Neue Rheinische Zeitung. Nr. 229. Köln, 23. Februar 1849.lich, ich sage euch, dieses Geschenk wird euch sehr theuer zu stehen kommen." Wien. Das C. Bt. a. B. läßt sich von hier schreiben: Kossuth soll den Obristen Montecucoli, als Revanche für den in Ofen erschossenen Szdll, haben henken lassen, und zugleich gedroht, daß für Jeden der in Ofen füsilirt wird, ein östreichischer Stabsoffizier gehenkt wird! Sehr vernünftig. !!! Frankfurt, 20. Febr. National- Versammlung. Um 9 Uhr ließ Präsident Simson auf Antrag von Fuchs die Mitglieder zählen. - 67 waren anwesend. 1/4 Stunde später war man beschlußfähig, und das Protokoll wurde genehmigt. - Nach mehrfachen mit Bravo aufgenommenen Flottenbeiträgen (deren Zahl übrigens von Tage zu Tage merkwürdiger Weise wächst) beginnt man die Tagesordnung. Mittermeier (Berichterstatter der Minorität des Verfassungs- Ausschusses) spricht für die 5 Minoritäts- Erachten zu § 1 und 2 (S. unten). Unter andern spricht er sich gegen jeden Census aus und widerlegt dabei die Bassermann'sche Behauptung, als habe Rotteck den Census empfohlen. Rotteck habe zwar allerdings einmal fur den Census sich ausgesprochen, aber später diese Ansicht vollkommen widerrufen. (Links: hört! rechts Gelächter!) Es verdiene doppelte Verachtung, daß nachträglich Mitglieder des Verfassungs-Ausschusses einen Census vorgeschlagen, während im Entwurf sich dieser Ausschuß entschieden gegen jeden Census erklärt hatte. Georg Beseler (ohne Fonds) hat nämlich, voraussehend, daß die "Schandanträge" des Ausschusses doch fallen müssen, schnell ein Surrogat mit Census substituirt und der kühngriffige Gagern diesen Antrag zu dem seinigen gestempelt. Die Rechte unterbricht M. oft und heftig, überhaupt ist große Agitation im Froschteich wahrzunehmen. Mittermeier spricht für ein Wahlgesetz im freisten Sinn Soll ich Ihnen sagen, ruft er, wie Sie einen guten Beschluß herbeiführen können: "Die Philister unter Ihnen müssen aus Ihrem Schlafe erwachen!! - Weg mit dem Fanatismus der Ruhe! Fort mit der Ruhe! Wenn Sie den Kampf auf dem Wege des Gesetzes nicht wollen, so werden Sie ihn auf den Barrikaden haben!" (Langer und donnernder Beifall von der Linken, linkem Centrum und allen Tribünen.) Scheller spricht für die Majorität des Verfassungs-Ausschusses. - Was er für den "noblen" Entwurf spricht, ist der Mühe zu repetiren nicht werth! Man schreitet um 11 Uhr zur Abstimmung, das Haus ist ganz gefüllt, alle Abgeordneten anwesend. Man merkt, daß heut die Endentscheidung, das Brechen des letzten Stabes drankommt. Viele namentliche Abstimmungen werden beantragt und unterstützt. Bei der Wichtigkeit der Sache gebe ich Ihnen alle Anträge, die zur Abstimmung kamen. Zuerst wurde der Titel in folgender Gestalt angenommen: Reichsgesetz über die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshause. Für die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshause sollen folgende Bestimmungen gelten: Wiesners Antrag "Wähler ist jeder volljährige Deutsche" wurde nur von der Linken genehmigt. Hierauf folgten die Requisiten zu § 1: 1. die "Unbescholtenheit" wurde mit 237 Stimmen gegen 224 angenommen! (Pfui!) 2. Die "Selbstständigkeit" wurde mit 422 Stimmen gegen 21 verworfen. Unter den wenigen dafür Stimmenden finden sich Bassermann, Antz (Regierungsrath aus Aachen, reaktionärstes Mitglied der Versammlung, nächstens mehr von ihm!) Fuchs aus Breslau. Die Herren von rechts ließen die Selbstständigkeit fallen, um für den Census zu stimmen So heißt denn dieser halbkastrirte Jammerparagraph I.: "Wähler ist jeder unbescholtene Deutsche, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat!" Mit dem Wegfall der "Selbstständigkeit" fielen natürlich auch die elenden Bestimmungen des § 2. (Ausschließung der Arbeiter, Handwerker, Dienstboten.) § 2 wurde so genehmigt: "Von der Berechtigung zum Wählen sind ausgeschlossen: Personen, welche unter Vormundschaft oder Curatel stehen. Personen, über deren Vermögen Concurs oder Fallitzustand gerichtlich eröffnet worden ist, und zwar während der Dauer dieses Concurs oder Fallitverfahrens. Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen oder Gemeindemitteln beziehen, oder im letzten der Wahl vorhergegangenen Jahr bezogen haben." (Mit 266 Stimmen gegen 186.) - Pfui! Der ministerielle Antrag: "Wahlberechtigt ist nur, wer mindestens entweder a. 5 fl. 15 kr. rhein. (3 Thlr. preuß.) direkte Steuern jährlich an den Staat entrichtet, oder b. ein jährliches Einkommen von 350 fl. (200 Thlr. preuß.), oder c. ein Grundeigenthum von 350 fl. rhein. (200 Thlr.) hat;" wurde mit 332 Stimmen gegen 117 verworfen; für den edlen Odilon-Gagern ein horribles Mißtrauensvotum!!! Dafür stimmten u. A. Dahlmann, Mathy, Droysen, Fuchs, Gagern (!), Mevissen aus Köln (!), Grävell, Hergenhahn, Laube!!!, Raumer, Reichensperger, Soiron u. s. w. Schöne Stützen des Ministeriums. - Sogar der Minister Robert Mohl stimmte gegen Gagern's Antrag Ein Antrag von Rheinstein und mehreren Mitgliedern der Linken: "Ausgeschlossen sollen auch sein, Personen, welche Gratifikationen oder Pensionen beziehen," wurde leider verworfen. Die Linke stimmte dafür. Man schien den Antrag für Hohn zu halten, während es der bitterste Ernst ist. Hierauf kommen 3 ähnliche Anträge (mehr oder minder Census verlangend); sie erlitten alle und zwar auffallender Weise das Geschick des ministeriellen, das heißt, sie wurden verworfen, der Biedermann'sche mit 248 gegen 204 Stimmen. Der von Hoffmann von Friedberg mit 239 gegen 209. Endlich der von Lette mit sehr großer Majorität. Hiermit war die Sitzung um 1/2 5 Uhr geschlossen, und es blieb bei den obigen Bestimmungen des § 1 und 2 Der Ausschuß erlitt eine kolossale Niederlage. Beseler- Gagern sind gerichtet. 15 Kassel, 18. Febr. Gott steh' uns bei! Der Kurfürst will seine Haupt- und Residenzstadt Kassel verlassen, weil neulich sein höchsteigenes Palais in Person für den höchstgnädigen Herrn eine Katzenmusik in Empfang genommen. Der Kurfürst verläßt den Sitz seiner Ahnen und begiebt sich unter priesterlichen Schutz nach Fulda. Möglich, daß ihn die in's Kloster stecken, - da er, fern von dem geräuschvollen Treiben der Welt, Soldaten malen und ausschneiden kann in beliebiger Facon. Pius IX., Leopold von Toskana, Friedrich Wilhelm, Kurfürst und souveräner Landgraf von Hessen! Der Haushofmeister ist bereits nach Fulda abgereist und große Anstalten werden getroffen. "Gräfin in Sicherheit, Grafen in Sicherheit, Geld in Sicherheit, Ich in Sicherheit! Ae, Ae, Ae!" Und die Kasseler Spießbürger, die vom Hof leben, - die machen Revolution, Petitionen, Vorstellungen und dergleichen. Nächstens mehr, wenn nur der Kurfürst da bleibt. 15 Cassel, 17. Febr. Der Henkel im Conflickt mit der Staatsregierung, im Conflickt mit dem gesinnungstüchtigen Ministerium Eberhard! Unglaublich und doch wahr! Der Henkel hat bekanntlich, - wer sollte wohl von der gesetzgeberischen Thätigkeit des "der Henkel" nicht wissen? - ein neues Wahlgesetz erlassen auf Grund der Grundrechte, welche die Standesvorrechte abschaffen oder besser gesagt abschaffen sollten, ein Wahlgesetz, das uns freie kurhessische Unterthanen mit 16 Städtern, 16 Bauern und 16 höchst Besteuerten beglückt, und nebenbei eine unzählige Menge verfassungsmäßiger Beschränkungen der Ausübung des Wahlrechts, ja nicht des Wahlrechts selber einführt, denn der Henkel sagt ja: "Alle Menschen sind gleich berechtigt, aber nicht alle zur Ausübung ihrer gleichen Rechte gleichberechtigt." Der Henkel glühend in selbstgerechtem Stolze ob seines so beifällig zur Taufe gehobenen Kindes verlangt sofortige Publikation des Wahlgesetzes. Die Regierung des edlen Eberhard aber braucht Geld, und meint, wenn sie das Wahlgesetz publizire, ehe das Geld bewilligt sey, dann werde vielleicht nachher kein's mehr bewilligt oder doch im günstigsten Falle nicht bezahlt. Der Henkel will das Wahlgesetz, die Regierung aber will Geld von ihm und dann erst will sie das Wahlgesetz. Der Henkel vermittelt nun, er will sofort das Wahlgesetz, will aber auch der Henkel bleiben, Diäten beziehen und Geld verwilligen. Die Sachlage ist kritisch. Der Henkel hilft ab durch ein Gesetz, das Gesetz geht an den Rechtsausschuß und im Rechtsausschuß ist der Henkel der Hauptmann. Der Henkel als Rechtsausschuß überlegt die Sache hin und her, plötzlich läßt er heute durch den rothen Wolff Bericht erstatten und die Ansicht mittheilen: "daß die landständische Eigenschaft der Mitglieder der jetzigen Ständeversammlung nicht durch die Promulgation des angenommenen neuen Wahlgesetzes, sondern nur entweder durch Ablauf der Landtagsperiode oder aus den im §. 79 der Verfassungsurkunde angegebenen Gründen (Auflösung) aufhört." Hr. Lederer springt sofort seinen Freunden bei und beantragt aus Zweckmäßigkeitsgründen, weil in jetziger Zeit das Land (soll wohl heißen die Minister) ohne stete Anwesenheit der Ständeversammlung nicht bestehen könne: "die Staatsregierung um Vorlage eines Gesetzentwurf's zu ersuchen, wodurch bestimmt werde, daß die Wirksamkeit der Ständeversammlung so lange fortdauere, bis in Gemäßheit des neuen Wahlgesetzes eine andere gewählt sey." Ist der große Gesetzgeber Lederer von Marburg, Freund des Henkel's, so wenig selbstständig, daß er nicht auch einmal anstatt seines ewigen Wimmerns um Gesetzvorlagen von dem verfassungsmäßigen Rechte der Initiative Gebrauch machen kann? Die Versammlung trat der Ansicht des Ausschusses mit 34 gegen 5 Stimmen bei und überwies den Antrag des Hr. Lederer dem Verfassungsausschuß. Wir sagen auf Grund des grundrechtlichen Einführungsgesetzes, daß kein Mensch nach Annahme des neuen Wahlgesetzes mehr an die Beschlüsse dieser Ständeversammlung gebunden ist, und selbst der permanente Ausschuß besteht in diesem Augenblicke nicht mehr zu Recht. So ist denn einmal bei uns wieder alles in der Schwebe, vielleicht eine Spießbürgerrevolution in Aussicht, wie erst vor Kurzem eine dem Ausbruche nahe war. O gepriesener Staat der widerstreitenden Gewalten! Macht den Henkel zum Kurfürsten und ihr seid gerettet, der trägt euch über alle formellen Bedenken hinweg! 