Neue Rheinische Zeitung. Nr. 207. Köln, 28. Januar 1849.Hr. Diergardt möge antworten. Antwortet er nicht, so wird sich wohl irgend ein ehrenhafter Wahlmann zur ersten Kammer finden, der ihn abermals und zwar auf sein Ehrenwort, darüber befragt. 068 Koln, 27. Januar. In Erfurt hat trotz des Belagerungszustandes, und obgleich die Urwähler sich nur in kleiner Zahl (höchstens zu 10 Personen) versammeln und besprechen durften, die Demokratie ihre Gegner vollständig aus dem Felde geschlagen -- dies geben selbst die ärgsten "Heuler"-Organe Berlins zu. Die heute aus der Mark Brandenburg weiter eingehenden Nachrichten lauten für die demokratische Partei viel günstiger, als irgend Jemand erwartet hätte. Aehnlich verhält es sich mit der Provinz Pommern. Cöslin hat unter 34 Wahlmännern 32 Demokraten, Colberg unter 38 Wahlmännern 34; in Wollin sind unter 17 Wahlmännern 15, welche das "liberale Komite" (im Gegensatz zu den Preußenvereinlern) aufgestellt hatte, durchgegangen; in Neustettin 12 entschiedene Liberale und 5 Conservative, i. e. Reaktionärs. In Stargard gehören von 52 Wahlmännern 40 der "Linken" an; in Stolp sind sämmtliche 49 Wahlmänner Demokraten. Auf dem platten Lande sind meist "kleine Leute" gewählt worden. -- Elbing hat, wie sich denken läßt, entschieden reaktionär gewählt. Die weitern Wahlberichte aus Schlesien bürgen dafür, daß die Majorität der Wahlmänner auf Seiten der Demokratie steht. In der Festung Posen sind die "Schwarzweißen" Sieger geblieben. Krotoschin, Lissa, Kempen und mehrere andere posensche Städte haben vollständig im demokratischen Sinne gewählt. Das nämliche ist selbst in Rawicz der Fall gewesen, was doch früher als ein Hauptsitz der Reaktion galt. 068 Köln, 27. Januar. Zur Bestätigung unserer Mittheilungen aus Greifswald etc. lassen wir hier aus der "Kreuzritterin", dem Organ der Brandenburg-Manteufel folgende zwei Wahlberichte wörtlich folgen: "Stargard in Pommern, den 23. Jan. Bei dem vorherrschend conservativen Geist unserer Bürgerschaft haben wir doch kaum ein Fünftel der Wahlmänner im Sinne vernunftgemäßer Freiheit und Ordnung durchgesetzt, und alle Wühler dieser guten Stadt sind zu Vertrauensmännern dergestalt geworden. In einem Bezirk, wo acht Wahlen geschahen, gelang es erst, unsern Haupt-Candidaten beim achten Male durchzubringen, und derselbe war ein Mann, dessen Freisinnigkeit vor dem März Niemand bezweifelte, der gesuchteste Arzt weit und breit, ein edler, gebildeter, humaner Mensch, geachtet, werkthätig, wie Wenige. Und wer ward ihm vorgezogen? Unter Anderen ein Mann, der in dem Thermometer der öffentlichen Meinung längst schon unter Null stand. Aber die Organisation der Demokraten war vortrefflich, während die Conservativen den Fehlgriff begingen, daß sie sich zersplitterten, indem sie theils bei den Durchgefallenen stehen blieben, theils zu den Folgenden vorgingen." "Greifswald, den 23. Jan. Unter 50 Wahlmännern finden sich nur drei, die der conservativen Partei angehören, und wie man sagt, ist diesen Wenigen nur durch Mißgriffe, die die Demokraten eines Wahlbezirks begangen haben, der Sieg geworden. In den übrigen 16 Bezirken sind die Radicalen schon im Voraus ihres Sieges gewiß gewesen." Solches meldet die brave "Kreuzritterin." Z Düsseldorf, 25. Jan. Sie kennen bereits das Eindringen des Polizeimannes Hrn. v. Faldern in eine Versammlung der Wahlmänner, die Art seines Empfanges, seines Rückzugs etc. Ich berichte nun das Weitere. Nach Hrn. v. Falderns Abtritt waren die Verhandlungen bei verschlossenen Thüren mit Ruhe und Würde wieder aufgenommen worden. Aber draußen hatte sich jetzt schon eine unzählige Menschenmasse verbreitet, aus welcher manches Hoch den Demokraten, manches Hoch für Cantador und Lasalle erscholl. Starke Patrouillen erschienen sie zogen in breiten Reihen durch die Straßen, namentlich über die Bolkerstraße, auf welcher der Gasthof liegt. Wie man erzählt, soll sich der General Drigalski, -- was Recht ist, muß Recht bleiben -- sehr schön benommen haben; als man ihm nämlich den Vorfall hinterbrachte, soll er sich geäußert haben, daß, wenn die Polizei selbst einen Aufruhr veranlasse, sie denselben auch selbst unterdrücken möge; und er zog die Soldaten zurück. Man brachte dieser Handlung ein Hoch. Der Abend verlief demnächst ohne weitere Störung. Betrachtungen über diesen Vorfall anzustellen, wie das Gesetz, die Verfassung gehandhabt wird, welche Ursachen zu Grunde liegen, was wir in der Zukunft von der Gewalt zu hoffen haben, das mag sich Jeder selbst fragen. So viel ist gewiß, daß die Reaktion Alles aufbietet. Denken Sie sich, am Sonntage soll der Garnisonpfarrer Lampenscherff gepredigt haben: ein Demokrat könne kein guter Christ sein! -- So wird jetzt das sogenannte "Gotteswort" verdreht. Lampenscherff stand erst in Münster, ist jetzt hier Garnisonpfarrer mit bedeutendem Gehalte und schrecklich, schrecklich vieler Amtsarbeit!! Er sieht sehr gut genährt aus, und -- hat jüngst von seinem Könige den rothen Adlerorden bekommen! sapienti sat. 15 Düsseldorf, 26. Januar. Gestern theilte ich Ihnen ein Pröbchen von der Art und Weise mit, wie die octroyirte Verfassung Seitens der begnadeten Königl. Preuß. Polizei gehandhabt wird. Heute kann ich Ihnen die Fortsetzung liefern. Unser octroyirter Polizei-Inspektor, v. Faldern, Ex-Lieutenant von Bonn, öster in Siegburg, wuthentbrannt über die gestern ihm angethane Schmach, daß der beschränkte Unterthanenverstand es gewagt, der Hohen Polizei nicht unbedingt Folge zu leisten; brennend vor Begierde, diese Scharte auszuwetzen und es seinen hohen Vorbildern Drigalski und Spiegel gleich zu thun, versuchte heute einen anderen der zahllosen preußischen Kniffe, um die Versammlungen unserer durch und durch demokratischen Wahlmänner zu hindern. Hr. v. Faldern erschien nämlich heute Mittag in dem Versammlungslokale bei Capellen, und in dem allbekannten preußischen Bureautone sprach der Gewaltige: Ich bin der Herr v. Faldern -- ja ich Polizei-Inspektor allhier, ja, ja Ich liebe die Freiheit gar mächtig, Doch ist mir hier vieles verdächtig. Fortfahrend in gewaltiger Rede erkundigte der Edle sich dann sehr theilnehmend, ob heute eine Versammlung der Wahlmänner sei. Ihm erwiderte darauf der Herr des Hauses Alexis: Entschuldigen Sie gefälligst, nein! Aber wenn Sie die Ehre haben wollen, noch nähere Bekanntschaft mit den Herren zu machen als gestern, so belieben Sie sich nur zur rechten Zeit einzufinden. Ob der feinen Wendung des Wirths ergrimmt, strich der Edle seinen preußisch-normalen Schnauzbart und drohte: "Morgen werde ich wiederkommen, ich habe meine Maßregeln getroffen, kommen Exzesse vor, so merken Sie sich die Anwesenden, diese sind für alles Vorfallende verantwortlich." Sprachs und schüttelte grollend das Haupt, wie der König der Wüste, Die Geschichte ist ungeheuer komisch, wenn sie nicht so verdammt ernst wäre. So wird also morgen der freiheitsliebende Polizeimann unsern Wahlmännern wieder zeigen, was das Ministerium Manteuffel darunter versteht, "freies Wahlrecht üben." 096 Kreis Euskirchen, 25. Jan. Es freut mich, Ihnen auch von hier aus berichten zu können, daß der stattgehabte Wahlkampf fast in der ganzen Gegend zu Gunsten der Volkspartei entschieden worden ist. Die Ansicht, keine besoldeten Beamten in die Kammern zu wählen, ist vorherrschend bei den Wahlmännern, und es steht mit Gewißheit zu erwarten, daß unser Kreis nicht hinter den Wahlbezirken der rheinischen Städte zurückbleiben wird. -- Die gottbegnadete Partei hält heute unter der Anführung des königl. schwarz-weißen Landraths Schroeder (einer Eintagsfliege des Brandenburger Domklubs) eine amtliche Berathung in Lechenich -- worin vielleicht einigen Herren Pastores Gelegenheit gegeben wird, sich in herzbrechendem Lamento über die Verderbtheit des verblendeten Volks abzuquälen und die alte Geschichte vom kreisenden Berg und der Maus aufzuführen; Alles für Gott, König und Junkerschaft! Scheven, im Kreise Schleiden, hat im vorigen Frühjahre erst seine Berühmtheit erlangt. Auf einer ältern Karte werden Sie den Ort gewiß vergebens aufsuchen. Dieses Scheven verdankt sein Renomee dem dasigen Bürgermeister Fabritius. Derselbe ist ein Abkömmling aus der Bürgermeister-Fabrik des Landraths, Grafen von Beißel, Hochwohlgeboren, und dadurch bekannt, daß er bei den unter ihm stehenden Bauern in jeder Weise den Pascha en minature spielt. -- Nach dem März wurden seine Verdienste erst in's rechte Licht gestellt, und das souveräne Volk ging mit der handgreiflich gewordenen Idee um, ihn weiter zu befördern. So etwas hatte der Dorf-Pascha nicht erwartet; sein Gebein zitterte und er versprach dem Volke Buße, ja, er stellte sich sogar an "die Spitze der Bewegung", d. h. man gab ihm eine schwarz-roth-goldene Fahne in die Hand, hing ihm eine alte Gießkanne um den Hals, und so schritt er muthig auf den Wegen, die ihm das Volk vorzeichnete, als unfreiwilliger Tambour, seinem Schicksale entgegen. -- Herr Fabritius war in letzter Zeit auch Sekretär des konstitutionellen Bürger-Vereins in Schleiden seligen Andenkens, Mitarbeiter des Schleidener Wochenblatts, und am 22. d. M. gottbegnadeter Wahl-Kommissar für Scheven und Umgegend. -- Der Herr Bürgermeister mußte natürlich als Wahlmann gewählt werden, und um dieses hohe Ziel zu erreichen, mußte Alles aufgeboten werden. Die Urwähler waren versammelt, -- der Wahlakt sollte beginnen, da überzählt er die Häupter seiner Lieben, und findet bei genauer Musterung, daß einige Urwähler zur ersten Kammer zugegen sind, die ihm möglicherweise den Sieg streitig machen könnten. Er dekretirt also, daß jene Herren weder Wähler seien, noch gewählt werden könnten, und zwar aus dem Grunde, weil sie Wähler der ersten Kammer seien. Einer der anwesenden bezeichneten Herren, H. K., Bergwerksbesitzer, protestirte gegen die bürgermeisterliche Willkür, und gleich erhoben sich kernige Fäuste, um diesen Protest thatkräftigst zu unterstützen. Hr. K. aber, dem der Hr. Bürgermeister persönlich die Thür gewiesen, fand es, um Skandal zu vermeiden, besser, das Wahl-Lokal zu verlassen; ihm folgten über 50 Urwähler, und während von dieser Seite ein schriftlicher Protest vorbereitet wurde, ließ sich der Hr. Bürgermeister von den zurückgebliebenen 17 Wählern zum schwarz-weißen Manteuffel'schen Wahlmanne stempeln. -- Hr. K. hat die Sache bereits, von 50 Zeugen beglaubigt, der Regierung mitgetheilt, und wird sie nöthigenfalls bis an's Ministerium verfolgen. (Bis an die Kammer selbst, sonst hilft's doch nichts!) 12 Bornheim. Bei den hiesigen Wahlen haben die Demokraten entschieden gesiegt. 