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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 251. Köln, 21. März 1849.

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vorstehenden Mißernte, die Fruchtpreise bedeutend in die Höhe gehen würden und es verstand sich daher von selbst, daß sie als echte Engländerin sofort den Entschluß faßte, sich zu verlieben, um Sie noch zur rechten Zeit zu der Thorheit einer ehelichen Verbindung zu verleiten.

Die Ehe ist in England eine Geschäftssache, welche man so rasch und so rund als nur möglich abzuthun pflegt und wenn man der Liebe noch keinen besondern Platz auf der Börse anwies, unterblieb dies nur deswegen, weil man bisher derglerichen geringfügige Geschichten en passant abmachte und sie mehr unter die Rubrik der Spekulationen brachte, welche ganz im Stillen und ohne viel Geräusch behandelt werden wollen.

Die englischen Arbeiter machen einzig und allein eine Ausnahme in dem Geschäftsabschluß der Ehe. Es liegt auf der Hand, daß diese armen Leute sich nur durch den Frühling, durch einen singenden Vogel, oder durch eine hübsche Blume zur Liebe hinreißen lassen, denn die Konsequenzen ihrer ehelichen Verbindungen kommen nicht in Pfunden Sterling, sondern nur in jenen hungrigen Kindern zum Vorschein, deren Sterblichkeit, wie bekannt, nach einer schlechten Ernte, oder nach einer Handelskrise, um 25 bis 30 Prozent über die Summe des gewöhnlichen Todtenzettels hinauszusteigen pflegt.

Die Aristokratie verheirathet sich in England, um ihre Race fortzupflanzen; die Mittelklasse sucht ein Zinsengeschäft zu machen und der Arbeiter nimmt ein Weib, damit ein gleichgestimmtes Wesen seine Noth und seine Langeweile theile, denn man langweilt sich jedenfalls weniger zu zweien als allein.

Aus diesem Grunde bin ich gegen jede Ehe!

Ostern und Pfingsten sind die Zeitpunkte, wo namentlich die englischen Arbeiter ihre Ehen schließen. Es ist nicht selten, daß man dann vierzig bis sechszig Paare vor den verschiedenen Kirchenthüren einer Fabrikstadt antrifft. Die heirathslustigen Männer, junge Burschen von 18 bis 22 Jahren, haben sich so hübsch als möglich herausgeputzt. Ihre Bräute tragen schwarze Merinokleider und ein schneeweißes wollenes Tuch darüber. Beiläufig bemerkt, unterscheiden sich die Fabrikarbeiterinnen in ihrer Kleidung sehr von den weiblichen Dienstboten. Während die erstern nämlich im gewöhnlichen Leben alle Farben, und an ihrem Hochzeitstage schwarz tragen, kleiden sich die Dienstboten, namentlich die der wohlhabendern Familien, fast durchgängig violett, eine Farbe, die sich sehr hübsch macht, besonders im Gegensatze zu dem schneeweißen englischen Teint des Halses und des Busens, der bei dem tiefen Einschnitt der Kleider stets Gelegenheit hat, sich dem Auge des aufmerksamen Beobachters in seinen vortheilhaftesten Formen zu zeigen.

Ist die Ehe kirchlich eingesegnet, so ziehen die Neuvermählten, ein Paar hinter dem andern, durch die Stadt, um nach einem schnellbeendigten Mittagessen gemeinschaftlich eine Hochzeitsreise in die nächsten Felder oder auf die umliegenden Hügel zu unternehmen, wo man sie in dem geselligsten Zusammensein bis gegen Abend durch Spielen, Tanzen und Singen ihren Hochzeitstag feiern sieht.

Wie die englischen Arbeiter in fast Allem, was sie thun und treiben, aus der gewöhnlichen guten Sitte der steifen Mittelklasse heraustreten, so zeichnen sie sich auch durch diese massenhaftere und deswegen viel interessantere Hochzeitsfeier vor den übrigen Klassen der Gesellschaft vortheilhaft aus. Statt eines einzigen frisch vermählten Paares, das von seiner Umgebung mit dummen Glossen und mit abgenutzten Witzen umringt wird, begehen die Arbeiter in Gesellschaft den Tag der ersten Liebe und der Himmel ist auch fast immer so gefällig, die kurze Feier mit seiner Oster- oder Pfingstsonne auf's freundlichste zu begünstigen.

In früheren Jahren dehnten Neuvermählte fast nie ihre Hochzeitsreisen weiter als auf den Besuch der nächsten Felder aus. Erst seit die Eisenbahnen den Verkehr erleichtert haben, unternehmen sie auch Touren nach den benachbarten Städten und Dörfern. Von einer solchen Reise hatte ich neulich das komischste Beispiel. Tom Holmes, ein Fabrikarbeiter, liebte nämlich Mary Ann Wilson, das Dienstmädchen einer vornehmen Kaufmannsfamilie in Manchester. Der Frühling kam und Tom bestand darauf, daß man Hochzeit halte. Mary Ann mußte sich daher am Sonntag für einige Stunden Urlaub ausbitten; man ging zur Kirche und ließ sich kopuliren. Leider waren aber so viele Brautleute vor Tom und Mary Ann eingeschrieben, daß unser junges Paar fast drei Stunden auf seinen Segen warten mußte. Von den vier Stunden, welche Mary Ann Urlaub erhalten hatte, blieb daher nach dem Schluß der kirchlichen Feier nur noch eine Stunde übrig. Es war nun zu spät, eine beabsichtigte Eisenbahntour nach Liverpool zu machen und Mary Ann schlich zur bestimmten Stunde wieder zurück in das Haus ihrer Herrschaft. Traurig langweilig traf ich das arme Mädchen hier an. Den Kopf auf die Hand gestützt und die hellen Thränen im Auge, saß das verlassene Kind in dem stillen Zimmer der Küche und begriff eigentlich nicht recht, weßhalb man nur deßwegen heirathe, um sich gleich wieder von seinem Manne zu trennen. Da tritt die Dame des Hauses vor ihre Magd. Sie sieht, daß das schöne Mädchen geweint hat, und sie erkundigt sich nach der Ursache ihres Kummers. Mary Ann will lange Zeit nicht mit der Sprache heraus, zuletzt gesteht sie, daß Tom es "nicht länger habe aushalten können", daß sie geheirathet hätten und daß der Urlaub leider nur gerade für die Kirchenfeier ausgereicht habe, und daß Tom, da sie gezwungen gewesen sei, nach Hause zurückzukehren, nun "allein" die beabsichtigte Hochzeitsreise nach Liverpool unternommen habe, von der er hoffentlich zurückkehren werde, um dann später einmal seine Frau wiederzusehen.

Die Göttin der Langenweile schwieg. "Diese Heirath scheint also weder aus Spekulation noch aus Vergnügen unternommen worden zu sein? "setzte ich hinzu. "Ja, nicht einmal die Fruchtpreise wurden dabei berücksichtigt. --"

"Tom konnte es nicht länger aushalten," wiederholte die Göttin und der graue Spleen meinte, daß er sehr wahrscheinlich in dieser Geschichte ein bedeutendes mitgespielt habe. [Fortsetzung]

(Forts. folgt.)

[Deutschland]

[Fortsetzung] Die Mißhandelten gaben keinen Laut von sich. Nun wollen wir annehmen, daß dieselben sich gegen die Anordnungen der Polizei vergangen, dann hätten 2 Mann hingereicht, sie zu arretiren; aber mit Kolbenstößen einem am Boden liegenden wehrlosen Menschen begreiflich machen, daß er am 18. März nicht über die Straße gehen darf, das ist ungesetzlich, das ist roh und brutal. Diesen Akt der rohesten Gewalt haben wir selbst zugesehen. Erzählen haben wir gehört, daß Polizisten und Soldaten die unschuldigsten Menschen von der Welt verwundet haben.

(D. Z.)
149 Irlich, 19. März.

Der seit einiger Zeit hier bestehende demokratische Verein beging gestern die Feier zum Andenken an die Märztage Berlins. Ein beschlossener Festzug mußte unterbleiben, weil der Bürgermeister Kampers von Heddesdorf in richtiger manteufel'scher Auffassung des Gesetzes über das freie Associationsrecht, einen solchen untersagt hatte.

Obgleich sehr zahlreich besucht und größtentheils aus Bauern des Standes bestehend, welche die benachbarte Neuwider schwarz-weiße lämmelbrüderische Partei gemeinhin als Rebellen und Ruhestörer bezeichnet, fiel auch nicht die geringste Unordnung vor.

150 Jülich, 19. März.

Endlich sind die frommen Wünsche und heißen Gebete des Herrn v. Mylius erhört. Er wird wieder Landrath. Glücklicher Mylius, armer Kreis, wie wirst du jetzt gezwiebelt werden. Kennen Sie den Mylius, den dicken Mann mit der hohen sich bis in den Nacken ziehenden Stirn, dem großen Barte, dem aufgedunsenen Gesichte mit der rothen Rubinen-Nase und den stierenden Kalbsaugen? Es ist derselbe Mylius, von dem Ihr geschätztes Blatt schon mehreres berichtete, derselbe der sich bei der Wahl in Düren so gründlich blamirt, derselbe der trotz einstimmigen Mißtrauungsvoten nach Brandenburg seiner Zeit abgereis't, derselbe der bei der Kreisdeputirtenwahl, wo er sich so sehr bemüht, keine Stimme erhalten, derselbe der Geldern in Frankfurt so glänzend vertreten, derselbe der zur Hebung der inländischen Industrie -- der Fabrikation der gebrannten Wasser vulgo Schnaps -- so viel thut; derselbe -- doch was soll ich Ihnen alle Verdienste dieses Mannes aufzählen, der Raum ihres Blattes würde nicht hinreichen.

Wir fragen den Herrn Präsidenten, ob der zukünftige Landrath nicht derselbe Mylius sei, von dem der Minister Kühlwetter seiner Zeit gesagt: "Dieser Mensch ist für gar nichts zu gebrauchen."??

Wie wir hören wird der Kreistag zusammentreten, um weitere energische Schritte gegen diese Kreisoctroyirung zu thun; wollen sehr ob das Kreisphilisterium es wagen wird.

Jemand frug jüngst den lieben Mylius, warum er doch nicht lieber nach Geldern als Staatsprokurator zurückging, als sich dem Kreise, wo er doch so verhaßt sei, mit Gewalt aufdrängen zu lassen. "Weil ich dort noch mehr verhaßt bin", war die naive Antwort. Armer verkannter Mylius.

* Berlin, 18. März.

Aus den Abtheilungen vernimmt man zahlreiche Klagen über die lässige Theilnahme der Oppositionsmitglieder an den Sitzungen. Bei der stets nur geringen Majorität der einen oder der andern Parthei entscheidet schon der Ausfall nur einer Stimme. So gelangte heute, durch das Wegbleiben eines Mitglieds der Rechten, die Linke in der dritten Abtheilung bei der Berathung des Klubgesetzes zu der ephemeren Majorität von einer Stimme. Das Klubgesetz, welches schon in früheren Sitzungen dieser Abtheilung berathen wurde, wird als ein höchst unschädliches Produkt demnach aus derselben hervorgehen.

In der siebenten Abtheilung fand ein interessanter Zwischenfall statt, der deutlich zeugt, was unsere schwarz-weißen Helden von der Freiheit des Volkes und von dem Rechte, der durch sie eingedrillten Maschinen halten. Der Abg. Görz (Frankfurt a/O.) stellte nämlich den Antrag, daß nur Beamten der Polizei gestattet sein solle, bewaffnet in den Klubs zu erscheinen. Der schon gestern erwähnte Griesheim, ein Urpreuße vom reinsten Wasser und Verfasser mehrerer bramarbasirenden Soldatenbrochüren, widersetzte sich zuerst diesem Antrage. Als er aber sah, daß der Antrag Unterstützung fand, ja daß sogar A. v. Auerswald ihn acceptirte, erwiderte Griesheim höhnisch, daß er auch jetzt dem Antrage beistimme, da jetzt die höheren Offiziere nur zu befehlen brauchten, daß kein Soldat ohne Waffen ausgehen dürfe, um so die willenlosen Krieger vom Gifte der Klubs fern zu halten.

Das milde Kosch'sche Centrum hat eine heilige Scheu vor der revolutionären Gewalt der Klubs, und nur die Scham verhindert es das Klubgesetz in Pausch und Bogen anzunehmen. Das hindert aber einige der Herren dennoch nicht, einzelne Paragraphen des "Liebesgesetzes" zu arceptiren. Vor Allem ist unter diesen zweideutigen Freunden der Linken Professor Olawski, ein sog. deutscher Demokrat aus Posen, der neulich ein albernes Buch des französischen Pedanten Marc St. Girardin als Autorität in der Schulfrage auf der Tribune citirte, zu erwähnen. An der Demokratie dieses Olawski kann man die reaktionäre Größe der posener Schwarzweisen und Netzeroaten ermessen.

