliche Handlungen und gehören die Vorbereitungen dazu vor die Civilobrigkeit. Gräff. Es ist das allerdigs übersehen, ich werde es nachträglich rügen und dafür sorgen, daß die Wahllisten des Militärs auch offenliegen. Uebrigens ist es seiner Zeit Sache der Kammern, die Gesetzlichkeit der Wahlen zu prüfen. Das ist alles sehr schön. Weil die Kammern die Gesetzlichkeit der Wahlen nachträglich zu prüfen haben, bleiben die Herren Beamten nicht minder verantwortlich für die Ungesetzlichkeiten, die sie aus Connivenz oder Nachläßigkeit vorgehen lassen. 068 Aus dem Kreise Rheinbach, 15. Januar. Während in dem benachbarten Kreise Euskirchen die aristokratische Propaganda es bis zur Herausgabe eines eigenen Blattes brachte, hat die reaktionäre Armee in unserem Kreise, als einem wenig günstigen Terrain, bisher weder große noch kleine Manöver abgehalten. Die bevorstehende Wahlschlacht hat sie aus ihrem Versteck heraus genöthigt. Am 12. Januar ließ sie durch eigens ausgeschickte Missionäre eine sogenannte Volksversammlung in Rheinbach abhalten. Die gänzliche Erfolglosigkeit dieses Versuchs wird die zähen Schwärmer "mit Gott für König und Vaterland" nur anfeuern, eine zweite Niederlage zu riskiren. Wie überall, verstecken auch hier die Herren ihr schwarzweißes Gesicht unter einer trikoloren Maske. Der Kreis Rheinbach schuldet speziell dem Eingeborenen des Kreises, Herrn Geh. Oberrevisionsrath Esser in Berlin, einen Beweis, daß er die Vertreter zu schützen weiß, welche die Volksrechte mit Gefahr ihrer Person vertreten. Es ist dies zugleich die treffendste Antwort auf das servile Sendschreiben des Herrn Sethe an Esser. 7 Hittorf, 17. Jan. In den Frühlingsstürmen des vergangenen Jahres verschwand der hiesige Bürgermeister. Leider nicht auf immer! Denn seit gestern ist derselbe durch den Herrn Landrath uns zurückgeführt worden. Eine Warnung vor Rebellion und anderen Sünden hat dabei nicht gefehlt. Wir fühlen uns Alle der "väterlichen" Regierung in Düsseldorf tief verpflichtet. * Berlin, 17. Januar. Folgenden Stoßseufzer "aus der Provinz Sachsen" preßt die brave "Kreuzritterin" heute aus beklommner Brust hervor: "Hält es nun schon schwer, den Landmann für eine allgemeine Idee zu gewinnen, so hält es dann noch viel schwerer, sie ihm wieder zu nehmen, und so wird es der demokratischen Presse gelingen, der socialen Umwälzung immer mehr Terrain zu gewinnen, das dann noch lange vorhalten wird, selbst wenn die Revolution sich äußerlich ausgelebt haben sollte. Bei uns wenigstens sieht es auf dem Lande also aus; wir wollen wünschen, daß es anderswo noch einen festeren, und der Verwesung mehr Widerstand leistenden Kern im Bauernstande gebe!" Posen, 13. Januar. Die Generalversammlung der Liga Polska in Kurnik ist beendet, ohne daß die vielfachen Besorgnisse wegen Störung irgendwie in Erfüllung gegangen wären, und ein großer Theil der Deputirten ist hierher gekommen, um ihren Collegen aus Westpreußen (35 an der Zahl) morgen im Bazar ein Ehrenmahl zu geben. Die Verhandlungen haben sich auf die Feststellung der Statuten und die Wahl der Direktoren beschränkt. Zu letzteren sind erwählt worden: Der Exbischof von Przyluski zum Ehrenpräsidenten, Gustav von Potworowski zum Präsidenten und Graf Cieszkowki, Adalbert von Lipski, der Geistliche Janiszewski, Dr. Libelt und Jan Palacz zu Direktoren. 103 Breslau, 16. Jan. Die Bourgeoisie ist hier in großen Nöthen. Die Cholera rafft täglich neue Opfer und in großer Anzahl dahin. Träfe dies Loos lediglich die Proletarier, so würde sie sich vor Freude nicht kennen. Würde man doch einiges von diesem verhaßten "Pack" ohne weitere Kosten los und so ginge man ruhig schlafen. Aber die Cholera! Sie kann schließlich auch die Bourgeoisie bei der Kehle packen. Das immer mehr an ihr erkrankende und dahin geraffte Proletariat verpestet die Luft und wir können uns am Ende weder durch Kudraß'schen Cholera-Liqueur, noch weniger aber durch seine abdestillirten Poesien vor dem drohenden Würgengel schützen. Es wird den Bourgeois immer unheimlicher, ängstlicher. Leichenzug über Leichenzug hören und sehen sie an ihren Thüren vorbei passiren und die Todtengräber reichen kaum hin, um zur Einscharrung der "Nasenquetschen" (wie hier die Särge der Proletarier heißen) Löcher genug fertig zu bringen. Unter solchen Umständen wird die Bourgeoisie aus zärtlicher Sorge für sich selbst auf einige Zeit wieder besorgt für die Armen, wird wohlthätig und giebt einige Thaler mehr an Almosen als sonst. Um die Kasematten, eine Art englischen Arbeitshauses, hatte man sich lange nicht bekümmert. Die Armendirektion hat natürlich andere Geschäfte, als für die Armen zu sorgen. In jenen "Kasematten", eine Zufluchtsstätte für zeitweilig Obdachlose, brach die Cholera aus. Welches Feld sich ihr in diesen Räumen bot, kann eigentlich nur der Augenzeuge begreifen. Ich habe dieses Gebäude besucht und werde den Anblick nie vergessen. In den langgewölbten Zimmern, von deren Wänden das Wasser herunterläuft, in der Mitte ein nichtheizender Ofen und in jedem dieser Räume 20-25 Personen. Die noch Gesunden (so weit hier diese Benennung überhaupt zuläßig) mitten unter kranken und todten Kindern in den Winkeln zusammengekauert; Leichen, die nicht begraben wurden, eine Nahrung, die das Vieh verschmähen würde, für die Meisten gar keine vorhanden. In den Zimmern, die ich durchwanderte, überall derselbe Anblick: Männer und Frauen, Kinder und Greise nackt oder mit wenigen Lumpen bedeckt, durcheinander vom Frost erstarrt, auf faulem Stroh, eine Todesatmosphäre durch's ganze Gebäude. Jetzt erst, nachdem bereits hier in diesem Fokus der scheußlichsten Miasmen, die Cholera ausgebrochen: erinnerte sich unsere Bourgeoisie, daß es hier "Kasematten" gibt. Man sonderte endlich die sogenannten Gesunden von den Kranken, schaffte die letzteren in die Hospitäler, die Leichen ins Loch, sammelte Geld und kaufte Decken, Schuhe etc. Da wir in einem Polizeistaat leben, und die preuß. Regierung sich immer damit brüstet, daß sie für die ungeheuren Summen, mit denen sie aus unsern Taschen jährlich ihre Beamtenmaschinerie einschmiert, auch ganz prächtig für die "Wohlfahrt" der geliebten Unterthanen sorge: so frägt sich's, was thut die Behörde? Am 28. Dezember brach die Cholera in den "Kasematen" aus, am 4. Jan. fingen einige hiesige Bewohner ihre milden Sammlungen an und am 6. Jan. fuhr der Hr. Brandenburg-Manteuffel'sche Polizeipräsident bei den "Kasematten" vor, um zu sehen, ob dort Etwas zu thun sei. Und die Väter der Stadt? Ei, stört sie doch nicht in Abfassung royalistischer Dankadressen, in ihren Bestrebungen "für Gesetz und Ordnung", in ihrem Freudentaumel über die gottbegnadete Verfassung, in ihren Weihnachtsfreuden und ihren sonstigen dringlichen Angelegenheiten! Wie die Armenpflege hier beschaffen ist, davon findet man ein hübsches Pröbchen im hiesigen eigentlichen "Armenhause", das unter spezieller Obhut des sehr löblichen Stadtraths steht. Bis noch vor wenigen Tagen wurde in dieser stadtväterlichen Anstalt selbst bei der strengsten Kälte nur ein Mal des Tages geheizt. Der beständige Arzt der Anstalt hat zu viel mit Privatpraxis zu thun, wie sollte er sich um die Insassen des Armenhauses kümmern? Kümmert sich doch auch Niemand um sein Nichtkümmern! Binnen 2 Tagen erkrankten hier unter 260 Insassen 42 Personen an der Cholera. Der Inspektor und der Buchhalter wurden dahin gerafft; aber man dachte nicht daran, daß die schlechte Kost, die verpestete Luft, der Lebensüberdruß der hierhin durch Armuth genöthigten Leute die Krankheit bis zu einer so erschrecklichen Höhe ausbilden würden. Endlich aber wurde der Bourgeoisie natürlich auch hier Angst, und so errichtete man im Armenhause selbst -- weil die Spitäler überfüllt seien -- 2 Krankensäle, niedrige und doch kaum erheizbare Zimmer. Dann sollten in der nächsten Sitzung der Stadtverordneten die weitern Einrichtungen beschlossen werden. Der Tag der Sitzung kam, aber nicht -- die Stadtverordneten; sie waren nicht beschlußfähig und gingen wieder zu einem Glase "Bairisch" etc. Man sieht aus diesem Wenigen, daß sich die hiesige Bourgeoisie in Betreff der Armenanstalten ganz getrost der englischen an die Seite stellen kann. In ihren "Kasematten" und in ihrem "Armenhause" hat sie ihr Muster von einem "Breslauer Workhause" und einer Anstalt für Armenkinder, wie die neulich erwähnte von Tooting (bei London) den Andern zur Nachahmung aufzustellen gewußt! * Wien, 14. Jan. In Kremsier sieht's fortwährend sehr trübe aus. Das Ministerium ist dem Reichstag nicht gewogen und der Reichstag hat keinen Grund zu einer großen Hinneigung zum Ministerium. Die "Grundrechte" werden keinenfalls die kaiserliche Genehmigung erhalten. Wie sehr sie auch der Reichstag umändern mag: sie werden der contrerevolutionären Partei immer noch zu freisinnig erscheinen. Die Stimmung hier in der Hauptstadt wird, wie sich wohl denken läßt, nicht besser, sondern durch die fortwährenden Brutalitäten, Niederträchtigkeiten, Verhaftungen etc. täglich erbitterter. In der Brauhausschenke, genannt zur Bierlacke, in Gaudenzdorf, war es schon zweimal nahe daran, daß zwischen Militär und Civil ein ernster Konflikt ausgebrochen wäre, da das Militär die Volkshymne verlangte und deren Aufspielung auch durchsetzte, unbesonnene Civillisten aber dagegen das Fuchslied und das deutsche Vaterland sangen. Nur das besonnene Auftreten des Wirthes verhinderte einen Exceß. In der verflossenen Nacht wurden in einer hiesigen Vorstadt allein 11 Gastwirthe nebst ihren Gästen von Militär-Patrouillen arretirt, da selbe noch nach 11 Uhr in den betreffenden Gasthäusern betreten wurden. -- Noch immer finden sich verborgene Waffen vor. So wurde in einem Hause der Stadt vorgestern eine Muskete in einem Kellerloche versteckt gefunden. Sämmtlichen Nürnberger Waarenhändlern ist der Verkauf von Degen- oder Stiletstöcken aufs strengste untersagt worden. Nachrichten aus Jassy wiederholen, daß 10,000 Russen in die Moldau eingerückt sind. 24 Aus Kurhessen. Ein Fürst mit wenig Verstand, aller höheren Empfindungen und selbst des Ehrgeizes leer, nur in dem Gedanken der Anhäufung von Schätzen für seine nicht thronberechtigten Kinder schwelgend, voll kindischen Eigensinns, der sich meist in militärischen Spielereien Luft macht, kurz, ein Fürst wie alle Zwetschenfürsten, halb Filz, halb