Neue Rheinische Zeitung. Nr. 255. Köln, 25. März 1849. Zweite AusgabeNeue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 255. Köln, Sonntag, den 25. März. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffirter Briefe gratis. Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April - Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen. Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen. Zweite Ausgabe. Avis für unsere süddeutschen Abonnenten. Mehrere süddeutschen Postbehörden weigern sich 1/4 jähriges Abonnement auf die "Neue Rh. Ztg." anzunehmen, und verlangen von den Bestellern Vorausbezahlung auf ein halbes Jahr. Namentlich ist dies in Darmstadt und Höchst vorgekommen. Wir erklären unseren süddeutschen Abonnenten, daß die auswärtigen Abonnementsgelder nur quartaliter bei der Kölner Post eingehen, und daß sie den Vorschuß, den sie den Darmstädter und Höchster Postbehörden zahlen, als eine Zwangsanleihe des verkommenen Thurn- und Taxischen Reichsschnecken-Industrie-Geschäfts ansehen mögen. Die Expedition. [Deutschland] * Köln, 24. März. Seit den letzten 30 Jahren haben allein die schlesischen Dorf-"Unterthanen" ihrer gottbegnadeten Ritterschaft 80 Mill. Thaler im Wege der Ablösung, und circa 160 Mill. Thlr. an nicht abgelös'ten gutsherrlichen Abgaben und Frohnden, zusammen eine Summe von 210 Mill. Thalern, ausgeantwortet. Und nun sage man noch, daß das "Gottesgnadenthum" nichts nütze, nicht einträglich sei! Jene Summe ist indeß nur der Ertrag einer direkten Prellerei, einer Prellerei, die natürlich stets mit dem Nimbus "wohlerworbener Rechte" umkleidet wurde. Wie's mit Erwerbung dieser "raubritterlichen Rechte" beschaffen ist, davon legt nicht blos jede Seite der mittelalterlichen Geschichte, sondern jedes Jahr bis auf die allerneueste Zeit das lauteste Zeugniß ab. Das mittelalterliche Ritterschwert wußte sich später ganz herrlich mit dem Gänsekiel des Juristen und der Beamtenhorde zu verbünden. Aus der Gewalt wurde mittelst einer Kartenschläger-Volte das "Recht", das "wohlerworbene Recht" fabrizirt. Ein Beispiel aus dem vorigen Jahrhundert. In den 80ger Jahren wurden für Schlesien auf Veranlassung des dortigen Adels Kommissionen zur Feststellung der Urbarien, der guts-herrlich-bäuerlichen Leistungen und Gegenleistungen, niedergesetzt. Die meisten Dominien stützten sich bis dahin mit ihren Forderungen an ihre "Unterthanen" auf Herkommen und Gewohnheit. Es drängte sie, ihren beutelschneiderischen Ansprüchen die Form und den Schein der Legalität umzuhängen. Die Kommissionen, aus Adlichen und ihren Kreaturen zusammengesetzt, arbeiteten vortrefflich - im Interesse der Aristokratie. Gleichwohl gelang es den hohen Herren bei weitem nicht überall, sogenannte "konfirmirte" Urbarien zu Stande zu bringen. Wo es ihnen aber gelang, geschah es nur durch Gewalt oder Betrug. Die jetzige Generation in Schlesien wüßte so gut wie Nichts über die Art und Weise, konfirmirte Urbarien anzufertigen, wenn nicht in mehreren dieser Urkunden der Hergang selber verzeichnet wäre. Ganz naiv wird in der Einleitung zu einer Anzahl solcher Schriftstücke angeführt, daß die Bauern nicht unterkreuzen gewollt (schreiben konnten nur äußerst Wenige) und daß sie theils durch Androhung, theils durch wirkliche Anwendung von Waffengewalt zur Unterschrift, d. h. zum Unterkreuzen, der sie und ihre Nachkommen übervortheilenden Urkunde gezwungen wurden. Auf Grund solcher "wohlerworbenen Rechte" haben die Herren Ritter in Schlesien während der letzten 30 Jahre jenes artige Sümmchen von circa 240 Mill. Thalern aus dem Schweiß und Blut des Bauernstandes in ihre ahnenstolzen Geldkisten hinüberzudestilliren gewußt. Zu dieser direkten Prellerei kommt noch die indirekte, zum unmittelbaren Raube der mittelbare. Unter der indirekten Prellerei nimmt die Grundsteuer die erste Stelle ein. Friedrich II. ließ im Jahr 1749 ein Steuerkataster in Schlesien anfertigen. Den Bauern wurde eher mehr als weniger Boden in die Liste verzeichnet. Die Herren Ritter dagegen, als die allein Gewaltigen, ließen aufschreiben, wie viel ihnen eben bequem war. Standesinteresse, Bestechung, Einschüchterung leisteten das Mögliche. In jenem Kataster wurde der Ertrag eines Morgen cultivirten Landes zu 1 Thlr. schles. veranschlagt und danach die Grundsteuer von den Bauern und von den Rittergütern erhoben. Nach dem nämlichen Maaßstabe mußten und müssen die Kreisbeiträge, die Abgaben für die Kreuzburger Landarmenanstalt, für Irren- und Correctionsanstalten und für eine Menge anderer Zwecke entrichtet werden. Zur Zeit der Katasteraufnahme herrschte die Dreifelderwirthschaft. Ein Drittel der Ackerfläche mußte jedes Jahr zur Brache liegen gelassen werden. Dieses brache Drittel wurde im Kataster nicht aufgenommen. Der Thaler-Ertrag bezieht sich nur auf die übrigen jährlich kultivirten 2 Drittel. Mit Abschaffung der Dreifelderwirthschaft und jährlicher Bebauung der gesammten Morgenfläche, also mit Einführung der modernen Agrikultur gewannen die Rittergüter, die bisher Grundsteuer gezahlt, natürlich in einem ganz anderen Verhältniß, als der "kleine Mann", der z. B. im Besitz von 3 Morgen Landes nun jährlich alle 3 bebaute, während er früher nur 2 anpflanzen durfte und den dritten für die herrschaftlichen Schaafe, Schweine, Kühe etc. als Brachweide reserviren mußte. Der Rittergütler mit 1200 Morgen - um einen der kleineren herauszunehmen - gewann jetzt von 400 Morgen, die früher brach gelegen, seinen Jahresvertrag. Allein die Grundsteuer und die übrigen auf das Kataster von 1749 gestützten Abgaben wurden nach wie vor in dem nämlichen Verhältniß gefordert und geleistet. Nicht genug. Der Rittergütler ließ seine Waldungen ausroden und machte Wiesen oder Ackerland daraus. Nach und nach wurden die breiten Gränz-Raine, die breiten Graben und Wiesenränder, Auen und Flächen innerhalb des Dorfes, kurz jedes irgend benutzbare Fleckchen von den "gnädigen" Herren konfiszirt und in Ackerland verwandelt. Die Grundsteuer und die übrigen Abgaben der Hohen Herren - insoweit sie überhaupt Steuern zahlten - blieben unverändert. Die drei, vier und mehr Morgen des "kleinen Mannes" wuchsen nicht; er hatte weder Waldungen umzuschlagen, noch breite Grabenränder etc. umzuackern. Schon bei Anlegung des Katasters durch falsche Morgenzahl aufs Aergste begünstigt, sah der Ritter sein Vorrecht noch fernerhin stets gemehrt und erweitert. Wir wollen indeß die Zeit vor 1810 ganz bei Seite lassen und uns an die darauf folgende halten. Daß 1810 die "Erbunterthänigkeit" unentgeldlich aufgehoben wurde: versetzte die Herren Ritter in äußerste Wuth. Mehrere schworen in der ersten Zorneswallung dem preußischen Könige Urfehde ob solchen Eingriffs in ihre "wohlerworbenen Rechte." Und doch war der preußische König sehr unschuldig daran. Nicht ihm, sondern den Franzosen, dem Kaiser Napoleon, verdankt die Bauernschaft in den östlichen Provinzen die Erlösung von der Schmach der Erbunterthänigkeit. Napoleon mußte erst das preußische hochnasige Krautjunkerthum bei Jena zusammenhauen, damit die preußische Regierung zu dem Erlösungsgesetz gezwungen werden konnte. Das ist die unzweifelhafte Wohlthat, die Millionen von preußischen Bauern dem Napoleon zu verdanken haben. Dagegen beging er aber eine eben so arge Missethat. Sie bestand darin, daß er nicht, wie in andern Fällen, sofort dekretirte: "Das Haus Hohenzollern hat aufgehört zu regieren." Es war eine arge Mißethat, daß er im Frieden zu Tilsit überhaupt noch ein Preußen bestehen ließ, statt sämmtliche Provinzen, nach vorgängiger unentgeldlicher Abschaffung aller Feudallasten und Einführung des französischen Gesetzbuches in französische Departements oder unabhängige Staaten zu verwandeln. Die Rheinprovinz die 25 Jahre unter französischer revolutionärer Herrschaft stand, kennt seitdem keine Feudallasten mehr und jeder rheinische Bauer ist freier Grundbesitzer. Genug, Napoleon that es nicht. Die Nemesis hat ihn dafür ereilt und die preußischen Bauern, namentlich die schlesischen, haben für diese seine