103 Aldenhoven bei Jülich, 23. Jan. Bei der hier gestern stattgehabten Wahl ist der Demokratie zwar nicht der Sieg gelungen, indessen hat sie auch keine Niederlage erlitten, das Resultat ist, 3 Wahlmänner links, 3 rechts. Der hiesige Ort war in zwei Wahlbezirke eingetheilt und zum Commissar der rechten Seiite der hiesige Bürgermeister (sog. Oberbürgermeister, in Gnaden erlassener Landwehrlieutenant und Postexpediteur a la fois) ernannt. Diesem ausgezeichneten Kopf ist es nun nicht allein durch die Geltendmachung seiner gehabten und noch habenden Gewalten, sondern auch noch durch Anwendung folgender Manöver gelungen, die rechten Wahlmänner (worunter er natürlich selbst gehört) durchzubekommen. Nachdem die Versammlung nämlich als konstituirt erklärt, Protokollführer und Stimmzähler ernannt und vereidet waren, las der Bürgermeister einen, seine Weisheit bekundenden schriftlichen Aufsatz betitelt: "Meine lieben Mitbürger" ab, worin namentlich die Aufforderung, nur Leute in seinem bekannten Sinne zu wähen, dann aber auch die lieblichen Worte des Königs an die Nessiner enthalten waren, welche sich obendrein noch einer herrlichen Interpretation zu erfreuen hatten. Die von einem der Urwähler gemachte Protestation gegen dieses parteiische und ungebührliche Verfahren erklärte der hochweise Commissar für Diskussion und verbot sie auf Grund des Reglements zum Wahlgesetz mit gravitätischer Commissarswürde. -- Der Wahlgang wird übrigens angegriffen werden. Jülich, 25. Jan. Auch hier hat die Volkspartei einen glänzenden Sieg davon getragen! Trotz aller nur erdenklicher Mühe der Gegenpartei, aller Anstrengung, Ueberredung (denn sogar das wohlbekannte politische Dichterkäuzchen hat seinen politischen Rundflug gemacht), trotz alledem und alledem haben die Demokraten von 16 Kandidaten in einem Bezirke alle acht, Herrn von Berg mit großer Majorität zuerst, und in andern sechs mit Glanz durchgebracht. Während die Herren Heuler schon wochenlang versammelt, geklüngelt, gedruckt und pamphletirt hatten, bedurfte es bei den Demokraten nur einer am Sonntag abgehaltenen Volksversammlung, um sie in Masse in die Wahllokale zu bringen! Die beiden zuletzt durchgekommenen Kandidaten gehören der Heulerpartei an, und sind ein Ingenieur-Lieutenant und der Wahlkommissar selbst, der beiläufig gesagt, schon bei der zweiten Wahl gegen den liberalen Gegenkandidaten, Beigeordneter Dr. B., 3 mal durchfiel, nachdem er die für ihn natürlich nicht günstige Wahl 2 mal umzustoßen vermocht hatte. Es sollen übrigens verborgene Kräfte bei diesen beiden Herren geholfen haben, besonders aber Urwähler, die wenigstens viel älter gewesen als ihre Taufscheine, und darunter viele Söhne der rothen Erde. Lauter Jubelruf, begleitet von obligaten Posthörnern, verkündeten dem fast eingeschlafenen Städtchen noch um 10 Uhr die frohe Botschaft. -- X Mayen. Der politische Klub in Mayen zeigt uns an, daß von den dortigen 21 Wahlmännern 18 der entschieden liberalen Partei angehören. In diesem Kreise wird also, vollends nach dem in Andernach erzielten Resultat, die Wiederwahl D'Ester's keinen Anstand finden. 213 Crefeld, 26. Jan. Das Wahlresultat ist hier günstiger, als man uns anfangs berichtet hatte: von 134 Wahlmännern sind 54 oppositionell. Da in Neuß, Uerdingen, Linn und theilweise in Kempen die Demokraten gesiegt haben, so bringt der Kreis am Ende doch noch einen demokratischen Deputirten zu Stande. 35 Hittorf, 26. Jan. Die Reaktionäre hatten hier alles aufgeboten, um die Wahlen in ihre Hände zu bekommen. Gegen 100 demokratische Urwähler waren von der Liste wegeskamotirt. Als es zur Wahl kam, weigerte sich der Kommissar, den desfallsigen Protest dem Protokoll beizufügen. Die Demokraten erklärten, sich zurückziehen zu wollen. Der Wahlkommissar bestand darauf, die Wahl vorzunehmen und wenn nur 10 Urwähler gegenwärtig seien. Da blieben die Demokraten und setzten, trotz aller Intriguen, alle ihre sieben Kandidaten durch. 104 Mettman, 25. Jan. Wir müssen die frühere Nachricht, daß die Wahlen hier ganz reaktioniär ausgefallen, dahin berichtigen, daß es doch nicht so schlimm damit aussieht. Zwar ist der preußische Steuereinnehmer (Wagner), ein entschiedener Reaktionär, zum Wahlmann ernannt worden. Die übrigen Wahlen sind aber nur auf Leute aus dem Handwerkerstande von unentschiedener politischer Gesinnung und auf Demokraten gefallen. Eins aber muß hier noch bemerkt werden, daß die Heulerpartei ihren Arbeitern befohlen und sie gezwungen hat, bei keinem Handwerksmann, Krämer etc. zu kaufen, und zu keinem Gastwirth zu gehen, die sich nicht verpflichteten, im "heulerischen" Interesse zu stimmen oder die gar offene Opposition gegen das gottbegnadete "Schwarz-weißthum" wagen sollten. 068 Berlin, 25. Jan. In allen vier größeren Wahlbezirken haben gestern Abend Versammlungen der Wahlmänner, behufs Vorbereitung für die Deputirtenwahlen stattgefunden. Nur eine derselben hatte einen gemischten Charakter, nämlich die im Hotel de Nussie gehaltene des 2. Bezirks, in welchem die demokratische Partei nur eine schwache Majorität hat. Die übrigen drei Versammlungen trugen einen ausschließlichen Parteicharakter, waren aber jede von weit über 200 Wahlmännern besucht. Diese eine Thatsache thut also auf die schlagendste Weise die Wahrheit dar, daß die Wahlen hier ganz im Sinne der Oppositionspartei ausfallen werden, eine Wahrheit, die jetzt so handgreiflich ist, daß selbst Tante Voß sie heute Morgen eingesteht. Die Personenfrage ward in den Parteiversammlungen einstweilen ganz vertagt und ein Comite von 5 Wahlbezirken für jeden Bezirk ernannt, um gemeinschaftlich über die Vertheilung der Abgeordneten unter die einzelnen Bezirke zu berathen. Dagegen ward die Prinzipienfrage und namentlich das Verhältniß der zu Wählenden zur oktroyirten Verfassung vielfach besprochen und äußerte man sich durchschnittlich dahin, daß dieselbe für die neue Versammlung etwa das sein sollte, was der Camphausen'sche Entwurf für die Nationalversammlung war. Nur machte sich hierbei zwischen den einzelnen Bezirken der Unterschied bemerkbar, daß diese Ansicht z. B. im dritten den entschiedenern Wahlmännern angehörte, während sie umgekehrt im vierten nur als ein aus Nützlichkeitsrücksichten angenommenes Amendement zu einem viel weiter gehenden Hauptvorschlage auf Nichtanerkennung der Verfassung auftrat. Ueberhaupt ist dieser vierte Hauptbezirk der radikalste. Außer diesen allgemeinen Beschlüssen ward in der Versammlung des ersten Wahlbezirks eine Petition der Wahlmänner an das Ministerium, um baldige Aufhebung des Belagerungszustandes beschlossen und eine Kommission mit Ausarbeitung derselben beauftragt. Die Versammlungen der Wahlmänner werden übrigens zur gegenseitigen Besprechung und Einigung jeden Abend stattfinden. Gewisse Kandidaturen, wie Waldeck, Jacoby, Temme, Berends, erscheinen schon jetzt ganz gesichert. Neu auftauchende demokratische werden sich wohl erst bei den in Berlin unausbleiblichen Nachwahlen geltend machen, und auch bei diesem Anlasse erst wird es einzelnen Interessen, die sich gern vertreten sehen möchten, gelingen, Einfluß auf die Wahlen zu üben. In einer Kompagnie der hiesigen Garnison, die zufällig allein einen Wahlmann zu stellen hatte, soll sich folgender Vorfall zugetragen haben. Vor Beginn der Wahl sagte der Hauptmann, der und der Offizier ist zu wählen, alle diejenigen, die es mit ihrem Könige gut meinen und diesen Offizier wählen wollen, mögen sich auf jene Seite des Saales begeben. Anfangs zeigte sich einige Unschlüssigkeit; nachdem aber erst Einige Ordre parirt hatten, siegte die Macht der Disziplin und die ganze Kompagnie trat über. Nur ein Unteroffizier blieb stehen. Um das Warum befragt, antwortete er: Ich glaube, es ist der Wille des Königs, daß wir nach den Eingebungen unseres eigenen Vertrauens und nicht nach Ordre wählen sollen. Der Hauptmann verbiß seinen Grimm und die Wahloperation ging vor sich, ergab aber das unerwartete Resultat, daß beinahe sämmtliche Stimmen der Kompagnie dem renitenten Unteroffizier zufielen. Wegen eines im Juni hier erschienenen Plakats: "Offener Brief an den gewesenen Ober-Borgermeister Krausnick von Isaac Moses Hersch" hatte Hr. Krausnick gegen den Buchhändler Löwenberg und die Buchdrucker Brandes und Schulze auf Pasquill geklagt. Die drei Angeklagten wurden gestern "von der Anklage entbunden," weil der eigentliche Verfasser nicht zu ermitteln war und gegen den Verleger und die Drucker nicht genügender Beweis vorlag, daß sie den Inhalt vollständig gekannt hatten. Die Brandenburg-Manteufel'sche "Galgenzeitung" ist über den Erlaß des Hrn. v. Ladenberg an die Volksschullehrer, resp. seine drohende Aufforderung an dieselben, sich unter jeder Bedingung als contrerevolutionäre Wahlagenten zu prostituiren, förmlich entzückt. "Ton und Inhalt" findet sie gleich "vortrefflich;" den Lehrern und Direktoren sei nun das Gewissen "rücksichtlich ihrer amtlichen (?) und bürgerlichen (!) Stellung geschärft worden." Das liebliche Blatt fügt unter Anderm hinzu: "Die rechte Gesinnung kann man freilich Keinem beibringen, aber Mancher wird doch wenigstens vorsichtiger werden, damit man ihn nicht geradezu bei den Ohren kriegen kann, und die Direktoren müssen auch anders zugreifen." Ein kleines Pröbchen, und wahrlich noch eins der mildesten, wie die Klicke "mit Gott für König und Junkerschaft" die Wahlen theils verfälscht hat, theils zu verfälschen suchte. In einem der hiesigen Wahlbezirke wurde auf den verlesenen Namen Karl Schmidt (Charlottenstraße Nr. 3) Arbeitsmann, ein lautes "hier" geantwortet. Der bisherige Wirth des Karl Schmidt erinnerte, daß Schmidt in einen andern Bezirk verzogen und die auf seinen Namen lautende Urwählerkarte zurückgegeben sei. Der wieder aufgerufene Name Karl Schmidt wurde abermals mit "hier" beantwortet. Der Antwortgeber erklärte auf Befragen, daß er nicht Karl Schmidt sei, sondern Bonnes, Diener beim Major v. Rauchhaupt, daß die Karte ihm von Professor Huberdt, Vorstandsmitglied des patriotischen Vereins eingehändigt sei, damit er in dem Bezirke unter Schmidts Namen mitwähle, obgleich er nach Ausweis der Urwählerliste nicht zur Wahl berechtigt war. Der Bonnes wurde entfernt. In der großen Aufregung, welche das Ereigniß herbeiführte, vernahm man zahlreiche Stimmen, welche auch die Entfernung des Professor Huberdt forderten. Derselbe blieb jedoch bis zum Schluß des Wahlakts. 130 Halle, 24. Jan. Wissen Sie, weshalb die National-Versammlung in Berlin hat auseinandergejagt werden müssen und warum die Frankfurter Gesellschaft nahe daran ist, es zu werden? Sie denken vielleicht deshalb, weil jene über 5 Monate zur Besinnung brauchte, während die Contrerevolution sich viel früher besonnen hatte, und weil die Frankfurter überhaupt unfähig war, je zur Besinnung zu kommen? Irrthum, pure Täuschung! Die hiesige "Galgenzeitung", (auch "Neue Halle'sche Ztg." genannt) hat in ihrer Nr. 9 den einzig haltbaren Grund entdeckt. Es ist der: "Beide Versammlungen haben ihre Sitzungen ohne kirchliche Feier begonnen, und damit ausgesprochen, daß sie Gottes und des göttlichen Segens nicht bedürften!" Jetzt wissen Sie's. 61 Oberschlesisch-östreichische Gränze, 23. Januar. Gestern verbreitete sich hier die Nachricht und veranlaßte große Freude, daß die Magyaren einen bedeutenden Sieg erfochten. Das Wo und Wie habe ich noch nicht in Erfahrung bringen können; soviel indessen verlautet, soll der Sieg in Central-Ungarn, also wider Windischgrätz, erfochten worden sein. Gott gebe es! Bei dem Mangel an öffentlichen Blättern, namentlich freisinnigen, und bei dem allerwegen zur höchsten Vollkommenheit gebrachten russisch-östreichisch-preußischen Spionen-Unwesen und Verschwindungsgelüste ist es fast unmöglich, genaue Details in Erfahrung zu bringen. -- Der Knutenkaiser, der Standrechtskaiser und der Kyffhäuserkaiser scheinen für unsere Ecke ganz besondere Besorgnisse zu hegen: sie mögen sich auch nichtgar zu sehr irren. Die ma- Hr. Diergardt möge antworten. Antwortet er nicht, so wird sich wohl irgend ein ehrenhafter Wahlmann zur ersten Kammer finden, der ihn abermals und zwar auf sein Ehrenwort, darüber befragt. 