In der ersten Abtheilung ist das Plakatgesetz gänzlich verworfen worden. -- So liegen uns denn, die Verhandlungen der Abtheilungen in Betreff der ministeriellen Entwürfe vor. Wir sehen aus ihnen, daß die Kammer nicht viel besser ist, wie ihr Ministerium. Selbst die Linke trat sehr leise und schüchtern auf und nur wenige dieser Parthei waren offen und muthig genug, die revolutionären Principien auch bei der Berathung dieser schmachvollen Gesetze anzuwenden. Die Linke durfte nur auf vollständige Verwerfung der Gesetze antragen.

9 Berlin, 18. März. 11 Uhr Morgens.

Es ist kühles Wetter draußen -- wenig Sonnenschein am Himmel und in den Herzen.

Die Nationalzeitung bringt eine Zeichnung vom Friedrichshain, damit ihre Leser, die Bourgeois, welche heute zu feig oder zu bequem sind, in Person nach den Gräbern zu wandern, darin im Geiste herumwandeln können. Die Gekreuzigte ist heute auch etwas blöde, sie spricht in biblischem Style von dem Eckstein, den Gott gesetzt und den die ruchlosen Radikalen nicht umstoßen werden. Gott weiß es!

Hr. Held glaubt am heutigen Tage sich auch bemerklich machen zu müssen. Gegen Mittag wurde von ihm ein großes gelbes Plakat angeschlagen, worin er eine Revolutionsgeschichte Berlins ankündigt. Das Plakat enthält mehrere (wie uns nach flüchtiger Beschauung scheint) reaktionäre Holzschnitte, die einen Konstabler auf der Friedrichsstraße bewogen haben müssen, das Plakat abzureißen. Das Volk bemächtigte sich des Konstablers, schlug das Plakat wieder an, und so entstand ein bedeutender Auflauf, in welchem wir einen Obersten und mehrere Lieutenants provozirend sich bewegen sahen. Sehr bedenklich!

Außer vielen Frauen und Kindern mit Todtenkränzen gewahrt man auf den Straßen eine Menge Menschen mit Flore um die Hüte, und handgroßen deutschen Kokarden.

4 Uhr. Ich komme so eben vom Friedrichshain. Die Militärschergen entweihen förmlich die Gräber. Das ganze Terrain ist von Kürassieren und Infanterie umzingelt, und sobald sich eine Menschengruppe bildet, sprengen die Herren Kürassiere mitten in dieselbe. Die Erbitterung der Massen ist sehr groß, und wenn es nicht zu Konflikten kommt, so ist die Soldateska wenigstens unschuldig daran. Ich versichere Sie, daß es ein empörender Anblick war zu sehen, wie das Volk auf den Gräbern seiner Gefallenen von deren Mördern wie Bestien gehetzt wurde. Das Alles hat der passive Widerstand der Vereinbarer herbeigeführt. Hätte das Volk Waffen, so -- --

6 Uhr. Gegen 5 Uhr wurde das Landsberger- und Königsthor dem Publikum vom Militär vor der Nase zugeschlossen. Sie transit gloria! Etwas später bewegte sich ein großer, fast humoristischer Zug durch die Königsstraße, vorauf einige Kinder, dann drei Reiter, von denen der erste mit Kränzen überladen war. Dem Zuge folgten mehrere Tausend Menschen, die an jeder Stelle, wo am vorigen Jahre eine Barrikade gestanden, hielten und Hurrah schrieen.

Man spricht von einzelnen Verhaftungen und vielen Konstabler-Durchprügelungen.

104 Liegnitz, 17. März.

Allah ist groß und Liegnitz auf dem Wege, das schwarzweiße Mekka zu werden. Die in ihm unter einem Pascha von zwei Roßschweifen stehenden Janitscharen treiben ihr tolles, zügelloses Wesen noch immer in der Art und Weise, wie Ihnen bereits frühere Berichte gemeldet haben. Bald fallen sie im Bewußtsein ihrer vortrefflichen Disciplin ruhige Bürger mit blanker, scharfer Waffe in der Hand auf offener Straße an und bringen ihnen gefährliche Verletzungen bei, bald gerathen sie sich gegenseitig selbst in die Haaren. Am verflossenen Dienstage wurde in einem hiesigen öffentlichen Lokale ein Soldatenball abgehalten. Ein denselben frequentirender knochenfester Kriegsknecht von der renommirten Truppe der stets schlagfertigen Fünfer wird dabei von der Liebenswürdigkeit einer anwesenden Grisette entzückt und ist auch so glücklich, sehr bald ihre Neigung zu gewinnen. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein sichrer Bund zu flechten, und die Gunst springt öfters ab. Ein Zwanziger, der jedenfalls im Besitze größerer Attraktionskraft gewesen sein muß, als sein Kollege, zieht durch einige geschickte Manövers das in seliger Liebe schwimmende Mädchenherz an sich und macht es zu dem seinigen. Dafür schwört ihm aber der betrogene Fünfer blutige Rache, und ein Fünfer hält ebenso Wort, wie sein großes Vorbild, der wahrheitsliebende Wrangel. Als der Zwanziger die gewonnene Grisette an seinem Heldenarme nach Hause führt, wird er unverhofft von dem erbitterten Kameraden überfallen und mit einem großen Messer nach ächter Fleischerart wie ein fetter Bulle ins Genick gestochen, so daß er auf dem Flecke zusammenstürzt und jetzt bereits zur großen Armee in das Jenseit abgegangen ist. -- Am 15. d. M. wurde der hiesige Buchdruckereibesitzer, Harry d'Oench wegen Abdrucks und Verbreitung des allgemein bekannten Panegyrikus auf den alten Bundestag, und zweier ebenfalls von ihm nachgedruckter und verbreiteter Karrikaturen, in denen bureaukratische Adleraugen Beleidigungen des Staatsoberhauptes erkannt haben wollen, durch Erkenntniß erster Instanz zu drei Jahren Festungsstrafe und zum Verluste der Nationalkokarde verurtheilt. Er wird wegen des gegen ihn gefällten Urtheils Appellation ergreifen. -- Den Redakteur der hiesigen Silesia, Dr. Cunerth, erwartet nächstens ein gleiches Schicksal wie d'Oench. Und warum? Weil er unumwunden das ausgesprochen hat, was Niemand als eine Lüge zu bezeichnen im Stande ist. "Die Wahrheit ist aber ein Hund, der ins Loch muß, und hinausgepeitscht wird, während Madame Schooßhündin am Feuer stehen und stinken darf" -- sagt der Narr im König Lear.

Posen, 15. März.

Die sehr verbürgten Berichte aus dem benachbarten Königreiche Polen bestätigen die Nachricht, daß drei neue russische Armeekorps in Polen eingerückt sind und daß das letztere von diesen schon sein Hauptquartier in Konin aufgeschlagen hat. Diese neuen Heeresmassen, die jedenfalls an 60000 Mann der verschiedensten Waffen zählen, stehen nunmehr sämmtlich ziemlich nahe an der preußischen Gränze und können dieselbe binnen wenigen Stunden überschritten haben; unmittelbar an der Gränzlinie stehen theils Kosaken, theils ein großer Artilleriepark, letzterer bei Bloszko, dessen Mündungen zu uns herübergähnen. Das große Lager bei Kirchdorf in der Nähe von Kalisch ist fast fertig und bereits von zahlreichen Truppen bezogen, die bei jedem Wetter von früh bis spät exerziren. Die Soldaten selbst haben sämmtlich die Ueberzeugung, daß sie nächstens in das preußische Gebiet einrücken werden.

(D. A. Z).
12 Von der Meklenburgischen Grenze, 16. März.

Die Gerüchte wegen bevorstehender Auflösung der meklenburgischen Kammer und Oktroyirung einer Verfassung gewinnen immer mehr an Wahrscheinlichkeit. Die gottbegnadeten Großherzöge wollen hinter andern großen Herren von Gottes Gnaden nicht zurückbleiben. Zu diesem Behufe haben sie sich einige Tausend Mann "Reichstruppen" vom preußischen Vetter geliehen, die wohl die rebellische Kammer zu Paaren treiben werden. -- Bereits gestern verbreitete sich das Gerücht in Brandenburg, die Preußen seien im Anmarsche. Es entstand auch bald eine furchtbare Aufregung, die sich jedoch für heut nach dem Einwerfen mehrerer Fenster wieder legte. -- Heute Nachmittag rückten nun in der That zwei Eskadronen des Pasewalker preußischen Cürassier-Regiments in dem kleinen meklenburgischen Städtchen Woldegs ein, von wo sie weiter auf Brandenburg marschirt sind.

* Wien.

Einem uns zur Benutzung übergebenen Privatbriefe aus Wien vom 14. März entnehmen wir folgendes:

Wien, den 14. März.

"....... Wie schon oben erwähnt, überraschte uns am 7. März früh an allen Straßenecken eine von Gottes Gnaden uns aufgedrungene Verfassung, worüber die volksverrätherische Bourgeoisie ein Freudengezeter erhob, da ihnen in derselben versprochen ist, daß Wien der Sitz des Kaisers, der Regierung und der Kammern bleiben wird; sie sich daher einen reichen Schacher hoffen. Also gleich ging eine Deputation zum Kaiser nach Olmütz, um ihm ihre loyalen Gesinnungen darbringen zu können.

In der Stube des Handwerkers, des ehrlichen Liberalen, des Proletariers, wurde mit Verachtung und Fluch von dieser neuen Metternich'schen Association mit der Kamarilla gesprochen.

Schlechteres, miserableres könnte man uns nicht mehr geben, wir sind viel schlechter d'ran, als wie vor dem März 1848. Jeder Paragraph ist mit jesuitisch-büreaukratisch-teuflischer Schlechtigkeit ausspintisirt, hat 10 Hinterthüren, und kann gedeutet werden, wie man es will.

Jeder fühlt, so kann es nicht bleiben, für so viele Opfer, so eine Miserabilität? Jedoch, was jetzt angefangen, der für Ordnung und Ruhe wachende Sicherheitsausschuß blickt unheilverkündend von den Basteien, und zu dem, nicht einmal einen Bratspieß zur Waffe! Hoffend und wünschend blickt der Demokrat nach dem Osten, wo sich der tapfere Magyare schon 5 Monate für seine, und für die Freiheit von beinahe halb Europa schlägt.

Eine wahre Entrüstung brachte die Verfassung unter den Czechen hervor, welche dieselbe an vielen Orten verbrannten. Heute sprach ich einen Geistlichen aus Neufalz in Ungarn, der sagte dasselbe, überall wird das Pamphlet mit Koth beworfen und beschmiert.

Am Abende des 7. März wurde trotz der Nichterlaubniß des Gouverneurs Welden freiwillig die Stadt beleuchtet, alles war still und lautlos.

Sonntag den 11. März war große Kirchenfeierlichkeit zu St. Stephan, wozu 18,000 Mann Militär ausrückten und auf den Plätzen und Straßen der inneren Stadt aufgestellt waren, mit Geschütz und brennender Lunte, mehr um zu imponiren, und die Ruhe der Feierlichkeit zu sichern, als wie zur Feierlichkeit selbst, von den Wällen wurden 303 Kanonensalven gelöst, Abends war die Stadt und Theile gewisser Vorstädte abermals illuminirt. Ein großer Zapfenstreich mit Militärbanden, die bekannte Volkshymne spielend, durchzog die Stadt, wobei vieles schlechte, und theils bezahlte Gesindel Vivat! rief. Ein Fiaker durchzog die Stadt bis in die Nacht mit dem Bildniß des Kaisers, welches mit Blumen geziert und beleuchtet war; dieser Kerl war bezahlt wie das Gesindel, welches dem Wagen nachlief; ich merkte mir die Schreier, welche immer Vivat Franz Joseph schrieen, es waren in jeder Straße dieselben.

Alles war schon seit längerer Zeit auf den 13. März begierig. Früh fanden sich auf dem Friedhofe bei'm gezierten Grabe der Märzgefallenen viele Akademisten, Männer, Frauen und Mädchen mit Flören, und die Frauen größtentheils in Trauerkleidern ein; es wurden viele Thränen vergossen. Bei St. Stephan war schon vorgestern ein Hochamt für die Märzgefallenen bezahlt worden.

Auf dem Stephansplatze sammelten sich die Leute immer mehr. Es rückte Militär aus, sperrte alle Zugänge und Straßen auf obgenanntem Platz, ließ Niemanden auf denselben, jedoch Alle heraus, und arretirte eine Menge junger Männer ohne die geringste Veranlassung.

Nicht viel fehlte, so hätte man mich an der Gewölbsthür einer Pelzwaarenhandlung ebenfalls arretirt, blos weil ich vertraulich mit der Eigenthümerin gesprochen, ohne daß Jemand das Gesprochene gehört haben konnte.

Es wurden Angesichts des Volkes die Gewehre geladen, und hierauf das Volk, eigentlich lauter friedliche und neugierige Spaziergänger, aufgefordert, auseinander zu gehen. Das Militär machte Miene zum Dreinschlagen.

vorstehenden Mißernte, die Fruchtpreise bedeutend in die Höhe gehen würden und es verstand sich daher von selbst, daß sie als echte Engländerin sofort den Entschluß faßte, sich zu verlieben, um Sie noch zur rechten Zeit zu der Thorheit einer ehelichen Verbindung zu verleiten.

