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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 244. Köln, 13. März 1849.

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munismus bezeichnet; außerdem, heißt es, war er Mitglied des dirigirenden Komites der geheimen Gesellschaften mit Caussidiere, Grandmen und Delahodde. Er hat einen großen Antheil an der Februar-Revolution genommen, was ihm natürlich im Anklageakt schon vornherein als ein Verbrechen ausgelegt wird und war Mitglied der provisorischen Regierung, sowie Vicepräsident der Commission der Arbeiter in Luxenburg. Schon am 16. April soll er sich sehr betheiligt haben bei der Manifestation, die auf ihre Fahne die Inschrift trug: Abschaffung der Exlokation des Menschen durch den Menschen. In der letzten Sitzung der Arbeiterdeleguirten im Luxenburg soll Louis Blanc sich folgender Maßen geäußert haben: Meine Freunde, wenn ihr Waffen habt, haltet sie geladen, wenn man kömmt, um sie wiederzunehmen, gebt sie nicht heraus; behaltet sie wohl. Die Reaktion schreitet in großen Schritten daher, und bald könnte der Augenblick kommen, wo ihr genöthigt sein werdet, von ihnen Gebrauch zu machen. Dann stellte er ihnen Albert als seinen Freund vor und am Schlusse der Sitzung soll denn Albert oder Blanc gesagt haben: Haltet euch ruhig; denn bald werden wir hier zum Luxenburg zurückkommen als die Herrn und Meister.

Der Anklage-Akt sucht hinrauf nachzuweisen, daß die Manifestation vom 18. Mai die Verwirklichung dieses ausgesprochenen Gedankens beabsichtigte. Verfolgte man aber dieses wahrhaft blödsinnig ausgearbeitete Aktenstück bis auf die kleinsten Details, so geht weiter nichts aus demselben hervor, als die Absicht, nachzuweisen, daß der 15. Mai schon vor dem 24. Februar ausgesonnen worden sei. Der 15. Mai war eine strafbare Handlung: Recht! der 24. Februar war eine Eskamotage. auch Recht! Aber am 24. Februar war die Eskamotage eine gesetzmäßige konstituirte Gewalt geworden. Den 24. Februar darf man also nicht angreifen: man greift den 15. Mai an, der von denselben Männern provozirt worden, die den 24. Februar herbeigeführt hatten, und will auf diese indirekte Weise die Februar-Revolution verdächtigen.

Was wird dem Albert vorgeworfen? Albert befand sich unter den "Aufrührerischen" nicht wie gewöhnlich, im schwarzen Frack und weißer Weste; sondern mit einem Paletot und einem Arbeiterhute. Seit wann ist denn der schwarze Frack und die weiße Weste die "gewöhnliche" Kleidung Alberts geworden? doch offenbar erst, seitdem er Mitglied der provisorischen Regierung geworden; seit dem 24. Februar, wo es für unpaßlich befunden war, daß Albert, der Arbeiter, als Mitglied der provisorischer Regierung in seiner "gewöhnlichen" Kleidung, der Arbeiter-Bluse und dem Arbeiter-Hute erschien. Wie der Arbeiter-Hut aussieht, wissen wir nicht, jedenfalls war der Paletot, den er am 15. Mai anhatte noch keine Bluse.

Und wenn er wirklich die Blouse getragen hätte, warum sucht man denn die scharfe Gränzlinie zwischen der Blouse und dem Frack zu ziehen, gerade am 15. Mai, da doch am 24. Februar die Blouse eben der Frack geworden? Weiter! die 200,000, die nach der Kammer friedlich ziehen, werden Aufrührerische genannt, bevor sie in die Kammer gedrungen. Wann sind denn die Petitionäre zuerst Aufrührerische geworden? Doch offenbar, als sie in die Kammer gedrungen. Wer hat ihnen den Eingang zur Kammer eröffnet? Die National- und Mobilgarde, die damals unter dem Kommando von Courtais stand, der, beiläufig gesagt, damals soviel war, als jetzt Changarnier: also die bewaffnete Macht der Revolution. Die Februar-Revolution war am 24. Mai auf ihren Ursprung zurückgegangen. Aber nein, heißt es, Courtais ist ein Verräther, Albert ein Aufrührerischer; wir erkennen die Revolution vom 24. Februar zwar an, aber wir erkennen die Männer dieser Revolution nicht an; wir wollen die Revolution ohne die Revolutionäre.

Albert steht vor dem Gitter, heißt es im Anklage-Akt; 6 bis 7 Männer stehen um ihn; er will als Volksrepräsentant in die Kammer dringen. Da sperrt ihm Lamartine den Weg, und Albert soll nun die Verwegenheit gehabt haben, sich folgender Maßen zu äußern: "Bürger Lamartine, Sie mögen ein großer Dichter sein, aber als Staatsmann haben Sie einmal unser Zutrauen nicht. -- Es ist lange genug her, daß Sie schöne Worte und schöne Phrasen in der Versammlung hersagen, aber damit läßt sich das Volk nicht mehr abspeisen; es will selbst der Versammlung seine Wünsche vortragen."

Albert soll nachher mit einem gewissen Gregoire zusammengestoßen sein, den er vom 24. Februar her erkennt. Dieser Gregoire erinnert den Albert daran, wie er eben am 24. Februar der provisorischen Regierung beigestanden habe, daß sie nicht aus den Fenster herausgeworfen wurde, "Heute, erwidert Albert, habe ich Leute genug, um die ganze Kammer herauszuwerfen." Gregoire gibt, immer dem Anklageakte zufolge, gute Ermahnungen, von einem solchen Vorhaben abzustehn; da tritt ein Capitain der Artillerie hinzu und sagt zu Albert: He, Kamerad, hast du Furcht? Vorwärts! Albert, durch diese Worte ermuntert, dringt vorwärts, und ein anderer Deputirter, Avond, will gehört haben, wie er auf gewisse Bemerkungen, die ihm von Ledru-Rollin gemacht wurden, geantwortet hat: Oh, Eure traurige Kammer; in einer halben Stunde soll sie haben, was sie verdient!"

Geht nicht offenbar hieraus hervor, daß man den 15. Mai mit dem 24. Februar in Verbindung bringen will, und daß man den 24. Februar eben so klein darzustellen sucht, als man den 15. Mai in seiner Wahrheit als wahrhaft groß schildert?

Der Anklageakt läßt Albert nochmals mit Gregoire zusammenkommen; aber dieses Mal in der Kammer selbst, wo Albert auf der Bank der Sekretäre gesessen und nach Branntwein gerochen haben soll! Die ganze Gemeinheit der Anklage-Akten und des erkauften Gregoire geht schon aus dieser Stelle zur Genüge hervor. Ein andrer Zeuge will gehört haben, wie einer der Aufrührischen zu Albert gekommen und ihm gesagt hat: "Sie wissen, wir haben Waffen!" -- worauf Albert geantwortet habe: "nicht für heute; das ist erst der erste Akt." Ferner soll Albert noch gesagt haben zu den ihn Umgebenden: "die Sache ist fertig!" Der Hauptpunkt, worauf sich der Anklageakt stützt, ist der, daß Albert's Namen sich auf allen Listen vorgefunden habe. --

4) Der vierte Angeklagte, Louis Blanc, ist abwesend. Was ihm vor dem 25. Mai vorgeworfen wird, ist das ungewöhnliche Vertrauen, daß die Arbeiter zu ihm gefaßt; und wie hat er das Vertrauen erworben? Durch Schmeicheleien, die er den Arbeitern gesagt! Und wo nimmt der Anklageakt diese Schmeicheleien her? Aus der Rede, die Louis Blanc bei Gelegenheit seiner Wahl als Volksrepräsentant gehalten! Die anderweitigen Verbrechen Blancs vor dem 15. Mai sind 1) der 16. April, wo er den Arbeitern gesagt hat, daß seit dem 24. Februar die Macht dem Volke allein gehört, 2) der 28. Februar, wo Blanc als Präsident der Kommission der Arbeiter im Luxembourg ernannt ward. 3) der 24. Februar, wo er erst Sekretär, dann Mitglied der provisorischen Regierung ward. "Am 14. Mai, heißt es weiter, war eine Zusammenkunft bei Blanc; Albert und Blanc wohnten ihr bei. Alles, was man von dieser Zusammenkunft weiß, ist, daß man von der morgenden Manifestation in einer Weise sprach, die geeignet war, wenigstens Besorgnisse zu erregen?"

"Vor dem Cafe Veron, wo er am 15. Mai frühstückte, zog eine Colonne von 200 Mann vorbei mit dem Rufe: "es lebe Louis Blanc!" Als das Volk schon in die Kammer gedrungen, war Louis Blanc es, der vom Präsidenten die Autorisation nachsuchte, das Volk zu haranguiren, um es von Gewalthätigkeiten abzuhalten. Der Anklageakt gibt dieses Alles zu, aber er rechnet ihm seinen Einfluß auf das Volk zum Verbrechen an. Hierdurch allein ward es dem Präsidenten Buchez möglich, feiger Weise zu entfliehen. Die Worte, die er nach demselben Aktenstücke zum Volke gesprochen, sind: "Das Recht der Petition ist ein heiliges Recht; dieses Recht hat das Volk wieder erobert. Man will, daß das Volk leben kann; ich will, daß es derselben Wohlfahrt theilhaftig wird, welche jetzt nur einer privilegircen Klasse angehört." Das Volk trug Louis Blanc im Triumphe in den Saal des Pas-perdus und ließ ihn hoch leben. "Mich nicht laßt hoch leben, sondern die Republik", erwiderte Louis Blanc. "Welche Republik?" -- "Die demokratisch-soziale Republik", war die Antwort Blanc's. Er wird im Triumpfe in die Kammer zurückgetragen, im Augenblicke, wo Hubert erklärte, daß die Kammer aufgelöst sei. Von der Kammer ging, wie bekannt, der Zug nach dem Stadthause. Im Augenblicke, wo er an's Gitter tritt, sagt der Anklageakt, treten ihm die National- und Mobilgarde entgegen, und machen feindliche Demonstrationen. Louis Blanc zieht sich zurück und entspringt durch den Garten der National-Kammer. Er trifft den Wagen eines Weinhändlers Lemaigne, der sich erbietet, ihn nach Bercy zu fahren. Blanc besteht darauf, sich nach dem Stadthause zu begeben, um einen "Bürgerkrieg zu vermeiden", und der Anklageakt bestrebt sich, seine Anwesenheit mit Barbes und Albert daselbst darzuthun. Was die feindseligen Demonstrationen der National- und Mobilgarde betrifft, so sind diese offenbar wieder eine Erfindung der Regierung, um der bereits ohne Widerstand aufgelösten Kammer den Anschein einer Sympathie von außen zu retten. Diese Sympathie existirte am 15. Mai um so weniger, als die Mobilgarde es eben war, welche dem Volke den freien Eingang zu der Kammer eröffnet, während die Nationalgarde mit abgenommenen Bajonets ruhig zusah. Was den übrigen Theil der Anklage betrifft, so ist dieser bereits damals schon in der Kammer widerlegt worden, als es sich darum handelte, Louis Blanc und Caussidiere in den Anklagezustand zu versetzen. Marrast war damals einen ganzen Tag lang der Mann des Tages: er hatte gegen Louis Blanc und Caussidiere, seinen alten Kollegen in der provisorischen Regierung, gestimmt, und war dadurch in den Augen der Bourgeoisie ungemein gestiegen; er hatte auf die Verhaftung desjenigen Mannes angetragen, der am meisten gefürchtet wurde, weil er die Arbeiter alle hinter sich hatte. Marrast hoffte damals wenigstens Vicepräsident in der Republik zu werden; und es bleibt jetzt zweifelhaft, ob er es zum Deputirten für die neue Kammer bringen wird. (Fortsetzung folgt.)