Corporal; ein Ministerium ohne Capacität, ohne Prinzip und sogar ohne Interesse, aber dabei doch jedem fremden Interesse dienend, sobald es mit der gehörigen Barschheit auftritt, ohne Muth und Entschlossenheit weder im guten noch im bösen Sinne, kurz ein gemüthliches Jüstemilieu-Ministerium; eine landständische Versammlung aus antediluvianischer Zeit mit Adel, Bürgern und Bauern, unter denen die Bureaukraten als Wölfe in Schafspelz herumwandeln, um immer die Einen auf die Andern zu hetzen, kurz eine Mischmasch-Versammlung aus Junkern, Oekonomen, Bierbrauern und beliebigen andern Käutzen, die Alles in der Welt, nur nicht das Volk vertreten; eine Bureaukratie die klettenartig zusammenhängt, sich verzweiflungsvoll an ihre Stellen klammert und vor dem Anker der Gehalte liegend die Veränderungen im Staatsleben gleichgültig mit ansieht, indem sie wohl weiß, daß es nicht bloß auf die Form, sondern auch auf die Personen ankommt -- das sind die regierenden, die gesetzgebenden und verwaltenden Behörden des Landes, das man Kurhessen nennt, des gelobten Landes der Scheffer, Wongemann, Jordan etc. Ich komme nun zu Spezialitäten, wobei Sie mir in Betracht ihrer Langweiligkeit und stellenweisen Ekelhaftigkeit gern gestatten werden, kurz zu sein. Zunächst also von den Landtagsverhandlungen. Dieser Landtag hat die Aufgabe der Selbstvernichtung -- er soll ein neues Wahlgesetz schaffen. Aber der Gedanke an diesen Selbstmord ist unsern guten, pausbackigen, hausbackenen Philisterseelen (auf dem Landtag hauptsächlich durch die städtischen Deputirten vertreten) ein solcher Gräuel, daß sie im Einverständniß mit dem Ministerium, welches ihre Gefühle theilt, beschlossen haben, sich auf jeden Fall nur scheintodt machen zu lassen, um später wieder aufleben und unter der Herrschaft des neuen Wahlgesetzes wie unter dem alten das theure kurhessische Vaterland beglücken zu können. Also eine Formveränderung; de facto soll es beim Alten bleiben mit der einzigen Modifikation, daß man an die Stelle des Adels die höchstbesteuerten also die potenzirtesten Spießbürger setzen will. Dies Gebräu, welches sich die Herren Spießbürger von den Ministern hatten kochen lassen, wurde aber von der demokratischen Partei des Landtags und dem Adel, der nicht so dumm ist, daß er dümmern Leute als er seine Plätze gutwillig einräumte, für zu schwach befunden und verworfen. Nun sind sie am Brüten, was sie nun anfangen wollen. Sie sitzen wie die Gans auf dem Nest. Sie erwarten, daß sich der Volkswille gegen die Demokraten ausspreche, welche es über sich haben gewinnen können, mit dem Adel zu stimmen und den guten Mann Eberhard durch Verwerfung seiner Proposition so schwer zu kränken, und damit sie in ihren Erwartungen nicht getäuscht werden, schicken sie viel Papier im Lande umher, welches dann mit kärglichen Unterschriften "bedeckt" als Adressenhagel wieder bei ihnen eintrifft. Dann aber werden wir das erschreckliche Schauspiel eines entschlossenen Vorschreitens kurhessischer Landtagsschildbürger erleben. Gott sei uns gnädig! Wenn Sie vielleicht neulich irgendwo gelesen haben, der kurhessische Landtag habe sich für den König von Preußen als deutscher Kaiser erklärt, so können Sie diesen haarsträubenden Beweis von politischer Entschiedenheit als Vorübung zu Dem betrachten, was noch kommen wird. Schon spricht man von der baldigen Lösung der orientalischen Frage, in der die Ansicht unserer Abgeordneten nicht weniger radikal und ihre Stimme nicht weniger kompetent und entscheidend sein dürfte. Damit Sie auch vom kurhessischen Rechtsgang eine Vorstellung erhalten, brauche ich Ihnen nur zu sagen, daß die Hochverraths-Untersuchungen (eine gegen Bayrhoffer wegen einer ganz unschuldigen Rede) wieder in Gang kommen. Der Staatsanwalt wüthet gegen die Presse, und besonders gegen die "Hornisse", ein von H. Heise mit vielem Geschick redigirtes Blatt. Doch kam das erste Schwurgericht, welches am 11. Januar deßhalb zusammenberufen war, nicht zu Stande. Der Unwille des Volkes über die durch das enge Lokal beschränkte Oeffentlichkeit machte sich so laut geltend, daß man die Sitzung verschieben mußte. * Schleswig, 13. Januar. Bekanntlich stellte in der Reichsversammlung zu Kopenhagen der fanatische Pastor Grundtoig einen Antrag auf sofortige Erhebung der Waffen behufs Unterwerfung Schleswig's. Er wurde, wie schon gemeldet, abgelehnt. Die dänische Nationalversammlung war klug genug, dem diesjährigen Winter nicht ganz zu trauen. Ihre Vorsicht hat sich gerechtfertigt, denn jetzt ist die Insel Alsen durch das Eis landfest geworden, könnte also von der schleswig-holstein'schen Armee täglich betreten werden. Polen. Lemberg, 9. Januar. General Bem soll nun wirklich in drei Kolonnen bei Skolo, Turka und in der Bukowina aus Ungarn und Siebenbürgen nach Galizien eindringen. Der k. k. Generalmajor Barko wurde zur Organisirung des Landsturmes in die bedrohten Gegenden abgeschickt und 2 Bataillone Infanterie mit Geschütz sind heute von hier an die ungarische Grenze aufgebrochen. (Olm. Bl.)Ungarn. Die "Allg. Od. Zeitung" enthält folgende Mittheilungen über die Beweggründe des Rückzuges der ungarischen Armee und die Verhältnisse in Ungarn überhaupt: "Als Ungarn durch die Anmuthungen der österreichischen Dynastie gezwungen wurde, zur Wahrung seiner Rechte die Waffen zu ergreifen, besaß es außer den wenigen regulären Regimentern, besonders den Husaren, nur wenige Truppen, auf welche es, selbst nur theilweise rechnen konnte. -- Da daß wir die erbärmlichsten Tölpel wären, ließen wir uns in einer solchen Wolfsgrube fangen. Aber es kommt noch besser. Ihr wißt, daß der Geldbeutel der Unterthanen dasjenige Ding ist, aus und von dessen Gnaden der König lebt und seine Kammerherren und Lakaien, seine Minister und Marschälle, seine Beamten und Soldaten besoldet, seine Geldgeschenke und Gnadenbezeugungen austheilt u. s. w. Eben weil wir bisher das preußische Königthum mit unsern Geldern so unverantwortlich haben schalten und walten lassen: deßhalb hatten wir keine Kraft, wir hatten uns ihrer entäußert und wurden verspottet von denen, die unsere Kraft aussaugten und boten das Schauspiel des von der Delila geschwächten Simson. Ihr könnt Euch wohl denken, daß der preuß. König bei seinem Geschenk sein Bedacht darauf genommen. Seine Verfassung setzt fest, daß die Steuern so wie bisher fort erhoben werden, so lange die beiden Kammern nicht etwas Anderes bestimmen und — der König es genehmigt hat. Nun wird schon die erste Kammer sich hüten, für Steuerverminderung zu stimmen. Denn aus den Steuern des Volks ziehen ja gerade die bevorrechteten Stände, die in der ersten Kammer vertreten sind, den besten Theil. Eine gerechtere Steuervertheilung werden sie eben so wenig zugeben, da alsdann die gnädigen Gutsherren und die Reichen überhaupt mehr blechen müßten, als bisher. Aber dafür ist in einem eigenen Artikel der sogenannten Verfassung gesorgt, daß der König mit seinen Ministern neue Steuern ausschreiben oder alte erhöhen kann, je nach Belieben. Indeß nicht nur die ganze Steuerangelegenheit hat der preußische König in seiner Verfassung seinem Belieben und seiner Laune vorbehalten, sondern auch das Recht, jeden Artikel der Verfassung und die ganze Verfassung insgesammt für die Zeit, wo die Kammern nicht versammelt sind, außer Kraft zu setzen. Nun, das ist nur ein kleines Pröbchen von den Schlichen, Kniffen und Fallstricken der neuen Musterverfassung. Die rheinischen Bauern sind indeß keine Nessiner oder pommersche Taglöhner. Vor allen Dingen mögen sie beherzigen, daß wir zum zweiten Mal wählen, wenn gleich jetzt unter tausenderlei von der Regierung bereiteten Hindernissen. Das erste Mal — im Mai vorigen Jahres wählten wir Leute, denen wir zutrauten, sie würden unsere Rechte und Forderungen würdig zu vertreten und durchzusetzen wissen. Wir hatten uns insofern getäuscht, als unsere Vertreter, sei's Feigheit, sei's Dummheit, sei's beides zusammen, die beste Zeit verstreichen ließen, in welcher sie mit Energie und Einsicht die zeitweilig erschrockenen Volksfeinde für immer unschädlich machen und ihnen die Stützen im Militär und Civil wegziehen konnten, an denen sie sich später wieder aufrichteten und nun ihrerseits eine Revolution im entgegengesetzten Sinne zu Stande brachten. Als es zu spät war, da kam unsern Vertretern erst das nöthige Licht. Da war's eben zu spät und so wurde mit ihnen geendigt, wie sie hätte beginnen sollen. Drum müssen wir dies Mal von vorn herein ganz entschiedene Männer zu Wahlmännern nehmen und diesen auftragen, nur völlig energische und dem Volk ergebene Deputirte nach Berlin zu senden. * Köln, 19. Jan. In den Kasernen genügt es nicht, die Wahlen dadurch zu destilliren, daß, wie beim Civil, Wahlmänner, und von diesen die Deputirten ernannt werden. Dieses Verfahren ist den Herren Offizieren viel zu einfach und noch zu unsicher. Drum ist gestern den Soldaten befohlen worden, in jeder Kompagnie erst Gestern sollte in der Dominikaner-Kaserne (Artillerie) diese Operation vorgenommen werden. Die Soldaten protestirten unter Berufung auf das für alle Wähler, Civil wie Militär, gültige Wahlgesetz. Die Debatte wurde lebhaft, allein die Vertrauensmänner-Wahl kam nicht zu Stande! Große „schwarz-weiße“ Wuth! Es soll nun die „Altenberger Kaserne“ (Pommern etc. enthaltend), obgleich sie der Lage nach gar nicht zum Bezirk der Dominikaner-Kaserne gehört, mit letzterer behufs dieser Wahlen verbunden werden — natürlich aus sehr triftigen Gründen. Und da nun gestern die „drei gewählten Vertrauensmänner“ wegen Widerstandes unerzeugt geblieben: so sollen sie heute Vormittag 11 Uhr beim Appel erschaffen werden. Hier sind die Urwähler im Dienste, hier haben sie nicht zu protestiren, nicht zu widersprechen: hier heißt's „Ordre pariren!