Neue Rheinische Zeitung. Nr. 233. Köln, 28. Februar 1849.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 233. Köln, Mittwoch den 28. Februar. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Prozeß gegen den rheinischen Kreisausschuß der Demokraten. [Schluß.] - Bankett vom 24. Februar). Aus dem Landkreise Köln. (Verschwundene Wahlausschreiben). Bonn. (Ein Studentenbankett). Koblenz. (Nachwahlen. - Aktenverschleppung). Wien. (Belohnung der Oktoberverräther. - Standrechtliche Erschießung. - Aussicht auf ungarische Vertrauensmänner). Kremsier. (Kaim. - Standrechtliches über die östreichische Note). Dresden. (Das neue bureaukratische Ministerium und die Kammern). Leipzig. (Ministerwechsel). Frankfurt a. d. O. (Eine bundestagliche Konferenz) Mannheim. (Die Reichstruppen in Baden und der Minister Bekk). Ungarn. (Die russische Invasion. - Die Serben. - Aussichten für die Oestreicher. - Vom Kriegsschauplatz). Italien. (Centralrepublik mit der Hauptstadt Rom). Rom. (Die Priester. - Die Bank. - Vermischtes). Gaeta. (Protest des Papstes). Florenz. (Proklamation der provisorischen Regierung). Venedig. (Vermischtes). Französische Republik. Paris. (Journalschau. - Finanzielles. - Ehebruch. - Das Ministerium Barrot und die deutschen Flüchtlinge in Besancon. - Vermischtes). Belgien. Brüssel. (Ein Polizeispion). Großbritannien. London. (Aufruf an die Charlisten zur Agitation für die Volkscharte. - Ein Meeting wegen Steuer- und Parlamentsreform). Deutschland. * Köln, 27. Februar. Assisenverhandlung wegen Aufreizung zur Rebellion. Verhandelt zu Köln den 8. Februar. (Schluß. Siehe Nr. 232.) Karl Schapper: Meine Herrn Geschworenen. - Nach der Vertheidungsrede meines Mitangeklagten, des Herrn Marr, habe ich nur noch wenige Worte an Sie zu richten. Das öffentliche Ministerium hat versucht sich bei der Anklage gegen uns auf den konstitutionellen Boden zu stellen, es ist ihm dieses jedoch, Sie werden mit mir der Meinung sein, sehr schlecht gelungen. Es hat versucht zu beweisen: 1) daß der König das Recht gehabt habe, die constituirende preußische Nationalversammlung zu vertagen und aufzulösen; dieselbe folglich nach dem 9. November vorigen Jahres keine Beschlüsse, also auch keinen Steuerverweigerungsbeschluß mehr fassen konnte; 2) daß die Nationalversammlung überhaupt nicht das Recht hatte, die Steuern zu verweigern; 3) daß wenn sie selbst das Recht die Steuern zu verweigern besessen hätte, sie es doch ohne die allerhöchste Noth nicht hätte ausüben dürfen, da ein solches Mittel direkt zum Bürgerkrieg führe - und diese allerhöchste Noth sei noch nicht verhanden gewesen und endlich 4) daß wir, die Angeklagten, noch viel weiter gegangen seien, als die Herrn Vereinbarer, daß wir direkt versucht hätten, den Steuerverweigerungsbeschluß zur Ausführung zu bringen, folglich dem Strafkoder verfallen seien. Erlauben Sie, meine Herrn Geschwornen, daß ich meine Meinung über diese Punkte, im Gegensatz zu der des öffentlichen Ministeriums, entwickele. Im März hatte das Volk gesiegt, das absolute Königthum war gebrochen, es stand sogar in der Macht des Volkes die Monarchie ganz zu beseitigen, die Majorität desselben erklärte sich jedoch für das konstitutionelle Königthum und für eine Feststellung durch seine Repräsentanten, der Rechte und Befugnisse des Königs einerseits und des Volkes andrerseits. Die Volkssouveränetät war feierlich anerkannt die konstituirende Versammlung ward berufen, und sie stand, wenn nicht über der Krone, doch wenigstens mit ihr auf gleicher Stufe. - Wir haben hier zwei moralische Personen, die einen Kontrakt mit einander abzuschließen haben - keine hat das Recht die andere gänzlich zu beseitigen, zu vernichten - denn sonst hört alle Vereinbarung, alle Abschließung, auf. Wenn der König, aus Besorgniß für die Nationalversammlung, dieselbe von Berlin nach Brandenburg verlegen konnte, so hatte die Versammlung eben so gut das Recht, den König, aus Besorgniß für seine Person, von Potsdam nach Berlin zu verlegen; wenn der König das Recht hatte die konstituirende Versammlung auseinanderzujagen, so hatte die letztere noch vielmehr das Recht den König fortzujagen, und dieses Recht hat doch wahrscheinlich das öffentliche Ministerium nicht für die Versammlung vindiciren wollen. Die Contrerevolution hat durch geschickte Manöver augenblicklich gesiegt, und dieser Sieg hat ihr das Recht gegeben nach ihrem Gutdünken zu handeln, so hätte das öffentliche Ministerium sagen, aber sich nicht auf den konstitutionellen Rechtsboden stellen sollen. In Betreff des zweiten Punktes will ich nicht auf einer Masse alter, verrotteter vormärzlichen Gesetze fußen, wie der Herr Staatsprokurator es gethan, sondern auf dem gesunden Menschenverstand. Meine Herrn Geschwornen, in einem konstitutionellen Staate ist der König der erste Magistrat, er hat von dem Volk die Aufgabe erhalten, die Gesetze im Interesse Aller, und nicht allein im Interesse seines Hauses oder einer Katze vollstrecken zu lassen. - Dafür bezahlt ihn das Volk. - Erfüllt er nun seine Aufgabe nicht mehr, so erhält er auch kein Geld mehr, das ist ganz einfach und höchst konstitutionell-bürgerlich. In diesem Sinne handelte die konstituirende Versammlung als sie die Steuerverweigerung aussprach und sie hatte vollkommen recht. Hinsichtlich des dritten Punktes sagte das öffentliche Ministerium, es sei noch nicht nöthig gewesen die Steuern zu verweigern, selbst wenn die Versammlung das Recht dazu gehabt hätte. - Ich behaupte sie hätte es schon früher thun sollen, wir wären dann nicht durch die Contrerevolution für den Augenblick besiegt worden. - Mein Vorredner hat Ihnen schon höchst klar bewiesen, daß hier nicht einzelne Personen oder Fraktionen sich bekämpfen, sondern daß sich die alte abgelebte feudale Gesellschaft und die nach der Herrschaft strebende bürgerliche Gesellschaft einander feindlich gegenüber stehen, daß dieses ein Kampf auf Leben und Tod ist; daß es sich hier darum handelt, zu beweisen, ob wir Deutschen noch Lebensfähigkeit genug besitzen, um uns aus einem Zustand herauszuarbeiten, denn wir schon lange hätten beseitigen sollen, oder ob wir wirklich am Rückwärtsschreiten sind und dem asiatischen Despotismus verfallen müssen. Daß die Krone und ihre Repräsentanten es nicht aufrichtig mit ihren Märzversprechungen meinten, war schon im August auch denen klar, die früher an die Redlichkeit derselben glaubten, damals hätte man schon nicht einen unhaltbaren Waffenstillstand schließen, sondern den Kampf aufnehmen sollen, es wäre dann gewiß unsägliches Elend von unserm Vaterlande abgewendet worden. Sie erinnern sich, meine Herren, des Antrags des Abgeordneten Stein. - Er verlangte ganz einfach, das Ministerium solle seine Aufrichtigkeit für die konstitutionellen Institutionen dadurch bethätigen, daß es den reaktionären Offizieren es zur Ehrenpflicht mache, aus der Armee auszutreten. Was thaten die Diener der Krone? Sie verweigerten die Ausführung des Beschlusses der Nationalversammlung und traten ab; dann kamen andere, die halbe Versprechungen machten, um Zeit zu gewinnen, weil man damals noch nicht offen mit seinen Plänen hervorzutreten wagte. - Hätte man es aufrichtig gemeint, hätte man wirklich die alte feudale Gesellschaft aufgeben und die bürgerliche anerkennen wollen, so hätte man die von Stein vorgeschlagene Maßregel schon im letzten Frühjahre ausgeführt, und wäre dann nicht mit der Nationalversammlung in Konflikt gerathen. In der That, meine Herren, in einem konstitutionellen Lande sind die Offiziere nicht mehr Diener des Königs, sondern Diener des Staats, der sie für ihre Dienste bezahlt. - Sind sie nun mit den Institutionen dieses Staates nicht einverstanden, wollen oder können sie ihm nicht treu und redlich dienen, so verlangt es ihre Ehre, daß sie austreten, und sich nicht länger bezahlen lassen für Dienste, die sie nicht thun wollen. - Das ist doch ganz einfach. - Als die Nationalversammlung später die auf dem Bauernstande haftenden Feudallasten aufheben wollte, als sie gar Adel, leere Titel und Orden abschaffte, schrie man Zeter und Mordio, und drängte die Krone, einen Staatsstreich so schnell als möglich auszuführen. Man schrie über Verletzung des Eigenthums, - als wenn man nicht gerade beabsichtigt hätte, durch die Abschaffung der feudalen Vorrechte das bürgerliche Eigenthum festzustellen! - Hätte man den konstitutionell-bürgerlichen - den modernen Staat wirklich gewollt, so hätte man ohne weiteres die Privilegien aufgehoben, die die Entwickelung desselben verhindern - ja unmöglich machen, man hätte sich nicht an Ordensbändchen angeklammert, die in unserer Zeit gar keine Bedeutung, gar keinen Werth mehr haben sollten, die unnütze