17 Paris, 10. Febr.

Gestern deponirte der Volksvertreter Gambon vier Bittschriften in der Kammer, in deren erster viele Leute in Nevers Rückzahlung der Milliarde "seitens aller Emigrirten und Junker, die gegen das Vaterland fochten", erheischen. Die zweite Petition will das Ministerium in Anklage versetzen, weil es "frech und gesetzhöhnend das hochheilige Versammlungsrecht beschränkt." Die dritte und vierte Petition kommt aus der Gemeinde Bury, im Kanton Mony des Departements L'Oise, diese braven Bauern fordern nichts mehr als primo sofortige Rückzahlung der "ihren Vätern gestohlenen" Tausend Millionen, und secundo sofortige Anerkennung der römischen Republik, "alldieweilen dem heiligen Vater zwar geistliche, aber nicht die allermindeste weltliche, ökonomische politische oder geographische Macht irgend welches Grades" gebührt. -- "Da haben wirs", heulen die jesuitischen Anbeter des Dalai-Lama Henri V. Bourbon. Die "Union", eines ihrer Hauptblätter, klappert nicht blos, sondern fletscht heute auch mit den Zähnen. Sie droht, die -- Kosaken ständen nahe am adriatischen Meere. Noch öfter und lauter so gedroht: und hoch aufschießen werden, gleich Pilzen, über Nacht die Riesengalgen, woran die Arbeiter schockweise euch aufknüpfen. Der Präsident Louis Bonaparte ist viel nützlicher als Cavaignac für die Volkszukunft. "Der Prinz" Louis Bonaparte ist ein Söhnchen der sehr liebenswürdigen Königin Hortensia von Holland (geb. Demoiselle Beauharnais) und des Generals Flahaut, ihres Hofkavaliers, denn der König Louis Bonaparte von Holland liebte sie nicht. Das ist erwiesen. Und die Aehnlichkeit des Präsidenten mit dem holzköpfigen, albernen Flahaut! Bekanntlich hat der Kaiser wüthende Auftritte gerade wegen dieses miserabeln Bengels, der jetzt als 40jähriger, wenn gleich "keinem Schwaben ähnelnder" Tropf auf dem Präsidentenstuhl sich reckt und streckt, mit Louis Bonaparte gehabt, die zum Theil Letzteren veranlaßten, die Krone niederzulegen und sich mit Botanisiren und Unterhaltungen mit Goethe abzugeben. Der Präsident hat den enormen Vortheil vor Cavaignac, sich nicht blos in den Tod verhaßt und auf [unleserliches Material] verächtlich, sondern auch beispiellos lächerlich zu machen. Letzteres wäre dem Cavaignac schwerlich gelungen. Aber wer "ridicule" in Frankreich wird, der "bricht sich selber alle Zähne und Krallen aus," sagt ein altes, provenzalisches Sprichwort. Und es hat Recht. Sollte man es für möglich halten: dieser miserable Bursche, den man Louis Bonaparte nennt, erfrechte sich kürzlich, bei einer Revue der Invaliden, dem alten Napoleonsadjudanten, General Petit, die Hand zu drücken und zu brüllen: "Mein Oheim ergriff Ihre Hand bei seiner letzten Revue, ich ergreife sie bei meiner ersten!" Zu Seiten aller dieser Miserabilitäten geht der "riesige Elephant", wie das Volk neulich im "Siecle" hieß, unaufhaltsam vorwärts. Die Freunde dieses Elephanten, er weiß es, sitzen jetzt zu Bourges vor den 38 Geschworenen, den "hohen" Geschworenen, wie sie sich betiteln, lauter "hohe" Advokaten, Bankluchse, Börsenwölfe, Eisenbahnfüchse, Großgrundbesitzer.

Paris, 10. März.

Der Moniteur enthält ein auf Schiffspässe bezügliches Rundschreiben der Douanen-Administration, eine Liste von Ehren-Legions-Ordens-Ernennungen und einige Dutzend neuer Friedensrichter.

-- Coralli und Trelut sind vor die Assisen zu Poitiers, Recurt, Durrien, Bertraud u. A. vor die Nationalassisen in Bourges als Zeugen geladen. Wenn das so fortgeht, wird die Nationalversammlung bald sehr gelichtet sein.

-- Die h. Dreifaltigkeit der Rue de Poitiers redigirt immer noch an ihrem Wahlmanifest und hat bis heute noch nicht davon entbunden werden können. Dagegen wird so eben ein anderes Manifest bereits vom "Courrier", der jetzt ganz reaktionär ist, veröffentlicht, das von einem gewissen Comite de l'Union electorale pour le departement de la Seine ausgeht und in welchem es sehr naiv heißt: "Das Comite hat durchaus keine Mission, irgend einen Einfluß auf die Wähler zu üben, noch ihnen diesen oder jenen Kandidaten aufzudringen. Sein Zweck besteht ausschließlich 1) so pünktlich und gewissenhaft als möglich die Aussichten jedes Kandidaten zu konstatiren, 2) die Vereinzelung der Bewerbungen zu hindern und die Stimmen möglichst zu centralisiren." Das Central-Comite zählt 64 Mitglieder, von denen 48 für Paris, 16 für die Bannmeile bestimmt sind, welche andere Ausschüsse (Arrondissements und Sections-Comite's) organisiren.

-- Der Minister des Innern hat den Präfekten die Erlaubniß gegeben, allen Polen Freipässe und Reisegelder bis zur Grenze zu ertheilen, falls sie darum bitten, das Gebiet der französischen Republik zu verlassen. Hr. Faucher möchte sich auch der polnischen Patrioten entledigen, um einige Pfennige zu sparen. Der große Oekonom!

-- Die "Reforme" sagt: "Für den Augenblick ist keine Rede mehr von der Intervention irgend einer Art in die Angelegenheiten Italiens. Die fremden Diplomaten haben in dieser Hinsicht ganz positive Verhaltungsbefehle erhalten. Das geheime Motiv dieser augenblicklichen Unthätigkeit liegt in der Ungewißheit über den Ausfall der nächsten Wahlen. Entscheidet die Wahlurne zu Gunsten der Royalisten, so wird man interveniren, denn dann hält sich das Ministerium der Mehrheit sicher; entscheidet die Wahlurne zu Gunsten der Demokraten, dann wird die heilige Allianz einen Schritt zurückweichen oder ein anderes Auskunftsmittel suchen.... In diesem wie in vielen andern Fällen macht die Diplomatie ihre Rechnung ohne den Wirth -- das Volk!"

-- Nach Gaeta wandern bedeutende Geldsummen. Außer den Deniers des heiligen Petrus, deren Hauptcollecte in Paris stattfindet, wo sie aber sehr spärlich ausfällt, sandte der Bischof von Limoges 5000 Franken und der Bischof von Nancy 14,800 Frk an den Pabst nach Gaeta ab.

-- Die Commissarien des Studenten-Banketts an der Barriere du Maine standen gestern vor Gericht. Sie baten dasselbe um Vertagung der Verhandlungen, da ihre Vertheidiger in Bourges wären. Das Gericht wollte sich jedoch auf keine Vertagung einlassen und verurtheilte die Bankett-Commissarien par defaut zu 100 frc. Geldbuße, kein Zweifel, daß die Sache später gründlich noch einmal behandelt wird.

-- Der Cassationshof hat den Rekurs der "Breamörder" verworfen. Es bleibt letzteren also nur noch ein Gesuch an die Gnade Sr. Kaiserlichen Majestät Napoleon II. als einziger Hoffnungsstrahl übrig. Diese Niederlage in einem wichtigen Competenz-Conflikt ist dem Bourgoisfeuer des alten Dupin, den die Kammer schon oft auslachte, zuzuschreiben. Derselbe rief im Laufe der Debatte aus: "Wenn Sie die Competenz derartigen Gerichte angreifen, so öffnen sie den scheuslichsten Verbrechern Thür und Riegel und werfen die Staatsmoral über den Haufen. Mit der Fahne der Insurrektion in der Hand, kann man dann alle Verbrechen ausüben u. s. w. u. s. w."

Inmittelst fahren die Kriegsgerichte in der Rue du Cherche Midi fort, auch noch die letzten Categorien des Juni zu verdammen. Die Journale enthalten wieder mehrere Verurtheilungen zu längerm und kürzerm Gefängniß.

-- National-Versammlung. Sitzung vom 9. März. Um Mittag in allen Abtheilungen großes Leben. Die Deputirten strömen herbei, um die Kommission von dreißig Gliedern zu wählen, welche die Liste für den Staatsrath (40 Mann) zu entwerfen. Vierzig neue Aemter. Die Wahlen fielen halb Poitiers, halb Palais National aus, z. B. Remusat, Dufaure, Francois Arago, Tourret, Wolowski, Goudchaux, Senard u. a. m.

Um 1 1/4 Uhr eröffnet Marrast die öffentliche Sitzung.

Tagesordnung: Die Schlußdebatte des Wahlgesetzes.

Obgleich sie schon weit vorgerückt, hält sie doch immer noch eine Menge Zusätze zu Artikel 3 (von denjenigen Bürgern handelnd, welche kein Wahlrecht ausüben dürfen) im Vorwärtsgehen zurück. Baze hatte vorgeschlagen, den ganzen Artikel umzugießen.

Marrast liest die neue Fassung vor, welche also lautet:

Artikel 3.

"Es können nicht auf die Wahllisten gesetzt werden:
1. die zu infamanten und affliktiven Strafen verurtheilten Personen etc. etc.,
2. diejenigen Personen, denen die Zuchtgerichte die Ausübung der bürgerlichen Rechte ausdrücklich versagten etc,
3. die zu Gefängniß für Verbrechen laut Artel 463 des Code penal verurtheilten Bürger etc.,
4. alle diejenigen, welche wegen Betrug, Eskrokerie, Unsitte etc. laut Artikel 334 des Code penal verurtheilt worden,
5. für Wucher etc.,
6. die laut Artikel 318 und 423 desselben Codex Verurtheilten.
7. die Interdizirten (Blödsinnigen).
8. die concordirten Fallirten.

Diese Fassung wird von Neuem lebhaft besprochen und geht endlich durch, jedoch mit folgendem Nachsatze:

9 Von den im § 3 ausgesprochenen Ausschließungen sind die wegen politischer Verbrechen und Verwundungen oder Schlägereien Verurtheilten ausdrücklich ausgenommen, es wäre denn, daß die Einstellung im Urtel ausrücklich vermerkt sei.

Nach einiger Debatte angenommen.

Der Gesammtartikel wäre erledigt. (Stimmen links: (Endlich, endlich!)

Die Versammlung kehrt nun zu Artikel 62 zurück, bis wohin die Debatte kein Interesse bietet.

Die Artikel rollen rasch nacheinander.

Artikel 76, von den Incompatibilitäten unter den Wählbaren handelnd, gab zu einigen Incidenzien Veranlassung.

Er lautet:

"Es können nicht zu Volksvertretern gewählt werden:
1. die zu affliktiven und infamirenden Strafen Verurtheilten u. s. w.,
2. die, denen die Zuchtgerichte die Ausübung der bürgerlichen Rechte nahmen.
3. die laut Artikel 463 des Code penal Verurtheilten,
4. die wegen Diebstahl, Schwindelei, Mißbrauch des Vertrauens u. s. w. Verurtheilten,
5. die Wucherer,
6. die Contumazirten,
7. die Interdizirten,

(Hier erinnerte Freslon an Mortier und verlangte Streichung, fiel aber durch).

8. die wegen Ehebruch Verurtheilten,

(Hier erhoben sich Heckeren und Faucher auf der Ministerbank zur Gegenprobe, was allgemeines Gelächter verursachte).

9. die nicht rehabilitirten Fallirten.

Seit zwanzig Jahren wurden im Seinedepartement neun rehabilitirt.

Die Debatte wurde abgebrochen und die Sitzung um 6 Uhr geschlossen.

-- National-Versammlung. Sitzung vom 10. März. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast.

Im Konferenzsaale geht das Gerücht, daß unter den Eisenbahnarbeitern zwischen Auron (einem Dorfe) und Nevers ernste Unruhen ausgebrochen seien, die aber durch das Herbeieilen einer starken Kavallerieabtheilung aus Bourges, wo jetzt das Nationalgericht sitzt, beigelegt worden seien.

Unter diesen peniblen Gefühlen eröffnete Marrast um 1 1/2 Uhr die Sitzung.

An der Tagesordnung ist die dritte Debatte des Wahlgesetzes. Man war bis zum Artikel 76, Absatz 8 vorgerückt, welcher lautet:

"Ebenso dürfen nicht stimmen diejenigen, welche wegen Ehebruchs verurtheilt worden sind"

Thomine Desmazures stellt den Antrag, diesen Ausschluß nur auf diejenigen Ehebrecher ausdehnen, deren Verdikt im Urtheile ausdrücklich vermerkt sei

Nach ziemlichem Lärmen wird dieser Antrag mit 375 gegen 291 Stimmen verworfen.

Die Debatte rückt dann ohne erhebliches Interesse bis zum Artikel 82 (immer nur von den Inkompatibilitäten handelnd) weiter.

Frederic Bastiat schlägt zu Artikel 81 den Zusatz vor:

"Kein Mitglied der National-Versammlung darf zu einem bezahlten Staatsamt berufen werden, namentlich nicht zum Amt eines Ministers."

Lamartine erhebt sich, um ihn zu bekämpfen. Keine hohe Kapazität würde sich mehr zum Deputirten wählen lassen, weil sie eines Tags auf den ersten Posten aspiriren könnte, um das Vaterland zu retten. (Oh! Oh!) Dann würde zweitens eine Art Mißachtung auf den Ministern liegen, weil sie nicht dem Schoße der Versammlung angehören. Der Redner beruft sich auf eine Masse von Beispielen aus der Geschichte.

Bastiat stotternd und nichts weniger als Redner, erwidert mit dünner Stimme, daß eine Kapazität ihr Volksvertretermandat ja ohnedies niederlege, sobald sie zum Minister ernannt worden.

Kerdrel erscheint mit einem Follianten auf der Bühne und verlangt das Wort für einen Appell an die Verfassung. (Ah! Ah!) Er will vorlesen. (Lärm.)