068 Koln, 27. Januar. In Erfurt hat trotz des Belagerungszustandes, und obgleich die Urwähler sich nur in kleiner Zahl (höchstens zu 10 Personen) versammeln und besprechen durften, die Demokratie ihre Gegner vollständig aus dem Felde geschlagen — dies geben selbst die ärgsten „Heuler“-Organe Berlins zu. Die heute aus der Mark Brandenburg weiter eingehenden Nachrichten lauten für die demokratische Partei viel günstiger, als irgend Jemand erwartet hätte. Aehnlich verhält es sich mit der Provinz Pommern. Cöslin hat unter 34 Wahlmännern 32 Demokraten, Colberg unter 38 Wahlmännern 34; in Wollin sind unter 17 Wahlmännern 15, welche das „liberale Komité“ (im Gegensatz zu den Preußenvereinlern) aufgestellt hatte, durchgegangen; in Neustettin 12 entschiedene Liberale und 5 Conservative, i. e. Reaktionärs. In Stargard gehören von 52 Wahlmännern 40 der „Linken“ an; in Stolp sind sämmtliche 49 Wahlmänner Demokraten. Auf dem platten Lande sind meist „kleine Leute“ gewählt worden. — Elbing hat, wie sich denken läßt, entschieden reaktionär gewählt. Die weitern Wahlberichte aus Schlesien bürgen dafür, daß die Majorität der Wahlmänner auf Seiten der Demokratie steht. In der Festung Posen sind die „Schwarzweißen“ Sieger geblieben. Krotoschin, Lissa, Kempen und mehrere andere posensche Städte haben vollständig im demokratischen Sinne gewählt. Das nämliche ist selbst in Rawicz der Fall gewesen, was doch früher als ein Hauptsitz der Reaktion galt. 068 Köln, 27. Januar. Zur Bestätigung unserer Mittheilungen aus Greifswald etc. lassen wir hier aus der „Kreuzritterin“, dem Organ der Brandenburg-Manteufel folgende zwei Wahlberichte wörtlich folgen: „Stargard in Pommern, den 23. Jan. Bei dem vorherrschend conservativen Geist unserer Bürgerschaft haben wir doch kaum ein Fünftel der Wahlmänner im Sinne vernunftgemäßer Freiheit und Ordnung durchgesetzt, und alle Wühler dieser guten Stadt sind zu Vertrauensmännern dergestalt geworden. In einem Bezirk, wo acht Wahlen geschahen, gelang es erst, unsern Haupt-Candidaten beim achten Male durchzubringen, und derselbe war ein Mann, dessen Freisinnigkeit vor dem März Niemand bezweifelte, der gesuchteste Arzt weit und breit, ein edler, gebildeter, humaner Mensch, geachtet, werkthätig, wie Wenige. Und wer ward ihm vorgezogen? Unter Anderen ein Mann, der in dem Thermometer der öffentlichen Meinung längst schon unter Null stand. Aber die Organisation der Demokraten war vortrefflich, während die Conservativen den Fehlgriff begingen, daß sie sich zersplitterten, indem sie theils bei den Durchgefallenen stehen blieben, theils zu den Folgenden vorgingen.“ „Greifswald, den 23. Jan. Unter 50 Wahlmännern finden sich nur drei, die der conservativen Partei angehören, und wie man sagt, ist diesen Wenigen nur durch Mißgriffe, die die Demokraten eines Wahlbezirks begangen haben, der Sieg geworden. In den übrigen 16 Bezirken sind die Radicalen schon im Voraus ihres Sieges gewiß gewesen.“ Solches meldet die brave „Kreuzritterin.“ Z Düsseldorf, 25. Jan. Sie kennen bereits das Eindringen des Polizeimannes Hrn. v. Faldern in eine Versammlung der Wahlmänner, die Art seines Empfanges, seines Rückzugs etc. Ich berichte nun das Weitere. Nach Hrn. v. Falderns Abtritt waren die Verhandlungen bei verschlossenen Thüren mit Ruhe und Würde wieder aufgenommen worden. Aber draußen hatte sich jetzt schon eine unzählige Menschenmasse verbreitet, aus welcher manches Hoch den Demokraten, manches Hoch für Cantador und Lasalle erscholl. Starke Patrouillen erschienen sie zogen in breiten Reihen durch die Straßen, namentlich über die Bolkerstraße, auf welcher der Gasthof liegt. Wie man erzählt, soll sich der General Drigalski, — was Recht ist, muß Recht bleiben — sehr schön benommen haben; als man ihm nämlich den Vorfall hinterbrachte, soll er sich geäußert haben, daß, wenn die Polizei selbst einen Aufruhr veranlasse, sie denselben auch selbst unterdrücken möge; und er zog die Soldaten zurück. Man brachte dieser Handlung ein Hoch. Der Abend verlief demnächst ohne weitere Störung. Betrachtungen über diesen Vorfall anzustellen, wie das Gesetz, die Verfassung gehandhabt wird, welche Ursachen zu Grunde liegen, was wir in der Zukunft von der Gewalt zu hoffen haben, das mag sich Jeder selbst fragen. So viel ist gewiß, daß die Reaktion Alles aufbietet. Denken Sie sich, am Sonntage soll der Garnisonpfarrer Lampenscherff gepredigt haben: ein Demokrat könne kein guter Christ sein! — So wird jetzt das sogenannte „Gotteswort“ verdreht. Lampenscherff stand erst in Münster, ist jetzt hier Garnisonpfarrer mit bedeutendem Gehalte und schrecklich, schrecklich vieler Amtsarbeit!! Er sieht sehr gut genährt aus, und — hat jüngst von seinem Könige den rothen Adlerorden bekommen! sapienti sat. 15 Düsseldorf, 26. Januar. Gestern theilte ich Ihnen ein Pröbchen von der Art und Weise mit, wie die octroyirte Verfassung Seitens der begnadeten Königl. Preuß. Polizei gehandhabt wird. Heute kann ich Ihnen die Fortsetzung liefern. Unser octroyirter Polizei-Inspektor, v. Faldern, Ex-Lieutenant von Bonn, öster in Siegburg, wuthentbrannt über die gestern ihm angethane Schmach, daß der beschränkte Unterthanenverstand es gewagt, der Hohen Polizei nicht unbedingt Folge zu leisten; brennend vor Begierde, diese Scharte auszuwetzen und es seinen hohen Vorbildern Drigalski und Spiegel gleich zu thun, versuchte heute einen anderen der zahllosen preußischen Kniffe, um die Versammlungen unserer durch und durch demokratischen Wahlmänner zu hindern. Hr. v. Faldern erschien nämlich heute Mittag in dem Versammlungslokale bei Capellen, und in dem allbekannten preußischen Bureautone sprach der Gewaltige: Ich bin der Herr v. Faldern — ja ich Polizei-Inspektor allhier, ja, ja Ich liebe die Freiheit gar mächtig, Doch ist mir hier vieles verdächtig. Fortfahrend in gewaltiger Rede erkundigte der Edle sich dann sehr theilnehmend, ob heute eine Versammlung der Wahlmänner sei. Ihm erwiderte darauf der Herr des Hauses Alexis: Entschuldigen Sie gefälligst, nein! Aber wenn Sie die Ehre haben wollen, noch nähere Bekanntschaft mit den Herren zu machen als gestern, so belieben Sie sich nur zur rechten Zeit einzufinden. Ob der feinen Wendung des Wirths ergrimmt, strich der Edle seinen preußisch-normalen Schnauzbart und drohte: „Morgen werde ich wiederkommen, ich habe meine Maßregeln getroffen, kommen Exzesse vor, so merken Sie sich die Anwesenden, diese sind für alles Vorfallende verantwortlich.“ Sprachs und schüttelte grollend das Haupt, wie der König der Wüste, Die Geschichte ist ungeheuer komisch, wenn sie nicht so verdammt ernst wäre. So wird also morgen der freiheitsliebende Polizeimann unsern Wahlmännern wieder zeigen, was das Ministerium Manteuffel darunter versteht, „freies Wahlrecht üben.“ 096 Kreis Euskirchen, 25. Jan. Es freut mich, Ihnen auch von hier aus berichten zu können, daß der stattgehabte Wahlkampf fast in der ganzen Gegend zu Gunsten der Volkspartei entschieden worden ist. Die Ansicht, keine besoldeten Beamten in die Kammern zu wählen, ist vorherrschend bei den Wahlmännern, und es steht mit Gewißheit zu erwarten, daß unser Kreis nicht hinter den Wahlbezirken der rheinischen Städte zurückbleiben wird. — Die gottbegnadete Partei hält heute unter der Anführung des königl. schwarz-weißen Landraths Schroeder (einer Eintagsfliege des Brandenburger Domklubs) eine amtliche Berathung in Lechenich — worin vielleicht einigen Herren Pastores Gelegenheit gegeben wird, sich in herzbrechendem Lamento über die Verderbtheit des verblendeten Volks abzuquälen und die alte Geschichte vom kreisenden Berg und der Maus aufzuführen; Alles für Gott, König und Junkerschaft! Scheven, im Kreise Schleiden, hat im vorigen Frühjahre erst seine Berühmtheit erlangt. Auf einer ältern Karte werden Sie den Ort gewiß vergebens aufsuchen. Dieses Scheven verdankt sein Renomée dem dasigen Bürgermeister Fabritius. Derselbe ist ein Abkömmling aus der Bürgermeister-Fabrik des Landraths, Grafen von Beißel, Hochwohlgeboren, und dadurch bekannt, daß er bei den unter ihm stehenden Bauern in jeder Weise den Pascha en minature spielt. — Nach dem März wurden seine Verdienste erst in's rechte Licht gestellt, und das souveräne Volk ging mit der handgreiflich gewordenen Idee um, ihn weiter zu befördern. So etwas hatte der Dorf-Pascha nicht erwartet; sein Gebein zitterte und er versprach dem Volke Buße, ja, er stellte sich sogar an „die Spitze der Bewegung“, d. h. man gab ihm eine schwarz-roth-goldene Fahne in die Hand, hing ihm eine alte Gießkanne um den Hals, und so schritt er muthig auf den Wegen, die ihm das Volk vorzeichnete, als unfreiwilliger Tambour, seinem Schicksale entgegen. — Herr Fabritius war in letzter Zeit auch Sekretär des konstitutionellen Bürger-Vereins in Schleiden seligen Andenkens, Mitarbeiter des Schleidener Wochenblatts, und am 22. d. M. gottbegnadeter Wahl-Kommissar für Scheven und Umgegend. — Der Herr Bürgermeister mußte natürlich als Wahlmann gewählt werden, und um dieses hohe Ziel zu erreichen, mußte Alles aufgeboten werden. Die Urwähler waren versammelt, — der Wahlakt sollte beginnen, da überzählt er die Häupter seiner Lieben, und findet bei genauer Musterung, daß einige Urwähler zur ersten Kammer zugegen sind, die ihm möglicherweise den Sieg streitig machen könnten. Er dekretirt also, daß jene Herren weder Wähler seien, noch gewählt werden könnten, und zwar aus dem Grunde, weil sie Wähler der ersten Kammer seien. Einer der anwesenden bezeichneten Herren, H. K., Bergwerksbesitzer, protestirte gegen die bürgermeisterliche Willkür, und gleich erhoben sich kernige Fäuste, um diesen Protest thatkräftigst zu unterstützen. Hr. K. aber, dem der Hr. Bürgermeister persönlich die Thür gewiesen, fand es, um Skandal zu vermeiden, besser, das Wahl-Lokal zu verlassen; ihm folgten über 50 Urwähler, und während von dieser Seite ein schriftlicher Protest vorbereitet wurde, ließ sich der Hr. Bürgermeister von den zurückgebliebenen 17 Wählern zum schwarz-weißen Manteuffel'schen Wahlmanne stempeln. — Hr. K. hat die Sache bereits, von 50 Zeugen beglaubigt, der Regierung mitgetheilt, und wird sie nöthigenfalls bis an's Ministerium verfolgen. (Bis an die Kammer selbst, sonst hilft's doch nichts!) 12 Bornheim. Bei den hiesigen Wahlen haben die Demokraten entschieden gesiegt. 103 Aldenhoven bei Jülich, 23. Jan. Bei der hier gestern stattgehabten Wahl ist der Demokratie zwar nicht der Sieg gelungen, indessen hat sie auch keine Niederlage erlitten, das Resultat ist, 3 Wahlmänner links, 3 rechts. Der hiesige Ort war in zwei Wahlbezirke eingetheilt und zum Commissar der rechten Seiite der hiesige Bürgermeister (sog. Oberbürgermeister, in Gnaden erlassener Landwehrlieutenant und Postexpediteur à la fois) ernannt. Diesem ausgezeichneten Kopf ist es nun nicht allein durch die Geltendmachung seiner gehabten und noch habenden Gewalten, sondern auch noch durch Anwendung folgender Manöver gelungen, die rechten Wahlmänner (worunter er natürlich selbst gehört) durchzubekommen. Nachdem die Versammlung nämlich als konstituirt erklärt, Protokollführer und Stimmzähler ernannt und vereidet waren, las der Bürgermeister einen, seine Weisheit bekundenden schriftlichen Aufsatz betitelt: „Meine lieben Mitbürger“ ab, worin namentlich die Aufforderung, nur Leute in seinem bekannten Sinne zu wähen, dann aber auch die lieblichen Worte des Königs an die Nessiner enthalten waren, welche sich obendrein noch einer herrlichen Interpretation zu erfreuen hatten. Die von einem der Urwähler gemachte Protestation gegen dieses parteiische und ungebührliche Verfahren erklärte der hochweise Commissar für Diskussion und verbot sie auf Grund des Reglements zum Wahlgesetz mit gravitätischer Commissarswürde. — Der Wahlgang wird übrigens angegriffen werden. Jülich, 25. Jan. Auch hier hat die Volkspartei einen glänzenden Sieg davon getragen! Trotz aller nur erdenklicher Mühe der Gegenpartei, aller Anstrengung, Ueberredung (denn sogar das wohlbekannte politische Dichterkäuzchen hat seinen politischen Rundflug gemacht), trotz alledem und alledem haben die Demokraten von 16 Kandidaten in einem Bezirke alle acht, Herrn von Berg mit großer Majorität zuerst, und in andern sechs mit Glanz durchgebracht. Während die Herren Heuler schon wochenlang versammelt, geklüngelt, gedruckt und pamphletirt hatten, bedurfte es bei den Demokraten nur einer am Sonntag abgehaltenen Volksversammlung, um sie in Masse in die Wahllokale zu bringen! Die beiden zuletzt durchgekommenen Kandidaten gehören der Heulerpartei an, und sind ein Ingenieur-Lieutenant und der Wahlkommissar selbst, der beiläufig gesagt, schon bei der zweiten Wahl gegen den liberalen Gegenkandidaten, Beigeordneter Dr. B., 3 mal durchfiel, nachdem er die für ihn natürlich nicht günstige Wahl 2 mal umzustoßen vermocht hatte. Es sollen übrigens verborgene Kräfte bei diesen beiden Herren geholfen haben, besonders aber Urwähler, die wenigstens viel älter gewesen als ihre Taufscheine, und darunter viele Söhne der rothen Erde. Lauter Jubelruf, begleitet von obligaten Posthörnern, verkündeten dem fast eingeschlafenen Städtchen noch um 10 Uhr die frohe Botschaft. — X Mayen. Der politische Klub in Mayen zeigt uns an, daß von den dortigen 21 Wahlmännern 18 der entschieden liberalen Partei angehören. In diesem Kreise wird also, vollends nach dem in Andernach erzielten Resultat, die Wiederwahl D'Ester's keinen Anstand finden. 