Neue Rheinische Zeitung. Nr. 255. Köln, 25. März 1849. Zweite Ausgabewie man durch Organisirung eines wirklichen Volksheeres große Ersparnisse machen könne. Wenn man kein Paradeheer wolle, könne man die Dienstzeit verkürzen. Auch erwähnt der Redner der mannigfachen Verschwendungen, die beim Militärwesen gemacht werden (Bravo!). Der Kriegsminister v. Strotha sucht ihn zu widerlegen. Was die kürzere Dienstzeit anbetrifft, so gestehe er, daß man in noch kürzerer Zeit als in sechs Monaten einen Soldaten ausbilden könne, aber ein Soldat muß "erzogen" werden und diese Erziehung fordert eine längere Zeit. Caspary: Der Kriegsminister sagte, das Militär muß erzogen werden. Ja, allerdings! Auch 1813 wurden unsere Soldaten in einigen Wochen einexercirt und sie waren in kurzer Zeit erzogen, "fürs Volk" (!) erzogen. Aber jetzt wird der Soldat nicht für das Volk, sondern gegen das Volk erzogen. Das Soldatenthum ist das Mönchsthum der Könige geworden. Nachdem noch Dierschke und einige Andere gesprochen, wird die Debatte geschlossen. Vincke (Referent) glaubt, daß bei dem gegenwärtigen umwölkten Himmel Europa's es doppelt Unrecht wäre, das, als das vortrefflichste bekannte preußische Heer auch nur durch ein in der Adresse aufzunehmendes Wort anzugreifen. Er widerlegt noch mehrere in der Debatte gar nicht vorgebrachte Thatsachen, wodurch sich v. Berg veranlaßt sieht, auf das Ordnungswidrige hierin aufmerksam zu machen, da der Referent sich auf eine Diskussion in der Abtheilung bezogen. Die Amendements der Linken werden verworfen und der fünfte Absatz der Commission angenommen. Vor dem Uebergang zur Debatte über den sechsten Absatz sucht sich Hr. v. Vincke wegen der ihm von Hrn. v. Berg vorher gemachten Vorwürfe zu vertheidigen. Neumann: Der 18. März war die Bluttaufe einer großen Zukunft. (Lachen zur Rechten.) Das Heer hat sich im Laufe des ganzen Jahres den Bürgern gegenübergestellt und dafür sollen wir dem Heere danken? - Wir Demokraten sind der Meinung, daß das Heer zu unseren Ansichten wird erzogen werden, ohne daß eine Demoralisation einreißen könne, im Gegentheil wird das Heer demoralisirt werden, wennn man fortfährt, es so mit Flugschriften und unwahren Lehren zu überschütten, wie es jetzt geschieht. Graf Schwerin will in einer faktischen Berichtigung die letzten Worte des Vorredners widerlegen. D'Ester: Unser Heer besteht nicht blos aus den Soldaten, es besteht auch aus den Offizieren und ihrem Corpsgeiste. Nicht die Soldaten will ich angreifen, die fanatisirt, aufgereizt werden. Anklagen wollen wir sie nicht, aber auch nicht loben. Wollen Sie einen Beweis von dem Geiste, der im Heere herrscht, so erinnere ich Sie an die Worte des Kriegsministers. Als nach dem Frieden von Tilsit Preußen verboten ward, eine große Armee zu halten, nahm man das Prinzip an, alle sechs Wochen neue Rekruten einzuberufen und sie bewährten sich 1813-15 auf das Ausgezeichnetste, obgleich sie nicht zu jenem Geiste erzogen waren, zu einer Erziehung, die der Hr. Kriegsminister für so unerläßlich hielt. Sie fochten aber auch für das Volk (!) und für die Freiheit des Volks, (!) und wenn unsere Truppen jetzt wieder gegen die Feinde des Volkes und für seine Freiheit kämpfen werden, dann will auch ich dankende Worte an dieselben richten. Nicht alle unsere Soldaten sind verdorben; ich habe bei den Excursionen, welche man im vorigen Jahre mit der Nationalversammlung vornahm, manchen Soldaten gesehen, dem dabei die Thränen herunterliefen. Aber für die mannichfachen Metzeleien, die in diesem Jahre vorgefallen und die ich nur den Führern Schuld geben kann, dafür kann ich keinen Dank aussprechen. Der Driegsminister nimmt die Offiziere in Schutz. Tilff spricht in gewöhnlicher versöhnender Weise. Stiehl: Das Heer hatte im letzten Jahre die sittliche Aufgabe, die Ruhe und Ordnung zu erhalten. Es ist dem Heere ohne vieles Morden und ohne Excesse gelungen. Wir sind verpflichtet, dem Heere zu danken. Kinkel: Man möge unterscheiden zwischen dem Kampfe der hier in Berlin stattgefunden, dem im Großherzogthum Posen, der schon als Krieg zwischen zwei verschiedenen Nationalitäten angesehen werden kann und den Kämpfen in Schleswig-Holstein. Für letztere will auch ich dem Heere meinen Dank nicht vorenthalten, es hat sein Blut für die deutsche Sache dort verspritzt, obgleich der Erfolg die Mühe nicht lohnte. Der Redner widerlegt alle vorherigen Redner, die von sittlicher Macht predigten. Der exclusive Geist des Soldatenthums streite gegen die Sittlichkeit, dieser Geist habe Robert Blum getödtet. (Lachen auf derRechten.) Wir werden gegen diesen Geist die Gedanken Hunger, Noth, das Proletariat in den Kampf führen. Wir fürchten den äußern Krieg nicht, wenn es ein Völkerkrieg und kein Kabinetskrieg ist. Wenn man aber die Kasernentapferkeit wieder in die Schranken führt, wird Preußen sein Jena nochmal erleben. (Zischen rechts.) Herrmann macht eine faktische Berichtigung dahin, daß die Seite des Hauses, der er angehöre, das Proletariat nicht als Kanonenfutter gebrauchen, sondern liebend an ihr Herz ziehen wolle. Graf Arnim sagt, daß das Heer sich um das Vaterland wohl verdient gemacht habe. Vincke wendet sich als Referent besonders gegen Kinkel, dem er Mangel an Logik vorwirft. Zuletzt sagt er: den Rechtsbruch im November v. J. habe nicht die Regierung veranlaßt, sondern die Steuerverweigerer. Da erhebt sich ein furchtbarer Sturm zur Linken. Zur Ordnung rufen Einige, Andere weisen den Ordnungsruf zurück, weil der Name Steuerverweigerer keine Beleidigung sei. Grabow ruft demungeachtet Vincke zur Ordnung. Vincke will die Gründe wissen. Er erklärt im Angesicht ganz Europas, diesen Vorwurf wiederholen zu wollen. Neuer Sturm auf der Linken. Anhaltender Lärm. Eisenach! Eisenach! hört man vielseitig rufen. Vincke setzt seine Beleidigung fort, bis er endlich zum Schluß gelangt und von Parrisius, der es sich zur Ehre anrechnet, ein Steuerverweigerer zu sein, widerlegt wird. Schließlich wird der § der Kommission angenommen, nachdem alle Amendements der Linken verworfen worden. * Breslau, 22. März. Der Oberpräsident hat diesen Abend die hiesige Bürgerwehr angeblich "wegen Dienstverweigerung etc." und weil sie an dem Festzuge am 18. Marz Theil genommen, vorläufig suspendirt. !!! Frankfurt, 23. März. National-Versammlung. Präsident Simson. Tagesordnung: 2. Lesung der deutschen Reichsverfassung. Man spricht von einem Ministerium von Herrmann, Römer, M. Mohl, von Möhring (Oestreich), H. Simon (Breslau) u. s. w., auch von Sommaruga. Die wüthenden und blamirten Preußen wollen einen Antrag auf Ausschließung der Oestreicher stellen. - Johann soll das Ministerium Gagern mit wahrem Vergnügen entlassen haben. Prinzinger aus Niederöstreich zeigt seinen Austritt an. 3 neue Abgeordnete treten ein Nach der Ersatzwahl zweier Mitglieder für den östreichischen Ausschuß geht man zur zweiten Lesung. Die Diskussion fällt nach den gestern angenommenen Anträgen gänzlich weg. Zwei allgemeine Anträge über die Geschäftsverhandlung werden vorgelegt. Der erste von Max Simon und mehreren Mitgliedern der Linken, beantragt wegen der Ermüdung die die ewigen Abstimmungen herbeiführen, tägliche 2 Sitzungen früh und Nachmittag. Dies wird angenommen. Es wird von nun an bis zur Beendung der zweiten Lesung früh von 9 bis 1 Uhr und Nachmittags von 4 bis 7 Uhr Sitzung gehalten und zwar täglich. Ein zweiter Antrag von Hermann Müller, Beda Weber und anderen geht daher nach Vollendung der zweiten Lesung noch einmal über die ganze Verfassung in einer Gesammtabstimmung zu beschließen. Viele Redner von Links sind dafür, ebenso die Oestreicher; die Preußen sind natürlich dagegen. Die Debatte darüber ist giftig. Unter andern quälte sich der Literat Jordan in bekannter Leipziger Gosenmanier dagegen ab. Auch Herr Venedey ist dagegen und erndtete den Beifall der Rechten. Es geht ihm durch's Herz, daß die Verfassung noch "einmal auf's Spiel gestellt werden solle." Gestern habe er gehört wie ein Oestreicher (Schmerling!) gesagt habe, er werde nun (nach dem gestrigen Beschluß) zu dem Bevollmächtigten Camphausen gehen und sehen, ob derselbe jetzt mürbe genug gemacht worden sei, um zur Oktroyirung vorzuschreiten. (Großer Lärm.) Schmerling (allgemeine Stille): Obschon der Redner vor mir meinen Namen nicht genannt, so glaube ich doch, daß er mich meint. (Aha!) Schmerling bezeichnet Venedey's Ausdruck als eine freche Lüge, eine infame Zumuthung die man einem Staatsmanne machen könne. Er sei allerdings gestern bei Camphausen gewesen, aber nur um versöhnend mit ihm zu berathen. - Präsident will den wegen dieses Incidenz-Falles entstandenen Tumult beschwichtigen, was ihm endlich durch eine Abstimmung gelingt, in der man beschließt, auf dieses Skandalosum und Venedey'sche Gewäsch publiee nicht weiter einzugehen. Der Antrag von Hermann Müller, Weber u. A. wird mit großer Majorität abgelehnt Die zweite Lesung beginnt: Abschnit 1: Das Reich. (Art. 1.) § 1. "Das deutsche Reich besteht aus dem Gebiet des bisherigen deutschen Bundes." Angenommen. Ein Zusatz: "Die Theilnahme der östreichischen Bundeslande an den reichsverfassungsmäßigen Rechten und Pflichten bleibt vorbehalten." Wird in namentlicher Abstimmung mit 290 Stimmen gegen 240 verworfen. Die Linke dagegen: "Die Feststellung der Verhältnisse des Herzogthums Schleswig bleibt vorbehalten." Angenommen. Zusatz von M. Mohl: "Die Aufnahme weiterer Länder in das deutsche Reich kann durch Reichsgesetze erfolgen." In namentlicher Abstimmung mit 268 Stimmen gegen 259 verworfen. Linke und Oestreicher dafür. Gegen diese Bestimmungen des § 1 legen die 3 Abgeordneten von Südtyrol Esterle, Marsilly und Gazoletti feierlichen Protest ein, da ihre Wahlkreise sich nicht per Gewalt germanisiren lassen wollen. Artikel 2, § 2. "Kein Theil des deutschen Reichs darf mit nicht-deutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein." Die Linke und die Oestreicher stimmen dagegen. Max und Heinrich Simon stimmten dafür. Radowitz und von Boddien stimmten auch mit Nein! Giskra enthielt sich der Stimme. Das Resultat der Abstimmung ist, daß 266 mit Nein und 26[unleserliches Material] mit Ja gestimmt haben. Jedem Unbefangenen leuchtet ein, daß der § verworfen ist. Aber der Präsident Simson hat seine "eigne Ansicht," er erklärt vor der Bestimmung des Resultats Herrn Reh (!) das Wort geben zu wollen. Dieser abtrünnige Ehrenmann erklärt, die Stimmen der 3 Tyroler Abgeordneten Esterle, Marsilly und Gazoletti könnten wegen des obenangeführten Protestes nicht mitgerechnet werden. (Die 3 Genannten hatten mit Nein gestimmt.) Und so meint Herr Reh, sei der § 2 angenommen. Hierüber erhebt sich allgemeine Ulkerei, die eine Viertelstunde dauert und wobei einige Abgeordnete nahe daran sind, thätlich zu werden. Präsident hebt die Sitzung (3/4 1 Uhr) auf und erklärt vorläufig formell den § 2 für verworfen, indem er es der heutigen Nachmittagssitzung vorbehält, über die Abstimmung der 3 genannten Tyroler Abgeordneten zu entscheiden Um 4 Uhr nächste Sitzung, die voraussichtlich stürmisch werden wird. Nebenbei führe ich zur letztberegten Thatsache an, daß die Schleswigschen und Posenschen provisorischen Abgeordneten vom ersten Tag an bei allen Beschlüssen mitgestimmt haben. - Aber diese Ehrenmänner sitzen auch alle auf der Rechten, während die drei Tyroler links. Das erklärt Herrn Simsons "eigne Ansicht"! - !!! Frankfurt, 23. März. Nachmittagssitzung der National-Versammlung. Beginn nach 4 Uhr. Simson präsidirt. Die Abgeordneten umdrängen Bureau und Tribüne und disputiren heftig mit dem Präsidenten. Bei allen heftigeren Debatten zeichnet sich besonders der feiste Schulmeister Kerst aus Posen aus, der an bäuerischer Rohheit Alles übertrifft, was sonst nur in Schnapskneipen denkbar ist. Uebrigens verzweifeln die meisten Abgeordneten selbst an der längeren Existenz dieser Versammlung. Die Centralgewalt ist schwächer als ein Schatten. Das Ministerium glücklicherweise gestürzt, aber ein neues eine nicht zu lösende Hypothese. Und die Versammlung durch Nationalhaß, Regierungsrücksichten, Unentschlossenheit und bösen Willen unflickbar zerrissen. Präsident erhebt Bedenken gegen die Zulässigkeit eines tyroler Abgeordneten Dr. Marcek. Er wird vorläufig zugelassen. Die drei angegriffenen Tyroler Esterle, Marsilly, Garzoletti erklären, daß ihr Protest natürlich nur prinzipiell ist. Reh erklärt hierauf, daß nur sein augenblickliches Gefühl des tiefsten Schmerzes für das Vaterland (Bravo und Zischen) ihn heute früh zu diesen Einwürfen bewegte, die er als Irrthum anerkennt. Noch fügt er eine rührende Tirade zu und zieht seinen Antrag zurück. Präsident verliest einen Antrag von Bergthaler aus Wien, wonach Präsident sofort den Beschluß über die Verwerfung des § 2 als gültig proklamiren soll. Dasselbe beantragt Kohlpanzer, indem er einen Tadel des Präsidiums ausspricht. Präsident erkennt seinen Irrthum. (Bravo!) Die Sache ist hiermit erledigt, und der erwartete Scandal bleibt aus. § 2 ist verworfen. § 3. "Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so ist das Verhältniß zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personalunion zu ordnen." Auch dieser § wurde mit 274 Stimmen gegen 256 verworfen. Minoritätserachten an die Stelle von § 3: "Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so soll das deutsche Land eine von dem nichtdeutschen Lande getrennte, eigene Verfassung, Regierung und Verwaltung haben." Mit 290 Stimmen gegen 240 angenommen. "In die Regierung und Verwaltung des deutschen Landes dürfen nur deutsche Staatsbürger berufen werden." Angenommen. "Die Reichsverfassung und Reichsgesetzgebung hat in einem solchen deutschen Lande dieselbe verbindliche Kraft wie in den übrigen deutschen Ländern." Angenommen. § 4 fällt weg. Statt dessen wird ein Amendement von Tellkampf angenommen, des Inhalts: "Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so muß dieses entweder in seinem deutschen Lande residiren, oder es muß auf verfassungsmäßigem Wege in demselben eine Regentschaft niedergesetzt werden, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen." § 5 wird angenommen. Ein Zusatz der Minorität, welcher die Mediatisirung anbahnt, wird verworfen. § 5. "Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher und nichtdeutscher Länder soll kein Staatsoberhaupt eines nichtdeutschen Landes zugleich zur Regierung eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone annehmen." § 6. "Die einzelnen deutschen Staaten behalten ihre Selbstständigkeit, so weit dieselbe nicht durch die Reichsverfassung beschränkt ist; sie haben alle staatlichen Hoheiten und Rechte, so weit diese nicht der Reichsgewalt ausdrücklich übertragen sind," wird angenommen. Die Linke wollte als Abschnitt 2 "die Grundrechte" folgen lassen. Wurde mit zweifelhafter Majorität verworfen und es kommt als Abschnitt 2 "die Reichsgewalt." Die Linke beantragt als Einschaltung zwischen § 6 und 7: "Das deutsche Volk ist souverän." "Alle Reichsgewalt rührt vom Volke her." Es erfolgte namentliche Abstimmung. Dagegen stimmten unter Anderm: Mewissen (Köln), Lassaulx, Linde, Möhring, Robert Mohl, Laube, Mathy, (Neuwall hatte sich gedrückt und wurde furchtbar ausgelacht), Philips, Plathner, Radowitz, Raumer (Berlin und Dinkelsbühl), Reichensperger, Riesser, Rüder, Rümelin, Schmerling, Schneer, Schubert (aus Königsberg), Schwetschke, Simson (Bruder des Präsidenten), Soiron (langes höhnisches Bravo, Hohngelächter der Gallerien. Man ruft: "Heckers Märzfreund!"), Waitz, Wernher aus Nierstein, Wurm, Arndt (aus Bonn), Bassermann (langes Gelächter), Beckerath, der bezahlte Beseler aus Greifswald, Herr Literat Jordan, der sich "aus Berlin" nennt, ohne weder in Berlin ansässig oder gebürtig noch gewählt zu sein und dessen glorreiches Leben nächstens im Feuilleton der "N. Rh. Ztg." erscheinen soll. Resultat: Das Minoritätserachten wird mit 297 gegen 213 Stimmen verwofen. Die Sitzung dauert beim Postschluß (3/4 7 Uhr) fort. * Wien, 21. März, Schon wieder drei Gesetze octroyirt: 1) gegen die Presse (hohe Kautionen, schwere Kerkerstrafen a la Manteufel etc.), 2) über Associationen (a la Manteufel-Hohenzollern) und 3) ein Gesetz über das Preßverfahren. Italien. * Turin, 18. März. Die Kammer hat in ihrer Sitzung vom 17. der Regierung die Autorisation gegeben, die Steuern für den Monat April zu erheben. * Castelletto, 15. März. Die Oestreicher verlassen die Gränzen, um sich mehr in's