“ Ein anderes militärisches Wahlmanöver ist der Kommandanturbefehl, welcher am 15. Januar den Offizieren bekannt gemacht wurde. Die Offiziere haben sich nämlich aus ihren städtischen Wohnungen zurückzuziehen und in den verschiedenen Kasernen ihr Lokal aufzuschlagen, natürlich nur für die Zeit der Wahlen, da in den respektiven Kasernen keine wohnlichen Räumlichkeiten für Offiziere vorhanden sind. Endlich haben die Wahllisten des Militärs nicht auf dem Stadthause ausgelegen, während gerade hier die Kontrolle des Publikums um so nothwendiger ist, als die Mehrzahl der Soldaten nicht das gesetzlich zur Urwählerschaft erforderliche Alter besitzt. Ueber diesen Gegenstand fand folgender Dialog zwischen einem Deputirten der Urwählerversammlung und dem Hrn. Oberbürgermeister Gräff Statt: Gräff. Das Militär wählt in den Kasernen. Die Listen hat Oberst Engels festgesetzt. Der Oberst Engels verfährt mit der größten Gewissenhaftigkei, er hat selbst die Truppen ausgeschieden, welche in den letzten 6 Monaten ihre Garnison gewechselt, so daß 12-1500 Mann nicht mitwählen. Der Deputirte. Aber, Hr. Oberbürgermeister, ich sehe nicht ein, wie das Sache des Oberst Engels sein kann. Die politischen Wahlen sind bürgerliche Handlungen und gehören die Vorbereitungen dazu vor die Civilobrigkeit. Gräff. Es ist das allerdigs übersehen, ich werde es nachträglich rügen und dafür sorgen, daß die Wahllisten des Militärs auch offenliegen. Uebrigens ist es seiner Zeit Sache der Kammern, die Gesetzlichkeit der Wahlen zu prüfen. Das ist alles sehr schön. Weil die Kammern die Gesetzlichkeit der Wahlen nachträglich zu prüfen haben, bleiben die Herren Beamten nicht minder verantwortlich für die Ungesetzlichkeiten, die sie aus Connivenz oder Nachläßigkeit vorgehen lassen. 068 Aus dem Kreise Rheinbach, 15. Januar. Während in dem benachbarten Kreise Euskirchen die aristokratische Propaganda es bis zur Herausgabe eines eigenen Blattes brachte, hat die reaktionäre Armee in unserem Kreise, als einem wenig günstigen Terrain, bisher weder große noch kleine Manöver abgehalten. Die bevorstehende Wahlschlacht hat sie aus ihrem Versteck heraus genöthigt. Am 12. Januar ließ sie durch eigens ausgeschickte Missionäre eine sogenannte Volksversammlung in Rheinbach abhalten. Die gänzliche Erfolglosigkeit dieses Versuchs wird die zähen Schwärmer „mit Gott für König und Vaterland“ nur anfeuern, eine zweite Niederlage zu riskiren. Wie überall, verstecken auch hier die Herren ihr schwarzweißes Gesicht unter einer trikoloren Maske. Der Kreis Rheinbach schuldet speziell dem Eingeborenen des Kreises, Herrn Geh. Oberrevisionsrath Esser in Berlin, einen Beweis, daß er die Vertreter zu schützen weiß, welche die Volksrechte mit Gefahr ihrer Person vertreten. Es ist dies zugleich die treffendste Antwort auf das servile Sendschreiben des Herrn Sethe an Esser. 7 Hittorf, 17. Jan. In den Frühlingsstürmen des vergangenen Jahres verschwand der hiesige Bürgermeister. Leider nicht auf immer! Denn seit gestern ist derselbe durch den Herrn Landrath uns zurückgeführt worden. Eine Warnung vor Rebellion und anderen Sünden hat dabei nicht gefehlt. Wir fühlen uns Alle der „väterlichen“ Regierung in Düsseldorf tief verpflichtet. * Berlin, 17. Januar. Folgenden Stoßseufzer „aus der Provinz Sachsen“ preßt die brave „Kreuzritterin“ heute aus beklommner Brust hervor: „Hält es nun schon schwer, den Landmann für eine allgemeine Idee zu gewinnen, so hält es dann noch viel schwerer, sie ihm wieder zu nehmen, und so wird es der demokratischen Presse gelingen, der socialen Umwälzung immer mehr Terrain zu gewinnen, das dann noch lange vorhalten wird, selbst wenn die Revolution sich äußerlich ausgelebt haben sollte. Bei uns wenigstens sieht es auf dem Lande also aus; wir wollen wünschen, daß es anderswo noch einen festeren, und der Verwesung mehr Widerstand leistenden Kern im Bauernstande gebe!“ Posen, 13. Januar. Die Generalversammlung der Liga Polska in Kurnik ist beendet, ohne daß die vielfachen Besorgnisse wegen Störung irgendwie in Erfüllung gegangen wären, und ein großer Theil der Deputirten ist hierher gekommen, um ihren Collegen aus Westpreußen (35 an der Zahl) morgen im Bazar ein Ehrenmahl zu geben. Die Verhandlungen haben sich auf die Feststellung der Statuten und die Wahl der Direktoren beschränkt. Zu letzteren sind erwählt worden: Der Exbischof von Przyluski zum Ehrenpräsidenten, Gustav von Potworowski zum Präsidenten und Graf Cieszkowki, Adalbert von Lipski, der Geistliche Janiszewski, Dr. Libelt und Jan Palacz zu Direktoren. 103 Breslau, 16. Jan. Die Bourgeoisie ist hier in großen Nöthen. Die Cholera rafft täglich neue Opfer und in großer Anzahl dahin. Träfe dies Loos lediglich die Proletarier, so würde sie sich vor Freude nicht kennen. Würde man doch einiges von diesem verhaßten „Pack“ ohne weitere Kosten los und so ginge man ruhig schlafen. Aber die Cholera! Sie kann schließlich auch die Bourgeoisie bei der Kehle packen. Das immer mehr an ihr erkrankende und dahin geraffte Proletariat verpestet die Luft und wir können uns am Ende weder durch Kudraß'schen Cholera-Liqueur, noch weniger aber durch seine abdestillirten Poesien vor dem drohenden Würgengel schützen. Es wird den Bourgeois immer unheimlicher, ängstlicher. Leichenzug über Leichenzug hören und sehen sie an ihren Thüren vorbei passiren und die Todtengräber reichen kaum hin, um zur Einscharrung der „Nasenquetschen“ (wie hier die Särge der Proletarier heißen) Löcher genug fertig zu bringen. Unter solchen Umständen wird die Bourgeoisie aus zärtlicher Sorge für sich selbst auf einige Zeit wieder besorgt für die Armen, wird wohlthätig und giebt einige Thaler mehr an Almosen als sonst. Um die Kasematten, eine Art englischen Arbeitshauses, hatte man sich lange nicht bekümmert. Die Armendirektion hat natürlich andere Geschäfte, als für die Armen zu sorgen. In jenen „Kasematten“, eine Zufluchtsstätte für zeitweilig Obdachlose, brach die Cholera aus. Welches Feld sich ihr in diesen Räumen bot, kann eigentlich nur der Augenzeuge begreifen. Ich habe dieses Gebäude besucht und werde den Anblick nie vergessen. In den langgewölbten Zimmern, von deren Wänden das Wasser herunterläuft, in der Mitte ein nichtheizender Ofen und in jedem dieser Räume 20-25 Personen. Die noch Gesunden (so weit hier diese Benennung überhaupt zuläßig) mitten unter kranken und todten Kindern in den Winkeln zusammengekauert; Leichen, die nicht begraben wurden, eine Nahrung, die das Vieh verschmähen würde, für die Meisten gar keine vorhanden. In den Zimmern, die ich durchwanderte, überall derselbe Anblick: Männer und Frauen, Kinder und Greise nackt oder mit wenigen Lumpen bedeckt, durcheinander vom Frost erstarrt, auf faulem Stroh, eine Todesatmosphäre durch's ganze Gebäude. Jetzt erst, nachdem bereits hier in diesem Fokus der scheußlichsten Miasmen, die Cholera ausgebrochen: erinnerte sich unsere Bourgeoisie, daß es hier „Kasematten“ gibt. Man sonderte endlich die sogenannten Gesunden von den Kranken, schaffte die letzteren in die Hospitäler, die Leichen ins Loch, sammelte Geld und kaufte Decken, Schuhe etc. Da wir in einem Polizeistaat leben, und die preuß. Regierung sich immer damit brüstet, daß sie für die ungeheuren Summen, mit denen sie aus unsern Taschen jährlich ihre Beamtenmaschinerie einschmiert, auch ganz prächtig für die „Wohlfahrt“ der geliebten Unterthanen sorge: so frägt sich's, was thut die Behörde? Am 28. Dezember brach die Cholera in den „Kasematen“ aus, am 4. Jan. fingen einige hiesige Bewohner ihre milden Sammlungen an und am 6. Jan. fuhr der Hr. Brandenburg-Manteuffel'sche Polizeipräsident bei den „Kasematten“ vor, um zu sehen, ob dort Etwas zu thun sei. Und die Väter der Stadt? Ei, stört sie doch nicht in Abfassung royalistischer Dankadressen, in ihren Bestrebungen „für Gesetz und Ordnung“, in ihrem Freudentaumel über die gottbegnadete Verfassung, in ihren Weihnachtsfreuden und ihren sonstigen dringlichen Angelegenheiten! Wie die Armenpflege hier beschaffen ist, davon findet man ein hübsches Pröbchen im hiesigen eigentlichen „Armenhause“, das unter spezieller Obhut des sehr löblichen Stadtraths steht. Bis noch vor wenigen Tagen wurde in dieser stadtväterlichen Anstalt selbst bei der strengsten Kälte nur ein Mal des Tages geheizt. Der beständige Arzt der Anstalt hat zu viel mit Privatpraxis zu thun, wie sollte er sich um die Insassen des Armenhauses kümmern? Kümmert sich doch auch Niemand um sein Nichtkümmern! Binnen 2 Tagen erkrankten hier unter 260 Insassen 42 Personen an der Cholera. Der Inspektor und der Buchhalter wurden dahin gerafft; aber man dachte nicht daran, daß die schlechte Kost, die verpestete Luft, der Lebensüberdruß der hierhin durch Armuth genöthigten Leute die Krankheit bis zu einer so erschrecklichen Höhe ausbilden würden. Endlich aber wurde der Bourgeoisie natürlich auch hier Angst, und so errichtete man im Armenhause selbst — weil die Spitäler überfüllt seien — 2 Krankensäle, niedrige und doch kaum erheizbare Zimmer. Dann sollten in der nächsten Sitzung der Stadtverordneten die weitern Einrichtungen beschlossen werden. Der Tag der Sitzung kam, aber nicht — die Stadtverordneten; sie waren nicht beschlußfähig und gingen wieder zu einem Glase „Bairisch“ etc. Man sieht aus diesem Wenigen, daß sich die hiesige Bourgeoisie in Betreff der Armenanstalten ganz getrost der englischen an die Seite stellen kann. In ihren „Kasematten“ und in ihrem „Armenhause“ hat sie ihr Muster von einem „Breslauer Workhause“ und einer Anstalt für Armenkinder, wie die neulich erwähnte von Tooting (bei London) den Andern zur Nachahmung aufzustellen gewußt! * Wien, 14. Jan. In Kremsier sieht's fortwährend sehr trübe aus. Das Ministerium ist dem Reichstag nicht gewogen und der Reichstag hat keinen Grund zu einer großen Hinneigung zum Ministerium. Die „Grundrechte“ werden keinenfalls die kaiserliche Genehmigung erhalten. Wie sehr sie auch der Reichstag umändern mag: sie werden der contrerevolutionären Partei immer noch zu freisinnig erscheinen. Die Stimmung hier in der Hauptstadt wird, wie sich wohl denken läßt, nicht besser, sondern durch die fortwährenden Brutalitäten, Niederträchtigkeiten, Verhaftungen etc. täglich erbitterter. In der Brauhausschenke, genannt zur Bierlacke, in Gaudenzdorf, war es schon zweimal nahe daran, daß zwischen Militär und Civil ein ernster Konflikt ausgebrochen wäre, da das Militär die Volkshymne verlangte und deren Aufspielung auch durchsetzte, unbesonnene Civillisten aber dagegen das Fuchslied und das deutsche Vaterland sangen. Nur das besonnene Auftreten des Wirthes verhinderte einen Exceß. In der verflossenen Nacht wurden in einer hiesigen Vorstadt allein 11 Gastwirthe nebst ihren Gästen von Militär-Patrouillen arretirt, da selbe noch nach 11 Uhr in den betreffenden Gasthäusern betreten wurden. — Noch immer finden sich verborgene Waffen vor. So wurde in