Neue Rheinische Zeitung. Nr. 236. Köln, 3. März 1849.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 236. Köln, Samstag, den 3. März. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jcan Jacques Rcusseau. Infertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Zu Nr. 235 der "N. Rh. Z." wurde heute Morgen, Freitag 2. März, ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich an unsre Abonnenten versandt. Ein Theil der letztern erhält die Extra-Beilage zugleich mit Nr. 236 d. Bl. Uebersicht. Deutschland. Elberfeld. (Die Lösung der "sozialen Frage" im Galgenzeitungs-Klub.) Berlin. (Mylius. - Parteichancen in der Kammer. - Preußen, Oestreich und Dänemark. - Rodbertus und Philipps. - Das provisorische Reglement. - Neu-octroyirte Portofreiheit für die Abgeordneten. - Der electro-magnetische Telegraph nach Frankfurt. - Vermischtes.) Hamburg. (Jahresfeier der Februar-Revolution.) Hadersleben. (Konzentrirung eines dänischen Korps bei Kolding.) Provinz Preußen. (Konstabler. - Aus Polen.) Wien. (Rekrutenweigerung in Mähren. - Zur Reorganisation Ungarns. - Neue Standrechtsopfer. - Die Anleihe. - Beamtenwillkür in Gratz.) Weimar. (Eröffnung des ersten Geschwornengerichts.) Altenburg. (Excesse.) Aus Franken. (Stand der demokratischen Partei.) Ungarn. (Vom Kriegsschauplatze.) Italien. Turin. (Gioberti. - Karl Albert's Staatsstreichgelüste.) Bologna (Die Schweizer-Rüstungen. - Oestreichische Erpressung in Ferrara.) Franz. Republik. Paris. (Das Bankett. - Vereinigung des Berges mit der socialistischen Partei. - Die italienische Frage. - National-Versammlung.) Deutschland. * Köln, 1. März. Gestern stellte sich unser Mitredakteur W. Wolff, der Theilnahme an einem Komplott und der direkten Aufforderung zum Umsturz der Regierung beschuldigt, vor dem Instruktionsrichter und wurde von diesem nach beendigtem Verhör sofort wieder entlassen. 142 Elberfeld, 2. März. Der hiesige Heuler-Club, "Constitutioneller Verein", dirigirt von der Familie des gottbegnadeten von der Heydt hat in seiner neuerlichen Heuler-Probe durch den Sohn des Psalmisten und Küster dieser Kirche das Lied aufstecken lassen: "Bitten um fortgesetzten Belagerungszustand Berlin's und Aufhebung aller Club's, den unsern nicht ausgenommen, Kyrie eleison!" Die Litanei wurde heruntergeleiert, und wird in Berlin, wohin sie in Form einer Petition abgegangen, von ministeriellen Lippen repetirt worden sein. - In dieser Versammlung hatte man seit einiger Zeit die Arbeiterfrage verhandelt, und manche unserer bedeutenderen Fabrikanten hatten sich an diesen Versuchen, die Lösung der "socialen Frage" zu vollziehen, betheiligt. Mehr und mehr indeß gaben die Arbeiter gegenüber den erneuten Schutzzoll-Forderungen der Fabrikanten ihre Erfahrungen zum Besten, die darauf hinausliefen, daß sie, wo Schutzzoll gewährt, vor demselben besser gelöhnt worden, als nach dessen Durchsetzung. Vor Einführung des Schutzzolles von 30 Thlr. p. Centn. auf "englischen figurirten Orleans" - erzählte u. A. ein Arbeiter - erhielten wir 1 Thlr. 25 Sgr. p. Stück von 38 bg.; jetzt, nachdem die Regierung den Wünschen der Herren Fabrikanten nachgegeben, erhalten wir 1 Thlr. 12 1/2 Sgr. p. Stück. (NB. Zu 2 Stück p. Woche, also zur Erringung eines Arbeitslohnes von 2 Thlr. 25 Sgr. sind zwei fixe, fleißige, erwachsene Arbeiter erforderlich.) Also weg mit den Phrasen: auf diesem Wege wird uns nicht geholfen! Der Arbeitsherr des betreffenden Artikels, welcher so unvorsichtig gewesen, höheren Lohn in Aussicht zu stellen, hat hierauf nichts zu erwidern gewußt und es für räthlich gehalten, diese Berathungen nicht mehr zu besuchen. Einem andern Fabrikanten, welcher dafür bekannt ist, daß es seine Hauptsorge ist, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, wurde von einem anderen Arbeiter nachgewiesen, daß er um 7000 Thlr. binnen eines gewissen Zeitraumes an Lohnverkürzung gewonnen, und sie, die Arbeiter dadurch in die Lage gebracht, die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln aufsuchen zu müssen, wodurch sie um das Recht gekommen, zur zweiten Kammer mitwählen zu können. Solche bittere Pillen haben die Fabrikanten mehrere zu verschlucken bekommen; diese und die von Sitzung zu Sitzung wachsenden Arbeiter-Elemente mögen den schon früher erwarteten Beschluß zur Vollreife gebracht haben, die Schließung der Klubs zu beantragen. Einer der kleineren Fabrikanten, welcher sich der bedrängten Arbeiter in diesen Zusammenkünften mit vieler Wärme annimmt, wird von diesen bei jeder Gelegenheit mit stürmischem Beifall begrüßt, und deshalb von seinen Kollegen, die sich den Verhandlungen in jüngster Zeit fast gänzlich entzogen haben, bitter getadelt. Süßes Gefühl, von einem Sbirren verächtlich angesehen zu werden. 305 Berlin, 28. Febr. Das heute von der Rechten durchgesetzte provisorische Geschäfts-Reglement läßt gar keine dringenden Anträge zu. Die gewöhnlichen Anträge müssen dem Präsidenten schriftlich eingereicht werden, der solche an die Abtheilungen verweist. Nur wenn 3 von 7 Abtheilungen sich für den Antrag entschieden haben, kann derselbe in der öffentlichen Sitzung zur Sprache gebracht werden und zur Kenntniß des Volks gelangen. In betreff der Interpellationen verfügt das Reglement wörtlich Folgendes: §. 28. "Interpellationen an die Minister müssen bestimmt formulirt und bei ihrer Einbringung von einem Mitgliede als Interpellanten und außerdem 30 Mitgliedern unterschrieben sein. Ueber die Zulässigkeit entscheidet zunächst der Gesammtvorstand der Kammer (i. e. der Präsident und die Schriftführer). Erklärt sich dieser für die Zulassung der Interpellation, so wird dieselbe gedrückt durch den Kammerpräsidenten dem Minister-Präsidenten eingereicht, und unter die Mitglieder der Kammer vertheilt. Die Interpellation kommt sodann zur Lesung in die Kammer, welche, sofern nicht das Ministerium die Beantwortung der Interpellation überhaupt abzulehnen sich veranlaßt sieht, ohne Diskussion entscheidet, ob die Interpellation zuzulassen sei. Im Bejahungs-Falle wird die nähere Ausführung der Interpellation durch den Interpellation sofort gestattet. Der Minister bestimmt hierauf den Zeitpunkt der Verhandlung." § 29. "Mit der Beantwortung ist die Interpellation als solche erledigt, und es bleibt jedem Mitgliede überlassen, den Gegenstand in der Form der Anträge weiter zu verfolgen." Also wenn der Minister gesprochen hat und die größten Ungerechtigkeiten vorbringt, muß der Interpellant schweigen!! § 41. "Ueber Anträge der Regierung kann nicht zur Tages-Ordnung übergegangen werden." Wohl aber über Anträge der Abgeordneten. Die Krone ist also offenbar bei der Vertheidigung ihrer Interessen durch die Minister, die ohnehin schon das Recht hatten zu jeder Zeit zu reden, gegen die Vertreter der Interessen des Volks außerordentlich begünstigt. § 63. "Dem Präsidenten der Kammer steht die Handhabung ihrer Polizei im Sitzungs-Saale und in den Zuhörer-Räumen zu." Wir sind also nicht einmal Herren in unserem eigenen Hause. Eine saubere Wirthschaft! Ich fürchte, das definitive Reglement wird nicht viel besser werden, da in 6 Abtheilungen von 7 die Rechte die Majorität hat; mithin alle Wahlen für die Kommissionen beherrscht. Etwa ein Dutzend Mitglieder der Opposition fehlen noch; die meisten sind Rheinländer, zwei von Coblenz; ferner: Guittienne, Körfgen und Kyll. Bleibtreu sitzt links neben Becker, nimmt Theil an den Partei-Verhandlungen der Linken und hat versprochen, mit ihr treu zu halten. Also doch ein kleiner Trost für den Ausfall dieser Wahl. Der Minister v. d. Heydt hat die Portofreiheit der Abgeordneten jetzt auf Briefe von zwei Loth beschränkt. Früher bekamen die Mitglieder der Nationalversammlung alle Sitzungs-Protokolle und wichtigere Beschlüsse doppelt so wie ein Dutzend Exemplare der zwischen der Krone und der Versammlung vereinbarten Gesetze, um dieses Alles in die Wahlkreise zu senden! Eine solche Communication ist jetzt nicht mehr möglich ohne bedeutende Porto-Auslegung. Die Preußenvereine überschwemmen das Land mit Flugschriften unter allerhand portofreien Rubriken. Ganze Ballen solcher Drucksachen aus der königl. Hof-Druckerei sind mit der Post durch das Land verbreitet worden. Und der Abgeordnete wird auf ein Gewicht von zwei Loth beschränkt! * Berlin, 28. Febr. Die Allg. Zeitungskorrespondenz gibt die Nachricht, es sei ein außerordentlicher Gesandter von hier nach Olmütz abgegangen. Diese Nachricht ist unvollständig. Es ist bekannt, daß man in Dänemark schon seit längerer Zeit gesonnen war, den Waffenstillstand zu kündigen. Die großen Rüstungen, welche durch die Hülfe einer russischen Anleihe möglich gemacht wurden, deuteten nur zu deutlich darauf hin. Indessen hat Dänemark außer dieser Macht noch einen Rückhalt an Schweden, von dem man mit Bestimmtheit eine direkte Truppenunterstützung erwartet. Der lebhafte und unangenehme Notenwechsel zwischen Berlin und Stockholm scheint das zu bestätigen. Es ist nun allerdings ein außerordentlicher Gesandter nach Olmütz geschickt worden. Dort