Innnere zurückzuziehen. Die Garnison von Festo-Calenda ist in dieser Nacht abmarschirt. In dem Haupt-Fort ist nurmehr eine kleine Anzahl von Soldaten zurückgeblieben, so daß der Uebergang über den Tessin frei geworden. Man erwartet hier ein Cavallerie-Corps. - Wie man weiß, haben bereits am 14. die Truppen Radetzky's Parma verlassen, um nach Casal-Maggiore zu ziehen. Aus allen diesen Truppenbewegungen geht hervor, daß der alte Marschall seine Kräfte zusammenziehen will, um eine Schlacht an den Adda zu liefern. * Parma, 14. März. Parma ist geräumt von den Oestreichern: darüber kann kein Zweifel mehr obwalten. Gegen 2 Uhr in der Nacht erhielt der Oberst Della-Rosa einen Brief vom Gouverneur, worin es heißt, daß, in der Nothwendigkeit, worin er sich befände, abzureisen, er ihm einen Theil der Posten um 5 Uhr Morgens und die andern um 11 Uhr übergeben werde. Der Oberst berief unmittelbar die Nationalgarde und gegen 9 Uhr begannen die Oestreicher wirklich ihren Abzug. Der General mit zwei Kanonen schloß den Zug. Wir fanden im Schlosse alle unsere Waffen wieder. Gegen 10 Uhr hat der Munizipalrath folgende Proklamation anheften lassen: "Mitbürger! Die östreichischen Truppen verlassen Parma. Wir empfehlen Euch die größte Ruhe; der Munizipalrath ist in Permanenz und wacht über Eure Sicherheit und das Wohl des Landes. Parma, den 14. März 1849. Die Freude, die in der Stadt herrscht, ist unbeschreiblich. * Livorno, 15. März. Heute ist in unserer Stadt folgende Proklamation an die Mauern angeheftet worden: "Livornesen! Ich beeile mich, Euch die mir eben zugekommene Depesche mitzutheilen. Der Herzog von Modena hat die Flucht ergriffen; er hat eine Proklamation hinterlassen, worin er erklärt, daß der Grund seiner "Abreise" die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zwischen Piemont und Oestreich sei. Man hört ein lebhaftes Kanonenfeuer in der Richtung von Bologna. Ich bin in Conferenz mit den Abgesandten von Piemont und Rom. Die Zeit ist gekommen; das Volk darf nunmehr noch Einen Willen haben: es greife zu den Waffen und kämpfe für das Vaterland. Es ist gewiß zu siegen: denn ein Volk stirbt nie." Livorno, den 15. März 1849. Guerrazzi. Für den abwesenden Gouverneur: Rosi, erster Rath. * Neapel,, 13. März. Die Auflösung der Deputirtenkammer von Neapel ist vollbracht! Sie ist durch ein Dekret vom 12. März ausgesprochen worden. Das Dekret trägt die Unterschrift des Königs Ferdinand, die des Prinzen Cariati und der übrigen Minister. Ein anderes Dekret wird später die Zeit der nächsten Wahlen festsetzen. Dem Auflösungsdekret geht ein langer Bericht an den König voran, welcher ebenfalls von den Ministern unterzeichnet ist. In diesem Bericht behandelt das Ministerium die Majorität der Kammer mit einer wahren Wegwerfung. Sie heißt nicht anders als eine "verbrecherische und freche Brut." Die Auflösung der Kammer gründet sich in diesem Berichte auf die geringe Anzahl von Wählern, welche an den Wahloperationen Theil genommen, und auf die Akten der Versammlung, welche nicht allein die konstitutionellen Prinzipien, sondern auch alle Regeln der Billigkeit und der Ehre verletzt haben soll? Ungarn. * Preßburg, 16. März. Hier ist gestern früh nachstehende Proklamation erschienen: "Unleugbare Thatsachen haben mir die unangenehme Ueberzeugung verschafft, daß die Landbewohner noch hie und da, besonders in den untern Gegenden der Schütt, eine sträfliche Verbindung mit den Insurgenten in Komorn unterhalten, und namentlich sich nicht scheuen, versprengte Haufen dieser Rebellen und einzelne derlei Individuen bei sich aufnehmen, zu verbergen oder ihnen anderweitig Vorschub zu leisten. Ich sehe mich daher veranlaßt, den Herrn ersten Vicegespan des Preßburger Comitats zu beauftragen, daß in allen Gemeinden dieses Comitats die Proklamationen Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz vom 26. Dezember v. J. und vom 11. Februar und 9. März d. J. republicirt werden. Hiernach sind die betreffenden Gemeinden für das strafbare Benehmen ihrer Mitglieder, welche den Insurgenten auf was immer für eine Art Vorschub leisten, und selbe bei sich aufnehmen oder verbergen, anstatt sie einzufangen und den Behörden auszuliefern, verantwortlich zu machen, und der Herr Vicegespan hat ferner in meinem Namen zu veröffentlichen, daß von nun an jede Gemeinde, wo Insurgenten einziehen oder eindringen, und nicht eingefangen werden, für jeden nicht abgelieferten Rebellen mit einer Geldstrafe von 100 fl. C. M. belegt, und diese Strafe auch nach Umständen verschärft werden wird, wenn nämlich die Zahl der Rebellen geringer und ihr Einfangen leichter gewesen wäre. Preßburg, am 14. März 1849. Kempen, F. M. L, Militär-Districts-Commandant." Wie weit hier das Standrecht geht, kann man schon aus dem Umstande entnehmen, daß gestern Anton Krampl, aus Groß-Becskerek in Ungarn gebürtig, 22 Jahr alt, katholisch, ledig, Schneidergeselle, wegen Verbreitung einer ungünstigen Nachricht vom Kriegsschauplatze in Ungarn, zu einem neunmonatlichen Stockhausarreste in Eisen verurtheilt worden. Windischgrätz lös't und bindet gleich dem Pabst, wie Folgendes zeigt: Kundmachung. Es ist zu meiner Kenntniß gekommen, daß bei der zufolge eines ungesetzlichen, durch Se. k. k. Majestät nie sanctionirten Beschlusses des aufgelösten ungarischen Reichstages, vorgenommenen Recrutenstellung für die Rebellen, in vielen Gegenden von den wohlhabenderen Landleuten Stellvertreter gedungen werden, und die Zinsen der zugesicherten CapitalSumme von den durch die Kriegslasten ohnehin gedrückten Landleuten noch immer gezahlt werden. Landbewohner von Ungarn! den Beschluß dieses Reichstages, der Eure besten Kräfte nur zur Durchführung seiner gottlosen Pläne benützen wollte, hat Euer gnädigster Herr und König nie gut geheißen. Er ist daher ungesetzlich, seine Folgen ungiltig. Ich erkläre hiemit alle zufolge der unrechtmäßigen Recrutenstellung eingegangenen Verpflichtungen für null n. nichtig, und entbinde Euch hiemit - Kraft meiner ausgedehntesten Vollmacht - der Zahlung der bei diesem Anlasse bedungenen Capital-Summen sowohl, wie deren Zinsen an die Stellvertreter. Hauptquartier Ofen, am 14. März. 1849. Alfred Fürst zu Windisch-Grätz, k. k. Feldmarschall. Großbritannien. * London, 23. März. Die Verhandlungen des Oberhauses waren gestern von ungewöhnlichem Interesse, da der Earl von Aberdeen die italienischen Streitigkeiten zur Sprache brachte und eine Vorlage aller darauf bezüglichen Papiere beantragte. Aus den bereits veröffentlichten Dokumenten scheine hervorzugehen, daß das Gouvernement mit dem vollkommenen Rechte Oestreichs, seine eignen italienischen Unterthanen zu regieren, im Widerspruch sei, und der Redner schloß damit, daß er sich über die Weisheit und die Mäßigung des östreichischen Kabinets im höchsten Grade günstig ausdrückte. Der Marquis von Lansdowne erwiderte dem früheren Minister der auswärtigen Angelegenheiten, daß die bereits veröffentlichten Papiere über die italienische Angelegenheit vor der französischen Revolution geschrieben seien, daß sich seitdem Manches geändert habe, und daß die Sache daher aus einem andern Gesichtspunkte betrachtet werden müsse. Uebrigens sei das jetzige Gouvernement nur geneigt, die alte Freundschaft mit Oestreich aufrecht zu erhalten, ohne indeß Frankreich vor den Kopf stoßen zu wollen. Die verlangten Dokumente versprach der Redner in der kürzesten Frist dem Hause vorzulegen. wie man durch Organisirung eines wirklichen Volksheeres große Ersparnisse machen könne. Wenn man kein Paradeheer wolle, könne man die Dienstzeit verkürzen. Auch erwähnt der Redner der mannigfachen Verschwendungen, die beim Militärwesen gemacht werden (Bravo!). Der Kriegsminister v. Strotha sucht ihn zu widerlegen. Was die kürzere Dienstzeit anbetrifft, so gestehe er, daß man in noch kürzerer Zeit als in sechs Monaten einen Soldaten ausbilden könne, aber ein Soldat muß „erzogen“ werden und diese Erziehung fordert eine längere Zeit. Caspary: Der Kriegsminister sagte, das Militär muß erzogen werden. Ja, allerdings! Auch 1813 wurden unsere Soldaten in einigen Wochen einexercirt und sie waren in kurzer Zeit erzogen, „fürs Volk“ (!) erzogen. Aber jetzt wird der Soldat nicht für das