einem Hause der Stadt vorgestern eine Muskete in einem Kellerloche versteckt gefunden. Sämmtlichen Nürnberger Waarenhändlern ist der Verkauf von Degen- oder Stiletstöcken aufs strengste untersagt worden. Nachrichten aus Jassy wiederholen, daß 10,000 Russen in die Moldau eingerückt sind. 24 Aus Kurhessen. Ein Fürst mit wenig Verstand, aller höheren Empfindungen und selbst des Ehrgeizes leer, nur in dem Gedanken der Anhäufung von Schätzen für seine nicht thronberechtigten Kinder schwelgend, voll kindischen Eigensinns, der sich meist in militärischen Spielereien Luft macht, kurz, ein Fürst wie alle Zwetschenfürsten, halb Filz, halb Corporal; ein Ministerium ohne Capacität, ohne Prinzip und sogar ohne Interesse, aber dabei doch jedem fremden Interesse dienend, sobald es mit der gehörigen Barschheit auftritt, ohne Muth und Entschlossenheit weder im guten noch im bösen Sinne, kurz ein gemüthliches Jüstemilieu-Ministerium; eine landständische Versammlung aus antediluvianischer Zeit mit Adel, Bürgern und Bauern, unter denen die Bureaukraten als Wölfe in Schafspelz herumwandeln, um immer die Einen auf die Andern zu hetzen, kurz eine Mischmasch-Versammlung aus Junkern, Oekonomen, Bierbrauern und beliebigen andern Käutzen, die Alles in der Welt, nur nicht das Volk vertreten; eine Bureaukratie die klettenartig zusammenhängt, sich verzweiflungsvoll an ihre Stellen klammert und vor dem Anker der Gehalte liegend die Veränderungen im Staatsleben gleichgültig mit ansieht, indem sie wohl weiß, daß es nicht bloß auf die Form, sondern auch auf die Personen ankommt — das sind die regierenden, die gesetzgebenden und verwaltenden Behörden des Landes, das man Kurhessen nennt, des gelobten Landes der Scheffer, Wongemann, Jordan etc. Ich komme nun zu Spezialitäten, wobei Sie mir in Betracht ihrer Langweiligkeit und stellenweisen Ekelhaftigkeit gern gestatten werden, kurz zu sein. Zunächst also von den Landtagsverhandlungen. Dieser Landtag hat die Aufgabe der Selbstvernichtung — er soll ein neues Wahlgesetz schaffen. Aber der Gedanke an diesen Selbstmord ist unsern guten, pausbackigen, hausbackenen Philisterseelen (auf dem Landtag hauptsächlich durch die städtischen Deputirten vertreten) ein solcher Gräuel, daß sie im Einverständniß mit dem Ministerium, welches ihre Gefühle theilt, beschlossen haben, sich auf jeden Fall nur scheintodt machen zu lassen, um später wieder aufleben und unter der Herrschaft des neuen Wahlgesetzes wie unter dem alten das theure kurhessische Vaterland beglücken zu können. Also eine Formveränderung; de facto soll es beim Alten bleiben mit der einzigen Modifikation, daß man an die Stelle des Adels die höchstbesteuerten also die potenzirtesten Spießbürger setzen will. Dies Gebräu, welches sich die Herren Spießbürger von den Ministern hatten kochen lassen, wurde aber von der demokratischen Partei des Landtags und dem Adel, der nicht so dumm ist, daß er dümmern Leute als er seine Plätze gutwillig einräumte, für zu schwach befunden und verworfen. Nun sind sie am Brüten, was sie nun anfangen wollen. Sie sitzen wie die Gans auf dem Nest. Sie erwarten, daß sich der Volkswille gegen die Demokraten ausspreche, welche es über sich haben gewinnen können, mit dem Adel zu stimmen und den guten Mann Eberhard durch Verwerfung seiner Proposition so schwer zu kränken, und damit sie in ihren Erwartungen nicht getäuscht werden, schicken sie viel Papier im Lande umher, welches dann mit kärglichen Unterschriften „bedeckt“ als Adressenhagel wieder bei ihnen eintrifft. Dann aber werden wir das erschreckliche Schauspiel eines entschlossenen Vorschreitens kurhessischer Landtagsschildbürger erleben. Gott sei uns gnädig! Wenn Sie vielleicht neulich irgendwo gelesen haben, der kurhessische Landtag habe sich für den König von Preußen als deutscher Kaiser erklärt, so können Sie diesen haarsträubenden Beweis von politischer Entschiedenheit als Vorübung zu Dem betrachten, was noch kommen wird. Schon spricht man von der baldigen Lösung der orientalischen Frage, in der die Ansicht unserer Abgeordneten nicht weniger radikal und ihre Stimme nicht weniger kompetent und entscheidend sein dürfte. Damit Sie auch vom kurhessischen Rechtsgang eine Vorstellung erhalten, brauche ich Ihnen nur zu sagen, daß die Hochverraths-Untersuchungen (eine gegen Bayrhoffer wegen einer ganz unschuldigen Rede) wieder in Gang kommen. Der Staatsanwalt wüthet gegen die Presse, und besonders gegen die „Hornisse“, ein von H. Heise mit vielem Geschick redigirtes Blatt. Doch kam das erste Schwurgericht, welches am 11. Januar deßhalb zusammenberufen war, nicht zu Stande. Der Unwille des Volkes über die durch das enge Lokal beschränkte Oeffentlichkeit machte sich so laut geltend, daß man die Sitzung verschieben mußte. * Schleswig, 13. Januar. Bekanntlich stellte in der Reichsversammlung zu Kopenhagen der fanatische Pastor Grundtoig einen Antrag auf sofortige Erhebung der Waffen behufs Unterwerfung Schleswig's. Er wurde, wie schon gemeldet, abgelehnt. Die dänische Nationalversammlung war klug genug, dem diesjährigen Winter nicht ganz zu trauen. Ihre Vorsicht hat sich gerechtfertigt, denn jetzt ist die Insel Alsen durch das Eis landfest geworden, könnte also von der schleswig-holstein'schen Armee täglich betreten werden. Polen. Lemberg, 9. Januar. General Bem soll nun wirklich in drei Kolonnen bei Skolo, Turka und in der Bukowina aus Ungarn und Siebenbürgen nach Galizien eindringen. Der k. k. Generalmajor Barko wurde zur Organisirung des Landsturmes in die bedrohten Gegenden abgeschickt und 2 Bataillone Infanterie mit Geschütz sind heute von hier an die ungarische Grenze aufgebrochen. (Olm. Bl.)Ungarn. Die „Allg. Od. Zeitung“ enthält folgende Mittheilungen über die Beweggründe des Rückzuges der ungarischen Armee und die Verhältnisse in Ungarn überhaupt: „Als Ungarn durch die Anmuthungen der österreichischen Dynastie gezwungen wurde, zur Wahrung seiner Rechte die Waffen zu ergreifen, besaß es außer den wenigen regulären Regimentern, besonders den Husaren, nur wenige Truppen, auf welche es, selbst nur theilweise rechnen konnte. — Da <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar200_002" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1088"/> daß wir die erbärmlichsten Tölpel wären, ließen wir uns in einer solchen Wolfsgrube fangen.</p> <p>Aber es kommt noch besser.</p> <p>Ihr wißt, daß der Geldbeutel der Unterthanen dasjenige Ding ist, aus und von dessen Gnaden der König lebt und seine Kammerherren und Lakaien, seine Minister und Marschälle, seine Beamten und Soldaten besoldet, seine Geldgeschenke und Gnadenbezeugungen austheilt u. s. w.</p> <p>Eben weil wir bisher das preußische Königthum mit unsern Geldern so unverantwortlich haben schalten und walten lassen: deßhalb hatten wir keine Kraft, wir hatten uns ihrer entäußert und wurden verspottet von denen, die unsere Kraft aussaugten und boten das Schauspiel des von der Delila geschwächten Simson.</p> <p>Ihr könnt Euch wohl denken, daß der preuß. König bei seinem Geschenk sein Bedacht darauf genommen.</p> <p>Seine Verfassung setzt fest, daß die Steuern so wie bisher fort erhoben werden, so lange die beiden Kammern nicht etwas Anderes bestimmen und — der König es genehmigt hat.</p> <p>Nun wird schon die erste Kammer sich hüten, für Steuerverminderung zu stimmen. Denn aus den Steuern des Volks ziehen ja gerade die bevorrechteten Stände, die in der ersten Kammer vertreten sind, den besten Theil. Eine gerechtere Steuervertheilung werden sie eben so wenig zugeben, da alsdann die gnädigen Gutsherren und die Reichen überhaupt mehr blechen müßten, als bisher.</p> <p>Aber dafür ist in einem eigenen Artikel der sogenannten Verfassung gesorgt, daß der König mit seinen Ministern neue Steuern ausschreiben oder alte erhöhen kann, je nach Belieben.</p> <p>Indeß nicht nur die ganze Steuerangelegenheit hat der preußische König in seiner Verfassung seinem Belieben und seiner Laune vorbehalten, sondern auch das Recht, jeden Artikel der Verfassung und die ganze Verfassung insgesammt für die Zeit, wo die Kammern nicht versammelt sind, außer Kraft zu setzen.</p> <p>Nun, das ist nur ein kleines Pröbchen von den Schlichen, Kniffen und Fallstricken der neuen Musterverfassung.</p> <p>Die rheinischen Bauern sind indeß keine Nessiner oder pommersche Taglöhner. Vor allen Dingen mögen sie beherzigen, daß wir zum zweiten Mal wählen, wenn gleich jetzt unter tausenderlei von der Regierung bereiteten Hindernissen.</p> <p>Das erste Mal — im Mai vorigen Jahres wählten wir Leute, denen wir zutrauten, sie würden unsere Rechte und Forderungen würdig zu vertreten und durchzusetzen wissen.</p> <p>Wir hatten uns insofern getäuscht, als unsere Vertreter, sei's Feigheit, sei's Dummheit, sei's beides zusammen, die beste Zeit verstreichen ließen, in welcher sie mit Energie und Einsicht die zeitweilig erschrockenen Volksfeinde für immer unschädlich machen und ihnen die Stützen im Militär und Civil wegziehen konnten, an denen sie sich später wieder aufrichteten und nun ihrerseits eine Revolution im entgegengesetzten Sinne zu Stande brachten.</p> <p>Als es zu spät war, da kam unsern Vertretern erst das nöthige Licht. Da war's eben zu spät und so wurde mit ihnen geendigt, wie sie hätte beginnen sollen.</p> <p>Drum müssen wir dies Mal von vorn herein ganz entschiedene Männer zu Wahlmännern nehmen und diesen auftragen, nur völlig energische und dem Volk ergebene Deputirte nach Berlin zu senden.</p> </div> <div xml:id="ar200_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 19. Jan.</head> <p>In den Kasernen genügt es nicht, die Wahlen dadurch zu destilliren, daß, wie beim Civil, Wahlmänner, und von diesen die Deputirten ernannt werden. Dieses Verfahren ist den Herren Offizieren viel zu einfach und noch zu unsicher.</p> <p>Drum ist gestern den Soldaten befohlen worden, in jeder Kompagnie erst<lb/><hi rendition="#et">3 <hi rendition="#g">Vertrauensmänner</hi> </hi><lb/> herauszudestilliren. Diese wählen dann — die Wahlmänner! Auf diesem Wege der Destillation müßte es wunderlich zugehen, wenn nicht der <hi rendition="#g">gewählte</hi> Hr. Lieutenant, Hr. Hauptmann u. s. w. als abdestillirter Wahlmann in Köln zum Vorschein käme.