Stimmen: Lesen Sie! Lesen Sie!

Kerdrel: Es ist nicht die Verfassung, sondern eine Stelle aus dem Rapport, die ich verlesen will. (Oh! Oh!)

Der Redner wird nach vergebenen Redeversuchen durch den Lärm zum Abzug genöthigt und der Zusatz an den Ausschuß gewiesen.

Schluß 6 1/4 Uhr.

Hierzu eine Beilage.

munismus bezeichnet; außerdem, heißt es, war er Mitglied des dirigirenden Komités der geheimen Gesellschaften mit Caussidiére, Grandmen und Delahodde. Er hat einen großen Antheil an der Februar-Revolution genommen, was ihm natürlich im Anklageakt schon vornherein als ein Verbrechen ausgelegt wird und war Mitglied der provisorischen Regierung, sowie Vicepräsident der Commission der Arbeiter in Luxenburg. Schon am 16. April soll er sich sehr betheiligt haben bei der Manifestation, die auf ihre Fahne die Inschrift trug: Abschaffung der Exlokation des Menschen durch den Menschen. In der letzten Sitzung der Arbeiterdeleguirten im Luxenburg soll Louis Blanc sich folgender Maßen geäußert haben: Meine Freunde, wenn ihr Waffen habt, haltet sie geladen, wenn man kömmt, um sie wiederzunehmen, gebt sie nicht heraus; behaltet sie wohl. Die Reaktion schreitet in großen Schritten daher, und bald könnte der Augenblick kommen, wo ihr genöthigt sein werdet, von ihnen Gebrauch zu machen. Dann stellte er ihnen Albert als seinen Freund vor und am Schlusse der Sitzung soll denn Albert oder Blanc gesagt haben: Haltet euch ruhig; denn bald werden wir hier zum Luxenburg zurückkommen als die Herrn und Meister.

Der Anklage-Akt sucht hinrauf nachzuweisen, daß die Manifestation vom 18. Mai die Verwirklichung dieses ausgesprochenen Gedankens beabsichtigte. Verfolgte man aber dieses wahrhaft blödsinnig ausgearbeitete Aktenstück bis auf die kleinsten Details, so geht weiter nichts aus demselben hervor, als die Absicht, nachzuweisen, daß der 15. Mai schon vor dem 24. Februar ausgesonnen worden sei. Der 15. Mai war eine strafbare Handlung: Recht! der 24. Februar war eine Eskamotage. auch Recht! Aber am 24. Februar war die Eskamotage eine gesetzmäßige konstituirte Gewalt geworden. Den 24. Februar darf man also nicht angreifen: man greift den 15. Mai an, der von denselben Männern provozirt worden, die den 24. Februar herbeigeführt hatten, und will auf diese indirekte Weise die Februar-Revolution verdächtigen.

Was wird dem Albert vorgeworfen? Albert befand sich unter den „Aufrührerischen“ nicht wie gewöhnlich, im schwarzen Frack und weißer Weste; sondern mit einem Paletot und einem Arbeiterhute. Seit wann ist denn der schwarze Frack und die weiße Weste die „gewöhnliche“ Kleidung Alberts geworden? doch offenbar erst, seitdem er Mitglied der provisorischen Regierung geworden; seit dem 24. Februar, wo es für unpaßlich befunden war, daß Albert, der Arbeiter, als Mitglied der provisorischer Regierung in seiner „gewöhnlichen“ Kleidung, der Arbeiter-Bluse und dem Arbeiter-Hute erschien. Wie der Arbeiter-Hut aussieht, wissen wir nicht, jedenfalls war der Paletot, den er am 15. Mai anhatte noch keine Bluse.

Und wenn er wirklich die Blouse getragen hätte, warum sucht man denn die scharfe Gränzlinie zwischen der Blouse und dem Frack zu ziehen, gerade am 15. Mai, da doch am 24. Februar die Blouse eben der Frack geworden? Weiter! die 200,000, die nach der Kammer friedlich ziehen, werden Aufrührerische genannt, bevor sie in die Kammer gedrungen. Wann sind denn die Petitionäre zuerst Aufrührerische geworden? Doch offenbar, als sie in die Kammer gedrungen. Wer hat ihnen den Eingang zur Kammer eröffnet? Die National- und Mobilgarde, die damals unter dem Kommando von Courtais stand, der, beiläufig gesagt, damals soviel war, als jetzt Changarnier: also die bewaffnete Macht der Revolution. Die Februar-Revolution war am 24. Mai auf ihren Ursprung zurückgegangen. Aber nein, heißt es, Courtais ist ein Verräther, Albert ein Aufrührerischer; wir erkennen die Revolution vom 24. Februar zwar an, aber wir erkennen die Männer dieser Revolution nicht an; wir wollen die Revolution ohne die Revolutionäre.

Albert steht vor dem Gitter, heißt es im Anklage-Akt; 6 bis 7 Männer stehen um ihn; er will als Volksrepräsentant in die Kammer dringen. Da sperrt ihm Lamartine den Weg, und Albert soll nun die Verwegenheit gehabt haben, sich folgender Maßen zu äußern: „Bürger Lamartine, Sie mögen ein großer Dichter sein, aber als Staatsmann haben Sie einmal unser Zutrauen nicht. — Es ist lange genug her, daß Sie schöne Worte und schöne Phrasen in der Versammlung hersagen, aber damit läßt sich das Volk nicht mehr abspeisen; es will selbst der Versammlung seine Wünsche vortragen.“

Albert soll nachher mit einem gewissen Grégoire zusammengestoßen sein, den er vom 24. Februar her erkennt. Dieser Grégoire erinnert den Albert daran, wie er eben am 24. Februar der provisorischen Regierung beigestanden habe, daß sie nicht aus den Fenster herausgeworfen wurde, „Heute, erwidert Albert, habe ich Leute genug, um die ganze Kammer herauszuwerfen.“ Grégoire gibt, immer dem Anklageakte zufolge, gute Ermahnungen, von einem solchen Vorhaben abzustehn; da tritt ein Capitain der Artillerie hinzu und sagt zu Albert: He, Kamerad, hast du Furcht? Vorwärts! Albert, durch diese Worte ermuntert, dringt vorwärts, und ein anderer Deputirter, Avond, will gehört haben, wie er auf gewisse Bemerkungen, die ihm von Ledru-Rollin gemacht wurden, geantwortet hat: Oh, Eure traurige Kammer; in einer halben Stunde soll sie haben, was sie verdient!“

Geht nicht offenbar hieraus hervor, daß man den 15. Mai mit dem 24. Februar in Verbindung bringen will, und daß man den 24. Februar eben so klein darzustellen sucht, als man den 15. Mai in seiner Wahrheit als wahrhaft groß schildert?

Der Anklageakt läßt Albert nochmals mit Grégoire zusammenkommen; aber dieses Mal in der Kammer selbst, wo Albert auf der Bank der Sekretäre gesessen und nach Branntwein gerochen haben soll! Die ganze Gemeinheit der Anklage-Akten und des erkauften Grégoire geht schon aus dieser Stelle zur Genüge hervor. Ein andrer Zeuge will gehört haben, wie einer der Aufrührischen zu Albert gekommen und ihm gesagt hat: „Sie wissen, wir haben Waffen!“ — worauf Albert geantwortet habe: „nicht für heute; das ist erst der erste Akt.“ Ferner soll Albert noch gesagt haben zu den ihn Umgebenden: „die Sache ist fertig!“ Der Hauptpunkt, worauf sich der Anklageakt stützt, ist der, daß Albert's Namen sich auf allen Listen vorgefunden habe. —

4) Der vierte Angeklagte, Louis Blanc, ist abwesend. Was ihm vor dem 25. Mai vorgeworfen wird, ist das ungewöhnliche Vertrauen, daß die Arbeiter zu ihm gefaßt; und wie hat er das Vertrauen erworben? Durch Schmeicheleien, die er den Arbeitern gesagt! Und wo nimmt der Anklageakt diese Schmeicheleien her? Aus der Rede, die Louis Blanc bei Gelegenheit seiner Wahl als Volksrepräsentant gehalten! Die anderweitigen Verbrechen Blancs vor dem 15. Mai sind 1) der 16. April, wo er den Arbeitern gesagt hat, daß seit dem 24. Februar die Macht dem Volke allein gehört, 2) der 28. Februar, wo Blanc als Präsident der Kommission der Arbeiter im Luxembourg ernannt ward. 3) der 24. Februar, wo er erst Sekretär, dann Mitglied der provisorischen Regierung ward. „Am 14. Mai, heißt es weiter, war eine Zusammenkunft bei Blanc; Albert und Blanc wohnten ihr bei. Alles, was man von dieser Zusammenkunft weiß, ist, daß man von der morgenden Manifestation in einer Weise sprach, die geeignet war, wenigstens Besorgnisse zu erregen?“

„Vor dem Café Veron, wo er am 15. Mai frühstückte, zog eine Colonne von 200 Mann vorbei mit dem Rufe: „es lebe Louis Blanc!“ Als das Volk schon in die Kammer gedrungen, war Louis Blanc es, der vom Präsidenten die Autorisation nachsuchte, das Volk zu haranguiren, um es von Gewalthätigkeiten abzuhalten. Der Anklageakt gibt dieses Alles zu, aber er rechnet ihm seinen Einfluß auf das Volk zum Verbrechen an. Hierdurch allein ward es dem Präsidenten Buchez möglich, feiger Weise zu entfliehen. Die Worte, die er nach demselben Aktenstücke zum Volke gesprochen, sind: „Das Recht der Petition ist ein heiliges Recht; dieses Recht hat das Volk wieder erobert. Man will, daß das Volk leben kann; ich will, daß es derselben Wohlfahrt theilhaftig wird, welche jetzt nur einer privilegircen Klasse angehört.“ Das Volk trug Louis Blanc im Triumphe in den Saal des Pas-perdus und ließ ihn hoch leben. „Mich nicht laßt hoch leben, sondern die Republik“, erwiderte Louis Blanc. „Welche Republik?“ — „Die demokratisch-soziale Republik“, war die Antwort Blanc's. Er wird im Triumpfe in die Kammer zurückgetragen, im Augenblicke, wo Hubert erklärte, daß die Kammer aufgelöst sei. Von der Kammer ging, wie bekannt, der Zug nach dem Stadthause. Im Augenblicke, wo er an's Gitter tritt, sagt der Anklageakt, treten ihm die National- und Mobilgarde entgegen, und machen feindliche Demonstrationen. Louis Blanc zieht sich zurück und entspringt durch den Garten der National-Kammer. Er trifft den Wagen eines Weinhändlers Lemaigne, der sich erbietet, ihn nach Bercy zu fahren. Blanc besteht darauf, sich nach dem Stadthause zu begeben, um einen „Bürgerkrieg zu vermeiden“, und der Anklageakt bestrebt sich, seine Anwesenheit mit Barbés und Albert daselbst darzuthun. Was die feindseligen Demonstrationen der National- und Mobilgarde betrifft, so sind diese offenbar wieder eine Erfindung der Regierung, um der bereits ohne Widerstand aufgelösten Kammer den Anschein einer Sympathie von außen zu retten. Diese Sympathie existirte am 15. Mai um so weniger, als die Mobilgarde es eben war, welche dem Volke den freien Eingang zu der Kammer eröffnet, während die Nationalgarde mit abgenommenen Bajonets ruhig zusah. Was den übrigen Theil der Anklage betrifft, so ist dieser bereits damals schon in der Kammer widerlegt worden, als es sich darum handelte, Louis Blanc und Caussidiere in den Anklagezustand zu versetzen. Marrast war damals einen ganzen Tag lang der Mann des Tages: er hatte gegen Louis Blanc und Caussidiere, seinen alten Kollegen in der provisorischen Regierung, gestimmt, und war dadurch in den Augen der Bourgeoisie ungemein gestiegen; er hatte auf die Verhaftung desjenigen Mannes angetragen, der am meisten gefürchtet wurde, weil er die Arbeiter alle hinter sich hatte. Marrast hoffte damals wenigstens Vicepräsident in der Republik zu werden; und es bleibt jetzt zweifelhaft, ob er es zum Deputirten für die neue Kammer bringen wird. (Fortsetzung folgt.)