Volk, sondern gegen das Volk erzogen. Das Soldatenthum ist das Mönchsthum der Könige geworden. Nachdem noch Dierschke und einige Andere gesprochen, wird die Debatte geschlossen. Vincke (Referent) glaubt, daß bei dem gegenwärtigen umwölkten Himmel Europa's es doppelt Unrecht wäre, das, als das vortrefflichste bekannte preußische Heer auch nur durch ein in der Adresse aufzunehmendes Wort anzugreifen. Er widerlegt noch mehrere in der Debatte gar nicht vorgebrachte Thatsachen, wodurch sich v. Berg veranlaßt sieht, auf das Ordnungswidrige hierin aufmerksam zu machen, da der Referent sich auf eine Diskussion in der Abtheilung bezogen. Die Amendements der Linken werden verworfen und der fünfte Absatz der Commission angenommen. Vor dem Uebergang zur Debatte über den sechsten Absatz sucht sich Hr. v. Vincke wegen der ihm von Hrn. v. Berg vorher gemachten Vorwürfe zu vertheidigen. Neumann: Der 18. März war die Bluttaufe einer großen Zukunft. (Lachen zur Rechten.) Das Heer hat sich im Laufe des ganzen Jahres den Bürgern gegenübergestellt und dafür sollen wir dem Heere danken? ‒ Wir Demokraten sind der Meinung, daß das Heer zu unseren Ansichten wird erzogen werden, ohne daß eine Demoralisation einreißen könne, im Gegentheil wird das Heer demoralisirt werden, wennn man fortfährt, es so mit Flugschriften und unwahren Lehren zu überschütten, wie es jetzt geschieht. Graf Schwerin will in einer faktischen Berichtigung die letzten Worte des Vorredners widerlegen. D'Ester: Unser Heer besteht nicht blos aus den Soldaten, es besteht auch aus den Offizieren und ihrem Corpsgeiste. Nicht die Soldaten will ich angreifen, die fanatisirt, aufgereizt werden. Anklagen wollen wir sie nicht, aber auch nicht loben. Wollen Sie einen Beweis von dem Geiste, der im Heere herrscht, so erinnere ich Sie an die Worte des Kriegsministers. Als nach dem Frieden von Tilsit Preußen verboten ward, eine große Armee zu halten, nahm man das Prinzip an, alle sechs Wochen neue Rekruten einzuberufen und sie bewährten sich 1813-15 auf das Ausgezeichnetste, obgleich sie nicht zu jenem Geiste erzogen waren, zu einer Erziehung, die der Hr. Kriegsminister für so unerläßlich hielt. Sie fochten aber auch für das Volk (!) und für die Freiheit des Volks, (!) und wenn unsere Truppen jetzt wieder gegen die Feinde des Volkes und für seine Freiheit kämpfen werden, dann will auch ich dankende Worte an dieselben richten. Nicht alle unsere Soldaten sind verdorben; ich habe bei den Excursionen, welche man im vorigen Jahre mit der Nationalversammlung vornahm, manchen Soldaten gesehen, dem dabei die Thränen herunterliefen. Aber für die mannichfachen Metzeleien, die in diesem Jahre vorgefallen und die ich nur den Führern Schuld geben kann, dafür kann ich keinen Dank aussprechen. Der Driegsminister nimmt die Offiziere in Schutz. Tilff spricht in gewöhnlicher versöhnender Weise. Stiehl: Das Heer hatte im letzten Jahre die sittliche Aufgabe, die Ruhe und Ordnung zu erhalten. Es ist dem Heere ohne vieles Morden und ohne Excesse gelungen. Wir sind verpflichtet, dem Heere zu danken. Kinkel: Man möge unterscheiden zwischen dem Kampfe der hier in Berlin stattgefunden, dem im Großherzogthum Posen, der schon als Krieg zwischen zwei verschiedenen Nationalitäten angesehen werden kann und den Kämpfen in Schleswig-Holstein. Für letztere will auch ich dem Heere meinen Dank nicht vorenthalten, es hat sein Blut für die deutsche Sache dort verspritzt, obgleich der Erfolg die Mühe nicht lohnte. Der Redner widerlegt alle vorherigen Redner, die von sittlicher Macht predigten. Der exclusive Geist des Soldatenthums streite gegen die Sittlichkeit, dieser Geist habe Robert Blum getödtet. (Lachen auf derRechten.) Wir werden gegen diesen Geist die Gedanken Hunger, Noth, das Proletariat in den Kampf führen. Wir fürchten den äußern Krieg nicht, wenn es ein Völkerkrieg und kein Kabinetskrieg ist. Wenn man aber die Kasernentapferkeit wieder in die Schranken führt, wird Preußen sein Jena nochmal erleben. (Zischen rechts.) Herrmann macht eine faktische Berichtigung dahin, daß die Seite des Hauses, der er angehöre, das Proletariat nicht als Kanonenfutter gebrauchen, sondern liebend an ihr Herz ziehen wolle. Graf Arnim sagt, daß das Heer sich um das Vaterland wohl verdient gemacht habe. Vincke wendet sich als Referent besonders gegen Kinkel, dem er Mangel an Logik vorwirft. Zuletzt sagt er: den Rechtsbruch im November v. J. habe nicht die Regierung veranlaßt, sondern die Steuerverweigerer. Da erhebt sich ein furchtbarer Sturm zur Linken. Zur Ordnung rufen Einige, Andere weisen den Ordnungsruf zurück, weil der Name Steuerverweigerer keine Beleidigung sei. Grabow ruft demungeachtet Vincke zur Ordnung. Vincke will die Gründe wissen. Er erklärt im Angesicht ganz Europas, diesen Vorwurf wiederholen zu wollen. Neuer Sturm auf der Linken. Anhaltender Lärm. Eisenach! Eisenach! hört man vielseitig rufen. Vincke setzt seine Beleidigung fort, bis er endlich zum Schluß gelangt und von Parrisius, der es sich zur Ehre anrechnet, ein Steuerverweigerer zu sein, widerlegt wird. Schließlich wird der § der Kommission angenommen, nachdem alle Amendements der Linken verworfen worden. * Breslau, 22. März. Der Oberpräsident hat diesen Abend die hiesige Bürgerwehr angeblich „wegen Dienstverweigerung etc.“ und weil sie an dem Festzuge am 18. Marz Theil genommen, vorläufig suspendirt. !!! Frankfurt, 23. März. National-Versammlung. Präsident Simson. Tagesordnung: 2. Lesung der deutschen Reichsverfassung. Man spricht von einem Ministerium von Herrmann, Römer, M. Mohl, von Möhring (Oestreich), H. Simon (Breslau) u. s. w., auch von Sommaruga. Die wüthenden und blamirten Preußen wollen einen Antrag auf Ausschließung der Oestreicher stellen. ‒ Johann soll das Ministerium Gagern mit wahrem Vergnügen entlassen haben. Prinzinger aus Niederöstreich zeigt seinen Austritt an. 3 neue Abgeordnete treten ein Nach der Ersatzwahl zweier Mitglieder für den östreichischen Ausschuß geht man zur zweiten Lesung. Die Diskussion fällt nach den gestern angenommenen Anträgen gänzlich weg. Zwei allgemeine Anträge über die Geschäftsverhandlung werden vorgelegt. Der erste von Max Simon und mehreren Mitgliedern der Linken, beantragt wegen der Ermüdung die die ewigen Abstimmungen herbeiführen, tägliche 2 Sitzungen früh und Nachmittag. Dies wird angenommen. Es wird von nun an bis zur Beendung der zweiten Lesung früh von 9 bis 1 Uhr und Nachmittags von 4 bis 7 Uhr Sitzung gehalten und zwar täglich. Ein zweiter Antrag von Hermann Müller, Beda Weber und anderen geht daher nach Vollendung der zweiten Lesung noch einmal über die ganze Verfassung in einer Gesammtabstimmung zu beschließen. Viele Redner von Links sind dafür, ebenso die Oestreicher; die Preußen sind natürlich dagegen. Die Debatte darüber ist giftig. Unter andern quälte sich der Literat Jordan in bekannter Leipziger Gosenmanier dagegen ab. Auch Herr Venedey ist dagegen und erndtete den Beifall der Rechten. Es geht ihm durch's Herz, daß die Verfassung noch „einmal auf's Spiel gestellt werden solle.“ Gestern habe er gehört wie ein Oestreicher (Schmerling!) gesagt habe, er werde nun (nach dem gestrigen Beschluß) zu dem Bevollmächtigten Camphausen gehen und sehen, ob derselbe jetzt mürbe genug gemacht worden sei, um zur Oktroyirung vorzuschreiten. (Großer Lärm.) Schmerling (allgemeine Stille): Obschon der Redner vor mir meinen Namen nicht genannt, so glaube ich doch, daß er mich meint. (Aha!) Schmerling bezeichnet Venedey's Ausdruck als eine freche Lüge, eine infame Zumuthung die man einem Staatsmanne machen könne. Er sei allerdings gestern bei Camphausen gewesen, aber nur um versöhnend mit ihm zu berathen. ‒ Präsident will den wegen dieses Incidenz-Falles entstandenen Tumult beschwichtigen, was ihm endlich durch eine Abstimmung gelingt, in der man beschließt, auf dieses Skandalosum und Venedey'sche Gewäsch publiee nicht weiter einzugehen. Der Antrag von Hermann Müller, Weber u. A. wird mit großer Majorität abgelehnt Die zweite Lesung beginnt: Abschnit 1: Das Reich. (Art. 1.) § 1. „Das deutsche Reich besteht aus dem Gebiet des bisherigen deutschen Bundes.