Spielereien sind und nur das ohnehin schon so besteuerte Volk ein schweres Geld kosten. Ja, meine Herren Geschworenen, ich behaupte nochmals, man hätte schon im September die Steuern verweigern sollen, es war schon damals die allerhöchste Noth dazu, wenn man die moderne Gesellschaft retten, wenn man mit der feudalen für immer ein Ende machen wollte. Das öffentliche Ministerium behauptet ferner, die Steuerverweigerung führe direkt zum Bürgerkrieg, zur Anarchie. - Meine Herren, die Anarchie war schon da, ehe der Steuerverweigerungsbeschluß gefaßt wurde, die Anarchie existirt immer, wenn, wie es in Preußen der Fall ist, sich eine Minorität gegenüber der Majorität durch rohe Gewalt an der Spitze des Staates zu behaupten sucht. - Die Steuerverweigerung war das einzige Mittel, eine neue Revolution zu vermeiden, darum nahm die Nationalversammlung zu derselben ihre Zuflucht. - Geben sie den Dienern der Reaktion nichts mehr zu essen, und ihr Widerstand wird bald schwinden. - Vor der Finanznoth beugen sich selbst Kanonen und Bajonette und werden machtlos. Die Steuerverweigerung ist die ultima ratio populorum gegen die ultima ratio regum. Will die Staatsgewalt nicht den Willen der Majorität anerkennen, stellt sie diesem Willen Kanonen und Bajonette gegenüber, so macht einfach diese Majorität den Beutel zu, und der bald eintretende Hunger wird die Widerspenstigen schon zur Vernunft bringen. - Die Steuerverweigerung ist in der That das einzige friedliche Mittel, den Volkswillen gegenüber der rohen Gewalt zur Geltung zu bringen. Endlich, meine Herren, behauptet das öffentliche Ministerium, wir seien viel weiter gegangen als die Herren Vereinbarer. - Will das öffentliche Ministerium etwa damit behaupten, die Nationalversammlung habe bloß beschließen, aber ihren Beschluß nicht ausführen, d. h. einen schlechten Witz machen wollen? Ich glaube doch nicht. - Wenn man etwas beschließt, so muß man auch die Absicht haben, es auszuführen, also sind wir Angeklagte keineswegs weiter gegangen, als die Herren Vereinbarer. - Wenn Sie wissen, daß irgend Jemand kein Recht hatte, Ihnen Ihr Geld abzunehmen, dieser Jemand Sie aber doch packt und es mit Gewalt nehmen will, was thun Sie dann? - Sie setzen sich zur Wehr, vertheidigen Ihr Eigenthum und schlagen dem Angreifer auf den Kopf - das ist doch ganz natürlich. Ganz dasselbe ist es mit der Steuerverweigerung; die Nationalversammlung hatte erklärt, daß ein hochverrätherisches Ministerium kein Recht mehr habe, Steuern zu erheben, es war also die Pflicht eines jeden guten Bürgers, sich in Vertheidigungszustand zu setzen, um etwaige unbefugte Eingriffe in sein Eigenthum abzuwehren. In England schließt man bei solchen Anlässen sein Haus zu und behandelt dann jeden, der mit Gewalt in dasselbe einzudringen sucht, als einen Räuber. Meine Herren, ich bin gewiß, daß Sie das Recht der Steuerverweigerung anerkennen, daß Sie daher auch uns, die wir dieses Recht auf Befehl der Vertreter des Volkes zur Geltung zu bringen suchten, nicht schuldig finden werden, trotz des Siegs der Contrerevolution. Aber sollten sie selbst dieses Recht nicht anerkennen, so werden sie uns doch frei sprechen, da die Regierung, wahrscheinlich aus politischen Gründen, bis jetzt die Urheber des Beschlusses noch nicht hat verfolgen lassen - wie Hr. Rintelen selbst erklärt. - Unser Prozeß hat einige Aehnlichkeit mit dem im Jahre 1836 in Straßburg geführten. Hier ließ auch die französische Regierung aus politischen Rücksichten den Hauptangeklagten, den jetzigen Präsidenten der französischen Republik, frei, während sie diejenigen Offiziere und Bürger, welche seine Absichten unterstützt hatten, vor die Assisen stellte. Die Geschwornen in Straßburg erklärten dieselben einstimmig für nicht schuldig, obgleich sie mit den Waffen in der Hand gefangen genommen worden. Meine Herren Geschwornen, ich habe nichts weiter zu meiner Vertheidigung hinzuzufügen, da ich überzeugt bin, daß Sie, mögen Sie nun das Recht der Nationalversammlung, die Steuern zu verweigern, anerkennen oder nicht, auf die Anklage des Parkets einstimmig mit Nichtschuldig antworten werden. Der Angeklagte Schneider II. erhält das Wort. Karl Schneider II. Meine Herren Geschwornen. Als die Kunde von dem Siege der Contrerevolution in Wien nach Berlin kam, folgte auch dort die längst vorbereitete Contrerevolution auf dem Fuße nach. Hier wie dort beeilten sich die Werkzeuge der augenblicklich wieder erstandenen alten Macht Alle, welche in irgend einer Weise sich bei dem frühern Umschwunge der Dinge betheiligt hatten, unter dem Deckmantel der Gesetze zu verfolgen. In Wien wurden diese Gesetze von Windischgrätz und den Kroaten gehandhabt. Preußen hat einen Wrangel, Staatsanwälte und Prokuratoren. Hier wie dort werden die Urtheile und Strafanträge nicht nach dem Inhalte der Gesetze bemessen. Der Strang oder die Begnadigung zu Pulver und Blei trifft den, welcher nach dem Wortlaute unanwendbarer Gesetze einer strafbarer Handlung verdächtig ist. Der Verfolgte auf dem nicht einmal ein Verdacht lastet, wird nach Umständen, zu mehrjähriger Schanzarbeit begnadigt. Weil man sich scheute uns, die wir nur unsere Pflicht gethan, des Umsturzes der Verfassung, oder der Erregung des Bürgerkrieges anzuklagen, verfolgt man uns auf Grund eines in jeder Hinsicht unpassenden Strafartikels, der nur eine gelinde Strafe androht. Ich muß Ihnen, meine Herren, die Art. 209 bis 217 unseres Strafgesetzbuches im Zusammenhange vorlesen, um Sie sofort zu überzeugen, wie wenig dieselben dem vorliegenden Falle entsprechen. Während unsere Handlung, wenn sie nicht aus politischen Gründen straflos wäre, wohl unter die Art. 87, 90, 102 als ein Komplott zur Erregung des Bürgerkrieges, zur Bewaffnung gegen die königliche Gewalt resp. zur Aufforderung dazu, fallen könnte, ist in den vom öffentlichen Ministerium bezogenen Artikeln nur der einzelne konkrete Widerstand gegen einzelne bestimmte Beamte, z. B, der thätliche Widerstand eines Schmugglers, des widerstrebenden Verhafteten etc. mit Strafe bedroht. - Der Beschuldigte sucht nun unter Vergleichung der betreffenden Gesetzesstellen diesen Unterschied näher auszuführen und mit Rücksicht auf die bestehende Jurisprudenz darzuthun, daß die im Art. 217 verzeichnete Aufforderung zum Widerstande nach Analogie des Artikels 102, der ausdrücklich das Wort directement gebrauche, eine direkte, unmittelbare sein müsse - und fährt dann fort: Dieses Alles trifft nun bei dem inkriminirten Aufrufe nicht zu. Er enthielt weder die Aufforderung zu einer bestimmten That noch die direkte Aufforderung zu einer solchen. Lediglich den Inhalt des fraglichen Aufrufs, nicht unsere sonstige Ihnen nicht verschwiegene Ansicht über die Berechtigung des Volkes zum bewaffneten Widerstande haben Sie, meine Herren, zu prüfen, und da zeigt sich sosofort, daß wir nur theoretisch aussprachen, was durch die Umstände zu thun geboten sei. Wir erließen keine Aufforderung an die, welche die Steuern weigern sollten; nur die bestehenden Vereine werden ersucht, Anträge in unserm Sinne zu stellen und etwaige Beschlüsse auszuführen. Wenn endlich das öffentliche Ministerium unsere Aufforderung selbst dann straffällig finden will, wenn der Steuerverweigerungsbeschluß der Nationalversammlung als berechtigt anerkannt werden müßte, so ist allerdings von der Versammlung nicht direkt zur Gewalt aufgefordert worden, doch ist diese offenbar eine nothwendige Consequenz des Beschlusses. Bereits mehrere Tage vor dem Beschlusse der Versammlung hatten wir, d. h. der demokratische Provinzialausschuß, die Steuerverweigerung als politische Nothwehr anempfohlen, dabei jedoch von jedem gewaltsamen Widerstande abgerathen. (Der Beschuldigte verliest den betreffenden vom 14. Nov. datirten Aufruf.) Nach dem Bekanntwerden des Steuerverweigerungsbeschlusses der Vereinbarerversammlung erklärten wir mit besonderer Bezugnahme auf denselben, jede Art des Widerstandes für berechtigt. Nur zur Beleuchtung der dreisten Behauptung des öffentlichen Ministeriums, daß die juristische Anwendbarkeit des bezogenen Strafartikels keinem Zweifel unterliegen könne, habe ich und ich gestehe es, theilweise mit innerm Widerstreben den Inhalt und die Entstehung unseres Aufrufes näher geprüft, indem dessen Straflosigkeit schon aus durchgreifenden politischen Gründen zu erweisen Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 233. Köln, Mittwoch den 28. Februar. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Prozeß gegen den rheinischen Kreisausschuß der Demokraten. [Schluß.] ‒ Bankett vom 24. Februar). Aus dem Landkreise Köln. (Verschwundene Wahlausschreiben). Bonn. (Ein Studentenbankett). Koblenz. (Nachwahlen. ‒ Aktenverschleppung). Wien. (Belohnung der Oktoberverräther. ‒ Standrechtliche Erschießung. ‒ Aussicht auf ungarische Vertrauensmänner). Kremsier. (Kaim. ‒ Standrechtliches über die östreichische Note). Dresden. (Das neue bureaukratische Ministerium und die Kammern). Leipzig. (Ministerwechsel). Frankfurt a. d. O. (Eine bundestagliche Konferenz) Mannheim. (Die Reichstruppen in Baden und der Minister Bekk). Ungarn. (Die russische Invasion. ‒ Die Serben. ‒ Aussichten für die Oestreicher. ‒ Vom Kriegsschauplatz). Italien. (Centralrepublik mit der Hauptstadt Rom). Rom. (Die Priester. ‒ Die Bank. ‒ Vermischtes). Gaëta. (Protest des Papstes). Florenz. (Proklamation der provisorischen Regierung). Venedig. (Vermischtes). Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Finanzielles. ‒ Ehebruch. ‒ Das Ministerium Barrot und die deutschen Flüchtlinge in Besançon. ‒ Vermischtes). Belgien. Brüssel. (Ein Polizeispion). Großbritannien. London. (Aufruf an die Charlisten zur Agitation für die Volkscharte. ‒ Ein Meeting wegen Steuer- und Parlamentsreform). Deutschland. * Köln, 27. Februar. Assisenverhandlung wegen Aufreizung zur Rebellion. Verhandelt zu Köln den 8. Februar. (Schluß. Siehe Nr. 232.) Karl Schapper: Meine Herrn Geschworenen. ‒ Nach der Vertheidungsrede meines Mitangeklagten, des Herrn Marr, habe ich nur noch wenige Worte an Sie zu richten. Das öffentliche Ministerium hat versucht sich bei der Anklage gegen uns auf den konstitutionellen Boden zu stellen, es ist ihm dieses jedoch, Sie werden mit mir der Meinung sein, sehr schlecht gelungen. Es hat versucht zu beweisen: 1) daß der König das Recht gehabt habe, die constituirende preußische Nationalversammlung zu vertagen und aufzulösen; dieselbe folglich nach dem 9. November vorigen Jahres keine Beschlüsse, also auch keinen Steuerverweigerungsbeschluß mehr fassen konnte; 2) daß die Nationalversammlung überhaupt nicht das Recht hatte, die Steuern zu verweigern; 3) daß wenn sie selbst das Recht die Steuern zu verweigern besessen hätte, sie es doch ohne die allerhöchste Noth nicht hätte ausüben dürfen, da ein solches Mittel direkt zum Bürgerkrieg führe ‒ und diese allerhöchste Noth sei noch nicht verhanden gewesen und endlich 4) daß wir, die Angeklagten, noch viel weiter gegangen seien, als die Herrn Vereinbarer, daß wir direkt versucht hätten, den Steuerverweigerungsbeschluß zur Ausführung zu bringen, folglich dem Strafkoder verfallen seien. Erlauben Sie, meine Herrn Geschwornen, daß ich meine Meinung über diese Punkte, im Gegensatz zu der des öffentlichen Ministeriums, entwickele. Im März hatte das Volk gesiegt, das absolute Königthum war gebrochen, es stand sogar in der Macht des Volkes die Monarchie ganz zu beseitigen, die Majorität desselben erklärte sich jedoch für das konstitutionelle Königthum und für eine Feststellung durch seine Repräsentanten, der Rechte und Befugnisse des Königs einerseits und des Volkes andrerseits. Die Volkssouveränetät war feierlich anerkannt die konstituirende Versammlung ward berufen, und sie stand, wenn nicht über der Krone, doch wenigstens mit ihr auf gleicher Stufe. ‒ Wir haben hier zwei moralische Personen, die einen Kontrakt mit einander abzuschließen haben ‒ keine hat das Recht die andere gänzlich zu beseitigen, zu vernichten ‒ denn sonst hört alle Vereinbarung, alle Abschließung, auf. Wenn der König, aus Besorgniß für die Nationalversammlung, dieselbe von Berlin nach Brandenburg verlegen konnte, so hatte die Versammlung eben so gut das Recht, den König, aus Besorgniß für seine Person, von Potsdam nach Berlin zu verlegen; wenn der König das Recht hatte die konstituirende Versammlung auseinanderzujagen, so hatte die letztere noch vielmehr das Recht den König fortzujagen, und dieses Recht hat doch wahrscheinlich das öffentliche Ministerium nicht für die Versammlung vindiciren wollen. Die Contrerevolution hat durch geschickte Manöver augenblicklich gesiegt, und dieser Sieg hat ihr das Recht gegeben nach ihrem Gutdünken zu handeln, so hätte das öffentliche Ministerium sagen, aber sich nicht auf den konstitutionellen Rechtsboden stellen sollen. In Betreff des zweiten Punktes will ich nicht auf einer Masse alter, verrotteter vormärzlichen Gesetze fußen, wie der Herr Staatsprokurator es gethan, sondern auf dem gesunden Menschenverstand. Meine Herrn Geschwornen, in einem konstitutionellen Staate ist der König der erste Magistrat, er hat von dem Volk die Aufgabe erhalten, die Gesetze im Interesse Aller, und nicht allein im Interesse seines Hauses oder einer Katze vollstrecken zu lassen. ‒ Dafür bezahlt ihn das Volk. ‒ Erfüllt er nun seine Aufgabe nicht mehr, so erhält er auch kein Geld mehr, das ist ganz einfach und höchst konstitutionell-bürgerlich. In diesem Sinne handelte die konstituirende Versammlung als sie die Steuerverweigerung aussprach und sie hatte vollkommen recht. Hinsichtlich des dritten Punktes sagte das öffentliche Ministerium, es sei noch nicht nöthig gewesen die Steuern zu verweigern, selbst wenn die Versammlung das Recht dazu gehabt hätte. ‒ Ich behaupte sie hätte es schon früher thun sollen, wir wären dann nicht durch die Contrerevolution für den Augenblick besiegt worden. ‒ Mein Vorredner hat Ihnen schon höchst klar bewiesen, daß hier nicht einzelne Personen oder Fraktionen sich bekämpfen, sondern daß sich die alte abgelebte feudale Gesellschaft und die nach der Herrschaft strebende bürgerliche Gesellschaft einander feindlich gegenüber stehen, daß dieses ein Kampf auf Leben und Tod ist; daß es sich hier darum handelt, zu beweisen, ob wir Deutschen noch Lebensfähigkeit genug besitzen, um uns aus einem Zustand herauszuarbeiten, denn wir schon lange hätten beseitigen sollen, oder ob wir wirklich am Rückwärtsschreiten sind und dem asiatischen Despotismus verfallen müssen. Daß die Krone und ihre Repräsentanten es nicht aufrichtig mit ihren Märzversprechungen meinten, war schon im August auch denen klar, die früher an die Redlichkeit derselben glaubten, damals hätte man schon nicht einen unhaltbaren Waffenstillstand schließen, sondern den Kampf aufnehmen sollen, es wäre dann gewiß unsägliches Elend von unserm Vaterlande abgewendet worden. Sie erinnern sich, meine Herren, des Antrags des Abgeordneten Stein. ‒ Er verlangte ganz einfach, das Ministerium solle seine Aufrichtigkeit für die konstitutionellen Institutionen dadurch bethätigen, daß es den reaktionären Offizieren es zur Ehrenpflicht mache, aus der Armee auszutreten. Was thaten die Diener der Krone? Sie verweigerten die Ausführung des Beschlusses der Nationalversammlung und traten ab; dann kamen andere, die halbe Versprechungen machten, um Zeit zu gewinnen, weil man damals noch nicht offen mit seinen Plänen hervorzutreten wagte. ‒ Hätte man es aufrichtig gemeint, hätte man wirklich die alte feudale Gesellschaft aufgeben und die bürgerliche anerkennen wollen, so hätte man die von Stein vorgeschlagene Maßregel schon im letzten Frühjahre ausgeführt, und wäre dann nicht mit der Nationalversammlung in Konflikt gerathen. In der That, meine Herren, in einem konstitutionellen Lande sind die Offiziere nicht mehr Diener des Königs, sondern Diener des Staats, der sie für ihre Dienste bezahlt. ‒ Sind sie nun mit den Institutionen dieses Staates nicht einverstanden, wollen oder können sie ihm nicht treu und redlich dienen, so verlangt es ihre Ehre, daß sie austreten, und sich nicht länger bezahlen lassen für Dienste, die sie nicht thun wollen. ‒ Das ist doch ganz einfach. ‒ Als die Nationalversammlung später die auf dem Bauernstande haftenden Feudallasten aufheben wollte, als sie gar Adel, leere Titel und Orden abschaffte, schrie man Zeter und Mordio, und drängte die Krone, einen Staatsstreich so schnell als möglich auszuführen. Man schrie über Verletzung des Eigenthums, ‒ als wenn man nicht gerade beabsichtigt hätte, durch die Abschaffung der feudalen Vorrechte das bürgerliche Eigenthum festzustellen! ‒ Hätte man den konstitutionell-bürgerlichen ‒ den modernen Staat wirklich gewollt, so hätte man ohne weiteres die Privilegien aufgehoben, die die Entwickelung desselben verhindern ‒ ja unmöglich machen, man hätte sich nicht an Ordensbändchen angeklammert, die in unserer Zeit gar keine Bedeutung, gar keinen Werth mehr haben sollten, die unnütze Spielereien sind und nur das ohnehin schon so besteuerte Volk ein schweres Geld kosten. Ja, meine Herren Geschworenen, ich behaupte nochmals, man hätte schon im September die Steuern verweigern sollen, es war schon damals die allerhöchste Noth dazu, wenn man die moderne Gesellschaft retten, wenn man mit der feudalen für immer ein Ende machen wollte. Das öffentliche Ministerium behauptet ferner, die