213 Crefeld, 26. Jan. Das Wahlresultat ist hier günstiger, als man uns anfangs berichtet hatte: von 134 Wahlmännern sind 54 oppositionell. Da in Neuß, Uerdingen, Linn und theilweise in Kempen die Demokraten gesiegt haben, so bringt der Kreis am Ende doch noch einen demokratischen Deputirten zu Stande. 35 Hittorf, 26. Jan. Die Reaktionäre hatten hier alles aufgeboten, um die Wahlen in ihre Hände zu bekommen. Gegen 100 demokratische Urwähler waren von der Liste wegeskamotirt. Als es zur Wahl kam, weigerte sich der Kommissar, den desfallsigen Protest dem Protokoll beizufügen. Die Demokraten erklärten, sich zurückziehen zu wollen. Der Wahlkommissar bestand darauf, die Wahl vorzunehmen und wenn nur 10 Urwähler gegenwärtig seien. Da blieben die Demokraten und setzten, trotz aller Intriguen, alle ihre sieben Kandidaten durch. 104 Mettman, 25. Jan. Wir müssen die frühere Nachricht, daß die Wahlen hier ganz reaktioniär ausgefallen, dahin berichtigen, daß es doch nicht so schlimm damit aussieht. Zwar ist der preußische Steuereinnehmer (Wagner), ein entschiedener Reaktionär, zum Wahlmann ernannt worden. Die übrigen Wahlen sind aber nur auf Leute aus dem Handwerkerstande von unentschiedener politischer Gesinnung und auf Demokraten gefallen. Eins aber muß hier noch bemerkt werden, daß die Heulerpartei ihren Arbeitern befohlen und sie gezwungen hat, bei keinem Handwerksmann, Krämer etc. zu kaufen, und zu keinem Gastwirth zu gehen, die sich nicht verpflichteten, im „heulerischen“ Interesse zu stimmen oder die gar offene Opposition gegen das gottbegnadete „Schwarz-weißthum“ wagen sollten. 068 Berlin, 25. Jan. In allen vier größeren Wahlbezirken haben gestern Abend Versammlungen der Wahlmänner, behufs Vorbereitung für die Deputirtenwahlen stattgefunden. Nur eine derselben hatte einen gemischten Charakter, nämlich die im Hotel de Nussie gehaltene des 2. Bezirks, in welchem die demokratische Partei nur eine schwache Majorität hat. Die übrigen drei Versammlungen trugen einen ausschließlichen Parteicharakter, waren aber jede von weit über 200 Wahlmännern besucht. Diese eine Thatsache thut also auf die schlagendste Weise die Wahrheit dar, daß die Wahlen hier ganz im Sinne der Oppositionspartei ausfallen werden, eine Wahrheit, die jetzt so handgreiflich ist, daß selbst Tante Voß sie heute Morgen eingesteht. Die Personenfrage ward in den Parteiversammlungen einstweilen ganz vertagt und ein Comite von 5 Wahlbezirken für jeden Bezirk ernannt, um gemeinschaftlich über die Vertheilung der Abgeordneten unter die einzelnen Bezirke zu berathen. Dagegen ward die Prinzipienfrage und namentlich das Verhältniß der zu Wählenden zur oktroyirten Verfassung vielfach besprochen und äußerte man sich durchschnittlich dahin, daß dieselbe für die neue Versammlung etwa das sein sollte, was der Camphausen'sche Entwurf für die Nationalversammlung war. Nur machte sich hierbei zwischen den einzelnen Bezirken der Unterschied bemerkbar, daß diese Ansicht z. B. im dritten den entschiedenern Wahlmännern angehörte, während sie umgekehrt im vierten nur als ein aus Nützlichkeitsrücksichten angenommenes Amendement zu einem viel weiter gehenden Hauptvorschlage auf Nichtanerkennung der Verfassung auftrat. Ueberhaupt ist dieser vierte Hauptbezirk der radikalste. Außer diesen allgemeinen Beschlüssen ward in der Versammlung des ersten Wahlbezirks eine Petition der Wahlmänner an das Ministerium, um baldige Aufhebung des Belagerungszustandes beschlossen und eine Kommission mit Ausarbeitung derselben beauftragt. Die Versammlungen der Wahlmänner werden übrigens zur gegenseitigen Besprechung und Einigung jeden Abend stattfinden. Gewisse Kandidaturen, wie Waldeck, Jacoby, Temme, Berends, erscheinen schon jetzt ganz gesichert. Neu auftauchende demokratische werden sich wohl erst bei den in Berlin unausbleiblichen Nachwahlen geltend machen, und auch bei diesem Anlasse erst wird es einzelnen Interessen, die sich gern vertreten sehen möchten, gelingen, Einfluß auf die Wahlen zu üben. In einer Kompagnie der hiesigen Garnison, die zufällig allein einen Wahlmann zu stellen hatte, soll sich folgender Vorfall zugetragen haben. Vor Beginn der Wahl sagte der Hauptmann, der und der Offizier ist zu wählen, alle diejenigen, die es mit ihrem Könige gut meinen und diesen Offizier wählen wollen, mögen sich auf jene Seite des Saales begeben. Anfangs zeigte sich einige Unschlüssigkeit; nachdem aber erst Einige Ordre parirt hatten, siegte die Macht der Disziplin und die ganze Kompagnie trat über. Nur ein Unteroffizier blieb stehen. Um das Warum befragt, antwortete er: Ich glaube, es ist der Wille des Königs, daß wir nach den Eingebungen unseres eigenen Vertrauens und nicht nach Ordre wählen sollen. Der Hauptmann verbiß seinen Grimm und die Wahloperation ging vor sich, ergab aber das unerwartete Resultat, daß beinahe sämmtliche Stimmen der Kompagnie dem renitenten Unteroffizier zufielen. Wegen eines im Juni hier erschienenen Plakats: „Offener Brief an den gewesenen Ober-Borgermeister Krausnick von Isaac Moses Hersch“ hatte Hr. Krausnick gegen den Buchhändler Löwenberg und die Buchdrucker Brandes und Schulze auf Pasquill geklagt. Die drei Angeklagten wurden gestern „von der Anklage entbunden,“ weil der eigentliche Verfasser nicht zu ermitteln war und gegen den Verleger und die Drucker nicht genügender Beweis vorlag, daß sie den Inhalt vollständig gekannt hatten. Die Brandenburg-Manteufel'sche „Galgenzeitung“ ist über den Erlaß des Hrn. v. Ladenberg an die Volksschullehrer, resp. seine drohende Aufforderung an dieselben, sich unter jeder Bedingung als contrerevolutionäre Wahlagenten zu prostituiren, förmlich entzückt. „Ton und Inhalt“ findet sie gleich „vortrefflich;“ den Lehrern und Direktoren sei nun das Gewissen „rücksichtlich ihrer amtlichen (?) und bürgerlichen (!) Stellung geschärft worden.“ Das liebliche Blatt fügt unter Anderm hinzu: „Die rechte Gesinnung kann man freilich Keinem beibringen, aber Mancher wird doch wenigstens vorsichtiger werden, damit man ihn nicht geradezu bei den Ohren kriegen kann, und die Direktoren müssen auch anders zugreifen.“ Ein kleines Pröbchen, und wahrlich noch eins der mildesten, wie die Klicke „mit Gott für König und Junkerschaft“ die Wahlen theils verfälscht hat, theils zu verfälschen suchte. In einem der hiesigen Wahlbezirke wurde auf den verlesenen Namen Karl Schmidt (Charlottenstraße Nr. 3) Arbeitsmann, ein lautes „hier“ geantwortet. Der bisherige Wirth des Karl Schmidt erinnerte, daß Schmidt in einen andern Bezirk verzogen und die auf seinen Namen lautende Urwählerkarte zurückgegeben sei. Der wieder aufgerufene Name Karl Schmidt wurde abermals mit „hier“ beantwortet. Der Antwortgeber erklärte auf Befragen, daß er nicht Karl Schmidt sei, sondern Bonnes, Diener beim Major v. Rauchhaupt, daß die Karte ihm von Professor Huberdt, Vorstandsmitglied des patriotischen Vereins eingehändigt sei, damit er in dem Bezirke unter Schmidts Namen mitwähle, obgleich er nach Ausweis der Urwählerliste nicht zur Wahl berechtigt war. Der Bonnes wurde entfernt. In der großen Aufregung, welche das Ereigniß herbeiführte, vernahm man zahlreiche Stimmen, welche auch die Entfernung des Professor Huberdt forderten. Derselbe blieb jedoch bis zum Schluß des Wahlakts. 130 Halle, 24. Jan. Wissen Sie, weshalb die National-Versammlung in Berlin hat auseinandergejagt werden müssen und warum die Frankfurter Gesellschaft nahe daran ist, es zu werden? Sie denken vielleicht deshalb, weil jene über 5 Monate zur Besinnung brauchte, während die Contrerevolution sich viel früher besonnen hatte, und weil die Frankfurter überhaupt unfähig war, je zur Besinnung zu kommen? Irrthum, pure Täuschung! Die hiesige „Galgenzeitung“, (auch „Neue Halle'sche Ztg.“ genannt) hat in ihrer Nr. 9 den einzig haltbaren Grund entdeckt. Es ist der: „Beide Versammlungen haben ihre Sitzungen ohne kirchliche Feier begonnen, und damit ausgesprochen, daß sie Gottes und des göttlichen Segens nicht bedürften!“ Jetzt wissen Sie's. 61 Oberschlesisch-östreichische Gränze, 23. Januar. Gestern verbreitete sich hier die Nachricht und veranlaßte große Freude, daß die Magyaren einen bedeutenden Sieg erfochten. Das Wo und Wie habe ich noch nicht in Erfahrung bringen können; soviel indessen verlautet, soll der Sieg in Central-Ungarn, also wider Windischgrätz, erfochten worden sein. Gott gebe es! Bei dem Mangel an öffentlichen Blättern, namentlich freisinnigen, und bei dem allerwegen zur höchsten Vollkommenheit gebrachten russisch-östreichisch-preußischen Spionen-Unwesen und Verschwindungsgelüste ist es fast unmöglich, genaue Details in Erfahrung zu bringen. — Der Knutenkaiser, der Standrechtskaiser und der Kyffhäuserkaiser scheinen für unsere Ecke ganz besondere Besorgnisse zu hegen: sie mögen sich auch nichtgar zu sehr irren. Die ma- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar207-1_003" type="jArticle"> <pb facs="#f0002" n="1130"/> <p>Hr. Diergardt möge antworten. Antwortet er nicht, so wird sich wohl irgend ein ehrenhafter Wahlmann zur ersten Kammer finden, der ihn abermals und zwar <hi rendition="#g">auf sein Ehrenwort,</hi> darüber befragt.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>068</author></bibl> Koln, 27. Januar.</head> <p>In <hi rendition="#g">Erfurt</hi> hat trotz des Belagerungszustandes, und obgleich die Urwähler sich nur in kleiner Zahl (höchstens zu 10 Personen) versammeln und besprechen durften, die Demokratie ihre Gegner vollständig aus dem Felde geschlagen — dies geben selbst die ärgsten „Heuler“-Organe Berlins zu. Die heute aus der <hi rendition="#g">Mark Brandenburg</hi> weiter eingehenden Nachrichten lauten für die demokratische Partei viel günstiger, als irgend Jemand erwartet hätte. Aehnlich verhält es sich mit der Provinz <hi rendition="#g">Pommern</hi>. <hi rendition="#g">Cöslin</hi> hat unter 34 Wahlmännern 32 Demokraten, <hi rendition="#g">Colberg</hi> unter 38 Wahlmännern 34; in <hi rendition="#g">Wollin</hi> sind unter 17 Wahlmännern 15, welche das „liberale Komité“ (im Gegensatz zu den Preußenvereinlern) aufgestellt hatte, durchgegangen; in <hi rendition="#g">Neustettin</hi> 12 entschiedene Liberale und 5 Conservative, i. e. Reaktionärs. In <hi rendition="#g">Stargard</hi> gehören von 52 Wahlmännern 40 der „Linken“ an; in <hi rendition="#g">Stolp</hi> sind sämmtliche 49 Wahlmänner Demokraten. Auf dem platten Lande sind meist „kleine Leute“ gewählt worden. — <hi rendition="#g">Elbing</hi> hat, wie sich denken läßt, entschieden reaktionär gewählt. Die weitern Wahlberichte aus <hi rendition="#g">Schlesien</hi> bürgen dafür, daß die Majorität der Wahlmänner auf Seiten der Demokratie steht. In der Festung Posen sind die „Schwarzweißen“ Sieger geblieben. Krotoschin, Lissa, Kempen und mehrere andere posensche Städte haben vollständig im demokratischen Sinne gewählt. Das nämliche ist selbst in Rawicz der Fall gewesen, was doch früher als ein Hauptsitz der Reaktion galt.