Unterlassungssünde bis auf den heutigen Tag unglaublich dulden und bluten müssen. Das Gesetz über Abschaffung der Erbunterthänigkeit vom J. 1810 konnte den Bauern unmöglich genügen. Blieb doch die schwerste Last, die gutsherrlichen Abgaben und Frohnden, nach wie vor auf ihre Schultern gepackt. Dort, wo sie, wie in Oberschlesien, auch diese Last abzuwälzen versuchten, wurden sie mittelst Kugeln und Bajonetten zum gutsherrlichen Gehorsam zurückgezwungen. Desto mehr hofften sie auf endliche Freiwerdung, wenn erst der "wälsche" Feind hinausgeschlagen sei. An den herrlichsten Versprechungen von oben herab fehlte es nicht. Durch sie begeisterte man das Volk zur Theilnahme an den sogenannten "Freiheitskriegen". Unter diesen gottbegnadeten Verheißungen war auch die, daß künftig Jeder nach seinen Kräften zu den Steuern an den Staat beitragen solle. Als aber das Volk mit seinem Blut die geborstenen Throne "von Gottes Gnaden" wieder zusammengekittet und die europäische Contrerevolution in Schlachten und auf Kongressen ihre Siege und Bacchanalien gefeiert hatte: da zahlte die Ritterschaft gerade so wie früher nach dem alten betrügerischen und immer ungerechter werdenden Kataster. Wenn wir sagen: die Ritterschaft, so ist das hier recht eigentlich: pars pro toto. Das heißt ein großer Theil der Ritterschaft, gerade derjenige Theil, der die größten und einträglichsten Güterkomplexe besitzt, hat unter dem Titel von "wohlerworbenen Rechten" als mediatisirte Standesherren bis jetzt noch nicht einen Deut Grundsteuer gezahlt. Rechnen wir das, was die Herrn Ritter in den letzten 30 Jahren blos an Grundsteuer zu wenig oder gar nicht gezahlt haben, auf 40 Mill. Thaler - und das ist wahrlich noch eine Rechnung unter Brüdern - : so macht dies mit den auf directe Weise aus den Taschen des schlesischen Landvolks geraubten 240 Millionen eine Summe von 280 Millionen. Das ist die schlesische Milliarde! Wir kämen weit über sie hinaus, wollten wir alle übrigen raubritterlichen directen und indirecten Prellereien mit ins Conto setzen. Da nun die Herren Ritter mit erneuter Lust auf ihrem Steckenpferde der "Entschädigung" herumreiten, so ist's Zeit, daß der Bauer nun endlich einmal auch sein eignes Entschädigungsroß besteigt. Die Herren Ritter wollen das mittelalterliche, das feudale Eigenthum, das sie bisher unter dem Namen von "Grundzinsen, Spinn-, Hühner-, Wächter-, Eier-, Besen-, Schornsteinfeger- und Schutz-Geld", von "Roboten oder Hofediensten", von Getreide- und andern Naturallieferungen" ausbeuteten, geschwind noch in bürgerliches, in allermodernsten Renten- oder Pfandbriefeigenthum verwandeln. "Entschädigung" nennen sie den Verwandlungsprozeß. Nun gut, da Ihr nicht müde werdet von "Entschädigung" zu schwatzen und so unklug seid, das Prinzip des aus dem vorigen Jahrhundert her noch jetzt in Schlesien renommirten Erzgauners Erner - der die reichen Müller nur gegen eine äquivalente Geldsumme mit dem Besuch seiner Räuberbande verschonte - auch künftig festhalten zu wollen: so wundert Euch nicht, wenn der schlesische Bauer endlich die Kreide herausnimmt, Euch die Rechnung macht und in den Ruf der "Entschädigung" mit einem Tone einstimmt, der Euch bald durch ganz Schlesien auf hohen und niedern Schlössern höchst unheimlich um die Ohren gellen wird. Der schlesische Bauer wird nicht eher ruhig werden, bis Ihr ihn entschädigt, bis Ihr ihm die abgeprellten 280 Millionen zurückerstattet habt. Er kennt gerade so viel Naturgeschichte, um zu wissen, wie man den vollgesogenen Blutegel wieder entleert. Die Zinsen läßt er euch durch Steineklopfen, oder Wollespinnen, Kälberhaarezupfen etc. abverdienen. So kommt Ihr endlich zu Eurem "wohlerworbenen Rechte", und der Landmann zu dem seinigen, d. h. zu den 280 Millionen, um die er während 30 Jahren - raubritterlich betrogen wurde. * Berlin, 23. März. Das Comite zur Errichtung eines Denkmals im Friedrichshain hat für heute Abend eine Versammlung anberaumt, zu der mehrere Abgeordnete der Linken eingeladen sind. Man beabsichtigt, da die Beiträge die Höhe von tausend Thaler schon erreichen, ein größeres Comite einzusetzen, bei welchem sich auch Abgeordnete betheiligen würden. Es sind allerdings für ein Denkmal zu Ehren der gefallenen Soldaten über 20,000 Thlr. eingekommen. Wir bemerken indeß, daß ein bekanntes Mitglied des königl. Hauses, bei den Märzereignissen sehr betheiligt, die 20,000 Thlr. allein gegeben hat. Bei Hofe ist man über die Annahme des Thiel'schen Amnestie-Amendements durchaus nicht bestürzt. Der König und ein großer Theil seiner Umgebung wünscht den Anlaß zu einer Amnestie, weil man dort nicht konsequent und nicht muthig genug ist, den Weg der Contrerevolution weiter zu gehen. Nur Manteuffel erklärte sich mit großer Entschiedenheit stets gegen jede unzeitige Milde. Graf Arnim hat dieser Tage seine Entlassung als Minister der auswärtigen Angelegenheiten eingereicht. Es bewog ihn dazu der Tadel seiner Kollegen über seine deutsche Politik, theils die Gesinnung der ersten, sowie der zweiten Kammer in dieserselben Sache. Die Interpellation, welche Graf Dyhren zu morgen in der ersten Kammer angekündigt hat, wird dieser Kammer Gelegenheit geben, die Expectoration des hochgräflichen Ministers anzuhören, da seine Entlassung vom König nicht angenommen ist. Manteuffel besteht indeß auf einer Aenderung in der deutschen Politik. * Berlin, 23. März. Sitzung der zweiten Kammer. Nach Verlesung des Protokolls erhält der Abg. Bodelschwingh das Wort zu einer faktischen Berichtigung. Er will seine in der Abtheilung gemachte und gestern auf der Tribüne zur Sprache gebrachte Aeußerung: "daß die Amnestie eine Grausamkeit sei" rechtfertigen. Man habe diesen Satz aus dem Zusammenhange gerissen. In der Abtheilung habe er sich gegen die Amnestie ausgesprochen, weil Massenbegnadigungen, die man Amnestie nennt, statt der Milde die man erwartet, vom Volke als Grausamkeit werden angesehen werden, indem das Rechtsgefühl durch eine solche Amnestie so untergraben wird, daß Grausamkeiten jeder Art die Folge sein werden. Der vierte Abschnitt der Adresse und alle dazu gestellten Amendements werden verlesen. Vincke als Referent erklärt, daß sich die Adreßkommission mit den Amendements von Osterrath und von Bleibtreu einverstanden erklärt. Sie lauten: Osterrath: Hohe Kammer wolle, in Erwägung daß die "Ordnung der kirchlichen Zustände" von der Staatsgesetzgebung unabhängig ist, u. s. w. beschließen: in dem vierten Absatz des Adreßentwurfs die Worte: "und der kirchlichen Zustände und die hierauf bezüglichen Entwürfe" - nicht anzunehmen. Bleibtreu. Die hohe Kammer wolle beschließen: in den Passus die Ordnung der Gemeindeverhältnisse u. s. w. nach den Worten: "und Gewerbeverhältnisse" einzuschalten: "wie zur Hebung der arbeitenden Klassen." Die Debatte wird eröffnet. Wollheim greift das Ministerium wegen den von ihm auf Grund des Art. 105 der Verf. octroyirten Verordnungen an. - v. d. Heydt und Manteuffel suchen sich zu vertheidigen. Nachdem noch einige faktische Berichtigungen gemacht sind, beliebt man die Abstimmung. Die Amendements D'Ester, Rodbertus, Thiel werden eins nach dem andern verworfen. Der Adreßentwurf wird mit Berücksichtigung der beiden oben gegebenen Amendements Osterrath und Bleibtreu angenommen. Hierauf werden die Amendements zum fünften und sechsten Absatz der Adresse, welche über die Finanzen und das Heerwesen handeln, verlesen. Das Wort erhält Görz-Wrisberg. Der Redner, früher Offizier, legt die Gründe dar, Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 255. Köln, Sonntag, den 25. März. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffirter Briefe gratis. Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April ‒ Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen. Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen. Zweite Ausgabe. Avis für unsere süddeutschen Abonnenten. Mehrere süddeutschen Postbehörden weigern sich 1/4 jähriges Abonnement auf die „Neue Rh. Ztg.