17 Paris, 10. Febr.

Gestern deponirte der Volksvertreter Gambon vier Bittschriften in der Kammer, in deren erster viele Leute in Nevers Rückzahlung der Milliarde „seitens aller Emigrirten und Junker, die gegen das Vaterland fochten“, erheischen. Die zweite Petition will das Ministerium in Anklage versetzen, weil es „frech und gesetzhöhnend das hochheilige Versammlungsrecht beschränkt.“ Die dritte und vierte Petition kommt aus der Gemeinde Bury, im Kanton Mony des Departements L'Oise, diese braven Bauern fordern nichts mehr als primo sofortige Rückzahlung der „ihren Vätern gestohlenen“ Tausend Millionen, und secundo sofortige Anerkennung der römischen Republik, „alldieweilen dem heiligen Vater zwar geistliche, aber nicht die allermindeste weltliche, ökonomische politische oder geographische Macht irgend welches Grades“ gebührt. — „Da haben wirs“, heulen die jesuitischen Anbeter des Dalai-Lama Henri V. Bourbon. Die „Union“, eines ihrer Hauptblätter, klappert nicht blos, sondern fletscht heute auch mit den Zähnen. Sie droht, die — Kosaken ständen nahe am adriatischen Meere. Noch öfter und lauter so gedroht: und hoch aufschießen werden, gleich Pilzen, über Nacht die Riesengalgen, woran die Arbeiter schockweise euch aufknüpfen. Der Präsident Louis Bonaparte ist viel nützlicher als Cavaignac für die Volkszukunft. „Der Prinz“ Louis Bonaparte ist ein Söhnchen der sehr liebenswürdigen Königin Hortensia von Holland (geb. Demoiselle Beauharnais) und des Generals Flahaut, ihres Hofkavaliers, denn der König Louis Bonaparte von Holland liebte sie nicht. Das ist erwiesen. Und die Aehnlichkeit des Präsidenten mit dem holzköpfigen, albernen Flahaut! Bekanntlich hat der Kaiser wüthende Auftritte gerade wegen dieses miserabeln Bengels, der jetzt als 40jähriger, wenn gleich „keinem Schwaben ähnelnder“ Tropf auf dem Präsidentenstuhl sich reckt und streckt, mit Louis Bonaparte gehabt, die zum Theil Letzteren veranlaßten, die Krone niederzulegen und sich mit Botanisiren und Unterhaltungen mit Goethe abzugeben. Der Präsident hat den enormen Vortheil vor Cavaignac, sich nicht blos in den Tod verhaßt und auf [unleserliches Material] verächtlich, sondern auch beispiellos lächerlich zu machen. Letzteres wäre dem Cavaignac schwerlich gelungen. Aber wer «ridicule» in Frankreich wird, der „bricht sich selber alle Zähne und Krallen aus,“ sagt ein altes, provenzalisches Sprichwort. Und es hat Recht. Sollte man es für möglich halten: dieser miserable Bursche, den man Louis Bonaparte nennt, erfrechte sich kürzlich, bei einer Revue der Invaliden, dem alten Napoleonsadjudanten, General Petit, die Hand zu drücken und zu brüllen: „Mein Oheim ergriff Ihre Hand bei seiner letzten Revue, ich ergreife sie bei meiner ersten!“ Zu Seiten aller dieser Miserabilitäten geht der „riesige Elephant“, wie das Volk neulich im „Siècle“ hieß, unaufhaltsam vorwärts. Die Freunde dieses Elephanten, er weiß es, sitzen jetzt zu Bourges vor den 38 Geschworenen, den „hohen“ Geschworenen, wie sie sich betiteln, lauter „hohe“ Advokaten, Bankluchse, Börsenwölfe, Eisenbahnfüchse, Großgrundbesitzer.

Paris, 10. März.

Der Moniteur enthält ein auf Schiffspässe bezügliches Rundschreiben der Douanen-Administration, eine Liste von Ehren-Legions-Ordens-Ernennungen und einige Dutzend neuer Friedensrichter.

— Coralli und Trelut sind vor die Assisen zu Poitiers, Recurt, Durrien, Bertraud u. A. vor die Nationalassisen in Bourges als Zeugen geladen. Wenn das so fortgeht, wird die Nationalversammlung bald sehr gelichtet sein.

— Die h. Dreifaltigkeit der Rue de Poitiers redigirt immer noch an ihrem Wahlmanifest und hat bis heute noch nicht davon entbunden werden können. Dagegen wird so eben ein anderes Manifest bereits vom „Courrier“, der jetzt ganz reaktionär ist, veröffentlicht, das von einem gewissen Comité de l'Union électorale pour le département de la Seine ausgeht und in welchem es sehr naiv heißt: „Das Comité hat durchaus keine Mission, irgend einen Einfluß auf die Wähler zu üben, noch ihnen diesen oder jenen Kandidaten aufzudringen. Sein Zweck besteht ausschließlich 1) so pünktlich und gewissenhaft als möglich die Aussichten jedes Kandidaten zu konstatiren, 2) die Vereinzelung der Bewerbungen zu hindern und die Stimmen möglichst zu centralisiren.“ Das Central-Comitè zählt 64 Mitglieder, von denen 48 für Paris, 16 für die Bannmeile bestimmt sind, welche andere Ausschüsse (Arrondissements und Sections-Comitè's) organisiren.

— Der Minister des Innern hat den Präfekten die Erlaubniß gegeben, allen Polen Freipässe und Reisegelder bis zur Grenze zu ertheilen, falls sie darum bitten, das Gebiet der französischen Republik zu verlassen. Hr. Faucher möchte sich auch der polnischen Patrioten entledigen, um einige Pfennige zu sparen. Der große Oekonom!

— Die „Reforme“ sagt: „Für den Augenblick ist keine Rede mehr von der Intervention irgend einer Art in die Angelegenheiten Italiens. Die fremden Diplomaten haben in dieser Hinsicht ganz positive Verhaltungsbefehle erhalten. Das geheime Motiv dieser augenblicklichen Unthätigkeit liegt in der Ungewißheit über den Ausfall der nächsten Wahlen. Entscheidet die Wahlurne zu Gunsten der Royalisten, so wird man interveniren, denn dann hält sich das Ministerium der Mehrheit sicher; entscheidet die Wahlurne zu Gunsten der Demokraten, dann wird die heilige Allianz einen Schritt zurückweichen oder ein anderes Auskunftsmittel suchen‥‥ In diesem wie in vielen andern Fällen macht die Diplomatie ihre Rechnung ohne den Wirth — das Volk!“

— Nach Gaëta wandern bedeutende Geldsummen. Außer den Deniers des heiligen Petrus, deren Hauptcollecte in Paris stattfindet, wo sie aber sehr spärlich ausfällt, sandte der Bischof von Limoges 5000 Franken und der Bischof von Nancy 14,800 Frk an den Pabst nach Gaëta ab.

— Die Commissarien des Studenten-Banketts an der Barriere du Maine standen gestern vor Gericht. Sie baten dasselbe um Vertagung der Verhandlungen, da ihre Vertheidiger in Bourges wären. Das Gericht wollte sich jedoch auf keine Vertagung einlassen und verurtheilte die Bankett-Commissarien par defaut zu 100 frc. Geldbuße, kein Zweifel, daß die Sache später gründlich noch einmal behandelt wird.

— Der Cassationshof hat den Rekurs der „Breamörder“ verworfen. Es bleibt letzteren also nur noch ein Gesuch an die Gnade Sr. Kaiserlichen Majestät Napoleon II. als einziger Hoffnungsstrahl übrig. Diese Niederlage in einem wichtigen Competenz-Conflikt ist dem Bourgoisfeuer des alten Dupin, den die Kammer schon oft auslachte, zuzuschreiben. Derselbe rief im Laufe der Debatte aus: „Wenn Sie die Competenz derartigen Gerichte angreifen, so öffnen sie den scheuslichsten Verbrechern Thür und Riegel und werfen die Staatsmoral über den Haufen. Mit der Fahne der Insurrektion in der Hand, kann man dann alle Verbrechen ausüben u. s. w. u. s. w.“

Inmittelst fahren die Kriegsgerichte in der Rue du Cherche Midi fort, auch noch die letzten Categorien des Juni zu verdammen. Die Journale enthalten wieder mehrere Verurtheilungen zu längerm und kürzerm Gefängniß.

National-Versammlung. Sitzung vom 9. März. Um Mittag in allen Abtheilungen großes Leben. Die Deputirten strömen herbei, um die Kommission von dreißig Gliedern zu wählen, welche die Liste für den Staatsrath (40 Mann) zu entwerfen. Vierzig neue Aemter. Die Wahlen fielen halb Poitiers, halb Palais National aus, z. B. Remusat, Dufaure, Francois Arago, Tourret, Wolowski, Goudchaux, Senard u. a. m.

Um 1 1/4 Uhr eröffnet Marrast die öffentliche Sitzung.

Tagesordnung: Die Schlußdebatte des Wahlgesetzes.

Obgleich sie schon weit vorgerückt, hält sie doch immer noch eine Menge Zusätze zu Artikel 3 (von denjenigen Bürgern handelnd, welche kein Wahlrecht ausüben dürfen) im Vorwärtsgehen zurück. Baze hatte vorgeschlagen, den ganzen Artikel umzugießen.

Marrast liest die neue Fassung vor, welche also lautet:

Artikel 3.

„Es können nicht auf die Wahllisten gesetzt werden:
1. die zu infamanten und affliktiven Strafen verurtheilten Personen etc. etc.,
2. diejenigen Personen, denen die Zuchtgerichte die Ausübung der bürgerlichen Rechte ausdrücklich versagten etc,
3. die zu Gefängniß für Verbrechen laut Artel 463 des Code penal verurtheilten Bürger etc.,
4. alle diejenigen, welche wegen Betrug, Eskrokerie, Unsitte etc. laut Artikel 334 des Code penal verurtheilt worden,
5. für Wucher etc.,
6. die laut Artikel 318 und 423 desselben Codex Verurtheilten.
7. die Interdizirten (Blödsinnigen).
8. die concordirten Fallirten.

Diese Fassung wird von Neuem lebhaft besprochen und geht endlich durch, jedoch mit folgendem Nachsatze:

9 Von den im § 3 ausgesprochenen Ausschließungen sind die wegen politischer Verbrechen und Verwundungen oder Schlägereien Verurtheilten ausdrücklich ausgenommen, es wäre denn, daß die Einstellung im Urtel ausrücklich vermerkt sei.

Nach einiger Debatte angenommen.

Der Gesammtartikel wäre erledigt. (Stimmen links: (Endlich, endlich!)

Die Versammlung kehrt nun zu Artikel 62 zurück, bis wohin die Debatte kein Interesse bietet.

Die Artikel rollen rasch nacheinander.

Artikel 76, von den Incompatibilitäten unter den Wählbaren handelnd, gab zu einigen Incidenzien Veranlassung.

Er lautet:

„Es können nicht zu Volksvertretern gewählt werden:
1. die zu affliktiven und infamirenden Strafen Verurtheilten u. s. w.,
2. die, denen die Zuchtgerichte die Ausübung der bürgerlichen Rechte nahmen.
3. die laut Artikel 463 des Code penal Verurtheilten,
4. die wegen Diebstahl, Schwindelei, Mißbrauch des Vertrauens u. s. w. Verurtheilten,
5. die Wucherer,
6. die Contumazirten,
7. die Interdizirten,

(Hier erinnerte Freslon an Mortier und verlangte Streichung, fiel aber durch).

8. die wegen Ehebruch Verurtheilten,

(Hier erhoben sich Heckeren und Faucher auf der Ministerbank zur Gegenprobe, was allgemeines Gelächter verursachte).

9. die nicht rehabilitirten Fallirten.

Seit zwanzig Jahren wurden im Seinedepartement neun rehabilitirt.

Die Debatte wurde abgebrochen und die Sitzung um 6 Uhr geschlossen.

National-Versammlung. Sitzung vom 10. März. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast.

Im Konferenzsaale geht das Gerücht, daß unter den Eisenbahnarbeitern zwischen Auron (einem Dorfe) und Nevers ernste Unruhen ausgebrochen seien, die aber durch das Herbeieilen einer starken Kavallerieabtheilung aus Bourges, wo jetzt das Nationalgericht sitzt, beigelegt worden seien.

Unter diesen peniblen Gefühlen eröffnete Marrast um 1 1/2 Uhr die Sitzung.

An der Tagesordnung ist die dritte Debatte des Wahlgesetzes. Man war bis zum Artikel 76, Absatz 8 vorgerückt, welcher lautet:

„Ebenso dürfen nicht stimmen diejenigen, welche wegen Ehebruchs verurtheilt worden sind“

Thomine Desmazures stellt den Antrag, diesen Ausschluß nur auf diejenigen Ehebrecher ausdehnen, deren Verdikt im Urtheile ausdrücklich vermerkt sei

Nach ziemlichem Lärmen wird dieser Antrag mit 375 gegen 291 Stimmen verworfen.

Die Debatte rückt dann ohne erhebliches Interesse bis zum Artikel 82 (immer nur von den Inkompatibilitäten handelnd) weiter.

Frederic Bastiat schlägt zu Artikel 81 den Zusatz vor:

„Kein Mitglied der National-Versammlung darf zu einem bezahlten Staatsamt berufen werden, namentlich nicht zum Amt eines Ministers.“

Lamartine erhebt sich, um ihn zu bekämpfen. Keine hohe Kapazität würde sich mehr zum Deputirten wählen lassen, weil sie eines Tags auf den ersten Posten aspiriren könnte, um das Vaterland zu retten. (Oh! Oh!) Dann würde zweitens eine Art Mißachtung auf den Ministern liegen, weil sie nicht dem Schoße der Versammlung angehören. Der Redner beruft sich auf eine Masse von Beispielen aus der Geschichte.