</p> <p>Gestern sollte in der Dominikaner-Kaserne (Artillerie) diese Operation vorgenommen werden. Die Soldaten protestirten unter Berufung auf das für alle Wähler, Civil wie Militär, gültige Wahlgesetz. Die Debatte wurde lebhaft, allein die Vertrauensmänner-Wahl kam nicht zu Stande! Große „schwarz-weiße“ Wuth!</p> <p>Es soll nun die „Altenberger Kaserne“ (Pommern etc. enthaltend), obgleich sie der Lage nach gar nicht zum Bezirk der Dominikaner-Kaserne gehört, mit letzterer behufs dieser Wahlen verbunden werden — natürlich aus sehr triftigen Gründen.</p> <p>Und da nun gestern die „drei gewählten Vertrauensmänner“ wegen Widerstandes unerzeugt geblieben: so sollen sie heute Vormittag 11 Uhr beim Appel erschaffen werden.</p> <p>Hier sind die Urwähler im <hi rendition="#g">Dienste,</hi> hier haben sie nicht zu protestiren, nicht zu widersprechen: hier heißt's „<hi rendition="#g">Ordre pariren!</hi>“</p> <p>Ein anderes militärisches Wahlmanöver ist der Kommandanturbefehl, welcher am 15. Januar den Offizieren bekannt gemacht wurde. Die Offiziere haben sich nämlich aus ihren städtischen Wohnungen zurückzuziehen und in den verschiedenen Kasernen ihr Lokal aufzuschlagen, natürlich nur für die Zeit der Wahlen, da in den respektiven Kasernen keine wohnlichen Räumlichkeiten für Offiziere vorhanden sind.</p> <p>Endlich haben die Wahllisten des Militärs nicht auf dem Stadthause ausgelegen, während gerade hier die Kontrolle des Publikums um so nothwendiger ist, als die Mehrzahl der Soldaten nicht das gesetzlich zur Urwählerschaft erforderliche Alter besitzt.</p> <p>Ueber diesen Gegenstand fand folgender Dialog zwischen einem Deputirten der Urwählerversammlung und dem Hrn. Oberbürgermeister <hi rendition="#g">Gräff</hi> Statt:</p> <p><hi rendition="#g">Gräff</hi>. Das Militär wählt in den Kasernen. Die Listen hat Oberst Engels festgesetzt. Der Oberst Engels verfährt mit der größten Gewissenhaftigkei, er hat selbst die Truppen ausgeschieden, welche in den letzten 6 Monaten ihre Garnison gewechselt, so daß 12-1500 Mann nicht mitwählen.</p> <p><hi rendition="#g">Der Deputirte</hi>. Aber, Hr. Oberbürgermeister, ich sehe nicht ein, wie das Sache des Oberst Engels sein kann. Die politischen Wahlen sind bürgerliche Handlungen und gehören die Vorbereitungen dazu vor die Civilobrigkeit.</p> <p><hi rendition="#g">Gräff</hi>. Es ist das allerdigs übersehen, ich werde es nachträglich rügen und dafür sorgen, daß die Wahllisten des Militärs auch offenliegen.</p> <p>Uebrigens ist es seiner Zeit Sache der Kammern, die Gesetzlichkeit der Wahlen zu prüfen.</p> <p>Das ist alles sehr schön. Weil die Kammern die Gesetzlichkeit der Wahlen nachträglich zu prüfen haben, bleiben die Herren Beamten nicht minder verantwortlich für die Ungesetzlichkeiten, die sie aus Connivenz oder Nachläßigkeit vorgehen lassen.</p> </div> <div xml:id="ar200_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>068</author></bibl> Aus dem Kreise Rheinbach, 15. Januar.</head> <p>Während in dem benachbarten Kreise Euskirchen die aristokratische Propaganda es bis zur Herausgabe eines eigenen Blattes brachte, hat die reaktionäre Armee in unserem Kreise, als einem wenig günstigen Terrain, bisher weder große noch kleine Manöver abgehalten. Die bevorstehende Wahlschlacht hat sie aus ihrem Versteck heraus genöthigt. Am 12. Januar ließ sie durch eigens ausgeschickte Missionäre eine sogenannte Volksversammlung in Rheinbach abhalten. Die gänzliche Erfolglosigkeit dieses Versuchs wird die zähen Schwärmer „mit Gott für König und Vaterland“ nur anfeuern, eine zweite Niederlage zu riskiren.</p> <p>Wie überall, verstecken auch hier die Herren ihr schwarzweißes Gesicht unter einer trikoloren Maske.</p> <p>Der Kreis Rheinbach schuldet speziell dem Eingeborenen des Kreises, Herrn Geh. Oberrevisionsrath <hi rendition="#g">Esser</hi> in Berlin, einen Beweis, daß er die Vertreter zu schützen weiß, welche die Volksrechte mit Gefahr ihrer Person vertreten. Es ist dies zugleich die treffendste Antwort auf das servile Sendschreiben des Herrn Sethe an Esser.</p> </div> <div xml:id="ar200_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>7</author></bibl> Hittorf, 17. Jan.</head> <p>In den Frühlingsstürmen des vergangenen Jahres verschwand der hiesige Bürgermeister. Leider nicht auf immer! Denn seit gestern ist derselbe durch den Herrn Landrath uns zurückgeführt worden. Eine Warnung vor Rebellion und anderen Sünden hat dabei nicht gefehlt. Wir fühlen uns Alle der „väterlichen“ Regierung in Düsseldorf tief verpflichtet.</p> </div> <div xml:id="ar200_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 17. Januar.</head> <p>Folgenden Stoßseufzer „aus der Provinz Sachsen“ preßt die brave „Kreuzritterin“ heute aus beklommner Brust hervor:</p> <p>„Hält es nun schon schwer, den Landmann für eine allgemeine Idee zu gewinnen, so hält es dann noch viel schwerer, sie ihm wieder zu nehmen, und so wird es der demokratischen Presse gelingen, der socialen Umwälzung immer mehr Terrain zu gewinnen, das dann noch lange vorhalten wird, selbst wenn die Revolution sich äußerlich ausgelebt haben sollte. Bei uns wenigstens sieht es auf dem Lande also aus; wir wollen wünschen, daß es anderswo noch einen festeren, und der Verwesung mehr Widerstand leistenden Kern im Bauernstande gebe!“</p> </div> <div xml:id="ar200_007" type="jArticle"> <head>Posen, 13. Januar.</head> <p>Die Generalversammlung der Liga Polska in Kurnik ist beendet, ohne daß die vielfachen Besorgnisse wegen Störung irgendwie in Erfüllung gegangen wären, und ein großer Theil der Deputirten ist hierher gekommen, um ihren Collegen aus Westpreußen (35 an der Zahl) morgen im Bazar ein Ehrenmahl zu geben. Die Verhandlungen haben sich auf die Feststellung der Statuten und die Wahl der Direktoren beschränkt. Zu letzteren sind erwählt worden: Der Exbischof von Przyluski zum Ehrenpräsidenten, Gustav von Potworowski zum Präsidenten und Graf Cieszkowki, Adalbert von Lipski, der Geistliche Janiszewski, Dr. Libelt und Jan Palacz zu Direktoren.</p> </div> <div xml:id="ar200_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Breslau, 16. Jan.</head> <p>Die Bourgeoisie ist hier in großen Nöthen. Die Cholera rafft täglich neue Opfer und in großer Anzahl dahin. Träfe dies Loos lediglich die Proletarier, so würde sie sich vor Freude nicht kennen. Würde man doch einiges von diesem verhaßten „Pack“ ohne weitere Kosten los und so ginge man ruhig schlafen. Aber die Cholera! Sie kann schließlich auch die Bourgeoisie bei der Kehle packen. Das immer mehr an ihr erkrankende und dahin geraffte Proletariat verpestet die Luft und wir können uns am Ende weder durch Kudraß'schen Cholera-Liqueur, noch weniger aber durch seine abdestillirten Poesien vor dem drohenden Würgengel schützen. Es wird den Bourgeois immer unheimlicher, ängstlicher. Leichenzug über Leichenzug hören und sehen sie an ihren Thüren vorbei passiren und die Todtengräber reichen kaum hin, um zur Einscharrung der „Nasenquetschen“ (wie hier die Särge der Proletarier heißen) Löcher genug fertig zu bringen. Unter solchen Umständen wird die Bourgeoisie aus zärtlicher Sorge für sich selbst auf einige Zeit wieder besorgt für die Armen, wird wohlthätig und giebt einige Thaler mehr an Almosen als sonst.</p> <p>Um die Kasematten, eine Art englischen Arbeitshauses, hatte man sich lange nicht bekümmert. Die Armendirektion hat natürlich andere Geschäfte, als für die Armen zu sorgen.</p> <p>In jenen „Kasematten“, eine Zufluchtsstätte für zeitweilig Obdachlose, brach die Cholera aus.</p> <p>Welches Feld sich ihr in diesen Räumen bot, kann eigentlich nur der Augenzeuge begreifen. Ich habe dieses Gebäude besucht und werde den Anblick nie vergessen.</p> <p>In den langgewölbten Zimmern, von deren Wänden das Wasser herunterläuft, in der Mitte ein nichtheizender Ofen und in jedem dieser Räume 20-25 Personen. Die noch Gesunden (so weit hier diese Benennung überhaupt zuläßig) mitten unter kranken und todten Kindern in den Winkeln zusammengekauert; Leichen, die nicht begraben wurden, eine Nahrung, die das Vieh verschmähen würde, für die Meisten gar keine vorhanden.</p> <p>In den Zimmern, die ich durchwanderte, überall derselbe Anblick: Männer und Frauen, Kinder und Greise nackt oder mit wenigen Lumpen bedeckt, durcheinander vom Frost erstarrt, auf faulem Stroh, eine Todesatmosphäre durch's ganze Gebäude.</p> <p>Jetzt erst, nachdem bereits hier in diesem Fokus der scheußlichsten Miasmen, die Cholera ausgebrochen: erinnerte sich unsere Bourgeoisie, daß es hier „Kasematten“ gibt.</p> <p>Man sonderte endlich die sogenannten Gesunden von den Kranken, schaffte die letzteren in die Hospitäler, die Leichen ins Loch, sammelte Geld und kaufte Decken, Schuhe etc.</p> <p>Da wir in einem Polizeistaat leben, und die preuß. Regierung sich immer damit brüstet, daß sie für die ungeheuren Summen, mit denen sie aus unsern Taschen jährlich ihre Beamtenmaschinerie einschmiert, auch ganz prächtig für die „Wohlfahrt“ der geliebten Unterthanen sorge: so frägt sich's, was thut die Behörde?</p> <p>Am 28. Dezember brach die Cholera in den „Kasematen“ aus, am 4. Jan. fingen einige hiesige Bewohner ihre milden Sammlungen an und am 6. Jan. fuhr der Hr. Brandenburg-Manteuffel'sche Polizeipräsident bei den „Kasematten“ vor, um zu sehen, ob dort Etwas zu thun sei.</p> <p>Und die Väter der Stadt? Ei, stört sie doch nicht in Abfassung royalistischer Dankadressen, in ihren Bestrebungen „für Gesetz und Ordnung“, in ihrem Freudentaumel über die gottbegnadete Verfassung, in ihren Weihnachtsfreuden und ihren sonstigen dringlichen Angelegenheiten!</p> <p>Wie die Armenpflege hier beschaffen ist, davon findet man ein hübsches Pröbchen im hiesigen eigentlichen „Armenhause“, das unter spezieller Obhut des sehr löblichen Stadtraths steht.</p> <p>Bis noch vor wenigen Tagen wurde in dieser stadtväterlichen Anstalt selbst bei der strengsten Kälte nur ein Mal des Tages geheizt. Der beständige Arzt der Anstalt hat zu viel mit Privatpraxis zu thun, wie sollte er sich um die Insassen des Armenhauses kümmern? Kümmert sich doch auch Niemand um sein Nichtkümmern!</p> <p>Binnen 2 Tagen erkrankten hier unter 260 Insassen 42 Personen an der Cholera. Der Inspektor und der Buchhalter wurden dahin gerafft; aber man dachte nicht daran, daß die schlechte Kost, die verpestete Luft, der Lebensüberdruß der hierhin durch Armuth genöthigten Leute die Krankheit bis zu einer so erschrecklichen Höhe ausbilden würden.