213 Leipzig, 20. Febr. Gestern veröffentlichte eins unserer vielen in der Sedez- Riesengestalt des "Dorfbarbiers," der "Dorfzeitung" und anderer Dorfgenialitäten centraldeutscher Kleinheit erscheinenden centralharmlosen "Blättchen" die Loyalitätsadresse unseres börsenspezifischen Prozent-Ritterthums an seine zwischen Berlin und Wien zum Regiren erlaubte thränenbegnadete Vice- Majestät. Vergeblich spähte ich in der Adresse nach dem hier sonst doch so unvermeidlichen Geiste unserer Leipziger "Gose;" er war nicht darin zu finden. - Gose ist bekanntlich das Lieblingsgetränk Leipzig's. Wer den rechten Begriff von radikaler Geist-, Geschmack- und Charakterlosigkeit bekommen, wer die unübertrefflichste Bedeutungslosigkeit kennen lernen will, der muß Gose trinken, Leipziger Gose. Es gehörte Genie dazu, ein solch ultragehaltloses Getränk zu erfinden, das sächsische Genie der gebildeten Bedeutungslosigkeit. Und doch schmeckt Gose noch pikanter als die meisten sächsischen Dorfblättchen. Die Gose hat noch niemals Jemand betrunken gemacht und geht daher Hand in Hand mit unserer Literatur, die man so rasch und gemüthlich verdaut, wie Gose. Alle unsere Redakteure trinken Gose, schwängern ihre geistigen Organe mit Gose. Wer über den Geist der Gose hinausgeht, wird zum verabscheuungswürdigsten Satan. Und dennoch haben unsere Hauptbuch- Evangelisten mit dem ewigen Prozentausdruck im sonst nichtssagenden Antlitz diesmal über die Schnur gehauen. Das kommt aber daher. Seit einiger Zeit stöbern die Junker der klingenden Politik in der weißbierburschikosen Kreuzritterin herum und erlaben sich in dem Schlachthausdunst der österreichischen Standrechtsbestien. Der Geist der Gose hat weichen müssen, denn die Leipziger Profit- Junker wollen zeigen, was sie gelernt haben. Sie sagen also unter Anderm im kroatischen Banditenstiele: "Haben die Wellen der Revolution sich bis jetzt an dem Throne Sachsens gebrochen, so verdanken wir dies den Tugenden, der Weisheit, der Treue und der Gerechtigkeit, welche die schönsten Zierden unserer Krone sind." Sitzt aber die Gerechtigkeit auf dem Throne und hält sie in der einen Hand die Wage, mit welcher sie die Forderungen der Parteien würdigt und ausgleicht, "so führt sie in der andern auch das Schwert, mit welchen sie Denen droht, welche das Recht beugen, das Gesetz verhöhnen, die Ruhe stören und den Frieden brechen wollen. - Mit Gott für König und Vaterland!" Ist das nicht kreuzritterlich, galgenverdienstlich, windischgrätzisch-banquiers-geschäftlich-ordnungs-freiheitlich? - Sie sehen, unsere Spießbürger werden Bourgeois; sie verlassen den Geist der Gose, um zwischen österreichischer Backhähnel- und preußischer Weißbierpolitik Posto zu stehen. Aber sie können es doch nicht unterlassen, zuletzt ihre germanisch-gründliche Krämergemeinheit zu produziren, indem sie am Schlusse eines Gedichtes, welches, ebenso wie die Adresse, wider die sächsische Kammer abgeschossen ist, ausrufen: "Wir halten europäische Reden Und zieh'n drei Thaler tägliche Diäten!" An den Anblick rüstiger, thatkräftiger Völker gewohnt, kommen mir die hiesigen Menschen vor, wie blutlose Gestalten, deren Energie und Genie in Wasser gekochten und dann in der Faust zu menschlicher Kopfgestalt ausgewürzten Spinat (ein gräsernes Gemüse) zum Vater haben müssen. Das brodlose Proletariat wird, statt seiner Rechte bewußt gemacht zu werden, von Früh-, Nachmittags- und Sonntags- Predigern mit Humanitäts- Phrasen aus Jean Paul's Siebenkäs gefüttert. Es erhält daraus die "Blumen- und Dornenstücke," während die pfiffigen Prediger die eigentlichen "Fruchtstücke" allein genießen. - So finden hier "Vorlesungen und Ausstellungen zum Besten brodloser Arbeiter" statt, zu welchen dann die vornehme Bourgeoiswelt die saft- und kraft-, die werth- und gehaltlosesten Schnitzel ihres Arbeitskorbes zu liefern die Großmuth hat. Obgleich man sich vor dem Märzmiau durch zehn Jahre mit christlich-germanischer Gründlichkeit das teutonische Gehirn darüber zerbrochen hatte, ob die Juden zu emanzipiren und Geschwornengerichte an die Stelle der Aktenwürmer treten sollen, so hat man hier damit doch noch lange nicht genug. Fortwährend treten, namentlich über die Geschworenen, neue Deklamatoren auf, die im Uriastone darüber phraseologiren, und wie! Die Sachsen sind entweder krämernde Fische, oder Schulmeister und Sonntagsprediger. Man sollte glauben, Leipzig mache eine Ausnahme, weil hier eine Weltmesse stattfindet und Göthe gesagt hat: Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute. Dem ist aber nicht so, die Messe bringt blos Krämer hieher, die Welt bleibt, wo sie ist; sie hängt niemals an den Füßen der Krämer. Ein Fremder, der um 10 Uhr die Straße passirt, glaubt in der That, zu Schildburg angelangt zu sein. Mir widerfuhr's neulich, daß ich im Mondschein Abends auf- und abwandelte, als es 10 Uhr schlug. Flugs rückte ein schwerbewaffneter, äußerst gemüthlich aussehender Nachtwächter mitten in die Straße an und sang mit dem unnachahmlich-gemüthlichen Tone sächsischer Troubadour's, uns nicht nur zu, daß es 10 Uhr sei, sondern auch, daß wir uns schlafen legen, Feuer und Licht, damit Niemand Schaden geschicht, bewahren sollten. Wenn ich dann am andern Tage Ihre Pariser Korrespondenzen lese und sehe, daß die französischen Demokraten große Erwartungen, namentlich an's Central-Deutschland setzen, dann muß ich mit einer Reminiscenz an die Nachtwächter "O weh!" ausrufen. - Das sächsische Militär muß lauter Liliputaner zu Eltern haben; aus jedem österreichischen Grenadier ließen sich zum wenigsten zwei sächsische ausschneiden. Ein hiesiges Bataillon wäre mir neulich unversehens beinahe zwischen den Beinen durchmarschirt. Oestreich will in Siebenbürgen noch mehr Sachsen haben und soll bei der Dresdener Regierung um, ich weiß nicht wie viele Centner, angefragt haben, die, wie ich höre, demnächst gegen komptant auch geliefert werden dürften. Mir will's indessen bedünken, daß Sachsen besser thäte, statt des Comptant, sich mit martialischen, riesenmäßigen Szeklern und Kroaten ausbezahlen zu lassen. Ich bin fest überzeugt, die blauäugigen Sächsinnen würden unter den stämmigen Kroaten und Szeklern ihre sittlich germanischen Männlein bald vergessen. Sachsen und damit das in der Fabrikation begriffene Deutschland würden dadurch eine schöne kroatische Zukunft bekommen. Die Studenten sind ebenso geistvoll und geistlos, ebenso zahmgermanisch wie die zahllosen Schwungs der Komptoirs. Man sieht sie während halber Tage beim geistvollen Domino sitzen, welches sie, weil dies den Kopf zu sehr anstrengt, ohne Kaufen spielen. Erst in der Nacht, d. h. wenn sie besoffen sind, beginnen sie in der alten Sprache der Vandalen zu reden. Um Politik kümmert sich keiner, doch tragen sie hie und da bedeutungsvolle dreifarbige Bänder. Im Theater kann einer spielen so gut oder schlecht er will, man hört niemals zischen oder applaudiren; ein Theaterabend ist mit Rücksicht auf das Publikum eine ergötzliche Scene. Eine eisige christlich- germanische Aufmerksamkeitskälte beherrscht alle Physiognomien; die Frauen bemühen sich dabei, noch reizloser zu erscheinen, als sie es schon von Natur fast alle sind. Die sächsische Kammer hatte die Bildung, den Mord Blum's blos Tödtung zu nennen. Was gehen auch unter solchen Umständen alle ihre Redensarten gegenüber ihren Thaten an! Was man in Sachsen Demokratie tauft, würde bei Ihnen, ich weiß nicht wie, genannt werden müssen. Damit mein kleines Porträt übrigens einigermaßen zu Ihrer Zufriedenheit schließt, erwähne ich, daß das Centralcomite der Blumstiftung hierselbst bereits 3359 Thlr. eingenommen hat. Es lebe die deutsche Zukunft; Nachschrift. Gestern erzählte man sich, Jellachich habe mit 80,000 Slaven das kaiserliche Herr verlassen. Ungarn. Aus Siebenbürgen jammert das Corresp. Bl. a. Böhmen wie folgt: Während der Monarch sich den Wahlspruch viribus unitis erkor, gefallen sich die Völker Oestreichs in dem entgegengesetzten Motto, und zerbröckeln sich immer mehr und mehr in nationalfeindliche Parteien. Wohin solcher Zwiespalt führt, hat die Geschichte schon oft gelehrt, aber es ergeht der Geschichte, wie jenem Propheten im Evangelium, man glaubt ihr nicht früher, als bis man sie selbst zu allereigenstem Schaden erlebt hat. Dieser unheilvolle Zwiespalt beginnt nun auch in Siebenbürgen zwischen den Sachsen und den Rumänen (Walachen), welche bisher vereint der dritten Nation des Landes, den Szeklern gegenüber gestanden waren. Die Russenfrage hat die Vereinten gespalten. In den Hermannstädter Sachsen ist der Gedanke erstanden, die Russen, die mit kluger Berechnung in so lockender Nähe standen, über die Gränzen zu rufen, die Rumänen, welche die Segnungen des russischen Schutzes an ihren Stammgenossen in den benachbarten Donaufürstenthümern erfahren haben, waren dagegen. Aber in der Berathung, die über diese Frage gepflogen ward, waren die Sachsen in der Mehrzahl, und so wurde denn die russische Hilfe angesprochen. Die Rumänen protestiren um so eifriger gegen ihre Mitschuld an diesem Schritte, als man ihnen bisher so häufig den Vorwurf der Russophilie gemacht. Von den Folgen des russischen Einmarsches hängt es ab, ob der Zwiespalt zwischen Sachsen und Rumänen wachsen, oder sich wieder beilegen werde. Wir befürchten ersteres. Unter den wenigen Rumänen, welche für die russische Hülfe sprachen, war der vornehmste, Bischof Schaguna, der bereits vor seiner Reise nach Olmütz mit dem sächsischen Professor Gottfried Müller nach Bukarest geeilt war, um die Russen in's Land zu rufen. Schweiz. Bern, 16. Febr. Die Schweizerpresse tritt immer energischer gegen die Militärkapitulationen auf und verlangt schnelle Abhülfe. Die "Revue de Geneve," das Organ von James Fazy, weist nach, daß der Bundesrath, indem er einerseits in dem Kreisschreiben an die schweizerischen Konsuln in Italien die Kapitulationen, wenn nicht billigt, doch gewissermaßen entschuldige, andererseits sich so willfährig zeige gegen Oestreich und die deutsche Centralgewalt, keineswegs neutral, sondern parteiisch sei. "Italien" so schließt der Artikel, "ist aufgebracht über die Aufrechthaltung einer so sonderbaren Anomalie. Man täusche sich aber nicht! Die Schweiz ebenfalls ist entrüstet, und gewiß, sie wird die falschen Auslegungen, die Sophismen und Jesuitereien nicht lange mehr dulden, vermittelst welcher man behaupten wollte, was die Bundesverfassung und mehrere Tagsatzungsbeschlüsse verworfen haben." Die "Helvetie" sagt: "Wohl mag die Schweiz mit besorgten Blicken dem Kampfe in Ungarn, dem neu auflodernden in Italien zusehen, denn auch ihr künftiges Schicksal wird da entschieden. Italiens Unterliegen ist der Vorbote der Unterdrückung der Schweiz. Kann nun etwas Widersinnigeres erdacht werden, als wenn die Schweiz, dies voraussehend, gleichwohl tausende ihrer Söhne unter den Fahnen des Absolutismus gegen das um seine Befreiung ringende Volk kämpfen läßt und damit die Stunde des absoluten Gerichts, welches ihr besonders von ihrem Erbfeinde Oestreich droht, wesentlich beschleunigen hilft?" Alle Blätter von nur einiger Bedeutung sprechen sich in diesem Sinne aus. Könne das regenerirte Italien die Pensionen etc. der kapitulirten Truppen nicht bezahlen, so sei die Schweiz reich genug, jenen Ansprüchen zu genügen, sie könne und wolle den Fluch der Völker abkaufen, welcher durch die Fortdauer des schmachvollen Söldnerdienstes gegen sie heraufbeschworen, die Schandsäule wegschaffen, welche ihr deshalb die Geschichte setzen würde. Besonders wird auch auf das Schicksal der Schweizertruppen hingewiesen, wenn das Volk in Italien einst die Oberhand gewinnen sollte, und auf die schreckliche, wenn auch ungerechte Volksrache, welche den zahlreichen in Italien ansässigen, reichbegüterten Schweizern angedroht sei. Italien. * Den 10. Februar fand auf dem römischen Kapitol eine große Demonstration Statt. Alle Volksrepräsentanten waren zusammenberufen, eine große Volksmasse, die Bürgergarde und die Carabiniers. Im Balkon des Gemeindehauses, verlas der Präsident Galetti, umgeben von allen Repräsentanten, das glorreiche Dekretader konstituirenden Versammlung, welches die weltliche Gewalt der Päbste abschaffte und die Republik proklamirte. Bei dem Wort: Republik! entblößten sich alle Köpfe und erfolgte donnernder Applaus. Der Contemporaneo schreibt: "Wenn Toskana wie Rom handelt, wen Frankreich die Republik anerkennt, wird England es auch thun. Man glaubt, daß Sardinien die Republik anerkennen wird. Auf der Höhe lich, ich sage euch, dieses Geschenk wird euch sehr theuer zu stehen kommen.“ Wien. Das C. Bt. a. B. läßt sich von hier schreiben: Kossuth soll den Obristen Montecucoli, als Revanche für den in Ofen erschossenen Szdll, haben henken lassen, und zugleich gedroht, daß für Jeden der in Ofen füsilirt wird, ein östreichischer Stabsoffizier gehenkt wird! Sehr vernünftig. !!! Frankfurt, 20. Febr. National- Versammlung. Um 9 Uhr ließ Präsident Simson auf Antrag von Fuchs die Mitglieder zählen. ‒ 67 waren anwesend. 