Bastiat stotternd und nichts weniger als Redner, erwidert mit dünner Stimme, daß eine Kapazität ihr Volksvertretermandat ja ohnedies niederlege, sobald sie zum Minister ernannt worden.

Kerdrel erscheint mit einem Follianten auf der Bühne und verlangt das Wort für einen Appell an die Verfassung. (Ah! Ah!) Er will vorlesen. (Lärm.)

Stimmen: Lesen Sie! Lesen Sie!

Kerdrel: Es ist nicht die Verfassung, sondern eine Stelle aus dem Rapport, die ich verlesen will. (Oh! Oh!)

Der Redner wird nach vergebenen Redeversuchen durch den Lärm zum Abzug genöthigt und der Zusatz an den Ausschuß gewiesen.

Schluß 6 1/4 Uhr.

Hierzu eine Beilage.

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          <p><pb facs="#f0004" n="1356"/>
munismus bezeichnet; außerdem, heißt es, war er Mitglied des dirigirenden Komités der geheimen Gesellschaften mit Caussidiére, Grandmen und Delahodde. Er hat einen großen Antheil an der Februar-Revolution genommen, was ihm natürlich im Anklageakt schon vornherein als ein Verbrechen ausgelegt wird und war Mitglied der provisorischen Regierung, sowie Vicepräsident der Commission der Arbeiter in Luxenburg. Schon am 16. April soll er sich sehr betheiligt haben bei der Manifestation, die auf ihre Fahne die Inschrift trug: Abschaffung der Exlokation des Menschen durch den Menschen. In der letzten Sitzung der Arbeiterdeleguirten im Luxenburg soll Louis Blanc sich folgender Maßen geäußert haben: Meine Freunde, wenn ihr Waffen habt, haltet sie geladen, wenn man kömmt, um sie wiederzunehmen, gebt sie nicht heraus; behaltet sie wohl. Die Reaktion schreitet in großen Schritten daher, und bald könnte der Augenblick kommen, wo ihr genöthigt sein werdet, von ihnen Gebrauch zu machen. Dann stellte er ihnen Albert als seinen Freund vor und am Schlusse der Sitzung soll denn Albert oder Blanc gesagt haben: Haltet euch ruhig; denn bald werden wir hier zum Luxenburg zurückkommen als die Herrn und Meister.</p>
          <p>Der Anklage-Akt sucht hinrauf nachzuweisen, daß die Manifestation vom 18. Mai die Verwirklichung dieses ausgesprochenen Gedankens beabsichtigte. Verfolgte man aber dieses wahrhaft blödsinnig ausgearbeitete Aktenstück bis auf die kleinsten Details, so geht weiter nichts aus demselben hervor, als die Absicht, nachzuweisen, daß der 15. Mai schon vor dem 24. Februar ausgesonnen worden sei. Der 15. Mai war eine strafbare Handlung: Recht! der 24. Februar war eine Eskamotage. auch Recht! Aber am 24. Februar war die Eskamotage eine gesetzmäßige konstituirte Gewalt geworden. Den 24. Februar darf man also nicht angreifen: man greift den 15. Mai an, der von denselben Männern provozirt worden, die den 24. Februar herbeigeführt hatten, und will auf diese indirekte Weise die Februar-Revolution verdächtigen.</p>
          <p>Was wird dem Albert vorgeworfen? Albert befand sich unter den &#x201E;Aufrührerischen&#x201C; nicht wie gewöhnlich, im schwarzen Frack und weißer Weste; sondern mit einem Paletot und einem Arbeiterhute. Seit wann ist denn der schwarze Frack und die weiße Weste die &#x201E;gewöhnliche&#x201C; Kleidung Alberts geworden? doch offenbar erst, seitdem er Mitglied der provisorischen Regierung geworden; seit dem 24. Februar, wo es für unpaßlich befunden war, daß Albert, der Arbeiter, als Mitglied der provisorischer Regierung in seiner &#x201E;gewöhnlichen&#x201C; Kleidung, der Arbeiter-Bluse und dem Arbeiter-<hi rendition="#g">Hute</hi> erschien. Wie der Arbeiter-Hut aussieht, wissen wir nicht, jedenfalls war der Paletot, den er am 15. Mai anhatte noch keine Bluse.</p>
          <p>Und wenn er wirklich die Blouse getragen hätte, warum sucht man denn die scharfe Gränzlinie zwischen der Blouse und dem Frack zu ziehen, gerade am 15. Mai, da doch am 24. Februar die Blouse eben der Frack geworden? Weiter! die 200,000, die nach der Kammer friedlich ziehen, werden Aufrührerische genannt, bevor sie in die Kammer gedrungen. Wann sind denn die Petitionäre zuerst Aufrührerische geworden? Doch offenbar, als sie in die Kammer gedrungen. Wer hat ihnen den Eingang zur Kammer eröffnet? Die National- und Mobilgarde, die damals unter dem Kommando von Courtais stand, der, beiläufig gesagt, damals soviel war, als jetzt Changarnier: also die bewaffnete Macht der Revolution. Die Februar-Revolution war am 24. Mai auf ihren Ursprung zurückgegangen. Aber nein, heißt es, Courtais ist ein Verräther, Albert ein Aufrührerischer; wir erkennen die Revolution vom 24. Februar zwar an, aber wir erkennen die Männer dieser Revolution nicht an; wir wollen die Revolution ohne die Revolutionäre.</p>
          <p>Albert steht vor dem Gitter, heißt es im Anklage-Akt; 6 bis 7 Männer stehen um ihn; er will als Volksrepräsentant in die Kammer dringen. Da sperrt ihm Lamartine den Weg, und Albert soll nun die Verwegenheit gehabt haben, sich folgender Maßen zu äußern: &#x201E;Bürger Lamartine, Sie mögen ein großer Dichter sein, aber als Staatsmann haben Sie einmal unser Zutrauen nicht. &#x2014; Es ist lange genug her, daß Sie schöne Worte und schöne Phrasen in der Versammlung hersagen, aber damit läßt sich das Volk nicht mehr abspeisen; es will selbst der Versammlung seine Wünsche vortragen.&#x201C;</p>
          <p>Albert soll nachher mit einem gewissen Grégoire zusammengestoßen sein, den er vom 24. Februar her erkennt. Dieser Grégoire erinnert den Albert daran, wie er eben am 24. Februar der provisorischen Regierung beigestanden habe, daß sie nicht aus den Fenster herausgeworfen wurde, &#x201E;Heute, erwidert Albert, habe ich Leute genug, um die ganze Kammer herauszuwerfen.&#x201C; Grégoire gibt, immer dem Anklageakte zufolge, gute Ermahnungen, von einem solchen Vorhaben abzustehn; da tritt ein Capitain der Artillerie hinzu und sagt zu Albert: He, Kamerad, hast du Furcht? Vorwärts! Albert, durch diese Worte ermuntert, dringt vorwärts, und ein anderer Deputirter, Avond, will gehört haben, wie er auf gewisse Bemerkungen, die ihm von Ledru-Rollin gemacht wurden, geantwortet hat: Oh, Eure traurige Kammer; in einer halben Stunde soll sie haben, was sie verdient!&#x201C;</p>
          <p>Geht nicht offenbar hieraus hervor, daß man den 15. Mai mit dem 24. Februar in Verbindung bringen will, und daß man den 24. Februar eben so klein darzustellen sucht, als man den 15. Mai in seiner Wahrheit als wahrhaft groß schildert?</p>
          <p>Der Anklageakt läßt Albert nochmals mit Grégoire zusammenkommen; aber dieses Mal in der Kammer selbst, wo Albert auf der Bank der Sekretäre gesessen und nach Branntwein gerochen haben <hi rendition="#g">soll!</hi> Die ganze Gemeinheit der Anklage-Akten und des erkauften Grégoire geht schon aus dieser Stelle zur Genüge hervor. Ein andrer Zeuge will gehört haben, wie einer der Aufrührischen zu Albert gekommen und ihm gesagt hat: &#x201E;Sie wissen, wir haben Waffen!&#x201C; &#x2014; worauf Albert geantwortet habe: &#x201E;nicht für heute; das ist erst der erste Akt.&#x201C; Ferner soll Albert noch gesagt haben zu den ihn Umgebenden: &#x201E;die Sache ist fertig!&#x201C; Der Hauptpunkt, worauf sich der Anklageakt stützt, ist der, daß Albert's Namen sich auf allen Listen vorgefunden habe. &#x2014;</p>
          <p>4) Der vierte Angeklagte, Louis Blanc, ist abwesend. Was ihm vor dem 25. Mai vorgeworfen wird, ist das ungewöhnliche Vertrauen, daß die Arbeiter zu ihm gefaßt; und wie hat er das Vertrauen erworben? Durch Schmeicheleien, die er den Arbeitern gesagt! Und wo nimmt der Anklageakt diese Schmeicheleien her? Aus der Rede, die Louis Blanc bei Gelegenheit seiner Wahl als Volksrepräsentant gehalten! Die anderweitigen Verbrechen Blancs vor dem 15. Mai sind 1) der 16. April, wo er den Arbeitern gesagt hat, daß seit dem 24. Februar die Macht dem Volke allein gehört, 2) der 28. Februar, wo Blanc als Präsident der Kommission der Arbeiter im Luxembourg ernannt ward. 3) der 24. Februar, wo er erst Sekretär, dann Mitglied der provisorischen Regierung ward. &#x201E;Am 14. Mai, heißt es weiter, war eine Zusammenkunft bei Blanc; Albert und Blanc wohnten ihr bei. Alles, was man von dieser Zusammenkunft weiß, ist, daß man von der morgenden Manifestation in einer Weise sprach, die geeignet war, wenigstens Besorgnisse zu erregen?&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Vor dem Café Veron, wo er am 15. Mai frühstückte, zog eine Colonne von 200 Mann vorbei mit dem Rufe: &#x201E;es lebe Louis Blanc!&#x201C; Als das Volk schon in die Kammer gedrungen, war Louis Blanc es, der vom Präsidenten die Autorisation nachsuchte, das Volk zu haranguiren, um es von Gewalthätigkeiten abzuhalten. Der Anklageakt gibt dieses Alles zu, aber er rechnet ihm seinen Einfluß auf das Volk zum Verbrechen an. Hierdurch allein ward es dem Präsidenten Buchez möglich, feiger Weise zu entfliehen. Die Worte, die er nach demselben Aktenstücke zum Volke gesprochen, sind: &#x201E;Das Recht der Petition ist ein heiliges Recht; dieses Recht hat das Volk wieder erobert. Man will, daß das Volk leben kann; ich will, daß es derselben Wohlfahrt theilhaftig wird, welche jetzt nur einer privilegircen Klasse angehört.&#x201C; Das Volk trug Louis Blanc im Triumphe in den Saal des Pas-perdus und ließ ihn hoch leben. &#x201E;Mich nicht laßt hoch leben, sondern die Republik&#x201C;, erwiderte Louis Blanc. &#x201E;Welche Republik?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Die demokratisch-soziale Republik&#x201C;, war die Antwort Blanc's. Er wird im Triumpfe in die Kammer zurückgetragen, im Augenblicke, wo Hubert erklärte, daß die Kammer aufgelöst sei. Von der Kammer ging, wie bekannt, der Zug nach dem Stadthause. Im Augenblicke, wo er an's Gitter tritt, sagt der Anklageakt, treten ihm die National- und Mobilgarde entgegen, und machen feindliche Demonstrationen. Louis Blanc zieht sich zurück und entspringt durch den Garten der National-Kammer. Er trifft den Wagen eines Weinhändlers Lemaigne, der sich erbietet, ihn nach Bercy zu fahren. Blanc besteht darauf, sich nach dem Stadthause zu begeben, um einen &#x201E;Bürgerkrieg zu vermeiden&#x201C;, und der Anklageakt bestrebt sich, seine Anwesenheit mit Barbés und Albert daselbst darzuthun. Was die feindseligen Demonstrationen der National- und Mobilgarde betrifft, so sind diese offenbar wieder eine Erfindung der Regierung, um der bereits ohne Widerstand aufgelösten Kammer den Anschein einer Sympathie von außen zu retten. Diese Sympathie existirte am 15. Mai um so weniger, als die Mobilgarde es eben war, welche dem Volke den freien Eingang zu der Kammer eröffnet, während die Nationalgarde mit abgenommenen Bajonets ruhig zusah. Was den übrigen Theil der Anklage betrifft, so ist dieser bereits damals schon in der Kammer widerlegt worden, als es sich darum handelte, Louis Blanc und Caussidiere in den Anklagezustand zu versetzen. Marrast war damals einen ganzen Tag lang der Mann des Tages: er hatte gegen Louis Blanc und Caussidiere, seinen alten Kollegen in der provisorischen Regierung, gestimmt, und war dadurch in den Augen der Bourgeoisie ungemein gestiegen; er hatte auf die Verhaftung desjenigen Mannes angetragen, der am meisten gefürchtet wurde, weil er die Arbeiter alle hinter sich hatte. Marrast hoffte damals wenigstens Vicepräsident in der Republik zu werden; und es bleibt jetzt zweifelhaft, ob er es zum Deputirten für die neue Kammer bringen wird. <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref>                </p>