“ Angenommen. Ein Zusatz: „Die Theilnahme der östreichischen Bundeslande an den reichsverfassungsmäßigen Rechten und Pflichten bleibt vorbehalten.“ Wird in namentlicher Abstimmung mit 290 Stimmen gegen 240 verworfen. Die Linke dagegen: „Die Feststellung der Verhältnisse des Herzogthums Schleswig bleibt vorbehalten.“ Angenommen. Zusatz von M. Mohl: „Die Aufnahme weiterer Länder in das deutsche Reich kann durch Reichsgesetze erfolgen.“ In namentlicher Abstimmung mit 268 Stimmen gegen 259 verworfen. Linke und Oestreicher dafür. Gegen diese Bestimmungen des § 1 legen die 3 Abgeordneten von Südtyrol Esterle, Marsilly und Gazoletti feierlichen Protest ein, da ihre Wahlkreise sich nicht per Gewalt germanisiren lassen wollen. Artikel 2, § 2. „Kein Theil des deutschen Reichs darf mit nicht-deutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein.“ Die Linke und die Oestreicher stimmen dagegen. Max und Heinrich Simon stimmten dafür. Radowitz und von Boddien stimmten auch mit Nein! Giskra enthielt sich der Stimme. Das Resultat der Abstimmung ist, daß 266 mit Nein und 26[unleserliches Material] mit Ja gestimmt haben. Jedem Unbefangenen leuchtet ein, daß der § verworfen ist. Aber der Präsident Simson hat seine „eigne Ansicht,“ er erklärt vor der Bestimmung des Resultats Herrn Reh (!) das Wort geben zu wollen. Dieser abtrünnige Ehrenmann erklärt, die Stimmen der 3 Tyroler Abgeordneten Esterle, Marsilly und Gazoletti könnten wegen des obenangeführten Protestes nicht mitgerechnet werden. (Die 3 Genannten hatten mit Nein gestimmt.) Und so meint Herr Reh, sei der § 2 angenommen. Hierüber erhebt sich allgemeine Ulkerei, die eine Viertelstunde dauert und wobei einige Abgeordnete nahe daran sind, thätlich zu werden. Präsident hebt die Sitzung (3/4 1 Uhr) auf und erklärt vorläufig formell den § 2 für verworfen, indem er es der heutigen Nachmittagssitzung vorbehält, über die Abstimmung der 3 genannten Tyroler Abgeordneten zu entscheiden Um 4 Uhr nächste Sitzung, die voraussichtlich stürmisch werden wird. Nebenbei führe ich zur letztberegten Thatsache an, daß die Schleswigschen und Posenschen provisorischen Abgeordneten vom ersten Tag an bei allen Beschlüssen mitgestimmt haben. ‒ Aber diese Ehrenmänner sitzen auch alle auf der Rechten, während die drei Tyroler links. Das erklärt Herrn Simsons „eigne Ansicht“! ‒ !!! Frankfurt, 23. März. Nachmittagssitzung der National-Versammlung. Beginn nach 4 Uhr. Simson präsidirt. Die Abgeordneten umdrängen Bureau und Tribüne und disputiren heftig mit dem Präsidenten. Bei allen heftigeren Debatten zeichnet sich besonders der feiste Schulmeister Kerst aus Posen aus, der an bäuerischer Rohheit Alles übertrifft, was sonst nur in Schnapskneipen denkbar ist. Uebrigens verzweifeln die meisten Abgeordneten selbst an der längeren Existenz dieser Versammlung. Die Centralgewalt ist schwächer als ein Schatten. Das Ministerium glücklicherweise gestürzt, aber ein neues eine nicht zu lösende Hypothese. Und die Versammlung durch Nationalhaß, Regierungsrücksichten, Unentschlossenheit und bösen Willen unflickbar zerrissen. Präsident erhebt Bedenken gegen die Zulässigkeit eines tyroler Abgeordneten Dr. Marcek. Er wird vorläufig zugelassen. Die drei angegriffenen Tyroler Esterle, Marsilly, Garzoletti erklären, daß ihr Protest natürlich nur prinzipiell ist. Reh erklärt hierauf, daß nur sein augenblickliches Gefühl des tiefsten Schmerzes für das Vaterland (Bravo und Zischen) ihn heute früh zu diesen Einwürfen bewegte, die er als Irrthum anerkennt. Noch fügt er eine rührende Tirade zu und zieht seinen Antrag zurück. Präsident verliest einen Antrag von Bergthaler aus Wien, wonach Präsident sofort den Beschluß über die Verwerfung des § 2 als gültig proklamiren soll. Dasselbe beantragt Kohlpanzer, indem er einen Tadel des Präsidiums ausspricht. Präsident erkennt seinen Irrthum. (Bravo!) Die Sache ist hiermit erledigt, und der erwartete Scandal bleibt aus. § 2 ist verworfen. § 3. „Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so ist das Verhältniß zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personalunion zu ordnen.“ Auch dieser § wurde mit 274 Stimmen gegen 256 verworfen. Minoritätserachten an die Stelle von § 3: „Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so soll das deutsche Land eine von dem nichtdeutschen Lande getrennte, eigene Verfassung, Regierung und Verwaltung haben.“ Mit 290 Stimmen gegen 240 angenommen. „In die Regierung und Verwaltung des deutschen Landes dürfen nur deutsche Staatsbürger berufen werden.“ Angenommen. „Die Reichsverfassung und Reichsgesetzgebung hat in einem solchen deutschen Lande dieselbe verbindliche Kraft wie in den übrigen deutschen Ländern.“ Angenommen. § 4 fällt weg. Statt dessen wird ein Amendement von Tellkampf angenommen, des Inhalts: „Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so muß dieses entweder in seinem deutschen Lande residiren, oder es muß auf verfassungsmäßigem Wege in demselben eine Regentschaft niedergesetzt werden, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen.“ § 5 wird angenommen. Ein Zusatz der Minorität, welcher die Mediatisirung anbahnt, wird verworfen. § 5. „Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher und nichtdeutscher Länder soll kein Staatsoberhaupt eines nichtdeutschen Landes zugleich zur Regierung eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone annehmen.“ § 6. „Die einzelnen deutschen Staaten behalten ihre Selbstständigkeit, so weit dieselbe nicht durch die Reichsverfassung beschränkt ist; sie haben alle staatlichen Hoheiten und Rechte, so weit diese nicht der Reichsgewalt ausdrücklich übertragen sind,“ wird angenommen. Die Linke wollte als Abschnitt 2 „die Grundrechte“ folgen lassen. Wurde mit zweifelhafter Majorität verworfen und es kommt als Abschnitt 2 „die Reichsgewalt.“ Die Linke beantragt als Einschaltung zwischen § 6 und 7: „Das deutsche Volk ist souverän.“ „Alle Reichsgewalt rührt vom Volke her.“ Es erfolgte namentliche Abstimmung. Dagegen stimmten unter Anderm: Mewissen (Köln), Lassaulx, Linde, Möhring, Robert Mohl, Laube, Mathy, (Neuwall hatte sich gedrückt und wurde furchtbar ausgelacht), Philips, Plathner, Radowitz, Raumer (Berlin und Dinkelsbühl), Reichensperger, Riesser, Rüder, Rümelin, Schmerling, Schneer, Schubert (aus Königsberg), Schwetschke, Simson (Bruder des Präsidenten), Soiron (langes höhnisches Bravo, Hohngelächter der Gallerien. Man ruft: „Heckers Märzfreund!“), Waitz, Wernher aus Nierstein, Wurm, Arndt (aus Bonn), Bassermann (langes Gelächter), Beckerath, der bezahlte Beseler aus Greifswald, Herr Literat Jordan, der sich „aus Berlin“ nennt, ohne weder in Berlin ansässig oder gebürtig noch gewählt zu sein und dessen glorreiches Leben nächstens im Feuilleton der „N. Rh. Ztg.“ erscheinen soll. Resultat: Das Minoritätserachten wird mit 297 gegen 213 Stimmen verwofen. Die Sitzung dauert beim Postschluß (3/4 7 Uhr) fort. * Wien, 21. März, Schon wieder drei Gesetze octroyirt: 1) gegen die Presse (hohe Kautionen, schwere Kerkerstrafen à la Manteufel etc.), 2) über Associationen (à la Manteufel-Hohenzollern) und 3) ein Gesetz über das Preßverfahren. Italien. * Turin, 18. März. Die Kammer hat in ihrer Sitzung vom 17. der Regierung die Autorisation gegeben, die Steuern für den Monat April zu erheben. * Castelletto, 15. März. Die Oestreicher verlassen die Gränzen, um sich mehr in's Innnere zurückzuziehen. Die Garnison von Festo-Calenda ist in dieser Nacht abmarschirt. In dem Haupt-Fort ist nurmehr eine kleine Anzahl von Soldaten zurückgeblieben, so daß der Uebergang über den Tessin frei geworden. Man erwartet hier ein Cavallerie-Corps. ‒ Wie man weiß, haben bereits am 14. die Truppen Radetzky's Parma verlassen, um nach Casal-Maggiore zu ziehen. Aus allen diesen Truppenbewegungen geht hervor, daß der alte Marschall seine Kräfte zusammenziehen will, um eine Schlacht an den Adda zu liefern. * Parma, 14. März. Parma ist geräumt von den Oestreichern: darüber kann kein Zweifel mehr obwalten. Gegen 2 Uhr in der Nacht erhielt der Oberst Della-Rosa einen Brief vom Gouverneur, worin es heißt, daß, in der Nothwendigkeit, worin er sich befände, abzureisen, er ihm einen Theil der Posten um 5 Uhr Morgens und die andern um 11 Uhr