1/4 Stunde später war man beschlußfähig, und das Protokoll wurde genehmigt. ‒ Nach mehrfachen mit Bravo aufgenommenen Flottenbeiträgen (deren Zahl übrigens von Tage zu Tage merkwürdiger Weise wächst) beginnt man die Tagesordnung. Mittermeier (Berichterstatter der Minorität des Verfassungs- Ausschusses) spricht für die 5 Minoritäts- Erachten zu § 1 und 2 (S. unten). Unter andern spricht er sich gegen jeden Census aus und widerlegt dabei die Bassermann'sche Behauptung, als habe Rotteck den Census empfohlen. Rotteck habe zwar allerdings einmal fur den Census sich ausgesprochen, aber später diese Ansicht vollkommen widerrufen. (Links: hört! rechts Gelächter!) Es verdiene doppelte Verachtung, daß nachträglich Mitglieder des Verfassungs-Ausschusses einen Census vorgeschlagen, während im Entwurf sich dieser Ausschuß entschieden gegen jeden Census erklärt hatte. Georg Beseler (ohne Fonds) hat nämlich, voraussehend, daß die „Schandanträge“ des Ausschusses doch fallen müssen, schnell ein Surrogat mit Census substituirt und der kühngriffige Gagern diesen Antrag zu dem seinigen gestempelt. Die Rechte unterbricht M. oft und heftig, überhaupt ist große Agitation im Froschteich wahrzunehmen. Mittermeier spricht für ein Wahlgesetz im freisten Sinn Soll ich Ihnen sagen, ruft er, wie Sie einen guten Beschluß herbeiführen können: „Die Philister unter Ihnen müssen aus Ihrem Schlafe erwachen!! ‒ Weg mit dem Fanatismus der Ruhe! Fort mit der Ruhe! Wenn Sie den Kampf auf dem Wege des Gesetzes nicht wollen, so werden Sie ihn auf den Barrikaden haben!“ (Langer und donnernder Beifall von der Linken, linkem Centrum und allen Tribünen.) Scheller spricht für die Majorität des Verfassungs-Ausschusses. ‒ Was er für den „noblen“ Entwurf spricht, ist der Mühe zu repetiren nicht werth! Man schreitet um 11 Uhr zur Abstimmung, das Haus ist ganz gefüllt, alle Abgeordneten anwesend. Man merkt, daß heut die Endentscheidung, das Brechen des letzten Stabes drankommt. Viele namentliche Abstimmungen werden beantragt und unterstützt. Bei der Wichtigkeit der Sache gebe ich Ihnen alle Anträge, die zur Abstimmung kamen. Zuerst wurde der Titel in folgender Gestalt angenommen: Reichsgesetz über die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshause. Für die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshause sollen folgende Bestimmungen gelten: Wiesners Antrag „Wähler ist jeder volljährige Deutsche“ wurde nur von der Linken genehmigt. Hierauf folgten die Requisiten zu § 1: 1. die „Unbescholtenheit“ wurde mit 237 Stimmen gegen 224 angenommen! (Pfui!) 2. Die „Selbstständigkeit“ wurde mit 422 Stimmen gegen 21 verworfen. Unter den wenigen dafür Stimmenden finden sich Bassermann, Antz (Regierungsrath aus Aachen, reaktionärstes Mitglied der Versammlung, nächstens mehr von ihm!) Fuchs aus Breslau. Die Herren von rechts ließen die Selbstständigkeit fallen, um für den Census zu stimmen So heißt denn dieser halbkastrirte Jammerparagraph I.: „Wähler ist jeder unbescholtene Deutsche, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat!“ Mit dem Wegfall der „Selbstständigkeit“ fielen natürlich auch die elenden Bestimmungen des § 2. (Ausschließung der Arbeiter, Handwerker, Dienstboten.) § 2 wurde so genehmigt: „Von der Berechtigung zum Wählen sind ausgeschlossen: Personen, welche unter Vormundschaft oder Curatel stehen. Personen, über deren Vermögen Concurs oder Fallitzustand gerichtlich eröffnet worden ist, und zwar während der Dauer dieses Concurs oder Fallitverfahrens. Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen oder Gemeindemitteln beziehen, oder im letzten der Wahl vorhergegangenen Jahr bezogen haben.“ (Mit 266 Stimmen gegen 186.) ‒ Pfui! Der ministerielle Antrag: „Wahlberechtigt ist nur, wer mindestens entweder a. 5 fl. 15 kr. rhein. (3 Thlr. preuß.) direkte Steuern jährlich an den Staat entrichtet, oder b. ein jährliches Einkommen von 350 fl. (200 Thlr. preuß.), oder c. ein Grundeigenthum von 350 fl. rhein. (200 Thlr.) hat;“ wurde mit 332 Stimmen gegen 117 verworfen; für den edlen Odilon-Gagern ein horribles Mißtrauensvotum!!! Dafür stimmten u. A. Dahlmann, Mathy, Droysen, Fuchs, Gagern (!), Mevissen aus Köln (!), Grävell, Hergenhahn, Laube!!!, Raumer, Reichensperger, Soiron u. s. w. Schöne Stützen des Ministeriums. ‒ Sogar der Minister Robert Mohl stimmte gegen Gagern's Antrag Ein Antrag von Rheinstein und mehreren Mitgliedern der Linken: „Ausgeschlossen sollen auch sein, Personen, welche Gratifikationen oder Pensionen beziehen,“ wurde leider verworfen. Die Linke stimmte dafür. Man schien den Antrag für Hohn zu halten, während es der bitterste Ernst ist. Hierauf kommen 3 ähnliche Anträge (mehr oder minder Census verlangend); sie erlitten alle und zwar auffallender Weise das Geschick des ministeriellen, das heißt, sie wurden verworfen, der Biedermann'sche mit 248 gegen 204 Stimmen. Der von Hoffmann von Friedberg mit 239 gegen 209. Endlich der von Lette mit sehr großer Majorität. Hiermit war die Sitzung um 1/2 5 Uhr geschlossen, und es blieb bei den obigen Bestimmungen des § 1 und 2 Der Ausschuß erlitt eine kolossale Niederlage. Beseler- Gagern sind gerichtet. 15 Kassel, 18. Febr. Gott steh' uns bei! Der Kurfürst will seine Haupt- und Residenzstadt Kassel verlassen, weil neulich sein höchsteigenes Palais in Person für den höchstgnädigen Herrn eine Katzenmusik in Empfang genommen. Der Kurfürst verläßt den Sitz seiner Ahnen und begiebt sich unter priesterlichen Schutz nach Fulda. Möglich, daß ihn die in's Kloster stecken, ‒ da er, fern von dem geräuschvollen Treiben der Welt, Soldaten malen und ausschneiden kann in beliebiger Facon. Pius IX., Leopold von Toskana, Friedrich Wilhelm, Kurfürst und souveräner Landgraf von Hessen! Der Haushofmeister ist bereits nach Fulda abgereist und große Anstalten werden getroffen. „Gräfin in Sicherheit, Grafen in Sicherheit, Geld in Sicherheit, Ich in Sicherheit! Ae, Ae, Ae!“ Und die Kasseler Spießbürger, die vom Hof leben, ‒ die machen Revolution, Petitionen, Vorstellungen und dergleichen. Nächstens mehr, wenn nur der Kurfürst da bleibt. 15 Cassel, 17. Febr. Der Henkel im Conflickt mit der Staatsregierung, im Conflickt mit dem gesinnungstüchtigen Ministerium Eberhard! Unglaublich und doch wahr! Der Henkel hat bekanntlich, ‒ wer sollte wohl von der gesetzgeberischen Thätigkeit des „der Henkel“ nicht wissen? ‒ ein neues Wahlgesetz erlassen auf Grund der Grundrechte, welche die Standesvorrechte abschaffen oder besser gesagt abschaffen sollten, ein Wahlgesetz, das uns freie kurhessische Unterthanen mit 16 Städtern, 16 Bauern und 16 höchst Besteuerten beglückt, und nebenbei eine unzählige Menge verfassungsmäßiger Beschränkungen der Ausübung des Wahlrechts, ja nicht des Wahlrechts selber einführt, denn der Henkel sagt ja: „Alle Menschen sind gleich berechtigt, aber nicht alle zur Ausübung ihrer gleichen Rechte gleichberechtigt.“ Der Henkel glühend in selbstgerechtem Stolze ob seines so beifällig zur Taufe gehobenen Kindes verlangt sofortige Publikation des Wahlgesetzes. Die Regierung des edlen Eberhard aber braucht Geld, und meint, wenn sie das Wahlgesetz publizire, ehe das Geld bewilligt sey, dann werde vielleicht nachher kein's mehr bewilligt oder doch im günstigsten Falle nicht bezahlt. Der Henkel will das Wahlgesetz, die Regierung aber will Geld von ihm und dann erst will sie das Wahlgesetz. Der Henkel vermittelt nun, er will sofort das Wahlgesetz, will aber auch der Henkel bleiben, Diäten beziehen und Geld verwilligen. Die Sachlage ist kritisch. Der Henkel hilft ab durch ein Gesetz, das Gesetz geht an den Rechtsausschuß und im Rechtsausschuß ist der Henkel der Hauptmann. Der Henkel als Rechtsausschuß überlegt die Sache hin und her, plötzlich läßt er heute durch den rothen Wolff Bericht erstatten und die Ansicht mittheilen: „daß die landständische Eigenschaft der Mitglieder der jetzigen Ständeversammlung nicht durch die Promulgation des angenommenen neuen Wahlgesetzes, sondern nur entweder durch Ablauf der Landtagsperiode oder aus den im §. 79 der Verfassungsurkunde angegebenen Gründen (Auflösung) aufhört.“ Hr. Lederer springt sofort seinen Freunden bei und beantragt aus Zweckmäßigkeitsgründen, weil in jetziger Zeit das Land (soll wohl heißen die Minister) ohne stete Anwesenheit der Ständeversammlung nicht bestehen könne: „die Staatsregierung um Vorlage eines Gesetzentwurf's zu ersuchen, wodurch bestimmt werde, daß die Wirksamkeit der Ständeversammlung so lange fortdauere, bis in Gemäßheit des neuen Wahlgesetzes eine andere gewählt sey.“ Ist der große Gesetzgeber Lederer von Marburg, Freund des Henkel's, so wenig selbstständig, daß er nicht auch einmal anstatt seines ewigen Wimmerns um Gesetzvorlagen von dem verfassungsmäßigen Rechte der Initiative Gebrauch machen kann? Die Versammlung trat der Ansicht des Ausschusses mit 34 gegen 5 Stimmen bei und überwies den Antrag des Hr. Lederer dem Verfassungsausschuß. Wir sagen auf Grund des grundrechtlichen Einführungsgesetzes, daß kein Mensch nach Annahme des neuen Wahlgesetzes mehr an die Beschlüsse dieser Ständeversammlung gebunden ist, und selbst der permanente Ausschuß besteht in diesem Augenblicke nicht mehr zu Recht. So ist denn einmal bei uns wieder alles in der Schwebe, vielleicht eine Spießbürgerrevolution in Aussicht, wie erst vor Kurzem eine dem Ausbruche nahe war. O gepriesener Staat der widerstreitenden Gewalten! Macht den Henkel zum Kurfürsten und ihr seid gerettet, der trägt euch über alle formellen Bedenken hinweg! 213 Leipzig, 20. Febr. Gestern veröffentlichte eins unserer vielen in der Sedez- Riesengestalt des „Dorfbarbiers,“ der „Dorfzeitung“ und anderer Dorfgenialitäten centraldeutscher Kleinheit erscheinenden centralharmlosen „Blättchen“ die Loyalitätsadresse unseres börsenspezifischen Prozent-Ritterthums an seine zwischen Berlin und Wien zum Regiren erlaubte thränenbegnadete Vice- Majestät. Vergeblich spähte ich in der Adresse nach dem hier sonst doch so unvermeidlichen Geiste unserer Leipziger „Gose;“ er war nicht darin zu finden. ‒ Gose ist bekanntlich das Lieblingsgetränk Leipzig's. Wer den rechten Begriff von radikaler Geist-, Geschmack- und Charakterlosigkeit bekommen, wer die unübertrefflichste Bedeutungslosigkeit kennen lernen will, der muß Gose trinken, Leipziger Gose. Es gehörte Genie dazu, ein solch ultragehaltloses Getränk zu erfinden, das sächsische Genie der gebildeten Bedeutungslosigkeit. Und doch schmeckt Gose noch pikanter als die meisten sächsischen Dorfblättchen. Die Gose hat noch niemals Jemand betrunken gemacht und geht daher Hand in Hand mit unserer Literatur, die man so rasch und gemüthlich verdaut, wie Gose. Alle unsere Redakteure trinken Gose, schwängern ihre geistigen Organe mit Gose. Wer über den Geist der Gose hinausgeht, wird zum verabscheuungswürdigsten Satan. Und dennoch haben unsere Hauptbuch- Evangelisten mit dem ewigen Prozentausdruck im sonst nichtssagenden Antlitz diesmal über die Schnur gehauen. Das kommt aber daher. Seit einiger Zeit stöbern die Junker der klingenden Politik in der weißbierburschikosen Kreuzritterin herum und erlaben sich in dem Schlachthausdunst der österreichischen Standrechtsbestien. Der Geist der Gose hat weichen müssen, denn die Leipziger Profit- Junker wollen zeigen, was sie gelernt haben. Sie sagen also unter Anderm im kroatischen Banditenstiele: „Haben die Wellen der Revolution sich bis jetzt an dem Throne Sachsens gebrochen, so verdanken wir dies den Tugenden, der Weisheit, der Treue und der Gerechtigkeit, welche die schönsten Zierden unserer Krone sind.“ Sitzt aber die Gerechtigkeit auf dem Throne und hält sie in der einen Hand die Wage, mit welcher sie die Forderungen der Parteien würdigt und ausgleicht, „so führt sie in der andern auch das Schwert, mit welchen sie Denen droht, welche das Recht beugen, das Gesetz verhöhnen, die Ruhe stören und den Frieden brechen wollen. ‒ Mit Gott für König und Vaterland!