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          <p>Der Moniteur enthält ein auf Schiffspässe bezügliches Rundschreiben der Douanen-Administration, eine Liste von Ehren-Legions-Ordens-Ernennungen und einige Dutzend neuer Friedensrichter.</p>
          <p>&#x2014; Coralli und Trelut sind vor die Assisen zu Poitiers, Recurt, Durrien, Bertraud u. A. vor die Nationalassisen in Bourges als Zeugen geladen. Wenn das so fortgeht, wird die Nationalversammlung bald sehr gelichtet sein.</p>
          <p>&#x2014; Die h. Dreifaltigkeit der Rue de Poitiers redigirt immer noch an ihrem Wahlmanifest und hat bis heute noch nicht davon entbunden werden können. Dagegen wird so eben ein anderes Manifest bereits vom &#x201E;Courrier&#x201C;, der jetzt ganz reaktionär ist, veröffentlicht, das von einem gewissen Comité de l'Union électorale pour le département de la Seine ausgeht und in welchem es sehr naiv heißt: &#x201E;Das Comité hat durchaus keine Mission, irgend einen Einfluß auf die Wähler zu üben, noch ihnen diesen oder jenen Kandidaten aufzudringen. Sein Zweck besteht ausschließlich 1) so pünktlich und gewissenhaft als möglich die Aussichten jedes Kandidaten zu konstatiren, 2) die Vereinzelung der Bewerbungen zu hindern und die Stimmen möglichst zu centralisiren.&#x201C; Das Central-Comitè zählt 64 Mitglieder, von denen 48 für Paris, 16 für die Bannmeile bestimmt sind, welche andere Ausschüsse (Arrondissements und Sections-Comitè's) organisiren.</p>
          <p>&#x2014; Der Minister des Innern hat den Präfekten die Erlaubniß gegeben, allen Polen Freipässe und Reisegelder bis zur Grenze zu ertheilen, falls sie darum bitten, das Gebiet der französischen Republik zu verlassen. Hr. Faucher möchte sich auch der polnischen Patrioten entledigen, um einige Pfennige zu sparen. Der große Oekonom!</p>
          <p>&#x2014; Die &#x201E;Reforme&#x201C; sagt: &#x201E;Für den Augenblick ist keine Rede mehr von der Intervention irgend einer Art in die Angelegenheiten Italiens. Die fremden Diplomaten haben in dieser Hinsicht ganz positive Verhaltungsbefehle erhalten. Das geheime Motiv dieser augenblicklichen Unthätigkeit liegt in der Ungewißheit über den Ausfall der nächsten Wahlen. Entscheidet die Wahlurne zu Gunsten der Royalisten, so wird man interveniren, denn dann hält sich das Ministerium der Mehrheit sicher; entscheidet die Wahlurne zu Gunsten der Demokraten, dann wird die heilige Allianz einen Schritt zurückweichen oder ein anderes Auskunftsmittel suchen&#x2025;&#x2025; In diesem wie in vielen andern Fällen macht die Diplomatie ihre Rechnung ohne den Wirth &#x2014; das Volk!&#x201C;</p>
          <p>&#x2014; Nach Gaëta wandern bedeutende Geldsummen. Außer den Deniers des heiligen Petrus, deren Hauptcollecte in Paris stattfindet, wo sie aber sehr spärlich ausfällt, sandte der Bischof von Limoges 5000 Franken und der Bischof von Nancy 14,800 Frk an den Pabst nach Gaëta ab.</p>
          <p>&#x2014; Die Commissarien des Studenten-Banketts an der Barriere du Maine standen gestern vor Gericht. Sie baten dasselbe um Vertagung der Verhandlungen, da ihre Vertheidiger in Bourges wären. Das Gericht wollte sich jedoch auf keine Vertagung einlassen und verurtheilte die Bankett-Commissarien par defaut zu 100 frc. Geldbuße, kein Zweifel, daß die Sache später gründlich noch einmal behandelt wird.</p>
          <p>&#x2014; Der Cassationshof hat den Rekurs der &#x201E;Breamörder&#x201C; verworfen. Es bleibt letzteren also nur noch ein Gesuch an die Gnade Sr. Kaiserlichen Majestät Napoleon II. als einziger Hoffnungsstrahl übrig. Diese Niederlage in einem wichtigen Competenz-Conflikt ist dem Bourgoisfeuer des alten Dupin, den die Kammer schon oft auslachte, zuzuschreiben. Derselbe rief im Laufe der Debatte aus: &#x201E;Wenn Sie die Competenz derartigen Gerichte angreifen, so öffnen sie den scheuslichsten Verbrechern Thür und Riegel und werfen die Staatsmoral über den Haufen. Mit der Fahne der Insurrektion in der Hand, kann man dann alle Verbrechen ausüben u. s. w. u. s. w.&#x201C;</p>
          <p>Inmittelst fahren die Kriegsgerichte in der Rue du Cherche Midi fort, auch noch die letzten Categorien des Juni zu verdammen. Die Journale enthalten wieder mehrere Verurtheilungen zu längerm und kürzerm Gefängniß.</p>
          <p>&#x2014; <hi rendition="#g">National-Versammlung</hi>. Sitzung vom 9. März. Um Mittag in allen Abtheilungen großes Leben. Die Deputirten strömen herbei, um die Kommission von dreißig Gliedern zu wählen, welche die Liste für den Staatsrath (40 Mann) zu entwerfen. Vierzig neue Aemter. Die Wahlen fielen halb Poitiers, halb Palais National aus, z. B. Remusat, Dufaure, Francois Arago, Tourret, Wolowski, Goudchaux, Senard u. a. m.</p>
          <p>Um 1 1/4 Uhr eröffnet Marrast die öffentliche Sitzung.</p>
          <p>Tagesordnung: Die Schlußdebatte des Wahlgesetzes.</p>
          <p>Obgleich sie schon weit vorgerückt, hält sie doch immer noch eine Menge Zusätze zu Artikel 3 (von denjenigen Bürgern handelnd, welche kein Wahlrecht ausüben dürfen) im Vorwärtsgehen zurück. Baze hatte vorgeschlagen, den ganzen Artikel umzugießen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> liest die neue Fassung vor, welche also lautet:</p>
          <p>Artikel 3.</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Es können nicht auf die Wahllisten gesetzt werden:<lb/>
1. die zu infamanten und affliktiven Strafen verurtheilten Personen etc. etc.,<lb/>
2. diejenigen Personen, denen die Zuchtgerichte die Ausübung der bürgerlichen Rechte ausdrücklich versagten etc,<lb/>
3. die zu Gefängniß für Verbrechen laut Artel 463 des Code penal verurtheilten Bürger etc.,<lb/>
4. alle diejenigen, welche wegen Betrug, Eskrokerie, Unsitte etc. laut Artikel 334 des Code penal verurtheilt worden,<lb/>
5. für Wucher etc.,<lb/>
6. die laut Artikel 318 und 423 desselben Codex Verurtheilten.<lb/>
7. die Interdizirten (Blödsinnigen).<lb/>
8. die concordirten Fallirten.</p>
          <p>Diese Fassung wird von Neuem lebhaft besprochen und geht endlich durch, jedoch mit folgendem Nachsatze:</p>
          <p rendition="#et">9 Von den im § 3 ausgesprochenen Ausschließungen sind die wegen politischer Verbrechen und Verwundungen oder Schlägereien Verurtheilten ausdrücklich ausgenommen, es wäre denn, daß die Einstellung im Urtel ausrücklich vermerkt sei.</p>
          <p>Nach einiger Debatte angenommen.</p>
          <p>Der Gesammtartikel wäre erledigt. (Stimmen links: (Endlich, endlich!)</p>
          <p>Die Versammlung kehrt nun zu Artikel 62 zurück, bis wohin die Debatte kein Interesse bietet.</p>
          <p>Die Artikel rollen rasch nacheinander.</p>
          <p>Artikel 76, von den Incompatibilitäten unter den Wählbaren handelnd, gab zu einigen Incidenzien Veranlassung.</p>
          <p>Er lautet:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Es können nicht zu Volksvertretern gewählt werden:<lb/>
1. die zu affliktiven und infamirenden Strafen Verurtheilten u. s. w.,<lb/>
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6. die Contumazirten,<lb/>
7. die Interdizirten,</p>
          <p>(Hier erinnerte Freslon an Mortier und verlangte Streichung, fiel aber durch).</p>
          <p rendition="#et">8. die wegen Ehebruch Verurtheilten,</p>
          <p>(Hier erhoben sich Heckeren und Faucher auf der Ministerbank zur Gegenprobe, was allgemeines Gelächter verursachte).</p>
          <p rendition="#et">9. die nicht rehabilitirten Fallirten.</p>
          <p>Seit zwanzig Jahren wurden im Seinedepartement neun rehabilitirt.</p>
          <p>Die Debatte wurde abgebrochen und die Sitzung um 6 Uhr geschlossen.</p>
          <p>&#x2014; <hi rendition="#g">National-Versammlung</hi>. Sitzung vom 10. März. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast.</p>
          <p>Im Konferenzsaale geht das Gerücht, daß unter den Eisenbahnarbeitern zwischen Auron (einem Dorfe) und Nevers ernste Unruhen ausgebrochen seien, die aber durch das Herbeieilen einer starken Kavallerieabtheilung aus Bourges, wo jetzt das Nationalgericht sitzt, beigelegt worden seien.</p>
          <p>Unter diesen peniblen Gefühlen eröffnete Marrast um 1 1/2 Uhr die Sitzung.</p>
          <p>An der Tagesordnung ist die dritte Debatte des Wahlgesetzes. Man war bis zum Artikel 76, Absatz 8 vorgerückt, welcher lautet:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Ebenso dürfen nicht stimmen diejenigen, welche wegen Ehebruchs verurtheilt worden sind&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Thomine Desmazures</hi> stellt den Antrag, diesen Ausschluß nur auf diejenigen Ehebrecher ausdehnen, deren Verdikt im Urtheile ausdrücklich vermerkt sei</p>
          <p>Nach ziemlichem Lärmen wird dieser Antrag mit 375 gegen 291 Stimmen verworfen.</p>
          <p>Die Debatte rückt dann ohne erhebliches Interesse bis zum Artikel 82 (immer nur von den Inkompatibilitäten handelnd) weiter.</p>
          <p><hi rendition="#g">Frederic Bastiat</hi> schlägt zu Artikel 81 den Zusatz vor:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Kein Mitglied der National-Versammlung darf zu einem bezahlten Staatsamt berufen werden, namentlich nicht zum Amt eines Ministers.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Lamartine</hi> erhebt sich, um ihn zu bekämpfen. Keine hohe Kapazität würde sich mehr zum Deputirten wählen lassen, weil sie eines Tags auf den ersten Posten aspiriren könnte, um das Vaterland zu retten. (Oh! Oh!) Dann würde zweitens eine Art Mißachtung auf den Ministern liegen, weil sie nicht dem Schoße der Versammlung angehören. Der Redner beruft sich auf eine Masse von Beispielen aus der Geschichte.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bastiat</hi> stotternd und nichts weniger als Redner, erwidert mit dünner Stimme, daß eine Kapazität ihr Volksvertretermandat ja ohnedies niederlege, sobald sie zum Minister ernannt worden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Kerdrel</hi> erscheint mit einem Follianten auf der Bühne und verlangt das Wort für einen Appell an die Verfassung. (Ah! Ah!) Er will vorlesen. (Lärm.)</p>
          <p>Stimmen: Lesen Sie! Lesen Sie!</p>
          <p><hi rendition="#g">Kerdrel</hi>: Es ist nicht die Verfassung, sondern eine Stelle aus dem Rapport, die ich verlesen will. (Oh! Oh!)</p>
          <p>Der Redner wird nach vergebenen Redeversuchen durch den Lärm zum Abzug genöthigt und der Zusatz an den Ausschuß gewiesen.</p>
          <p>Schluß 6 1/4 Uhr.</p>
          <p>
            <ref type="link"> <hi rendition="#b">Hierzu eine Beilage.</hi> </ref>
          </p>
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</TEI>