“ anzunehmen, und verlangen von den Bestellern Vorausbezahlung auf ein halbes Jahr. Namentlich ist dies in Darmstadt und Höchst vorgekommen. Wir erklären unseren süddeutschen Abonnenten, daß die auswärtigen Abonnementsgelder nur quartaliter bei der Kölner Post eingehen, und daß sie den Vorschuß, den sie den Darmstädter und Höchster Postbehörden zahlen, als eine Zwangsanleihe des verkommenen Thurn- und Taxischen Reichsschnecken-Industrie-Geschäfts ansehen mögen. Die Expedition. [Deutschland] * Köln, 24. März. Seit den letzten 30 Jahren haben allein die schlesischen Dorf-„Unterthanen“ ihrer gottbegnadeten Ritterschaft 80 Mill. Thaler im Wege der Ablösung, und circa 160 Mill. Thlr. an nicht abgelös'ten gutsherrlichen Abgaben und Frohnden, zusammen eine Summe von 210 Mill. Thalern, ausgeantwortet. Und nun sage man noch, daß das „Gottesgnadenthum“ nichts nütze, nicht einträglich sei! Jene Summe ist indeß nur der Ertrag einer direkten Prellerei, einer Prellerei, die natürlich stets mit dem Nimbus „wohlerworbener Rechte“ umkleidet wurde. Wie's mit Erwerbung dieser „raubritterlichen Rechte“ beschaffen ist, davon legt nicht blos jede Seite der mittelalterlichen Geschichte, sondern jedes Jahr bis auf die allerneueste Zeit das lauteste Zeugniß ab. Das mittelalterliche Ritterschwert wußte sich später ganz herrlich mit dem Gänsekiel des Juristen und der Beamtenhorde zu verbünden. Aus der Gewalt wurde mittelst einer Kartenschläger-Volte das „Recht“, das „wohlerworbene Recht“ fabrizirt. Ein Beispiel aus dem vorigen Jahrhundert. In den 80ger Jahren wurden für Schlesien auf Veranlassung des dortigen Adels Kommissionen zur Feststellung der Urbarien, der guts-herrlich-bäuerlichen Leistungen und Gegenleistungen, niedergesetzt. Die meisten Dominien stützten sich bis dahin mit ihren Forderungen an ihre „Unterthanen“ auf Herkommen und Gewohnheit. Es drängte sie, ihren beutelschneiderischen Ansprüchen die Form und den Schein der Legalität umzuhängen. Die Kommissionen, aus Adlichen und ihren Kreaturen zusammengesetzt, arbeiteten vortrefflich ‒ im Interesse der Aristokratie. Gleichwohl gelang es den hohen Herren bei weitem nicht überall, sogenannte „konfirmirte“ Urbarien zu Stande zu bringen. Wo es ihnen aber gelang, geschah es nur durch Gewalt oder Betrug. Die jetzige Generation in Schlesien wüßte so gut wie Nichts über die Art und Weise, konfirmirte Urbarien anzufertigen, wenn nicht in mehreren dieser Urkunden der Hergang selber verzeichnet wäre. Ganz naiv wird in der Einleitung zu einer Anzahl solcher Schriftstücke angeführt, daß die Bauern nicht unterkreuzen gewollt (schreiben konnten nur äußerst Wenige) und daß sie theils durch Androhung, theils durch wirkliche Anwendung von Waffengewalt zur Unterschrift, d. h. zum Unterkreuzen, der sie und ihre Nachkommen übervortheilenden Urkunde gezwungen wurden. Auf Grund solcher „wohlerworbenen Rechte“ haben die Herren Ritter in Schlesien während der letzten 30 Jahre jenes artige Sümmchen von circa 240 Mill. Thalern aus dem Schweiß und Blut des Bauernstandes in ihre ahnenstolzen Geldkisten hinüberzudestilliren gewußt. Zu dieser direkten Prellerei kommt noch die indirekte, zum unmittelbaren Raube der mittelbare. Unter der indirekten Prellerei nimmt die Grundsteuer die erste Stelle ein. Friedrich II. ließ im Jahr 1749 ein Steuerkataster in Schlesien anfertigen. Den Bauern wurde eher mehr als weniger Boden in die Liste verzeichnet. Die Herren Ritter dagegen, als die allein Gewaltigen, ließen aufschreiben, wie viel ihnen eben bequem war. Standesinteresse, Bestechung, Einschüchterung leisteten das Mögliche. In jenem Kataster wurde der Ertrag eines Morgen cultivirten Landes zu 1 Thlr. schles. veranschlagt und danach die Grundsteuer von den Bauern und von den Rittergütern erhoben. Nach dem nämlichen Maaßstabe mußten und müssen die Kreisbeiträge, die Abgaben für die Kreuzburger Landarmenanstalt, für Irren- und Correctionsanstalten und für eine Menge anderer Zwecke entrichtet werden. Zur Zeit der Katasteraufnahme herrschte die Dreifelderwirthschaft. Ein Drittel der Ackerfläche mußte jedes Jahr zur Brache liegen gelassen werden. Dieses brache Drittel wurde im Kataster nicht aufgenommen. Der Thaler-Ertrag bezieht sich nur auf die übrigen jährlich kultivirten 2 Drittel. Mit Abschaffung der Dreifelderwirthschaft und jährlicher Bebauung der gesammten Morgenfläche, also mit Einführung der modernen Agrikultur gewannen die Rittergüter, die bisher Grundsteuer gezahlt, natürlich in einem ganz anderen Verhältniß, als der „kleine Mann“, der z. B. im Besitz von 3 Morgen Landes nun jährlich alle 3 bebaute, während er früher nur 2 anpflanzen durfte und den dritten für die herrschaftlichen Schaafe, Schweine, Kühe etc. als Brachweide reserviren mußte. Der Rittergütler mit 1200 Morgen ‒ um einen der kleineren herauszunehmen ‒ gewann jetzt von 400 Morgen, die früher brach gelegen, seinen Jahresvertrag. Allein die Grundsteuer und die übrigen auf das Kataster von 1749 gestützten Abgaben wurden nach wie vor in dem nämlichen Verhältniß gefordert und geleistet. Nicht genug. Der Rittergütler ließ seine Waldungen ausroden und machte Wiesen oder Ackerland daraus. Nach und nach wurden die breiten Gränz-Raine, die breiten Graben und Wiesenränder, Auen und Flächen innerhalb des Dorfes, kurz jedes irgend benutzbare Fleckchen von den „gnädigen“ Herren konfiszirt und in Ackerland verwandelt. Die Grundsteuer und die übrigen Abgaben der Hohen Herren ‒ insoweit sie überhaupt Steuern zahlten ‒ blieben unverändert. Die drei, vier und mehr Morgen des „kleinen Mannes“ wuchsen nicht; er hatte weder Waldungen umzuschlagen, noch breite Grabenränder etc. umzuackern. Schon bei Anlegung des Katasters durch falsche Morgenzahl aufs Aergste begünstigt, sah der Ritter sein Vorrecht noch fernerhin stets gemehrt und erweitert. Wir wollen indeß die Zeit vor 1810 ganz bei Seite lassen und uns an die darauf folgende halten. Daß 1810 die „Erbunterthänigkeit“ unentgeldlich aufgehoben wurde: versetzte die Herren Ritter in äußerste Wuth. Mehrere schworen in der ersten Zorneswallung dem preußischen Könige Urfehde ob solchen Eingriffs in ihre „wohlerworbenen Rechte.“ Und doch war der preußische König sehr unschuldig daran. Nicht ihm, sondern den Franzosen, dem Kaiser Napoleon, verdankt die Bauernschaft in den östlichen Provinzen die Erlösung von der Schmach der Erbunterthänigkeit. Napoleon mußte erst das preußische hochnasige Krautjunkerthum bei Jena zusammenhauen, damit die preußische Regierung zu dem Erlösungsgesetz gezwungen werden konnte. Das ist die unzweifelhafte Wohlthat, die Millionen von preußischen Bauern dem Napoleon zu verdanken haben. Dagegen beging er aber eine eben so arge Missethat. Sie bestand darin, daß er nicht, wie in andern Fällen, sofort dekretirte: „Das Haus Hohenzollern hat aufgehört zu regieren.“ Es war eine arge Mißethat, daß er im Frieden zu Tilsit überhaupt noch ein Preußen bestehen ließ, statt sämmtliche Provinzen, nach vorgängiger unentgeldlicher Abschaffung aller Feudallasten und Einführung des französischen Gesetzbuches in französische Departements oder unabhängige Staaten zu verwandeln. Die Rheinprovinz die 25 Jahre unter französischer revolutionärer Herrschaft stand, kennt seitdem keine Feudallasten mehr und jeder rheinische Bauer ist freier Grundbesitzer. Genug, Napoleon that es nicht. Die Nemesis hat ihn dafür ereilt und die preußischen Bauern, namentlich die schlesischen, haben für diese seine Unterlassungssünde bis auf den heutigen Tag unglaublich dulden und bluten müssen. Das Gesetz über Abschaffung der Erbunterthänigkeit vom J. 1810 konnte den Bauern unmöglich genügen. Blieb doch die schwerste Last, die gutsherrlichen Abgaben und Frohnden, nach wie vor auf ihre Schultern gepackt. Dort, wo sie, wie in Oberschlesien, auch diese Last abzuwälzen versuchten, wurden sie mittelst Kugeln und Bajonetten zum gutsherrlichen Gehorsam zurückgezwungen. Desto mehr hofften sie auf endliche Freiwerdung, wenn erst der „wälsche“ Feind hinausgeschlagen sei. An den herrlichsten Versprechungen von oben herab fehlte es