“ Ist das nicht kreuzritterlich, galgenverdienstlich, windischgrätzisch-banquiers-geschäftlich-ordnungs-freiheitlich? ‒ Sie sehen, unsere Spießbürger werden Bourgeois; sie verlassen den Geist der Gose, um zwischen österreichischer Backhähnel- und preußischer Weißbierpolitik Posto zu stehen. Aber sie können es doch nicht unterlassen, zuletzt ihre germanisch-gründliche Krämergemeinheit zu produziren, indem sie am Schlusse eines Gedichtes, welches, ebenso wie die Adresse, wider die sächsische Kammer abgeschossen ist, ausrufen: „Wir halten europäische Reden Und zieh'n drei Thaler tägliche Diäten!“ An den Anblick rüstiger, thatkräftiger Völker gewohnt, kommen mir die hiesigen Menschen vor, wie blutlose Gestalten, deren Energie und Genie in Wasser gekochten und dann in der Faust zu menschlicher Kopfgestalt ausgewürzten Spinat (ein gräsernes Gemüse) zum Vater haben müssen. Das brodlose Proletariat wird, statt seiner Rechte bewußt gemacht zu werden, von Früh-, Nachmittags- und Sonntags- Predigern mit Humanitäts- Phrasen aus Jean Paul's Siebenkäs gefüttert. Es erhält daraus die „Blumen- und Dornenstücke,“ während die pfiffigen Prediger die eigentlichen „Fruchtstücke“ allein genießen. ‒ So finden hier „Vorlesungen und Ausstellungen zum Besten brodloser Arbeiter“ statt, zu welchen dann die vornehme Bourgeoiswelt die saft- und kraft-, die werth- und gehaltlosesten Schnitzel ihres Arbeitskorbes zu liefern die Großmuth hat. Obgleich man sich vor dem Märzmiau durch zehn Jahre mit christlich-germanischer Gründlichkeit das teutonische Gehirn darüber zerbrochen hatte, ob die Juden zu emanzipiren und Geschwornengerichte an die Stelle der Aktenwürmer treten sollen, so hat man hier damit doch noch lange nicht genug. Fortwährend treten, namentlich über die Geschworenen, neue Deklamatoren auf, die im Uriastone darüber phraseologiren, und wie! Die Sachsen sind entweder krämernde Fische, oder Schulmeister und Sonntagsprediger. Man sollte glauben, Leipzig mache eine Ausnahme, weil hier eine Weltmesse stattfindet und Göthe gesagt hat: Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute. Dem ist aber nicht so, die Messe bringt blos Krämer hieher, die Welt bleibt, wo sie ist; sie hängt niemals an den Füßen der Krämer. Ein Fremder, der um 10 Uhr die Straße passirt, glaubt in der That, zu Schildburg angelangt zu sein. Mir widerfuhr's neulich, daß ich im Mondschein Abends auf- und abwandelte, als es 10 Uhr schlug. Flugs rückte ein schwerbewaffneter, äußerst gemüthlich aussehender Nachtwächter mitten in die Straße an und sang mit dem unnachahmlich-gemüthlichen Tone sächsischer Troubadour's, uns nicht nur zu, daß es 10 Uhr sei, sondern auch, daß wir uns schlafen legen, Feuer und Licht, damit Niemand Schaden geschicht, bewahren sollten. Wenn ich dann am andern Tage Ihre Pariser Korrespondenzen lese und sehe, daß die französischen Demokraten große Erwartungen, namentlich an's Central-Deutschland setzen, dann muß ich mit einer Reminiscenz an die Nachtwächter „O weh!“ ausrufen. ‒ Das sächsische Militär muß lauter Liliputaner zu Eltern haben; aus jedem österreichischen Grenadier ließen sich zum wenigsten zwei sächsische ausschneiden. Ein hiesiges Bataillon wäre mir neulich unversehens beinahe zwischen den Beinen durchmarschirt. Oestreich will in Siebenbürgen noch mehr Sachsen haben und soll bei der Dresdener Regierung um, ich weiß nicht wie viele Centner, angefragt haben, die, wie ich höre, demnächst gegen komptant auch geliefert werden dürften. Mir will's indessen bedünken, daß Sachsen besser thäte, statt des Comptant, sich mit martialischen, riesenmäßigen Szeklern und Kroaten ausbezahlen zu lassen. Ich bin fest überzeugt, die blauäugigen Sächsinnen würden unter den stämmigen Kroaten und Szeklern ihre sittlich germanischen Männlein bald vergessen. Sachsen und damit das in der Fabrikation begriffene Deutschland würden dadurch eine schöne kroatische Zukunft bekommen. Die Studenten sind ebenso geistvoll und geistlos, ebenso zahmgermanisch wie die zahllosen Schwungs der Komptoirs. Man sieht sie während halber Tage beim geistvollen Domino sitzen, welches sie, weil dies den Kopf zu sehr anstrengt, ohne Kaufen spielen. Erst in der Nacht, d. h. wenn sie besoffen sind, beginnen sie in der alten Sprache der Vandalen zu reden. Um Politik kümmert sich keiner, doch tragen sie hie und da bedeutungsvolle dreifarbige Bänder. Im Theater kann einer spielen so gut oder schlecht er will, man hört niemals zischen oder applaudiren; ein Theaterabend ist mit Rücksicht auf das Publikum eine ergötzliche Scene. Eine eisige christlich- germanische Aufmerksamkeitskälte beherrscht alle Physiognomien; die Frauen bemühen sich dabei, noch reizloser zu erscheinen, als sie es schon von Natur fast alle sind. Die sächsische Kammer hatte die Bildung, den Mord Blum's blos Tödtung zu nennen. Was gehen auch unter solchen Umständen alle ihre Redensarten gegenüber ihren Thaten an! Was man in Sachsen Demokratie tauft, würde bei Ihnen, ich weiß nicht wie, genannt werden müssen. Damit mein kleines Porträt übrigens einigermaßen zu Ihrer Zufriedenheit schließt, erwähne ich, daß das Centralcomite der Blumstiftung hierselbst bereits 3359 Thlr. eingenommen hat. Es lebe die deutsche Zukunft; Nachschrift. Gestern erzählte man sich, Jellachich habe mit 80,000 Slaven das kaiserliche Herr verlassen. Ungarn. Aus Siebenbürgen jammert das Corresp. Bl. a. Böhmen wie folgt: Während der Monarch sich den Wahlspruch viribus unitis erkor, gefallen sich die Völker Oestreichs in dem entgegengesetzten Motto, und zerbröckeln sich immer mehr und mehr in nationalfeindliche Parteien. Wohin solcher Zwiespalt führt, hat die Geschichte schon oft gelehrt, aber es ergeht der Geschichte, wie jenem Propheten im Evangelium, man glaubt ihr nicht früher, als bis man sie selbst zu allereigenstem Schaden erlebt hat. Dieser unheilvolle Zwiespalt beginnt nun auch in Siebenbürgen zwischen den Sachsen und den Rumänen (Walachen), welche bisher vereint der dritten Nation des Landes, den Szeklern gegenüber gestanden waren. Die Russenfrage hat die Vereinten gespalten. In den Hermannstädter Sachsen ist der Gedanke erstanden, die Russen, die mit kluger Berechnung in so lockender Nähe standen, über die Gränzen zu rufen, die Rumänen, welche die Segnungen des russischen Schutzes an ihren Stammgenossen in den benachbarten Donaufürstenthümern erfahren haben, waren dagegen. Aber in der Berathung, die über diese Frage gepflogen ward, waren die Sachsen in der Mehrzahl, und so wurde denn die russische Hilfe angesprochen. Die Rumänen protestiren um so eifriger gegen ihre Mitschuld an diesem Schritte, als man ihnen bisher so häufig den Vorwurf der Russophilie gemacht. Von den Folgen des russischen Einmarsches hängt es ab, ob der Zwiespalt zwischen Sachsen und Rumänen wachsen, oder sich wieder beilegen werde. Wir befürchten ersteres. Unter den wenigen Rumänen, welche für die russische Hülfe sprachen, war der vornehmste, Bischof Schaguna, der bereits vor seiner Reise nach Olmütz mit dem sächsischen Professor Gottfried Müller nach Bukarest geeilt war, um die Russen in's Land zu rufen. Schweiz. Bern, 16. Febr. Die Schweizerpresse tritt immer energischer gegen die Militärkapitulationen auf und verlangt schnelle Abhülfe. Die „Revue de Geneve,“ das Organ von James Fazy, weist nach, daß der Bundesrath, indem er einerseits in dem Kreisschreiben an die schweizerischen Konsuln in Italien die Kapitulationen, wenn nicht billigt, doch gewissermaßen entschuldige, andererseits sich so willfährig zeige gegen Oestreich und die deutsche Centralgewalt, keineswegs neutral, sondern parteiisch sei. „Italien“ so schließt der Artikel, „ist aufgebracht über die Aufrechthaltung einer so sonderbaren Anomalie. Man täusche sich aber nicht! Die Schweiz ebenfalls ist entrüstet, und gewiß, sie wird die falschen Auslegungen, die Sophismen und Jesuitereien nicht lange mehr dulden, vermittelst welcher man behaupten wollte, was die Bundesverfassung und mehrere Tagsatzungsbeschlüsse verworfen haben.“ Die „Helvetie“ sagt: „Wohl mag die Schweiz mit besorgten Blicken dem Kampfe in Ungarn, dem neu auflodernden in Italien zusehen, denn auch ihr künftiges Schicksal wird da entschieden. Italiens Unterliegen ist der Vorbote der Unterdrückung der Schweiz. Kann nun etwas Widersinnigeres erdacht werden, als wenn die Schweiz, dies voraussehend, gleichwohl tausende ihrer Söhne unter den Fahnen des Absolutismus gegen das um seine Befreiung ringende Volk kämpfen läßt und damit die Stunde des absoluten Gerichts, welches ihr besonders von ihrem Erbfeinde Oestreich droht, wesentlich beschleunigen hilft?“ Alle Blätter von nur einiger Bedeutung sprechen sich in diesem Sinne aus. Könne das regenerirte Italien die Pensionen etc. der kapitulirten Truppen nicht bezahlen, so sei die Schweiz reich genug, jenen Ansprüchen zu genügen, sie könne und wolle den Fluch der Völker abkaufen, welcher durch die Fortdauer des schmachvollen Söldnerdienstes gegen sie heraufbeschworen, die Schandsäule wegschaffen, welche ihr deshalb die Geschichte setzen würde. Besonders wird auch auf das Schicksal der Schweizertruppen hingewiesen, wenn das Volk in Italien einst die Oberhand gewinnen sollte, und auf die schreckliche, wenn auch ungerechte Volksrache, welche den zahlreichen in Italien ansässigen, reichbegüterten Schweizern angedroht sei. Italien. * Den 10. Februar fand auf dem römischen Kapitol eine große Demonstration Statt. Alle Volksrepräsentanten waren zusammenberufen, eine große Volksmasse, die Bürgergarde und die Carabiniers. Im Balkon des Gemeindehauses, verlas der Präsident Galetti, umgeben von allen Repräsentanten, das glorreiche Dekretader konstituirenden Versammlung, welches die weltliche Gewalt der Päbste abschaffte und die Republik proklamirte. Bei dem Wort: Republik! entblößten sich alle Köpfe und erfolgte donnernder Applaus. Der Contemporaneo schreibt: „Wenn Toskana wie Rom handelt, wen Frankreich die Republik anerkennt, wird England es auch thun. Man glaubt, daß Sardinien die Republik anerkennen wird. Auf der Höhe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar229_013" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="1259"/> lich, ich sage euch, dieses Geschenk wird euch sehr theuer zu stehen kommen.“</p> </div> <div xml:id="ar229_014" type="jArticle"> <head>Wien.</head> <p>Das C. Bt. a. B. läßt sich von hier schreiben:</p> <p>Kossuth <hi rendition="#g">soll</hi> den Obristen Montecucoli, als Revanche für den in Ofen erschossenen Szdll, haben henken lassen, und zugleich gedroht, daß für Jeden der in Ofen füsilirt wird, ein östreichischer Stabsoffizier gehenkt wird! Sehr vernünftig.</p> </div> <div xml:id="ar229_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 20. Febr.</head> <p>National- Versammlung. Um 9 Uhr ließ Präsident Simson auf Antrag von Fuchs die Mitglieder zählen. ‒ 67 waren anwesend. 1/4 Stunde später war man beschlußfähig, und das Protokoll wurde genehmigt. ‒ Nach mehrfachen mit Bravo aufgenommenen Flottenbeiträgen (deren Zahl übrigens von Tage zu Tage merkwürdiger Weise wächst) beginnt man die Tagesordnung.</p> <p><hi rendition="#g">Mittermeier</hi> (Berichterstatter der Minorität des Verfassungs- Ausschusses) spricht für die 5 Minoritäts- Erachten zu § 1 und 2 (S. unten). Unter andern spricht er sich gegen jeden Census aus und widerlegt dabei die Bassermann'sche Behauptung, als habe Rotteck den Census empfohlen. Rotteck habe zwar allerdings einmal fur den Census sich ausgesprochen, aber später diese Ansicht vollkommen widerrufen. (Links: hört! rechts Gelächter!) Es verdiene doppelte Verachtung, daß nachträglich Mitglieder des Verfassungs-Ausschusses einen Census vorgeschlagen, während im Entwurf sich dieser Ausschuß entschieden gegen jeden Census erklärt hatte.