übergeben werde. Der Oberst berief unmittelbar die Nationalgarde und gegen 9 Uhr begannen die Oestreicher wirklich ihren Abzug. Der General mit zwei Kanonen schloß den Zug. Wir fanden im Schlosse alle unsere Waffen wieder. Gegen 10 Uhr hat der Munizipalrath folgende Proklamation anheften lassen: „Mitbürger! Die östreichischen Truppen verlassen Parma. Wir empfehlen Euch die größte Ruhe; der Munizipalrath ist in Permanenz und wacht über Eure Sicherheit und das Wohl des Landes. Parma, den 14. März 1849. Die Freude, die in der Stadt herrscht, ist unbeschreiblich. * Livorno, 15. März. Heute ist in unserer Stadt folgende Proklamation an die Mauern angeheftet worden: „Livornesen! Ich beeile mich, Euch die mir eben zugekommene Depesche mitzutheilen. Der Herzog von Modena hat die Flucht ergriffen; er hat eine Proklamation hinterlassen, worin er erklärt, daß der Grund seiner „Abreise“ die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zwischen Piemont und Oestreich sei. Man hört ein lebhaftes Kanonenfeuer in der Richtung von Bologna. Ich bin in Conferenz mit den Abgesandten von Piemont und Rom. Die Zeit ist gekommen; das Volk darf nunmehr noch Einen Willen haben: es greife zu den Waffen und kämpfe für das Vaterland. Es ist gewiß zu siegen: denn ein Volk stirbt nie.“ Livorno, den 15. März 1849. Guerrazzi. Für den abwesenden Gouverneur: Rosi, erster Rath. * Neapel,, 13. März. Die Auflösung der Deputirtenkammer von Neapel ist vollbracht! Sie ist durch ein Dekret vom 12. März ausgesprochen worden. Das Dekret trägt die Unterschrift des Königs Ferdinand, die des Prinzen Cariati und der übrigen Minister. Ein anderes Dekret wird später die Zeit der nächsten Wahlen festsetzen. Dem Auflösungsdekret geht ein langer Bericht an den König voran, welcher ebenfalls von den Ministern unterzeichnet ist. In diesem Bericht behandelt das Ministerium die Majorität der Kammer mit einer wahren Wegwerfung. Sie heißt nicht anders als eine „verbrecherische und freche Brut.“ Die Auflösung der Kammer gründet sich in diesem Berichte auf die geringe Anzahl von Wählern, welche an den Wahloperationen Theil genommen, und auf die Akten der Versammlung, welche nicht allein die konstitutionellen Prinzipien, sondern auch alle Regeln der Billigkeit und der Ehre verletzt haben soll? Ungarn. * Preßburg, 16. März. Hier ist gestern früh nachstehende Proklamation erschienen: „Unleugbare Thatsachen haben mir die unangenehme Ueberzeugung verschafft, daß die Landbewohner noch hie und da, besonders in den untern Gegenden der Schütt, eine sträfliche Verbindung mit den Insurgenten in Komorn unterhalten, und namentlich sich nicht scheuen, versprengte Haufen dieser Rebellen und einzelne derlei Individuen bei sich aufnehmen, zu verbergen oder ihnen anderweitig Vorschub zu leisten. Ich sehe mich daher veranlaßt, den Herrn ersten Vicegespan des Preßburger Comitats zu beauftragen, daß in allen Gemeinden dieses Comitats die Proklamationen Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz vom 26. Dezember v. J. und vom 11. Februar und 9. März d. J. republicirt werden. Hiernach sind die betreffenden Gemeinden für das strafbare Benehmen ihrer Mitglieder, welche den Insurgenten auf was immer für eine Art Vorschub leisten, und selbe bei sich aufnehmen oder verbergen, anstatt sie einzufangen und den Behörden auszuliefern, verantwortlich zu machen, und der Herr Vicegespan hat ferner in meinem Namen zu veröffentlichen, daß von nun an jede Gemeinde, wo Insurgenten einziehen oder eindringen, und nicht eingefangen werden, für jeden nicht abgelieferten Rebellen mit einer Geldstrafe von 100 fl. C. M. belegt, und diese Strafe auch nach Umständen verschärft werden wird, wenn nämlich die Zahl der Rebellen geringer und ihr Einfangen leichter gewesen wäre. Preßburg, am 14. März 1849. Kempen, F. M. L, Militär-Districts-Commandant.“ Wie weit hier das Standrecht geht, kann man schon aus dem Umstande entnehmen, daß gestern Anton Krampl, aus Groß-Becskerek in Ungarn gebürtig, 22 Jahr alt, katholisch, ledig, Schneidergeselle, wegen Verbreitung einer ungünstigen Nachricht vom Kriegsschauplatze in Ungarn, zu einem neunmonatlichen Stockhausarreste in Eisen verurtheilt worden. Windischgrätz lös't und bindet gleich dem Pabst, wie Folgendes zeigt: Kundmachung. Es ist zu meiner Kenntniß gekommen, daß bei der zufolge eines ungesetzlichen, durch Se. k. k. Majestät nie sanctionirten Beschlusses des aufgelösten ungarischen Reichstages, vorgenommenen Recrutenstellung für die Rebellen, in vielen Gegenden von den wohlhabenderen Landleuten Stellvertreter gedungen werden, und die Zinsen der zugesicherten CapitalSumme von den durch die Kriegslasten ohnehin gedrückten Landleuten noch immer gezahlt werden. Landbewohner von Ungarn! den Beschluß dieses Reichstages, der Eure besten Kräfte nur zur Durchführung seiner gottlosen Pläne benützen wollte, hat Euer gnädigster Herr und König nie gut geheißen. Er ist daher ungesetzlich, seine Folgen ungiltig. Ich erkläre hiemit alle zufolge der unrechtmäßigen Recrutenstellung eingegangenen Verpflichtungen für null n. nichtig, und entbinde Euch hiemit ‒ Kraft meiner ausgedehntesten Vollmacht ‒ der Zahlung der bei diesem Anlasse bedungenen Capital-Summen sowohl, wie deren Zinsen an die Stellvertreter. Hauptquartier Ofen, am 14. März. 1849. Alfred Fürst zu Windisch-Grätz, k. k. Feldmarschall. Großbritannien. * London, 23. März. Die Verhandlungen des Oberhauses waren gestern von ungewöhnlichem Interesse, da der Earl von Aberdeen die italienischen Streitigkeiten zur Sprache brachte und eine Vorlage aller darauf bezüglichen Papiere beantragte. Aus den bereits veröffentlichten Dokumenten scheine hervorzugehen, daß das Gouvernement mit dem vollkommenen Rechte Oestreichs, seine eignen italienischen Unterthanen zu regieren, im Widerspruch sei, und der Redner schloß damit, daß er sich über die Weisheit und die Mäßigung des östreichischen Kabinets im höchsten Grade günstig ausdrückte. Der Marquis von Lansdowne erwiderte dem früheren Minister der auswärtigen Angelegenheiten, daß die bereits veröffentlichten Papiere über die italienische Angelegenheit vor der französischen Revolution geschrieben seien, daß sich seitdem Manches geändert habe, und daß die Sache daher aus einem andern Gesichtspunkte betrachtet werden müsse. Uebrigens sei das jetzige Gouvernement nur geneigt, die alte Freundschaft mit Oestreich aufrecht zu erhalten, ohne indeß Frankreich vor den Kopf stoßen zu wollen. Die verlangten Dokumente versprach der Redner in der kürzesten Frist dem Hause vorzulegen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar255-2_003" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1436"/> wie man durch Organisirung eines wirklichen Volksheeres große Ersparnisse machen könne. Wenn man kein Paradeheer wolle, könne man die Dienstzeit verkürzen. Auch erwähnt der Redner der mannigfachen Verschwendungen, die beim Militärwesen gemacht werden (Bravo!).</p> <p>Der Kriegsminister v. <hi rendition="#g">Strotha</hi> sucht ihn zu widerlegen. Was die kürzere Dienstzeit anbetrifft, so gestehe er, daß man in noch kürzerer Zeit als in sechs Monaten einen Soldaten ausbilden könne, aber ein Soldat muß „erzogen“ werden und diese Erziehung fordert eine längere Zeit.</p> <p><hi rendition="#g">Caspary:</hi> Der Kriegsminister sagte, das Militär muß erzogen werden. Ja, allerdings! Auch 1813 wurden unsere Soldaten in einigen Wochen einexercirt und sie waren in kurzer Zeit erzogen, „fürs Volk“ (!) erzogen. Aber jetzt wird der Soldat nicht für das Volk, sondern <hi rendition="#g">gegen das Volk</hi> erzogen. Das Soldatenthum ist das Mönchsthum der Könige geworden.</p> <p>Nachdem noch <hi rendition="#g">Dierschke</hi> und einige Andere gesprochen, wird die Debatte geschlossen. <hi rendition="#g">Vincke</hi> (Referent) glaubt, daß bei dem gegenwärtigen umwölkten Himmel Europa's es doppelt Unrecht wäre, das, als das vortrefflichste bekannte preußische Heer auch nur durch ein in der Adresse aufzunehmendes Wort anzugreifen. Er widerlegt noch mehrere in der Debatte gar nicht vorgebrachte Thatsachen, wodurch sich <hi rendition="#g">v. Berg</hi> veranlaßt sieht, auf das Ordnungswidrige hierin aufmerksam zu machen, da der Referent sich auf eine Diskussion in der Abtheilung bezogen.