Die Ehe ist in England eine Geschäftssache, welche man so rasch und so rund als nur möglich abzuthun pflegt und wenn man der Liebe noch keinen besondern Platz auf der Börse anwies, unterblieb dies nur deswegen, weil man bisher derglerichen geringfügige Geschichten en passant abmachte und sie mehr unter die Rubrik der Spekulationen brachte, welche ganz im Stillen und ohne viel Geräusch behandelt werden wollen.

Die englischen Arbeiter machen einzig und allein eine Ausnahme in dem Geschäftsabschluß der Ehe. Es liegt auf der Hand, daß diese armen Leute sich nur durch den Frühling, durch einen singenden Vogel, oder durch eine hübsche Blume zur Liebe hinreißen lassen, denn die Konsequenzen ihrer ehelichen Verbindungen kommen nicht in Pfunden Sterling, sondern nur in jenen hungrigen Kindern zum Vorschein, deren Sterblichkeit, wie bekannt, nach einer schlechten Ernte, oder nach einer Handelskrise, um 25 bis 30 Prozent über die Summe des gewöhnlichen Todtenzettels hinauszusteigen pflegt.

Die Aristokratie verheirathet sich in England, um ihre Raçe fortzupflanzen; die Mittelklasse sucht ein Zinsengeschäft zu machen und der Arbeiter nimmt ein Weib, damit ein gleichgestimmtes Wesen seine Noth und seine Langeweile theile, denn man langweilt sich jedenfalls weniger zu zweien als allein.

Aus diesem Grunde bin ich gegen jede Ehe!

Ostern und Pfingsten sind die Zeitpunkte, wo namentlich die englischen Arbeiter ihre Ehen schließen. Es ist nicht selten, daß man dann vierzig bis sechszig Paare vor den verschiedenen Kirchenthüren einer Fabrikstadt antrifft. Die heirathslustigen Männer, junge Burschen von 18 bis 22 Jahren, haben sich so hübsch als möglich herausgeputzt. Ihre Bräute tragen schwarze Merinokleider und ein schneeweißes wollenes Tuch darüber. Beiläufig bemerkt, unterscheiden sich die Fabrikarbeiterinnen in ihrer Kleidung sehr von den weiblichen Dienstboten. Während die erstern nämlich im gewöhnlichen Leben alle Farben, und an ihrem Hochzeitstage schwarz tragen, kleiden sich die Dienstboten, namentlich die der wohlhabendern Familien, fast durchgängig violett, eine Farbe, die sich sehr hübsch macht, besonders im Gegensatze zu dem schneeweißen englischen Teint des Halses und des Busens, der bei dem tiefen Einschnitt der Kleider stets Gelegenheit hat, sich dem Auge des aufmerksamen Beobachters in seinen vortheilhaftesten Formen zu zeigen.

Ist die Ehe kirchlich eingesegnet, so ziehen die Neuvermählten, ein Paar hinter dem andern, durch die Stadt, um nach einem schnellbeendigten Mittagessen gemeinschaftlich eine Hochzeitsreise in die nächsten Felder oder auf die umliegenden Hügel zu unternehmen, wo man sie in dem geselligsten Zusammensein bis gegen Abend durch Spielen, Tanzen und Singen ihren Hochzeitstag feiern sieht.

Wie die englischen Arbeiter in fast Allem, was sie thun und treiben, aus der gewöhnlichen guten Sitte der steifen Mittelklasse heraustreten, so zeichnen sie sich auch durch diese massenhaftere und deswegen viel interessantere Hochzeitsfeier vor den übrigen Klassen der Gesellschaft vortheilhaft aus. Statt eines einzigen frisch vermählten Paares, das von seiner Umgebung mit dummen Glossen und mit abgenutzten Witzen umringt wird, begehen die Arbeiter in Gesellschaft den Tag der ersten Liebe und der Himmel ist auch fast immer so gefällig, die kurze Feier mit seiner Oster- oder Pfingstsonne auf's freundlichste zu begünstigen.

In früheren Jahren dehnten Neuvermählte fast nie ihre Hochzeitsreisen weiter als auf den Besuch der nächsten Felder aus. Erst seit die Eisenbahnen den Verkehr erleichtert haben, unternehmen sie auch Touren nach den benachbarten Städten und Dörfern. Von einer solchen Reise hatte ich neulich das komischste Beispiel. Tom Holmes, ein Fabrikarbeiter, liebte nämlich Mary Ann Wilson, das Dienstmädchen einer vornehmen Kaufmannsfamilie in Manchester. Der Frühling kam und Tom bestand darauf, daß man Hochzeit halte. Mary Ann mußte sich daher am Sonntag für einige Stunden Urlaub ausbitten; man ging zur Kirche und ließ sich kopuliren. Leider waren aber so viele Brautleute vor Tom und Mary Ann eingeschrieben, daß unser junges Paar fast drei Stunden auf seinen Segen warten mußte. Von den vier Stunden, welche Mary Ann Urlaub erhalten hatte, blieb daher nach dem Schluß der kirchlichen Feier nur noch eine Stunde übrig. Es war nun zu spät, eine beabsichtigte Eisenbahntour nach Liverpool zu machen und Mary Ann schlich zur bestimmten Stunde wieder zurück in das Haus ihrer Herrschaft. Traurig langweilig traf ich das arme Mädchen hier an. Den Kopf auf die Hand gestützt und die hellen Thränen im Auge, saß das verlassene Kind in dem stillen Zimmer der Küche und begriff eigentlich nicht recht, weßhalb man nur deßwegen heirathe, um sich gleich wieder von seinem Manne zu trennen. Da tritt die Dame des Hauses vor ihre Magd. Sie sieht, daß das schöne Mädchen geweint hat, und sie erkundigt sich nach der Ursache ihres Kummers. Mary Ann will lange Zeit nicht mit der Sprache heraus, zuletzt gesteht sie, daß Tom es „nicht länger habe aushalten können“, daß sie geheirathet hätten und daß der Urlaub leider nur gerade für die Kirchenfeier ausgereicht habe, und daß Tom, da sie gezwungen gewesen sei, nach Hause zurückzukehren, nun „allein“ die beabsichtigte Hochzeitsreise nach Liverpool unternommen habe, von der er hoffentlich zurückkehren werde, um dann später einmal seine Frau wiederzusehen.

Die Göttin der Langenweile schwieg. „Diese Heirath scheint also weder aus Spekulation noch aus Vergnügen unternommen worden zu sein? “setzte ich hinzu. „Ja, nicht einmal die Fruchtpreise wurden dabei berücksichtigt. —“

„Tom konnte es nicht länger aushalten,“ wiederholte die Göttin und der graue Spleen meinte, daß er sehr wahrscheinlich in dieser Geschichte ein bedeutendes mitgespielt habe. [Fortsetzung]

(Forts. folgt.)

[Deutschland]

[Fortsetzung] Die Mißhandelten gaben keinen Laut von sich. Nun wollen wir annehmen, daß dieselben sich gegen die Anordnungen der Polizei vergangen, dann hätten 2 Mann hingereicht, sie zu arretiren; aber mit Kolbenstößen einem am Boden liegenden wehrlosen Menschen begreiflich machen, daß er am 18. März nicht über die Straße gehen darf, das ist ungesetzlich, das ist roh und brutal. Diesen Akt der rohesten Gewalt haben wir selbst zugesehen. Erzählen haben wir gehört, daß Polizisten und Soldaten die unschuldigsten Menschen von der Welt verwundet haben.

(D. Z.)
149 Irlich, 19. März.

Der seit einiger Zeit hier bestehende demokratische Verein beging gestern die Feier zum Andenken an die Märztage Berlins. Ein beschlossener Festzug mußte unterbleiben, weil der Bürgermeister Kampers von Heddesdorf in richtiger manteufel'scher Auffassung des Gesetzes über das freie Associationsrecht, einen solchen untersagt hatte.

Obgleich sehr zahlreich besucht und größtentheils aus Bauern des Standes bestehend, welche die benachbarte Neuwider schwarz-weiße lämmelbrüderische Partei gemeinhin als Rebellen und Ruhestörer bezeichnet, fiel auch nicht die geringste Unordnung vor.

150 Jülich, 19. März.

Endlich sind die frommen Wünsche und heißen Gebete des Herrn v. Mylius erhört. Er wird wieder Landrath. Glücklicher Mylius, armer Kreis, wie wirst du jetzt gezwiebelt werden. Kennen Sie den Mylius, den dicken Mann mit der hohen sich bis in den Nacken ziehenden Stirn, dem großen Barte, dem aufgedunsenen Gesichte mit der rothen Rubinen-Nase und den stierenden Kalbsaugen? Es ist derselbe Mylius, von dem Ihr geschätztes Blatt schon mehreres berichtete, derselbe der sich bei der Wahl in Düren so gründlich blamirt, derselbe der trotz einstimmigen Mißtrauungsvoten nach Brandenburg seiner Zeit abgereis't, derselbe der bei der Kreisdeputirtenwahl, wo er sich so sehr bemüht, keine Stimme erhalten, derselbe der Geldern in Frankfurt so glänzend vertreten, derselbe der zur Hebung der inländischen Industrie — der Fabrikation der gebrannten Wasser vulgo Schnaps — so viel thut; derselbe — doch was soll ich Ihnen alle Verdienste dieses Mannes aufzählen, der Raum ihres Blattes würde nicht hinreichen.

Wir fragen den Herrn Präsidenten, ob der zukünftige Landrath nicht derselbe Mylius sei, von dem der Minister Kühlwetter seiner Zeit gesagt: „Dieser Mensch ist für gar nichts zu gebrauchen.»??

Wie wir hören wird der Kreistag zusammentreten, um weitere energische Schritte gegen diese Kreisoctroyirung zu thun; wollen sehr ob das Kreisphilisterium es wagen wird.

Jemand frug jüngst den lieben Mylius, warum er doch nicht lieber nach Geldern als Staatsprokurator zurückging, als sich dem Kreise, wo er doch so verhaßt sei, mit Gewalt aufdrängen zu lassen. „Weil ich dort noch mehr verhaßt bin“, war die naive Antwort. Armer verkannter Mylius.

* Berlin, 18. März.

Aus den Abtheilungen vernimmt man zahlreiche Klagen über die lässige Theilnahme der Oppositionsmitglieder an den Sitzungen. Bei der stets nur geringen Majorität der einen oder der andern Parthei entscheidet schon der Ausfall nur einer Stimme. So gelangte heute, durch das Wegbleiben eines Mitglieds der Rechten, die Linke in der dritten Abtheilung bei der Berathung des Klubgesetzes zu der ephemeren Majorität von einer Stimme. Das Klubgesetz, welches schon in früheren Sitzungen dieser Abtheilung berathen wurde, wird als ein höchst unschädliches Produkt demnach aus derselben hervorgehen.

In der siebenten Abtheilung fand ein interessanter Zwischenfall statt, der deutlich zeugt, was unsere schwarz-weißen Helden von der Freiheit des Volkes und von dem Rechte, der durch sie eingedrillten Maschinen halten. Der Abg. Görz (Frankfurt a/O.) stellte nämlich den Antrag, daß nur Beamten der Polizei gestattet sein solle, bewaffnet in den Klubs zu erscheinen. Der schon gestern erwähnte Griesheim, ein Urpreuße vom reinsten Wasser und Verfasser mehrerer bramarbasirenden Soldatenbrochüren, widersetzte sich zuerst diesem Antrage. Als er aber sah, daß der Antrag Unterstützung fand, ja daß sogar A. v. Auerswald ihn acceptirte, erwiderte Griesheim höhnisch, daß er auch jetzt dem Antrage beistimme, da jetzt die höheren Offiziere nur zu befehlen brauchten, daß kein Soldat ohne Waffen ausgehen dürfe, um so die willenlosen Krieger vom Gifte der Klubs fern zu halten.

Das milde Kosch'sche Centrum hat eine heilige Scheu vor der revolutionären Gewalt der Klubs, und nur die Scham verhindert es das Klubgesetz in Pausch und Bogen anzunehmen. Das hindert aber einige der Herren dennoch nicht, einzelne Paragraphen des „Liebesgesetzes“ zu arceptiren. Vor Allem ist unter diesen zweideutigen Freunden der Linken Professor Olawski, ein sog. deutscher Demokrat aus Posen, der neulich ein albernes Buch des französischen Pedanten Marc St. Girardin als Autorität in der Schulfrage auf der Tribune citirte, zu erwähnen. An der Demokratie dieses Olawski kann man die reaktionäre Größe der posener Schwarzweisen und Netzeroaten ermessen.