Steuerverweigerung führe direkt zum Bürgerkrieg, zur Anarchie. ‒ Meine Herren, die Anarchie war schon da, ehe der Steuerverweigerungsbeschluß gefaßt wurde, die Anarchie existirt immer, wenn, wie es in Preußen der Fall ist, sich eine Minorität gegenüber der Majorität durch rohe Gewalt an der Spitze des Staates zu behaupten sucht. ‒ Die Steuerverweigerung war das einzige Mittel, eine neue Revolution zu vermeiden, darum nahm die Nationalversammlung zu derselben ihre Zuflucht. ‒ Geben sie den Dienern der Reaktion nichts mehr zu essen, und ihr Widerstand wird bald schwinden. ‒ Vor der Finanznoth beugen sich selbst Kanonen und Bajonette und werden machtlos. Die Steuerverweigerung ist die ultima ratio populorum gegen die ultima ratio regum. Will die Staatsgewalt nicht den Willen der Majorität anerkennen, stellt sie diesem Willen Kanonen und Bajonette gegenüber, so macht einfach diese Majorität den Beutel zu, und der bald eintretende Hunger wird die Widerspenstigen schon zur Vernunft bringen. ‒ Die Steuerverweigerung ist in der That das einzige friedliche Mittel, den Volkswillen gegenüber der rohen Gewalt zur Geltung zu bringen. Endlich, meine Herren, behauptet das öffentliche Ministerium, wir seien viel weiter gegangen als die Herren Vereinbarer. ‒ Will das öffentliche Ministerium etwa damit behaupten, die Nationalversammlung habe bloß beschließen, aber ihren Beschluß nicht ausführen, d. h. einen schlechten Witz machen wollen? Ich glaube doch nicht. ‒ Wenn man etwas beschließt, so muß man auch die Absicht haben, es auszuführen, also sind wir Angeklagte keineswegs weiter gegangen, als die Herren Vereinbarer. ‒ Wenn Sie wissen, daß irgend Jemand kein Recht hatte, Ihnen Ihr Geld abzunehmen, dieser Jemand Sie aber doch packt und es mit Gewalt nehmen will, was thun Sie dann? ‒ Sie setzen sich zur Wehr, vertheidigen Ihr Eigenthum und schlagen dem Angreifer auf den Kopf ‒ das ist doch ganz natürlich. Ganz dasselbe ist es mit der Steuerverweigerung; die Nationalversammlung hatte erklärt, daß ein hochverrätherisches Ministerium kein Recht mehr habe, Steuern zu erheben, es war also die Pflicht eines jeden guten Bürgers, sich in Vertheidigungszustand zu setzen, um etwaige unbefugte Eingriffe in sein Eigenthum abzuwehren. In England schließt man bei solchen Anlässen sein Haus zu und behandelt dann jeden, der mit Gewalt in dasselbe einzudringen sucht, als einen Räuber. Meine Herren, ich bin gewiß, daß Sie das Recht der Steuerverweigerung anerkennen, daß Sie daher auch uns, die wir dieses Recht auf Befehl der Vertreter des Volkes zur Geltung zu bringen suchten, nicht schuldig finden werden, trotz des Siegs der Contrerevolution. Aber sollten sie selbst dieses Recht nicht anerkennen, so werden sie uns doch frei sprechen, da die Regierung, wahrscheinlich aus politischen Gründen, bis jetzt die Urheber des Beschlusses noch nicht hat verfolgen lassen ‒ wie Hr. Rintelen selbst erklärt. ‒ Unser Prozeß hat einige Aehnlichkeit mit dem im Jahre 1836 in Straßburg geführten. Hier ließ auch die französische Regierung aus politischen Rücksichten den Hauptangeklagten, den jetzigen Präsidenten der französischen Republik, frei, während sie diejenigen Offiziere und Bürger, welche seine Absichten unterstützt hatten, vor die Assisen stellte. Die Geschwornen in Straßburg erklärten dieselben einstimmig für nicht schuldig, obgleich sie mit den Waffen in der Hand gefangen genommen worden. Meine Herren Geschwornen, ich habe nichts weiter zu meiner Vertheidigung hinzuzufügen, da ich überzeugt bin, daß Sie, mögen Sie nun das Recht der Nationalversammlung, die Steuern zu verweigern, anerkennen oder nicht, auf die Anklage des Parkets einstimmig mit Nichtschuldig antworten werden. Der Angeklagte Schneider II. erhält das Wort. Karl Schneider II. Meine Herren Geschwornen. Als die Kunde von dem Siege der Contrerevolution in Wien nach Berlin kam, folgte auch dort die längst vorbereitete Contrerevolution auf dem Fuße nach. Hier wie dort beeilten sich die Werkzeuge der augenblicklich wieder erstandenen alten Macht Alle, welche in irgend einer Weise sich bei dem frühern Umschwunge der Dinge betheiligt hatten, unter dem Deckmantel der Gesetze zu verfolgen. In Wien wurden diese Gesetze von Windischgrätz und den Kroaten gehandhabt. Preußen hat einen Wrangel, Staatsanwälte und Prokuratoren. Hier wie dort werden die Urtheile und Strafanträge nicht nach dem Inhalte der Gesetze bemessen. Der Strang oder die Begnadigung zu Pulver und Blei trifft den, welcher nach dem Wortlaute unanwendbarer Gesetze einer strafbarer Handlung verdächtig ist. Der Verfolgte auf dem nicht einmal ein Verdacht lastet, wird nach Umständen, zu mehrjähriger Schanzarbeit begnadigt. Weil man sich scheute uns, die wir nur unsere Pflicht gethan, des Umsturzes der Verfassung, oder der Erregung des Bürgerkrieges anzuklagen, verfolgt man uns auf Grund eines in jeder Hinsicht unpassenden Strafartikels, der nur eine gelinde Strafe androht. Ich muß Ihnen, meine Herren, die Art. 209 bis 217 unseres Strafgesetzbuches im Zusammenhange vorlesen, um Sie sofort zu überzeugen, wie wenig dieselben dem vorliegenden Falle entsprechen. Während unsere Handlung, wenn sie nicht aus politischen Gründen straflos wäre, wohl unter die Art. 87, 90, 102 als ein Komplott zur Erregung des Bürgerkrieges, zur Bewaffnung gegen die königliche Gewalt resp. zur Aufforderung dazu, fallen könnte, ist in den vom öffentlichen Ministerium bezogenen Artikeln nur der einzelne konkrete Widerstand gegen einzelne bestimmte Beamte, z. B, der thätliche Widerstand eines Schmugglers, des widerstrebenden Verhafteten etc. mit Strafe bedroht. ‒ Der Beschuldigte sucht nun unter Vergleichung der betreffenden Gesetzesstellen diesen Unterschied näher auszuführen und mit Rücksicht auf die bestehende Jurisprudenz darzuthun, daß die im Art. 217 verzeichnete Aufforderung zum Widerstande nach Analogie des Artikels 102, der ausdrücklich das Wort directement gebrauche, eine direkte, unmittelbare sein müsse ‒ und fährt dann fort: Dieses Alles trifft nun bei dem inkriminirten Aufrufe nicht zu. Er enthielt weder die Aufforderung zu einer bestimmten That noch die direkte Aufforderung zu einer solchen. Lediglich den Inhalt des fraglichen Aufrufs, nicht unsere sonstige Ihnen nicht verschwiegene Ansicht über die Berechtigung des Volkes zum bewaffneten Widerstande haben Sie, meine Herren, zu prüfen, und da zeigt sich sosofort, daß wir nur theoretisch aussprachen, was durch die Umstände zu thun geboten sei. Wir erließen keine Aufforderung an die, welche die Steuern weigern sollten; nur die bestehenden Vereine werden ersucht, Anträge in unserm Sinne zu stellen und etwaige Beschlüsse auszuführen. Wenn endlich das öffentliche Ministerium unsere Aufforderung selbst dann straffällig finden will, wenn der Steuerverweigerungsbeschluß der Nationalversammlung als berechtigt anerkannt werden müßte, so ist allerdings von der Versammlung nicht direkt zur Gewalt aufgefordert worden, doch ist diese offenbar eine nothwendige Consequenz des Beschlusses. Bereits mehrere Tage vor dem Beschlusse der Versammlung hatten wir, d. h. der demokratische Provinzialausschuß, die Steuerverweigerung als politische Nothwehr anempfohlen, dabei jedoch von jedem gewaltsamen Widerstande abgerathen. (Der Beschuldigte verliest den betreffenden vom 14. Nov. datirten Aufruf.) Nach dem Bekanntwerden des Steuerverweigerungsbeschlusses der Vereinbarerversammlung erklärten wir mit besonderer Bezugnahme auf denselben, jede Art des Widerstandes für berechtigt. Nur zur Beleuchtung der dreisten Behauptung des öffentlichen Ministeriums, daß die juristische Anwendbarkeit des bezogenen Strafartikels keinem Zweifel unterliegen könne, habe ich und ich gestehe es, theilweise mit innerm Widerstreben den Inhalt und die Entstehung unseres Aufrufes näher geprüft, indem dessen Straflosigkeit schon aus durchgreifenden politischen Gründen zu erweisen <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="1281"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 233. Köln, Mittwoch den 28. Februar. 1849.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.</p> <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p> <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.</p> <p>Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Prozeß gegen den rheinischen Kreisausschuß der Demokraten. [Schluß.] ‒ Bankett vom 24. Februar). Aus dem Landkreise Köln. (Verschwundene Wahlausschreiben). Bonn. (Ein Studentenbankett). Koblenz. (Nachwahlen. ‒ Aktenverschleppung). Wien. (Belohnung der Oktoberverräther. ‒ Standrechtliche Erschießung. ‒ Aussicht auf ungarische Vertrauensmänner). Kremsier. (Kaim. ‒ Standrechtliches über die östreichische Note). Dresden. (Das neue bureaukratische Ministerium und die Kammern). Leipzig. (Ministerwechsel). Frankfurt a. d. O. (Eine bundestagliche Konferenz) Mannheim. (Die Reichstruppen in Baden und der Minister Bekk).