wurden nämlich die Verhandlungen über die dänische Frage geführt, indem die Centralgewalt Oestreich das Amt der Vermittlung übertragen hatte. Dieses Faktum zeigt schon, wie aufrichtig die Thronrede in echt konstitutioneller Weise sich ausgesprochen hat, und es muß uns erlaubt sein, auch die übrigen Versprechungen dieses ministeriellen Machwerkes zu bezweifeln. Wir sehen indeß, daß man Oestreich nicht bei jeder Gelegenheit ausschließen will, daß man ihm vielmehr Gelegenheit gibt, ähnliche Lorbeeren zu erringen, wie sie Preußen der Waffenstillstand zu Malmoe brachte. Vor den demokratischen Wahlmännern des zweiten größeren Wahlbezirks sprachen gestern Abend Rodbertus und Phillips. Rodbertus führte aus, wie die gesetzliche Entwicklung durch einen Rechtsbruch gestört sei. Man müsse diesen heilen, sich ihm aber nicht unterwerfen, um die Achtung wieder herzustellen, welche man im Auslande durch die November-Ereignisse verloren habe. Man könne kein Vertrauen zu einem Volke haben, welches sich sein Recht ohne Weiteres nehmen lasse. Rodbertus sieht die Heilung darin, daß man sogleich an die Revision gehe und so den Grundsatz der Vereinbarung aufrecht erhalte. Auf diese Weise allein könne das Vertrauen des Volkes zu sich selber und damit die Gesetzlichkeit wieder hergestellt werden. In der deutschen Frage will er das Frankfurter Parlament unterstützen. Er zieht die Abschlagszahlung eines Kleindeutschland dem gänzlichen Fehlschlagen der Einheits-Idee vor, in der Hoffnung, es werde dann doch über kurz oder lang Oestreich mit seinen Bundesgenossen hinzutreten. Er bezog sich besonders auf das allgemeine Wahlrecht, für dessen Aufrechthaltung er stets kämpfen werde. Phillips schloß sich den Ansichten Rodbertus an und verbreitete sich nur noch weiter über die Gemeinde- und Gewerbeverhältnisse. Er will bei diesen die Grundsätze des Freihandels, bei jenem das allgemeine Wahlrecht gewährt wissen. Aus diesen Enthüllungen der Führer des linken Centrums entnehmen wir, daß sie eine sehr zahme Opposition machen werden. Der Magistrat hatte dem Geheimrath Lehnert, Wahlkommissar des Bezirks, dem der ausgewiesene Dr. Goldstücker angehörte, aufgetragen, denselben in den Wahllisten aufzuführen, da sämmtliche Wahlmänner des Bezirks bei der Wahl der Abgeordneten deshalb zurückgewiesen waren. Hr. Lehnert schrieb zurück, daß er das nicht könne, wenn Dr. Goldstücker nicht in Berlin anwesend sei. Der Magistrat möge deshalb dafür sorgen, daß das Ausweisungsdekret gegen G. durch die Polizeibehörde zurückgenommen werde. Dr. Goldstücker ist aber noch immer ausgewiesen und war bei der Nachwahl der Wahlmänner nicht zugegen. X Berlin, 28. Febr. Die bei Gelegenheit unserer gestrigen Beschreibung der Sitzungssäle gemachte Bemerkung, daß der Raum zu einem Centrum fehle, ist auch von vielen Abgeordneten wahrgenommen worden und es wird wahrscheinlich demnächst ein Antrag eingebracht werden, diesem Mangel abzuhelfen. Man geht nämlich von dem Gesichtspunkte aus, daß dabei der absichtliche Plan zum Grunde liege, die Bildung eines Centrums überhaupt zu vereiteln und die Kammer nur in eine Rechte und Linke getheilt zu erhalten. Gelänge dies, so würde es allerdings zur Stärkung der Rechten beitragen, der sich viele Unentschiedene, namentlich auch die Neueingetretenen angeschlossen haben, da sie Anstand nehmen, der Linken, in der auch die Steuerverweigerer etc. sitzen, anzugehören. Bildet sich aber ein Centrum, so werden demselben starke Parteien, sowohl von der rechten wie von der linken Seite zufallen, dergestalt, daß dies Centrum in allen wichtigen Fragen den Ausschlag geben müßte. Seine allgemeine Haltung würde nach Lage der gegenwärtigen Verhältnisse und Personen höchst wahrscheinlich eine vorwiegend oppositionelle werden, immer aber würden seine verbundenen Mitglieder ganz anders stimmen als jetzt in der Spaltung zwischen rechter und linker Seite. Freilich müßte die Bildung des Centrums selbst dann anders geleitet werden, als jetzt durch Grabow, welcher, auf dem Vereinigten Landtage zur äußersten Opposition gehörend, in den Novembertagen die vorsichtige Rolle eines Vermittlers mit der Krone anstrebend, jetzt mit Männern wie Harkort, v. Bodelschwingh u. A. die er früher auf Tod und Leben bekämpfte, eine Koalition intendirt. Die linke Seite der Volkskammer, welche bisher ihre Fraktionsversammlungen bei Jaraschowitz in der Markgrafenstraße hielt, verlegt dieselben nunmehr nach der Konversationshalle am Dönhofsplatz, dicht neben ihrem Sitzungshause. Schräg gegenüber in der Stadt London versammelt sich die rechte Seite. Die Herren-Kammer, wie man hier kurzweg die erste zu nennen anfängt, versammelte sich bis jetzt ungetrennt bei Mielentz. Gestern Abend hat aber ein Zwiespalt über das absolute Veto 50 zum Austritt bewogen, und damit scheint der Anlaß zur Bildung einer linken Seite gegeben, als deren Führer vielleicht, Herr v. Saucken-Tarputschen, einer der Oppositionsmitglieder der Vereinigten Landtage, auftreten wird. In der rechten Seite ist Herr Professor Stahl am einflußreichsten. Von einer genaueren Schattirung der Parteien läßt sich noch nichts melden. Von der linken Seite der zweiten Kammer wird der Antrag beabsichtigt, die Billets zu den Tribünen wieder durch das Büreau, wie zur Zeit der Nationalversammlung, vertheilen zu lassen. Jetzt geschieht es durch Staats- und städtische Behörden, in letzterer Beziehung durch den Magistrat. In einem jüngst abgehaltenen Ministerrath ist beschlossen worden, daß das Militär, sobald irgendwo Unruhen ausbrächen, sofort alle Waffendepots und somit auch alle Waffenläden zu besetzen und respekt. in Beschlag zu nehmen habe. Es scheint dieser Beschluß mit besonderer Rücksicht auf die Kammereröffnung gefaßt zu sein, da man bei dieser Gelegenheit, wie wir meldeten, Unruhen befürchtete. Die Kündigung des dänischen Waffenstillstandes bestätigt sich vollkommen, trotz der in der Thronrede ausgesprochenen Friedenshoffnungen. Gestern ist ein Courier aus Petersburg angekommen, der hierauf bezügliche Depeschen überbrachte. Unverbürgter Weise theilen wir mit, daß darin auch zugleich die entschiedene Aufforderung an die Regierung gerichtet gewesen sein soll, allen neuen Forderungen der Kammern mit Nachdruck entgegen zu treten. Gestern Abend wurde dem Feuilletonisten der Neuen Preußischen Zeitung, Hrn. Eichler, in dem Jaroschewitz'schen Lokal von Anwesenden der Vorwurf der Spionerie gemacht, da man seine Anwesenheit allerdings schwer aus Sympathien zu erklären vermochte. Der edle Kreuzfahrer suchte den Beweis seiner Unschuld dadurch zu erbringen, daß er eine Weinflasche auf den Köpfen drei ganz Unbetheiligter zerschlug und Einen erheblich verletzte. Schutzmänner bemächtigten sich endlich des ritterlichen Kämpfers und beraubten dadurch die Neue Preußische seiner schätzenswerthen Mitwirkung. Die Linke der Volkskammer, welche zuerst und prinzipaliter für von Unruh, eventualiter aber zum großen Theil auch für Grabow bei der Präsidentenwahl zu stimmen entschlossen war, ist in Folge gestriger Vorgänge, in so fern von diesem Vorhaben wieder abgegangen, als sie für Grabow einen anderen Kandidaten aufstellen will. Hr. Grabow stimmte nämlich gestern in einer nicht unwichtigen Formfrage mit der Rechten, wo er unbeschadet seiner politischen Meinung eben so gut hätte mit der Linken gehen können. Gestern Nacht wurde vor dem Hotel du Nord einem dort wohnenden mißliebigen Abgeordneten der Rechten eine Katzenmusik gebracht, welche Konstabler störten. Bei der vorgestern stattgehabten Nachwahl im Teltower Kreise, kam der Dr. Lövinson, als einer der extremsten Köpfe von den Volksversammlungen des vorigen Jahres bekannt, mit auf die engere Wahl und erhielt 105 Stimmen! Es ist das gewiß ein starker Beweis für das Fortschreiten der demokratischen Ideen, wenn sie selbst jenen Kreis infiziren. Es darf außerdem bemerkt werden, daß, während bei der ersten Wahl der konservative Kandidat eine Majorität von 167 Stimmen hatte, bei dieser Nachwahl nur 125 Stimmen als Majorität aus der Urne hervorgingen. Berlin, 28. Febr. Die elektro-magnetischen Telegraphen, die in der ganzen preußischen Monarchie die bisherigen Telegraphen ersetzen sollen, sind auf der Route zwischen Berlin und Frankfurt völlig im Gange. An den einzelnen Stationen sind preußische Beamte angestellt. In Kassel ist der Stationsort auf dem dortigen Bahnhofe. Zwischen den beiden Endpunkten, Berlin und Frankfurt, sind fünf Stationspunkte, in Köthen, Halle, Eisenach, Kassel und Gießen. Bei jedem dieser letzten fungiren zwei Tele- Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 236. Köln, Samstag, den 3. März. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jcan Jacques Rcusseau. Infertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Zu Nr. 235 der „N. Rh. Z.