nicht. Durch sie begeisterte man das Volk zur Theilnahme an den sogenannten „Freiheitskriegen“. Unter diesen gottbegnadeten Verheißungen war auch die, daß künftig Jeder nach seinen Kräften zu den Steuern an den Staat beitragen solle. Als aber das Volk mit seinem Blut die geborstenen Throne „von Gottes Gnaden“ wieder zusammengekittet und die europäische Contrerevolution in Schlachten und auf Kongressen ihre Siege und Bacchanalien gefeiert hatte: da zahlte die Ritterschaft gerade so wie früher nach dem alten betrügerischen und immer ungerechter werdenden Kataster. Wenn wir sagen: die Ritterschaft, so ist das hier recht eigentlich: pars pro toto. Das heißt ein großer Theil der Ritterschaft, gerade derjenige Theil, der die größten und einträglichsten Güterkomplexe besitzt, hat unter dem Titel von „wohlerworbenen Rechten“ als mediatisirte Standesherren bis jetzt noch nicht einen Deut Grundsteuer gezahlt. Rechnen wir das, was die Herrn Ritter in den letzten 30 Jahren blos an Grundsteuer zu wenig oder gar nicht gezahlt haben, auf 40 Mill. Thaler ‒ und das ist wahrlich noch eine Rechnung unter Brüdern ‒ : so macht dies mit den auf directe Weise aus den Taschen des schlesischen Landvolks geraubten 240 Millionen eine Summe von 280 Millionen. Das ist die schlesische Milliarde! Wir kämen weit über sie hinaus, wollten wir alle übrigen raubritterlichen directen und indirecten Prellereien mit ins Conto setzen. Da nun die Herren Ritter mit erneuter Lust auf ihrem Steckenpferde der „Entschädigung“ herumreiten, so ist's Zeit, daß der Bauer nun endlich einmal auch sein eignes Entschädigungsroß besteigt. Die Herren Ritter wollen das mittelalterliche, das feudale Eigenthum, das sie bisher unter dem Namen von „Grundzinsen, Spinn-, Hühner-, Wächter-, Eier-, Besen-, Schornsteinfeger- und Schutz-Geld“, von „Roboten oder Hofediensten“, von Getreide- und andern Naturallieferungen“ ausbeuteten, geschwind noch in bürgerliches, in allermodernsten Renten- oder Pfandbriefeigenthum verwandeln. „Entschädigung“ nennen sie den Verwandlungsprozeß. Nun gut, da Ihr nicht müde werdet von „Entschädigung“ zu schwatzen und so unklug seid, das Prinzip des aus dem vorigen Jahrhundert her noch jetzt in Schlesien renommirten Erzgauners Erner ‒ der die reichen Müller nur gegen eine äquivalente Geldsumme mit dem Besuch seiner Räuberbande verschonte ‒ auch künftig festhalten zu wollen: so wundert Euch nicht, wenn der schlesische Bauer endlich die Kreide herausnimmt, Euch die Rechnung macht und in den Ruf der „Entschädigung“ mit einem Tone einstimmt, der Euch bald durch ganz Schlesien auf hohen und niedern Schlössern höchst unheimlich um die Ohren gellen wird. Der schlesische Bauer wird nicht eher ruhig werden, bis Ihr ihn entschädigt, bis Ihr ihm die abgeprellten 280 Millionen zurückerstattet habt. Er kennt gerade so viel Naturgeschichte, um zu wissen, wie man den vollgesogenen Blutegel wieder entleert. Die Zinsen läßt er euch durch Steineklopfen, oder Wollespinnen, Kälberhaarezupfen etc. abverdienen. So kommt Ihr endlich zu Eurem „wohlerworbenen Rechte“, und der Landmann zu dem seinigen, d. h. zu den 280 Millionen, um die er während 30 Jahren ‒ raubritterlich betrogen wurde. * Berlin, 23. März. Das Comité zur Errichtung eines Denkmals im Friedrichshain hat für heute Abend eine Versammlung anberaumt, zu der mehrere Abgeordnete der Linken eingeladen sind. Man beabsichtigt, da die Beiträge die Höhe von tausend Thaler schon erreichen, ein größeres Comite einzusetzen, bei welchem sich auch Abgeordnete betheiligen würden. Es sind allerdings für ein Denkmal zu Ehren der gefallenen Soldaten über 20,000 Thlr. eingekommen. Wir bemerken indeß, daß ein bekanntes Mitglied des königl. Hauses, bei den Märzereignissen sehr betheiligt, die 20,000 Thlr. allein gegeben hat. Bei Hofe ist man über die Annahme des Thiel'schen Amnestie-Amendements durchaus nicht bestürzt. Der König und ein großer Theil seiner Umgebung wünscht den Anlaß zu einer Amnestie, weil man dort nicht konsequent und nicht muthig genug ist, den Weg der Contrerevolution weiter zu gehen. Nur Manteuffel erklärte sich mit großer Entschiedenheit stets gegen jede unzeitige Milde. Graf Arnim hat dieser Tage seine Entlassung als Minister der auswärtigen Angelegenheiten eingereicht. Es bewog ihn dazu der Tadel seiner Kollegen über seine deutsche Politik, theils die Gesinnung der ersten, sowie der zweiten Kammer in dieserselben Sache. Die Interpellation, welche Graf Dyhren zu morgen in der ersten Kammer angekündigt hat, wird dieser Kammer Gelegenheit geben, die Expectoration des hochgräflichen Ministers anzuhören, da seine Entlassung vom König nicht angenommen ist. Manteuffel besteht indeß auf einer Aenderung in der deutschen Politik. * Berlin, 23. März. Sitzung der zweiten Kammer. Nach Verlesung des Protokolls erhält der Abg. Bodelschwingh das Wort zu einer faktischen Berichtigung. Er will seine in der Abtheilung gemachte und gestern auf der Tribüne zur Sprache gebrachte Aeußerung: „daß die Amnestie eine Grausamkeit sei“ rechtfertigen. Man habe diesen Satz aus dem Zusammenhange gerissen. In der Abtheilung habe er sich gegen die Amnestie ausgesprochen, weil Massenbegnadigungen, die man Amnestie nennt, statt der Milde die man erwartet, vom Volke als Grausamkeit werden angesehen werden, indem das Rechtsgefühl durch eine solche Amnestie so untergraben wird, daß Grausamkeiten jeder Art die Folge sein werden. Der vierte Abschnitt der Adresse und alle dazu gestellten Amendements werden verlesen. Vincke als Referent erklärt, daß sich die Adreßkommission mit den Amendements von Osterrath und von Bleibtreu einverstanden erklärt. Sie lauten: Osterrath: Hohe Kammer wolle, in Erwägung daß die „Ordnung der kirchlichen Zustände“ von der Staatsgesetzgebung unabhängig ist, u. s. w. beschließen: in dem vierten Absatz des Adreßentwurfs die Worte: „und der kirchlichen Zustände und die hierauf bezüglichen Entwürfe“ ‒ nicht anzunehmen. Bleibtreu. Die hohe Kammer wolle beschließen: in den Passus die Ordnung der Gemeindeverhältnisse u. s. w. nach den Worten: „und Gewerbeverhältnisse“ einzuschalten: „wie zur Hebung der arbeitenden Klassen.“ Die Debatte wird eröffnet. Wollheim greift das Ministerium wegen den von ihm auf Grund des Art. 105 der Verf. octroyirten Verordnungen an. ‒ v. d. Heydt und Manteuffel suchen sich zu vertheidigen. Nachdem noch einige faktische Berichtigungen gemacht sind, beliebt man die Abstimmung. Die Amendements D'Ester, Rodbertus, Thiel werden eins nach dem andern verworfen. Der Adreßentwurf wird mit Berücksichtigung der beiden oben gegebenen Amendements Osterrath und Bleibtreu angenommen. Hierauf werden die Amendements zum fünften und sechsten Absatz der Adresse, welche über die Finanzen und das Heerwesen handeln, verlesen. Das Wort erhält Görz-Wrisberg. Der Redner, früher Offizier, legt die Gründe dar, <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="1435"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 255. Köln, Sonntag, den 25. März. 1849.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p> <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p> <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffirter Briefe gratis.</p> <p>Nur frankirte, Briefe werden angenommen.</p> <p>Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p> </div> <div type="jExpedition"> <p>Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April ‒ Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen.</p> <p>Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen.</p> </div> <div n="1"> <p> <hi rendition="#b">Zweite Ausgabe.</hi> </p> </div> <div type="jExpedition"> <p> <hi rendition="#g">Avis</hi> </p> <p> <hi rendition="#b">für unsere süddeutschen Abonnenten.</hi> </p> <p>Mehrere süddeutschen Postbehörden weigern sich 1/4 jähriges Abonnement auf die „Neue Rh. Ztg.“ anzunehmen, und verlangen von den Bestellern Vorausbezahlung auf ein halbes Jahr. Namentlich ist dies in Darmstadt und Höchst vorgekommen.