</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> (Die russische Invasion. ‒ Die Serben. ‒ Aussichten für die Oestreicher. ‒ Vom Kriegsschauplatz).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> (Centralrepublik mit der Hauptstadt Rom). Rom. (Die Priester. ‒ Die Bank. ‒ Vermischtes). Gaëta. (Protest des Papstes). Florenz. (Proklamation der provisorischen Regierung). Venedig. (Vermischtes).</p> <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Journalschau. ‒ Finanzielles. ‒ Ehebruch. ‒ Das Ministerium Barrot und die deutschen Flüchtlinge in Besançon. ‒ Vermischtes).</p> <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> Brüssel. (Ein Polizeispion).</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Aufruf an die Charlisten zur Agitation für die Volkscharte. ‒ Ein Meeting wegen Steuer- und Parlamentsreform).</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar233_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 27. Februar.</head> <p>Assisenverhandlung wegen Aufreizung zur Rebellion.</p> <p> <hi rendition="#g">Verhandelt zu Köln den 8. Februar.</hi> </p> <p> <ref type="link">(Schluß. Siehe Nr. 232.)</ref> </p> <p><hi rendition="#g">Karl Schapper:</hi> Meine Herrn Geschworenen. ‒ Nach der Vertheidungsrede meines Mitangeklagten, des Herrn Marr, habe ich nur noch wenige Worte an Sie zu richten.</p> <p>Das öffentliche Ministerium hat versucht sich bei der Anklage gegen uns auf den konstitutionellen Boden zu stellen, es ist ihm dieses jedoch, Sie werden mit mir der Meinung sein, sehr schlecht gelungen.</p> <p>Es hat versucht zu beweisen:</p> <p>1) daß der König das Recht gehabt habe, die constituirende preußische Nationalversammlung zu vertagen und aufzulösen; dieselbe folglich nach dem 9. November vorigen Jahres keine Beschlüsse, also auch keinen Steuerverweigerungsbeschluß mehr fassen konnte;</p> <p>2) daß die Nationalversammlung überhaupt nicht das Recht hatte, die Steuern zu verweigern;</p> <p>3) daß wenn sie selbst das Recht die Steuern zu verweigern besessen hätte, sie es doch ohne die allerhöchste Noth nicht hätte ausüben dürfen, da ein solches Mittel direkt zum Bürgerkrieg führe ‒ und diese allerhöchste Noth sei noch nicht verhanden gewesen und endlich</p> <p>4) daß wir, die Angeklagten, noch viel weiter gegangen seien, als die Herrn Vereinbarer, daß wir direkt versucht hätten, den Steuerverweigerungsbeschluß zur Ausführung zu bringen, folglich dem Strafkoder verfallen seien.</p> <p>Erlauben Sie, meine Herrn Geschwornen, daß ich meine Meinung über diese Punkte, im Gegensatz zu der des öffentlichen Ministeriums, entwickele.</p> <p>Im März hatte das Volk gesiegt, das absolute Königthum war gebrochen, es stand sogar in der Macht des Volkes die Monarchie ganz zu beseitigen, die Majorität desselben erklärte sich jedoch für das konstitutionelle Königthum und für eine Feststellung durch seine Repräsentanten, der Rechte und Befugnisse des Königs einerseits und des Volkes andrerseits.</p> <p><hi rendition="#g">Die Volkssouveränetät war feierlich anerkannt</hi> die konstituirende Versammlung ward berufen, und sie stand, wenn nicht über der Krone, doch <hi rendition="#g">wenigstens</hi> mit ihr auf gleicher Stufe. ‒ Wir haben hier zwei moralische Personen, die einen Kontrakt mit einander abzuschließen haben ‒ keine hat das Recht die andere gänzlich zu beseitigen, zu vernichten ‒ denn sonst hört alle Vereinbarung, alle Abschließung, auf.</p> <p>Wenn der König, aus Besorgniß für die Nationalversammlung, dieselbe von Berlin nach Brandenburg verlegen konnte, so hatte die Versammlung eben so gut das Recht, den König, aus Besorgniß für seine Person, von Potsdam nach Berlin zu verlegen; wenn der König das Recht hatte die konstituirende Versammlung auseinanderzujagen, so hatte die letztere noch vielmehr das Recht den König fortzujagen, und dieses Recht hat doch wahrscheinlich das öffentliche Ministerium nicht für die Versammlung vindiciren wollen. Die Contrerevolution hat durch geschickte Manöver augenblicklich gesiegt, und dieser Sieg hat ihr das Recht gegeben nach ihrem Gutdünken zu handeln, so hätte das öffentliche Ministerium sagen, aber sich nicht auf den konstitutionellen Rechtsboden stellen sollen.</p> <p>In Betreff des zweiten Punktes will ich nicht auf einer Masse alter, verrotteter vormärzlichen Gesetze fußen, wie der Herr Staatsprokurator es gethan, sondern auf dem gesunden Menschenverstand.</p> <p>Meine Herrn Geschwornen, in einem konstitutionellen Staate ist der König der erste Magistrat, er hat von dem Volk die Aufgabe erhalten, die Gesetze im Interesse Aller, und nicht allein im Interesse seines Hauses oder einer Katze vollstrecken zu lassen. ‒ Dafür bezahlt ihn das Volk. ‒ Erfüllt er nun seine Aufgabe nicht mehr, so erhält er auch kein Geld mehr, das ist ganz einfach und höchst konstitutionell-bürgerlich. In diesem Sinne handelte die konstituirende Versammlung als sie die Steuerverweigerung aussprach und sie hatte vollkommen recht.</p> <p>Hinsichtlich des dritten Punktes sagte das öffentliche Ministerium, es sei noch nicht nöthig gewesen die Steuern zu verweigern, selbst wenn die Versammlung das Recht dazu gehabt hätte. ‒ Ich behaupte sie hätte es schon früher thun sollen, wir wären dann nicht durch die Contrerevolution für den Augenblick besiegt worden. ‒ Mein Vorredner hat Ihnen schon höchst klar bewiesen, daß hier nicht einzelne Personen oder Fraktionen sich bekämpfen, sondern daß sich die alte abgelebte feudale Gesellschaft und die nach der Herrschaft strebende bürgerliche Gesellschaft einander feindlich gegenüber stehen, daß dieses ein Kampf auf Leben und Tod ist; daß es sich hier darum handelt, zu beweisen, ob wir Deutschen noch Lebensfähigkeit genug besitzen, um uns aus einem Zustand herauszuarbeiten, denn wir schon lange hätten beseitigen sollen, oder ob wir wirklich am Rückwärtsschreiten sind und dem asiatischen Despotismus verfallen müssen.</p> <p>Daß die Krone und ihre Repräsentanten es nicht aufrichtig mit ihren Märzversprechungen meinten, war schon im August auch denen klar, die früher an die Redlichkeit derselben glaubten, damals hätte man schon nicht einen unhaltbaren Waffenstillstand schließen, sondern den Kampf aufnehmen sollen, es wäre dann gewiß unsägliches Elend von unserm Vaterlande abgewendet worden.</p> <p>Sie erinnern sich, meine Herren, des Antrags des Abgeordneten Stein. ‒ Er verlangte ganz einfach, das Ministerium solle seine Aufrichtigkeit für die konstitutionellen Institutionen dadurch bethätigen, daß es den reaktionären Offizieren es zur Ehrenpflicht mache, aus der Armee auszutreten. Was thaten die Diener der Krone? Sie verweigerten die Ausführung des Beschlusses der Nationalversammlung und traten ab; dann kamen andere, die halbe Versprechungen machten, um Zeit zu gewinnen, weil man damals noch nicht offen mit seinen Plänen hervorzutreten wagte. ‒ Hätte man es aufrichtig gemeint, hätte man wirklich die alte feudale Gesellschaft aufgeben und die bürgerliche anerkennen wollen, so hätte man die von Stein vorgeschlagene Maßregel schon im letzten Frühjahre ausgeführt, und wäre dann nicht mit der Nationalversammlung in Konflikt gerathen. In der That, meine Herren, in einem konstitutionellen Lande sind die Offiziere nicht mehr Diener des Königs, sondern Diener des Staats, der sie für ihre Dienste bezahlt. ‒ Sind sie nun mit den Institutionen dieses Staates nicht einverstanden, wollen oder können sie ihm nicht treu und redlich dienen, so verlangt es ihre Ehre, daß sie austreten, und sich nicht länger bezahlen lassen für Dienste, die sie nicht thun wollen. ‒ Das ist doch ganz einfach. ‒ Als die Nationalversammlung später die auf dem Bauernstande haftenden Feudallasten aufheben wollte, als sie gar Adel, leere Titel und Orden abschaffte, schrie man Zeter und Mordio, und drängte die Krone, einen Staatsstreich so schnell als möglich auszuführen. Man schrie über Verletzung des Eigenthums, ‒ als wenn man nicht gerade beabsichtigt hätte, durch die Abschaffung der feudalen Vorrechte das bürgerliche Eigenthum festzustellen! ‒ Hätte man den konstitutionell-bürgerlichen ‒ den modernen Staat wirklich gewollt, so hätte man ohne weiteres die Privilegien aufgehoben, die die Entwickelung desselben verhindern ‒ ja unmöglich machen, man hätte sich nicht an Ordensbändchen angeklammert, die in unserer Zeit gar keine Bedeutung, gar keinen Werth mehr haben sollten, die unnütze Spielereien sind und nur das ohnehin schon so besteuerte Volk ein schweres Geld kosten.