“ wurde heute Morgen, Freitag 2. März, ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich an unsre Abonnenten versandt. Ein Theil der letztern erhält die Extra-Beilage zugleich mit Nr. 236 d. Bl. Uebersicht. Deutschland. Elberfeld. (Die Lösung der „sozialen Frage“ im Galgenzeitungs-Klub.) Berlin. (Mylius. ‒ Parteichancen in der Kammer. ‒ Preußen, Oestreich und Dänemark. ‒ Rodbertus und Philipps. ‒ Das provisorische Reglement. ‒ Neu-octroyirte Portofreiheit für die Abgeordneten. ‒ Der electro-magnetische Telegraph nach Frankfurt. ‒ Vermischtes.) Hamburg. (Jahresfeier der Februar-Revolution.) Hadersleben. (Konzentrirung eines dänischen Korps bei Kolding.) Provinz Preußen. (Konstabler. ‒ Aus Polen.) Wien. (Rekrutenweigerung in Mähren. ‒ Zur Reorganisation Ungarns. ‒ Neue Standrechtsopfer. ‒ Die Anleihe. ‒ Beamtenwillkür in Gratz.) Weimar. (Eröffnung des ersten Geschwornengerichts.) Altenburg. (Excesse.) Aus Franken. (Stand der demokratischen Partei.) Ungarn. (Vom Kriegsschauplatze.) Italien. Turin. (Gioberti. ‒ Karl Albert's Staatsstreichgelüste.) Bologna (Die Schweizer-Rüstungen. ‒ Oestreichische Erpressung in Ferrara.) Franz. Republik. Paris. (Das Bankett. ‒ Vereinigung des Berges mit der socialistischen Partei. ‒ Die italienische Frage. ‒ National-Versammlung.) Deutschland. * Köln, 1. März. Gestern stellte sich unser Mitredakteur W. Wolff, der Theilnahme an einem Komplott und der direkten Aufforderung zum Umsturz der Regierung beschuldigt, vor dem Instruktionsrichter und wurde von diesem nach beendigtem Verhör sofort wieder entlassen. 142 Elberfeld, 2. März. Der hiesige Heuler-Club, „Constitutioneller Verein“, dirigirt von der Familie des gottbegnadeten von der Heydt hat in seiner neuerlichen Heuler-Probe durch den Sohn des Psalmisten und Küster dieser Kirche das Lied aufstecken lassen: „Bitten um fortgesetzten Belagerungszustand Berlin's und Aufhebung aller Club's, den unsern nicht ausgenommen, Kyrie eleison!“ Die Litanei wurde heruntergeleiert, und wird in Berlin, wohin sie in Form einer Petition abgegangen, von ministeriellen Lippen repetirt worden sein. ‒ In dieser Versammlung hatte man seit einiger Zeit die Arbeiterfrage verhandelt, und manche unserer bedeutenderen Fabrikanten hatten sich an diesen Versuchen, die Lösung der „socialen Frage“ zu vollziehen, betheiligt. Mehr und mehr indeß gaben die Arbeiter gegenüber den erneuten Schutzzoll-Forderungen der Fabrikanten ihre Erfahrungen zum Besten, die darauf hinausliefen, daß sie, wo Schutzzoll gewährt, vor demselben besser gelöhnt worden, als nach dessen Durchsetzung. Vor Einführung des Schutzzolles von 30 Thlr. p. Centn. auf „englischen figurirten Orleans“ ‒ erzählte u. A. ein Arbeiter ‒ erhielten wir 1 Thlr. 25 Sgr. p. Stück von 38 bg.; jetzt, nachdem die Regierung den Wünschen der Herren Fabrikanten nachgegeben, erhalten wir 1 Thlr. 12 1/2 Sgr. p. Stück. (NB. Zu 2 Stück p. Woche, also zur Erringung eines Arbeitslohnes von 2 Thlr. 25 Sgr. sind zwei fixe, fleißige, erwachsene Arbeiter erforderlich.) Also weg mit den Phrasen: auf diesem Wege wird uns nicht geholfen! Der Arbeitsherr des betreffenden Artikels, welcher so unvorsichtig gewesen, höheren Lohn in Aussicht zu stellen, hat hierauf nichts zu erwidern gewußt und es für räthlich gehalten, diese Berathungen nicht mehr zu besuchen. Einem andern Fabrikanten, welcher dafür bekannt ist, daß es seine Hauptsorge ist, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, wurde von einem anderen Arbeiter nachgewiesen, daß er um 7000 Thlr. binnen eines gewissen Zeitraumes an Lohnverkürzung gewonnen, und sie, die Arbeiter dadurch in die Lage gebracht, die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln aufsuchen zu müssen, wodurch sie um das Recht gekommen, zur zweiten Kammer mitwählen zu können. Solche bittere Pillen haben die Fabrikanten mehrere zu verschlucken bekommen; diese und die von Sitzung zu Sitzung wachsenden Arbeiter-Elemente mögen den schon früher erwarteten Beschluß zur Vollreife gebracht haben, die Schließung der Klubs zu beantragen. Einer der kleineren Fabrikanten, welcher sich der bedrängten Arbeiter in diesen Zusammenkünften mit vieler Wärme annimmt, wird von diesen bei jeder Gelegenheit mit stürmischem Beifall begrüßt, und deshalb von seinen Kollegen, die sich den Verhandlungen in jüngster Zeit fast gänzlich entzogen haben, bitter getadelt. Süßes Gefühl, von einem Sbirren verächtlich angesehen zu werden. 305 Berlin, 28. Febr. Das heute von der Rechten durchgesetzte provisorische Geschäfts-Reglement läßt gar keine dringenden Anträge zu. Die gewöhnlichen Anträge müssen dem Präsidenten schriftlich eingereicht werden, der solche an die Abtheilungen verweist. Nur wenn 3 von 7 Abtheilungen sich für den Antrag entschieden haben, kann derselbe in der öffentlichen Sitzung zur Sprache gebracht werden und zur Kenntniß des Volks gelangen. In betreff der Interpellationen verfügt das Reglement wörtlich Folgendes: §. 28. „Interpellationen an die Minister müssen bestimmt formulirt und bei ihrer Einbringung von einem Mitgliede als Interpellanten und außerdem 30 Mitgliedern unterschrieben sein. Ueber die Zulässigkeit entscheidet zunächst der Gesammtvorstand der Kammer (i. e. der Präsident und die Schriftführer). Erklärt sich dieser für die Zulassung der Interpellation, so wird dieselbe gedrückt durch den Kammerpräsidenten dem Minister-Präsidenten eingereicht, und unter die Mitglieder der Kammer vertheilt. Die Interpellation kommt sodann zur Lesung in die Kammer, welche, sofern nicht das Ministerium die Beantwortung der Interpellation überhaupt abzulehnen sich veranlaßt sieht, ohne Diskussion entscheidet, ob die Interpellation zuzulassen sei. Im Bejahungs-Falle wird die nähere Ausführung der Interpellation durch den Interpellation sofort gestattet. Der Minister bestimmt hierauf den Zeitpunkt der Verhandlung.“ § 29. „Mit der Beantwortung ist die Interpellation als solche erledigt, und es bleibt jedem Mitgliede überlassen, den Gegenstand in der Form der Anträge weiter zu verfolgen.“ Also wenn der Minister gesprochen hat und die größten Ungerechtigkeiten vorbringt, muß der Interpellant schweigen!! § 41. „Ueber Anträge der Regierung kann nicht zur Tages-Ordnung übergegangen werden.“ Wohl aber über Anträge der Abgeordneten. Die Krone ist also offenbar bei der Vertheidigung ihrer Interessen durch die Minister, die ohnehin schon das Recht hatten zu jeder Zeit zu reden, gegen die Vertreter der Interessen des Volks außerordentlich begünstigt. § 63. „Dem Präsidenten der Kammer steht die Handhabung ihrer Polizei im Sitzungs-Saale und in den Zuhörer-Räumen zu.“ Wir sind also nicht einmal Herren in unserem eigenen Hause. Eine saubere Wirthschaft! Ich fürchte, das definitive Reglement wird nicht viel besser werden, da in 6 Abtheilungen von 7 die Rechte die Majorität hat; mithin alle Wahlen für die Kommissionen beherrscht. Etwa ein Dutzend Mitglieder der Opposition fehlen noch; die meisten sind Rheinländer, zwei von Coblenz; ferner: Guittienne, Körfgen und Kyll. Bleibtreu sitzt links neben Becker, nimmt Theil an den Partei-Verhandlungen der Linken und hat versprochen, mit ihr treu zu halten. Also doch ein kleiner Trost für den Ausfall dieser Wahl. Der Minister v. d. Heydt hat die Portofreiheit der Abgeordneten jetzt auf Briefe von zwei Loth beschränkt. Früher bekamen die Mitglieder der Nationalversammlung alle Sitzungs-Protokolle und wichtigere Beschlüsse doppelt so wie ein Dutzend Exemplare der zwischen der Krone und der Versammlung vereinbarten Gesetze, um dieses Alles in die Wahlkreise zu senden! Eine solche Communication ist jetzt nicht mehr möglich ohne bedeutende Porto-Auslegung. Die Preußenvereine überschwemmen das Land mit Flugschriften unter allerhand portofreien Rubriken. Ganze Ballen solcher Drucksachen aus der königl. Hof-Druckerei sind mit der Post durch das Land verbreitet worden. Und der Abgeordnete wird auf ein Gewicht von zwei Loth beschränkt! * Berlin, 28. Febr. Die Allg. Zeitungskorrespondenz gibt die Nachricht, es sei ein außerordentlicher Gesandter von hier nach Olmütz abgegangen. Diese Nachricht ist unvollständig. Es ist bekannt, daß man in Dänemark schon seit längerer Zeit gesonnen war, den Waffenstillstand zu kündigen. Die großen Rüstungen, welche durch die Hülfe einer russischen Anleihe möglich gemacht wurden, deuteten nur zu deutlich darauf hin. Indessen hat Dänemark außer dieser Macht noch einen Rückhalt an Schweden, von dem man mit Bestimmtheit eine direkte Truppenunterstützung erwartet. Der lebhafte und unangenehme Notenwechsel zwischen Berlin und Stockholm scheint das zu bestätigen. Es ist nun allerdings ein außerordentlicher Gesandter nach Olmütz geschickt worden. Dort wurden nämlich die Verhandlungen über die dänische Frage geführt, indem die Centralgewalt Oestreich das Amt der Vermittlung übertragen hatte. Dieses Faktum zeigt schon, wie aufrichtig die Thronrede in echt konstitutioneller Weise sich ausgesprochen hat, und es muß uns erlaubt sein, auch die übrigen Versprechungen dieses ministeriellen Machwerkes zu bezweifeln. Wir sehen indeß, daß man Oestreich nicht bei jeder Gelegenheit ausschließen will, daß man ihm vielmehr Gelegenheit gibt, ähnliche Lorbeeren