</p> <p>Die Amendements der Linken werden verworfen und der fünfte Absatz der Commission angenommen.</p> <p>Vor dem Uebergang zur Debatte über den sechsten Absatz sucht sich Hr. <hi rendition="#g">v. Vincke</hi> wegen der ihm von Hrn. <hi rendition="#g">v. Berg</hi> vorher gemachten Vorwürfe zu vertheidigen.</p> <p><hi rendition="#g">Neumann:</hi> Der 18. März war die Bluttaufe einer großen Zukunft. (Lachen zur Rechten.) Das Heer hat sich im Laufe des ganzen Jahres den Bürgern gegenübergestellt und dafür sollen wir dem Heere danken? ‒ Wir Demokraten sind der Meinung, daß das Heer zu unseren Ansichten wird erzogen werden, ohne daß eine Demoralisation einreißen könne, im Gegentheil wird das Heer demoralisirt werden, wennn man fortfährt, es so mit Flugschriften und unwahren Lehren zu überschütten, wie es jetzt geschieht.</p> <p>Graf <hi rendition="#g">Schwerin</hi> will in einer faktischen Berichtigung die letzten Worte des Vorredners widerlegen.</p> <p><hi rendition="#g">D'Ester:</hi> Unser Heer besteht nicht blos aus den Soldaten, es besteht auch aus den Offizieren und ihrem Corpsgeiste. Nicht die Soldaten will ich angreifen, die fanatisirt, aufgereizt werden. Anklagen wollen wir sie nicht, aber auch nicht loben. Wollen Sie einen Beweis von dem Geiste, der im Heere herrscht, so erinnere ich Sie an die Worte des Kriegsministers. Als nach dem Frieden von Tilsit Preußen verboten ward, eine große Armee zu halten, nahm man das Prinzip an, alle sechs Wochen neue Rekruten einzuberufen und sie bewährten sich 1813-15 auf das Ausgezeichnetste, obgleich sie nicht zu jenem Geiste <hi rendition="#g">erzogen</hi> waren, zu einer Erziehung, die der Hr. Kriegsminister für so unerläßlich hielt. Sie fochten aber auch für das Volk (!) und für die Freiheit des Volks, (!) und wenn unsere Truppen jetzt wieder gegen die Feinde des Volkes und für seine Freiheit kämpfen werden, dann will auch ich dankende Worte an dieselben richten. Nicht alle unsere Soldaten sind verdorben; ich habe bei den Excursionen, welche man im vorigen Jahre mit der Nationalversammlung vornahm, manchen Soldaten gesehen, dem dabei die Thränen herunterliefen. Aber für die mannichfachen Metzeleien, die in diesem Jahre vorgefallen und die ich nur den Führern Schuld geben kann, dafür kann ich keinen Dank aussprechen.</p> <p>Der Driegsminister nimmt die Offiziere in Schutz.</p> <p><hi rendition="#g">Tilff</hi> spricht in gewöhnlicher versöhnender Weise.</p> <p><hi rendition="#g">Stiehl:</hi> Das Heer hatte im letzten Jahre die sittliche Aufgabe, die Ruhe und Ordnung zu erhalten. Es ist dem Heere ohne vieles Morden und ohne Excesse gelungen. Wir sind verpflichtet, dem Heere zu danken.</p> <p><hi rendition="#g">Kinkel:</hi> Man möge unterscheiden zwischen dem Kampfe der hier in Berlin stattgefunden, dem im Großherzogthum Posen, der schon als Krieg zwischen zwei verschiedenen Nationalitäten angesehen werden kann und den Kämpfen in Schleswig-Holstein. Für letztere will auch ich dem Heere meinen Dank nicht vorenthalten, es hat sein Blut für die deutsche Sache dort verspritzt, obgleich der Erfolg die Mühe nicht lohnte. Der Redner widerlegt alle vorherigen Redner, die von sittlicher Macht predigten. Der exclusive Geist des Soldatenthums streite gegen die Sittlichkeit, dieser Geist habe Robert Blum getödtet. (Lachen auf derRechten.) Wir werden gegen diesen Geist die Gedanken Hunger, Noth, das Proletariat in den Kampf führen. Wir fürchten den äußern Krieg nicht, wenn es ein Völkerkrieg und kein Kabinetskrieg ist. Wenn man aber die Kasernentapferkeit wieder in die Schranken führt, wird Preußen sein Jena nochmal erleben. (Zischen rechts.)</p> <p><hi rendition="#g">Herrmann</hi> macht eine faktische Berichtigung dahin, daß die Seite des Hauses, der er angehöre, das Proletariat nicht als Kanonenfutter gebrauchen, sondern liebend an ihr Herz ziehen wolle.</p> <p>Graf <hi rendition="#g">Arnim</hi> sagt, daß das Heer sich um das Vaterland wohl verdient gemacht habe.</p> <p><hi rendition="#g">Vincke</hi> wendet sich als Referent besonders gegen Kinkel, dem er Mangel an Logik vorwirft. Zuletzt sagt er: den Rechtsbruch im November v. J. habe nicht die Regierung veranlaßt, sondern die Steuerverweigerer.</p> <p>Da erhebt sich ein furchtbarer Sturm zur Linken. Zur Ordnung rufen Einige, Andere weisen den Ordnungsruf zurück, weil der Name Steuerverweigerer keine Beleidigung sei.</p> <p><hi rendition="#g">Grabow</hi> ruft demungeachtet Vincke zur Ordnung. Vincke will die Gründe wissen. Er erklärt im Angesicht ganz Europas, diesen Vorwurf wiederholen zu wollen. Neuer Sturm auf der Linken. Anhaltender Lärm. Eisenach! Eisenach! hört man vielseitig rufen.</p> <p><hi rendition="#g">Vincke</hi> setzt seine Beleidigung fort, bis er endlich zum Schluß gelangt und von Parrisius, der es sich zur Ehre anrechnet, ein Steuerverweigerer zu sein, widerlegt wird.</p> <p>Schließlich wird der § der Kommission angenommen, nachdem alle Amendements der Linken verworfen worden.</p> </div> <div xml:id="ar255-2_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Breslau, 22. März.</head> <p>Der Oberpräsident hat diesen Abend die hiesige Bürgerwehr angeblich „wegen Dienstverweigerung etc.“ und weil sie an dem Festzuge am 18. Marz Theil genommen, vorläufig suspendirt.</p> </div> <div xml:id="ar255-2_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 23. März.</head> <p>National-Versammlung. Präsident Simson. Tagesordnung: 2. Lesung der deutschen Reichsverfassung. Man spricht von einem Ministerium von Herrmann, Römer, M. Mohl, von Möhring (Oestreich), H. Simon (Breslau) u. s. w., auch von Sommaruga. Die wüthenden und blamirten Preußen wollen einen Antrag auf Ausschließung der Oestreicher stellen. ‒ Johann soll das Ministerium Gagern mit wahrem Vergnügen entlassen haben.</p> <p>Prinzinger aus Niederöstreich zeigt seinen Austritt an. 3 neue Abgeordnete treten ein Nach der Ersatzwahl zweier Mitglieder für den östreichischen Ausschuß geht man zur zweiten Lesung. Die Diskussion fällt nach den gestern angenommenen Anträgen gänzlich weg.</p> <p>Zwei allgemeine Anträge über die Geschäftsverhandlung werden vorgelegt. Der erste von Max Simon und mehreren Mitgliedern der Linken, beantragt wegen der Ermüdung die die ewigen Abstimmungen herbeiführen, tägliche 2 Sitzungen früh und Nachmittag. Dies wird angenommen. Es wird von nun an bis zur Beendung der zweiten Lesung früh von 9 bis 1 Uhr und Nachmittags von 4 bis 7 Uhr Sitzung gehalten und zwar täglich.</p> <p>Ein zweiter Antrag von Hermann Müller, Beda Weber und anderen geht daher nach Vollendung der zweiten Lesung noch einmal über die ganze Verfassung in einer Gesammtabstimmung zu beschließen.</p> <p>Viele Redner von Links sind dafür, ebenso die Oestreicher; die Preußen sind natürlich dagegen. Die Debatte darüber ist giftig. Unter andern quälte sich der Literat Jordan in bekannter Leipziger Gosenmanier dagegen ab. Auch Herr Venedey ist dagegen und erndtete den Beifall der Rechten. Es geht ihm durch's Herz, daß die Verfassung noch „einmal auf's Spiel gestellt werden solle.“ Gestern habe er gehört wie ein Oestreicher (Schmerling!) gesagt habe, er werde nun (nach dem gestrigen Beschluß) zu dem Bevollmächtigten Camphausen gehen und sehen, ob derselbe jetzt mürbe genug gemacht worden sei, um zur Oktroyirung vorzuschreiten. (Großer Lärm.)</p> <p><hi rendition="#g">Schmerling</hi> (allgemeine Stille): Obschon der Redner vor mir meinen Namen nicht genannt, so glaube ich doch, daß er mich meint. (Aha!) Schmerling bezeichnet Venedey's Ausdruck als eine freche Lüge, eine infame Zumuthung die man einem Staatsmanne machen könne. Er sei allerdings gestern bei Camphausen gewesen, aber nur um versöhnend mit ihm zu berathen. ‒ Präsident will den wegen dieses Incidenz-Falles entstandenen Tumult beschwichtigen, was ihm endlich durch eine Abstimmung gelingt, in der man beschließt, auf dieses Skandalosum und Venedey'sche Gewäsch publiee nicht weiter einzugehen.</p> <p>Der Antrag von Hermann Müller, Weber u. A. wird mit großer Majorität abgelehnt</p> <p>Die zweite Lesung beginnt:</p> <p>Abschnit 1: Das Reich. (Art. 1.)