[1356/0004] munismus bezeichnet; außerdem, heißt es, war er Mitglied des dirigirenden Komités der geheimen Gesellschaften mit Caussidiére, Grandmen und Delahodde. Er hat einen großen Antheil an der Februar-Revolution genommen, was ihm natürlich im Anklageakt schon vornherein als ein Verbrechen ausgelegt wird und war Mitglied der provisorischen Regierung, sowie Vicepräsident der Commission der Arbeiter in Luxenburg. Schon am 16. April soll er sich sehr betheiligt haben bei der Manifestation, die auf ihre Fahne die Inschrift trug: Abschaffung der Exlokation des Menschen durch den Menschen. In der letzten Sitzung der Arbeiterdeleguirten im Luxenburg soll Louis Blanc sich folgender Maßen geäußert haben: Meine Freunde, wenn ihr Waffen habt, haltet sie geladen, wenn man kömmt, um sie wiederzunehmen, gebt sie nicht heraus; behaltet sie wohl. Die Reaktion schreitet in großen Schritten daher, und bald könnte der Augenblick kommen, wo ihr genöthigt sein werdet, von ihnen Gebrauch zu machen. Dann stellte er ihnen Albert als seinen Freund vor und am Schlusse der Sitzung soll denn Albert oder Blanc gesagt haben: Haltet euch ruhig; denn bald werden wir hier zum Luxenburg zurückkommen als die Herrn und Meister. Der Anklage-Akt sucht hinrauf nachzuweisen, daß die Manifestation vom 18. Mai die Verwirklichung dieses ausgesprochenen Gedankens beabsichtigte. Verfolgte man aber dieses wahrhaft blödsinnig ausgearbeitete Aktenstück bis auf die kleinsten Details, so geht weiter nichts aus demselben hervor, als die Absicht, nachzuweisen, daß der 15. Mai schon vor dem 24. Februar ausgesonnen worden sei. Der 15. Mai war eine strafbare Handlung: Recht! der 24. Februar war eine Eskamotage. auch Recht! Aber am 24. Februar war die Eskamotage eine gesetzmäßige konstituirte Gewalt geworden. Den 24. Februar darf man also nicht angreifen: man greift den 15. Mai an, der von denselben Männern provozirt worden, die den 24. Februar herbeigeführt hatten, und will auf diese indirekte Weise die Februar-Revolution verdächtigen. Was wird dem Albert vorgeworfen? Albert befand sich unter den „Aufrührerischen“ nicht wie gewöhnlich, im schwarzen Frack und weißer Weste; sondern mit einem Paletot und einem Arbeiterhute. Seit wann ist denn der schwarze Frack und die weiße Weste die „gewöhnliche“ Kleidung Alberts geworden? doch offenbar erst, seitdem er Mitglied der provisorischen Regierung geworden; seit dem 24. Februar, wo es für unpaßlich befunden war, daß Albert, der Arbeiter, als Mitglied der provisorischer Regierung in seiner „gewöhnlichen“ Kleidung, der Arbeiter-Bluse und dem Arbeiter-Hute erschien. Wie der Arbeiter-Hut aussieht, wissen wir nicht, jedenfalls war der Paletot, den er am 15. Mai anhatte noch keine Bluse. Und wenn er wirklich die Blouse getragen hätte, warum sucht man denn die scharfe Gränzlinie zwischen der Blouse und dem Frack zu ziehen, gerade am 15. Mai, da doch am 24. Februar die Blouse eben der Frack geworden? Weiter! die 200,000, die nach der Kammer friedlich ziehen, werden Aufrührerische genannt, bevor sie in die Kammer gedrungen. Wann sind denn die Petitionäre zuerst Aufrührerische geworden? Doch offenbar, als sie in die Kammer gedrungen. Wer hat ihnen den Eingang zur Kammer eröffnet? Die National- und Mobilgarde, die damals unter dem Kommando von Courtais stand, der, beiläufig gesagt, damals soviel war, als jetzt Changarnier: also die bewaffnete Macht der Revolution. Die Februar-Revolution war am 24. Mai auf ihren Ursprung zurückgegangen. Aber nein, heißt es, Courtais ist ein Verräther, Albert ein Aufrührerischer; wir erkennen die Revolution vom 24. Februar zwar an, aber wir erkennen die Männer dieser Revolution nicht an; wir wollen die Revolution ohne die Revolutionäre. Albert steht vor dem Gitter, heißt es im Anklage-Akt; 6 bis 7 Männer stehen um ihn; er will als Volksrepräsentant in die Kammer dringen. Da sperrt ihm Lamartine den Weg, und Albert soll nun die Verwegenheit gehabt haben, sich folgender Maßen zu äußern: „Bürger Lamartine, Sie mögen ein großer Dichter sein, aber als Staatsmann haben Sie einmal unser Zutrauen nicht. — Es ist lange genug her, daß Sie schöne Worte und schöne Phrasen in der Versammlung hersagen, aber damit läßt sich das Volk nicht mehr abspeisen; es will selbst der Versammlung seine Wünsche vortragen.“ Albert soll nachher mit einem gewissen Grégoire zusammengestoßen sein, den er vom 24. Februar her erkennt. Dieser Grégoire erinnert den Albert daran, wie er eben am 24. Februar der provisorischen Regierung beigestanden habe, daß sie nicht aus den Fenster herausgeworfen wurde, „Heute, erwidert Albert, habe ich Leute genug, um die ganze Kammer herauszuwerfen.“ Grégoire gibt, immer dem Anklageakte zufolge, gute Ermahnungen, von einem solchen Vorhaben abzustehn; da tritt ein Capitain der Artillerie hinzu und sagt zu Albert: He, Kamerad, hast du Furcht? Vorwärts! Albert, durch diese Worte ermuntert, dringt vorwärts, und ein anderer Deputirter, Avond, will gehört haben, wie er auf gewisse Bemerkungen, die ihm von Ledru-Rollin gemacht wurden, geantwortet hat: Oh, Eure traurige Kammer; in einer halben Stunde soll sie haben, was sie verdient!“ Geht nicht offenbar hieraus hervor, daß man den 15. Mai mit dem 24. Februar in Verbindung bringen will, und daß man den 24. Februar eben so klein darzustellen sucht, als man den 15. Mai in seiner Wahrheit als wahrhaft groß schildert? Der Anklageakt läßt Albert nochmals mit Grégoire zusammenkommen; aber dieses Mal in der Kammer selbst, wo Albert auf der Bank der Sekretäre gesessen und nach Branntwein gerochen haben soll! Die ganze Gemeinheit der Anklage-Akten und des erkauften Grégoire geht schon aus dieser Stelle zur Genüge hervor. Ein andrer Zeuge will gehört haben, wie einer der Aufrührischen zu Albert gekommen und ihm gesagt hat: „Sie wissen, wir haben Waffen!“ — worauf Albert geantwortet habe: „nicht für heute; das ist erst der erste Akt.“ Ferner soll Albert noch gesagt haben zu den ihn Umgebenden: „die Sache ist fertig!“ Der Hauptpunkt, worauf sich der Anklageakt stützt, ist der, daß Albert's Namen sich auf allen Listen vorgefunden habe. — 4) Der vierte Angeklagte, Louis Blanc, ist abwesend. Was ihm vor dem 25. Mai vorgeworfen wird, ist das ungewöhnliche Vertrauen, daß die Arbeiter zu ihm gefaßt; und wie hat er das Vertrauen erworben? Durch Schmeicheleien, die er den Arbeitern gesagt! Und wo nimmt der Anklageakt diese Schmeicheleien her? Aus der Rede, die Louis Blanc bei Gelegenheit seiner Wahl als Volksrepräsentant gehalten! Die anderweitigen Verbrechen Blancs vor dem 15. Mai sind 1) der 16. April, wo er den Arbeitern gesagt hat, daß seit dem 24. Februar die Macht dem Volke allein gehört, 2) der 28. Februar, wo Blanc als Präsident der Kommission der Arbeiter im Luxembourg ernannt ward. 3) der 24. Februar, wo er erst Sekretär, dann Mitglied der provisorischen Regierung ward. „Am 14. Mai, heißt es weiter, war eine Zusammenkunft bei Blanc; Albert und Blanc wohnten ihr bei. Alles, was man von dieser Zusammenkunft weiß, ist, daß man von der morgenden Manifestation in einer Weise sprach, die geeignet war, wenigstens Besorgnisse zu erregen?“ „Vor dem Café Veron, wo er am 15. Mai frühstückte, zog eine Colonne von 200 Mann vorbei mit dem Rufe: „es lebe Louis Blanc!“ Als das Volk schon in die Kammer gedrungen, war Louis Blanc es, der vom Präsidenten die Autorisation nachsuchte, das Volk zu haranguiren, um es von Gewalthätigkeiten abzuhalten. Der Anklageakt gibt dieses Alles zu, aber er rechnet ihm seinen Einfluß auf das Volk zum Verbrechen an. Hierdurch allein ward es dem Präsidenten Buchez möglich, feiger Weise zu entfliehen. Die Worte, die er nach demselben Aktenstücke zum Volke gesprochen, sind: „Das Recht der Petition ist ein heiliges Recht; dieses Recht hat das Volk wieder erobert. Man will, daß das Volk leben kann; ich will, daß es derselben Wohlfahrt theilhaftig wird, welche jetzt nur einer privilegircen Klasse angehört.“ Das Volk trug Louis Blanc im Triumphe in den Saal des Pas-perdus und ließ ihn hoch leben. „Mich nicht laßt hoch leben, sondern die Republik“, erwiderte Louis Blanc. „Welche Republik?“ — „Die demokratisch-soziale Republik“, war die Antwort Blanc's. Er wird im Triumpfe in die Kammer zurückgetragen, im Augenblicke, wo Hubert erklärte, daß die Kammer aufgelöst sei. Von der Kammer ging, wie bekannt, der Zug nach dem Stadthause. Im Augenblicke, wo er an's Gitter tritt, sagt der Anklageakt, treten ihm die National- und Mobilgarde entgegen, und machen feindliche Demonstrationen. Louis Blanc zieht sich zurück und entspringt durch den Garten der National-Kammer. Er trifft den Wagen eines Weinhändlers Lemaigne, der sich erbietet, ihn nach Bercy zu fahren. Blanc besteht darauf, sich nach dem Stadthause zu begeben, um einen „Bürgerkrieg zu vermeiden“, und der Anklageakt bestrebt sich, seine Anwesenheit mit Barbés und Albert daselbst darzuthun. Was die feindseligen Demonstrationen der National- und Mobilgarde betrifft, so sind diese offenbar wieder eine Erfindung der Regierung, um der bereits ohne Widerstand aufgelösten Kammer den Anschein einer Sympathie von außen zu retten. Diese Sympathie existirte am 15. Mai um so weniger, als die Mobilgarde es eben war, welche dem Volke den freien Eingang zu der Kammer eröffnet, während die Nationalgarde mit abgenommenen Bajonets ruhig zusah. Was den übrigen Theil der Anklage betrifft, so ist dieser bereits damals schon in der Kammer widerlegt worden, als es sich darum handelte, Louis Blanc und Caussidiere in den Anklagezustand zu versetzen. Marrast war damals einen ganzen Tag lang der Mann des Tages: er hatte gegen Louis Blanc und Caussidiere, seinen alten Kollegen in der provisorischen Regierung, gestimmt, und war dadurch in den Augen der Bourgeoisie ungemein gestiegen; er hatte auf die Verhaftung desjenigen Mannes angetragen, der am meisten gefürchtet wurde, weil er die Arbeiter alle hinter sich hatte. Marrast hoffte damals wenigstens Vicepräsident in der Republik zu werden; und es bleibt jetzt zweifelhaft, ob er es zum Deputirten für die neue Kammer bringen wird. (Fortsetzung folgt.) 17 Paris, 10. Febr. Gestern deponirte der Volksvertreter Gambon vier Bittschriften in der Kammer, in deren erster viele Leute in Nevers Rückzahlung der Milliarde „seitens aller Emigrirten und Junker, die gegen das Vaterland fochten“, erheischen. Die zweite Petition will das Ministerium in Anklage versetzen, weil es „frech und gesetzhöhnend das hochheilige Versammlungsrecht beschränkt.