zu erringen, wie sie Preußen der Waffenstillstand zu Malmoe brachte. Vor den demokratischen Wahlmännern des zweiten größeren Wahlbezirks sprachen gestern Abend Rodbertus und Phillips. Rodbertus führte aus, wie die gesetzliche Entwicklung durch einen Rechtsbruch gestört sei. Man müsse diesen heilen, sich ihm aber nicht unterwerfen, um die Achtung wieder herzustellen, welche man im Auslande durch die November-Ereignisse verloren habe. Man könne kein Vertrauen zu einem Volke haben, welches sich sein Recht ohne Weiteres nehmen lasse. Rodbertus sieht die Heilung darin, daß man sogleich an die Revision gehe und so den Grundsatz der Vereinbarung aufrecht erhalte. Auf diese Weise allein könne das Vertrauen des Volkes zu sich selber und damit die Gesetzlichkeit wieder hergestellt werden. In der deutschen Frage will er das Frankfurter Parlament unterstützen. Er zieht die Abschlagszahlung eines Kleindeutschland dem gänzlichen Fehlschlagen der Einheits-Idee vor, in der Hoffnung, es werde dann doch über kurz oder lang Oestreich mit seinen Bundesgenossen hinzutreten. Er bezog sich besonders auf das allgemeine Wahlrecht, für dessen Aufrechthaltung er stets kämpfen werde. Phillips schloß sich den Ansichten Rodbertus an und verbreitete sich nur noch weiter über die Gemeinde- und Gewerbeverhältnisse. Er will bei diesen die Grundsätze des Freihandels, bei jenem das allgemeine Wahlrecht gewährt wissen. Aus diesen Enthüllungen der Führer des linken Centrums entnehmen wir, daß sie eine sehr zahme Opposition machen werden. Der Magistrat hatte dem Geheimrath Lehnert, Wahlkommissar des Bezirks, dem der ausgewiesene Dr. Goldstücker angehörte, aufgetragen, denselben in den Wahllisten aufzuführen, da sämmtliche Wahlmänner des Bezirks bei der Wahl der Abgeordneten deshalb zurückgewiesen waren. Hr. Lehnert schrieb zurück, daß er das nicht könne, wenn Dr. Goldstücker nicht in Berlin anwesend sei. Der Magistrat möge deshalb dafür sorgen, daß das Ausweisungsdekret gegen G. durch die Polizeibehörde zurückgenommen werde. Dr. Goldstücker ist aber noch immer ausgewiesen und war bei der Nachwahl der Wahlmänner nicht zugegen. X Berlin, 28. Febr. Die bei Gelegenheit unserer gestrigen Beschreibung der Sitzungssäle gemachte Bemerkung, daß der Raum zu einem Centrum fehle, ist auch von vielen Abgeordneten wahrgenommen worden und es wird wahrscheinlich demnächst ein Antrag eingebracht werden, diesem Mangel abzuhelfen. Man geht nämlich von dem Gesichtspunkte aus, daß dabei der absichtliche Plan zum Grunde liege, die Bildung eines Centrums überhaupt zu vereiteln und die Kammer nur in eine Rechte und Linke getheilt zu erhalten. Gelänge dies, so würde es allerdings zur Stärkung der Rechten beitragen, der sich viele Unentschiedene, namentlich auch die Neueingetretenen angeschlossen haben, da sie Anstand nehmen, der Linken, in der auch die Steuerverweigerer etc. sitzen, anzugehören. Bildet sich aber ein Centrum, so werden demselben starke Parteien, sowohl von der rechten wie von der linken Seite zufallen, dergestalt, daß dies Centrum in allen wichtigen Fragen den Ausschlag geben müßte. Seine allgemeine Haltung würde nach Lage der gegenwärtigen Verhältnisse und Personen höchst wahrscheinlich eine vorwiegend oppositionelle werden, immer aber würden seine verbundenen Mitglieder ganz anders stimmen als jetzt in der Spaltung zwischen rechter und linker Seite. Freilich müßte die Bildung des Centrums selbst dann anders geleitet werden, als jetzt durch Grabow, welcher, auf dem Vereinigten Landtage zur äußersten Opposition gehörend, in den Novembertagen die vorsichtige Rolle eines Vermittlers mit der Krone anstrebend, jetzt mit Männern wie Harkort, v. Bodelschwingh u. A. die er früher auf Tod und Leben bekämpfte, eine Koalition intendirt. Die linke Seite der Volkskammer, welche bisher ihre Fraktionsversammlungen bei Jaraschowitz in der Markgrafenstraße hielt, verlegt dieselben nunmehr nach der Konversationshalle am Dönhofsplatz, dicht neben ihrem Sitzungshause. Schräg gegenüber in der Stadt London versammelt sich die rechte Seite. Die Herren-Kammer, wie man hier kurzweg die erste zu nennen anfängt, versammelte sich bis jetzt ungetrennt bei Mielentz. Gestern Abend hat aber ein Zwiespalt über das absolute Veto 50 zum Austritt bewogen, und damit scheint der Anlaß zur Bildung einer linken Seite gegeben, als deren Führer vielleicht, Herr v. Saucken-Tarputschen, einer der Oppositionsmitglieder der Vereinigten Landtage, auftreten wird. In der rechten Seite ist Herr Professor Stahl am einflußreichsten. Von einer genaueren Schattirung der Parteien läßt sich noch nichts melden. Von der linken Seite der zweiten Kammer wird der Antrag beabsichtigt, die Billets zu den Tribünen wieder durch das Büreau, wie zur Zeit der Nationalversammlung, vertheilen zu lassen. Jetzt geschieht es durch Staats- und städtische Behörden, in letzterer Beziehung durch den Magistrat. In einem jüngst abgehaltenen Ministerrath ist beschlossen worden, daß das Militär, sobald irgendwo Unruhen ausbrächen, sofort alle Waffendepots und somit auch alle Waffenläden zu besetzen und respekt. in Beschlag zu nehmen habe. Es scheint dieser Beschluß mit besonderer Rücksicht auf die Kammereröffnung gefaßt zu sein, da man bei dieser Gelegenheit, wie wir meldeten, Unruhen befürchtete. Die Kündigung des dänischen Waffenstillstandes bestätigt sich vollkommen, trotz der in der Thronrede ausgesprochenen Friedenshoffnungen. Gestern ist ein Courier aus Petersburg angekommen, der hierauf bezügliche Depeschen überbrachte. Unverbürgter Weise theilen wir mit, daß darin auch zugleich die entschiedene Aufforderung an die Regierung gerichtet gewesen sein soll, allen neuen Forderungen der Kammern mit Nachdruck entgegen zu treten. Gestern Abend wurde dem Feuilletonisten der Neuen Preußischen Zeitung, Hrn. Eichler, in dem Jaroschewitz'schen Lokal von Anwesenden der Vorwurf der Spionerie gemacht, da man seine Anwesenheit allerdings schwer aus Sympathien zu erklären vermochte. Der edle Kreuzfahrer suchte den Beweis seiner Unschuld dadurch zu erbringen, daß er eine Weinflasche auf den Köpfen drei ganz Unbetheiligter zerschlug und Einen erheblich verletzte. Schutzmänner bemächtigten sich endlich des ritterlichen Kämpfers und beraubten dadurch die Neue Preußische seiner schätzenswerthen Mitwirkung. Die Linke der Volkskammer, welche zuerst und prinzipaliter für von Unruh, eventualiter aber zum großen Theil auch für Grabow bei der Präsidentenwahl zu stimmen entschlossen war, ist in Folge gestriger Vorgänge, in so fern von diesem Vorhaben wieder abgegangen, als sie für Grabow einen anderen Kandidaten aufstellen will. Hr. Grabow stimmte nämlich gestern in einer nicht unwichtigen Formfrage mit der Rechten, wo er unbeschadet seiner politischen Meinung eben so gut hätte mit der Linken gehen können. Gestern Nacht wurde vor dem Hotel du Nord einem dort wohnenden mißliebigen Abgeordneten der Rechten eine Katzenmusik gebracht, welche Konstabler störten. Bei der vorgestern stattgehabten Nachwahl im Teltower Kreise, kam der Dr. Lövinson, als einer der extremsten Köpfe von den Volksversammlungen des vorigen Jahres bekannt, mit auf die engere Wahl und erhielt 105 Stimmen! Es ist das gewiß ein starker Beweis für das Fortschreiten der demokratischen Ideen, wenn sie selbst jenen Kreis infiziren. Es darf außerdem bemerkt werden, daß, während bei der ersten Wahl der konservative Kandidat eine Majorität von 167 Stimmen hatte, bei dieser Nachwahl nur 125 Stimmen als Majorität aus der Urne hervorgingen. Berlin, 28. Febr. Die elektro-magnetischen Telegraphen, die in der ganzen preußischen Monarchie die bisherigen Telegraphen ersetzen sollen, sind auf der Route zwischen Berlin und Frankfurt völlig im Gange. An den einzelnen Stationen sind preußische Beamte angestellt. In Kassel ist der Stationsort auf dem dortigen Bahnhofe. Zwischen den beiden Endpunkten, Berlin und Frankfurt, sind fünf Stationspunkte, in Köthen, Halle, Eisenach, Kassel und Gießen. Bei jedem dieser letzten fungiren zwei Tele- <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="1301"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 236. Köln, Samstag, den 3. März. 1849.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jcan Jacques Rcusseau.</p> <p>Infertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p> <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.</p> <p>Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p> </div> <div n="1"> <p>Zu Nr. 235 der „N. Rh. Z.“ wurde heute Morgen, Freitag 2. März, ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich an unsre Abonnenten versandt. Ein Theil der letztern erhält die Extra-Beilage zugleich mit Nr. 236 d. Bl.