In der ersten Abtheilung ist das Plakatgesetz gänzlich verworfen worden. — So liegen uns denn, die Verhandlungen der Abtheilungen in Betreff der ministeriellen Entwürfe vor. Wir sehen aus ihnen, daß die Kammer nicht viel besser ist, wie ihr Ministerium. Selbst die Linke trat sehr leise und schüchtern auf und nur wenige dieser Parthei waren offen und muthig genug, die revolutionären Principien auch bei der Berathung dieser schmachvollen Gesetze anzuwenden. Die Linke durfte nur auf vollständige Verwerfung der Gesetze antragen.

9 Berlin, 18. März. 11 Uhr Morgens.

Es ist kühles Wetter draußen — wenig Sonnenschein am Himmel und in den Herzen.

Die Nationalzeitung bringt eine Zeichnung vom Friedrichshain, damit ihre Leser, die Bourgeois, welche heute zu feig oder zu bequem sind, in Person nach den Gräbern zu wandern, darin im Geiste herumwandeln können. Die Gekreuzigte ist heute auch etwas blöde, sie spricht in biblischem Style von dem Eckstein, den Gott gesetzt und den die ruchlosen Radikalen nicht umstoßen werden. Gott weiß es!

Hr. Held glaubt am heutigen Tage sich auch bemerklich machen zu müssen. Gegen Mittag wurde von ihm ein großes gelbes Plakat angeschlagen, worin er eine Revolutionsgeschichte Berlins ankündigt. Das Plakat enthält mehrere (wie uns nach flüchtiger Beschauung scheint) reaktionäre Holzschnitte, die einen Konstabler auf der Friedrichsstraße bewogen haben müssen, das Plakat abzureißen. Das Volk bemächtigte sich des Konstablers, schlug das Plakat wieder an, und so entstand ein bedeutender Auflauf, in welchem wir einen Obersten und mehrere Lieutenants provozirend sich bewegen sahen. Sehr bedenklich!

Außer vielen Frauen und Kindern mit Todtenkränzen gewahrt man auf den Straßen eine Menge Menschen mit Flore um die Hüte, und handgroßen deutschen Kokarden.

4 Uhr. Ich komme so eben vom Friedrichshain. Die Militärschergen entweihen förmlich die Gräber. Das ganze Terrain ist von Kürassieren und Infanterie umzingelt, und sobald sich eine Menschengruppe bildet, sprengen die Herren Kürassiere mitten in dieselbe. Die Erbitterung der Massen ist sehr groß, und wenn es nicht zu Konflikten kommt, so ist die Soldateska wenigstens unschuldig daran. Ich versichere Sie, daß es ein empörender Anblick war zu sehen, wie das Volk auf den Gräbern seiner Gefallenen von deren Mördern wie Bestien gehetzt wurde. Das Alles hat der passive Widerstand der Vereinbarer herbeigeführt. Hätte das Volk Waffen, so — —

6 Uhr. Gegen 5 Uhr wurde das Landsberger- und Königsthor dem Publikum vom Militär vor der Nase zugeschlossen. Sie transit gloria! Etwas später bewegte sich ein großer, fast humoristischer Zug durch die Königsstraße, vorauf einige Kinder, dann drei Reiter, von denen der erste mit Kränzen überladen war. Dem Zuge folgten mehrere Tausend Menschen, die an jeder Stelle, wo am vorigen Jahre eine Barrikade gestanden, hielten und Hurrah schrieen.

Man spricht von einzelnen Verhaftungen und vielen Konstabler-Durchprügelungen.

104 Liegnitz, 17. März.

Allah ist groß und Liegnitz auf dem Wege, das schwarzweiße Mekka zu werden. Die in ihm unter einem Pascha von zwei Roßschweifen stehenden Janitscharen treiben ihr tolles, zügelloses Wesen noch immer in der Art und Weise, wie Ihnen bereits frühere Berichte gemeldet haben. Bald fallen sie im Bewußtsein ihrer vortrefflichen Disciplin ruhige Bürger mit blanker, scharfer Waffe in der Hand auf offener Straße an und bringen ihnen gefährliche Verletzungen bei, bald gerathen sie sich gegenseitig selbst in die Haaren. Am verflossenen Dienstage wurde in einem hiesigen öffentlichen Lokale ein Soldatenball abgehalten. Ein denselben frequentirender knochenfester Kriegsknecht von der renommirten Truppe der stets schlagfertigen Fünfer wird dabei von der Liebenswürdigkeit einer anwesenden Grisette entzückt und ist auch so glücklich, sehr bald ihre Neigung zu gewinnen. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein sichrer Bund zu flechten, und die Gunst springt öfters ab. Ein Zwanziger, der jedenfalls im Besitze größerer Attraktionskraft gewesen sein muß, als sein Kollege, zieht durch einige geschickte Manövers das in seliger Liebe schwimmende Mädchenherz an sich und macht es zu dem seinigen. Dafür schwört ihm aber der betrogene Fünfer blutige Rache, und ein Fünfer hält ebenso Wort, wie sein großes Vorbild, der wahrheitsliebende Wrangel. Als der Zwanziger die gewonnene Grisette an seinem Heldenarme nach Hause führt, wird er unverhofft von dem erbitterten Kameraden überfallen und mit einem großen Messer nach ächter Fleischerart wie ein fetter Bulle ins Genick gestochen, so daß er auf dem Flecke zusammenstürzt und jetzt bereits zur großen Armee in das Jenseit abgegangen ist. — Am 15. d. M. wurde der hiesige Buchdruckereibesitzer, Harry d'Oench wegen Abdrucks und Verbreitung des allgemein bekannten Panegyrikus auf den alten Bundestag, und zweier ebenfalls von ihm nachgedruckter und verbreiteter Karrikaturen, in denen bureaukratische Adleraugen Beleidigungen des Staatsoberhauptes erkannt haben wollen, durch Erkenntniß erster Instanz zu drei Jahren Festungsstrafe und zum Verluste der Nationalkokarde verurtheilt. Er wird wegen des gegen ihn gefällten Urtheils Appellation ergreifen. — Den Redakteur der hiesigen Silesia, Dr. Cunerth, erwartet nächstens ein gleiches Schicksal wie d'Oench. Und warum? Weil er unumwunden das ausgesprochen hat, was Niemand als eine Lüge zu bezeichnen im Stande ist. „Die Wahrheit ist aber ein Hund, der ins Loch muß, und hinausgepeitscht wird, während Madame Schooßhündin am Feuer stehen und stinken darf“ — sagt der Narr im König Lear.

Posen, 15. März.

Die sehr verbürgten Berichte aus dem benachbarten Königreiche Polen bestätigen die Nachricht, daß drei neue russische Armeekorps in Polen eingerückt sind und daß das letztere von diesen schon sein Hauptquartier in Konin aufgeschlagen hat. Diese neuen Heeresmassen, die jedenfalls an 60000 Mann der verschiedensten Waffen zählen, stehen nunmehr sämmtlich ziemlich nahe an der preußischen Gränze und können dieselbe binnen wenigen Stunden überschritten haben; unmittelbar an der Gränzlinie stehen theils Kosaken, theils ein großer Artilleriepark, letzterer bei Bloszko, dessen Mündungen zu uns herübergähnen. Das große Lager bei Kirchdorf in der Nähe von Kalisch ist fast fertig und bereits von zahlreichen Truppen bezogen, die bei jedem Wetter von früh bis spät exerziren. Die Soldaten selbst haben sämmtlich die Ueberzeugung, daß sie nächstens in das preußische Gebiet einrücken werden.

(D. A. Z).
12 Von der Meklenburgischen Grenze, 16. März.

Die Gerüchte wegen bevorstehender Auflösung der meklenburgischen Kammer und Oktroyirung einer Verfassung gewinnen immer mehr an Wahrscheinlichkeit. Die gottbegnadeten Großherzöge wollen hinter andern großen Herren von Gottes Gnaden nicht zurückbleiben. Zu diesem Behufe haben sie sich einige Tausend Mann „Reichstruppen“ vom preußischen Vetter geliehen, die wohl die rebellische Kammer zu Paaren treiben werden. — Bereits gestern verbreitete sich das Gerücht in Brandenburg, die Preußen seien im Anmarsche. Es entstand auch bald eine furchtbare Aufregung, die sich jedoch für heut nach dem Einwerfen mehrerer Fenster wieder legte. — Heute Nachmittag rückten nun in der That zwei Eskadronen des Pasewalker preußischen Cürassier-Regiments in dem kleinen meklenburgischen Städtchen Woldegs ein, von wo sie weiter auf Brandenburg marschirt sind.

* Wien.

Einem uns zur Benutzung übergebenen Privatbriefe aus Wien vom 14. März entnehmen wir folgendes:

Wien, den 14. März.

„‥‥… Wie schon oben erwähnt, überraschte uns am 7. März früh an allen Straßenecken eine von Gottes Gnaden uns aufgedrungene Verfassung, worüber die volksverrätherische Bourgeoisie ein Freudengezeter erhob, da ihnen in derselben versprochen ist, daß Wien der Sitz des Kaisers, der Regierung und der Kammern bleiben wird; sie sich daher einen reichen Schacher hoffen. Also gleich ging eine Deputation zum Kaiser nach Olmütz, um ihm ihre loyalen Gesinnungen darbringen zu können.

In der Stube des Handwerkers, des ehrlichen Liberalen, des Proletariers, wurde mit Verachtung und Fluch von dieser neuen Metternich'schen Association mit der Kamarilla gesprochen.

Schlechteres, miserableres könnte man uns nicht mehr geben, wir sind viel schlechter d'ran, als wie vor dem März 1848. Jeder Paragraph ist mit jesuitisch-büreaukratisch-teuflischer Schlechtigkeit ausspintisirt, hat 10 Hinterthüren, und kann gedeutet werden, wie man es will.

Jeder fühlt, so kann es nicht bleiben, für so viele Opfer, so eine Miserabilität? Jedoch, was jetzt angefangen, der für Ordnung und Ruhe wachende Sicherheitsausschuß blickt unheilverkündend von den Basteien, und zu dem, nicht einmal einen Bratspieß zur Waffe! Hoffend und wünschend blickt der Demokrat nach dem Osten, wo sich der tapfere Magyare schon 5 Monate für seine, und für die Freiheit von beinahe halb Europa schlägt.

Eine wahre Entrüstung brachte die Verfassung unter den Czechen hervor, welche dieselbe an vielen Orten verbrannten. Heute sprach ich einen Geistlichen aus Neufalz in Ungarn, der sagte dasselbe, überall wird das Pamphlet mit Koth beworfen und beschmiert.

Am Abende des 7. März wurde trotz der Nichterlaubniß des Gouverneurs Welden freiwillig die Stadt beleuchtet, alles war still und lautlos.

Sonntag den 11. März war große Kirchenfeierlichkeit zu St. Stephan, wozu 18,000 Mann Militär ausrückten und auf den Plätzen und Straßen der inneren Stadt aufgestellt waren, mit Geschütz und brennender Lunte, mehr um zu imponiren, und die Ruhe der Feierlichkeit zu sichern, als wie zur Feierlichkeit selbst, von den Wällen wurden 303 Kanonensalven gelöst, Abends war die Stadt und Theile gewisser Vorstädte abermals illuminirt. Ein großer Zapfenstreich mit Militärbanden, die bekannte Volkshymne spielend, durchzog die Stadt, wobei vieles schlechte, und theils bezahlte Gesindel Vivat! rief. Ein Fiaker durchzog die Stadt bis in die Nacht mit dem Bildniß des Kaisers, welches mit Blumen geziert und beleuchtet war; dieser Kerl war bezahlt wie das Gesindel, welches dem Wagen nachlief; ich merkte mir die Schreier, welche immer Vivat Franz Joseph schrieen, es waren in jeder Straße dieselben.

Alles war schon seit längerer Zeit auf den 13. März begierig. Früh fanden sich auf dem Friedhofe bei'm gezierten Grabe der Märzgefallenen viele Akademisten, Männer, Frauen und Mädchen mit Flören, und die Frauen größtentheils in Trauerkleidern ein; es wurden viele Thränen vergossen. Bei St. Stephan war schon vorgestern ein Hochamt für die Märzgefallenen bezahlt worden.

Auf dem Stephansplatze sammelten sich die Leute immer mehr. Es rückte Militär aus, sperrte alle Zugänge und Straßen auf obgenanntem Platz, ließ Niemanden auf denselben, jedoch Alle heraus, und arretirte eine Menge junger Männer ohne die geringste Veranlassung.

Nicht viel fehlte, so hätte man mich an der Gewölbsthür einer Pelzwaarenhandlung ebenfalls arretirt, blos weil ich vertraulich mit der Eigenthümerin gesprochen, ohne daß Jemand das Gesprochene gehört haben konnte.

Es wurden Angesichts des Volkes die Gewehre geladen, und hierauf das Volk, eigentlich lauter friedliche und neugierige Spaziergänger, aufgefordert, auseinander zu gehen. Das Militär machte Miene zum Dreinschlagen.