</p> <p>Ja, meine Herren Geschworenen, ich behaupte nochmals, man hätte schon im September die Steuern verweigern sollen, es war schon damals die allerhöchste Noth dazu, wenn man die moderne Gesellschaft retten, wenn man mit der feudalen für immer ein Ende machen wollte.</p> <p>Das öffentliche Ministerium behauptet ferner, die Steuerverweigerung führe direkt zum Bürgerkrieg, zur Anarchie. ‒ Meine Herren, die Anarchie war schon da, ehe der Steuerverweigerungsbeschluß gefaßt wurde, die Anarchie existirt immer, wenn, wie es in Preußen der Fall ist, sich eine Minorität gegenüber der Majorität durch rohe Gewalt an der Spitze des Staates zu behaupten sucht. ‒ Die Steuerverweigerung war das einzige Mittel, eine neue Revolution zu vermeiden, darum nahm die Nationalversammlung zu derselben ihre Zuflucht. ‒ Geben sie den Dienern der Reaktion nichts mehr zu essen, und ihr Widerstand wird bald schwinden. ‒ Vor der Finanznoth beugen sich selbst Kanonen und Bajonette und werden machtlos. Die Steuerverweigerung ist die ultima ratio populorum gegen die ultima ratio regum. Will die Staatsgewalt nicht den Willen der Majorität anerkennen, stellt sie diesem Willen Kanonen und Bajonette gegenüber, so macht einfach diese Majorität den Beutel zu, und der bald eintretende Hunger wird die Widerspenstigen schon zur Vernunft bringen. ‒ Die Steuerverweigerung ist in der That das einzige friedliche Mittel, den Volkswillen gegenüber der rohen Gewalt zur Geltung zu bringen.</p> <p>Endlich, meine Herren, behauptet das öffentliche Ministerium, wir seien viel weiter gegangen als die Herren Vereinbarer. ‒ Will das öffentliche Ministerium etwa damit behaupten, die Nationalversammlung habe bloß beschließen, aber ihren Beschluß nicht ausführen, d. h. einen schlechten Witz machen wollen? Ich glaube doch nicht. ‒ Wenn man etwas beschließt, so muß man auch die Absicht haben, es auszuführen, also sind wir Angeklagte keineswegs weiter gegangen, als die Herren Vereinbarer. ‒ Wenn Sie wissen, daß irgend Jemand kein Recht hatte, Ihnen Ihr Geld abzunehmen, dieser Jemand Sie aber doch packt und es mit Gewalt nehmen will, was thun Sie dann? ‒ Sie setzen sich zur Wehr, vertheidigen Ihr Eigenthum und schlagen dem Angreifer auf den Kopf ‒ das ist doch ganz natürlich. Ganz dasselbe ist es mit der Steuerverweigerung; die Nationalversammlung hatte erklärt, daß ein hochverrätherisches Ministerium kein Recht mehr habe, Steuern zu erheben, es war also die Pflicht eines jeden guten Bürgers, sich in Vertheidigungszustand zu setzen, um etwaige unbefugte Eingriffe in sein Eigenthum abzuwehren. In England schließt man bei solchen Anlässen sein Haus zu und behandelt dann jeden, der mit Gewalt in dasselbe einzudringen sucht, als einen Räuber.</p> <p>Meine Herren, ich bin gewiß, daß Sie das Recht der Steuerverweigerung anerkennen, daß Sie daher auch uns, die wir dieses Recht auf Befehl der Vertreter des Volkes zur Geltung zu bringen suchten, nicht schuldig finden werden, trotz des Siegs der Contrerevolution.</p> <p>Aber sollten sie selbst dieses Recht nicht anerkennen, so werden sie uns doch frei sprechen, da die Regierung, wahrscheinlich aus politischen Gründen, bis jetzt die Urheber des Beschlusses noch nicht hat verfolgen lassen ‒ wie Hr. Rintelen selbst erklärt. ‒ Unser Prozeß hat einige Aehnlichkeit mit dem im Jahre 1836 in Straßburg geführten. Hier ließ auch die französische Regierung aus politischen Rücksichten den Hauptangeklagten, den jetzigen Präsidenten der französischen Republik, frei, während sie diejenigen Offiziere und Bürger, welche seine Absichten unterstützt hatten, vor die Assisen stellte. Die Geschwornen in Straßburg erklärten dieselben einstimmig für nicht schuldig, obgleich sie mit den Waffen in der Hand gefangen genommen worden.</p> <p>Meine Herren Geschwornen, ich habe nichts weiter zu meiner Vertheidigung hinzuzufügen, da ich überzeugt bin, daß Sie, mögen Sie nun das Recht der Nationalversammlung, die Steuern zu verweigern, anerkennen oder nicht, auf die Anklage des Parkets einstimmig mit Nichtschuldig antworten werden.</p> <p>Der Angeklagte <hi rendition="#g">Schneider II.</hi> erhält das Wort.</p> <p><hi rendition="#g">Karl Schneider II.</hi> Meine Herren Geschwornen. Als die Kunde von dem Siege der Contrerevolution in Wien nach Berlin kam, folgte auch dort die längst vorbereitete Contrerevolution auf dem Fuße nach. Hier wie dort beeilten sich die Werkzeuge der augenblicklich wieder erstandenen alten Macht Alle, welche in irgend einer Weise sich bei dem frühern Umschwunge der Dinge betheiligt hatten, unter dem Deckmantel der Gesetze zu verfolgen. In Wien wurden diese Gesetze von Windischgrätz und den Kroaten gehandhabt. Preußen hat einen Wrangel, Staatsanwälte und Prokuratoren. Hier wie dort werden die Urtheile und Strafanträge nicht nach dem Inhalte der Gesetze bemessen. Der Strang oder die Begnadigung zu Pulver und Blei trifft den, welcher nach dem Wortlaute unanwendbarer Gesetze einer strafbarer Handlung verdächtig ist. Der Verfolgte auf dem nicht einmal ein Verdacht lastet, wird nach Umständen, zu mehrjähriger Schanzarbeit begnadigt. Weil man sich scheute uns, die wir nur unsere Pflicht gethan, des Umsturzes der Verfassung, oder der Erregung des Bürgerkrieges anzuklagen, verfolgt man uns auf Grund eines in jeder Hinsicht unpassenden Strafartikels, der nur eine gelinde Strafe androht. Ich muß Ihnen, meine Herren, die Art. 209 bis 217 unseres Strafgesetzbuches im Zusammenhange vorlesen, um Sie sofort zu überzeugen, wie wenig dieselben dem vorliegenden Falle entsprechen. Während unsere Handlung, wenn sie nicht aus politischen Gründen straflos wäre, wohl unter die Art. 87, 90, 102 als ein Komplott zur Erregung des Bürgerkrieges, zur Bewaffnung gegen die königliche Gewalt resp. zur Aufforderung dazu, fallen könnte, ist in den vom öffentlichen Ministerium bezogenen Artikeln nur der einzelne konkrete Widerstand gegen einzelne bestimmte Beamte, z. B, der thätliche Widerstand eines Schmugglers, des widerstrebenden Verhafteten etc. mit Strafe bedroht. ‒ Der Beschuldigte sucht nun unter Vergleichung der betreffenden Gesetzesstellen diesen Unterschied näher auszuführen und mit Rücksicht auf die bestehende Jurisprudenz darzuthun, daß die im Art. 217 verzeichnete Aufforderung zum Widerstande nach Analogie des Artikels 102, der ausdrücklich das Wort directement gebrauche, eine direkte, unmittelbare sein müsse ‒ und fährt dann fort: Dieses Alles trifft nun bei dem inkriminirten Aufrufe nicht zu. Er enthielt weder die Aufforderung zu einer <hi rendition="#g">bestimmten</hi> That noch die <hi rendition="#g">direkte</hi> Aufforderung zu einer solchen. Lediglich den Inhalt des fraglichen Aufrufs, nicht unsere sonstige Ihnen nicht verschwiegene Ansicht über die Berechtigung des Volkes zum bewaffneten Widerstande haben Sie, meine Herren, zu prüfen, und da zeigt sich sosofort, daß wir nur theoretisch aussprachen, was durch die Umstände zu thun geboten sei.</p> <p>Wir erließen keine Aufforderung an die, welche die Steuern weigern sollten; nur die bestehenden Vereine werden ersucht, Anträge in unserm Sinne zu stellen und etwaige Beschlüsse auszuführen. Wenn endlich das öffentliche Ministerium unsere Aufforderung selbst dann straffällig finden will, wenn der Steuerverweigerungsbeschluß der Nationalversammlung als berechtigt anerkannt werden müßte, so ist allerdings von der Versammlung nicht direkt zur Gewalt aufgefordert worden, doch ist diese offenbar eine nothwendige Consequenz des Beschlusses. Bereits mehrere Tage vor dem Beschlusse der Versammlung hatten wir, d. h. der demokratische Provinzialausschuß, die Steuerverweigerung als politische Nothwehr anempfohlen, dabei jedoch von jedem gewaltsamen Widerstande abgerathen. (Der Beschuldigte verliest den betreffenden vom 14. Nov. datirten Aufruf.) Nach dem Bekanntwerden des Steuerverweigerungsbeschlusses der Vereinbarerversammlung erklärten wir mit besonderer Bezugnahme auf denselben, jede Art des Widerstandes für berechtigt.</p> <p>Nur zur Beleuchtung der dreisten Behauptung des öffentlichen Ministeriums, daß die juristische Anwendbarkeit des bezogenen Strafartikels keinem Zweifel unterliegen könne, habe ich und ich gestehe es, theilweise mit innerm Widerstreben den Inhalt und die Entstehung unseres Aufrufes näher geprüft, indem dessen Straflosigkeit schon aus durchgreifenden politischen Gründen zu erweisen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1281/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 233. Köln, Mittwoch den 28. Februar. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.
Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.
Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.
Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.
Uebersicht. Deutschland. Köln. (Prozeß gegen den rheinischen Kreisausschuß der Demokraten. [Schluß.] ‒ Bankett vom 24. Februar). Aus dem Landkreise Köln. (Verschwundene Wahlausschreiben). Bonn. (Ein Studentenbankett). Koblenz. (Nachwahlen. ‒ Aktenverschleppung). Wien. (Belohnung der Oktoberverräther. ‒ Standrechtliche Erschießung. ‒ Aussicht auf ungarische Vertrauensmänner). Kremsier. (Kaim. ‒ Standrechtliches über die östreichische Note). Dresden. (Das neue bureaukratische Ministerium und die Kammern). Leipzig. (Ministerwechsel). Frankfurt a. d. O. (Eine bundestagliche Konferenz) Mannheim. (Die Reichstruppen in Baden und der Minister Bekk).
Ungarn. (Die russische Invasion. ‒ Die Serben. ‒ Aussichten für die Oestreicher. ‒ Vom Kriegsschauplatz).
Italien. (Centralrepublik mit der Hauptstadt Rom). Rom. (Die Priester. ‒ Die Bank. ‒ Vermischtes). Gaëta. (Protest des Papstes). Florenz. (Proklamation der provisorischen Regierung). Venedig. (Vermischtes).
Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Finanzielles. ‒ Ehebruch. ‒ Das Ministerium Barrot und die deutschen Flüchtlinge in Besançon. ‒ Vermischtes).
Belgien. Brüssel. (Ein Polizeispion).
Großbritannien. London. (Aufruf an die Charlisten zur Agitation für die Volkscharte. ‒ Ein Meeting wegen Steuer- und Parlamentsreform).
Deutschland. * Köln, 27. Februar. Assisenverhandlung wegen Aufreizung zur Rebellion.
Verhandelt zu Köln den 8. Februar.
(Schluß. Siehe Nr. 232.)
Karl Schapper: Meine Herrn Geschworenen. ‒ Nach der Vertheidungsrede meines Mitangeklagten, des Herrn Marr, habe ich nur noch wenige Worte an Sie zu richten.
Das öffentliche Ministerium hat versucht sich bei der Anklage gegen uns auf den konstitutionellen Boden zu stellen, es ist ihm dieses jedoch, Sie werden mit mir der Meinung sein, sehr schlecht gelungen.
Es hat versucht zu beweisen:
1) daß der König das Recht gehabt habe, die constituirende preußische Nationalversammlung zu vertagen und aufzulösen; dieselbe folglich nach dem 9. November vorigen Jahres keine Beschlüsse, also auch keinen Steuerverweigerungsbeschluß mehr fassen konnte;
2) daß die Nationalversammlung überhaupt nicht das Recht hatte, die Steuern zu verweigern;
3) daß wenn sie selbst das Recht die Steuern zu verweigern besessen hätte, sie es doch ohne die allerhöchste Noth nicht hätte ausüben dürfen, da ein solches Mittel direkt zum Bürgerkrieg führe ‒ und diese allerhöchste Noth sei noch nicht verhanden gewesen und endlich
4) daß wir, die Angeklagten, noch viel weiter gegangen seien, als die Herrn Vereinbarer, daß wir direkt versucht hätten, den Steuerverweigerungsbeschluß zur Ausführung zu bringen, folglich dem Strafkoder verfallen seien.
Erlauben Sie, meine Herrn Geschwornen, daß ich meine Meinung über diese Punkte, im Gegensatz zu der des öffentlichen Ministeriums, entwickele.
Im März hatte das Volk gesiegt, das absolute Königthum war gebrochen, es stand sogar in der Macht des Volkes die Monarchie ganz zu beseitigen, die Majorität desselben erklärte sich jedoch für das konstitutionelle Königthum und für eine Feststellung durch seine Repräsentanten, der Rechte und Befugnisse des Königs einerseits und des Volkes andrerseits.
Die Volkssouveränetät war feierlich anerkannt die konstituirende Versammlung ward berufen, und sie stand, wenn nicht über der Krone, doch wenigstens mit ihr auf gleicher Stufe. ‒ Wir haben hier zwei moralische Personen, die einen Kontrakt mit einander abzuschließen haben ‒ keine hat das Recht die andere gänzlich zu beseitigen, zu vernichten ‒ denn sonst hört alle Vereinbarung, alle Abschließung, auf.
Wenn der König, aus Besorgniß für die Nationalversammlung, dieselbe von Berlin nach Brandenburg verlegen konnte, so hatte die Versammlung eben so gut das Recht, den König, aus Besorgniß für seine Person, von Potsdam nach Berlin zu verlegen; wenn der König das Recht hatte die konstituirende Versammlung auseinanderzujagen, so hatte die letztere noch vielmehr das Recht den König fortzujagen, und dieses Recht hat doch wahrscheinlich das öffentliche Ministerium nicht für die Versammlung vindiciren wollen. Die Contrerevolution hat durch geschickte Manöver augenblicklich gesiegt, und dieser Sieg hat ihr das Recht gegeben nach ihrem Gutdünken zu handeln, so hätte das öffentliche Ministerium sagen, aber sich nicht auf den konstitutionellen Rechtsboden stellen sollen.
In Betreff des zweiten Punktes will ich nicht auf einer Masse alter, verrotteter vormärzlichen Gesetze fußen, wie der Herr Staatsprokurator es gethan, sondern auf dem gesunden Menschenverstand.
Meine Herrn Geschwornen, in einem konstitutionellen Staate ist der König der erste Magistrat, er hat von dem Volk die Aufgabe erhalten, die Gesetze im Interesse Aller, und nicht allein im Interesse seines Hauses oder einer Katze vollstrecken zu lassen. ‒ Dafür bezahlt ihn das Volk. ‒ Erfüllt er nun seine Aufgabe nicht mehr, so erhält er auch kein Geld mehr, das ist ganz einfach und höchst konstitutionell-bürgerlich. In diesem Sinne handelte die konstituirende Versammlung als sie die Steuerverweigerung aussprach und sie hatte vollkommen recht.
Hinsichtlich des dritten Punktes sagte das öffentliche Ministerium, es sei noch nicht nöthig gewesen die Steuern zu verweigern, selbst wenn die Versammlung das Recht dazu gehabt hätte. ‒ Ich behaupte sie hätte es schon früher thun sollen, wir wären dann nicht durch die Contrerevolution für den Augenblick besiegt worden. ‒ Mein Vorredner hat Ihnen schon höchst klar bewiesen, daß hier nicht einzelne Personen oder Fraktionen sich bekämpfen, sondern daß sich die alte abgelebte feudale Gesellschaft und die nach der Herrschaft strebende bürgerliche Gesellschaft einander feindlich gegenüber stehen, daß dieses ein Kampf auf Leben und Tod ist; daß es sich hier darum handelt, zu beweisen, ob wir Deutschen noch Lebensfähigkeit genug besitzen, um uns aus einem Zustand herauszuarbeiten, denn wir schon lange hätten beseitigen sollen, oder ob wir wirklich am Rückwärtsschreiten sind und dem asiatischen Despotismus verfallen müssen.
Daß die Krone und ihre Repräsentanten es nicht aufrichtig mit ihren Märzversprechungen meinten, war schon im August auch denen klar, die früher an die Redlichkeit derselben glaubten, damals hätte man schon nicht einen unhaltbaren Waffenstillstand schließen, sondern den Kampf aufnehmen sollen, es wäre dann gewiß unsägliches Elend von unserm Vaterlande abgewendet worden.
Sie erinnern sich, meine Herren, des Antrags des Abgeordneten Stein. ‒ Er verlangte ganz einfach, das Ministerium solle seine Aufrichtigkeit für die konstitutionellen Institutionen dadurch bethätigen, daß es den reaktionären Offizieren es zur Ehrenpflicht mache, aus der Armee auszutreten. Was thaten die Diener der Krone? Sie verweigerten die Ausführung des Beschlusses der Nationalversammlung und traten ab; dann kamen andere, die halbe Versprechungen machten, um Zeit zu gewinnen, weil man damals noch nicht offen mit seinen Plänen hervorzutreten wagte. ‒ Hätte man es aufrichtig gemeint, hätte man wirklich die alte feudale Gesellschaft aufgeben und die bürgerliche anerkennen wollen, so hätte man die von Stein vorgeschlagene Maßregel schon im letzten Frühjahre ausgeführt, und wäre dann nicht mit der Nationalversammlung in Konflikt gerathen. In der That, meine Herren, in einem konstitutionellen Lande sind die Offiziere nicht mehr Diener des Königs, sondern Diener des Staats, der sie für ihre Dienste bezahlt. ‒ Sind sie nun mit den Institutionen dieses Staates nicht einverstanden, wollen oder können sie ihm nicht treu und redlich dienen, so verlangt es ihre Ehre, daß sie austreten, und sich nicht länger bezahlen lassen für Dienste, die sie nicht thun wollen. ‒ Das ist doch ganz einfach. ‒ Als die Nationalversammlung später die auf dem Bauernstande haftenden Feudallasten aufheben wollte, als sie gar Adel, leere Titel und Orden abschaffte, schrie man Zeter und Mordio, und drängte die Krone, einen Staatsstreich so schnell als möglich auszuführen. Man schrie über Verletzung des Eigenthums, ‒ als wenn man nicht gerade beabsichtigt hätte, durch die Abschaffung der feudalen Vorrechte das bürgerliche Eigenthum festzustellen! ‒ Hätte man den konstitutionell-bürgerlichen ‒ den modernen Staat wirklich gewollt, so hätte man ohne weiteres die Privilegien aufgehoben, die die Entwickelung desselben verhindern ‒ ja unmöglich machen, man hätte sich nicht an Ordensbändchen angeklammert, die in unserer Zeit gar keine Bedeutung, gar keinen Werth mehr haben sollten, die unnütze Spielereien sind und nur das ohnehin schon so besteuerte Volk ein schweres Geld kosten.