</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Elberfeld. (Die Lösung der „sozialen Frage“ im Galgenzeitungs-Klub.) Berlin. (Mylius. ‒ Parteichancen in der Kammer. ‒ Preußen, Oestreich und Dänemark. ‒ Rodbertus und Philipps. ‒ Das provisorische Reglement. ‒ Neu-octroyirte Portofreiheit für die Abgeordneten. ‒ Der electro-magnetische Telegraph nach Frankfurt. ‒ Vermischtes.) Hamburg. (Jahresfeier der Februar-Revolution.) Hadersleben. (Konzentrirung eines dänischen Korps bei Kolding.) Provinz Preußen. (Konstabler. ‒ Aus Polen.) Wien. (Rekrutenweigerung in Mähren. ‒ Zur Reorganisation Ungarns. ‒ Neue Standrechtsopfer. ‒ Die Anleihe. ‒ Beamtenwillkür in Gratz.) Weimar. (Eröffnung des ersten Geschwornengerichts.) Altenburg. (Excesse.) Aus Franken. (Stand der demokratischen Partei.)</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> (Vom Kriegsschauplatze.)</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Turin. (Gioberti. ‒ Karl Albert's Staatsstreichgelüste.) Bologna (Die Schweizer-Rüstungen. ‒ Oestreichische Erpressung in Ferrara.)</p> <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Das Bankett. ‒ Vereinigung des Berges mit der socialistischen Partei. ‒ Die italienische Frage. ‒ National-Versammlung.)</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar236_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 1. März.</head> <p>Gestern stellte sich unser Mitredakteur W. <hi rendition="#g">Wolff,</hi> der Theilnahme an einem Komplott und der direkten Aufforderung zum Umsturz der Regierung beschuldigt, vor dem Instruktionsrichter und wurde von diesem nach beendigtem Verhör sofort wieder entlassen.</p> </div> <div xml:id="ar236_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>142</author></bibl> Elberfeld, 2. März.</head> <p>Der hiesige Heuler-Club, „Constitutioneller Verein“, dirigirt von der Familie des gottbegnadeten von der Heydt hat in seiner neuerlichen Heuler-Probe durch den Sohn des Psalmisten und Küster dieser Kirche das Lied aufstecken lassen: „Bitten um fortgesetzten Belagerungszustand Berlin's und Aufhebung aller Club's, den unsern nicht ausgenommen, Kyrie eleison!“ Die Litanei wurde heruntergeleiert, und wird in Berlin, wohin sie in Form einer Petition abgegangen, von ministeriellen Lippen repetirt worden sein. ‒ In dieser Versammlung hatte man seit einiger Zeit die Arbeiterfrage verhandelt, und manche unserer bedeutenderen Fabrikanten hatten sich an diesen Versuchen, die Lösung der „socialen Frage“ zu vollziehen, betheiligt. Mehr und mehr indeß gaben die Arbeiter gegenüber den erneuten Schutzzoll-Forderungen der Fabrikanten ihre Erfahrungen zum Besten, die darauf hinausliefen, daß sie, wo Schutzzoll gewährt, <hi rendition="#g">vor</hi> demselben besser gelöhnt worden, als <hi rendition="#g">nach</hi> dessen Durchsetzung. <hi rendition="#g">Vor</hi> Einführung des Schutzzolles von 30 Thlr. p. Centn. auf „englischen figurirten Orleans“ ‒ erzählte u. A. ein Arbeiter ‒ erhielten wir 1 Thlr. 25 Sgr. p. Stück von 38 bg.; jetzt, nachdem die Regierung den Wünschen der Herren Fabrikanten nachgegeben, erhalten wir 1 Thlr. 12 1/2 Sgr. p. Stück. (NB. Zu 2 Stück p. Woche, also zur Erringung eines Arbeitslohnes von 2 Thlr. 25 Sgr. sind zwei fixe, fleißige, erwachsene Arbeiter erforderlich.) Also weg mit den Phrasen: auf diesem Wege wird uns nicht geholfen! Der Arbeitsherr des betreffenden Artikels, welcher so unvorsichtig gewesen, höheren Lohn in Aussicht zu stellen, hat hierauf nichts zu erwidern gewußt und es für räthlich gehalten, diese Berathungen nicht mehr zu besuchen. Einem andern Fabrikanten, welcher dafür bekannt ist, daß es seine Hauptsorge ist, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, wurde von einem anderen Arbeiter nachgewiesen, daß er um 7000 Thlr. binnen eines gewissen Zeitraumes an Lohnverkürzung gewonnen, und sie, die Arbeiter dadurch in die Lage gebracht, die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln aufsuchen zu müssen, wodurch sie um das Recht gekommen, zur zweiten Kammer mitwählen zu können. Solche bittere Pillen haben die Fabrikanten mehrere zu verschlucken bekommen; diese und die von Sitzung zu Sitzung wachsenden Arbeiter-Elemente mögen den schon früher erwarteten Beschluß zur Vollreife gebracht haben, die Schließung der Klubs zu beantragen. Einer der kleineren Fabrikanten, welcher sich der bedrängten Arbeiter in diesen Zusammenkünften mit vieler Wärme annimmt, wird von diesen bei jeder Gelegenheit mit stürmischem Beifall begrüßt, und deshalb von seinen Kollegen, die sich den Verhandlungen in jüngster Zeit fast gänzlich entzogen haben, bitter getadelt. Süßes Gefühl, von einem Sbirren verächtlich angesehen zu werden.</p> </div> <div xml:id="ar236_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>305</author></bibl> Berlin, 28. Febr.</head> <p>Das heute von der Rechten durchgesetzte provisorische Geschäfts-Reglement läßt gar keine <hi rendition="#g">dringenden</hi> Anträge zu. Die gewöhnlichen Anträge müssen dem Präsidenten schriftlich eingereicht werden, der solche an die Abtheilungen verweist. Nur wenn 3 von 7 Abtheilungen sich für den Antrag entschieden haben, kann derselbe in der öffentlichen Sitzung zur Sprache gebracht werden und zur Kenntniß des Volks gelangen.</p> <p>In betreff der Interpellationen verfügt das Reglement wörtlich Folgendes:</p> <p>§. 28.</p> <p>„Interpellationen an die Minister müssen bestimmt formulirt und bei ihrer Einbringung von einem Mitgliede als Interpellanten und außerdem 30 Mitgliedern unterschrieben sein.</p> <p>Ueber die Zulässigkeit entscheidet zunächst der Gesammtvorstand der Kammer (i. e. der Präsident und die Schriftführer). Erklärt sich dieser für die Zulassung der Interpellation, so wird dieselbe gedrückt durch den Kammerpräsidenten dem Minister-Präsidenten eingereicht, und unter die Mitglieder der Kammer vertheilt. Die Interpellation kommt sodann zur Lesung in die Kammer, welche, sofern nicht das Ministerium die Beantwortung der Interpellation überhaupt abzulehnen sich veranlaßt sieht, ohne Diskussion entscheidet, ob die Interpellation zuzulassen sei. Im Bejahungs-Falle wird die nähere Ausführung der Interpellation durch den Interpellation sofort gestattet. Der Minister bestimmt hierauf den Zeitpunkt der Verhandlung.“</p> <p>§ 29.</p> <p>„Mit der Beantwortung ist die Interpellation als solche erledigt, und es bleibt jedem Mitgliede überlassen, den Gegenstand in der Form der Anträge weiter zu verfolgen.“</p> <p>Also wenn der Minister gesprochen hat und die größten Ungerechtigkeiten vorbringt, muß der Interpellant schweigen!!</p> <p>§ 41.</p> <p>„Ueber Anträge der Regierung kann nicht zur Tages-Ordnung übergegangen werden.“</p> <p>Wohl aber über Anträge der Abgeordneten. Die Krone ist also offenbar bei der Vertheidigung ihrer Interessen durch die Minister, die ohnehin schon das Recht hatten zu jeder Zeit zu reden, gegen die Vertreter der Interessen des Volks außerordentlich begünstigt.</p> <p>§ 63.</p> <p>„Dem Präsidenten der Kammer steht die Handhabung ihrer Polizei im Sitzungs-Saale und in den Zuhörer-Räumen zu.“</p> <p>Wir sind also nicht einmal Herren in unserem eigenen Hause. Eine saubere Wirthschaft! Ich fürchte, das definitive Reglement wird nicht viel besser werden, da in 6 Abtheilungen von 7 die Rechte die Majorität hat; mithin alle Wahlen für die Kommissionen beherrscht. Etwa ein Dutzend Mitglieder der Opposition fehlen noch; die meisten sind Rheinländer, zwei von Coblenz; ferner: Guittienne, Körfgen und Kyll.</p> <p>Bleibtreu sitzt links neben Becker, nimmt Theil an den Partei-Verhandlungen der Linken und hat versprochen, mit ihr treu zu halten. Also doch ein kleiner Trost für den Ausfall dieser Wahl.</p> <p>Der Minister v. d. Heydt hat die Portofreiheit der Abgeordneten jetzt auf Briefe von zwei Loth beschränkt. Früher bekamen die Mitglieder der Nationalversammlung alle Sitzungs-Protokolle und wichtigere Beschlüsse doppelt so wie ein Dutzend Exemplare der zwischen der Krone und der Versammlung vereinbarten Gesetze, um dieses Alles in die Wahlkreise zu senden!</p> <p>Eine solche Communication ist jetzt nicht mehr möglich ohne bedeutende Porto-Auslegung. Die Preußenvereine überschwemmen das Land mit Flugschriften unter allerhand portofreien Rubriken. Ganze Ballen solcher Drucksachen aus der königl. Hof-Druckerei sind mit der Post durch das Land verbreitet worden. Und der Abgeordnete wird auf ein Gewicht von zwei Loth beschränkt!</p> </div> <div xml:id="ar236_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 28. Febr.</head> <p>Die Allg. Zeitungskorrespondenz gibt die Nachricht, es sei ein außerordentlicher Gesandter von hier nach Olmütz abgegangen. Diese Nachricht ist unvollständig. Es ist bekannt, daß man in Dänemark schon seit längerer Zeit gesonnen war, den Waffenstillstand zu kündigen. Die großen Rüstungen, welche durch die Hülfe einer russischen Anleihe möglich gemacht wurden, deuteten nur zu deutlich darauf hin. Indessen hat Dänemark außer dieser Macht noch einen Rückhalt an Schweden, von dem man mit Bestimmtheit eine direkte Truppenunterstützung erwartet. Der lebhafte und unangenehme Notenwechsel zwischen Berlin und Stockholm scheint das zu bestätigen. Es ist nun allerdings ein außerordentlicher Gesandter nach Olmütz geschickt worden. Dort wurden nämlich die Verhandlungen über die dänische Frage geführt, indem die Centralgewalt Oestreich das Amt der Vermittlung übertragen hatte. Dieses Faktum zeigt schon, wie aufrichtig die Thronrede in echt konstitutioneller Weise sich ausgesprochen hat, und es muß uns erlaubt sein, auch die übrigen Versprechungen dieses ministeriellen Machwerkes zu bezweifeln. Wir sehen indeß, daß man Oestreich nicht bei jeder Gelegenheit ausschließen will, daß man ihm vielmehr Gelegenheit gibt, ähnliche Lorbeeren zu erringen, wie sie Preußen der Waffenstillstand zu Malmoe brachte.