</p> <p>Wir erklären unseren süddeutschen Abonnenten, daß die auswärtigen Abonnementsgelder nur quartaliter bei der Kölner Post eingehen, und daß sie den Vorschuß, den sie den Darmstädter und Höchster Postbehörden zahlen, als eine Zwangsanleihe des verkommenen Thurn- und Taxischen Reichsschnecken-Industrie-Geschäfts ansehen mögen.</p> <p> <hi rendition="#g">Die Expedition.</hi> </p> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar255-2_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 24. März.</head> <p>Seit den letzten 30 Jahren haben allein die <hi rendition="#g">schlesischen</hi> Dorf-„Unterthanen“ ihrer gottbegnadeten Ritterschaft 80 Mill. Thaler im Wege der Ablösung, und circa 160 Mill. Thlr. an nicht abgelös'ten gutsherrlichen Abgaben und Frohnden, zusammen eine Summe von <hi rendition="#b">210 Mill. Thalern,</hi> ausgeantwortet. Und nun sage man noch, daß das „Gottesgnadenthum“ nichts nütze, nicht einträglich sei! Jene Summe ist indeß nur der Ertrag einer <hi rendition="#b">direkten</hi> <hi rendition="#g">Prellerei,</hi> einer Prellerei, die natürlich stets mit dem Nimbus „wohlerworbener Rechte“ umkleidet wurde. Wie's mit Erwerbung dieser „raubritterlichen Rechte“ beschaffen ist, davon legt nicht blos jede Seite der mittelalterlichen Geschichte, sondern jedes Jahr bis auf die allerneueste Zeit das lauteste Zeugniß ab. Das mittelalterliche Ritterschwert wußte sich später ganz herrlich mit dem Gänsekiel des Juristen und der Beamtenhorde zu verbünden. Aus der Gewalt wurde mittelst einer Kartenschläger-Volte das „Recht“, das „wohlerworbene Recht“ fabrizirt. Ein Beispiel aus dem vorigen Jahrhundert. In den 80ger Jahren wurden für Schlesien auf Veranlassung des dortigen Adels Kommissionen zur Feststellung der <hi rendition="#g">Urbarien,</hi> der guts-herrlich-bäuerlichen Leistungen und Gegenleistungen, niedergesetzt. Die meisten Dominien stützten sich bis dahin mit ihren Forderungen an ihre „Unterthanen“ auf Herkommen und Gewohnheit. Es drängte sie, ihren beutelschneiderischen Ansprüchen die Form und den Schein der Legalität umzuhängen. Die Kommissionen, aus Adlichen und ihren Kreaturen zusammengesetzt, arbeiteten vortrefflich ‒ im Interesse der Aristokratie. Gleichwohl gelang es den hohen Herren bei weitem nicht überall, sogenannte „konfirmirte“ Urbarien zu Stande zu bringen. Wo es ihnen aber gelang, geschah es nur durch Gewalt oder Betrug. Die jetzige Generation in Schlesien wüßte so gut wie Nichts über die Art und Weise, konfirmirte Urbarien anzufertigen, wenn nicht in mehreren dieser Urkunden der Hergang selber verzeichnet wäre. Ganz naiv wird in der Einleitung zu einer Anzahl solcher Schriftstücke angeführt, daß die Bauern nicht unterkreuzen gewollt (schreiben konnten nur äußerst Wenige) und daß sie theils durch Androhung, theils durch wirkliche Anwendung von Waffengewalt zur Unterschrift, d. h. zum Unterkreuzen, der sie und ihre Nachkommen übervortheilenden Urkunde gezwungen wurden. Auf Grund solcher „wohlerworbenen Rechte“ haben die Herren Ritter in Schlesien während der letzten 30 Jahre jenes artige Sümmchen von circa 240 Mill. Thalern aus dem Schweiß und Blut des Bauernstandes in ihre ahnenstolzen Geldkisten hinüberzudestilliren gewußt.</p> <p>Zu dieser direkten Prellerei kommt noch die indirekte, zum unmittelbaren Raube der mittelbare.</p> <p>Unter der indirekten Prellerei nimmt die <hi rendition="#g">Grundsteuer</hi> die erste Stelle ein.</p> <p>Friedrich II. ließ im Jahr 1749 ein Steuerkataster in Schlesien anfertigen. Den Bauern wurde eher mehr als weniger Boden in die Liste verzeichnet. Die Herren Ritter dagegen, als die allein Gewaltigen, ließen aufschreiben, wie viel ihnen eben bequem war. Standesinteresse, Bestechung, Einschüchterung leisteten das Mögliche. In jenem Kataster wurde der Ertrag eines Morgen cultivirten Landes zu 1 Thlr. schles. veranschlagt und danach die Grundsteuer von den Bauern und von den Rittergütern erhoben. Nach dem nämlichen Maaßstabe mußten und müssen die Kreisbeiträge, die Abgaben für die Kreuzburger Landarmenanstalt, für Irren- und Correctionsanstalten und für eine Menge anderer Zwecke entrichtet werden.</p> <p>Zur Zeit der Katasteraufnahme herrschte die Dreifelderwirthschaft. Ein Drittel der Ackerfläche mußte jedes Jahr zur Brache liegen gelassen werden. Dieses brache Drittel wurde im Kataster nicht aufgenommen. Der Thaler-Ertrag bezieht sich nur auf die übrigen jährlich kultivirten 2 Drittel. Mit Abschaffung der Dreifelderwirthschaft und jährlicher Bebauung der gesammten Morgenfläche, also mit Einführung der modernen Agrikultur gewannen die Rittergüter, die bisher Grundsteuer gezahlt, natürlich in einem ganz anderen Verhältniß, als der „kleine Mann“, der z. B. im Besitz von 3 Morgen Landes nun jährlich alle 3 bebaute, während er früher nur 2 anpflanzen durfte und den dritten für die herrschaftlichen Schaafe, Schweine, Kühe etc. als Brachweide reserviren mußte. Der Rittergütler mit 1200 Morgen ‒ um einen der kleineren herauszunehmen ‒ gewann jetzt von 400 Morgen, die früher brach gelegen, seinen Jahresvertrag. Allein die Grundsteuer und die übrigen auf das Kataster von 1749 gestützten Abgaben wurden nach wie vor in dem nämlichen Verhältniß gefordert und geleistet. Nicht genug. Der Rittergütler ließ seine Waldungen ausroden und machte Wiesen oder Ackerland daraus. Nach und nach wurden die breiten Gränz-Raine, die breiten Graben und Wiesenränder, Auen und Flächen innerhalb des Dorfes, kurz jedes irgend benutzbare Fleckchen von den „gnädigen“ Herren konfiszirt und in Ackerland verwandelt. Die Grundsteuer und die übrigen Abgaben der Hohen Herren ‒ insoweit sie überhaupt Steuern zahlten ‒ blieben unverändert. Die drei, vier und mehr Morgen des „kleinen Mannes“ wuchsen nicht; er hatte weder Waldungen umzuschlagen, noch breite Grabenränder etc. umzuackern. Schon bei Anlegung des Katasters durch falsche Morgenzahl aufs Aergste begünstigt, sah der Ritter sein Vorrecht noch fernerhin stets gemehrt und erweitert.</p> <p>Wir wollen indeß die Zeit vor 1810 ganz bei Seite lassen und uns an die darauf folgende halten.</p> <p>Daß 1810 die „Erbunterthänigkeit“ unentgeldlich aufgehoben wurde: versetzte die Herren Ritter in äußerste Wuth. Mehrere schworen in der ersten Zorneswallung dem preußischen Könige Urfehde ob solchen Eingriffs in ihre „wohlerworbenen Rechte.“ Und doch war der preußische König sehr unschuldig daran. Nicht ihm, sondern den Franzosen, dem Kaiser Napoleon, verdankt die Bauernschaft in den östlichen Provinzen die Erlösung von der Schmach der Erbunterthänigkeit.</p> <p>Napoleon mußte erst das preußische hochnasige Krautjunkerthum bei Jena zusammenhauen, damit die preußische Regierung zu dem Erlösungsgesetz gezwungen werden konnte.</p> <p>Das ist die unzweifelhafte Wohlthat, die Millionen von preußischen Bauern dem Napoleon zu verdanken haben. Dagegen beging er aber eine eben so arge Missethat. Sie bestand darin, daß er nicht, wie in andern Fällen, sofort dekretirte: „Das Haus Hohenzollern hat aufgehört zu regieren.“ Es war eine arge Mißethat, daß er im Frieden zu Tilsit überhaupt noch ein Preußen bestehen ließ, statt sämmtliche Provinzen, nach vorgängiger unentgeldlicher Abschaffung aller Feudallasten und Einführung des französischen Gesetzbuches in französische Departements oder unabhängige Staaten zu verwandeln. Die Rheinprovinz die 25 Jahre unter französischer revolutionärer Herrschaft stand, kennt seitdem keine Feudallasten mehr und jeder rheinische Bauer ist freier Grundbesitzer. Genug, Napoleon that es nicht. Die Nemesis hat ihn dafür ereilt und die preußischen Bauern, namentlich die schlesischen, haben für diese seine Unterlassungssünde bis auf den heutigen Tag unglaublich dulden und bluten müssen.