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 27. Januar.</head> <p>Zur Bestätigung unserer Mittheilungen aus <hi rendition="#g">Greifswald</hi> etc. lassen wir hier aus der „Kreuzritterin“, dem Organ der Brandenburg-Manteufel folgende zwei Wahlberichte wörtlich folgen: „<hi rendition="#g">Stargard</hi> in Pommern, den 23. Jan. Bei dem vorherrschend conservativen Geist unserer Bürgerschaft haben wir doch kaum ein Fünftel der Wahlmänner im Sinne vernunftgemäßer Freiheit und Ordnung durchgesetzt, und alle Wühler dieser guten Stadt sind zu Vertrauensmännern dergestalt geworden. In einem Bezirk, wo acht Wahlen geschahen, gelang es erst, unsern Haupt-Candidaten beim achten Male durchzubringen, und derselbe war ein Mann, <hi rendition="#g">dessen Freisinnigkeit vor dem März Niemand bezweifelte,</hi> der gesuchteste Arzt weit und breit, ein edler, gebildeter, humaner Mensch, geachtet, werkthätig, wie Wenige. Und wer ward ihm vorgezogen? Unter Anderen ein Mann, der in dem Thermometer der öffentlichen Meinung längst schon unter Null stand. Aber die Organisation der Demokraten war vortrefflich, während die Conservativen den Fehlgriff begingen, daß sie sich zersplitterten, indem sie theils bei den Durchgefallenen stehen blieben, theils zu den Folgenden vorgingen.“</p> <p>„<hi rendition="#g">Greifswald</hi>, den 23. Jan. Unter 50 Wahlmännern finden sich nur drei, die der conservativen Partei angehören, und wie man sagt, ist diesen Wenigen nur durch Mißgriffe, die die Demokraten eines Wahlbezirks begangen haben, der Sieg geworden. In den übrigen 16 Bezirken sind die Radicalen schon im Voraus ihres Sieges gewiß gewesen.“</p> <p>Solches meldet die brave „Kreuzritterin.“</p> </div> <div xml:id="ar207-1_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>Z</author></bibl> Düsseldorf, 25. Jan.</head> <p>Sie kennen bereits das Eindringen des Polizeimannes Hrn. v. <hi rendition="#g">Faldern</hi> in eine Versammlung der Wahlmänner, die Art seines Empfanges, seines Rückzugs etc. Ich berichte nun das Weitere. Nach Hrn. v. Falderns Abtritt waren die Verhandlungen bei verschlossenen Thüren mit Ruhe und Würde wieder aufgenommen worden. Aber draußen hatte sich jetzt schon eine unzählige Menschenmasse verbreitet, aus welcher manches Hoch den Demokraten, manches Hoch für Cantador und Lasalle erscholl. Starke Patrouillen erschienen sie zogen in breiten Reihen durch die Straßen, namentlich über die Bolkerstraße, auf welcher der Gasthof liegt. Wie man erzählt, soll sich der General Drigalski, — was Recht ist, muß Recht bleiben — sehr schön benommen haben; als man ihm nämlich den Vorfall hinterbrachte, soll er sich geäußert haben, daß, wenn die Polizei selbst einen Aufruhr veranlasse, sie denselben auch selbst unterdrücken möge; und er zog die Soldaten zurück. Man brachte dieser Handlung ein Hoch. Der Abend verlief demnächst ohne weitere Störung. Betrachtungen über diesen Vorfall anzustellen, wie das Gesetz, die Verfassung gehandhabt wird, welche Ursachen zu Grunde liegen, was wir in der Zukunft von der Gewalt zu hoffen haben, das mag sich Jeder selbst fragen. So viel ist gewiß, daß die Reaktion Alles aufbietet. Denken Sie sich, am Sonntage soll der Garnisonpfarrer Lampenscherff gepredigt haben: <hi rendition="#g">ein Demokrat könne kein guter Christ sein!</hi> — So wird jetzt das sogenannte „Gotteswort“ verdreht. Lampenscherff stand erst in Münster, ist jetzt hier Garnisonpfarrer mit bedeutendem Gehalte und schrecklich, schrecklich vieler Amtsarbeit!! Er sieht sehr gut genährt aus, und — hat jüngst von seinem Könige den rothen Adlerorden bekommen! sapienti sat.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Düsseldorf, 26. Januar.</head> <p>Gestern theilte ich Ihnen ein Pröbchen von der Art und Weise mit, wie die octroyirte Verfassung Seitens der begnadeten Königl. Preuß. Polizei gehandhabt wird. Heute kann ich Ihnen die Fortsetzung liefern. Unser octroyirter Polizei-Inspektor, v. Faldern, Ex-Lieutenant von Bonn, öster in Siegburg, wuthentbrannt über die gestern ihm angethane Schmach, daß der beschränkte Unterthanenverstand es gewagt, der Hohen Polizei nicht unbedingt Folge zu leisten; brennend vor Begierde, diese Scharte auszuwetzen und es seinen hohen Vorbildern Drigalski und Spiegel gleich zu thun, versuchte heute einen anderen der zahllosen preußischen Kniffe, um die Versammlungen unserer durch und durch demokratischen Wahlmänner zu hindern. Hr. v. Faldern erschien nämlich heute Mittag in dem Versammlungslokale bei Capellen, und in dem allbekannten preußischen Bureautone sprach der Gewaltige:</p> <lg type="poem"> <l>Ich bin der Herr v. Faldern — ja ich</l><lb/> <l>Polizei-Inspektor allhier, ja, ja</l><lb/> <l>Ich liebe die Freiheit gar mächtig,</l><lb/> <l>Doch ist mir hier vieles verdächtig.</l><lb/> </lg> <p>Fortfahrend in gewaltiger Rede erkundigte der Edle sich dann sehr theilnehmend, ob heute eine Versammlung der Wahlmänner sei. Ihm erwiderte darauf der Herr des Hauses Alexis: Entschuldigen Sie gefälligst, nein! Aber wenn Sie die Ehre haben wollen, noch nähere Bekanntschaft mit den Herren zu machen als gestern, so belieben Sie sich nur zur rechten Zeit einzufinden. Ob der feinen Wendung des Wirths ergrimmt, strich der Edle seinen preußisch-normalen Schnauzbart und drohte: „Morgen werde ich wiederkommen, ich habe meine Maßregeln getroffen, kommen Exzesse vor, so merken Sie sich die Anwesenden, diese sind für alles Vorfallende verantwortlich.“</p> <p rendition="#et">Sprachs und schüttelte grollend das Haupt, wie der König der Wüste,<lb/> Dem er jedoch nicht gleicht, vielmehr einem englischen Bulldog,<lb/> Wandte sich klirrenden Fußes sodann und verschwand mit Grandezza.</p> <p>Die Geschichte ist ungeheuer komisch, wenn sie nicht so verdammt ernst wäre. So wird also morgen der freiheitsliebende Polizeimann unsern Wahlmännern wieder zeigen, was das Ministerium Manteuffel darunter versteht, „freies Wahlrecht üben.“</p> </div> <div xml:id="ar207-1_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>096</author></bibl> Kreis Euskirchen, 25. Jan.</head> <p>Es freut mich, Ihnen auch von hier aus berichten zu können, daß der stattgehabte Wahlkampf fast in der ganzen Gegend zu Gunsten der Volkspartei entschieden worden ist. Die Ansicht, keine besoldeten Beamten in die Kammern zu wählen, ist vorherrschend bei den Wahlmännern, und es steht mit Gewißheit zu erwarten, daß unser Kreis nicht hinter den Wahlbezirken der rheinischen Städte zurückbleiben wird. — Die gottbegnadete Partei hält heute unter der Anführung des königl. schwarz-weißen Landraths Schroeder (einer Eintagsfliege des Brandenburger Domklubs) eine amtliche Berathung in Lechenich — worin vielleicht einigen Herren Pastores Gelegenheit gegeben wird, sich in herzbrechendem Lamento über die Verderbtheit des verblendeten Volks abzuquälen und die alte Geschichte vom kreisenden Berg und der Maus aufzuführen; Alles für Gott, König und Junkerschaft!</p> <p>Scheven, im Kreise Schleiden, hat im vorigen Frühjahre erst seine Berühmtheit erlangt. Auf einer ältern Karte werden Sie den Ort gewiß vergebens aufsuchen. Dieses Scheven verdankt sein Renomée dem dasigen Bürgermeister Fabritius. Derselbe ist ein Abkömmling aus der Bürgermeister-Fabrik des Landraths, Grafen von Beißel, Hochwohlgeboren, und dadurch bekannt, daß er bei den unter ihm stehenden Bauern in jeder Weise den Pascha en minature spielt. — Nach dem März wurden seine Verdienste erst in's rechte Licht gestellt, und das souveräne Volk ging mit der handgreiflich gewordenen Idee um, ihn <hi rendition="#g">weiter zu befördern</hi>. So etwas hatte der Dorf-Pascha nicht erwartet; sein Gebein zitterte und er versprach dem Volke Buße, ja, er stellte sich sogar an „die Spitze der Bewegung“, d. h. man gab ihm eine schwarz-roth-goldene Fahne in die Hand, hing ihm eine alte Gießkanne um den Hals, und so schritt er muthig auf den Wegen, die ihm das Volk vorzeichnete, als unfreiwilliger Tambour, seinem Schicksale entgegen. — Herr Fabritius war in letzter Zeit auch Sekretär des konstitutionellen Bürger-Vereins in Schleiden seligen Andenkens, Mitarbeiter des Schleidener Wochenblatts, und am 22. d. M. gottbegnadeter Wahl-Kommissar für Scheven und Umgegend. — Der Herr Bürgermeister mußte natürlich als Wahlmann gewählt werden, und um dieses hohe Ziel zu erreichen, mußte Alles aufgeboten werden. Die Urwähler waren versammelt, — der Wahlakt sollte beginnen, da überzählt er die Häupter seiner Lieben, und findet bei genauer Musterung, daß einige Urwähler zur ersten Kammer zugegen sind, die ihm möglicherweise den Sieg streitig machen könnten. Er dekretirt also, daß jene Herren weder Wähler seien, noch gewählt werden könnten, und zwar aus dem Grunde, weil sie Wähler der ersten Kammer seien. Einer der anwesenden bezeichneten Herren, H. K., Bergwerksbesitzer, protestirte gegen die bürgermeisterliche Willkür, und gleich erhoben sich kernige Fäuste, um diesen Protest thatkräftigst zu unterstützen. Hr. K. aber, dem der Hr. Bürgermeister persönlich die Thür gewiesen, fand es, um Skandal zu vermeiden, besser, das Wahl-Lokal zu verlassen; ihm folgten über 50 Urwähler, und während von dieser Seite ein schriftlicher Protest vorbereitet wurde, ließ sich der Hr. Bürgermeister von den zurückgebliebenen 17 Wählern zum schwarz-weißen Manteuffel'schen Wahlmanne stempeln. — Hr. K. hat die Sache bereits, von 50 Zeugen beglaubigt, der Regierung mitgetheilt, und wird sie nöthigenfalls bis an's Ministerium verfolgen. (Bis an die Kammer selbst, sonst hilft's doch nichts!)</p> </div> <div xml:id="ar207-1_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Bornheim.</head> <p>Bei den hiesigen Wahlen haben die Demokraten entschieden gesiegt.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Aldenhoven bei Jülich, 23. Jan.</head> <p>Bei der hier gestern stattgehabten Wahl ist der Demokratie zwar nicht der Sieg gelungen, indessen hat sie auch keine Niederlage erlitten, das Resultat ist, 3 Wahlmänner links, 3 rechts.</p> <p>Der hiesige Ort war in zwei Wahlbezirke eingetheilt und zum Commissar der rechten Seiite der hiesige Bürgermeister (sog. Oberbürgermeister, in Gnaden erlassener Landwehrlieutenant und Postexpediteur à la fois) ernannt.</p> <p>Diesem ausgezeichneten Kopf ist es nun nicht allein durch die Geltendmachung seiner gehabten und noch habenden Gewalten, sondern auch noch durch Anwendung folgender Manöver gelungen, die rechten Wahlmänner (worunter er natürlich selbst gehört) durchzubekommen.</p> <p>Nachdem die Versammlung nämlich als konstituirt erklärt, Protokollführer und Stimmzähler ernannt und vereidet waren, las der Bürgermeister einen, seine Weisheit bekundenden schriftlichen Aufsatz betitelt: „Meine lieben Mitbürger“ ab, worin namentlich die Aufforderung, nur Leute in seinem <hi rendition="#g">bekannten</hi> Sinne zu wähen, dann aber auch die lieblichen Worte des Königs an die Nessiner enthalten waren, welche sich obendrein noch einer herrlichen Interpretation zu erfreuen hatten. Die von einem der Urwähler gemachte Protestation gegen dieses parteiische und ungebührliche Verfahren erklärte der hochweise Commissar für Diskussion und verbot sie auf Grund des Reglements zum Wahlgesetz mit gravitätischer Commissarswürde. — Der Wahlgang wird übrigens angegriffen werden.