</p> <p>Vor den demokratischen Wahlmännern des zweiten größeren Wahlbezirks sprachen gestern Abend Rodbertus und Phillips. Rodbertus führte aus, wie die gesetzliche Entwicklung durch einen Rechtsbruch gestört sei. Man müsse diesen heilen, sich ihm aber nicht unterwerfen, um die Achtung wieder herzustellen, welche man im Auslande durch die November-Ereignisse verloren habe. Man könne kein Vertrauen zu einem Volke haben, welches sich sein Recht ohne Weiteres nehmen lasse. Rodbertus sieht die Heilung darin, daß man sogleich an die Revision gehe und so den Grundsatz der Vereinbarung aufrecht erhalte. Auf diese Weise allein könne das Vertrauen des Volkes zu sich selber und damit die Gesetzlichkeit wieder hergestellt werden. In der deutschen Frage will er das Frankfurter Parlament unterstützen. Er zieht die Abschlagszahlung eines Kleindeutschland dem gänzlichen Fehlschlagen der Einheits-Idee vor, in der Hoffnung, es werde dann doch über kurz oder lang Oestreich mit seinen Bundesgenossen hinzutreten. Er bezog sich besonders auf das allgemeine Wahlrecht, für dessen Aufrechthaltung er stets kämpfen werde. Phillips schloß sich den Ansichten Rodbertus an und verbreitete sich nur noch weiter über die Gemeinde- und Gewerbeverhältnisse. Er will bei diesen die Grundsätze des Freihandels, bei jenem das allgemeine Wahlrecht gewährt wissen. Aus diesen Enthüllungen der Führer des linken Centrums entnehmen wir, daß sie eine sehr zahme Opposition machen werden.</p> <p>Der Magistrat hatte dem Geheimrath Lehnert, Wahlkommissar des Bezirks, dem der ausgewiesene Dr. Goldstücker angehörte, aufgetragen, denselben in den Wahllisten aufzuführen, da sämmtliche Wahlmänner des Bezirks bei der Wahl der Abgeordneten deshalb zurückgewiesen waren. Hr. Lehnert schrieb zurück, daß er das nicht könne, wenn Dr. Goldstücker nicht in Berlin anwesend sei. Der Magistrat möge deshalb dafür sorgen, daß das Ausweisungsdekret gegen G. durch die Polizeibehörde zurückgenommen werde. Dr. Goldstücker ist aber noch immer ausgewiesen und war bei der Nachwahl der Wahlmänner nicht zugegen.</p> </div> <div xml:id="ar236_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 28. Febr.</head> <p>Die bei Gelegenheit unserer gestrigen Beschreibung der Sitzungssäle gemachte Bemerkung, daß der Raum zu einem Centrum fehle, ist auch von vielen Abgeordneten wahrgenommen worden und es wird wahrscheinlich demnächst ein Antrag eingebracht werden, diesem Mangel abzuhelfen. Man geht nämlich von dem Gesichtspunkte aus, daß dabei der absichtliche Plan zum Grunde liege, die Bildung eines Centrums überhaupt zu vereiteln und die Kammer nur in eine Rechte und Linke getheilt zu erhalten. Gelänge dies, so würde es allerdings zur Stärkung der Rechten beitragen, der sich viele Unentschiedene, namentlich auch die Neueingetretenen angeschlossen haben, da sie Anstand nehmen, der Linken, in der auch die Steuerverweigerer etc. sitzen, anzugehören. Bildet sich aber ein Centrum, so werden demselben starke Parteien, sowohl von der rechten wie von der linken Seite zufallen, dergestalt, daß dies Centrum in allen wichtigen Fragen den Ausschlag geben müßte. Seine allgemeine Haltung würde nach Lage der gegenwärtigen Verhältnisse und Personen höchst wahrscheinlich eine vorwiegend oppositionelle werden, immer aber würden seine verbundenen Mitglieder ganz anders stimmen als jetzt in der Spaltung zwischen rechter und linker Seite. Freilich müßte die Bildung des Centrums selbst dann anders geleitet werden, als jetzt durch Grabow, welcher, auf dem Vereinigten Landtage zur äußersten Opposition gehörend, in den Novembertagen die vorsichtige Rolle eines Vermittlers mit der Krone anstrebend, jetzt mit Männern wie Harkort, v. Bodelschwingh u. A. die er früher auf Tod und Leben bekämpfte, eine Koalition intendirt.</p> <p>Die linke Seite der Volkskammer, welche bisher ihre Fraktionsversammlungen bei Jaraschowitz in der Markgrafenstraße hielt, verlegt dieselben nunmehr nach der Konversationshalle am Dönhofsplatz, dicht neben ihrem Sitzungshause. Schräg gegenüber in der Stadt London versammelt sich die rechte Seite. Die Herren-Kammer, wie man hier kurzweg die erste zu nennen anfängt, versammelte sich bis jetzt ungetrennt bei Mielentz. Gestern Abend hat aber ein Zwiespalt über das absolute Veto 50 zum Austritt bewogen, und damit scheint der Anlaß zur Bildung einer linken Seite gegeben, als deren Führer vielleicht, Herr v. Saucken-Tarputschen, einer der Oppositionsmitglieder der Vereinigten Landtage, auftreten wird. In der rechten Seite ist Herr Professor <hi rendition="#g">Stahl</hi> am einflußreichsten. Von einer genaueren Schattirung der Parteien läßt sich noch nichts melden.</p> <p>Von der linken Seite der zweiten Kammer wird der Antrag beabsichtigt, die Billets zu den Tribünen wieder durch das Büreau, wie zur Zeit der Nationalversammlung, vertheilen zu lassen. Jetzt geschieht es durch Staats- und städtische Behörden, in letzterer Beziehung durch den Magistrat.</p> <p>In einem jüngst abgehaltenen Ministerrath ist beschlossen worden, daß das Militär, sobald irgendwo Unruhen ausbrächen, sofort alle Waffendepots und somit auch alle Waffenläden zu besetzen und respekt. in Beschlag zu nehmen habe. Es scheint dieser Beschluß mit besonderer Rücksicht auf die Kammereröffnung gefaßt zu sein, da man bei dieser Gelegenheit, wie wir meldeten, Unruhen befürchtete.</p> <p>Die Kündigung des dänischen Waffenstillstandes bestätigt sich vollkommen, trotz der in der Thronrede ausgesprochenen Friedenshoffnungen. Gestern ist ein Courier aus Petersburg angekommen, der hierauf bezügliche Depeschen überbrachte. Unverbürgter Weise theilen wir mit, daß darin auch zugleich die entschiedene Aufforderung an die Regierung gerichtet gewesen sein soll, allen neuen Forderungen der Kammern mit Nachdruck entgegen zu treten.</p> <p>Gestern Abend wurde dem Feuilletonisten der Neuen Preußischen Zeitung, Hrn. Eichler, in dem Jaroschewitz'schen Lokal von Anwesenden der Vorwurf der Spionerie gemacht, da man seine Anwesenheit allerdings schwer aus Sympathien zu erklären vermochte. Der edle Kreuzfahrer suchte den Beweis seiner Unschuld dadurch zu erbringen, daß er eine Weinflasche auf den Köpfen drei ganz Unbetheiligter zerschlug und Einen erheblich verletzte. Schutzmänner bemächtigten sich endlich des ritterlichen Kämpfers und beraubten dadurch die Neue Preußische seiner schätzenswerthen Mitwirkung.</p> <p>Die Linke der Volkskammer, welche zuerst und prinzipaliter für von Unruh, eventualiter aber zum großen Theil auch für Grabow bei der Präsidentenwahl zu stimmen entschlossen war, ist in Folge gestriger Vorgänge, in so fern von diesem Vorhaben wieder abgegangen, als sie für Grabow einen anderen Kandidaten aufstellen will. Hr. Grabow stimmte nämlich gestern in einer nicht unwichtigen Formfrage mit der Rechten, wo er unbeschadet seiner politischen Meinung eben so gut hätte mit der Linken gehen können.</p> <p>Gestern Nacht wurde vor dem Hotel du Nord einem dort wohnenden mißliebigen Abgeordneten der Rechten eine Katzenmusik gebracht, welche Konstabler störten.</p> <p>Bei der vorgestern stattgehabten Nachwahl im Teltower Kreise, kam der Dr. Lövinson, als einer der extremsten Köpfe von den Volksversammlungen des vorigen Jahres bekannt, mit auf die engere Wahl und erhielt 105 Stimmen! Es ist das gewiß ein starker Beweis für das Fortschreiten der demokratischen Ideen, wenn sie selbst jenen Kreis infiziren. Es darf außerdem bemerkt werden, daß, während bei der ersten Wahl der konservative Kandidat eine Majorität von 167 Stimmen hatte, bei dieser Nachwahl nur 125 Stimmen als Majorität aus der Urne hervorgingen.</p> </div> <div xml:id="ar236_006" type="jArticle"> <head>Berlin, 28. Febr.</head> <p>Die elektro-magnetischen Telegraphen, die in der ganzen preußischen Monarchie die bisherigen Telegraphen ersetzen sollen, sind auf der Route zwischen Berlin und Frankfurt völlig im Gange. An den einzelnen Stationen sind preußische Beamte angestellt. In Kassel ist der Stationsort auf dem dortigen Bahnhofe. Zwischen den beiden Endpunkten, Berlin und Frankfurt, sind fünf Stationspunkte, in Köthen, Halle, Eisenach, Kassel und Gießen. Bei jedem dieser letzten fungiren zwei Tele- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1301/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 236. Köln, Samstag, den 3. März. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jcan Jacques Rcusseau.
Infertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.
Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.
Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.
Zu Nr. 235 der „N. Rh. Z.“ wurde heute Morgen, Freitag 2. März, ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich an unsre Abonnenten versandt. Ein Theil der letztern erhält die Extra-Beilage zugleich mit Nr. 236 d. Bl.
Uebersicht. Deutschland. Elberfeld. (Die Lösung der „sozialen Frage“ im Galgenzeitungs-Klub.) Berlin. (Mylius. ‒ Parteichancen in der Kammer. ‒ Preußen, Oestreich und Dänemark. ‒ Rodbertus und Philipps. ‒ Das provisorische Reglement. ‒ Neu-octroyirte Portofreiheit für die Abgeordneten. ‒ Der electro-magnetische Telegraph nach Frankfurt. ‒ Vermischtes.) Hamburg. (Jahresfeier der Februar-Revolution.) Hadersleben. (Konzentrirung eines dänischen Korps bei Kolding.) Provinz Preußen. (Konstabler. ‒ Aus Polen.) Wien. (Rekrutenweigerung in Mähren. ‒ Zur Reorganisation Ungarns. ‒ Neue Standrechtsopfer. ‒ Die Anleihe. ‒ Beamtenwillkür in Gratz.) Weimar. (Eröffnung des ersten Geschwornengerichts.) Altenburg. (Excesse.) Aus Franken. (Stand der demokratischen Partei.)
Ungarn. (Vom Kriegsschauplatze.)
Italien. Turin. (Gioberti. ‒ Karl Albert's Staatsstreichgelüste.) Bologna (Die Schweizer-Rüstungen. ‒ Oestreichische Erpressung in Ferrara.)
Franz. Republik. Paris. (Das Bankett. ‒ Vereinigung des Berges mit der socialistischen Partei. ‒ Die italienische Frage. ‒ National-Versammlung.)
Deutschland. * Köln, 1. März. Gestern stellte sich unser Mitredakteur W. Wolff, der Theilnahme an einem Komplott und der direkten Aufforderung zum Umsturz der Regierung beschuldigt, vor dem Instruktionsrichter und wurde von diesem nach beendigtem Verhör sofort wieder entlassen.
142 Elberfeld, 2. März. Der hiesige Heuler-Club, „Constitutioneller Verein“, dirigirt von der Familie des gottbegnadeten von der Heydt hat in seiner neuerlichen Heuler-Probe durch den Sohn des Psalmisten und Küster dieser Kirche das Lied aufstecken lassen: „Bitten um fortgesetzten Belagerungszustand Berlin's und Aufhebung aller Club's, den unsern nicht ausgenommen, Kyrie eleison!“ Die Litanei wurde heruntergeleiert, und wird in Berlin, wohin sie in Form einer Petition abgegangen, von ministeriellen Lippen repetirt worden sein. ‒ In dieser Versammlung hatte man seit einiger Zeit die Arbeiterfrage verhandelt, und manche unserer bedeutenderen Fabrikanten hatten sich an diesen Versuchen, die Lösung der „socialen Frage“ zu vollziehen, betheiligt. Mehr und mehr indeß gaben die Arbeiter gegenüber den erneuten Schutzzoll-Forderungen der Fabrikanten ihre Erfahrungen zum Besten, die darauf hinausliefen, daß sie, wo Schutzzoll gewährt, vor demselben besser gelöhnt worden, als nach dessen Durchsetzung. Vor Einführung des Schutzzolles von 30 Thlr. p. Centn. auf „englischen figurirten Orleans“ ‒ erzählte u. A. ein Arbeiter ‒ erhielten wir 1 Thlr. 25 Sgr. p. Stück von 38 bg.; jetzt, nachdem die Regierung den Wünschen der Herren Fabrikanten nachgegeben, erhalten wir 1 Thlr. 12 1/2 Sgr. p. Stück. (NB. Zu 2 Stück p. Woche, also zur Erringung eines Arbeitslohnes von 2 Thlr. 25 Sgr. sind zwei fixe, fleißige, erwachsene Arbeiter erforderlich.) Also weg mit den Phrasen: auf diesem Wege wird uns nicht geholfen! Der Arbeitsherr des betreffenden Artikels, welcher so unvorsichtig gewesen, höheren Lohn in Aussicht zu stellen, hat hierauf nichts zu erwidern gewußt und es für räthlich gehalten, diese Berathungen nicht mehr zu besuchen. Einem andern Fabrikanten, welcher dafür bekannt ist, daß es seine Hauptsorge ist, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, wurde von einem anderen Arbeiter nachgewiesen, daß er um 7000 Thlr. binnen eines gewissen Zeitraumes an Lohnverkürzung gewonnen, und sie, die Arbeiter dadurch in die Lage gebracht, die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln aufsuchen zu müssen, wodurch sie um das Recht gekommen, zur zweiten Kammer mitwählen zu können. Solche bittere Pillen haben die Fabrikanten mehrere zu verschlucken bekommen; diese und die von Sitzung zu Sitzung wachsenden Arbeiter-Elemente mögen den schon früher erwarteten Beschluß zur Vollreife gebracht haben, die Schließung der Klubs zu beantragen. Einer der kleineren Fabrikanten, welcher sich der bedrängten Arbeiter in diesen Zusammenkünften mit vieler Wärme annimmt, wird von diesen bei jeder Gelegenheit mit stürmischem Beifall begrüßt, und deshalb von seinen Kollegen, die sich den Verhandlungen in jüngster Zeit fast gänzlich entzogen haben, bitter getadelt. Süßes Gefühl, von einem Sbirren verächtlich angesehen zu werden.
305 Berlin, 28. Febr. Das heute von der Rechten durchgesetzte provisorische Geschäfts-Reglement läßt gar keine dringenden Anträge zu. Die gewöhnlichen Anträge müssen dem Präsidenten schriftlich eingereicht werden, der solche an die Abtheilungen verweist. Nur wenn 3 von 7 Abtheilungen sich für den Antrag entschieden haben, kann derselbe in der öffentlichen Sitzung zur Sprache gebracht werden und zur Kenntniß des Volks gelangen.
In betreff der Interpellationen verfügt das Reglement wörtlich Folgendes:
§. 28.
„Interpellationen an die Minister müssen bestimmt formulirt und bei ihrer Einbringung von einem Mitgliede als Interpellanten und außerdem 30 Mitgliedern unterschrieben sein.
Ueber die Zulässigkeit entscheidet zunächst der Gesammtvorstand der Kammer (i. e. der Präsident und die Schriftführer). Erklärt sich dieser für die Zulassung der Interpellation, so wird dieselbe gedrückt durch den Kammerpräsidenten dem Minister-Präsidenten eingereicht, und unter die Mitglieder der Kammer vertheilt. Die Interpellation kommt sodann zur Lesung in die Kammer, welche, sofern nicht das Ministerium die Beantwortung der Interpellation überhaupt abzulehnen sich veranlaßt sieht, ohne Diskussion entscheidet, ob die Interpellation zuzulassen sei. Im Bejahungs-Falle wird die nähere Ausführung der Interpellation durch den Interpellation sofort gestattet. Der Minister bestimmt hierauf den Zeitpunkt der Verhandlung.“
§ 29.
„Mit der Beantwortung ist die Interpellation als solche erledigt, und es bleibt jedem Mitgliede überlassen, den Gegenstand in der Form der Anträge weiter zu verfolgen.“
Also wenn der Minister gesprochen hat und die größten Ungerechtigkeiten vorbringt, muß der Interpellant schweigen!!
§ 41.
„Ueber Anträge der Regierung kann nicht zur Tages-Ordnung übergegangen werden.“
Wohl aber über Anträge der Abgeordneten. Die Krone ist also offenbar bei der Vertheidigung ihrer Interessen durch die Minister, die ohnehin schon das Recht hatten zu jeder Zeit zu reden, gegen die Vertreter der Interessen des Volks außerordentlich begünstigt.
§ 63.
„Dem Präsidenten der Kammer steht die Handhabung ihrer Polizei im Sitzungs-Saale und in den Zuhörer-Räumen zu.“
Wir sind also nicht einmal Herren in unserem eigenen Hause. Eine saubere Wirthschaft! Ich fürchte, das definitive Reglement wird nicht viel besser werden, da in 6 Abtheilungen von 7 die Rechte die Majorität hat; mithin alle Wahlen für die Kommissionen beherrscht. Etwa ein Dutzend Mitglieder der Opposition fehlen noch; die meisten sind Rheinländer, zwei von Coblenz; ferner: Guittienne, Körfgen und Kyll.
Bleibtreu sitzt links neben Becker, nimmt Theil an den Partei-Verhandlungen der Linken und hat versprochen, mit ihr treu zu halten. Also doch ein kleiner Trost für den Ausfall dieser Wahl.
Der Minister v. d. Heydt hat die Portofreiheit der Abgeordneten jetzt auf Briefe von zwei Loth beschränkt. Früher bekamen die Mitglieder der Nationalversammlung alle Sitzungs-Protokolle und wichtigere Beschlüsse doppelt so wie ein Dutzend Exemplare der zwischen der Krone und der Versammlung vereinbarten Gesetze, um dieses Alles in die Wahlkreise zu senden!
Eine solche Communication ist jetzt nicht mehr möglich ohne bedeutende Porto-Auslegung. Die Preußenvereine überschwemmen das Land mit Flugschriften unter allerhand portofreien Rubriken. Ganze Ballen solcher Drucksachen aus der königl. Hof-Druckerei sind mit der Post durch das Land verbreitet worden. Und der Abgeordnete wird auf ein Gewicht von zwei Loth beschränkt!