</p> <p>Endlich aber wurde der Bourgeoisie natürlich auch hier Angst, und so errichtete man im Armenhause selbst — weil die Spitäler überfüllt seien — 2 Krankensäle, niedrige und doch kaum erheizbare Zimmer. Dann sollten in der nächsten Sitzung der Stadtverordneten die weitern Einrichtungen beschlossen werden. Der Tag der Sitzung kam, aber nicht — die Stadtverordneten; sie waren nicht beschlußfähig und gingen wieder zu einem Glase „Bairisch“ etc.</p> <p>Man sieht aus diesem Wenigen, daß sich die hiesige Bourgeoisie in Betreff der Armenanstalten ganz getrost der englischen an die Seite stellen kann. In ihren „Kasematten“ und in ihrem „Armenhause“ hat sie ihr Muster von einem „Breslauer Workhause“ und einer Anstalt für Armenkinder, wie die neulich erwähnte von Tooting (bei London) den Andern zur Nachahmung aufzustellen gewußt!</p> </div> <div xml:id="ar200_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 14. Jan.</head> <p>In <hi rendition="#g">Kremsier</hi> sieht's fortwährend sehr trübe aus. Das Ministerium ist dem Reichstag nicht gewogen und der Reichstag hat keinen Grund zu einer großen Hinneigung zum Ministerium. Die „Grundrechte“ werden keinenfalls die kaiserliche Genehmigung erhalten. Wie sehr sie auch der Reichstag umändern mag: sie werden der contrerevolutionären Partei immer noch zu freisinnig erscheinen.</p> <p>Die Stimmung hier in der Hauptstadt wird, wie sich wohl denken läßt, nicht besser, sondern durch die fortwährenden Brutalitäten, Niederträchtigkeiten, Verhaftungen etc. täglich erbitterter.</p> <p>In der Brauhausschenke, genannt zur Bierlacke, in Gaudenzdorf, war es schon zweimal nahe daran, daß zwischen Militär und Civil ein ernster Konflikt ausgebrochen wäre, da das Militär die Volkshymne verlangte und deren Aufspielung auch durchsetzte, unbesonnene Civillisten aber dagegen das Fuchslied und das deutsche Vaterland sangen. Nur das besonnene Auftreten des Wirthes verhinderte einen Exceß.</p> <p>In der verflossenen Nacht wurden in einer hiesigen Vorstadt allein 11 Gastwirthe nebst ihren Gästen von Militär-Patrouillen arretirt, da selbe noch nach 11 Uhr in den betreffenden Gasthäusern betreten wurden. — Noch immer finden sich verborgene Waffen vor. So wurde in einem Hause der Stadt vorgestern eine Muskete in einem Kellerloche versteckt gefunden. Sämmtlichen Nürnberger Waarenhändlern ist der Verkauf von Degen- oder Stiletstöcken aufs strengste untersagt worden.</p> <p>Nachrichten aus <hi rendition="#g">Jassy</hi> wiederholen, daß 10,000 Russen in die Moldau eingerückt sind.</p> </div> <div xml:id="ar200_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>24</author></bibl> Aus Kurhessen.</head> <p>Ein Fürst mit wenig Verstand, aller höheren Empfindungen und selbst des Ehrgeizes leer, nur in dem Gedanken der Anhäufung von Schätzen für seine nicht thronberechtigten Kinder schwelgend, voll kindischen Eigensinns, der sich meist in militärischen Spielereien Luft macht, kurz, ein Fürst wie alle Zwetschenfürsten, halb Filz, halb Corporal; ein Ministerium ohne Capacität, ohne Prinzip und sogar ohne Interesse, aber dabei doch jedem fremden Interesse dienend, sobald es mit der gehörigen Barschheit auftritt, ohne Muth und Entschlossenheit weder im guten noch im bösen Sinne, kurz ein gemüthliches Jüstemilieu-Ministerium; eine landständische Versammlung aus antediluvianischer Zeit mit Adel, Bürgern und Bauern, unter denen die Bureaukraten als Wölfe in Schafspelz herumwandeln, um immer die Einen auf die Andern zu hetzen, kurz eine Mischmasch-Versammlung aus Junkern, Oekonomen, Bierbrauern und beliebigen andern Käutzen, die Alles in der Welt, nur nicht das Volk vertreten; eine Bureaukratie die klettenartig zusammenhängt, sich verzweiflungsvoll an ihre Stellen klammert und vor dem Anker der <hi rendition="#g">Gehalte</hi> liegend die Veränderungen im Staatsleben gleichgültig mit ansieht, indem sie wohl weiß, daß es nicht bloß auf die Form, sondern auch auf die Personen ankommt — das sind die regierenden, die gesetzgebenden und verwaltenden Behörden des Landes, das man Kurhessen nennt, des gelobten Landes der Scheffer, Wongemann, Jordan etc.</p> <p>Ich komme nun zu Spezialitäten, wobei Sie mir in Betracht ihrer Langweiligkeit und stellenweisen Ekelhaftigkeit gern gestatten werden, kurz zu sein. Zunächst also von den Landtagsverhandlungen. Dieser Landtag hat die Aufgabe der Selbstvernichtung — er soll ein neues Wahlgesetz schaffen. Aber der Gedanke an diesen Selbstmord ist unsern guten, pausbackigen, hausbackenen Philisterseelen (auf dem Landtag hauptsächlich durch die städtischen Deputirten vertreten) ein solcher Gräuel, daß sie im Einverständniß mit dem Ministerium, welches ihre Gefühle theilt, beschlossen haben, sich auf jeden Fall nur scheintodt machen zu lassen, um später wieder aufleben und unter der Herrschaft des neuen Wahlgesetzes wie unter dem alten das theure kurhessische Vaterland beglücken zu können. Also eine Formveränderung; de facto soll es beim Alten bleiben mit der einzigen Modifikation, daß man an die Stelle des Adels die höchstbesteuerten also die potenzirtesten Spießbürger setzen will. Dies Gebräu, welches sich die Herren Spießbürger von den Ministern hatten kochen lassen, wurde aber von der demokratischen Partei des Landtags und dem Adel, der nicht so dumm ist, daß er dümmern Leute als er seine Plätze gutwillig einräumte, für zu schwach befunden und verworfen. Nun sind sie am Brüten, was sie <hi rendition="#g">nun</hi> anfangen wollen. Sie sitzen wie die Gans auf dem Nest. Sie erwarten, daß sich der Volkswille gegen die Demokraten ausspreche, welche es über sich haben gewinnen können, mit dem Adel zu stimmen und den guten Mann Eberhard durch Verwerfung seiner Proposition so schwer zu kränken, und damit sie in ihren Erwartungen nicht getäuscht werden, schicken sie viel Papier im Lande umher, welches dann mit kärglichen Unterschriften „bedeckt“ als Adressenhagel wieder bei ihnen eintrifft. Dann aber werden wir das erschreckliche Schauspiel eines entschlossenen Vorschreitens kurhessischer Landtagsschildbürger erleben. Gott sei uns gnädig! Wenn Sie vielleicht neulich irgendwo gelesen haben, der kurhessische Landtag habe sich für den König von Preußen als deutscher Kaiser erklärt, so können Sie diesen haarsträubenden Beweis von politischer Entschiedenheit als Vorübung zu Dem betrachten, was noch kommen wird. Schon spricht man von der baldigen Lösung der orientalischen Frage, in der die Ansicht unserer Abgeordneten nicht weniger radikal und ihre Stimme nicht weniger kompetent und entscheidend sein dürfte.</p> <p>Damit Sie auch vom kurhessischen Rechtsgang eine Vorstellung erhalten, brauche ich Ihnen nur zu sagen, daß die Hochverraths-Untersuchungen (eine gegen Bayrhoffer wegen einer ganz unschuldigen Rede) wieder in Gang kommen. Der Staatsanwalt wüthet gegen die Presse, und besonders gegen die „Hornisse“, ein von H. Heise mit vielem Geschick redigirtes Blatt. Doch kam das erste Schwurgericht, welches am 11. Januar deßhalb zusammenberufen war, nicht zu Stande. Der Unwille des Volkes über die durch das enge Lokal beschränkte Oeffentlichkeit machte sich so laut geltend, daß man die Sitzung verschieben mußte.</p> </div> <div xml:id="ar200_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Schleswig, 13. Januar.</head> <p>Bekanntlich stellte in der Reichsversammlung zu Kopenhagen der fanatische Pastor Grundtoig einen Antrag auf sofortige Erhebung der Waffen behufs Unterwerfung Schleswig's. Er wurde, wie schon gemeldet, abgelehnt. Die dänische Nationalversammlung war klug genug, dem diesjährigen Winter nicht ganz zu trauen. Ihre Vorsicht hat sich gerechtfertigt, denn jetzt ist die Insel Alsen durch das Eis landfest geworden, könnte also von der schleswig-holstein'schen Armee täglich betreten werden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Polen.</head> <div xml:id="ar200_012" type="jArticle"> <head>Lemberg, 9. Januar.</head> <p>General Bem soll nun wirklich in drei Kolonnen bei Skolo, Turka und in der Bukowina aus Ungarn und Siebenbürgen nach Galizien eindringen. Der k. k. Generalmajor Barko wurde zur Organisirung des Landsturmes in die bedrohten Gegenden abgeschickt und 2 Bataillone Infanterie mit Geschütz sind heute von hier an die ungarische Grenze aufgebrochen.</p> <bibl>(Olm. Bl.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn.</head> <div xml:id="ar200_013" type="jArticle"> <p>Die „Allg. Od. Zeitung“ enthält folgende Mittheilungen über die Beweggründe des Rückzuges der ungarischen Armee und die Verhältnisse in Ungarn überhaupt:</p> <p>„Als Ungarn durch die Anmuthungen der österreichischen Dynastie gezwungen wurde, zur Wahrung seiner Rechte die Waffen zu ergreifen, besaß es außer den wenigen regulären Regimentern, besonders den Husaren, nur wenige Truppen, auf welche es, selbst nur theilweise rechnen konnte. — Da </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1088/0002]
daß wir die erbärmlichsten Tölpel wären, ließen wir uns in einer solchen Wolfsgrube fangen.
Aber es kommt noch besser.
Ihr wißt, daß der Geldbeutel der Unterthanen dasjenige Ding ist, aus und von dessen Gnaden der König lebt und seine Kammerherren und Lakaien, seine Minister und Marschälle, seine Beamten und Soldaten besoldet, seine Geldgeschenke und Gnadenbezeugungen austheilt u. s. w.
Eben weil wir bisher das preußische Königthum mit unsern Geldern so unverantwortlich haben schalten und walten lassen: deßhalb hatten wir keine Kraft, wir hatten uns ihrer entäußert und wurden verspottet von denen, die unsere Kraft aussaugten und boten das Schauspiel des von der Delila geschwächten Simson.
Ihr könnt Euch wohl denken, daß der preuß. König bei seinem Geschenk sein Bedacht darauf genommen.
Seine Verfassung setzt fest, daß die Steuern so wie bisher fort erhoben werden, so lange die beiden Kammern nicht etwas Anderes bestimmen und — der König es genehmigt hat.
Nun wird schon die erste Kammer sich hüten, für Steuerverminderung zu stimmen. Denn aus den Steuern des Volks ziehen ja gerade die bevorrechteten Stände, die in der ersten Kammer vertreten sind, den besten Theil. Eine gerechtere Steuervertheilung werden sie eben so wenig zugeben, da alsdann die gnädigen Gutsherren und die Reichen überhaupt mehr blechen müßten, als bisher.