</p> <p>Georg Beseler (ohne Fonds) hat nämlich, voraussehend, daß die „Schandanträge“ des Ausschusses doch fallen müssen, schnell ein Surrogat mit Census substituirt und der kühngriffige Gagern diesen Antrag zu dem seinigen gestempelt.</p> <p>Die Rechte unterbricht M. oft und heftig, überhaupt ist große Agitation im Froschteich wahrzunehmen.</p> <p>Mittermeier spricht für ein Wahlgesetz im freisten Sinn Soll ich Ihnen sagen, ruft er, wie Sie einen guten Beschluß herbeiführen können: „Die Philister unter Ihnen müssen aus Ihrem Schlafe erwachen!! ‒ Weg mit dem Fanatismus der Ruhe! Fort mit der Ruhe! Wenn Sie den Kampf auf dem Wege des Gesetzes nicht wollen, so werden Sie ihn auf den Barrikaden haben!“ (Langer und donnernder Beifall von der Linken, linkem Centrum und allen Tribünen.)</p> <p><hi rendition="#g">Scheller</hi> spricht für die Majorität des Verfassungs-Ausschusses. ‒ Was er für den „noblen“ Entwurf spricht, ist der Mühe zu repetiren nicht werth!</p> <p>Man schreitet um 11 Uhr zur Abstimmung, das Haus ist ganz gefüllt, alle Abgeordneten anwesend. Man merkt, daß heut die Endentscheidung, das Brechen des letzten Stabes drankommt.</p> <p>Viele namentliche Abstimmungen werden beantragt und unterstützt.</p> <p>Bei der Wichtigkeit der Sache gebe ich Ihnen alle Anträge, die zur Abstimmung kamen.</p> <p>Zuerst wurde der Titel in folgender Gestalt angenommen:</p> <p>Reichsgesetz über die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshause.</p> <p>Für die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshause sollen folgende Bestimmungen gelten:</p> <p>Wiesners Antrag</p> <p>„Wähler ist jeder volljährige Deutsche“ wurde nur von der Linken genehmigt.</p> <p>Hierauf folgten die Requisiten zu § 1: 1. die „Unbescholtenheit“ wurde mit 237 Stimmen gegen 224 angenommen! (Pfui!) 2. Die „Selbstständigkeit“ wurde mit 422 Stimmen gegen 21 verworfen.</p> <p>Unter den wenigen dafür Stimmenden finden sich Bassermann, Antz (Regierungsrath aus Aachen, reaktionärstes Mitglied der Versammlung, nächstens mehr von ihm!) Fuchs aus Breslau.</p> <p>Die Herren von rechts ließen die Selbstständigkeit fallen, um für den Census zu stimmen</p> <p>So heißt denn dieser halbkastrirte Jammerparagraph I.:</p> <p>„Wähler ist jeder unbescholtene Deutsche, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat!“</p> <p>Mit dem Wegfall der „Selbstständigkeit“ fielen natürlich auch die elenden Bestimmungen des § 2. (Ausschließung der Arbeiter, Handwerker, Dienstboten.)</p> <p>§ 2 wurde so genehmigt:</p> <p>„Von der Berechtigung zum Wählen sind ausgeschlossen: Personen, welche unter Vormundschaft oder Curatel stehen. Personen, über deren Vermögen Concurs oder Fallitzustand gerichtlich eröffnet worden ist, und zwar während der Dauer dieses Concurs oder Fallitverfahrens. Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen oder Gemeindemitteln beziehen, oder im letzten der Wahl vorhergegangenen Jahr bezogen haben.“</p> <p>(Mit 266 Stimmen gegen 186.) ‒ Pfui!</p> <p>Der ministerielle Antrag:</p> <p>„Wahlberechtigt ist nur, wer mindestens entweder a. 5 fl. 15 kr. rhein. (3 Thlr. preuß.) direkte Steuern jährlich an den Staat entrichtet, oder b. ein jährliches Einkommen von 350 fl. (200 Thlr. preuß.), oder c. ein Grundeigenthum von 350 fl. rhein. (200 Thlr.) hat;“</p> <p>wurde mit 332 Stimmen gegen 117 verworfen; für den edlen Odilon-Gagern ein horribles Mißtrauensvotum!!!</p> <p>Dafür stimmten u. A. Dahlmann, Mathy, Droysen, Fuchs, Gagern (!), Mevissen aus Köln (!), Grävell, Hergenhahn, Laube!!!, Raumer, Reichensperger, Soiron u. s. w. Schöne Stützen des Ministeriums. ‒ Sogar der Minister Robert Mohl stimmte gegen Gagern's Antrag</p> <p>Ein Antrag von Rheinstein und mehreren Mitgliedern der Linken:</p> <p>„Ausgeschlossen sollen auch sein, Personen, welche Gratifikationen oder Pensionen beziehen,“</p> <p>wurde leider verworfen.</p> <p>Die Linke stimmte dafür. Man schien den Antrag für Hohn zu halten, während es der bitterste Ernst ist.</p> <p>Hierauf kommen 3 ähnliche Anträge (mehr oder minder Census verlangend); sie erlitten alle und zwar auffallender Weise das Geschick des ministeriellen, das heißt, sie wurden verworfen, der Biedermann'sche mit 248 gegen 204 Stimmen.</p> <p>Der von Hoffmann von Friedberg mit 239 gegen 209.</p> <p>Endlich der von Lette mit sehr großer Majorität.</p> <p>Hiermit war die Sitzung um 1/2 5 Uhr geschlossen, und es blieb bei den obigen Bestimmungen des § 1 und 2</p> <p>Der Ausschuß erlitt eine kolossale Niederlage.</p> <p>Beseler- Gagern sind gerichtet.</p> </div> <div xml:id="ar229_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Kassel, 18. Febr.</head> <p><hi rendition="#g">Gott steh' uns bei! Der Kurfürst will seine Haupt- und Residenzstadt Kassel verlassen,</hi> weil neulich sein höchsteigenes Palais in Person für den höchstgnädigen Herrn eine Katzenmusik in Empfang genommen. Der Kurfürst verläßt den Sitz seiner Ahnen und begiebt sich unter priesterlichen Schutz nach Fulda. Möglich, daß ihn die in's Kloster stecken, ‒ da er, fern von dem geräuschvollen Treiben der Welt, Soldaten malen und ausschneiden kann in beliebiger Facon. Pius IX., Leopold von Toskana, Friedrich Wilhelm, Kurfürst und souveräner Landgraf von Hessen! Der Haushofmeister ist bereits nach Fulda abgereist und große Anstalten werden getroffen. „Gräfin in Sicherheit, Grafen in Sicherheit, Geld in Sicherheit, Ich in Sicherheit! Ae, Ae, Ae!“ Und die Kasseler Spießbürger, die vom Hof leben, ‒ die machen Revolution, Petitionen, Vorstellungen und dergleichen. Nächstens mehr, wenn nur der Kurfürst da bleibt.</p> </div> <div xml:id="ar229_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Cassel, 17. Febr.</head> <p><hi rendition="#g">Der Henkel im Conflickt mit der Staatsregierung, im Conflickt mit dem gesinnungstüchtigen Ministerium Eberhard!</hi> Unglaublich und doch wahr! Der Henkel hat <hi rendition="#g">bekanntlich,</hi> ‒ wer sollte wohl von der gesetzgeberischen Thätigkeit des „der Henkel“ nicht wissen? ‒ ein neues Wahlgesetz erlassen auf Grund der Grundrechte, welche die Standesvorrechte abschaffen oder besser gesagt abschaffen sollten, ein Wahlgesetz, das uns freie kurhessische Unterthanen mit 16 Städtern, 16 Bauern und 16 höchst Besteuerten beglückt, und nebenbei eine unzählige Menge verfassungsmäßiger Beschränkungen <hi rendition="#g">der Ausübung des Wahlrechts,</hi> ja nicht des Wahlrechts selber einführt, denn der Henkel sagt ja: „<hi rendition="#g">Alle Menschen sind gleich berechtigt, aber nicht alle zur Ausübung ihrer gleichen Rechte gleichberechtigt.</hi>“ Der Henkel glühend in selbstgerechtem Stolze ob seines so beifällig zur Taufe gehobenen Kindes verlangt sofortige Publikation des Wahlgesetzes. Die Regierung des edlen Eberhard aber braucht Geld, und meint, wenn sie das Wahlgesetz publizire, ehe das Geld bewilligt sey, dann werde vielleicht nachher kein's mehr bewilligt oder doch im günstigsten Falle nicht bezahlt.</p> <p>Der Henkel will das Wahlgesetz, die Regierung aber will Geld von ihm und dann erst will sie das Wahlgesetz. Der Henkel vermittelt nun, er will sofort das Wahlgesetz, will aber auch der Henkel bleiben, Diäten beziehen und Geld verwilligen. Die Sachlage ist kritisch. Der Henkel hilft ab durch ein Gesetz, das Gesetz geht an den Rechtsausschuß und im Rechtsausschuß ist der Henkel der Hauptmann.</p> <p>Der Henkel als Rechtsausschuß überlegt die Sache hin und her, plötzlich läßt er heute durch den rothen Wolff Bericht erstatten und die Ansicht mittheilen: <hi rendition="#g">„daß die landständische Eigenschaft der Mitglieder der jetzigen Ständeversammlung nicht durch die Promulgation des angenommenen neuen Wahlgesetzes, sondern nur entweder durch Ablauf der Landtagsperiode oder aus den im §. 79 der Verfassungsurkunde angegebenen Gründen (Auflösung) aufhört.“</hi> </p> <p>Hr. Lederer springt sofort seinen Freunden bei und beantragt aus Zweckmäßigkeitsgründen, weil in jetziger Zeit das Land (soll wohl heißen die Minister) ohne stete Anwesenheit der Ständeversammlung nicht bestehen könne: „die Staatsregierung um Vorlage eines Gesetzentwurf's zu ersuchen, wodurch bestimmt werde, <hi rendition="#g">daß die Wirksamkeit der Ständeversammlung so lange fortdauere, bis in Gemäßheit des neuen Wahlgesetzes eine andere gewählt sey.“</hi> </p> <p>Ist der große Gesetzgeber Lederer von Marburg, Freund des Henkel's, so wenig selbstständig, daß er nicht auch einmal anstatt seines ewigen Wimmerns um Gesetzvorlagen von dem verfassungsmäßigen Rechte der Initiative Gebrauch machen kann?</p> <p>Die Versammlung trat der Ansicht des Ausschusses mit 34 gegen 5 Stimmen bei und überwies den Antrag des Hr. Lederer dem Verfassungsausschuß. Wir sagen auf Grund des grundrechtlichen Einführungsgesetzes, daß kein Mensch nach Annahme des neuen Wahlgesetzes mehr an die Beschlüsse dieser Ständeversammlung gebunden ist, und selbst der permanente Ausschuß besteht in diesem Augenblicke nicht mehr zu Recht. <hi rendition="#g">So ist denn einmal bei uns wieder alles in der Schwebe, vielleicht eine Spießbürgerrevolution in Aussicht,</hi> wie erst vor Kurzem eine dem Ausbruche nahe war. <hi rendition="#g">O gepriesener Staat der widerstreitenden Gewalten! Macht den Henkel zum Kurfürsten und ihr seid gerettet, der trägt euch über alle formellen Bedenken hinweg!</hi> </p> </div> <div xml:id="ar229_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>213</author></bibl> Leipzig, 20. Febr.</head> <p>Gestern veröffentlichte eins unserer vielen in der Sedez- Riesengestalt des „Dorfbarbiers,“ der „Dorfzeitung“ und anderer Dorfgenialitäten centraldeutscher Kleinheit erscheinenden centralharmlosen „Blättchen“ die Loyalitätsadresse unseres börsenspezifischen Prozent-Ritterthums an seine zwischen Berlin und Wien zum Regiren erlaubte thränenbegnadete Vice- Majestät. Vergeblich spähte ich in der Adresse nach dem hier sonst doch so unvermeidlichen Geiste unserer Leipziger „Gose;“ er war nicht darin zu finden. ‒ Gose ist bekanntlich das Lieblingsgetränk Leipzig's. Wer den rechten Begriff von radikaler Geist-, Geschmack- und Charakterlosigkeit bekommen, wer die unübertrefflichste Bedeutungslosigkeit kennen lernen will, der muß Gose trinken, Leipziger Gose. Es gehörte Genie dazu, ein solch ultragehaltloses Getränk zu erfinden, das sächsische Genie der gebildeten Bedeutungslosigkeit. Und doch schmeckt Gose noch pikanter als die meisten sächsischen Dorfblättchen. Die Gose hat noch niemals Jemand betrunken gemacht und geht daher Hand in Hand mit unserer Literatur, die man so rasch und gemüthlich verdaut, wie Gose. Alle unsere Redakteure trinken Gose, schwängern ihre geistigen Organe mit Gose. Wer über den Geist der Gose hinausgeht, wird zum verabscheuungswürdigsten Satan. Und dennoch haben unsere Hauptbuch- Evangelisten mit dem ewigen Prozentausdruck im sonst nichtssagenden Antlitz diesmal über die Schnur gehauen. Das kommt aber daher. Seit einiger Zeit stöbern die Junker der klingenden Politik in der weißbierburschikosen Kreuzritterin herum und erlaben sich in dem Schlachthausdunst der österreichischen Standrechtsbestien. Der Geist der Gose hat weichen müssen, denn die Leipziger Profit- Junker wollen zeigen, was sie gelernt haben. Sie sagen also unter Anderm im kroatischen Banditenstiele:</p> <p>„Haben die Wellen der Revolution sich bis jetzt an dem Throne Sachsens gebrochen, so verdanken wir dies den Tugenden, der Weisheit, der Treue und der Gerechtigkeit, welche die schönsten Zierden unserer Krone sind.