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_011" type="jArticle"> <head>Jülich, 25. Jan.</head> <p>Auch hier hat die Volkspartei einen glänzenden Sieg davon getragen! Trotz aller nur erdenklicher Mühe der Gegenpartei, aller Anstrengung, Ueberredung (denn sogar das wohlbekannte politische Dichterkäuzchen hat seinen politischen Rundflug gemacht), trotz alledem und alledem haben die Demokraten von 16 Kandidaten in einem Bezirke alle acht, Herrn von Berg mit großer Majorität zuerst, und in andern sechs mit Glanz durchgebracht. Während die Herren Heuler schon wochenlang versammelt, geklüngelt, gedruckt und pamphletirt hatten, bedurfte es bei den Demokraten nur einer am Sonntag abgehaltenen Volksversammlung, um sie in Masse in die Wahllokale zu bringen! Die beiden zuletzt durchgekommenen Kandidaten gehören der Heulerpartei an, und sind ein Ingenieur-Lieutenant und der Wahlkommissar selbst, der beiläufig gesagt, schon bei der zweiten Wahl gegen den liberalen Gegenkandidaten, Beigeordneter Dr. B., 3 mal durchfiel, nachdem er die für ihn natürlich nicht günstige Wahl 2 mal umzustoßen vermocht hatte. Es sollen übrigens verborgene Kräfte bei diesen beiden Herren geholfen haben, besonders aber Urwähler, die wenigstens viel älter gewesen als ihre Taufscheine, und darunter viele Söhne der rothen Erde.</p> <p>Lauter Jubelruf, begleitet von obligaten Posthörnern, verkündeten dem fast eingeschlafenen Städtchen noch um 10 Uhr die frohe Botschaft. —</p> </div> <div xml:id="ar207-1_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Mayen.</head> <p>Der politische Klub in Mayen zeigt uns an, daß von den dortigen 21 Wahlmännern 18 der entschieden liberalen Partei angehören. In diesem Kreise wird also, vollends nach dem in Andernach erzielten Resultat, die Wiederwahl D'Ester's keinen Anstand finden.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>213</author></bibl> Crefeld, 26. Jan.</head> <p>Das Wahlresultat ist hier günstiger, als man uns anfangs berichtet hatte: von 134 Wahlmännern sind 54 oppositionell. Da in Neuß, Uerdingen, Linn und theilweise in Kempen die Demokraten gesiegt haben, so bringt der Kreis am Ende doch noch einen demokratischen Deputirten zu Stande.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>35</author></bibl> Hittorf, 26. Jan.</head> <p>Die Reaktionäre hatten hier alles aufgeboten, um die Wahlen in ihre Hände zu bekommen. Gegen 100 demokratische Urwähler waren von der Liste wegeskamotirt. Als es zur Wahl kam, weigerte sich der Kommissar, den desfallsigen Protest dem Protokoll beizufügen. Die Demokraten erklärten, sich zurückziehen zu wollen. Der Wahlkommissar bestand darauf, die Wahl vorzunehmen und wenn nur 10 Urwähler gegenwärtig seien. Da blieben die Demokraten und setzten, trotz aller Intriguen, <hi rendition="#g">alle ihre sieben Kandidaten durch</hi>.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>104</author></bibl> Mettman, 25. Jan.</head> <p>Wir müssen die frühere Nachricht, daß die Wahlen hier ganz reaktioniär ausgefallen, dahin berichtigen, daß es doch nicht so schlimm damit aussieht. Zwar ist der preußische Steuereinnehmer (Wagner), ein entschiedener Reaktionär, zum Wahlmann ernannt worden. Die übrigen Wahlen sind aber nur auf Leute aus dem Handwerkerstande von unentschiedener politischer Gesinnung und auf Demokraten gefallen. Eins aber muß hier noch bemerkt werden, daß die Heulerpartei ihren Arbeitern befohlen und sie gezwungen hat, bei keinem Handwerksmann, Krämer etc. zu kaufen, und zu keinem Gastwirth zu gehen, die sich nicht verpflichteten, im „heulerischen“ Interesse zu stimmen oder die gar offene Opposition gegen das gottbegnadete „Schwarz-weißthum“ wagen sollten.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>068</author></bibl> Berlin, 25. Jan.</head> <p>In allen vier größeren Wahlbezirken haben gestern Abend Versammlungen der Wahlmänner, behufs Vorbereitung für die Deputirtenwahlen stattgefunden. Nur eine derselben hatte einen gemischten Charakter, nämlich die im Hotel de Nussie gehaltene des 2. Bezirks, in welchem die demokratische Partei nur eine schwache Majorität hat. Die übrigen drei Versammlungen trugen einen ausschließlichen Parteicharakter, waren aber jede von weit über 200 Wahlmännern besucht. Diese eine Thatsache thut also auf die schlagendste Weise die Wahrheit dar, daß die Wahlen hier ganz im Sinne der Oppositionspartei ausfallen werden, eine Wahrheit, die jetzt so handgreiflich ist, daß selbst Tante Voß sie heute Morgen eingesteht. Die Personenfrage ward in den Parteiversammlungen einstweilen ganz vertagt und ein Comite von 5 Wahlbezirken für jeden Bezirk ernannt, um gemeinschaftlich über die Vertheilung der Abgeordneten unter die einzelnen Bezirke zu berathen. Dagegen ward die Prinzipienfrage und namentlich das Verhältniß der zu Wählenden zur oktroyirten Verfassung vielfach besprochen und äußerte man sich durchschnittlich dahin, daß dieselbe für die neue Versammlung etwa das sein sollte, was der Camphausen'sche Entwurf für die Nationalversammlung war. Nur machte sich hierbei zwischen den einzelnen Bezirken der Unterschied bemerkbar, daß diese Ansicht z. B. im dritten den entschiedenern Wahlmännern angehörte, während sie umgekehrt im vierten nur als ein aus Nützlichkeitsrücksichten angenommenes Amendement zu einem viel weiter gehenden Hauptvorschlage auf Nichtanerkennung der Verfassung auftrat. Ueberhaupt ist dieser vierte Hauptbezirk der radikalste. Außer diesen allgemeinen Beschlüssen ward in der Versammlung des ersten Wahlbezirks eine Petition der Wahlmänner an das Ministerium, um baldige Aufhebung des Belagerungszustandes beschlossen und eine Kommission mit Ausarbeitung derselben beauftragt. Die Versammlungen der Wahlmänner werden übrigens zur gegenseitigen Besprechung und Einigung jeden Abend stattfinden. Gewisse Kandidaturen, wie Waldeck, Jacoby, Temme, Berends, erscheinen schon jetzt ganz gesichert. Neu auftauchende demokratische werden sich wohl erst bei den in Berlin unausbleiblichen Nachwahlen geltend machen, und auch bei diesem Anlasse erst wird es einzelnen Interessen, die sich gern vertreten sehen möchten, gelingen, Einfluß auf die Wahlen zu üben.</p> <p>In einer Kompagnie der hiesigen Garnison, die zufällig allein einen Wahlmann zu stellen hatte, soll sich folgender Vorfall zugetragen haben. Vor Beginn der Wahl sagte der Hauptmann, der und der Offizier ist zu wählen, alle diejenigen, die es mit ihrem Könige gut meinen und diesen Offizier wählen wollen, mögen sich auf jene Seite des Saales begeben. Anfangs zeigte sich einige Unschlüssigkeit; nachdem aber erst Einige Ordre parirt hatten, siegte die Macht der Disziplin und die ganze Kompagnie trat über. Nur ein Unteroffizier blieb stehen. Um das Warum befragt, antwortete er: Ich glaube, es ist der Wille des Königs, daß wir nach den Eingebungen unseres eigenen Vertrauens und nicht nach Ordre wählen sollen. Der Hauptmann verbiß seinen Grimm und die Wahloperation ging vor sich, ergab aber das unerwartete Resultat, daß beinahe sämmtliche Stimmen der Kompagnie dem renitenten Unteroffizier zufielen.</p> <p>Wegen eines im Juni hier erschienenen Plakats: „Offener Brief an den gewesenen Ober-Borgermeister Krausnick von Isaac Moses Hersch“ hatte Hr. Krausnick gegen den Buchhändler Löwenberg und die Buchdrucker Brandes und Schulze auf Pasquill geklagt. Die drei Angeklagten wurden gestern „von der Anklage entbunden,“ weil der eigentliche Verfasser nicht zu ermitteln war und gegen den Verleger und die Drucker nicht genügender Beweis vorlag, daß sie den Inhalt vollständig gekannt hatten.</p> <p>Die Brandenburg-Manteufel'sche „Galgenzeitung“ ist über den Erlaß des Hrn. v. Ladenberg an die Volksschullehrer, resp. seine drohende Aufforderung an dieselben, sich unter jeder Bedingung als contrerevolutionäre Wahlagenten zu prostituiren, förmlich entzückt. „Ton und Inhalt“ findet sie gleich „vortrefflich;“ den Lehrern und Direktoren sei nun das Gewissen „rücksichtlich ihrer amtlichen (?) und bürgerlichen (!) Stellung <hi rendition="#g">geschärft</hi> worden.“ Das liebliche Blatt fügt unter Anderm hinzu: „Die rechte Gesinnung kann man freilich Keinem beibringen, aber Mancher wird doch wenigstens vorsichtiger werden, damit man ihn nicht geradezu bei den Ohren kriegen kann, und die Direktoren müssen auch anders zugreifen.“</p> <p>Ein kleines Pröbchen, und wahrlich noch eins der mildesten, wie die Klicke „mit Gott für König und Junkerschaft“ die Wahlen theils verfälscht hat, theils zu verfälschen suchte. In einem der hiesigen Wahlbezirke wurde auf den verlesenen Namen Karl Schmidt (Charlottenstraße Nr. 3) Arbeitsmann, ein lautes „hier“ geantwortet. Der bisherige Wirth des Karl Schmidt erinnerte, daß Schmidt in einen andern Bezirk verzogen und die auf seinen Namen lautende Urwählerkarte zurückgegeben sei. Der wieder aufgerufene Name Karl Schmidt wurde abermals mit „hier“ beantwortet. Der Antwortgeber erklärte auf Befragen, daß er nicht Karl Schmidt sei, sondern Bonnes, Diener beim Major v. Rauchhaupt, daß die Karte ihm von <hi rendition="#b">Professor Huberdt, Vorstandsmitglied des patriotischen Vereins</hi> eingehändigt sei, damit er in dem Bezirke unter Schmidts Namen mitwähle, obgleich er nach Ausweis der Urwählerliste nicht zur Wahl berechtigt war. Der Bonnes wurde entfernt. In der großen Aufregung, welche das Ereigniß herbeiführte, vernahm man zahlreiche Stimmen, welche auch die Entfernung des Professor Huberdt forderten. Derselbe blieb jedoch bis zum Schluß des Wahlakts.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>130</author></bibl> Halle, 24. Jan.</head> <p>Wissen Sie, weshalb die National-Versammlung in Berlin hat auseinandergejagt werden müssen und warum die Frankfurter Gesellschaft nahe daran ist, es zu werden? Sie denken vielleicht deshalb, weil jene über 5 Monate zur Besinnung brauchte, während die Contrerevolution sich viel früher besonnen hatte, und weil die Frankfurter überhaupt unfähig war, je zur Besinnung zu kommen? Irrthum, pure Täuschung! Die hiesige „Galgenzeitung“, (auch „Neue Halle'sche Ztg.“ genannt) hat in ihrer Nr. 9 den einzig haltbaren Grund entdeckt. Es ist der: „Beide Versammlungen haben ihre Sitzungen ohne kirchliche Feier begonnen, und damit ausgesprochen, daß sie Gottes und des göttlichen Segens nicht bedürften!“ Jetzt wissen Sie's.</p> </div> <div xml:id="ar207-1_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Oberschlesisch-östreichische Gränze, 23. Januar.</head> <p>Gestern verbreitete sich hier die Nachricht und veranlaßte große Freude, daß die Magyaren einen bedeutenden Sieg erfochten. Das Wo und Wie habe ich noch nicht in Erfahrung bringen können; soviel indessen verlautet, soll der Sieg in Central-Ungarn, also wider Windischgrätz, erfochten worden sein. Gott gebe es!</p> <p>Bei dem Mangel an öffentlichen Blättern, namentlich freisinnigen, und bei dem allerwegen zur höchsten Vollkommenheit gebrachten russisch-östreichisch-preußischen Spionen-Unwesen und Verschwindungsgelüste ist es fast unmöglich, genaue Details in Erfahrung zu bringen. — Der Knutenkaiser, der Standrechtskaiser und der Kyffhäuserkaiser scheinen für unsere Ecke ganz besondere Besorgnisse zu hegen: sie mögen sich auch nichtgar zu sehr irren. Die ma- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1130/0002]
Hr. Diergardt möge antworten. Antwortet er nicht, so wird sich wohl irgend ein ehrenhafter Wahlmann zur ersten Kammer finden, der ihn abermals und zwar auf sein Ehrenwort, darüber befragt.