Aber dafür ist in einem eigenen Artikel der sogenannten Verfassung gesorgt, daß der König mit seinen Ministern neue Steuern ausschreiben oder alte erhöhen kann, je nach Belieben.
Indeß nicht nur die ganze Steuerangelegenheit hat der preußische König in seiner Verfassung seinem Belieben und seiner Laune vorbehalten, sondern auch das Recht, jeden Artikel der Verfassung und die ganze Verfassung insgesammt für die Zeit, wo die Kammern nicht versammelt sind, außer Kraft zu setzen.
Nun, das ist nur ein kleines Pröbchen von den Schlichen, Kniffen und Fallstricken der neuen Musterverfassung.
Die rheinischen Bauern sind indeß keine Nessiner oder pommersche Taglöhner. Vor allen Dingen mögen sie beherzigen, daß wir zum zweiten Mal wählen, wenn gleich jetzt unter tausenderlei von der Regierung bereiteten Hindernissen.
Das erste Mal — im Mai vorigen Jahres wählten wir Leute, denen wir zutrauten, sie würden unsere Rechte und Forderungen würdig zu vertreten und durchzusetzen wissen.
Wir hatten uns insofern getäuscht, als unsere Vertreter, sei's Feigheit, sei's Dummheit, sei's beides zusammen, die beste Zeit verstreichen ließen, in welcher sie mit Energie und Einsicht die zeitweilig erschrockenen Volksfeinde für immer unschädlich machen und ihnen die Stützen im Militär und Civil wegziehen konnten, an denen sie sich später wieder aufrichteten und nun ihrerseits eine Revolution im entgegengesetzten Sinne zu Stande brachten.
Als es zu spät war, da kam unsern Vertretern erst das nöthige Licht. Da war's eben zu spät und so wurde mit ihnen geendigt, wie sie hätte beginnen sollen.
Drum müssen wir dies Mal von vorn herein ganz entschiedene Männer zu Wahlmännern nehmen und diesen auftragen, nur völlig energische und dem Volk ergebene Deputirte nach Berlin zu senden.
* Köln, 19. Jan. In den Kasernen genügt es nicht, die Wahlen dadurch zu destilliren, daß, wie beim Civil, Wahlmänner, und von diesen die Deputirten ernannt werden. Dieses Verfahren ist den Herren Offizieren viel zu einfach und noch zu unsicher.
Drum ist gestern den Soldaten befohlen worden, in jeder Kompagnie erst
3 Vertrauensmänner
herauszudestilliren. Diese wählen dann — die Wahlmänner! Auf diesem Wege der Destillation müßte es wunderlich zugehen, wenn nicht der gewählte Hr. Lieutenant, Hr. Hauptmann u. s. w. als abdestillirter Wahlmann in Köln zum Vorschein käme.
Gestern sollte in der Dominikaner-Kaserne (Artillerie) diese Operation vorgenommen werden. Die Soldaten protestirten unter Berufung auf das für alle Wähler, Civil wie Militär, gültige Wahlgesetz. Die Debatte wurde lebhaft, allein die Vertrauensmänner-Wahl kam nicht zu Stande! Große „schwarz-weiße“ Wuth!
Es soll nun die „Altenberger Kaserne“ (Pommern etc. enthaltend), obgleich sie der Lage nach gar nicht zum Bezirk der Dominikaner-Kaserne gehört, mit letzterer behufs dieser Wahlen verbunden werden — natürlich aus sehr triftigen Gründen.
Und da nun gestern die „drei gewählten Vertrauensmänner“ wegen Widerstandes unerzeugt geblieben: so sollen sie heute Vormittag 11 Uhr beim Appel erschaffen werden.
Hier sind die Urwähler im Dienste, hier haben sie nicht zu protestiren, nicht zu widersprechen: hier heißt's „Ordre pariren!“
Ein anderes militärisches Wahlmanöver ist der Kommandanturbefehl, welcher am 15. Januar den Offizieren bekannt gemacht wurde. Die Offiziere haben sich nämlich aus ihren städtischen Wohnungen zurückzuziehen und in den verschiedenen Kasernen ihr Lokal aufzuschlagen, natürlich nur für die Zeit der Wahlen, da in den respektiven Kasernen keine wohnlichen Räumlichkeiten für Offiziere vorhanden sind.
Endlich haben die Wahllisten des Militärs nicht auf dem Stadthause ausgelegen, während gerade hier die Kontrolle des Publikums um so nothwendiger ist, als die Mehrzahl der Soldaten nicht das gesetzlich zur Urwählerschaft erforderliche Alter besitzt.
Ueber diesen Gegenstand fand folgender Dialog zwischen einem Deputirten der Urwählerversammlung und dem Hrn. Oberbürgermeister Gräff Statt:
Gräff. Das Militär wählt in den Kasernen. Die Listen hat Oberst Engels festgesetzt. Der Oberst Engels verfährt mit der größten Gewissenhaftigkei, er hat selbst die Truppen ausgeschieden, welche in den letzten 6 Monaten ihre Garnison gewechselt, so daß 12-1500 Mann nicht mitwählen.
Der Deputirte. Aber, Hr. Oberbürgermeister, ich sehe nicht ein, wie das Sache des Oberst Engels sein kann. Die politischen Wahlen sind bürgerliche Handlungen und gehören die Vorbereitungen dazu vor die Civilobrigkeit.
Gräff. Es ist das allerdigs übersehen, ich werde es nachträglich rügen und dafür sorgen, daß die Wahllisten des Militärs auch offenliegen.
Uebrigens ist es seiner Zeit Sache der Kammern, die Gesetzlichkeit der Wahlen zu prüfen.
Das ist alles sehr schön. Weil die Kammern die Gesetzlichkeit der Wahlen nachträglich zu prüfen haben, bleiben die Herren Beamten nicht minder verantwortlich für die Ungesetzlichkeiten, die sie aus Connivenz oder Nachläßigkeit vorgehen lassen.
068 Aus dem Kreise Rheinbach, 15. Januar. Während in dem benachbarten Kreise Euskirchen die aristokratische Propaganda es bis zur Herausgabe eines eigenen Blattes brachte, hat die reaktionäre Armee in unserem Kreise, als einem wenig günstigen Terrain, bisher weder große noch kleine Manöver abgehalten. Die bevorstehende Wahlschlacht hat sie aus ihrem Versteck heraus genöthigt. Am 12. Januar ließ sie durch eigens ausgeschickte Missionäre eine sogenannte Volksversammlung in Rheinbach abhalten. Die gänzliche Erfolglosigkeit dieses Versuchs wird die zähen Schwärmer „mit Gott für König und Vaterland“ nur anfeuern, eine zweite Niederlage zu riskiren.
Wie überall, verstecken auch hier die Herren ihr schwarzweißes Gesicht unter einer trikoloren Maske.
Der Kreis Rheinbach schuldet speziell dem Eingeborenen des Kreises, Herrn Geh. Oberrevisionsrath Esser in Berlin, einen Beweis, daß er die Vertreter zu schützen weiß, welche die Volksrechte mit Gefahr ihrer Person vertreten. Es ist dies zugleich die treffendste Antwort auf das servile Sendschreiben des Herrn Sethe an Esser.
7 Hittorf, 17. Jan. In den Frühlingsstürmen des vergangenen Jahres verschwand der hiesige Bürgermeister. Leider nicht auf immer! Denn seit gestern ist derselbe durch den Herrn Landrath uns zurückgeführt worden. Eine Warnung vor Rebellion und anderen Sünden hat dabei nicht gefehlt. Wir fühlen uns Alle der „väterlichen“ Regierung in Düsseldorf tief verpflichtet.
* Berlin, 17. Januar. Folgenden Stoßseufzer „aus der Provinz Sachsen“ preßt die brave „Kreuzritterin“ heute aus beklommner Brust hervor:
„Hält es nun schon schwer, den Landmann für eine allgemeine Idee zu gewinnen, so hält es dann noch viel schwerer, sie ihm wieder zu nehmen, und so wird es der demokratischen Presse gelingen, der socialen Umwälzung immer mehr Terrain zu gewinnen, das dann noch lange vorhalten wird, selbst wenn die Revolution sich äußerlich ausgelebt haben sollte. Bei uns wenigstens sieht es auf dem Lande also aus; wir wollen wünschen, daß es anderswo noch einen festeren, und der Verwesung mehr Widerstand leistenden Kern im Bauernstande gebe!“
Posen, 13. Januar. Die Generalversammlung der Liga Polska in Kurnik ist beendet, ohne daß die vielfachen Besorgnisse wegen Störung irgendwie in Erfüllung gegangen wären, und ein großer Theil der Deputirten ist hierher gekommen, um ihren Collegen aus Westpreußen (35 an der Zahl) morgen im Bazar ein Ehrenmahl zu geben. Die Verhandlungen haben sich auf die Feststellung der Statuten und die Wahl der Direktoren beschränkt. Zu letzteren sind erwählt worden: Der Exbischof von Przyluski zum Ehrenpräsidenten, Gustav von Potworowski zum Präsidenten und Graf Cieszkowki, Adalbert von Lipski, der Geistliche Janiszewski, Dr. Libelt und Jan Palacz zu Direktoren.
103 Breslau, 16. Jan. Die Bourgeoisie ist hier in großen Nöthen. Die Cholera rafft täglich neue Opfer und in großer Anzahl dahin. Träfe dies Loos lediglich die Proletarier, so würde sie sich vor Freude nicht kennen. Würde man doch einiges von diesem verhaßten „Pack“ ohne weitere Kosten los und so ginge man ruhig schlafen. Aber die Cholera! Sie kann schließlich auch die Bourgeoisie bei der Kehle packen. Das immer mehr an ihr erkrankende und dahin geraffte Proletariat verpestet die Luft und wir können uns am Ende weder durch Kudraß'schen Cholera-Liqueur, noch weniger aber durch seine abdestillirten Poesien vor dem drohenden Würgengel schützen. Es wird den Bourgeois immer unheimlicher, ängstlicher. Leichenzug über Leichenzug hören und sehen sie an ihren Thüren vorbei passiren und die Todtengräber reichen kaum hin, um zur Einscharrung der „Nasenquetschen“ (wie hier die Särge der Proletarier heißen) Löcher genug fertig zu bringen. Unter solchen Umständen wird die Bourgeoisie aus zärtlicher Sorge für sich selbst auf einige Zeit wieder besorgt für die Armen, wird wohlthätig und giebt einige Thaler mehr an Almosen als sonst.
Um die Kasematten, eine Art englischen Arbeitshauses, hatte man sich lange nicht bekümmert. Die Armendirektion hat natürlich andere Geschäfte, als für die Armen zu sorgen.
In jenen „Kasematten“, eine Zufluchtsstätte für zeitweilig Obdachlose, brach die Cholera aus.
Welches Feld sich ihr in diesen Räumen bot, kann eigentlich nur der Augenzeuge begreifen. Ich habe dieses Gebäude besucht und werde den Anblick nie vergessen.
In den langgewölbten Zimmern, von deren Wänden das Wasser herunterläuft, in der Mitte ein nichtheizender Ofen und in jedem dieser Räume 20-25 Personen. Die noch Gesunden (so weit hier diese Benennung überhaupt zuläßig) mitten unter kranken und todten Kindern in den Winkeln zusammengekauert; Leichen, die nicht begraben wurden, eine Nahrung, die das Vieh verschmähen würde, für die Meisten gar keine vorhanden.
In den Zimmern, die ich durchwanderte, überall derselbe Anblick: Männer und Frauen, Kinder und Greise nackt oder mit wenigen Lumpen bedeckt, durcheinander vom Frost erstarrt, auf faulem Stroh, eine Todesatmosphäre durch's ganze Gebäude.