“</p> <p>Sitzt aber die Gerechtigkeit auf dem Throne und hält sie in der einen Hand die Wage, mit welcher sie die Forderungen der Parteien würdigt und ausgleicht, „so führt sie in der andern auch das Schwert, mit welchen sie Denen droht, welche das Recht beugen, das Gesetz verhöhnen, die Ruhe stören und den Frieden brechen wollen. ‒ Mit Gott für König und Vaterland!“</p> <p>Ist das nicht kreuzritterlich, galgenverdienstlich, windischgrätzisch-banquiers-geschäftlich-ordnungs-freiheitlich? ‒ Sie sehen, unsere Spießbürger werden Bourgeois; sie verlassen den Geist der Gose, um zwischen österreichischer Backhähnel- und preußischer Weißbierpolitik Posto zu stehen. Aber sie können es doch nicht unterlassen, zuletzt ihre germanisch-gründliche Krämergemeinheit zu produziren, indem sie am Schlusse eines Gedichtes, welches, ebenso wie die Adresse, wider die sächsische Kammer abgeschossen ist, ausrufen:</p> <p>„Wir halten europäische Reden Und zieh'n <hi rendition="#b">drei Thaler tägliche Diäten!“</hi> </p> <p>An den Anblick rüstiger, thatkräftiger Völker gewohnt, kommen mir die hiesigen Menschen vor, wie blutlose Gestalten, deren Energie und Genie in Wasser gekochten und dann in der Faust zu menschlicher Kopfgestalt ausgewürzten Spinat (ein gräsernes Gemüse) zum Vater haben müssen.</p> <p>Das brodlose Proletariat wird, statt seiner Rechte bewußt gemacht zu werden, von Früh-, Nachmittags- und Sonntags- Predigern mit Humanitäts- Phrasen aus Jean Paul's Siebenkäs gefüttert. Es erhält daraus die „Blumen- und Dornenstücke,“ während die pfiffigen Prediger die eigentlichen „Fruchtstücke“ allein genießen. ‒ So finden hier „Vorlesungen und Ausstellungen zum Besten brodloser Arbeiter“ statt, zu welchen dann die vornehme Bourgeoiswelt die saft- und kraft-, die werth- und gehaltlosesten Schnitzel ihres Arbeitskorbes zu liefern die Großmuth hat.</p> <p>Obgleich man sich vor dem Märzmiau durch zehn Jahre mit christlich-germanischer Gründlichkeit das teutonische Gehirn darüber zerbrochen hatte, ob die Juden zu emanzipiren und Geschwornengerichte an die Stelle der Aktenwürmer treten sollen, so hat man hier damit doch noch lange nicht genug. Fortwährend treten, namentlich über die Geschworenen, neue Deklamatoren auf, die im Uriastone darüber phraseologiren, und wie! Die Sachsen sind entweder krämernde Fische, oder Schulmeister und Sonntagsprediger. Man sollte glauben, Leipzig mache eine Ausnahme, weil hier eine Weltmesse stattfindet und Göthe gesagt hat: Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute. Dem ist aber nicht so, die Messe bringt blos Krämer hieher, die Welt bleibt, wo sie ist; sie hängt niemals an den Füßen der Krämer. Ein Fremder, der um 10 Uhr die Straße passirt, glaubt in der That, zu Schildburg angelangt zu sein. Mir widerfuhr's neulich, daß ich im Mondschein Abends auf- und abwandelte, als es 10 Uhr schlug. Flugs rückte ein schwerbewaffneter, äußerst gemüthlich aussehender Nachtwächter mitten in die Straße an und sang mit dem unnachahmlich-gemüthlichen Tone sächsischer Troubadour's, uns nicht nur zu, daß es 10 Uhr sei, sondern auch, daß wir uns schlafen legen, Feuer und Licht, damit Niemand Schaden geschicht, bewahren sollten. Wenn ich dann am andern Tage Ihre Pariser Korrespondenzen lese und sehe, daß die französischen Demokraten große Erwartungen, namentlich an's Central-Deutschland setzen, dann muß ich mit einer Reminiscenz an die Nachtwächter „O weh!“ ausrufen. ‒ Das sächsische Militär muß lauter Liliputaner zu Eltern haben; aus jedem österreichischen Grenadier ließen sich zum wenigsten zwei sächsische ausschneiden. Ein hiesiges Bataillon wäre mir neulich unversehens beinahe zwischen den Beinen durchmarschirt.</p> <p>Oestreich will in Siebenbürgen noch mehr Sachsen haben und soll bei der Dresdener Regierung um, ich weiß nicht wie viele Centner, angefragt haben, die, wie ich höre, demnächst gegen komptant auch geliefert werden dürften. Mir will's indessen bedünken, daß Sachsen besser thäte, statt des Comptant, sich mit martialischen, riesenmäßigen Szeklern und Kroaten ausbezahlen zu lassen. Ich bin fest überzeugt, die blauäugigen Sächsinnen würden unter den stämmigen Kroaten und Szeklern ihre sittlich germanischen Männlein bald vergessen. Sachsen und damit das in der Fabrikation begriffene Deutschland würden dadurch eine schöne kroatische Zukunft bekommen.</p> <p>Die Studenten sind ebenso geistvoll und geistlos, ebenso zahmgermanisch wie die zahllosen Schwungs der Komptoirs. Man sieht sie während halber Tage beim geistvollen Domino sitzen, welches sie, weil dies den Kopf zu sehr anstrengt, ohne Kaufen spielen. Erst in der Nacht, d. h. wenn sie besoffen sind, beginnen sie in der alten Sprache der Vandalen zu reden. Um Politik kümmert sich keiner, doch tragen sie hie und da bedeutungsvolle dreifarbige Bänder. Im Theater kann einer spielen so gut oder schlecht er will, man hört niemals zischen oder applaudiren; ein Theaterabend ist mit Rücksicht auf das Publikum eine ergötzliche Scene. Eine eisige christlich- germanische Aufmerksamkeitskälte beherrscht alle Physiognomien; die Frauen bemühen sich dabei, noch reizloser zu erscheinen, als sie es schon von Natur fast alle sind.</p> <p>Die sächsische Kammer hatte die Bildung, den Mord Blum's blos Tödtung zu nennen. Was gehen auch unter solchen Umständen alle ihre Redensarten gegenüber ihren Thaten an! Was man in Sachsen Demokratie tauft, würde bei Ihnen, ich weiß nicht wie, genannt werden müssen.</p> <p>Damit mein kleines Porträt übrigens einigermaßen zu Ihrer Zufriedenheit schließt, erwähne ich, daß das Centralcomite der Blumstiftung hierselbst bereits 3359 Thlr. eingenommen hat.</p> <p>Es lebe die deutsche Zukunft;</p> <p><hi rendition="#g">Nachschrift.</hi> Gestern erzählte man sich, Jellachich habe mit 80,000 Slaven das kaiserliche Herr verlassen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn.</head> <div xml:id="ar229_019" type="jArticle"> <p><hi rendition="#b">Aus Siebenbürgen</hi> jammert das Corresp. Bl. a. Böhmen wie folgt:</p> <p>Während der Monarch sich den Wahlspruch viribus unitis erkor, gefallen sich die Völker Oestreichs in dem entgegengesetzten Motto, und zerbröckeln sich immer mehr und mehr in nationalfeindliche Parteien. Wohin solcher Zwiespalt führt, hat die Geschichte schon oft gelehrt, aber es ergeht der Geschichte, wie jenem Propheten im Evangelium, man glaubt ihr nicht früher, als bis man sie selbst zu allereigenstem Schaden erlebt hat. Dieser unheilvolle Zwiespalt beginnt nun auch in Siebenbürgen zwischen den Sachsen und den Rumänen (Walachen), welche bisher vereint der dritten Nation des Landes, den Szeklern gegenüber gestanden waren. Die Russenfrage hat die Vereinten gespalten. In den Hermannstädter Sachsen ist der Gedanke erstanden, die Russen, die mit kluger Berechnung in so lockender Nähe standen, über die Gränzen zu rufen, die Rumänen, welche die Segnungen des russischen Schutzes an ihren Stammgenossen in den benachbarten Donaufürstenthümern erfahren haben, waren dagegen. Aber in der Berathung, die über diese Frage gepflogen ward, waren die Sachsen in der Mehrzahl, und so wurde denn die russische Hilfe angesprochen. Die Rumänen protestiren um so eifriger gegen ihre Mitschuld an diesem Schritte, als man ihnen bisher so häufig den Vorwurf der Russophilie gemacht. Von den Folgen des russischen Einmarsches hängt es ab, ob der Zwiespalt zwischen Sachsen und Rumänen wachsen, oder sich wieder beilegen werde. Wir befürchten ersteres. Unter den wenigen Rumänen, welche <hi rendition="#g">für</hi> die russische Hülfe sprachen, war der vornehmste, Bischof Schaguna, der bereits vor seiner Reise nach Olmütz mit dem sächsischen Professor Gottfried Müller nach Bukarest geeilt war, um die Russen in's Land zu rufen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Schweiz.</head> <div xml:id="ar229_020" type="jArticle"> <head>Bern, 16. Febr.</head> <p>Die Schweizerpresse tritt immer energischer gegen die Militärkapitulationen auf und verlangt schnelle Abhülfe. Die „Revue de Geneve,“ das Organ von James Fazy, weist nach, daß der Bundesrath, indem er einerseits in dem Kreisschreiben an die schweizerischen Konsuln in Italien die Kapitulationen, wenn nicht billigt, doch gewissermaßen entschuldige, andererseits sich so willfährig zeige gegen Oestreich und die deutsche Centralgewalt, keineswegs neutral, sondern parteiisch sei. „Italien“ so schließt der Artikel, „ist aufgebracht über die Aufrechthaltung einer so sonderbaren Anomalie. Man täusche sich aber nicht! Die Schweiz ebenfalls ist entrüstet, und gewiß, sie wird die falschen Auslegungen, die Sophismen und Jesuitereien nicht lange mehr dulden, vermittelst welcher man behaupten wollte, was die Bundesverfassung und mehrere Tagsatzungsbeschlüsse verworfen haben.“ Die „Helvetie“ sagt: „Wohl mag die Schweiz mit besorgten Blicken dem Kampfe in Ungarn, dem neu auflodernden in Italien zusehen, denn auch ihr künftiges Schicksal wird da entschieden. Italiens Unterliegen ist der Vorbote der Unterdrückung der Schweiz. Kann nun etwas Widersinnigeres erdacht werden, als wenn die Schweiz, dies voraussehend, gleichwohl tausende ihrer Söhne unter den Fahnen des Absolutismus gegen das um seine Befreiung ringende Volk kämpfen läßt und damit die Stunde des absoluten Gerichts, welches ihr besonders von ihrem Erbfeinde Oestreich droht, wesentlich beschleunigen hilft?“ Alle Blätter von nur einiger Bedeutung sprechen sich in diesem Sinne aus. Könne das regenerirte Italien die Pensionen etc. der kapitulirten Truppen nicht bezahlen, so sei die Schweiz reich genug, jenen Ansprüchen zu genügen, sie könne und wolle den Fluch der Völker abkaufen, welcher durch die Fortdauer des schmachvollen Söldnerdienstes gegen sie heraufbeschworen, die Schandsäule wegschaffen, welche ihr deshalb die Geschichte setzen würde. Besonders wird auch auf das Schicksal der Schweizertruppen hingewiesen, wenn das Volk in Italien einst die Oberhand gewinnen sollte, und auf die schreckliche, wenn auch ungerechte Volksrache, welche den zahlreichen in Italien ansässigen, reichbegüterten Schweizern angedroht sei.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar229_021" type="jArticle"> <bibl> <author>*</author> </bibl> <p>Den 10. Februar fand auf dem <hi rendition="#g">römischen</hi> Kapitol eine große Demonstration Statt. Alle Volksrepräsentanten waren zusammenberufen, eine große Volksmasse, die Bürgergarde und die Carabiniers. Im Balkon des Gemeindehauses, verlas der Präsident Galetti, umgeben von allen Repräsentanten, das glorreiche Dekretader konstituirenden Versammlung, welches die weltliche Gewalt der Päbste abschaffte und die Republik proklamirte. Bei dem Wort: Republik! entblößten sich alle Köpfe und erfolgte donnernder Applaus.</p> <p>Der <hi rendition="#g">Contemporaneo</hi> schreibt:</p> <p>„Wenn Toskana wie Rom handelt, wen Frankreich die Republik anerkennt, wird England es auch thun. Man glaubt, daß Sardinien die Republik anerkennen wird. Auf der Höhe </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1259/0003]
lich, ich sage euch, dieses Geschenk wird euch sehr theuer zu stehen kommen.“
Wien. Das C. Bt. a. B. läßt sich von hier schreiben:
Kossuth soll den Obristen Montecucoli, als Revanche für den in Ofen erschossenen Szdll, haben henken lassen, und zugleich gedroht, daß für Jeden der in Ofen füsilirt wird, ein östreichischer Stabsoffizier gehenkt wird! Sehr vernünftig.