* Berlin, 28. Febr. Die Allg. Zeitungskorrespondenz gibt die Nachricht, es sei ein außerordentlicher Gesandter von hier nach Olmütz abgegangen. Diese Nachricht ist unvollständig. Es ist bekannt, daß man in Dänemark schon seit längerer Zeit gesonnen war, den Waffenstillstand zu kündigen. Die großen Rüstungen, welche durch die Hülfe einer russischen Anleihe möglich gemacht wurden, deuteten nur zu deutlich darauf hin. Indessen hat Dänemark außer dieser Macht noch einen Rückhalt an Schweden, von dem man mit Bestimmtheit eine direkte Truppenunterstützung erwartet. Der lebhafte und unangenehme Notenwechsel zwischen Berlin und Stockholm scheint das zu bestätigen. Es ist nun allerdings ein außerordentlicher Gesandter nach Olmütz geschickt worden. Dort wurden nämlich die Verhandlungen über die dänische Frage geführt, indem die Centralgewalt Oestreich das Amt der Vermittlung übertragen hatte. Dieses Faktum zeigt schon, wie aufrichtig die Thronrede in echt konstitutioneller Weise sich ausgesprochen hat, und es muß uns erlaubt sein, auch die übrigen Versprechungen dieses ministeriellen Machwerkes zu bezweifeln. Wir sehen indeß, daß man Oestreich nicht bei jeder Gelegenheit ausschließen will, daß man ihm vielmehr Gelegenheit gibt, ähnliche Lorbeeren zu erringen, wie sie Preußen der Waffenstillstand zu Malmoe brachte.
Vor den demokratischen Wahlmännern des zweiten größeren Wahlbezirks sprachen gestern Abend Rodbertus und Phillips. Rodbertus führte aus, wie die gesetzliche Entwicklung durch einen Rechtsbruch gestört sei. Man müsse diesen heilen, sich ihm aber nicht unterwerfen, um die Achtung wieder herzustellen, welche man im Auslande durch die November-Ereignisse verloren habe. Man könne kein Vertrauen zu einem Volke haben, welches sich sein Recht ohne Weiteres nehmen lasse. Rodbertus sieht die Heilung darin, daß man sogleich an die Revision gehe und so den Grundsatz der Vereinbarung aufrecht erhalte. Auf diese Weise allein könne das Vertrauen des Volkes zu sich selber und damit die Gesetzlichkeit wieder hergestellt werden. In der deutschen Frage will er das Frankfurter Parlament unterstützen. Er zieht die Abschlagszahlung eines Kleindeutschland dem gänzlichen Fehlschlagen der Einheits-Idee vor, in der Hoffnung, es werde dann doch über kurz oder lang Oestreich mit seinen Bundesgenossen hinzutreten. Er bezog sich besonders auf das allgemeine Wahlrecht, für dessen Aufrechthaltung er stets kämpfen werde. Phillips schloß sich den Ansichten Rodbertus an und verbreitete sich nur noch weiter über die Gemeinde- und Gewerbeverhältnisse. Er will bei diesen die Grundsätze des Freihandels, bei jenem das allgemeine Wahlrecht gewährt wissen. Aus diesen Enthüllungen der Führer des linken Centrums entnehmen wir, daß sie eine sehr zahme Opposition machen werden.
Der Magistrat hatte dem Geheimrath Lehnert, Wahlkommissar des Bezirks, dem der ausgewiesene Dr. Goldstücker angehörte, aufgetragen, denselben in den Wahllisten aufzuführen, da sämmtliche Wahlmänner des Bezirks bei der Wahl der Abgeordneten deshalb zurückgewiesen waren. Hr. Lehnert schrieb zurück, daß er das nicht könne, wenn Dr. Goldstücker nicht in Berlin anwesend sei. Der Magistrat möge deshalb dafür sorgen, daß das Ausweisungsdekret gegen G. durch die Polizeibehörde zurückgenommen werde. Dr. Goldstücker ist aber noch immer ausgewiesen und war bei der Nachwahl der Wahlmänner nicht zugegen.
X Berlin, 28. Febr. Die bei Gelegenheit unserer gestrigen Beschreibung der Sitzungssäle gemachte Bemerkung, daß der Raum zu einem Centrum fehle, ist auch von vielen Abgeordneten wahrgenommen worden und es wird wahrscheinlich demnächst ein Antrag eingebracht werden, diesem Mangel abzuhelfen. Man geht nämlich von dem Gesichtspunkte aus, daß dabei der absichtliche Plan zum Grunde liege, die Bildung eines Centrums überhaupt zu vereiteln und die Kammer nur in eine Rechte und Linke getheilt zu erhalten. Gelänge dies, so würde es allerdings zur Stärkung der Rechten beitragen, der sich viele Unentschiedene, namentlich auch die Neueingetretenen angeschlossen haben, da sie Anstand nehmen, der Linken, in der auch die Steuerverweigerer etc. sitzen, anzugehören. Bildet sich aber ein Centrum, so werden demselben starke Parteien, sowohl von der rechten wie von der linken Seite zufallen, dergestalt, daß dies Centrum in allen wichtigen Fragen den Ausschlag geben müßte. Seine allgemeine Haltung würde nach Lage der gegenwärtigen Verhältnisse und Personen höchst wahrscheinlich eine vorwiegend oppositionelle werden, immer aber würden seine verbundenen Mitglieder ganz anders stimmen als jetzt in der Spaltung zwischen rechter und linker Seite. Freilich müßte die Bildung des Centrums selbst dann anders geleitet werden, als jetzt durch Grabow, welcher, auf dem Vereinigten Landtage zur äußersten Opposition gehörend, in den Novembertagen die vorsichtige Rolle eines Vermittlers mit der Krone anstrebend, jetzt mit Männern wie Harkort, v. Bodelschwingh u. A. die er früher auf Tod und Leben bekämpfte, eine Koalition intendirt.
Die linke Seite der Volkskammer, welche bisher ihre Fraktionsversammlungen bei Jaraschowitz in der Markgrafenstraße hielt, verlegt dieselben nunmehr nach der Konversationshalle am Dönhofsplatz, dicht neben ihrem Sitzungshause. Schräg gegenüber in der Stadt London versammelt sich die rechte Seite. Die Herren-Kammer, wie man hier kurzweg die erste zu nennen anfängt, versammelte sich bis jetzt ungetrennt bei Mielentz. Gestern Abend hat aber ein Zwiespalt über das absolute Veto 50 zum Austritt bewogen, und damit scheint der Anlaß zur Bildung einer linken Seite gegeben, als deren Führer vielleicht, Herr v. Saucken-Tarputschen, einer der Oppositionsmitglieder der Vereinigten Landtage, auftreten wird. In der rechten Seite ist Herr Professor Stahl am einflußreichsten. Von einer genaueren Schattirung der Parteien läßt sich noch nichts melden.
Von der linken Seite der zweiten Kammer wird der Antrag beabsichtigt, die Billets zu den Tribünen wieder durch das Büreau, wie zur Zeit der Nationalversammlung, vertheilen zu lassen. Jetzt geschieht es durch Staats- und städtische Behörden, in letzterer Beziehung durch den Magistrat.
In einem jüngst abgehaltenen Ministerrath ist beschlossen worden, daß das Militär, sobald irgendwo Unruhen ausbrächen, sofort alle Waffendepots und somit auch alle Waffenläden zu besetzen und respekt. in Beschlag zu nehmen habe. Es scheint dieser Beschluß mit besonderer Rücksicht auf die Kammereröffnung gefaßt zu sein, da man bei dieser Gelegenheit, wie wir meldeten, Unruhen befürchtete.
Die Kündigung des dänischen Waffenstillstandes bestätigt sich vollkommen, trotz der in der Thronrede ausgesprochenen Friedenshoffnungen. Gestern ist ein Courier aus Petersburg angekommen, der hierauf bezügliche Depeschen überbrachte. Unverbürgter Weise theilen wir mit, daß darin auch zugleich die entschiedene Aufforderung an die Regierung gerichtet gewesen sein soll, allen neuen Forderungen der Kammern mit Nachdruck entgegen zu treten.
Gestern Abend wurde dem Feuilletonisten der Neuen Preußischen Zeitung, Hrn. Eichler, in dem Jaroschewitz'schen Lokal von Anwesenden der Vorwurf der Spionerie gemacht, da man seine Anwesenheit allerdings schwer aus Sympathien zu erklären vermochte. Der edle Kreuzfahrer suchte den Beweis seiner Unschuld dadurch zu erbringen, daß er eine Weinflasche auf den Köpfen drei ganz Unbetheiligter zerschlug und Einen erheblich verletzte. Schutzmänner bemächtigten sich endlich des ritterlichen Kämpfers und beraubten dadurch die Neue Preußische seiner schätzenswerthen Mitwirkung.
Die Linke der Volkskammer, welche zuerst und prinzipaliter für von Unruh, eventualiter aber zum großen Theil auch für Grabow bei der Präsidentenwahl zu stimmen entschlossen war, ist in Folge gestriger Vorgänge, in so fern von diesem Vorhaben wieder abgegangen, als sie für Grabow einen anderen Kandidaten aufstellen will. Hr. Grabow stimmte nämlich gestern in einer nicht unwichtigen Formfrage mit der Rechten, wo er unbeschadet seiner politischen Meinung eben so gut hätte mit der Linken gehen können.
Gestern Nacht wurde vor dem Hotel du Nord einem dort wohnenden mißliebigen Abgeordneten der Rechten eine Katzenmusik gebracht, welche Konstabler störten.
Bei der vorgestern stattgehabten Nachwahl im Teltower Kreise, kam der Dr. Lövinson, als einer der extremsten Köpfe von den Volksversammlungen des vorigen Jahres bekannt, mit auf die engere Wahl und erhielt 105 Stimmen! Es ist das gewiß ein starker Beweis für das Fortschreiten der demokratischen Ideen, wenn sie selbst jenen Kreis infiziren. Es darf außerdem bemerkt werden, daß, während bei der ersten Wahl der konservative Kandidat eine Majorität von 167 Stimmen hatte, bei dieser Nachwahl nur 125 Stimmen als Majorität aus der Urne hervorgingen.
Berlin, 28. Febr. Die elektro-magnetischen Telegraphen, die in der ganzen preußischen Monarchie die bisherigen Telegraphen ersetzen sollen, sind auf der Route zwischen Berlin und Frankfurt völlig im Gange. An den einzelnen Stationen sind preußische Beamte angestellt. In Kassel ist der Stationsort auf dem dortigen Bahnhofe. Zwischen den beiden Endpunkten, Berlin und Frankfurt, sind fünf Stationspunkte, in Köthen, Halle, Eisenach, Kassel und Gießen. Bei jedem dieser letzten fungiren zwei Tele-
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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