068 Koln, 27. Januar. In Erfurt hat trotz des Belagerungszustandes, und obgleich die Urwähler sich nur in kleiner Zahl (höchstens zu 10 Personen) versammeln und besprechen durften, die Demokratie ihre Gegner vollständig aus dem Felde geschlagen — dies geben selbst die ärgsten „Heuler“-Organe Berlins zu. Die heute aus der Mark Brandenburg weiter eingehenden Nachrichten lauten für die demokratische Partei viel günstiger, als irgend Jemand erwartet hätte. Aehnlich verhält es sich mit der Provinz Pommern. Cöslin hat unter 34 Wahlmännern 32 Demokraten, Colberg unter 38 Wahlmännern 34; in Wollin sind unter 17 Wahlmännern 15, welche das „liberale Komité“ (im Gegensatz zu den Preußenvereinlern) aufgestellt hatte, durchgegangen; in Neustettin 12 entschiedene Liberale und 5 Conservative, i. e. Reaktionärs. In Stargard gehören von 52 Wahlmännern 40 der „Linken“ an; in Stolp sind sämmtliche 49 Wahlmänner Demokraten. Auf dem platten Lande sind meist „kleine Leute“ gewählt worden. — Elbing hat, wie sich denken läßt, entschieden reaktionär gewählt. Die weitern Wahlberichte aus Schlesien bürgen dafür, daß die Majorität der Wahlmänner auf Seiten der Demokratie steht. In der Festung Posen sind die „Schwarzweißen“ Sieger geblieben. Krotoschin, Lissa, Kempen und mehrere andere posensche Städte haben vollständig im demokratischen Sinne gewählt. Das nämliche ist selbst in Rawicz der Fall gewesen, was doch früher als ein Hauptsitz der Reaktion galt.
068 Köln, 27. Januar. Zur Bestätigung unserer Mittheilungen aus Greifswald etc. lassen wir hier aus der „Kreuzritterin“, dem Organ der Brandenburg-Manteufel folgende zwei Wahlberichte wörtlich folgen: „Stargard in Pommern, den 23. Jan. Bei dem vorherrschend conservativen Geist unserer Bürgerschaft haben wir doch kaum ein Fünftel der Wahlmänner im Sinne vernunftgemäßer Freiheit und Ordnung durchgesetzt, und alle Wühler dieser guten Stadt sind zu Vertrauensmännern dergestalt geworden. In einem Bezirk, wo acht Wahlen geschahen, gelang es erst, unsern Haupt-Candidaten beim achten Male durchzubringen, und derselbe war ein Mann, dessen Freisinnigkeit vor dem März Niemand bezweifelte, der gesuchteste Arzt weit und breit, ein edler, gebildeter, humaner Mensch, geachtet, werkthätig, wie Wenige. Und wer ward ihm vorgezogen? Unter Anderen ein Mann, der in dem Thermometer der öffentlichen Meinung längst schon unter Null stand. Aber die Organisation der Demokraten war vortrefflich, während die Conservativen den Fehlgriff begingen, daß sie sich zersplitterten, indem sie theils bei den Durchgefallenen stehen blieben, theils zu den Folgenden vorgingen.“
„Greifswald, den 23. Jan. Unter 50 Wahlmännern finden sich nur drei, die der conservativen Partei angehören, und wie man sagt, ist diesen Wenigen nur durch Mißgriffe, die die Demokraten eines Wahlbezirks begangen haben, der Sieg geworden. In den übrigen 16 Bezirken sind die Radicalen schon im Voraus ihres Sieges gewiß gewesen.“
Solches meldet die brave „Kreuzritterin.“
Z Düsseldorf, 25. Jan. Sie kennen bereits das Eindringen des Polizeimannes Hrn. v. Faldern in eine Versammlung der Wahlmänner, die Art seines Empfanges, seines Rückzugs etc. Ich berichte nun das Weitere. Nach Hrn. v. Falderns Abtritt waren die Verhandlungen bei verschlossenen Thüren mit Ruhe und Würde wieder aufgenommen worden. Aber draußen hatte sich jetzt schon eine unzählige Menschenmasse verbreitet, aus welcher manches Hoch den Demokraten, manches Hoch für Cantador und Lasalle erscholl. Starke Patrouillen erschienen sie zogen in breiten Reihen durch die Straßen, namentlich über die Bolkerstraße, auf welcher der Gasthof liegt. Wie man erzählt, soll sich der General Drigalski, — was Recht ist, muß Recht bleiben — sehr schön benommen haben; als man ihm nämlich den Vorfall hinterbrachte, soll er sich geäußert haben, daß, wenn die Polizei selbst einen Aufruhr veranlasse, sie denselben auch selbst unterdrücken möge; und er zog die Soldaten zurück. Man brachte dieser Handlung ein Hoch. Der Abend verlief demnächst ohne weitere Störung. Betrachtungen über diesen Vorfall anzustellen, wie das Gesetz, die Verfassung gehandhabt wird, welche Ursachen zu Grunde liegen, was wir in der Zukunft von der Gewalt zu hoffen haben, das mag sich Jeder selbst fragen. So viel ist gewiß, daß die Reaktion Alles aufbietet. Denken Sie sich, am Sonntage soll der Garnisonpfarrer Lampenscherff gepredigt haben: ein Demokrat könne kein guter Christ sein! — So wird jetzt das sogenannte „Gotteswort“ verdreht. Lampenscherff stand erst in Münster, ist jetzt hier Garnisonpfarrer mit bedeutendem Gehalte und schrecklich, schrecklich vieler Amtsarbeit!! Er sieht sehr gut genährt aus, und — hat jüngst von seinem Könige den rothen Adlerorden bekommen! sapienti sat.
15 Düsseldorf, 26. Januar. Gestern theilte ich Ihnen ein Pröbchen von der Art und Weise mit, wie die octroyirte Verfassung Seitens der begnadeten Königl. Preuß. Polizei gehandhabt wird. Heute kann ich Ihnen die Fortsetzung liefern. Unser octroyirter Polizei-Inspektor, v. Faldern, Ex-Lieutenant von Bonn, öster in Siegburg, wuthentbrannt über die gestern ihm angethane Schmach, daß der beschränkte Unterthanenverstand es gewagt, der Hohen Polizei nicht unbedingt Folge zu leisten; brennend vor Begierde, diese Scharte auszuwetzen und es seinen hohen Vorbildern Drigalski und Spiegel gleich zu thun, versuchte heute einen anderen der zahllosen preußischen Kniffe, um die Versammlungen unserer durch und durch demokratischen Wahlmänner zu hindern. Hr. v. Faldern erschien nämlich heute Mittag in dem Versammlungslokale bei Capellen, und in dem allbekannten preußischen Bureautone sprach der Gewaltige:
Ich bin der Herr v. Faldern — ja ich
Polizei-Inspektor allhier, ja, ja
Ich liebe die Freiheit gar mächtig,
Doch ist mir hier vieles verdächtig.
Fortfahrend in gewaltiger Rede erkundigte der Edle sich dann sehr theilnehmend, ob heute eine Versammlung der Wahlmänner sei. Ihm erwiderte darauf der Herr des Hauses Alexis: Entschuldigen Sie gefälligst, nein! Aber wenn Sie die Ehre haben wollen, noch nähere Bekanntschaft mit den Herren zu machen als gestern, so belieben Sie sich nur zur rechten Zeit einzufinden. Ob der feinen Wendung des Wirths ergrimmt, strich der Edle seinen preußisch-normalen Schnauzbart und drohte: „Morgen werde ich wiederkommen, ich habe meine Maßregeln getroffen, kommen Exzesse vor, so merken Sie sich die Anwesenden, diese sind für alles Vorfallende verantwortlich.“
Sprachs und schüttelte grollend das Haupt, wie der König der Wüste,
Dem er jedoch nicht gleicht, vielmehr einem englischen Bulldog,
Wandte sich klirrenden Fußes sodann und verschwand mit Grandezza.
Die Geschichte ist ungeheuer komisch, wenn sie nicht so verdammt ernst wäre. So wird also morgen der freiheitsliebende Polizeimann unsern Wahlmännern wieder zeigen, was das Ministerium Manteuffel darunter versteht, „freies Wahlrecht üben.“
096 Kreis Euskirchen, 25. Jan. Es freut mich, Ihnen auch von hier aus berichten zu können, daß der stattgehabte Wahlkampf fast in der ganzen Gegend zu Gunsten der Volkspartei entschieden worden ist. Die Ansicht, keine besoldeten Beamten in die Kammern zu wählen, ist vorherrschend bei den Wahlmännern, und es steht mit Gewißheit zu erwarten, daß unser Kreis nicht hinter den Wahlbezirken der rheinischen Städte zurückbleiben wird. — Die gottbegnadete Partei hält heute unter der Anführung des königl. schwarz-weißen Landraths Schroeder (einer Eintagsfliege des Brandenburger Domklubs) eine amtliche Berathung in Lechenich — worin vielleicht einigen Herren Pastores Gelegenheit gegeben wird, sich in herzbrechendem Lamento über die Verderbtheit des verblendeten Volks abzuquälen und die alte Geschichte vom kreisenden Berg und der Maus aufzuführen; Alles für Gott, König und Junkerschaft!
Scheven, im Kreise Schleiden, hat im vorigen Frühjahre erst seine Berühmtheit erlangt. Auf einer ältern Karte werden Sie den Ort gewiß vergebens aufsuchen. Dieses Scheven verdankt sein Renomée dem dasigen Bürgermeister Fabritius. Derselbe ist ein Abkömmling aus der Bürgermeister-Fabrik des Landraths, Grafen von Beißel, Hochwohlgeboren, und dadurch bekannt, daß er bei den unter ihm stehenden Bauern in jeder Weise den Pascha en minature spielt. — Nach dem März wurden seine Verdienste erst in's rechte Licht gestellt, und das souveräne Volk ging mit der handgreiflich gewordenen Idee um, ihn weiter zu befördern. So etwas hatte der Dorf-Pascha nicht erwartet; sein Gebein zitterte und er versprach dem Volke Buße, ja, er stellte sich sogar an „die Spitze der Bewegung“, d. h. man gab ihm eine schwarz-roth-goldene Fahne in die Hand, hing ihm eine alte Gießkanne um den Hals, und so schritt er muthig auf den Wegen, die ihm das Volk vorzeichnete, als unfreiwilliger Tambour, seinem Schicksale entgegen. — Herr Fabritius war in letzter Zeit auch Sekretär des konstitutionellen Bürger-Vereins in Schleiden seligen Andenkens, Mitarbeiter des Schleidener Wochenblatts, und am 22. d. M. gottbegnadeter Wahl-Kommissar für Scheven und Umgegend. — Der Herr Bürgermeister mußte natürlich als Wahlmann gewählt werden, und um dieses hohe Ziel zu erreichen, mußte Alles aufgeboten werden. Die Urwähler waren versammelt, — der Wahlakt sollte beginnen, da überzählt er die Häupter seiner Lieben, und findet bei genauer Musterung, daß einige Urwähler zur ersten Kammer zugegen sind, die ihm möglicherweise den Sieg streitig machen könnten. Er dekretirt also, daß jene Herren weder Wähler seien, noch gewählt werden könnten, und zwar aus dem Grunde, weil sie Wähler der ersten Kammer seien. Einer der anwesenden bezeichneten Herren, H. K., Bergwerksbesitzer, protestirte gegen die bürgermeisterliche Willkür, und gleich erhoben sich kernige Fäuste, um diesen Protest thatkräftigst zu unterstützen. Hr. K. aber, dem der Hr. Bürgermeister persönlich die Thür gewiesen, fand es, um Skandal zu vermeiden, besser, das Wahl-Lokal zu verlassen; ihm folgten über 50 Urwähler, und während von dieser Seite ein schriftlicher Protest vorbereitet wurde, ließ sich der Hr. Bürgermeister von den zurückgebliebenen 17 Wählern zum schwarz-weißen Manteuffel'schen Wahlmanne stempeln. — Hr. K. hat die Sache bereits, von 50 Zeugen beglaubigt, der Regierung mitgetheilt, und wird sie nöthigenfalls bis an's Ministerium verfolgen. (Bis an die Kammer selbst, sonst hilft's doch nichts!)
12 Bornheim. Bei den hiesigen Wahlen haben die Demokraten entschieden gesiegt.
103 Aldenhoven bei Jülich, 23. Jan. Bei der hier gestern stattgehabten Wahl ist der Demokratie zwar nicht der Sieg gelungen, indessen hat sie auch keine Niederlage erlitten, das Resultat ist, 3 Wahlmänner links, 3 rechts.
Der hiesige Ort war in zwei Wahlbezirke eingetheilt und zum Commissar der rechten Seiite der hiesige Bürgermeister (sog. Oberbürgermeister, in Gnaden erlassener Landwehrlieutenant und Postexpediteur à la fois) ernannt.