<TEI>
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vorstehenden Mißernte, die Fruchtpreise bedeutend in die Höhe gehen würden und es verstand sich daher von selbst, daß sie als echte Engländerin sofort den Entschluß faßte, sich zu verlieben, um Sie noch zur rechten Zeit zu der Thorheit einer ehelichen Verbindung zu verleiten.</p>
          <p>Die Ehe ist in England eine Geschäftssache, welche man so rasch und so rund als nur möglich abzuthun pflegt und wenn man der Liebe noch keinen besondern Platz auf der Börse anwies, unterblieb dies nur deswegen, weil man bisher derglerichen geringfügige Geschichten en passant abmachte und sie mehr unter die Rubrik der Spekulationen brachte, welche ganz im Stillen und ohne viel Geräusch behandelt werden wollen.</p>
          <p>Die englischen Arbeiter machen einzig und allein eine Ausnahme in dem Geschäftsabschluß der Ehe. Es liegt auf der Hand, daß diese armen Leute sich nur durch den Frühling, durch einen singenden Vogel, oder durch eine hübsche Blume zur Liebe hinreißen lassen, denn die Konsequenzen ihrer ehelichen Verbindungen kommen nicht in Pfunden Sterling, sondern nur in jenen hungrigen Kindern zum Vorschein, deren Sterblichkeit, wie bekannt, nach einer schlechten Ernte, oder nach einer Handelskrise, um 25 bis 30 Prozent über die Summe des gewöhnlichen Todtenzettels hinauszusteigen pflegt.</p>
          <p>Die Aristokratie verheirathet sich in England, um ihre Raçe fortzupflanzen; die Mittelklasse sucht ein Zinsengeschäft zu machen und der Arbeiter nimmt ein Weib, damit ein gleichgestimmtes Wesen seine Noth und seine Langeweile theile, denn man langweilt sich jedenfalls weniger zu zweien als allein.</p>
          <p>Aus diesem Grunde bin ich gegen jede Ehe!</p>
          <p>Ostern und Pfingsten sind die Zeitpunkte, wo namentlich die englischen Arbeiter ihre Ehen schließen. Es ist nicht selten, daß man dann vierzig bis sechszig Paare vor den verschiedenen Kirchenthüren einer Fabrikstadt antrifft. Die heirathslustigen Männer, junge Burschen von 18 bis 22 Jahren, haben sich so hübsch als möglich herausgeputzt. Ihre Bräute tragen schwarze Merinokleider und ein schneeweißes wollenes Tuch darüber. Beiläufig bemerkt, unterscheiden sich die Fabrikarbeiterinnen in ihrer Kleidung sehr von den weiblichen Dienstboten. Während die erstern nämlich im gewöhnlichen Leben alle Farben, und an ihrem Hochzeitstage schwarz tragen, kleiden sich die Dienstboten, namentlich die der wohlhabendern Familien, fast durchgängig violett, eine Farbe, die sich sehr hübsch macht, besonders im Gegensatze zu dem schneeweißen englischen Teint des Halses und des Busens, der bei dem tiefen Einschnitt der Kleider stets Gelegenheit hat, sich dem Auge des aufmerksamen Beobachters in seinen vortheilhaftesten Formen zu zeigen.</p>
          <p>Ist die Ehe kirchlich eingesegnet, so ziehen die Neuvermählten, ein Paar hinter dem andern, durch die Stadt, um nach einem schnellbeendigten Mittagessen gemeinschaftlich eine Hochzeitsreise in die nächsten Felder oder auf die umliegenden Hügel zu unternehmen, wo man sie in dem geselligsten Zusammensein bis gegen Abend durch Spielen, Tanzen und Singen ihren Hochzeitstag feiern sieht.</p>
          <p>Wie die englischen Arbeiter in fast Allem, was sie thun und treiben, aus der gewöhnlichen guten Sitte der steifen Mittelklasse heraustreten, so zeichnen sie sich auch durch diese massenhaftere und deswegen viel interessantere Hochzeitsfeier vor den übrigen Klassen der Gesellschaft vortheilhaft aus. Statt eines einzigen frisch vermählten Paares, das von seiner Umgebung mit dummen Glossen und mit abgenutzten Witzen umringt wird, begehen die Arbeiter in Gesellschaft den Tag der ersten Liebe und der Himmel ist auch fast immer so gefällig, die kurze Feier mit seiner Oster- oder Pfingstsonne auf's freundlichste zu begünstigen.</p>
          <p>In früheren Jahren dehnten Neuvermählte fast nie ihre Hochzeitsreisen weiter als auf den Besuch der nächsten Felder aus. Erst seit die Eisenbahnen den Verkehr erleichtert haben, unternehmen sie auch Touren nach den benachbarten Städten und Dörfern. Von einer solchen Reise hatte ich neulich das komischste Beispiel. Tom Holmes, ein Fabrikarbeiter, liebte nämlich Mary Ann Wilson, das Dienstmädchen einer vornehmen Kaufmannsfamilie in Manchester. Der Frühling kam und Tom bestand darauf, daß man Hochzeit halte. Mary Ann mußte sich daher am Sonntag für einige Stunden Urlaub ausbitten; man ging zur Kirche und ließ sich kopuliren. Leider waren aber so viele Brautleute vor Tom und Mary Ann eingeschrieben, daß unser junges Paar fast drei Stunden auf seinen Segen warten mußte. Von den vier Stunden, welche Mary Ann Urlaub erhalten hatte, blieb daher nach dem Schluß der kirchlichen Feier nur noch eine Stunde übrig. Es war nun zu spät, eine beabsichtigte Eisenbahntour nach Liverpool zu machen und Mary Ann schlich zur bestimmten Stunde wieder zurück in das Haus ihrer Herrschaft. Traurig langweilig traf ich das arme Mädchen hier an. Den Kopf auf die Hand gestützt und die hellen Thränen im Auge, saß das verlassene Kind in dem stillen Zimmer der Küche und begriff eigentlich nicht recht, weßhalb man nur deßwegen heirathe, um sich gleich wieder von seinem Manne zu trennen. Da tritt die Dame des Hauses vor ihre Magd. Sie sieht, daß das schöne Mädchen geweint hat, und sie erkundigt sich nach der Ursache ihres Kummers. Mary Ann will lange Zeit nicht mit der Sprache heraus, zuletzt gesteht sie, daß Tom es &#x201E;nicht länger habe aushalten können&#x201C;, daß sie geheirathet hätten und daß der Urlaub leider nur gerade für die Kirchenfeier ausgereicht habe, und daß Tom, da sie gezwungen gewesen sei, nach Hause zurückzukehren, nun &#x201E;<hi rendition="#g">allein</hi>&#x201C; die beabsichtigte Hochzeitsreise nach Liverpool unternommen habe, von der er hoffentlich zurückkehren werde, um dann später einmal seine Frau wiederzusehen.</p>
          <p>Die Göttin der Langenweile schwieg. &#x201E;Diese Heirath scheint also weder aus Spekulation noch aus Vergnügen unternommen worden zu sein? &#x201C;setzte ich hinzu. &#x201E;Ja, nicht einmal die Fruchtpreise wurden dabei berücksichtigt. &#x2014;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Tom konnte es nicht länger aushalten,&#x201C; wiederholte die Göttin und der graue Spleen meinte, daß er sehr wahrscheinlich in dieser Geschichte ein bedeutendes mitgespielt habe. <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                </p>
          <p>
            <ref type="link">(Forts. folgt.)</ref>
          </p>
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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Die Mißhandelten gaben keinen Laut von sich. Nun wollen wir annehmen, daß dieselben sich gegen die Anordnungen der Polizei vergangen, dann hätten 2 Mann hingereicht, sie zu arretiren; aber mit Kolbenstößen einem am Boden liegenden wehrlosen Menschen begreiflich machen, daß er am 18. März nicht über die Straße gehen darf, das ist ungesetzlich, das ist roh und brutal. Diesen Akt der rohesten Gewalt haben wir selbst zugesehen. Erzählen haben wir gehört, daß Polizisten und Soldaten die unschuldigsten Menschen von der Welt verwundet haben.</p>
          <bibl>(D. Z.)</bibl>
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          <head><bibl><author>149</author></bibl> Irlich, 19. März.</head>
          <p>Der seit einiger Zeit hier bestehende demokratische Verein beging gestern die Feier zum Andenken an die Märztage Berlins. Ein beschlossener Festzug mußte unterbleiben, weil der Bürgermeister Kampers von Heddesdorf in richtiger manteufel'scher Auffassung des Gesetzes über das freie Associationsrecht, einen solchen untersagt hatte.</p>
          <p>Obgleich sehr zahlreich besucht und größtentheils aus Bauern <hi rendition="#g">des</hi> Standes bestehend, welche die benachbarte Neuwider schwarz-weiße lämmelbrüderische Partei gemeinhin als Rebellen und Ruhestörer bezeichnet, fiel auch nicht die geringste Unordnung vor.</p>
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          <head><bibl><author>150</author></bibl> Jülich, 19. März.</head>
          <p>Endlich sind die frommen Wünsche und heißen Gebete des Herrn v. Mylius erhört. Er wird wieder Landrath. Glücklicher Mylius, armer Kreis, wie wirst du jetzt gezwiebelt werden. Kennen Sie den Mylius, den dicken Mann mit der hohen sich bis in den Nacken ziehenden Stirn, dem großen Barte, dem aufgedunsenen Gesichte mit der rothen Rubinen-Nase und den stierenden Kalbsaugen? Es ist derselbe Mylius, von dem Ihr geschätztes Blatt schon mehreres berichtete, derselbe der sich bei der Wahl in Düren so gründlich blamirt, derselbe der trotz einstimmigen Mißtrauungsvoten nach Brandenburg seiner Zeit abgereis't, derselbe der bei der Kreisdeputirtenwahl, wo er sich so sehr bemüht, keine Stimme erhalten, derselbe der Geldern in Frankfurt so glänzend vertreten, derselbe der zur Hebung der inländischen Industrie &#x2014; der Fabrikation der gebrannten Wasser vulgo Schnaps &#x2014; so viel thut; derselbe &#x2014; doch was soll ich Ihnen alle Verdienste dieses Mannes aufzählen, der Raum ihres Blattes würde nicht hinreichen.</p>
          <p>Wir fragen den Herrn Präsidenten, ob der zukünftige Landrath nicht derselbe Mylius sei, von dem der Minister Kühlwetter seiner Zeit gesagt: &#x201E;Dieser Mensch ist für gar nichts zu gebrauchen.»??</p>
          <p>Wie wir hören wird der Kreistag zusammentreten, um weitere energische Schritte gegen diese Kreisoctroyirung zu thun; wollen sehr ob das Kreisphilisterium es wagen wird.</p>
          <p>Jemand frug jüngst den lieben Mylius, warum er doch nicht lieber nach Geldern als Staatsprokurator zurückging, als sich dem Kreise, wo er doch so verhaßt sei, mit Gewalt aufdrängen zu lassen. &#x201E;Weil ich dort noch mehr verhaßt bin&#x201C;, war die naive Antwort. Armer verkannter Mylius.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 18. März.</head>
          <p>Aus den Abtheilungen vernimmt man zahlreiche Klagen über die lässige Theilnahme der Oppositionsmitglieder an den Sitzungen. Bei der stets nur geringen Majorität der einen oder der andern Parthei entscheidet schon der Ausfall nur einer Stimme. So gelangte heute, durch das Wegbleiben eines Mitglieds der Rechten, die Linke in der dritten Abtheilung bei der Berathung des Klubgesetzes zu der ephemeren Majorität von einer Stimme. Das Klubgesetz, welches schon in früheren Sitzungen dieser Abtheilung berathen wurde, wird als ein höchst unschädliches Produkt demnach aus derselben hervorgehen.</p>
          <p>In der siebenten Abtheilung fand ein interessanter Zwischenfall statt, der deutlich zeugt, was unsere schwarz-weißen Helden von der Freiheit des Volkes und von dem Rechte, der durch sie eingedrillten Maschinen halten. Der Abg. Görz (Frankfurt a/O.) stellte nämlich den Antrag, daß nur Beamten der Polizei gestattet sein solle, bewaffnet in den Klubs zu erscheinen. Der schon gestern erwähnte Griesheim, ein Urpreuße vom reinsten Wasser und Verfasser mehrerer bramarbasirenden Soldatenbrochüren, widersetzte sich zuerst diesem Antrage. Als er aber sah, daß der Antrag Unterstützung fand, ja daß sogar A. v. Auerswald ihn acceptirte, erwiderte Griesheim höhnisch, daß er auch jetzt dem Antrage beistimme, da jetzt die höheren Offiziere nur zu befehlen brauchten, daß kein Soldat ohne Waffen ausgehen dürfe, um so die willenlosen Krieger vom Gifte der Klubs fern zu halten.</p>