Ja, meine Herren Geschworenen, ich behaupte nochmals, man hätte schon im September die Steuern verweigern sollen, es war schon damals die allerhöchste Noth dazu, wenn man die moderne Gesellschaft retten, wenn man mit der feudalen für immer ein Ende machen wollte.
Das öffentliche Ministerium behauptet ferner, die Steuerverweigerung führe direkt zum Bürgerkrieg, zur Anarchie. ‒ Meine Herren, die Anarchie war schon da, ehe der Steuerverweigerungsbeschluß gefaßt wurde, die Anarchie existirt immer, wenn, wie es in Preußen der Fall ist, sich eine Minorität gegenüber der Majorität durch rohe Gewalt an der Spitze des Staates zu behaupten sucht. ‒ Die Steuerverweigerung war das einzige Mittel, eine neue Revolution zu vermeiden, darum nahm die Nationalversammlung zu derselben ihre Zuflucht. ‒ Geben sie den Dienern der Reaktion nichts mehr zu essen, und ihr Widerstand wird bald schwinden. ‒ Vor der Finanznoth beugen sich selbst Kanonen und Bajonette und werden machtlos. Die Steuerverweigerung ist die ultima ratio populorum gegen die ultima ratio regum. Will die Staatsgewalt nicht den Willen der Majorität anerkennen, stellt sie diesem Willen Kanonen und Bajonette gegenüber, so macht einfach diese Majorität den Beutel zu, und der bald eintretende Hunger wird die Widerspenstigen schon zur Vernunft bringen. ‒ Die Steuerverweigerung ist in der That das einzige friedliche Mittel, den Volkswillen gegenüber der rohen Gewalt zur Geltung zu bringen.
Endlich, meine Herren, behauptet das öffentliche Ministerium, wir seien viel weiter gegangen als die Herren Vereinbarer. ‒ Will das öffentliche Ministerium etwa damit behaupten, die Nationalversammlung habe bloß beschließen, aber ihren Beschluß nicht ausführen, d. h. einen schlechten Witz machen wollen? Ich glaube doch nicht. ‒ Wenn man etwas beschließt, so muß man auch die Absicht haben, es auszuführen, also sind wir Angeklagte keineswegs weiter gegangen, als die Herren Vereinbarer. ‒ Wenn Sie wissen, daß irgend Jemand kein Recht hatte, Ihnen Ihr Geld abzunehmen, dieser Jemand Sie aber doch packt und es mit Gewalt nehmen will, was thun Sie dann? ‒ Sie setzen sich zur Wehr, vertheidigen Ihr Eigenthum und schlagen dem Angreifer auf den Kopf ‒ das ist doch ganz natürlich. Ganz dasselbe ist es mit der Steuerverweigerung; die Nationalversammlung hatte erklärt, daß ein hochverrätherisches Ministerium kein Recht mehr habe, Steuern zu erheben, es war also die Pflicht eines jeden guten Bürgers, sich in Vertheidigungszustand zu setzen, um etwaige unbefugte Eingriffe in sein Eigenthum abzuwehren. In England schließt man bei solchen Anlässen sein Haus zu und behandelt dann jeden, der mit Gewalt in dasselbe einzudringen sucht, als einen Räuber.
Meine Herren, ich bin gewiß, daß Sie das Recht der Steuerverweigerung anerkennen, daß Sie daher auch uns, die wir dieses Recht auf Befehl der Vertreter des Volkes zur Geltung zu bringen suchten, nicht schuldig finden werden, trotz des Siegs der Contrerevolution.
Aber sollten sie selbst dieses Recht nicht anerkennen, so werden sie uns doch frei sprechen, da die Regierung, wahrscheinlich aus politischen Gründen, bis jetzt die Urheber des Beschlusses noch nicht hat verfolgen lassen ‒ wie Hr. Rintelen selbst erklärt. ‒ Unser Prozeß hat einige Aehnlichkeit mit dem im Jahre 1836 in Straßburg geführten. Hier ließ auch die französische Regierung aus politischen Rücksichten den Hauptangeklagten, den jetzigen Präsidenten der französischen Republik, frei, während sie diejenigen Offiziere und Bürger, welche seine Absichten unterstützt hatten, vor die Assisen stellte. Die Geschwornen in Straßburg erklärten dieselben einstimmig für nicht schuldig, obgleich sie mit den Waffen in der Hand gefangen genommen worden.
Meine Herren Geschwornen, ich habe nichts weiter zu meiner Vertheidigung hinzuzufügen, da ich überzeugt bin, daß Sie, mögen Sie nun das Recht der Nationalversammlung, die Steuern zu verweigern, anerkennen oder nicht, auf die Anklage des Parkets einstimmig mit Nichtschuldig antworten werden.
Der Angeklagte Schneider II. erhält das Wort.
Karl Schneider II. Meine Herren Geschwornen. Als die Kunde von dem Siege der Contrerevolution in Wien nach Berlin kam, folgte auch dort die längst vorbereitete Contrerevolution auf dem Fuße nach. Hier wie dort beeilten sich die Werkzeuge der augenblicklich wieder erstandenen alten Macht Alle, welche in irgend einer Weise sich bei dem frühern Umschwunge der Dinge betheiligt hatten, unter dem Deckmantel der Gesetze zu verfolgen. In Wien wurden diese Gesetze von Windischgrätz und den Kroaten gehandhabt. Preußen hat einen Wrangel, Staatsanwälte und Prokuratoren. Hier wie dort werden die Urtheile und Strafanträge nicht nach dem Inhalte der Gesetze bemessen. Der Strang oder die Begnadigung zu Pulver und Blei trifft den, welcher nach dem Wortlaute unanwendbarer Gesetze einer strafbarer Handlung verdächtig ist. Der Verfolgte auf dem nicht einmal ein Verdacht lastet, wird nach Umständen, zu mehrjähriger Schanzarbeit begnadigt. Weil man sich scheute uns, die wir nur unsere Pflicht gethan, des Umsturzes der Verfassung, oder der Erregung des Bürgerkrieges anzuklagen, verfolgt man uns auf Grund eines in jeder Hinsicht unpassenden Strafartikels, der nur eine gelinde Strafe androht. Ich muß Ihnen, meine Herren, die Art. 209 bis 217 unseres Strafgesetzbuches im Zusammenhange vorlesen, um Sie sofort zu überzeugen, wie wenig dieselben dem vorliegenden Falle entsprechen. Während unsere Handlung, wenn sie nicht aus politischen Gründen straflos wäre, wohl unter die Art. 87, 90, 102 als ein Komplott zur Erregung des Bürgerkrieges, zur Bewaffnung gegen die königliche Gewalt resp. zur Aufforderung dazu, fallen könnte, ist in den vom öffentlichen Ministerium bezogenen Artikeln nur der einzelne konkrete Widerstand gegen einzelne bestimmte Beamte, z. B, der thätliche Widerstand eines Schmugglers, des widerstrebenden Verhafteten etc. mit Strafe bedroht. ‒ Der Beschuldigte sucht nun unter Vergleichung der betreffenden Gesetzesstellen diesen Unterschied näher auszuführen und mit Rücksicht auf die bestehende Jurisprudenz darzuthun, daß die im Art. 217 verzeichnete Aufforderung zum Widerstande nach Analogie des Artikels 102, der ausdrücklich das Wort directement gebrauche, eine direkte, unmittelbare sein müsse ‒ und fährt dann fort: Dieses Alles trifft nun bei dem inkriminirten Aufrufe nicht zu. Er enthielt weder die Aufforderung zu einer bestimmten That noch die direkte Aufforderung zu einer solchen. Lediglich den Inhalt des fraglichen Aufrufs, nicht unsere sonstige Ihnen nicht verschwiegene Ansicht über die Berechtigung des Volkes zum bewaffneten Widerstande haben Sie, meine Herren, zu prüfen, und da zeigt sich sosofort, daß wir nur theoretisch aussprachen, was durch die Umstände zu thun geboten sei.
Wir erließen keine Aufforderung an die, welche die Steuern weigern sollten; nur die bestehenden Vereine werden ersucht, Anträge in unserm Sinne zu stellen und etwaige Beschlüsse auszuführen. Wenn endlich das öffentliche Ministerium unsere Aufforderung selbst dann straffällig finden will, wenn der Steuerverweigerungsbeschluß der Nationalversammlung als berechtigt anerkannt werden müßte, so ist allerdings von der Versammlung nicht direkt zur Gewalt aufgefordert worden, doch ist diese offenbar eine nothwendige Consequenz des Beschlusses. Bereits mehrere Tage vor dem Beschlusse der Versammlung hatten wir, d. h. der demokratische Provinzialausschuß, die Steuerverweigerung als politische Nothwehr anempfohlen, dabei jedoch von jedem gewaltsamen Widerstande abgerathen. (Der Beschuldigte verliest den betreffenden vom 14. Nov. datirten Aufruf.) Nach dem Bekanntwerden des Steuerverweigerungsbeschlusses der Vereinbarerversammlung erklärten wir mit besonderer Bezugnahme auf denselben, jede Art des Widerstandes für berechtigt.
Nur zur Beleuchtung der dreisten Behauptung des öffentlichen Ministeriums, daß die juristische Anwendbarkeit des bezogenen Strafartikels keinem Zweifel unterliegen könne, habe ich und ich gestehe es, theilweise mit innerm Widerstreben den Inhalt und die Entstehung unseres Aufrufes näher geprüft, indem dessen Straflosigkeit schon aus durchgreifenden politischen Gründen zu erweisen
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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