!!! Frankfurt, 20. Febr. National- Versammlung. Um 9 Uhr ließ Präsident Simson auf Antrag von Fuchs die Mitglieder zählen. ‒ 67 waren anwesend. 1/4 Stunde später war man beschlußfähig, und das Protokoll wurde genehmigt. ‒ Nach mehrfachen mit Bravo aufgenommenen Flottenbeiträgen (deren Zahl übrigens von Tage zu Tage merkwürdiger Weise wächst) beginnt man die Tagesordnung.
Mittermeier (Berichterstatter der Minorität des Verfassungs- Ausschusses) spricht für die 5 Minoritäts- Erachten zu § 1 und 2 (S. unten). Unter andern spricht er sich gegen jeden Census aus und widerlegt dabei die Bassermann'sche Behauptung, als habe Rotteck den Census empfohlen. Rotteck habe zwar allerdings einmal fur den Census sich ausgesprochen, aber später diese Ansicht vollkommen widerrufen. (Links: hört! rechts Gelächter!) Es verdiene doppelte Verachtung, daß nachträglich Mitglieder des Verfassungs-Ausschusses einen Census vorgeschlagen, während im Entwurf sich dieser Ausschuß entschieden gegen jeden Census erklärt hatte.
Georg Beseler (ohne Fonds) hat nämlich, voraussehend, daß die „Schandanträge“ des Ausschusses doch fallen müssen, schnell ein Surrogat mit Census substituirt und der kühngriffige Gagern diesen Antrag zu dem seinigen gestempelt.
Die Rechte unterbricht M. oft und heftig, überhaupt ist große Agitation im Froschteich wahrzunehmen.
Mittermeier spricht für ein Wahlgesetz im freisten Sinn Soll ich Ihnen sagen, ruft er, wie Sie einen guten Beschluß herbeiführen können: „Die Philister unter Ihnen müssen aus Ihrem Schlafe erwachen!! ‒ Weg mit dem Fanatismus der Ruhe! Fort mit der Ruhe! Wenn Sie den Kampf auf dem Wege des Gesetzes nicht wollen, so werden Sie ihn auf den Barrikaden haben!“ (Langer und donnernder Beifall von der Linken, linkem Centrum und allen Tribünen.)
Scheller spricht für die Majorität des Verfassungs-Ausschusses. ‒ Was er für den „noblen“ Entwurf spricht, ist der Mühe zu repetiren nicht werth!
Man schreitet um 11 Uhr zur Abstimmung, das Haus ist ganz gefüllt, alle Abgeordneten anwesend. Man merkt, daß heut die Endentscheidung, das Brechen des letzten Stabes drankommt.
Viele namentliche Abstimmungen werden beantragt und unterstützt.
Bei der Wichtigkeit der Sache gebe ich Ihnen alle Anträge, die zur Abstimmung kamen.
Zuerst wurde der Titel in folgender Gestalt angenommen:
Reichsgesetz über die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshause.
Für die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshause sollen folgende Bestimmungen gelten:
Wiesners Antrag
„Wähler ist jeder volljährige Deutsche“ wurde nur von der Linken genehmigt.
Hierauf folgten die Requisiten zu § 1: 1. die „Unbescholtenheit“ wurde mit 237 Stimmen gegen 224 angenommen! (Pfui!) 2. Die „Selbstständigkeit“ wurde mit 422 Stimmen gegen 21 verworfen.
Unter den wenigen dafür Stimmenden finden sich Bassermann, Antz (Regierungsrath aus Aachen, reaktionärstes Mitglied der Versammlung, nächstens mehr von ihm!) Fuchs aus Breslau.
Die Herren von rechts ließen die Selbstständigkeit fallen, um für den Census zu stimmen
So heißt denn dieser halbkastrirte Jammerparagraph I.:
„Wähler ist jeder unbescholtene Deutsche, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat!“
Mit dem Wegfall der „Selbstständigkeit“ fielen natürlich auch die elenden Bestimmungen des § 2. (Ausschließung der Arbeiter, Handwerker, Dienstboten.)
§ 2 wurde so genehmigt:
„Von der Berechtigung zum Wählen sind ausgeschlossen: Personen, welche unter Vormundschaft oder Curatel stehen. Personen, über deren Vermögen Concurs oder Fallitzustand gerichtlich eröffnet worden ist, und zwar während der Dauer dieses Concurs oder Fallitverfahrens. Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen oder Gemeindemitteln beziehen, oder im letzten der Wahl vorhergegangenen Jahr bezogen haben.“
(Mit 266 Stimmen gegen 186.) ‒ Pfui!
Der ministerielle Antrag:
„Wahlberechtigt ist nur, wer mindestens entweder a. 5 fl. 15 kr. rhein. (3 Thlr. preuß.) direkte Steuern jährlich an den Staat entrichtet, oder b. ein jährliches Einkommen von 350 fl. (200 Thlr. preuß.), oder c. ein Grundeigenthum von 350 fl. rhein. (200 Thlr.) hat;“
wurde mit 332 Stimmen gegen 117 verworfen; für den edlen Odilon-Gagern ein horribles Mißtrauensvotum!!!
Dafür stimmten u. A. Dahlmann, Mathy, Droysen, Fuchs, Gagern (!), Mevissen aus Köln (!), Grävell, Hergenhahn, Laube!!!, Raumer, Reichensperger, Soiron u. s. w. Schöne Stützen des Ministeriums. ‒ Sogar der Minister Robert Mohl stimmte gegen Gagern's Antrag
Ein Antrag von Rheinstein und mehreren Mitgliedern der Linken:
„Ausgeschlossen sollen auch sein, Personen, welche Gratifikationen oder Pensionen beziehen,“
wurde leider verworfen.
Die Linke stimmte dafür. Man schien den Antrag für Hohn zu halten, während es der bitterste Ernst ist.
Hierauf kommen 3 ähnliche Anträge (mehr oder minder Census verlangend); sie erlitten alle und zwar auffallender Weise das Geschick des ministeriellen, das heißt, sie wurden verworfen, der Biedermann'sche mit 248 gegen 204 Stimmen.
Der von Hoffmann von Friedberg mit 239 gegen 209.
Endlich der von Lette mit sehr großer Majorität.
Hiermit war die Sitzung um 1/2 5 Uhr geschlossen, und es blieb bei den obigen Bestimmungen des § 1 und 2
Der Ausschuß erlitt eine kolossale Niederlage.
Beseler- Gagern sind gerichtet.
15 Kassel, 18. Febr. Gott steh' uns bei! Der Kurfürst will seine Haupt- und Residenzstadt Kassel verlassen, weil neulich sein höchsteigenes Palais in Person für den höchstgnädigen Herrn eine Katzenmusik in Empfang genommen. Der Kurfürst verläßt den Sitz seiner Ahnen und begiebt sich unter priesterlichen Schutz nach Fulda. Möglich, daß ihn die in's Kloster stecken, ‒ da er, fern von dem geräuschvollen Treiben der Welt, Soldaten malen und ausschneiden kann in beliebiger Facon. Pius IX., Leopold von Toskana, Friedrich Wilhelm, Kurfürst und souveräner Landgraf von Hessen! Der Haushofmeister ist bereits nach Fulda abgereist und große Anstalten werden getroffen. „Gräfin in Sicherheit, Grafen in Sicherheit, Geld in Sicherheit, Ich in Sicherheit! Ae, Ae, Ae!“ Und die Kasseler Spießbürger, die vom Hof leben, ‒ die machen Revolution, Petitionen, Vorstellungen und dergleichen. Nächstens mehr, wenn nur der Kurfürst da bleibt.
15 Cassel, 17. Febr. Der Henkel im Conflickt mit der Staatsregierung, im Conflickt mit dem gesinnungstüchtigen Ministerium Eberhard! Unglaublich und doch wahr! Der Henkel hat bekanntlich, ‒ wer sollte wohl von der gesetzgeberischen Thätigkeit des „der Henkel“ nicht wissen? ‒ ein neues Wahlgesetz erlassen auf Grund der Grundrechte, welche die Standesvorrechte abschaffen oder besser gesagt abschaffen sollten, ein Wahlgesetz, das uns freie kurhessische Unterthanen mit 16 Städtern, 16 Bauern und 16 höchst Besteuerten beglückt, und nebenbei eine unzählige Menge verfassungsmäßiger Beschränkungen der Ausübung des Wahlrechts, ja nicht des Wahlrechts selber einführt, denn der Henkel sagt ja: „Alle Menschen sind gleich berechtigt, aber nicht alle zur Ausübung ihrer gleichen Rechte gleichberechtigt.“ Der Henkel glühend in selbstgerechtem Stolze ob seines so beifällig zur Taufe gehobenen Kindes verlangt sofortige Publikation des Wahlgesetzes. Die Regierung des edlen Eberhard aber braucht Geld, und meint, wenn sie das Wahlgesetz publizire, ehe das Geld bewilligt sey, dann werde vielleicht nachher kein's mehr bewilligt oder doch im günstigsten Falle nicht bezahlt.
Der Henkel will das Wahlgesetz, die Regierung aber will Geld von ihm und dann erst will sie das Wahlgesetz. Der Henkel vermittelt nun, er will sofort das Wahlgesetz, will aber auch der Henkel bleiben, Diäten beziehen und Geld verwilligen. Die Sachlage ist kritisch. Der Henkel hilft ab durch ein Gesetz, das Gesetz geht an den Rechtsausschuß und im Rechtsausschuß ist der Henkel der Hauptmann.
Der Henkel als Rechtsausschuß überlegt die Sache hin und her, plötzlich läßt er heute durch den rothen Wolff Bericht erstatten und die Ansicht mittheilen: „daß die landständische Eigenschaft der Mitglieder der jetzigen Ständeversammlung nicht durch die Promulgation des angenommenen neuen Wahlgesetzes, sondern nur entweder durch Ablauf der Landtagsperiode oder aus den im §. 79 der Verfassungsurkunde angegebenen Gründen (Auflösung) aufhört.“
Hr. Lederer springt sofort seinen Freunden bei und beantragt aus Zweckmäßigkeitsgründen, weil in jetziger Zeit das Land (soll wohl heißen die Minister) ohne stete Anwesenheit der Ständeversammlung nicht bestehen könne: „die Staatsregierung um Vorlage eines Gesetzentwurf's zu ersuchen, wodurch bestimmt werde, daß die Wirksamkeit der Ständeversammlung so lange fortdauere, bis in Gemäßheit des neuen Wahlgesetzes eine andere gewählt sey.“
Ist der große Gesetzgeber Lederer von Marburg, Freund des Henkel's, so wenig selbstständig, daß er nicht auch einmal anstatt seines ewigen Wimmerns um Gesetzvorlagen von dem verfassungsmäßigen Rechte der Initiative Gebrauch machen kann?
Die Versammlung trat der Ansicht des Ausschusses mit 34 gegen 5 Stimmen bei und überwies den Antrag des Hr. Lederer dem Verfassungsausschuß. Wir sagen auf Grund des grundrechtlichen Einführungsgesetzes, daß kein Mensch nach Annahme des neuen Wahlgesetzes mehr an die Beschlüsse dieser Ständeversammlung gebunden ist, und selbst der permanente Ausschuß besteht in diesem Augenblicke nicht mehr zu Recht. So ist denn einmal bei uns wieder alles in der Schwebe, vielleicht eine Spießbürgerrevolution in Aussicht, wie erst vor Kurzem eine dem Ausbruche nahe war. O gepriesener Staat der widerstreitenden Gewalten! Macht den Henkel zum Kurfürsten und ihr seid gerettet, der trägt euch über alle formellen Bedenken hinweg!