</p> <p>Das Gesetz über Abschaffung der Erbunterthänigkeit vom J. 1810 konnte den Bauern unmöglich genügen. Blieb doch die schwerste Last, die gutsherrlichen Abgaben und Frohnden, nach wie vor auf ihre Schultern gepackt. Dort, wo sie, wie in Oberschlesien, auch diese Last abzuwälzen versuchten, wurden sie mittelst Kugeln und Bajonetten zum gutsherrlichen Gehorsam zurückgezwungen. Desto mehr hofften sie auf endliche Freiwerdung, wenn erst der „wälsche“ Feind hinausgeschlagen sei. An den herrlichsten Versprechungen von oben herab fehlte es nicht. Durch sie begeisterte man das Volk zur Theilnahme an den sogenannten „Freiheitskriegen“. Unter diesen gottbegnadeten Verheißungen war auch die, daß künftig Jeder nach seinen Kräften zu den Steuern an den Staat beitragen solle.</p> <p>Als aber das Volk mit seinem Blut die geborstenen Throne „von Gottes Gnaden“ wieder zusammengekittet und die europäische Contrerevolution in Schlachten und auf Kongressen ihre Siege und Bacchanalien gefeiert hatte: da zahlte die Ritterschaft gerade so wie früher nach dem alten betrügerischen und immer ungerechter werdenden Kataster. Wenn wir sagen: die Ritterschaft, so ist das hier recht eigentlich: pars pro toto. Das heißt <hi rendition="#g">ein großer Theil der Ritterschaft,</hi> gerade derjenige Theil, <hi rendition="#g">der die größten und einträglichsten Güterkomplexe besitzt,</hi> hat unter dem Titel von „wohlerworbenen Rechten“ als mediatisirte Standesherren bis jetzt <hi rendition="#g">noch nicht einen Deut Grundsteuer gezahlt.</hi> </p> <p>Rechnen wir das, was die Herrn Ritter in den letzten 30 Jahren blos an Grundsteuer zu wenig oder gar nicht gezahlt haben, auf 40 Mill. Thaler ‒ und das ist wahrlich noch eine Rechnung unter Brüdern ‒ : so macht dies mit den auf <hi rendition="#g">directe</hi> Weise aus den Taschen des schlesischen Landvolks geraubten 240 Millionen eine Summe von 280 Millionen.</p> <p>Das ist die <hi rendition="#g">schlesische Milliarde!</hi> Wir kämen weit über sie hinaus, wollten wir alle übrigen raubritterlichen directen und indirecten Prellereien mit ins Conto setzen.</p> <p>Da nun die Herren Ritter mit erneuter Lust auf ihrem Steckenpferde der „Entschädigung“ herumreiten, so ist's Zeit, daß der Bauer nun endlich einmal auch sein eignes Entschädigungsroß besteigt. Die Herren Ritter wollen das mittelalterliche, das feudale Eigenthum, das sie bisher unter dem Namen von „Grundzinsen, Spinn-, Hühner-, Wächter-, Eier-, Besen-, Schornsteinfeger- und Schutz-Geld“, von „Roboten oder Hofediensten“, von Getreide- und andern Naturallieferungen“ ausbeuteten, geschwind noch in bürgerliches, in allermodernsten Renten- oder Pfandbriefeigenthum verwandeln. „Entschädigung“ nennen sie den Verwandlungsprozeß.</p> <p>Nun gut, da Ihr nicht müde werdet von „Entschädigung“ zu schwatzen und so unklug seid, das Prinzip des aus dem vorigen Jahrhundert her noch jetzt in Schlesien renommirten Erzgauners Erner ‒ der die reichen Müller nur gegen eine äquivalente Geldsumme mit dem Besuch seiner Räuberbande verschonte ‒ auch künftig festhalten zu wollen: so wundert Euch nicht, wenn der schlesische Bauer endlich die Kreide herausnimmt, Euch die Rechnung macht und in den Ruf der „Entschädigung“ mit einem Tone einstimmt, der Euch bald durch ganz Schlesien auf hohen und niedern Schlössern höchst unheimlich um die Ohren gellen wird.</p> <p>Der schlesische Bauer wird nicht eher ruhig werden, bis <hi rendition="#g">Ihr</hi> ihn entschädigt, bis <hi rendition="#g">Ihr</hi> ihm die abgeprellten 280 Millionen zurückerstattet habt. Er kennt gerade so viel Naturgeschichte, um zu wissen, wie man den vollgesogenen Blutegel wieder entleert. Die Zinsen läßt er euch durch Steineklopfen, oder Wollespinnen, Kälberhaarezupfen etc. abverdienen. So kommt Ihr endlich zu Eurem „wohlerworbenen Rechte“, und der Landmann zu dem seinigen, d. h. zu den 280 Millionen, um die er während 30 Jahren ‒ raubritterlich betrogen wurde.</p> </div> <div xml:id="ar255-2_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 23. März.</head> <p>Das Comité zur Errichtung eines Denkmals im Friedrichshain hat für heute Abend eine Versammlung anberaumt, zu der mehrere Abgeordnete der Linken eingeladen sind. Man beabsichtigt, da die Beiträge die Höhe von tausend Thaler schon erreichen, ein größeres Comite einzusetzen, bei welchem sich auch Abgeordnete betheiligen würden. Es sind allerdings für ein Denkmal zu Ehren der gefallenen Soldaten über 20,000 Thlr. eingekommen. Wir bemerken indeß, daß ein bekanntes Mitglied des königl. Hauses, bei den Märzereignissen sehr betheiligt, die 20,000 Thlr. allein gegeben hat.</p> <p>Bei Hofe ist man über die Annahme des Thiel'schen Amnestie-Amendements durchaus nicht bestürzt. Der König und ein großer Theil seiner Umgebung wünscht den Anlaß zu einer Amnestie, weil man dort nicht konsequent und nicht muthig genug ist, den Weg der Contrerevolution weiter zu gehen. Nur Manteuffel erklärte sich mit großer Entschiedenheit stets gegen jede unzeitige Milde.</p> <p>Graf Arnim hat dieser Tage seine Entlassung als Minister der auswärtigen Angelegenheiten eingereicht. Es bewog ihn dazu der Tadel seiner Kollegen über seine deutsche Politik, theils die Gesinnung der ersten, sowie der zweiten Kammer in dieserselben Sache. Die Interpellation, welche Graf Dyhren zu morgen in der ersten Kammer angekündigt hat, wird dieser Kammer Gelegenheit geben, die Expectoration des hochgräflichen Ministers anzuhören, da seine Entlassung vom König nicht angenommen ist. Manteuffel besteht indeß auf einer Aenderung in der deutschen Politik.</p> </div> <div xml:id="ar255-2_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 23. März.</head> <p> <hi rendition="#b">Sitzung der zweiten Kammer.</hi> </p> <p>Nach Verlesung des Protokolls erhält der Abg. Bodelschwingh das Wort zu einer faktischen Berichtigung. Er will seine in der Abtheilung gemachte und gestern auf der Tribüne zur Sprache gebrachte Aeußerung: „daß die Amnestie eine Grausamkeit sei“ rechtfertigen. Man habe diesen Satz aus dem Zusammenhange gerissen. In der Abtheilung habe er sich gegen die Amnestie ausgesprochen, weil Massenbegnadigungen, die man Amnestie nennt, statt der Milde die man erwartet, vom Volke als Grausamkeit werden angesehen werden, indem das Rechtsgefühl durch eine solche Amnestie so untergraben wird, daß Grausamkeiten jeder Art die Folge sein werden.</p> <p>Der vierte Abschnitt der Adresse und alle dazu gestellten Amendements werden verlesen. Vincke als Referent erklärt, daß sich die Adreßkommission mit den Amendements von Osterrath und von Bleibtreu einverstanden erklärt. Sie lauten:</p> <p><hi rendition="#g">Osterrath:</hi> Hohe Kammer wolle, in Erwägung</p> <p>daß die „Ordnung der kirchlichen Zustände“ von der Staatsgesetzgebung unabhängig ist, u. s. w.</p> <p>beschließen: in dem vierten Absatz des Adreßentwurfs die Worte:</p> <p>„und der kirchlichen Zustände und die hierauf bezüglichen Entwürfe“ ‒ nicht anzunehmen.</p> <p><hi rendition="#g">Bleibtreu.</hi> Die hohe Kammer wolle beschließen: in den Passus die Ordnung der Gemeindeverhältnisse u. s. w. nach den Worten: „und Gewerbeverhältnisse“ einzuschalten:</p> <p>„wie zur Hebung der arbeitenden Klassen.“</p> <p>Die Debatte wird eröffnet. <hi rendition="#g">Wollheim</hi> greift das Ministerium wegen den von ihm auf Grund des Art. 105 der Verf. octroyirten Verordnungen an. ‒ <hi rendition="#g">v. d. Heydt</hi> und <hi rendition="#g">Manteuffel</hi> suchen sich zu vertheidigen.</p> <p>Nachdem noch einige faktische Berichtigungen gemacht sind, beliebt man die Abstimmung. Die Amendements <hi rendition="#g">D'Ester, Rodbertus, Thiel</hi> werden eins nach dem andern verworfen. Der Adreßentwurf wird mit Berücksichtigung der beiden oben gegebenen Amendements <hi rendition="#g">Osterrath</hi> und <hi rendition="#g">Bleibtreu</hi> angenommen.</p> <p>Hierauf werden die Amendements zum fünften und sechsten Absatz der Adresse, welche über die Finanzen und das Heerwesen handeln, verlesen. Das Wort erhält</p> <p><hi rendition="#g">Görz-Wrisberg.</hi> Der Redner, früher Offizier, legt die Gründe dar, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1435/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 255. Köln, Sonntag, den 25. März. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.
Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.
Auskunft, Annahme und Abgabe chiffirter Briefe gratis.
Nur frankirte, Briefe werden angenommen.
Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.
Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April ‒ Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen.
Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen.
Zweite Ausgabe.
Avis
für unsere süddeutschen Abonnenten.
Mehrere süddeutschen Postbehörden weigern sich 1/4 jähriges Abonnement auf die „Neue Rh. Ztg.“ anzunehmen, und verlangen von den Bestellern Vorausbezahlung auf ein halbes Jahr. Namentlich ist dies in Darmstadt und Höchst vorgekommen.
Wir erklären unseren süddeutschen Abonnenten, daß die auswärtigen Abonnementsgelder nur quartaliter bei der Kölner Post eingehen, und daß sie den Vorschuß, den sie den Darmstädter und Höchster Postbehörden zahlen, als eine Zwangsanleihe des verkommenen Thurn- und Taxischen Reichsschnecken-Industrie-Geschäfts ansehen mögen.
Die Expedition.
[Deutschland] * Köln, 24. März. Seit den letzten 30 Jahren haben allein die schlesischen Dorf-„Unterthanen“ ihrer gottbegnadeten Ritterschaft 80 Mill. Thaler im Wege der Ablösung, und circa 160 Mill. Thlr. an nicht abgelös'ten gutsherrlichen Abgaben und Frohnden, zusammen eine Summe von 210 Mill. Thalern, ausgeantwortet. Und nun sage man noch, daß das „Gottesgnadenthum“ nichts nütze, nicht einträglich sei! Jene Summe ist indeß nur der Ertrag einer direkten Prellerei, einer Prellerei, die natürlich stets mit dem Nimbus „wohlerworbener Rechte“ umkleidet wurde. Wie's mit Erwerbung dieser „raubritterlichen Rechte“ beschaffen ist, davon legt nicht blos jede Seite der mittelalterlichen Geschichte, sondern jedes Jahr bis auf die allerneueste Zeit das lauteste Zeugniß ab. Das mittelalterliche Ritterschwert wußte sich später ganz herrlich mit dem Gänsekiel des Juristen und der Beamtenhorde zu verbünden. Aus der Gewalt wurde mittelst einer Kartenschläger-Volte das „Recht“, das „wohlerworbene Recht“ fabrizirt. Ein Beispiel aus dem vorigen Jahrhundert. In den 80ger Jahren wurden für Schlesien auf Veranlassung des dortigen Adels Kommissionen zur Feststellung der Urbarien, der guts-herrlich-bäuerlichen Leistungen und Gegenleistungen, niedergesetzt. Die meisten Dominien stützten sich bis dahin mit ihren Forderungen an ihre „Unterthanen“ auf Herkommen und Gewohnheit. Es drängte sie, ihren beutelschneiderischen Ansprüchen die Form und den Schein der Legalität umzuhängen. Die Kommissionen, aus Adlichen und ihren Kreaturen zusammengesetzt, arbeiteten vortrefflich ‒ im Interesse der Aristokratie. Gleichwohl gelang es den hohen Herren bei weitem nicht überall, sogenannte „konfirmirte“ Urbarien zu Stande zu bringen. Wo es ihnen aber gelang, geschah es nur durch Gewalt oder Betrug. Die jetzige Generation in Schlesien wüßte so gut wie Nichts über die Art und Weise, konfirmirte Urbarien anzufertigen, wenn nicht in mehreren dieser Urkunden der Hergang selber verzeichnet wäre. Ganz naiv wird in der Einleitung zu einer Anzahl solcher Schriftstücke angeführt, daß die Bauern nicht unterkreuzen gewollt (schreiben konnten nur äußerst Wenige) und daß sie theils durch Androhung, theils durch wirkliche Anwendung von Waffengewalt zur Unterschrift, d. h. zum Unterkreuzen, der sie und ihre Nachkommen übervortheilenden Urkunde gezwungen wurden. Auf Grund solcher „wohlerworbenen Rechte“ haben die Herren Ritter in Schlesien während der letzten 30 Jahre jenes artige Sümmchen von circa 240 Mill. Thalern aus dem Schweiß und Blut des Bauernstandes in ihre ahnenstolzen Geldkisten hinüberzudestilliren gewußt.
Zu dieser direkten Prellerei kommt noch die indirekte, zum unmittelbaren Raube der mittelbare.
Unter der indirekten Prellerei nimmt die Grundsteuer die erste Stelle ein.
Friedrich II. ließ im Jahr 1749 ein Steuerkataster in Schlesien anfertigen. Den Bauern wurde eher mehr als weniger Boden in die Liste verzeichnet. Die Herren Ritter dagegen, als die allein Gewaltigen, ließen aufschreiben, wie viel ihnen eben bequem war. Standesinteresse, Bestechung, Einschüchterung leisteten das Mögliche. In jenem Kataster wurde der Ertrag eines Morgen cultivirten Landes zu 1 Thlr. schles. veranschlagt und danach die Grundsteuer von den Bauern und von den Rittergütern erhoben. Nach dem nämlichen Maaßstabe mußten und müssen die Kreisbeiträge, die Abgaben für die Kreuzburger Landarmenanstalt, für Irren- und Correctionsanstalten und für eine Menge anderer Zwecke entrichtet werden.
Zur Zeit der Katasteraufnahme herrschte die Dreifelderwirthschaft. Ein Drittel der Ackerfläche mußte jedes Jahr zur Brache liegen gelassen werden. Dieses brache Drittel wurde im Kataster nicht aufgenommen. Der Thaler-Ertrag bezieht sich nur auf die übrigen jährlich kultivirten 2 Drittel. Mit Abschaffung der Dreifelderwirthschaft und jährlicher Bebauung der gesammten Morgenfläche, also mit Einführung der modernen Agrikultur gewannen die Rittergüter, die bisher Grundsteuer gezahlt, natürlich in einem ganz anderen Verhältniß, als der „kleine Mann“, der z. B. im Besitz von 3 Morgen Landes nun jährlich alle 3 bebaute, während er früher nur 2 anpflanzen durfte und den dritten für die herrschaftlichen Schaafe, Schweine, Kühe etc. als Brachweide reserviren mußte. Der Rittergütler mit 1200 Morgen ‒ um einen der kleineren herauszunehmen ‒ gewann jetzt von 400 Morgen, die früher brach gelegen, seinen Jahresvertrag. Allein die Grundsteuer und die übrigen auf das Kataster von 1749 gestützten Abgaben wurden nach wie vor in dem nämlichen Verhältniß gefordert und geleistet. Nicht genug. Der Rittergütler ließ seine Waldungen ausroden und machte Wiesen oder Ackerland daraus. Nach und nach wurden die breiten Gränz-Raine, die breiten Graben und Wiesenränder, Auen und Flächen innerhalb des Dorfes, kurz jedes irgend benutzbare Fleckchen von den „gnädigen“ Herren konfiszirt und in Ackerland verwandelt. Die Grundsteuer und die übrigen Abgaben der Hohen Herren ‒ insoweit sie überhaupt Steuern zahlten ‒ blieben unverändert. Die drei, vier und mehr Morgen des „kleinen Mannes“ wuchsen nicht; er hatte weder Waldungen umzuschlagen, noch breite Grabenränder etc. umzuackern. Schon bei Anlegung des Katasters durch falsche Morgenzahl aufs Aergste begünstigt, sah der Ritter sein Vorrecht noch fernerhin stets gemehrt und erweitert.
Wir wollen indeß die Zeit vor 1810 ganz bei Seite lassen und uns an die darauf folgende halten.
Daß 1810 die „Erbunterthänigkeit“ unentgeldlich aufgehoben wurde: versetzte die Herren Ritter in äußerste Wuth. Mehrere schworen in der ersten Zorneswallung dem preußischen Könige Urfehde ob solchen Eingriffs in ihre „wohlerworbenen Rechte.“ Und doch war der preußische König sehr unschuldig daran. Nicht ihm, sondern den Franzosen, dem Kaiser Napoleon, verdankt die Bauernschaft in den östlichen Provinzen die Erlösung von der Schmach der Erbunterthänigkeit.
Napoleon mußte erst das preußische hochnasige Krautjunkerthum bei Jena zusammenhauen, damit die preußische Regierung zu dem Erlösungsgesetz gezwungen werden konnte.
Das ist die unzweifelhafte Wohlthat, die Millionen von preußischen Bauern dem Napoleon zu verdanken haben. Dagegen beging er aber eine eben so arge Missethat. Sie bestand darin, daß er nicht, wie in andern Fällen, sofort dekretirte: „Das Haus Hohenzollern hat aufgehört zu regieren.“ Es war eine arge Mißethat, daß er im Frieden zu Tilsit überhaupt noch ein Preußen bestehen ließ, statt sämmtliche Provinzen, nach vorgängiger unentgeldlicher Abschaffung aller Feudallasten und Einführung des französischen Gesetzbuches in französische Departements oder unabhängige Staaten zu verwandeln. Die Rheinprovinz die 25 Jahre unter französischer revolutionärer Herrschaft stand, kennt seitdem keine Feudallasten mehr und jeder rheinische Bauer ist freier Grundbesitzer. Genug, Napoleon that es nicht. Die Nemesis hat ihn dafür ereilt und die preußischen Bauern, namentlich die schlesischen, haben für diese seine Unterlassungssünde bis auf den heutigen Tag unglaublich dulden und bluten müssen.