“ Die dritte und vierte Petition kommt aus der Gemeinde Bury, im Kanton Mony des Departements L'Oise, diese braven Bauern fordern nichts mehr als primo sofortige Rückzahlung der „ihren Vätern gestohlenen“ Tausend Millionen, und secundo sofortige Anerkennung der römischen Republik, „alldieweilen dem heiligen Vater zwar geistliche, aber nicht die allermindeste weltliche, ökonomische politische oder geographische Macht irgend welches Grades“ gebührt. — „Da haben wirs“, heulen die jesuitischen Anbeter des Dalai-Lama Henri V. Bourbon. Die „Union“, eines ihrer Hauptblätter, klappert nicht blos, sondern fletscht heute auch mit den Zähnen. Sie droht, die — Kosaken ständen nahe am adriatischen Meere. Noch öfter und lauter so gedroht: und hoch aufschießen werden, gleich Pilzen, über Nacht die Riesengalgen, woran die Arbeiter schockweise euch aufknüpfen. Der Präsident Louis Bonaparte ist viel nützlicher als Cavaignac für die Volkszukunft. „Der Prinz“ Louis Bonaparte ist ein Söhnchen der sehr liebenswürdigen Königin Hortensia von Holland (geb. Demoiselle Beauharnais) und des Generals Flahaut, ihres Hofkavaliers, denn der König Louis Bonaparte von Holland liebte sie nicht. Das ist erwiesen. Und die Aehnlichkeit des Präsidenten mit dem holzköpfigen, albernen Flahaut! Bekanntlich hat der Kaiser wüthende Auftritte gerade wegen dieses miserabeln Bengels, der jetzt als 40jähriger, wenn gleich „keinem Schwaben ähnelnder“ Tropf auf dem Präsidentenstuhl sich reckt und streckt, mit Louis Bonaparte gehabt, die zum Theil Letzteren veranlaßten, die Krone niederzulegen und sich mit Botanisiren und Unterhaltungen mit Goethe abzugeben. Der Präsident hat den enormen Vortheil vor Cavaignac, sich nicht blos in den Tod verhaßt und auf _ verächtlich, sondern auch beispiellos lächerlich zu machen. Letzteres wäre dem Cavaignac schwerlich gelungen. Aber wer «ridicule» in Frankreich wird, der „bricht sich selber alle Zähne und Krallen aus,“ sagt ein altes, provenzalisches Sprichwort. Und es hat Recht. Sollte man es für möglich halten: dieser miserable Bursche, den man Louis Bonaparte nennt, erfrechte sich kürzlich, bei einer Revue der Invaliden, dem alten Napoleonsadjudanten, General Petit, die Hand zu drücken und zu brüllen: „Mein Oheim ergriff Ihre Hand bei seiner letzten Revue, ich ergreife sie bei meiner ersten!“ Zu Seiten aller dieser Miserabilitäten geht der „riesige Elephant“, wie das Volk neulich im „Siècle“ hieß, unaufhaltsam vorwärts. Die Freunde dieses Elephanten, er weiß es, sitzen jetzt zu Bourges vor den 38 Geschworenen, den „hohen“ Geschworenen, wie sie sich betiteln, lauter „hohe“ Advokaten, Bankluchse, Börsenwölfe, Eisenbahnfüchse, Großgrundbesitzer. Paris, 10. März. Der Moniteur enthält ein auf Schiffspässe bezügliches Rundschreiben der Douanen-Administration, eine Liste von Ehren-Legions-Ordens-Ernennungen und einige Dutzend neuer Friedensrichter. — Coralli und Trelut sind vor die Assisen zu Poitiers, Recurt, Durrien, Bertraud u. A. vor die Nationalassisen in Bourges als Zeugen geladen. Wenn das so fortgeht, wird die Nationalversammlung bald sehr gelichtet sein. — Die h. Dreifaltigkeit der Rue de Poitiers redigirt immer noch an ihrem Wahlmanifest und hat bis heute noch nicht davon entbunden werden können. Dagegen wird so eben ein anderes Manifest bereits vom „Courrier“, der jetzt ganz reaktionär ist, veröffentlicht, das von einem gewissen Comité de l'Union électorale pour le département de la Seine ausgeht und in welchem es sehr naiv heißt: „Das Comité hat durchaus keine Mission, irgend einen Einfluß auf die Wähler zu üben, noch ihnen diesen oder jenen Kandidaten aufzudringen. Sein Zweck besteht ausschließlich 1) so pünktlich und gewissenhaft als möglich die Aussichten jedes Kandidaten zu konstatiren, 2) die Vereinzelung der Bewerbungen zu hindern und die Stimmen möglichst zu centralisiren.“ Das Central-Comitè zählt 64 Mitglieder, von denen 48 für Paris, 16 für die Bannmeile bestimmt sind, welche andere Ausschüsse (Arrondissements und Sections-Comitè's) organisiren. — Der Minister des Innern hat den Präfekten die Erlaubniß gegeben, allen Polen Freipässe und Reisegelder bis zur Grenze zu ertheilen, falls sie darum bitten, das Gebiet der französischen Republik zu verlassen. Hr. Faucher möchte sich auch der polnischen Patrioten entledigen, um einige Pfennige zu sparen. Der große Oekonom! — Die „Reforme“ sagt: „Für den Augenblick ist keine Rede mehr von der Intervention irgend einer Art in die Angelegenheiten Italiens. Die fremden Diplomaten haben in dieser Hinsicht ganz positive Verhaltungsbefehle erhalten. Das geheime Motiv dieser augenblicklichen Unthätigkeit liegt in der Ungewißheit über den Ausfall der nächsten Wahlen. Entscheidet die Wahlurne zu Gunsten der Royalisten, so wird man interveniren, denn dann hält sich das Ministerium der Mehrheit sicher; entscheidet die Wahlurne zu Gunsten der Demokraten, dann wird die heilige Allianz einen Schritt zurückweichen oder ein anderes Auskunftsmittel suchen‥‥ In diesem wie in vielen andern Fällen macht die Diplomatie ihre Rechnung ohne den Wirth — das Volk!“ — Nach Gaëta wandern bedeutende Geldsummen. Außer den Deniers des heiligen Petrus, deren Hauptcollecte in Paris stattfindet, wo sie aber sehr spärlich ausfällt, sandte der Bischof von Limoges 5000 Franken und der Bischof von Nancy 14,800 Frk an den Pabst nach Gaëta ab. — Die Commissarien des Studenten-Banketts an der Barriere du Maine standen gestern vor Gericht. Sie baten dasselbe um Vertagung der Verhandlungen, da ihre Vertheidiger in Bourges wären. Das Gericht wollte sich jedoch auf keine Vertagung einlassen und verurtheilte die Bankett-Commissarien par defaut zu 100 frc. Geldbuße, kein Zweifel, daß die Sache später gründlich noch einmal behandelt wird. — Der Cassationshof hat den Rekurs der „Breamörder“ verworfen. Es bleibt letzteren also nur noch ein Gesuch an die Gnade Sr. Kaiserlichen Majestät Napoleon II. als einziger Hoffnungsstrahl übrig. Diese Niederlage in einem wichtigen Competenz-Conflikt ist dem Bourgoisfeuer des alten Dupin, den die Kammer schon oft auslachte, zuzuschreiben. Derselbe rief im Laufe der Debatte aus: „Wenn Sie die Competenz derartigen Gerichte angreifen, so öffnen sie den scheuslichsten Verbrechern Thür und Riegel und werfen die Staatsmoral über den Haufen. Mit der Fahne der Insurrektion in der Hand, kann man dann alle Verbrechen ausüben u. s. w. u. s. w.“ Inmittelst fahren die Kriegsgerichte in der Rue du Cherche Midi fort, auch noch die letzten Categorien des Juni zu verdammen. Die Journale enthalten wieder mehrere Verurtheilungen zu längerm und kürzerm Gefängniß. — National-Versammlung. Sitzung vom 9. März. Um Mittag in allen Abtheilungen großes Leben. Die Deputirten strömen herbei, um die Kommission von dreißig Gliedern zu wählen, welche die Liste für den Staatsrath (40 Mann) zu entwerfen. Vierzig neue Aemter. Die Wahlen fielen halb Poitiers, halb Palais National aus, z. B. Remusat, Dufaure, Francois Arago, Tourret, Wolowski, Goudchaux, Senard u. a. m. Um 1 1/4 Uhr eröffnet Marrast die öffentliche Sitzung. Tagesordnung: Die Schlußdebatte des Wahlgesetzes. Obgleich sie schon weit vorgerückt, hält sie doch immer noch eine Menge Zusätze zu Artikel 3 (von denjenigen Bürgern handelnd, welche kein Wahlrecht ausüben dürfen) im Vorwärtsgehen zurück. Baze hatte vorgeschlagen, den ganzen Artikel umzugießen. Marrast liest die neue Fassung vor, welche also lautet: Artikel 3. „Es können nicht auf die Wahllisten gesetzt werden: 1. die zu infamanten und affliktiven Strafen verurtheilten Personen etc. etc., 2. diejenigen Personen, denen die Zuchtgerichte die Ausübung der bürgerlichen Rechte ausdrücklich versagten etc, 3. die zu Gefängniß für Verbrechen laut Artel 463 des Code penal verurtheilten Bürger etc., 4. alle diejenigen, welche wegen Betrug, Eskrokerie, Unsitte etc. laut Artikel 334 des Code penal verurtheilt worden, 5. für Wucher etc., 6. die laut Artikel 318 und 423 desselben Codex Verurtheilten. 7. die Interdizirten (Blödsinnigen). 8. die concordirten Fallirten. Diese Fassung wird von Neuem lebhaft besprochen und geht endlich durch, jedoch mit folgendem Nachsatze: 9 Von den im § 3 ausgesprochenen Ausschließungen sind die wegen politischer Verbrechen und Verwundungen oder Schlägereien Verurtheilten ausdrücklich ausgenommen, es wäre denn, daß die Einstellung im Urtel ausrücklich vermerkt sei. Nach einiger Debatte angenommen. Der Gesammtartikel wäre erledigt. (Stimmen links: (Endlich, endlich!) Die Versammlung kehrt nun zu Artikel 62 zurück, bis wohin die Debatte kein Interesse bietet. Die Artikel rollen rasch nacheinander. Artikel 76, von den Incompatibilitäten unter den Wählbaren handelnd, gab zu einigen Incidenzien Veranlassung. Er lautet: „Es können nicht zu Volksvertretern gewählt werden: 1. die zu affliktiven und infamirenden Strafen Verurtheilten u. s. w., 2. die, denen die Zuchtgerichte die Ausübung der bürgerlichen Rechte nahmen. 3. die laut Artikel 463 des Code penal Verurtheilten, 4. die wegen Diebstahl, Schwindelei, Mißbrauch des Vertrauens u. s. w. Verurtheilten, 5. die Wucherer, 6. die Contumazirten, 7. die Interdizirten, (Hier erinnerte Freslon an Mortier und verlangte Streichung, fiel aber durch). 8. die wegen Ehebruch Verurtheilten, (Hier erhoben sich Heckeren und Faucher auf der Ministerbank zur Gegenprobe, was allgemeines Gelächter verursachte). 9. die nicht rehabilitirten Fallirten. Seit zwanzig Jahren wurden im Seinedepartement neun rehabilitirt. Die Debatte wurde abgebrochen und die Sitzung um 6 Uhr geschlossen. — National-Versammlung. Sitzung vom 10. März. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Im Konferenzsaale geht das Gerücht, daß unter den Eisenbahnarbeitern zwischen Auron (einem Dorfe) und Nevers ernste Unruhen ausgebrochen seien, die aber durch das Herbeieilen einer starken Kavallerieabtheilung aus Bourges, wo jetzt das Nationalgericht sitzt, beigelegt worden seien. Unter diesen peniblen Gefühlen eröffnete Marrast um 1 1/2 Uhr die Sitzung. An der Tagesordnung ist die dritte Debatte des Wahlgesetzes. Man war bis zum Artikel 76, Absatz 8 vorgerückt, welcher lautet: „Ebenso dürfen nicht stimmen diejenigen, welche wegen Ehebruchs verurtheilt worden sind“ Thomine Desmazures stellt den Antrag, diesen Ausschluß nur auf diejenigen Ehebrecher ausdehnen, deren Verdikt im Urtheile ausdrücklich vermerkt sei Nach ziemlichem Lärmen wird dieser Antrag mit 375 gegen 291 Stimmen verworfen. Die Debatte rückt dann ohne erhebliches Interesse bis zum Artikel 82 (immer nur von den Inkompatibilitäten handelnd) weiter. Frederic Bastiat schlägt zu Artikel 81 den Zusatz vor: „Kein Mitglied der National-Versammlung darf zu einem bezahlten Staatsamt berufen werden, namentlich nicht zum Amt eines Ministers.“ Lamartine erhebt sich, um ihn zu bekämpfen. Keine hohe Kapazität würde sich mehr zum Deputirten wählen lassen, weil sie eines Tags auf den ersten Posten aspiriren könnte, um das Vaterland zu retten. (Oh! Oh!) Dann würde zweitens eine Art Mißachtung auf den Ministern liegen, weil sie nicht dem Schoße der Versammlung angehören. Der Redner beruft sich auf eine Masse von Beispielen aus der Geschichte. Bastiat stotternd und nichts weniger als Redner, erwidert mit dünner Stimme, daß eine Kapazität ihr Volksvertretermandat ja ohnedies niederlege, sobald sie zum Minister ernannt worden. Kerdrel erscheint mit einem Follianten auf der Bühne und verlangt das Wort für einen Appell an die Verfassung. (Ah! Ah!) Er will vorlesen. (Lärm.) Stimmen: Lesen Sie! Lesen Sie! Kerdrel: Es ist nicht die Verfassung, sondern eine Stelle aus dem Rapport, die ich verlesen will. (Oh! Oh!) Der Redner wird nach vergebenen Redeversuchen durch den Lärm zum Abzug genöthigt und der Zusatz an den Ausschuß gewiesen. Schluß 6 1/4 Uhr. Hierzu eine Beilage.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 244. Köln, 13. März 1849, S. 1356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz244_1849/4>, abgerufen am 23.11.2024.