Jetzt erst, nachdem bereits hier in diesem Fokus der scheußlichsten Miasmen, die Cholera ausgebrochen: erinnerte sich unsere Bourgeoisie, daß es hier „Kasematten“ gibt.
Man sonderte endlich die sogenannten Gesunden von den Kranken, schaffte die letzteren in die Hospitäler, die Leichen ins Loch, sammelte Geld und kaufte Decken, Schuhe etc.
Da wir in einem Polizeistaat leben, und die preuß. Regierung sich immer damit brüstet, daß sie für die ungeheuren Summen, mit denen sie aus unsern Taschen jährlich ihre Beamtenmaschinerie einschmiert, auch ganz prächtig für die „Wohlfahrt“ der geliebten Unterthanen sorge: so frägt sich's, was thut die Behörde?
Am 28. Dezember brach die Cholera in den „Kasematen“ aus, am 4. Jan. fingen einige hiesige Bewohner ihre milden Sammlungen an und am 6. Jan. fuhr der Hr. Brandenburg-Manteuffel'sche Polizeipräsident bei den „Kasematten“ vor, um zu sehen, ob dort Etwas zu thun sei.
Und die Väter der Stadt? Ei, stört sie doch nicht in Abfassung royalistischer Dankadressen, in ihren Bestrebungen „für Gesetz und Ordnung“, in ihrem Freudentaumel über die gottbegnadete Verfassung, in ihren Weihnachtsfreuden und ihren sonstigen dringlichen Angelegenheiten!
Wie die Armenpflege hier beschaffen ist, davon findet man ein hübsches Pröbchen im hiesigen eigentlichen „Armenhause“, das unter spezieller Obhut des sehr löblichen Stadtraths steht.
Bis noch vor wenigen Tagen wurde in dieser stadtväterlichen Anstalt selbst bei der strengsten Kälte nur ein Mal des Tages geheizt. Der beständige Arzt der Anstalt hat zu viel mit Privatpraxis zu thun, wie sollte er sich um die Insassen des Armenhauses kümmern? Kümmert sich doch auch Niemand um sein Nichtkümmern!
Binnen 2 Tagen erkrankten hier unter 260 Insassen 42 Personen an der Cholera. Der Inspektor und der Buchhalter wurden dahin gerafft; aber man dachte nicht daran, daß die schlechte Kost, die verpestete Luft, der Lebensüberdruß der hierhin durch Armuth genöthigten Leute die Krankheit bis zu einer so erschrecklichen Höhe ausbilden würden.
Endlich aber wurde der Bourgeoisie natürlich auch hier Angst, und so errichtete man im Armenhause selbst — weil die Spitäler überfüllt seien — 2 Krankensäle, niedrige und doch kaum erheizbare Zimmer. Dann sollten in der nächsten Sitzung der Stadtverordneten die weitern Einrichtungen beschlossen werden. Der Tag der Sitzung kam, aber nicht — die Stadtverordneten; sie waren nicht beschlußfähig und gingen wieder zu einem Glase „Bairisch“ etc.
Man sieht aus diesem Wenigen, daß sich die hiesige Bourgeoisie in Betreff der Armenanstalten ganz getrost der englischen an die Seite stellen kann. In ihren „Kasematten“ und in ihrem „Armenhause“ hat sie ihr Muster von einem „Breslauer Workhause“ und einer Anstalt für Armenkinder, wie die neulich erwähnte von Tooting (bei London) den Andern zur Nachahmung aufzustellen gewußt!
* Wien, 14. Jan. In Kremsier sieht's fortwährend sehr trübe aus. Das Ministerium ist dem Reichstag nicht gewogen und der Reichstag hat keinen Grund zu einer großen Hinneigung zum Ministerium. Die „Grundrechte“ werden keinenfalls die kaiserliche Genehmigung erhalten. Wie sehr sie auch der Reichstag umändern mag: sie werden der contrerevolutionären Partei immer noch zu freisinnig erscheinen.
Die Stimmung hier in der Hauptstadt wird, wie sich wohl denken läßt, nicht besser, sondern durch die fortwährenden Brutalitäten, Niederträchtigkeiten, Verhaftungen etc. täglich erbitterter.
In der Brauhausschenke, genannt zur Bierlacke, in Gaudenzdorf, war es schon zweimal nahe daran, daß zwischen Militär und Civil ein ernster Konflikt ausgebrochen wäre, da das Militär die Volkshymne verlangte und deren Aufspielung auch durchsetzte, unbesonnene Civillisten aber dagegen das Fuchslied und das deutsche Vaterland sangen. Nur das besonnene Auftreten des Wirthes verhinderte einen Exceß.
In der verflossenen Nacht wurden in einer hiesigen Vorstadt allein 11 Gastwirthe nebst ihren Gästen von Militär-Patrouillen arretirt, da selbe noch nach 11 Uhr in den betreffenden Gasthäusern betreten wurden. — Noch immer finden sich verborgene Waffen vor. So wurde in einem Hause der Stadt vorgestern eine Muskete in einem Kellerloche versteckt gefunden. Sämmtlichen Nürnberger Waarenhändlern ist der Verkauf von Degen- oder Stiletstöcken aufs strengste untersagt worden.
Nachrichten aus Jassy wiederholen, daß 10,000 Russen in die Moldau eingerückt sind.
24 Aus Kurhessen. Ein Fürst mit wenig Verstand, aller höheren Empfindungen und selbst des Ehrgeizes leer, nur in dem Gedanken der Anhäufung von Schätzen für seine nicht thronberechtigten Kinder schwelgend, voll kindischen Eigensinns, der sich meist in militärischen Spielereien Luft macht, kurz, ein Fürst wie alle Zwetschenfürsten, halb Filz, halb Corporal; ein Ministerium ohne Capacität, ohne Prinzip und sogar ohne Interesse, aber dabei doch jedem fremden Interesse dienend, sobald es mit der gehörigen Barschheit auftritt, ohne Muth und Entschlossenheit weder im guten noch im bösen Sinne, kurz ein gemüthliches Jüstemilieu-Ministerium; eine landständische Versammlung aus antediluvianischer Zeit mit Adel, Bürgern und Bauern, unter denen die Bureaukraten als Wölfe in Schafspelz herumwandeln, um immer die Einen auf die Andern zu hetzen, kurz eine Mischmasch-Versammlung aus Junkern, Oekonomen, Bierbrauern und beliebigen andern Käutzen, die Alles in der Welt, nur nicht das Volk vertreten; eine Bureaukratie die klettenartig zusammenhängt, sich verzweiflungsvoll an ihre Stellen klammert und vor dem Anker der Gehalte liegend die Veränderungen im Staatsleben gleichgültig mit ansieht, indem sie wohl weiß, daß es nicht bloß auf die Form, sondern auch auf die Personen ankommt — das sind die regierenden, die gesetzgebenden und verwaltenden Behörden des Landes, das man Kurhessen nennt, des gelobten Landes der Scheffer, Wongemann, Jordan etc.
Ich komme nun zu Spezialitäten, wobei Sie mir in Betracht ihrer Langweiligkeit und stellenweisen Ekelhaftigkeit gern gestatten werden, kurz zu sein. Zunächst also von den Landtagsverhandlungen. Dieser Landtag hat die Aufgabe der Selbstvernichtung — er soll ein neues Wahlgesetz schaffen. Aber der Gedanke an diesen Selbstmord ist unsern guten, pausbackigen, hausbackenen Philisterseelen (auf dem Landtag hauptsächlich durch die städtischen Deputirten vertreten) ein solcher Gräuel, daß sie im Einverständniß mit dem Ministerium, welches ihre Gefühle theilt, beschlossen haben, sich auf jeden Fall nur scheintodt machen zu lassen, um später wieder aufleben und unter der Herrschaft des neuen Wahlgesetzes wie unter dem alten das theure kurhessische Vaterland beglücken zu können. Also eine Formveränderung; de facto soll es beim Alten bleiben mit der einzigen Modifikation, daß man an die Stelle des Adels die höchstbesteuerten also die potenzirtesten Spießbürger setzen will. Dies Gebräu, welches sich die Herren Spießbürger von den Ministern hatten kochen lassen, wurde aber von der demokratischen Partei des Landtags und dem Adel, der nicht so dumm ist, daß er dümmern Leute als er seine Plätze gutwillig einräumte, für zu schwach befunden und verworfen. Nun sind sie am Brüten, was sie nun anfangen wollen. Sie sitzen wie die Gans auf dem Nest. Sie erwarten, daß sich der Volkswille gegen die Demokraten ausspreche, welche es über sich haben gewinnen können, mit dem Adel zu stimmen und den guten Mann Eberhard durch Verwerfung seiner Proposition so schwer zu kränken, und damit sie in ihren Erwartungen nicht getäuscht werden, schicken sie viel Papier im Lande umher, welches dann mit kärglichen Unterschriften „bedeckt“ als Adressenhagel wieder bei ihnen eintrifft. Dann aber werden wir das erschreckliche Schauspiel eines entschlossenen Vorschreitens kurhessischer Landtagsschildbürger erleben. Gott sei uns gnädig! Wenn Sie vielleicht neulich irgendwo gelesen haben, der kurhessische Landtag habe sich für den König von Preußen als deutscher Kaiser erklärt, so können Sie diesen haarsträubenden Beweis von politischer Entschiedenheit als Vorübung zu Dem betrachten, was noch kommen wird. Schon spricht man von der baldigen Lösung der orientalischen Frage, in der die Ansicht unserer Abgeordneten nicht weniger radikal und ihre Stimme nicht weniger kompetent und entscheidend sein dürfte.
Damit Sie auch vom kurhessischen Rechtsgang eine Vorstellung erhalten, brauche ich Ihnen nur zu sagen, daß die Hochverraths-Untersuchungen (eine gegen Bayrhoffer wegen einer ganz unschuldigen Rede) wieder in Gang kommen. Der Staatsanwalt wüthet gegen die Presse, und besonders gegen die „Hornisse“, ein von H. Heise mit vielem Geschick redigirtes Blatt. Doch kam das erste Schwurgericht, welches am 11. Januar deßhalb zusammenberufen war, nicht zu Stande. Der Unwille des Volkes über die durch das enge Lokal beschränkte Oeffentlichkeit machte sich so laut geltend, daß man die Sitzung verschieben mußte.
* Schleswig, 13. Januar. Bekanntlich stellte in der Reichsversammlung zu Kopenhagen der fanatische Pastor Grundtoig einen Antrag auf sofortige Erhebung der Waffen behufs Unterwerfung Schleswig's. Er wurde, wie schon gemeldet, abgelehnt. Die dänische Nationalversammlung war klug genug, dem diesjährigen Winter nicht ganz zu trauen. Ihre Vorsicht hat sich gerechtfertigt, denn jetzt ist die Insel Alsen durch das Eis landfest geworden, könnte also von der schleswig-holstein'schen Armee täglich betreten werden.
Polen. Lemberg, 9. Januar. General Bem soll nun wirklich in drei Kolonnen bei Skolo, Turka und in der Bukowina aus Ungarn und Siebenbürgen nach Galizien eindringen. Der k. k. Generalmajor Barko wurde zur Organisirung des Landsturmes in die bedrohten Gegenden abgeschickt und 2 Bataillone Infanterie mit Geschütz sind heute von hier an die ungarische Grenze aufgebrochen.
(Olm. Bl.) Ungarn. Die „Allg. Od. Zeitung“ enthält folgende Mittheilungen über die Beweggründe des Rückzuges der ungarischen Armee und die Verhältnisse in Ungarn überhaupt:
„Als Ungarn durch die Anmuthungen der österreichischen Dynastie gezwungen wurde, zur Wahrung seiner Rechte die Waffen zu ergreifen, besaß es außer den wenigen regulären Regimentern, besonders den Husaren, nur wenige Truppen, auf welche es, selbst nur theilweise rechnen konnte. — Da
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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