          <p>Das milde Kosch'sche Centrum hat eine heilige Scheu vor der revolutionären Gewalt der Klubs, und nur die Scham verhindert es das Klubgesetz in Pausch und Bogen anzunehmen. Das hindert aber einige der Herren dennoch nicht, einzelne Paragraphen des &#x201E;Liebesgesetzes&#x201C; zu arceptiren. Vor Allem ist unter diesen zweideutigen Freunden der Linken Professor Olawski, ein sog. deutscher Demokrat aus Posen, der neulich ein albernes Buch des französischen Pedanten Marc St. Girardin als Autorität in der Schulfrage auf der Tribune citirte, zu erwähnen. An der Demokratie dieses Olawski kann man die reaktionäre Größe der posener Schwarzweisen und Netzeroaten ermessen.</p>
          <p>In der ersten Abtheilung ist das Plakatgesetz gänzlich verworfen worden. &#x2014; So liegen uns denn, die Verhandlungen der Abtheilungen in Betreff der ministeriellen Entwürfe vor. Wir sehen aus ihnen, daß die Kammer nicht viel besser ist, wie ihr Ministerium. Selbst die Linke trat sehr leise und schüchtern auf und nur wenige dieser Parthei waren offen und muthig genug, die revolutionären Principien auch bei der Berathung dieser schmachvollen Gesetze anzuwenden. Die Linke durfte nur auf vollständige Verwerfung der Gesetze antragen.</p>
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          <head><bibl><author>9</author></bibl> Berlin, 18. März. 11 Uhr Morgens.</head>
          <p>Es ist kühles Wetter draußen &#x2014; wenig Sonnenschein am Himmel und in den Herzen.</p>
          <p>Die Nationalzeitung bringt eine Zeichnung vom Friedrichshain, damit ihre Leser, die Bourgeois, welche heute zu feig oder zu bequem sind, in Person nach den Gräbern zu wandern, darin im Geiste herumwandeln können. Die Gekreuzigte ist heute auch etwas blöde, sie spricht in biblischem Style von dem Eckstein, den Gott gesetzt und den die ruchlosen Radikalen nicht umstoßen werden. Gott weiß es!</p>
          <p>Hr. Held glaubt am heutigen Tage sich auch bemerklich machen zu müssen. Gegen Mittag wurde von ihm ein großes gelbes Plakat angeschlagen, worin er eine Revolutionsgeschichte Berlins ankündigt. Das Plakat enthält mehrere (wie uns nach flüchtiger Beschauung scheint) reaktionäre Holzschnitte, die einen Konstabler auf der Friedrichsstraße bewogen haben müssen, das Plakat abzureißen. Das Volk bemächtigte sich des Konstablers, schlug das Plakat wieder an, und so entstand ein bedeutender Auflauf, in welchem wir einen Obersten und mehrere Lieutenants provozirend sich bewegen sahen. Sehr bedenklich!</p>
          <p>Außer vielen Frauen und Kindern mit Todtenkränzen gewahrt man auf den Straßen eine Menge Menschen mit Flore um die Hüte, und handgroßen deutschen Kokarden.</p>
          <p>4 Uhr. Ich komme so eben vom Friedrichshain. Die Militärschergen entweihen förmlich die Gräber. Das ganze Terrain ist von Kürassieren und Infanterie umzingelt, und sobald sich eine Menschengruppe bildet, sprengen die Herren Kürassiere mitten in dieselbe. Die Erbitterung der Massen ist sehr groß, und wenn es nicht zu Konflikten kommt, so ist die Soldateska wenigstens unschuldig daran. Ich versichere Sie, daß es ein empörender Anblick war zu sehen, wie das Volk auf den Gräbern seiner Gefallenen von deren Mördern wie Bestien gehetzt wurde. Das Alles hat der passive Widerstand der Vereinbarer herbeigeführt. Hätte das Volk Waffen, so &#x2014; &#x2014;</p>
          <p>6 Uhr. Gegen 5 Uhr wurde das Landsberger- und Königsthor dem Publikum vom Militär vor der Nase zugeschlossen. Sie transit gloria! Etwas später bewegte sich ein großer, fast humoristischer Zug durch die Königsstraße, vorauf einige Kinder, dann drei Reiter, von denen der erste mit Kränzen überladen war. Dem Zuge folgten mehrere Tausend Menschen, die an jeder Stelle, wo am vorigen Jahre eine Barrikade gestanden, hielten und Hurrah schrieen.</p>
          <p>Man spricht von einzelnen Verhaftungen und vielen Konstabler-Durchprügelungen.</p>
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          <head><bibl><author>104</author></bibl> Liegnitz, 17. März.</head>
          <p>Allah ist groß und Liegnitz auf dem Wege, das schwarzweiße Mekka zu werden. Die in ihm unter einem Pascha von zwei Roßschweifen stehenden Janitscharen treiben ihr tolles, zügelloses Wesen noch immer in der Art und Weise, wie Ihnen bereits frühere Berichte gemeldet haben. Bald fallen sie im Bewußtsein ihrer vortrefflichen Disciplin ruhige Bürger mit blanker, scharfer Waffe in der Hand auf offener Straße an und bringen ihnen gefährliche Verletzungen bei, bald gerathen sie sich gegenseitig selbst in die Haaren. Am verflossenen Dienstage wurde in einem hiesigen öffentlichen Lokale ein Soldatenball abgehalten. Ein denselben frequentirender knochenfester Kriegsknecht von der renommirten Truppe der stets schlagfertigen Fünfer wird dabei von der Liebenswürdigkeit einer anwesenden Grisette entzückt und ist auch so glücklich, sehr bald ihre Neigung zu gewinnen. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein sichrer Bund zu flechten, und die Gunst springt öfters ab. Ein Zwanziger, der jedenfalls im Besitze größerer Attraktionskraft gewesen sein muß, als sein Kollege, zieht durch einige geschickte Manövers das in seliger Liebe schwimmende Mädchenherz an sich und macht es zu dem seinigen. Dafür schwört ihm aber der betrogene Fünfer blutige Rache, und ein Fünfer hält ebenso Wort, wie sein großes Vorbild, der wahrheitsliebende Wrangel. Als der Zwanziger die gewonnene Grisette an seinem Heldenarme nach Hause führt, wird er unverhofft von dem erbitterten Kameraden überfallen und mit einem großen Messer nach ächter Fleischerart wie ein fetter Bulle ins Genick gestochen, so daß er auf dem Flecke zusammenstürzt und jetzt bereits zur großen Armee in das Jenseit abgegangen ist. &#x2014; Am 15. d. M. wurde der hiesige Buchdruckereibesitzer, Harry d'Oench wegen Abdrucks und Verbreitung des allgemein bekannten Panegyrikus auf den alten Bundestag, und zweier ebenfalls von ihm nachgedruckter und verbreiteter Karrikaturen, in denen bureaukratische Adleraugen Beleidigungen des Staatsoberhauptes erkannt haben wollen, durch Erkenntniß erster Instanz zu drei Jahren Festungsstrafe und zum Verluste der Nationalkokarde verurtheilt. Er wird wegen des gegen ihn gefällten Urtheils Appellation ergreifen. &#x2014; Den Redakteur der hiesigen Silesia, Dr. Cunerth, erwartet nächstens ein gleiches Schicksal wie d'Oench. Und warum? Weil er unumwunden das ausgesprochen hat, was Niemand als eine Lüge zu bezeichnen im Stande ist. &#x201E;Die Wahrheit ist aber ein Hund, der ins Loch muß, und hinausgepeitscht wird, während Madame Schooßhündin am Feuer stehen und stinken darf&#x201C; &#x2014; sagt der Narr im König Lear.</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Von der Meklenburgischen Grenze, 16. März.</head>
          <p>Die Gerüchte wegen bevorstehender Auflösung der meklenburgischen Kammer und Oktroyirung einer Verfassung gewinnen immer mehr an Wahrscheinlichkeit. Die gottbegnadeten Großherzöge wollen hinter andern großen Herren von Gottes Gnaden nicht zurückbleiben. Zu diesem Behufe haben sie sich einige Tausend Mann &#x201E;Reichstruppen&#x201C; vom preußischen Vetter geliehen, die wohl die rebellische Kammer zu Paaren treiben werden. &#x2014; Bereits gestern verbreitete sich das Gerücht in Brandenburg, die Preußen seien im Anmarsche. Es entstand auch bald eine furchtbare Aufregung, die sich jedoch für heut nach dem Einwerfen mehrerer Fenster wieder legte. &#x2014; Heute Nachmittag rückten nun in der That zwei Eskadronen des Pasewalker preußischen Cürassier-Regiments in dem kleinen meklenburgischen Städtchen Woldegs ein, von wo sie weiter auf Brandenburg marschirt sind.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien.</head>
          <p>Einem uns zur Benutzung übergebenen Privatbriefe aus Wien vom 14. März entnehmen wir folgendes:</p>
          <p>Wien, den 14. März.</p>
          <p>&#x201E;&#x2025;&#x2025;&#x2026; Wie schon oben erwähnt, überraschte uns am 7. März früh an allen Straßenecken eine von <hi rendition="#g">Gottes Gnaden</hi> uns aufgedrungene Verfassung, worüber die volksverrätherische Bourgeoisie ein Freudengezeter erhob, da ihnen in derselben versprochen ist, daß Wien der Sitz des Kaisers, der Regierung und der Kammern bleiben wird; sie sich daher einen reichen Schacher hoffen. Also gleich ging eine Deputation zum Kaiser nach Olmütz, um ihm ihre loyalen Gesinnungen darbringen zu können.</p>
          <p>In der Stube des Handwerkers, des ehrlichen Liberalen, des Proletariers, wurde mit Verachtung und Fluch von dieser neuen Metternich'schen Association mit der Kamarilla gesprochen.</p>
          <p>Schlechteres, miserableres könnte man uns nicht mehr geben, wir sind viel schlechter d'ran, als wie vor dem März 1848. Jeder Paragraph ist mit jesuitisch-büreaukratisch-teuflischer Schlechtigkeit ausspintisirt, hat 10 Hinterthüren, und kann gedeutet werden, wie man es will.</p>
          <p>Jeder fühlt, so kann es nicht bleiben, für so viele Opfer, so eine Miserabilität? Jedoch, was jetzt angefangen, der für Ordnung und Ruhe wachende Sicherheitsausschuß blickt unheilverkündend von den Basteien, und zu dem, nicht einmal einen Bratspieß zur Waffe! Hoffend und wünschend blickt der Demokrat nach dem Osten, wo sich der tapfere Magyare schon 5 Monate für seine, und für die Freiheit von beinahe halb Europa schlägt.</p>
          <p>Eine wahre Entrüstung brachte die Verfassung unter den Czechen hervor, welche dieselbe an vielen Orten verbrannten. Heute sprach ich einen Geistlichen aus Neufalz in Ungarn, der sagte dasselbe, überall wird das Pamphlet mit Koth beworfen und beschmiert.</p>
          <p>Am Abende des 7. März wurde trotz der Nichterlaubniß des Gouverneurs Welden freiwillig die Stadt beleuchtet, alles war still und lautlos.</p>
          <p>Sonntag den 11. März war große Kirchenfeierlichkeit zu St. Stephan, wozu 18,000 Mann Militär ausrückten und auf den Plätzen und Straßen der inneren Stadt aufgestellt waren, mit Geschütz und brennender Lunte, mehr um zu imponiren, und die Ruhe der Feierlichkeit zu sichern, als wie zur Feierlichkeit selbst, von den Wällen wurden 303 Kanonensalven gelöst, Abends war die Stadt und Theile gewisser Vorstädte abermals illuminirt. Ein großer Zapfenstreich mit Militärbanden, die bekannte Volkshymne spielend, durchzog die Stadt, wobei vieles schlechte, und theils bezahlte Gesindel Vivat! rief. Ein Fiaker durchzog die Stadt bis in die Nacht mit dem Bildniß des Kaisers, welches mit Blumen geziert und beleuchtet war; dieser Kerl war bezahlt wie das Gesindel, welches dem Wagen nachlief; ich merkte mir die Schreier, welche immer Vivat Franz Joseph schrieen, es waren in jeder Straße dieselben.</p>
          <p>Alles war schon seit längerer Zeit auf den 13. März begierig. Früh fanden sich auf dem Friedhofe bei'm gezierten Grabe der Märzgefallenen viele Akademisten, Männer, Frauen und Mädchen mit Flören, und die Frauen größtentheils in Trauerkleidern ein; es wurden viele Thränen vergossen. Bei St. Stephan war schon vorgestern ein Hochamt für die Märzgefallenen bezahlt worden.</p>
          <p>Auf dem Stephansplatze sammelten sich die Leute immer mehr. Es rückte Militär aus, sperrte alle Zugänge und Straßen auf obgenanntem Platz, ließ Niemanden auf denselben, jedoch Alle heraus, und arretirte eine Menge junger Männer ohne die geringste Veranlassung.</p>