213 Leipzig, 20. Febr. Gestern veröffentlichte eins unserer vielen in der Sedez- Riesengestalt des „Dorfbarbiers,“ der „Dorfzeitung“ und anderer Dorfgenialitäten centraldeutscher Kleinheit erscheinenden centralharmlosen „Blättchen“ die Loyalitätsadresse unseres börsenspezifischen Prozent-Ritterthums an seine zwischen Berlin und Wien zum Regiren erlaubte thränenbegnadete Vice- Majestät. Vergeblich spähte ich in der Adresse nach dem hier sonst doch so unvermeidlichen Geiste unserer Leipziger „Gose;“ er war nicht darin zu finden. ‒ Gose ist bekanntlich das Lieblingsgetränk Leipzig's. Wer den rechten Begriff von radikaler Geist-, Geschmack- und Charakterlosigkeit bekommen, wer die unübertrefflichste Bedeutungslosigkeit kennen lernen will, der muß Gose trinken, Leipziger Gose. Es gehörte Genie dazu, ein solch ultragehaltloses Getränk zu erfinden, das sächsische Genie der gebildeten Bedeutungslosigkeit. Und doch schmeckt Gose noch pikanter als die meisten sächsischen Dorfblättchen. Die Gose hat noch niemals Jemand betrunken gemacht und geht daher Hand in Hand mit unserer Literatur, die man so rasch und gemüthlich verdaut, wie Gose. Alle unsere Redakteure trinken Gose, schwängern ihre geistigen Organe mit Gose. Wer über den Geist der Gose hinausgeht, wird zum verabscheuungswürdigsten Satan. Und dennoch haben unsere Hauptbuch- Evangelisten mit dem ewigen Prozentausdruck im sonst nichtssagenden Antlitz diesmal über die Schnur gehauen. Das kommt aber daher. Seit einiger Zeit stöbern die Junker der klingenden Politik in der weißbierburschikosen Kreuzritterin herum und erlaben sich in dem Schlachthausdunst der österreichischen Standrechtsbestien. Der Geist der Gose hat weichen müssen, denn die Leipziger Profit- Junker wollen zeigen, was sie gelernt haben. Sie sagen also unter Anderm im kroatischen Banditenstiele:
„Haben die Wellen der Revolution sich bis jetzt an dem Throne Sachsens gebrochen, so verdanken wir dies den Tugenden, der Weisheit, der Treue und der Gerechtigkeit, welche die schönsten Zierden unserer Krone sind.“
Sitzt aber die Gerechtigkeit auf dem Throne und hält sie in der einen Hand die Wage, mit welcher sie die Forderungen der Parteien würdigt und ausgleicht, „so führt sie in der andern auch das Schwert, mit welchen sie Denen droht, welche das Recht beugen, das Gesetz verhöhnen, die Ruhe stören und den Frieden brechen wollen. ‒ Mit Gott für König und Vaterland!“
Ist das nicht kreuzritterlich, galgenverdienstlich, windischgrätzisch-banquiers-geschäftlich-ordnungs-freiheitlich? ‒ Sie sehen, unsere Spießbürger werden Bourgeois; sie verlassen den Geist der Gose, um zwischen österreichischer Backhähnel- und preußischer Weißbierpolitik Posto zu stehen. Aber sie können es doch nicht unterlassen, zuletzt ihre germanisch-gründliche Krämergemeinheit zu produziren, indem sie am Schlusse eines Gedichtes, welches, ebenso wie die Adresse, wider die sächsische Kammer abgeschossen ist, ausrufen:
„Wir halten europäische Reden Und zieh'n drei Thaler tägliche Diäten!“
An den Anblick rüstiger, thatkräftiger Völker gewohnt, kommen mir die hiesigen Menschen vor, wie blutlose Gestalten, deren Energie und Genie in Wasser gekochten und dann in der Faust zu menschlicher Kopfgestalt ausgewürzten Spinat (ein gräsernes Gemüse) zum Vater haben müssen.
Das brodlose Proletariat wird, statt seiner Rechte bewußt gemacht zu werden, von Früh-, Nachmittags- und Sonntags- Predigern mit Humanitäts- Phrasen aus Jean Paul's Siebenkäs gefüttert. Es erhält daraus die „Blumen- und Dornenstücke,“ während die pfiffigen Prediger die eigentlichen „Fruchtstücke“ allein genießen. ‒ So finden hier „Vorlesungen und Ausstellungen zum Besten brodloser Arbeiter“ statt, zu welchen dann die vornehme Bourgeoiswelt die saft- und kraft-, die werth- und gehaltlosesten Schnitzel ihres Arbeitskorbes zu liefern die Großmuth hat.
Obgleich man sich vor dem Märzmiau durch zehn Jahre mit christlich-germanischer Gründlichkeit das teutonische Gehirn darüber zerbrochen hatte, ob die Juden zu emanzipiren und Geschwornengerichte an die Stelle der Aktenwürmer treten sollen, so hat man hier damit doch noch lange nicht genug. Fortwährend treten, namentlich über die Geschworenen, neue Deklamatoren auf, die im Uriastone darüber phraseologiren, und wie! Die Sachsen sind entweder krämernde Fische, oder Schulmeister und Sonntagsprediger. Man sollte glauben, Leipzig mache eine Ausnahme, weil hier eine Weltmesse stattfindet und Göthe gesagt hat: Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute. Dem ist aber nicht so, die Messe bringt blos Krämer hieher, die Welt bleibt, wo sie ist; sie hängt niemals an den Füßen der Krämer. Ein Fremder, der um 10 Uhr die Straße passirt, glaubt in der That, zu Schildburg angelangt zu sein. Mir widerfuhr's neulich, daß ich im Mondschein Abends auf- und abwandelte, als es 10 Uhr schlug. Flugs rückte ein schwerbewaffneter, äußerst gemüthlich aussehender Nachtwächter mitten in die Straße an und sang mit dem unnachahmlich-gemüthlichen Tone sächsischer Troubadour's, uns nicht nur zu, daß es 10 Uhr sei, sondern auch, daß wir uns schlafen legen, Feuer und Licht, damit Niemand Schaden geschicht, bewahren sollten. Wenn ich dann am andern Tage Ihre Pariser Korrespondenzen lese und sehe, daß die französischen Demokraten große Erwartungen, namentlich an's Central-Deutschland setzen, dann muß ich mit einer Reminiscenz an die Nachtwächter „O weh!“ ausrufen. ‒ Das sächsische Militär muß lauter Liliputaner zu Eltern haben; aus jedem österreichischen Grenadier ließen sich zum wenigsten zwei sächsische ausschneiden. Ein hiesiges Bataillon wäre mir neulich unversehens beinahe zwischen den Beinen durchmarschirt.
Oestreich will in Siebenbürgen noch mehr Sachsen haben und soll bei der Dresdener Regierung um, ich weiß nicht wie viele Centner, angefragt haben, die, wie ich höre, demnächst gegen komptant auch geliefert werden dürften. Mir will's indessen bedünken, daß Sachsen besser thäte, statt des Comptant, sich mit martialischen, riesenmäßigen Szeklern und Kroaten ausbezahlen zu lassen. Ich bin fest überzeugt, die blauäugigen Sächsinnen würden unter den stämmigen Kroaten und Szeklern ihre sittlich germanischen Männlein bald vergessen. Sachsen und damit das in der Fabrikation begriffene Deutschland würden dadurch eine schöne kroatische Zukunft bekommen.
Die Studenten sind ebenso geistvoll und geistlos, ebenso zahmgermanisch wie die zahllosen Schwungs der Komptoirs. Man sieht sie während halber Tage beim geistvollen Domino sitzen, welches sie, weil dies den Kopf zu sehr anstrengt, ohne Kaufen spielen. Erst in der Nacht, d. h. wenn sie besoffen sind, beginnen sie in der alten Sprache der Vandalen zu reden. Um Politik kümmert sich keiner, doch tragen sie hie und da bedeutungsvolle dreifarbige Bänder. Im Theater kann einer spielen so gut oder schlecht er will, man hört niemals zischen oder applaudiren; ein Theaterabend ist mit Rücksicht auf das Publikum eine ergötzliche Scene. Eine eisige christlich- germanische Aufmerksamkeitskälte beherrscht alle Physiognomien; die Frauen bemühen sich dabei, noch reizloser zu erscheinen, als sie es schon von Natur fast alle sind.
Die sächsische Kammer hatte die Bildung, den Mord Blum's blos Tödtung zu nennen. Was gehen auch unter solchen Umständen alle ihre Redensarten gegenüber ihren Thaten an! Was man in Sachsen Demokratie tauft, würde bei Ihnen, ich weiß nicht wie, genannt werden müssen.
Damit mein kleines Porträt übrigens einigermaßen zu Ihrer Zufriedenheit schließt, erwähne ich, daß das Centralcomite der Blumstiftung hierselbst bereits 3359 Thlr. eingenommen hat.
Es lebe die deutsche Zukunft;
Nachschrift. Gestern erzählte man sich, Jellachich habe mit 80,000 Slaven das kaiserliche Herr verlassen.
Ungarn. Aus Siebenbürgen jammert das Corresp. Bl. a. Böhmen wie folgt:
Während der Monarch sich den Wahlspruch viribus unitis erkor, gefallen sich die Völker Oestreichs in dem entgegengesetzten Motto, und zerbröckeln sich immer mehr und mehr in nationalfeindliche Parteien. Wohin solcher Zwiespalt führt, hat die Geschichte schon oft gelehrt, aber es ergeht der Geschichte, wie jenem Propheten im Evangelium, man glaubt ihr nicht früher, als bis man sie selbst zu allereigenstem Schaden erlebt hat. Dieser unheilvolle Zwiespalt beginnt nun auch in Siebenbürgen zwischen den Sachsen und den Rumänen (Walachen), welche bisher vereint der dritten Nation des Landes, den Szeklern gegenüber gestanden waren. Die Russenfrage hat die Vereinten gespalten. In den Hermannstädter Sachsen ist der Gedanke erstanden, die Russen, die mit kluger Berechnung in so lockender Nähe standen, über die Gränzen zu rufen, die Rumänen, welche die Segnungen des russischen Schutzes an ihren Stammgenossen in den benachbarten Donaufürstenthümern erfahren haben, waren dagegen. Aber in der Berathung, die über diese Frage gepflogen ward, waren die Sachsen in der Mehrzahl, und so wurde denn die russische Hilfe angesprochen. Die Rumänen protestiren um so eifriger gegen ihre Mitschuld an diesem Schritte, als man ihnen bisher so häufig den Vorwurf der Russophilie gemacht. Von den Folgen des russischen Einmarsches hängt es ab, ob der Zwiespalt zwischen Sachsen und Rumänen wachsen, oder sich wieder beilegen werde. Wir befürchten ersteres. Unter den wenigen Rumänen, welche für die russische Hülfe sprachen, war der vornehmste, Bischof Schaguna, der bereits vor seiner Reise nach Olmütz mit dem sächsischen Professor Gottfried Müller nach Bukarest geeilt war, um die Russen in's Land zu rufen.
Schweiz. Bern, 16. Febr. Die Schweizerpresse tritt immer energischer gegen die Militärkapitulationen auf und verlangt schnelle Abhülfe. Die „Revue de Geneve,“ das Organ von James Fazy, weist nach, daß der Bundesrath, indem er einerseits in dem Kreisschreiben an die schweizerischen Konsuln in Italien die Kapitulationen, wenn nicht billigt, doch gewissermaßen entschuldige, andererseits sich so willfährig zeige gegen Oestreich und die deutsche Centralgewalt, keineswegs neutral, sondern parteiisch sei. „Italien“ so schließt der Artikel, „ist aufgebracht über die Aufrechthaltung einer so sonderbaren Anomalie. Man täusche sich aber nicht! Die Schweiz ebenfalls ist entrüstet, und gewiß, sie wird die falschen Auslegungen, die Sophismen und Jesuitereien nicht lange mehr dulden, vermittelst welcher man behaupten wollte, was die Bundesverfassung und mehrere Tagsatzungsbeschlüsse verworfen haben.“ Die „Helvetie“ sagt: „Wohl mag die Schweiz mit besorgten Blicken dem Kampfe in Ungarn, dem neu auflodernden in Italien zusehen, denn auch ihr künftiges Schicksal wird da entschieden. Italiens Unterliegen ist der Vorbote der Unterdrückung der Schweiz. Kann nun etwas Widersinnigeres erdacht werden, als wenn die Schweiz, dies voraussehend, gleichwohl tausende ihrer Söhne unter den Fahnen des Absolutismus gegen das um seine Befreiung ringende Volk kämpfen läßt und damit die Stunde des absoluten Gerichts, welches ihr besonders von ihrem Erbfeinde Oestreich droht, wesentlich beschleunigen hilft?“ Alle Blätter von nur einiger Bedeutung sprechen sich in diesem Sinne aus. Könne das regenerirte Italien die Pensionen etc. der kapitulirten Truppen nicht bezahlen, so sei die Schweiz reich genug, jenen Ansprüchen zu genügen, sie könne und wolle den Fluch der Völker abkaufen, welcher durch die Fortdauer des schmachvollen Söldnerdienstes gegen sie heraufbeschworen, die Schandsäule wegschaffen, welche ihr deshalb die Geschichte setzen würde. Besonders wird auch auf das Schicksal der Schweizertruppen hingewiesen, wenn das Volk in Italien einst die Oberhand gewinnen sollte, und auf die schreckliche, wenn auch ungerechte Volksrache, welche den zahlreichen in Italien ansässigen, reichbegüterten Schweizern angedroht sei.
Italien. * Den 10. Februar fand auf dem römischen Kapitol eine große Demonstration Statt. Alle Volksrepräsentanten waren zusammenberufen, eine große Volksmasse, die Bürgergarde und die Carabiniers. Im Balkon des Gemeindehauses, verlas der Präsident Galetti, umgeben von allen Repräsentanten, das glorreiche Dekretader konstituirenden Versammlung, welches die weltliche Gewalt der Päbste abschaffte und die Republik proklamirte. Bei dem Wort: Republik! entblößten sich alle Köpfe und erfolgte donnernder Applaus.
Der Contemporaneo schreibt:
„Wenn Toskana wie Rom handelt, wen Frankreich die Republik anerkennt, wird England es auch thun. Man glaubt, daß Sardinien die Republik anerkennen wird. Auf der Höhe
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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