Diesem ausgezeichneten Kopf ist es nun nicht allein durch die Geltendmachung seiner gehabten und noch habenden Gewalten, sondern auch noch durch Anwendung folgender Manöver gelungen, die rechten Wahlmänner (worunter er natürlich selbst gehört) durchzubekommen.
Nachdem die Versammlung nämlich als konstituirt erklärt, Protokollführer und Stimmzähler ernannt und vereidet waren, las der Bürgermeister einen, seine Weisheit bekundenden schriftlichen Aufsatz betitelt: „Meine lieben Mitbürger“ ab, worin namentlich die Aufforderung, nur Leute in seinem bekannten Sinne zu wähen, dann aber auch die lieblichen Worte des Königs an die Nessiner enthalten waren, welche sich obendrein noch einer herrlichen Interpretation zu erfreuen hatten. Die von einem der Urwähler gemachte Protestation gegen dieses parteiische und ungebührliche Verfahren erklärte der hochweise Commissar für Diskussion und verbot sie auf Grund des Reglements zum Wahlgesetz mit gravitätischer Commissarswürde. — Der Wahlgang wird übrigens angegriffen werden.
Jülich, 25. Jan. Auch hier hat die Volkspartei einen glänzenden Sieg davon getragen! Trotz aller nur erdenklicher Mühe der Gegenpartei, aller Anstrengung, Ueberredung (denn sogar das wohlbekannte politische Dichterkäuzchen hat seinen politischen Rundflug gemacht), trotz alledem und alledem haben die Demokraten von 16 Kandidaten in einem Bezirke alle acht, Herrn von Berg mit großer Majorität zuerst, und in andern sechs mit Glanz durchgebracht. Während die Herren Heuler schon wochenlang versammelt, geklüngelt, gedruckt und pamphletirt hatten, bedurfte es bei den Demokraten nur einer am Sonntag abgehaltenen Volksversammlung, um sie in Masse in die Wahllokale zu bringen! Die beiden zuletzt durchgekommenen Kandidaten gehören der Heulerpartei an, und sind ein Ingenieur-Lieutenant und der Wahlkommissar selbst, der beiläufig gesagt, schon bei der zweiten Wahl gegen den liberalen Gegenkandidaten, Beigeordneter Dr. B., 3 mal durchfiel, nachdem er die für ihn natürlich nicht günstige Wahl 2 mal umzustoßen vermocht hatte. Es sollen übrigens verborgene Kräfte bei diesen beiden Herren geholfen haben, besonders aber Urwähler, die wenigstens viel älter gewesen als ihre Taufscheine, und darunter viele Söhne der rothen Erde.
Lauter Jubelruf, begleitet von obligaten Posthörnern, verkündeten dem fast eingeschlafenen Städtchen noch um 10 Uhr die frohe Botschaft. —
X Mayen. Der politische Klub in Mayen zeigt uns an, daß von den dortigen 21 Wahlmännern 18 der entschieden liberalen Partei angehören. In diesem Kreise wird also, vollends nach dem in Andernach erzielten Resultat, die Wiederwahl D'Ester's keinen Anstand finden.
213 Crefeld, 26. Jan. Das Wahlresultat ist hier günstiger, als man uns anfangs berichtet hatte: von 134 Wahlmännern sind 54 oppositionell. Da in Neuß, Uerdingen, Linn und theilweise in Kempen die Demokraten gesiegt haben, so bringt der Kreis am Ende doch noch einen demokratischen Deputirten zu Stande.
35 Hittorf, 26. Jan. Die Reaktionäre hatten hier alles aufgeboten, um die Wahlen in ihre Hände zu bekommen. Gegen 100 demokratische Urwähler waren von der Liste wegeskamotirt. Als es zur Wahl kam, weigerte sich der Kommissar, den desfallsigen Protest dem Protokoll beizufügen. Die Demokraten erklärten, sich zurückziehen zu wollen. Der Wahlkommissar bestand darauf, die Wahl vorzunehmen und wenn nur 10 Urwähler gegenwärtig seien. Da blieben die Demokraten und setzten, trotz aller Intriguen, alle ihre sieben Kandidaten durch.
104 Mettman, 25. Jan. Wir müssen die frühere Nachricht, daß die Wahlen hier ganz reaktioniär ausgefallen, dahin berichtigen, daß es doch nicht so schlimm damit aussieht. Zwar ist der preußische Steuereinnehmer (Wagner), ein entschiedener Reaktionär, zum Wahlmann ernannt worden. Die übrigen Wahlen sind aber nur auf Leute aus dem Handwerkerstande von unentschiedener politischer Gesinnung und auf Demokraten gefallen. Eins aber muß hier noch bemerkt werden, daß die Heulerpartei ihren Arbeitern befohlen und sie gezwungen hat, bei keinem Handwerksmann, Krämer etc. zu kaufen, und zu keinem Gastwirth zu gehen, die sich nicht verpflichteten, im „heulerischen“ Interesse zu stimmen oder die gar offene Opposition gegen das gottbegnadete „Schwarz-weißthum“ wagen sollten.
068 Berlin, 25. Jan. In allen vier größeren Wahlbezirken haben gestern Abend Versammlungen der Wahlmänner, behufs Vorbereitung für die Deputirtenwahlen stattgefunden. Nur eine derselben hatte einen gemischten Charakter, nämlich die im Hotel de Nussie gehaltene des 2. Bezirks, in welchem die demokratische Partei nur eine schwache Majorität hat. Die übrigen drei Versammlungen trugen einen ausschließlichen Parteicharakter, waren aber jede von weit über 200 Wahlmännern besucht. Diese eine Thatsache thut also auf die schlagendste Weise die Wahrheit dar, daß die Wahlen hier ganz im Sinne der Oppositionspartei ausfallen werden, eine Wahrheit, die jetzt so handgreiflich ist, daß selbst Tante Voß sie heute Morgen eingesteht. Die Personenfrage ward in den Parteiversammlungen einstweilen ganz vertagt und ein Comite von 5 Wahlbezirken für jeden Bezirk ernannt, um gemeinschaftlich über die Vertheilung der Abgeordneten unter die einzelnen Bezirke zu berathen. Dagegen ward die Prinzipienfrage und namentlich das Verhältniß der zu Wählenden zur oktroyirten Verfassung vielfach besprochen und äußerte man sich durchschnittlich dahin, daß dieselbe für die neue Versammlung etwa das sein sollte, was der Camphausen'sche Entwurf für die Nationalversammlung war. Nur machte sich hierbei zwischen den einzelnen Bezirken der Unterschied bemerkbar, daß diese Ansicht z. B. im dritten den entschiedenern Wahlmännern angehörte, während sie umgekehrt im vierten nur als ein aus Nützlichkeitsrücksichten angenommenes Amendement zu einem viel weiter gehenden Hauptvorschlage auf Nichtanerkennung der Verfassung auftrat. Ueberhaupt ist dieser vierte Hauptbezirk der radikalste. Außer diesen allgemeinen Beschlüssen ward in der Versammlung des ersten Wahlbezirks eine Petition der Wahlmänner an das Ministerium, um baldige Aufhebung des Belagerungszustandes beschlossen und eine Kommission mit Ausarbeitung derselben beauftragt. Die Versammlungen der Wahlmänner werden übrigens zur gegenseitigen Besprechung und Einigung jeden Abend stattfinden. Gewisse Kandidaturen, wie Waldeck, Jacoby, Temme, Berends, erscheinen schon jetzt ganz gesichert. Neu auftauchende demokratische werden sich wohl erst bei den in Berlin unausbleiblichen Nachwahlen geltend machen, und auch bei diesem Anlasse erst wird es einzelnen Interessen, die sich gern vertreten sehen möchten, gelingen, Einfluß auf die Wahlen zu üben.
In einer Kompagnie der hiesigen Garnison, die zufällig allein einen Wahlmann zu stellen hatte, soll sich folgender Vorfall zugetragen haben. Vor Beginn der Wahl sagte der Hauptmann, der und der Offizier ist zu wählen, alle diejenigen, die es mit ihrem Könige gut meinen und diesen Offizier wählen wollen, mögen sich auf jene Seite des Saales begeben. Anfangs zeigte sich einige Unschlüssigkeit; nachdem aber erst Einige Ordre parirt hatten, siegte die Macht der Disziplin und die ganze Kompagnie trat über. Nur ein Unteroffizier blieb stehen. Um das Warum befragt, antwortete er: Ich glaube, es ist der Wille des Königs, daß wir nach den Eingebungen unseres eigenen Vertrauens und nicht nach Ordre wählen sollen. Der Hauptmann verbiß seinen Grimm und die Wahloperation ging vor sich, ergab aber das unerwartete Resultat, daß beinahe sämmtliche Stimmen der Kompagnie dem renitenten Unteroffizier zufielen.
Wegen eines im Juni hier erschienenen Plakats: „Offener Brief an den gewesenen Ober-Borgermeister Krausnick von Isaac Moses Hersch“ hatte Hr. Krausnick gegen den Buchhändler Löwenberg und die Buchdrucker Brandes und Schulze auf Pasquill geklagt. Die drei Angeklagten wurden gestern „von der Anklage entbunden,“ weil der eigentliche Verfasser nicht zu ermitteln war und gegen den Verleger und die Drucker nicht genügender Beweis vorlag, daß sie den Inhalt vollständig gekannt hatten.
Die Brandenburg-Manteufel'sche „Galgenzeitung“ ist über den Erlaß des Hrn. v. Ladenberg an die Volksschullehrer, resp. seine drohende Aufforderung an dieselben, sich unter jeder Bedingung als contrerevolutionäre Wahlagenten zu prostituiren, förmlich entzückt. „Ton und Inhalt“ findet sie gleich „vortrefflich;“ den Lehrern und Direktoren sei nun das Gewissen „rücksichtlich ihrer amtlichen (?) und bürgerlichen (!) Stellung geschärft worden.“ Das liebliche Blatt fügt unter Anderm hinzu: „Die rechte Gesinnung kann man freilich Keinem beibringen, aber Mancher wird doch wenigstens vorsichtiger werden, damit man ihn nicht geradezu bei den Ohren kriegen kann, und die Direktoren müssen auch anders zugreifen.“
Ein kleines Pröbchen, und wahrlich noch eins der mildesten, wie die Klicke „mit Gott für König und Junkerschaft“ die Wahlen theils verfälscht hat, theils zu verfälschen suchte. In einem der hiesigen Wahlbezirke wurde auf den verlesenen Namen Karl Schmidt (Charlottenstraße Nr. 3) Arbeitsmann, ein lautes „hier“ geantwortet. Der bisherige Wirth des Karl Schmidt erinnerte, daß Schmidt in einen andern Bezirk verzogen und die auf seinen Namen lautende Urwählerkarte zurückgegeben sei. Der wieder aufgerufene Name Karl Schmidt wurde abermals mit „hier“ beantwortet. Der Antwortgeber erklärte auf Befragen, daß er nicht Karl Schmidt sei, sondern Bonnes, Diener beim Major v. Rauchhaupt, daß die Karte ihm von Professor Huberdt, Vorstandsmitglied des patriotischen Vereins eingehändigt sei, damit er in dem Bezirke unter Schmidts Namen mitwähle, obgleich er nach Ausweis der Urwählerliste nicht zur Wahl berechtigt war. Der Bonnes wurde entfernt. In der großen Aufregung, welche das Ereigniß herbeiführte, vernahm man zahlreiche Stimmen, welche auch die Entfernung des Professor Huberdt forderten. Derselbe blieb jedoch bis zum Schluß des Wahlakts.
130 Halle, 24. Jan. Wissen Sie, weshalb die National-Versammlung in Berlin hat auseinandergejagt werden müssen und warum die Frankfurter Gesellschaft nahe daran ist, es zu werden? Sie denken vielleicht deshalb, weil jene über 5 Monate zur Besinnung brauchte, während die Contrerevolution sich viel früher besonnen hatte, und weil die Frankfurter überhaupt unfähig war, je zur Besinnung zu kommen? Irrthum, pure Täuschung! Die hiesige „Galgenzeitung“, (auch „Neue Halle'sche Ztg.“ genannt) hat in ihrer Nr. 9 den einzig haltbaren Grund entdeckt. Es ist der: „Beide Versammlungen haben ihre Sitzungen ohne kirchliche Feier begonnen, und damit ausgesprochen, daß sie Gottes und des göttlichen Segens nicht bedürften!“ Jetzt wissen Sie's.
61 Oberschlesisch-östreichische Gränze, 23. Januar. Gestern verbreitete sich hier die Nachricht und veranlaßte große Freude, daß die Magyaren einen bedeutenden Sieg erfochten. Das Wo und Wie habe ich noch nicht in Erfahrung bringen können; soviel indessen verlautet, soll der Sieg in Central-Ungarn, also wider Windischgrätz, erfochten worden sein. Gott gebe es!
Bei dem Mangel an öffentlichen Blättern, namentlich freisinnigen, und bei dem allerwegen zur höchsten Vollkommenheit gebrachten russisch-östreichisch-preußischen Spionen-Unwesen und Verschwindungsgelüste ist es fast unmöglich, genaue Details in Erfahrung zu bringen. — Der Knutenkaiser, der Standrechtskaiser und der Kyffhäuserkaiser scheinen für unsere Ecke ganz besondere Besorgnisse zu hegen: sie mögen sich auch nichtgar zu sehr irren. Die ma-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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