          <p>Nicht viel fehlte, so hätte man mich an der Gewölbsthür einer Pelzwaarenhandlung ebenfalls arretirt, blos weil ich vertraulich mit der Eigenthümerin gesprochen, ohne daß Jemand das Gesprochene gehört haben konnte.</p>
          <p>Es wurden Angesichts des Volkes die Gewehre geladen, und hierauf das Volk, eigentlich lauter friedliche und neugierige Spaziergänger, aufgefordert, auseinander zu gehen. Das Militär machte Miene zum Dreinschlagen.</p>
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[1406/0002] vorstehenden Mißernte, die Fruchtpreise bedeutend in die Höhe gehen würden und es verstand sich daher von selbst, daß sie als echte Engländerin sofort den Entschluß faßte, sich zu verlieben, um Sie noch zur rechten Zeit zu der Thorheit einer ehelichen Verbindung zu verleiten. Die Ehe ist in England eine Geschäftssache, welche man so rasch und so rund als nur möglich abzuthun pflegt und wenn man der Liebe noch keinen besondern Platz auf der Börse anwies, unterblieb dies nur deswegen, weil man bisher derglerichen geringfügige Geschichten en passant abmachte und sie mehr unter die Rubrik der Spekulationen brachte, welche ganz im Stillen und ohne viel Geräusch behandelt werden wollen. Die englischen Arbeiter machen einzig und allein eine Ausnahme in dem Geschäftsabschluß der Ehe. Es liegt auf der Hand, daß diese armen Leute sich nur durch den Frühling, durch einen singenden Vogel, oder durch eine hübsche Blume zur Liebe hinreißen lassen, denn die Konsequenzen ihrer ehelichen Verbindungen kommen nicht in Pfunden Sterling, sondern nur in jenen hungrigen Kindern zum Vorschein, deren Sterblichkeit, wie bekannt, nach einer schlechten Ernte, oder nach einer Handelskrise, um 25 bis 30 Prozent über die Summe des gewöhnlichen Todtenzettels hinauszusteigen pflegt. Die Aristokratie verheirathet sich in England, um ihre Raçe fortzupflanzen; die Mittelklasse sucht ein Zinsengeschäft zu machen und der Arbeiter nimmt ein Weib, damit ein gleichgestimmtes Wesen seine Noth und seine Langeweile theile, denn man langweilt sich jedenfalls weniger zu zweien als allein. Aus diesem Grunde bin ich gegen jede Ehe! Ostern und Pfingsten sind die Zeitpunkte, wo namentlich die englischen Arbeiter ihre Ehen schließen. Es ist nicht selten, daß man dann vierzig bis sechszig Paare vor den verschiedenen Kirchenthüren einer Fabrikstadt antrifft. Die heirathslustigen Männer, junge Burschen von 18 bis 22 Jahren, haben sich so hübsch als möglich herausgeputzt. Ihre Bräute tragen schwarze Merinokleider und ein schneeweißes wollenes Tuch darüber. Beiläufig bemerkt, unterscheiden sich die Fabrikarbeiterinnen in ihrer Kleidung sehr von den weiblichen Dienstboten. Während die erstern nämlich im gewöhnlichen Leben alle Farben, und an ihrem Hochzeitstage schwarz tragen, kleiden sich die Dienstboten, namentlich die der wohlhabendern Familien, fast durchgängig violett, eine Farbe, die sich sehr hübsch macht, besonders im Gegensatze zu dem schneeweißen englischen Teint des Halses und des Busens, der bei dem tiefen Einschnitt der Kleider stets Gelegenheit hat, sich dem Auge des aufmerksamen Beobachters in seinen vortheilhaftesten Formen zu zeigen. Ist die Ehe kirchlich eingesegnet, so ziehen die Neuvermählten, ein Paar hinter dem andern, durch die Stadt, um nach einem schnellbeendigten Mittagessen gemeinschaftlich eine Hochzeitsreise in die nächsten Felder oder auf die umliegenden Hügel zu unternehmen, wo man sie in dem geselligsten Zusammensein bis gegen Abend durch Spielen, Tanzen und Singen ihren Hochzeitstag feiern sieht. Wie die englischen Arbeiter in fast Allem, was sie thun und treiben, aus der gewöhnlichen guten Sitte der steifen Mittelklasse heraustreten, so zeichnen sie sich auch durch diese massenhaftere und deswegen viel interessantere Hochzeitsfeier vor den übrigen Klassen der Gesellschaft vortheilhaft aus. Statt eines einzigen frisch vermählten Paares, das von seiner Umgebung mit dummen Glossen und mit abgenutzten Witzen umringt wird, begehen die Arbeiter in Gesellschaft den Tag der ersten Liebe und der Himmel ist auch fast immer so gefällig, die kurze Feier mit seiner Oster- oder Pfingstsonne auf's freundlichste zu begünstigen. In früheren Jahren dehnten Neuvermählte fast nie ihre Hochzeitsreisen weiter als auf den Besuch der nächsten Felder aus. Erst seit die Eisenbahnen den Verkehr erleichtert haben, unternehmen sie auch Touren nach den benachbarten Städten und Dörfern. Von einer solchen Reise hatte ich neulich das komischste Beispiel. Tom Holmes, ein Fabrikarbeiter, liebte nämlich Mary Ann Wilson, das Dienstmädchen einer vornehmen Kaufmannsfamilie in Manchester. Der Frühling kam und Tom bestand darauf, daß man Hochzeit halte. Mary Ann mußte sich daher am Sonntag für einige Stunden Urlaub ausbitten; man ging zur Kirche und ließ sich kopuliren. Leider waren aber so viele Brautleute vor Tom und Mary Ann eingeschrieben, daß unser junges Paar fast drei Stunden auf seinen Segen warten mußte. Von den vier Stunden, welche Mary Ann Urlaub erhalten hatte, blieb daher nach dem Schluß der kirchlichen Feier nur noch eine Stunde übrig. Es war nun zu spät, eine beabsichtigte Eisenbahntour nach Liverpool zu machen und Mary Ann schlich zur bestimmten Stunde wieder zurück in das Haus ihrer Herrschaft. Traurig langweilig traf ich das arme Mädchen hier an. Den Kopf auf die Hand gestützt und die hellen Thränen im Auge, saß das verlassene Kind in dem stillen Zimmer der Küche und begriff eigentlich nicht recht, weßhalb man nur deßwegen heirathe, um sich gleich wieder von seinem Manne zu trennen. Da tritt die Dame des Hauses vor ihre Magd. Sie sieht, daß das schöne Mädchen geweint hat, und sie erkundigt sich nach der Ursache ihres Kummers. Mary Ann will lange Zeit nicht mit der Sprache heraus, zuletzt gesteht sie, daß Tom es „nicht länger habe aushalten können“, daß sie geheirathet hätten und daß der Urlaub leider nur gerade für die Kirchenfeier ausgereicht habe, und daß Tom, da sie gezwungen gewesen sei, nach Hause zurückzukehren, nun „allein“ die beabsichtigte Hochzeitsreise nach Liverpool unternommen habe, von der er hoffentlich zurückkehren werde, um dann später einmal seine Frau wiederzusehen. Die Göttin der Langenweile schwieg. „Diese Heirath scheint also weder aus Spekulation noch aus Vergnügen unternommen worden zu sein? “setzte ich hinzu. „Ja, nicht einmal die Fruchtpreise wurden dabei berücksichtigt. —“ „Tom konnte es nicht länger aushalten,“ wiederholte die Göttin und der graue Spleen meinte, daß er sehr wahrscheinlich in dieser Geschichte ein bedeutendes mitgespielt habe. [Fortsetzung] (Forts. folgt.) [Deutschland] [Fortsetzung] Die Mißhandelten gaben keinen Laut von sich. Nun wollen wir annehmen, daß dieselben sich gegen die Anordnungen der Polizei vergangen, dann hätten 2 Mann hingereicht, sie zu arretiren; aber mit Kolbenstößen einem am Boden liegenden wehrlosen Menschen begreiflich machen, daß er am 18. März nicht über die Straße gehen darf, das ist ungesetzlich, das ist roh und brutal. Diesen Akt der rohesten Gewalt haben wir selbst zugesehen. Erzählen haben wir gehört, daß Polizisten und Soldaten die unschuldigsten Menschen von der Welt verwundet haben. (D. Z.) 149 Irlich, 19. März. Der seit einiger Zeit hier bestehende demokratische Verein beging gestern die Feier zum Andenken an die Märztage Berlins. Ein beschlossener Festzug mußte unterbleiben, weil der Bürgermeister Kampers von Heddesdorf in richtiger manteufel'scher Auffassung des Gesetzes über das freie Associationsrecht, einen solchen untersagt hatte. Obgleich sehr zahlreich besucht und größtentheils aus Bauern des Standes bestehend, welche die benachbarte Neuwider schwarz-weiße lämmelbrüderische Partei gemeinhin als Rebellen und Ruhestörer bezeichnet, fiel auch nicht die geringste Unordnung vor. 150 Jülich, 19. März. Endlich sind die frommen Wünsche und heißen Gebete des Herrn v. Mylius erhört. Er wird wieder Landrath. Glücklicher Mylius, armer Kreis, wie wirst du jetzt gezwiebelt werden. Kennen Sie den Mylius, den dicken Mann mit der hohen sich bis in den Nacken ziehenden Stirn, dem großen Barte, dem aufgedunsenen Gesichte mit der rothen Rubinen-Nase und den stierenden Kalbsaugen? Es ist derselbe Mylius, von dem Ihr geschätztes Blatt schon mehreres berichtete, derselbe der sich bei der Wahl in Düren so gründlich blamirt, derselbe der trotz einstimmigen Mißtrauungsvoten nach Brandenburg seiner Zeit abgereis't, derselbe der bei der Kreisdeputirtenwahl, wo er sich so sehr bemüht, keine Stimme erhalten, derselbe der Geldern in Frankfurt so glänzend vertreten, derselbe der zur Hebung der inländischen Industrie — der Fabrikation der gebrannten Wasser vulgo Schnaps — so viel thut; derselbe — doch was soll ich Ihnen alle Verdienste dieses Mannes aufzählen, der Raum ihres Blattes würde nicht hinreichen. Wir fragen den Herrn Präsidenten, ob der zukünftige Landrath nicht derselbe Mylius sei, von dem der Minister Kühlwetter seiner Zeit gesagt: „Dieser Mensch ist für gar nichts zu gebrauchen.»?? Wie wir hören wird der Kreistag zusammentreten, um weitere energische Schritte gegen diese Kreisoctroyirung zu thun; wollen sehr ob das Kreisphilisterium es wagen wird. Jemand frug jüngst den lieben Mylius, warum er doch nicht lieber nach Geldern als Staatsprokurator zurückging, als sich dem Kreise, wo er doch so verhaßt sei, mit Gewalt aufdrängen zu lassen. „Weil ich dort noch mehr verhaßt bin“, war die naive Antwort. Armer verkannter Mylius. * Berlin, 18. März. Aus den Abtheilungen vernimmt man zahlreiche Klagen über die lässige Theilnahme der Oppositionsmitglieder an den Sitzungen. Bei der stets nur geringen Majorität der einen oder der andern Parthei entscheidet schon der Ausfall nur einer Stimme. So gelangte heute, durch das Wegbleiben eines Mitglieds der Rechten, die Linke in der dritten Abtheilung bei der Berathung des Klubgesetzes zu der ephemeren Majorität von einer Stimme. Das Klubgesetz, welches schon in früheren Sitzungen dieser Abtheilung berathen wurde, wird als ein höchst unschädliches Produkt demnach aus derselben hervorgehen. In der siebenten Abtheilung fand ein interessanter Zwischenfall statt, der deutlich zeugt, was unsere schwarz-weißen Helden von der Freiheit des Volkes und von dem Rechte, der durch sie eingedrillten Maschinen halten. Der Abg. Görz (Frankfurt a/O.) stellte nämlich den Antrag, daß nur Beamten der Polizei gestattet sein solle, bewaffnet in den Klubs zu erscheinen. Der schon gestern erwähnte Griesheim, ein Urpreuße vom reinsten Wasser und Verfasser mehrerer bramarbasirenden Soldatenbrochüren, widersetzte sich zuerst diesem Antrage. Als er aber sah, daß der Antrag Unterstützung fand, ja daß sogar A. v. Auerswald ihn acceptirte, erwiderte Griesheim höhnisch, daß er auch jetzt dem Antrage beistimme, da jetzt die höheren Offiziere nur zu befehlen brauchten, daß kein Soldat ohne Waffen ausgehen dürfe, um so die willenlosen Krieger vom Gifte der Klubs fern zu halten. Das milde Kosch'sche Centrum hat eine heilige Scheu vor der revolutionären Gewalt der Klubs, und nur die Scham verhindert es das Klubgesetz in Pausch und Bogen anzunehmen. Das hindert aber einige der Herren dennoch nicht, einzelne Paragraphen des „Liebesgesetzes“ zu arceptiren. Vor Allem ist unter diesen zweideutigen Freunden der Linken Professor Olawski, ein sog. deutscher Demokrat aus Posen, der neulich ein albernes Buch des französischen Pedanten Marc St. Girardin als Autorität in der Schulfrage auf der Tribune citirte, zu erwähnen. An der Demokratie dieses Olawski kann man die reaktionäre Größe der posener Schwarzweisen und Netzeroaten ermessen. In der ersten Abtheilung ist das Plakatgesetz gänzlich verworfen worden. — So liegen uns denn, die Verhandlungen der Abtheilungen in Betreff der ministeriellen Entwürfe vor. Wir sehen aus ihnen, daß die Kammer nicht viel besser ist, wie ihr Ministerium. Selbst die Linke trat sehr leise und schüchtern auf und nur wenige dieser Parthei waren offen und muthig genug, die revolutionären Principien auch bei der Berathung dieser schmachvollen Gesetze anzuwenden. Die Linke durfte nur auf vollständige Verwerfung der Gesetze antragen. 