Das Gesetz über Abschaffung der Erbunterthänigkeit vom J. 1810 konnte den Bauern unmöglich genügen. Blieb doch die schwerste Last, die gutsherrlichen Abgaben und Frohnden, nach wie vor auf ihre Schultern gepackt. Dort, wo sie, wie in Oberschlesien, auch diese Last abzuwälzen versuchten, wurden sie mittelst Kugeln und Bajonetten zum gutsherrlichen Gehorsam zurückgezwungen. Desto mehr hofften sie auf endliche Freiwerdung, wenn erst der „wälsche“ Feind hinausgeschlagen sei. An den herrlichsten Versprechungen von oben herab fehlte es nicht. Durch sie begeisterte man das Volk zur Theilnahme an den sogenannten „Freiheitskriegen“. Unter diesen gottbegnadeten Verheißungen war auch die, daß künftig Jeder nach seinen Kräften zu den Steuern an den Staat beitragen solle.
Als aber das Volk mit seinem Blut die geborstenen Throne „von Gottes Gnaden“ wieder zusammengekittet und die europäische Contrerevolution in Schlachten und auf Kongressen ihre Siege und Bacchanalien gefeiert hatte: da zahlte die Ritterschaft gerade so wie früher nach dem alten betrügerischen und immer ungerechter werdenden Kataster. Wenn wir sagen: die Ritterschaft, so ist das hier recht eigentlich: pars pro toto. Das heißt ein großer Theil der Ritterschaft, gerade derjenige Theil, der die größten und einträglichsten Güterkomplexe besitzt, hat unter dem Titel von „wohlerworbenen Rechten“ als mediatisirte Standesherren bis jetzt noch nicht einen Deut Grundsteuer gezahlt.
Rechnen wir das, was die Herrn Ritter in den letzten 30 Jahren blos an Grundsteuer zu wenig oder gar nicht gezahlt haben, auf 40 Mill. Thaler ‒ und das ist wahrlich noch eine Rechnung unter Brüdern ‒ : so macht dies mit den auf directe Weise aus den Taschen des schlesischen Landvolks geraubten 240 Millionen eine Summe von 280 Millionen.
Das ist die schlesische Milliarde! Wir kämen weit über sie hinaus, wollten wir alle übrigen raubritterlichen directen und indirecten Prellereien mit ins Conto setzen.
Da nun die Herren Ritter mit erneuter Lust auf ihrem Steckenpferde der „Entschädigung“ herumreiten, so ist's Zeit, daß der Bauer nun endlich einmal auch sein eignes Entschädigungsroß besteigt. Die Herren Ritter wollen das mittelalterliche, das feudale Eigenthum, das sie bisher unter dem Namen von „Grundzinsen, Spinn-, Hühner-, Wächter-, Eier-, Besen-, Schornsteinfeger- und Schutz-Geld“, von „Roboten oder Hofediensten“, von Getreide- und andern Naturallieferungen“ ausbeuteten, geschwind noch in bürgerliches, in allermodernsten Renten- oder Pfandbriefeigenthum verwandeln. „Entschädigung“ nennen sie den Verwandlungsprozeß.
Nun gut, da Ihr nicht müde werdet von „Entschädigung“ zu schwatzen und so unklug seid, das Prinzip des aus dem vorigen Jahrhundert her noch jetzt in Schlesien renommirten Erzgauners Erner ‒ der die reichen Müller nur gegen eine äquivalente Geldsumme mit dem Besuch seiner Räuberbande verschonte ‒ auch künftig festhalten zu wollen: so wundert Euch nicht, wenn der schlesische Bauer endlich die Kreide herausnimmt, Euch die Rechnung macht und in den Ruf der „Entschädigung“ mit einem Tone einstimmt, der Euch bald durch ganz Schlesien auf hohen und niedern Schlössern höchst unheimlich um die Ohren gellen wird.
Der schlesische Bauer wird nicht eher ruhig werden, bis Ihr ihn entschädigt, bis Ihr ihm die abgeprellten 280 Millionen zurückerstattet habt. Er kennt gerade so viel Naturgeschichte, um zu wissen, wie man den vollgesogenen Blutegel wieder entleert. Die Zinsen läßt er euch durch Steineklopfen, oder Wollespinnen, Kälberhaarezupfen etc. abverdienen. So kommt Ihr endlich zu Eurem „wohlerworbenen Rechte“, und der Landmann zu dem seinigen, d. h. zu den 280 Millionen, um die er während 30 Jahren ‒ raubritterlich betrogen wurde.
* Berlin, 23. März. Das Comité zur Errichtung eines Denkmals im Friedrichshain hat für heute Abend eine Versammlung anberaumt, zu der mehrere Abgeordnete der Linken eingeladen sind. Man beabsichtigt, da die Beiträge die Höhe von tausend Thaler schon erreichen, ein größeres Comite einzusetzen, bei welchem sich auch Abgeordnete betheiligen würden. Es sind allerdings für ein Denkmal zu Ehren der gefallenen Soldaten über 20,000 Thlr. eingekommen. Wir bemerken indeß, daß ein bekanntes Mitglied des königl. Hauses, bei den Märzereignissen sehr betheiligt, die 20,000 Thlr. allein gegeben hat.
Bei Hofe ist man über die Annahme des Thiel'schen Amnestie-Amendements durchaus nicht bestürzt. Der König und ein großer Theil seiner Umgebung wünscht den Anlaß zu einer Amnestie, weil man dort nicht konsequent und nicht muthig genug ist, den Weg der Contrerevolution weiter zu gehen. Nur Manteuffel erklärte sich mit großer Entschiedenheit stets gegen jede unzeitige Milde.
Graf Arnim hat dieser Tage seine Entlassung als Minister der auswärtigen Angelegenheiten eingereicht. Es bewog ihn dazu der Tadel seiner Kollegen über seine deutsche Politik, theils die Gesinnung der ersten, sowie der zweiten Kammer in dieserselben Sache. Die Interpellation, welche Graf Dyhren zu morgen in der ersten Kammer angekündigt hat, wird dieser Kammer Gelegenheit geben, die Expectoration des hochgräflichen Ministers anzuhören, da seine Entlassung vom König nicht angenommen ist. Manteuffel besteht indeß auf einer Aenderung in der deutschen Politik.
* Berlin, 23. März. Sitzung der zweiten Kammer.
Nach Verlesung des Protokolls erhält der Abg. Bodelschwingh das Wort zu einer faktischen Berichtigung. Er will seine in der Abtheilung gemachte und gestern auf der Tribüne zur Sprache gebrachte Aeußerung: „daß die Amnestie eine Grausamkeit sei“ rechtfertigen. Man habe diesen Satz aus dem Zusammenhange gerissen. In der Abtheilung habe er sich gegen die Amnestie ausgesprochen, weil Massenbegnadigungen, die man Amnestie nennt, statt der Milde die man erwartet, vom Volke als Grausamkeit werden angesehen werden, indem das Rechtsgefühl durch eine solche Amnestie so untergraben wird, daß Grausamkeiten jeder Art die Folge sein werden.
Der vierte Abschnitt der Adresse und alle dazu gestellten Amendements werden verlesen. Vincke als Referent erklärt, daß sich die Adreßkommission mit den Amendements von Osterrath und von Bleibtreu einverstanden erklärt. Sie lauten:
Osterrath: Hohe Kammer wolle, in Erwägung
daß die „Ordnung der kirchlichen Zustände“ von der Staatsgesetzgebung unabhängig ist, u. s. w.
beschließen: in dem vierten Absatz des Adreßentwurfs die Worte:
„und der kirchlichen Zustände und die hierauf bezüglichen Entwürfe“ ‒ nicht anzunehmen.
Bleibtreu. Die hohe Kammer wolle beschließen: in den Passus die Ordnung der Gemeindeverhältnisse u. s. w. nach den Worten: „und Gewerbeverhältnisse“ einzuschalten:
„wie zur Hebung der arbeitenden Klassen.“
Die Debatte wird eröffnet. Wollheim greift das Ministerium wegen den von ihm auf Grund des Art. 105 der Verf. octroyirten Verordnungen an. ‒ v. d. Heydt und Manteuffel suchen sich zu vertheidigen.
Nachdem noch einige faktische Berichtigungen gemacht sind, beliebt man die Abstimmung. Die Amendements D'Ester, Rodbertus, Thiel werden eins nach dem andern verworfen. Der Adreßentwurf wird mit Berücksichtigung der beiden oben gegebenen Amendements Osterrath und Bleibtreu angenommen.
Hierauf werden die Amendements zum fünften und sechsten Absatz der Adresse, welche über die Finanzen und das Heerwesen handeln, verlesen. Das Wort erhält
Görz-Wrisberg. Der Redner, früher Offizier, legt die Gründe dar,
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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