9 Berlin, 18. März. 11 Uhr Morgens. Es ist kühles Wetter draußen — wenig Sonnenschein am Himmel und in den Herzen. Die Nationalzeitung bringt eine Zeichnung vom Friedrichshain, damit ihre Leser, die Bourgeois, welche heute zu feig oder zu bequem sind, in Person nach den Gräbern zu wandern, darin im Geiste herumwandeln können. Die Gekreuzigte ist heute auch etwas blöde, sie spricht in biblischem Style von dem Eckstein, den Gott gesetzt und den die ruchlosen Radikalen nicht umstoßen werden. Gott weiß es! Hr. Held glaubt am heutigen Tage sich auch bemerklich machen zu müssen. Gegen Mittag wurde von ihm ein großes gelbes Plakat angeschlagen, worin er eine Revolutionsgeschichte Berlins ankündigt. Das Plakat enthält mehrere (wie uns nach flüchtiger Beschauung scheint) reaktionäre Holzschnitte, die einen Konstabler auf der Friedrichsstraße bewogen haben müssen, das Plakat abzureißen. Das Volk bemächtigte sich des Konstablers, schlug das Plakat wieder an, und so entstand ein bedeutender Auflauf, in welchem wir einen Obersten und mehrere Lieutenants provozirend sich bewegen sahen. Sehr bedenklich! Außer vielen Frauen und Kindern mit Todtenkränzen gewahrt man auf den Straßen eine Menge Menschen mit Flore um die Hüte, und handgroßen deutschen Kokarden. 4 Uhr. Ich komme so eben vom Friedrichshain. Die Militärschergen entweihen förmlich die Gräber. Das ganze Terrain ist von Kürassieren und Infanterie umzingelt, und sobald sich eine Menschengruppe bildet, sprengen die Herren Kürassiere mitten in dieselbe. Die Erbitterung der Massen ist sehr groß, und wenn es nicht zu Konflikten kommt, so ist die Soldateska wenigstens unschuldig daran. Ich versichere Sie, daß es ein empörender Anblick war zu sehen, wie das Volk auf den Gräbern seiner Gefallenen von deren Mördern wie Bestien gehetzt wurde. Das Alles hat der passive Widerstand der Vereinbarer herbeigeführt. Hätte das Volk Waffen, so — — 6 Uhr. Gegen 5 Uhr wurde das Landsberger- und Königsthor dem Publikum vom Militär vor der Nase zugeschlossen. Sie transit gloria! Etwas später bewegte sich ein großer, fast humoristischer Zug durch die Königsstraße, vorauf einige Kinder, dann drei Reiter, von denen der erste mit Kränzen überladen war. Dem Zuge folgten mehrere Tausend Menschen, die an jeder Stelle, wo am vorigen Jahre eine Barrikade gestanden, hielten und Hurrah schrieen. Man spricht von einzelnen Verhaftungen und vielen Konstabler-Durchprügelungen. 104 Liegnitz, 17. März. Allah ist groß und Liegnitz auf dem Wege, das schwarzweiße Mekka zu werden. Die in ihm unter einem Pascha von zwei Roßschweifen stehenden Janitscharen treiben ihr tolles, zügelloses Wesen noch immer in der Art und Weise, wie Ihnen bereits frühere Berichte gemeldet haben. Bald fallen sie im Bewußtsein ihrer vortrefflichen Disciplin ruhige Bürger mit blanker, scharfer Waffe in der Hand auf offener Straße an und bringen ihnen gefährliche Verletzungen bei, bald gerathen sie sich gegenseitig selbst in die Haaren. Am verflossenen Dienstage wurde in einem hiesigen öffentlichen Lokale ein Soldatenball abgehalten. Ein denselben frequentirender knochenfester Kriegsknecht von der renommirten Truppe der stets schlagfertigen Fünfer wird dabei von der Liebenswürdigkeit einer anwesenden Grisette entzückt und ist auch so glücklich, sehr bald ihre Neigung zu gewinnen. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein sichrer Bund zu flechten, und die Gunst springt öfters ab. Ein Zwanziger, der jedenfalls im Besitze größerer Attraktionskraft gewesen sein muß, als sein Kollege, zieht durch einige geschickte Manövers das in seliger Liebe schwimmende Mädchenherz an sich und macht es zu dem seinigen. Dafür schwört ihm aber der betrogene Fünfer blutige Rache, und ein Fünfer hält ebenso Wort, wie sein großes Vorbild, der wahrheitsliebende Wrangel. Als der Zwanziger die gewonnene Grisette an seinem Heldenarme nach Hause führt, wird er unverhofft von dem erbitterten Kameraden überfallen und mit einem großen Messer nach ächter Fleischerart wie ein fetter Bulle ins Genick gestochen, so daß er auf dem Flecke zusammenstürzt und jetzt bereits zur großen Armee in das Jenseit abgegangen ist. — Am 15. d. M. wurde der hiesige Buchdruckereibesitzer, Harry d'Oench wegen Abdrucks und Verbreitung des allgemein bekannten Panegyrikus auf den alten Bundestag, und zweier ebenfalls von ihm nachgedruckter und verbreiteter Karrikaturen, in denen bureaukratische Adleraugen Beleidigungen des Staatsoberhauptes erkannt haben wollen, durch Erkenntniß erster Instanz zu drei Jahren Festungsstrafe und zum Verluste der Nationalkokarde verurtheilt. Er wird wegen des gegen ihn gefällten Urtheils Appellation ergreifen. — Den Redakteur der hiesigen Silesia, Dr. Cunerth, erwartet nächstens ein gleiches Schicksal wie d'Oench. Und warum? Weil er unumwunden das ausgesprochen hat, was Niemand als eine Lüge zu bezeichnen im Stande ist. „Die Wahrheit ist aber ein Hund, der ins Loch muß, und hinausgepeitscht wird, während Madame Schooßhündin am Feuer stehen und stinken darf“ — sagt der Narr im König Lear. Posen, 15. März. Die sehr verbürgten Berichte aus dem benachbarten Königreiche Polen bestätigen die Nachricht, daß drei neue russische Armeekorps in Polen eingerückt sind und daß das letztere von diesen schon sein Hauptquartier in Konin aufgeschlagen hat. Diese neuen Heeresmassen, die jedenfalls an 60000 Mann der verschiedensten Waffen zählen, stehen nunmehr sämmtlich ziemlich nahe an der preußischen Gränze und können dieselbe binnen wenigen Stunden überschritten haben; unmittelbar an der Gränzlinie stehen theils Kosaken, theils ein großer Artilleriepark, letzterer bei Bloszko, dessen Mündungen zu uns herübergähnen. Das große Lager bei Kirchdorf in der Nähe von Kalisch ist fast fertig und bereits von zahlreichen Truppen bezogen, die bei jedem Wetter von früh bis spät exerziren. Die Soldaten selbst haben sämmtlich die Ueberzeugung, daß sie nächstens in das preußische Gebiet einrücken werden. (D. A. Z). 12 Von der Meklenburgischen Grenze, 16. März. Die Gerüchte wegen bevorstehender Auflösung der meklenburgischen Kammer und Oktroyirung einer Verfassung gewinnen immer mehr an Wahrscheinlichkeit. Die gottbegnadeten Großherzöge wollen hinter andern großen Herren von Gottes Gnaden nicht zurückbleiben. Zu diesem Behufe haben sie sich einige Tausend Mann „Reichstruppen“ vom preußischen Vetter geliehen, die wohl die rebellische Kammer zu Paaren treiben werden. — Bereits gestern verbreitete sich das Gerücht in Brandenburg, die Preußen seien im Anmarsche. Es entstand auch bald eine furchtbare Aufregung, die sich jedoch für heut nach dem Einwerfen mehrerer Fenster wieder legte. — Heute Nachmittag rückten nun in der That zwei Eskadronen des Pasewalker preußischen Cürassier-Regiments in dem kleinen meklenburgischen Städtchen Woldegs ein, von wo sie weiter auf Brandenburg marschirt sind. * Wien. Einem uns zur Benutzung übergebenen Privatbriefe aus Wien vom 14. März entnehmen wir folgendes: Wien, den 14. März. „‥‥… Wie schon oben erwähnt, überraschte uns am 7. März früh an allen Straßenecken eine von Gottes Gnaden uns aufgedrungene Verfassung, worüber die volksverrätherische Bourgeoisie ein Freudengezeter erhob, da ihnen in derselben versprochen ist, daß Wien der Sitz des Kaisers, der Regierung und der Kammern bleiben wird; sie sich daher einen reichen Schacher hoffen. Also gleich ging eine Deputation zum Kaiser nach Olmütz, um ihm ihre loyalen Gesinnungen darbringen zu können. In der Stube des Handwerkers, des ehrlichen Liberalen, des Proletariers, wurde mit Verachtung und Fluch von dieser neuen Metternich'schen Association mit der Kamarilla gesprochen. Schlechteres, miserableres könnte man uns nicht mehr geben, wir sind viel schlechter d'ran, als wie vor dem März 1848. Jeder Paragraph ist mit jesuitisch-büreaukratisch-teuflischer Schlechtigkeit ausspintisirt, hat 10 Hinterthüren, und kann gedeutet werden, wie man es will. Jeder fühlt, so kann es nicht bleiben, für so viele Opfer, so eine Miserabilität? Jedoch, was jetzt angefangen, der für Ordnung und Ruhe wachende Sicherheitsausschuß blickt unheilverkündend von den Basteien, und zu dem, nicht einmal einen Bratspieß zur Waffe! Hoffend und wünschend blickt der Demokrat nach dem Osten, wo sich der tapfere Magyare schon 5 Monate für seine, und für die Freiheit von beinahe halb Europa schlägt. Eine wahre Entrüstung brachte die Verfassung unter den Czechen hervor, welche dieselbe an vielen Orten verbrannten. Heute sprach ich einen Geistlichen aus Neufalz in Ungarn, der sagte dasselbe, überall wird das Pamphlet mit Koth beworfen und beschmiert. Am Abende des 7. März wurde trotz der Nichterlaubniß des Gouverneurs Welden freiwillig die Stadt beleuchtet, alles war still und lautlos. Sonntag den 11. März war große Kirchenfeierlichkeit zu St. Stephan, wozu 18,000 Mann Militär ausrückten und auf den Plätzen und Straßen der inneren Stadt aufgestellt waren, mit Geschütz und brennender Lunte, mehr um zu imponiren, und die Ruhe der Feierlichkeit zu sichern, als wie zur Feierlichkeit selbst, von den Wällen wurden 303 Kanonensalven gelöst, Abends war die Stadt und Theile gewisser Vorstädte abermals illuminirt. Ein großer Zapfenstreich mit Militärbanden, die bekannte Volkshymne spielend, durchzog die Stadt, wobei vieles schlechte, und theils bezahlte Gesindel Vivat! rief. Ein Fiaker durchzog die Stadt bis in die Nacht mit dem Bildniß des Kaisers, welches mit Blumen geziert und beleuchtet war; dieser Kerl war bezahlt wie das Gesindel, welches dem Wagen nachlief; ich merkte mir die Schreier, welche immer Vivat Franz Joseph schrieen, es waren in jeder Straße dieselben. Alles war schon seit längerer Zeit auf den 13. März begierig. Früh fanden sich auf dem Friedhofe bei'm gezierten Grabe der Märzgefallenen viele Akademisten, Männer, Frauen und Mädchen mit Flören, und die Frauen größtentheils in Trauerkleidern ein; es wurden viele Thränen vergossen. Bei St. Stephan war schon vorgestern ein Hochamt für die Märzgefallenen bezahlt worden. Auf dem Stephansplatze sammelten sich die Leute immer mehr. Es rückte Militär aus, sperrte alle Zugänge und Straßen auf obgenanntem Platz, ließ Niemanden auf denselben, jedoch Alle heraus, und arretirte eine Menge junger Männer ohne die geringste Veranlassung. Nicht viel fehlte, so hätte man mich an der Gewölbsthür einer Pelzwaarenhandlung ebenfalls arretirt, blos weil ich vertraulich mit der Eigenthümerin gesprochen, ohne daß Jemand das Gesprochene gehört haben konnte. Es wurden Angesichts des Volkes die Gewehre geladen, und hierauf das Volk, eigentlich lauter friedliche und neugierige Spaziergänger, aufgefordert, auseinander zu gehen. Das Militär machte Miene zum Dreinschlagen.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 251. Köln, 21. März 1849, S. 1406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz251_1849/2>, abgerufen am 25.04.2024.