</p> <p>§ 1.</p> <p>„Das deutsche Reich besteht aus dem Gebiet des bisherigen deutschen Bundes.“</p> <p>Angenommen.</p> <p>Ein Zusatz:</p> <p>„Die Theilnahme der östreichischen Bundeslande an den reichsverfassungsmäßigen Rechten und Pflichten bleibt vorbehalten.“</p> <p>Wird in namentlicher Abstimmung mit 290 Stimmen gegen 240 verworfen. Die Linke dagegen:</p> <p>„Die Feststellung der Verhältnisse des Herzogthums Schleswig bleibt vorbehalten.“</p> <p>Angenommen.</p> <p>Zusatz von M. Mohl:</p> <p>„Die Aufnahme weiterer Länder in das deutsche Reich kann durch Reichsgesetze erfolgen.“</p> <p>In namentlicher Abstimmung mit 268 Stimmen gegen 259 verworfen. Linke und Oestreicher dafür.</p> <p>Gegen diese Bestimmungen des § 1 legen die 3 Abgeordneten von Südtyrol Esterle, Marsilly und Gazoletti feierlichen Protest ein, da ihre Wahlkreise sich nicht per Gewalt germanisiren lassen wollen.</p> <p>Artikel 2, § 2.</p> <p>„Kein Theil des deutschen Reichs darf mit nicht-deutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein.“</p> <p>Die Linke und die Oestreicher stimmen dagegen. Max und Heinrich Simon stimmten dafür. Radowitz und von Boddien stimmten auch mit Nein! Giskra enthielt sich der Stimme. Das Resultat der Abstimmung ist, daß 266 mit Nein und 26<gap reason="illegible"/> mit Ja gestimmt haben. Jedem Unbefangenen leuchtet ein, daß der § verworfen ist. Aber der Präsident Simson hat seine „eigne Ansicht,“ er erklärt vor der Bestimmung des Resultats Herrn Reh (!) das Wort geben zu wollen. Dieser abtrünnige Ehrenmann erklärt, die Stimmen der 3 Tyroler Abgeordneten Esterle, Marsilly und Gazoletti könnten wegen des obenangeführten Protestes nicht mitgerechnet werden. (Die 3 Genannten hatten mit Nein gestimmt.) Und so meint Herr Reh, sei der § 2 angenommen. Hierüber erhebt sich allgemeine Ulkerei, die eine Viertelstunde dauert und wobei einige Abgeordnete nahe daran sind, thätlich zu werden.</p> <p>Präsident hebt die Sitzung (3/4 1 Uhr) auf und erklärt vorläufig formell den § 2 für verworfen, indem er es der heutigen Nachmittagssitzung vorbehält, über die Abstimmung der 3 genannten Tyroler Abgeordneten zu entscheiden</p> <p>Um 4 Uhr nächste Sitzung, die voraussichtlich stürmisch werden wird.</p> <p>Nebenbei führe ich zur letztberegten Thatsache an, daß die Schleswigschen und Posenschen provisorischen Abgeordneten vom ersten Tag an bei allen Beschlüssen mitgestimmt haben. ‒ Aber diese Ehrenmänner sitzen auch alle auf der Rechten, während die drei Tyroler links. Das erklärt Herrn Simsons „eigne Ansicht“! ‒</p> </div> <div xml:id="ar255-2_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 23. März.</head> <p>Nachmittagssitzung der National-Versammlung.</p> <p>Beginn nach 4 Uhr.</p> <p>Simson präsidirt.</p> <p>Die Abgeordneten umdrängen Bureau und Tribüne und disputiren heftig mit dem Präsidenten. Bei allen heftigeren Debatten zeichnet sich besonders der feiste Schulmeister Kerst aus Posen aus, der an bäuerischer Rohheit Alles übertrifft, was sonst nur in Schnapskneipen denkbar ist. Uebrigens verzweifeln die meisten Abgeordneten selbst an der längeren Existenz dieser Versammlung. Die Centralgewalt ist schwächer als ein Schatten. Das Ministerium glücklicherweise gestürzt, aber ein neues eine nicht zu lösende Hypothese. Und die Versammlung durch Nationalhaß, Regierungsrücksichten, Unentschlossenheit und bösen Willen unflickbar zerrissen.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> erhebt Bedenken gegen die Zulässigkeit eines tyroler Abgeordneten Dr. Marcek.</p> <p>Er wird vorläufig zugelassen.</p> <p>Die drei angegriffenen Tyroler Esterle, Marsilly, Garzoletti erklären, daß ihr Protest natürlich nur prinzipiell ist.</p> <p><hi rendition="#g">Reh</hi> erklärt hierauf, daß nur sein augenblickliches Gefühl des tiefsten Schmerzes für das Vaterland (Bravo und Zischen) ihn heute früh zu diesen Einwürfen bewegte, die er als Irrthum anerkennt. Noch fügt er eine rührende Tirade zu und zieht seinen Antrag zurück.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> verliest einen Antrag von Bergthaler aus Wien, wonach Präsident sofort den Beschluß über die Verwerfung des § 2 als gültig proklamiren soll. Dasselbe beantragt Kohlpanzer, indem er einen Tadel des Präsidiums ausspricht. Präsident erkennt seinen Irrthum. (Bravo!)</p> <p>Die Sache ist hiermit erledigt, und der erwartete Scandal bleibt aus.</p> <p>§ 2 ist <hi rendition="#g">verworfen.</hi> </p> <p>§ 3.</p> <p>„Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so ist das Verhältniß zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personalunion zu ordnen.“</p> <p>Auch dieser § wurde mit 274 Stimmen gegen 256 verworfen.</p> <p>Minoritätserachten an die Stelle von § 3:</p> <p>„Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so soll das deutsche Land eine von dem nichtdeutschen Lande getrennte, eigene Verfassung, Regierung und Verwaltung haben.“</p> <p>Mit 290 Stimmen gegen 240 angenommen.</p> <p>„In die Regierung und Verwaltung des deutschen Landes dürfen nur deutsche Staatsbürger berufen werden.“</p> <p>Angenommen.</p> <p>„Die Reichsverfassung und Reichsgesetzgebung hat in einem solchen deutschen Lande dieselbe verbindliche Kraft wie in den übrigen deutschen Ländern.“</p> <p>Angenommen.</p> <p>§ 4 fällt weg. Statt dessen wird ein Amendement von Tellkampf angenommen, des Inhalts:</p> <p>„Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so muß dieses entweder in seinem deutschen Lande residiren, oder es muß auf verfassungsmäßigem Wege in demselben eine Regentschaft niedergesetzt werden, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen.“</p> <p>§ 5 wird angenommen. Ein Zusatz der Minorität, welcher die Mediatisirung anbahnt, wird verworfen.</p> <p>§ 5.</p> <p>„Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher und nichtdeutscher Länder soll kein Staatsoberhaupt eines nichtdeutschen Landes zugleich zur Regierung eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone annehmen.“</p> <p>§ 6.</p> <p>„Die einzelnen deutschen Staaten behalten ihre Selbstständigkeit, so weit dieselbe nicht durch die Reichsverfassung beschränkt ist; sie haben alle staatlichen Hoheiten und Rechte, so weit diese nicht der Reichsgewalt ausdrücklich übertragen sind,“</p> <p>wird angenommen.</p> <p>Die Linke wollte als Abschnitt 2 „die Grundrechte“ folgen lassen. Wurde mit zweifelhafter Majorität verworfen und es kommt als Abschnitt 2 „die Reichsgewalt.“</p> <p>Die Linke beantragt als Einschaltung zwischen § 6 und 7:</p> <p>„Das deutsche Volk ist souverän.“</p> <p>„Alle Reichsgewalt rührt vom Volke her.“</p> <p>Es erfolgte namentliche Abstimmung.</p> <p>Dagegen stimmten unter Anderm: Mewissen (Köln), Lassaulx, Linde, Möhring, Robert Mohl, Laube, Mathy, (Neuwall hatte sich gedrückt und wurde furchtbar ausgelacht), Philips, Plathner, Radowitz, Raumer (Berlin und Dinkelsbühl), Reichensperger, Riesser, Rüder, Rümelin, Schmerling, Schneer, Schubert (aus Königsberg), Schwetschke, Simson (Bruder des Präsidenten), Soiron (langes höhnisches Bravo, Hohngelächter der Gallerien. Man ruft: „Heckers Märzfreund!“), Waitz, Wernher aus Nierstein, Wurm, Arndt (aus Bonn), Bassermann (langes Gelächter), Beckerath, der bezahlte <hi rendition="#g">Beseler</hi> aus Greifswald, Herr Literat <hi rendition="#g">Jordan,</hi> der sich „aus Berlin“ nennt, ohne weder in Berlin ansässig oder gebürtig noch gewählt zu sein und dessen glorreiches Leben nächstens im Feuilleton der „N. Rh. Ztg.“ erscheinen soll.</p> <p>Resultat: Das Minoritätserachten wird mit 297 gegen 213 Stimmen verwofen.</p> <p>Die Sitzung dauert beim Postschluß (3/4 7 Uhr) fort.</p> </div> <div xml:id="ar255-2_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 21. März,</head> <p>Schon wieder drei Gesetze octroyirt: 1) gegen die Presse (hohe Kautionen, schwere Kerkerstrafen à la Manteufel etc.), 2) über Associationen (à la Manteufel-Hohenzollern) und 3) ein Gesetz über das Preßverfahren.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar255-2_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 18. März.</head> <p>Die Kammer hat in ihrer Sitzung vom 17. der Regierung die Autorisation gegeben, die Steuern für den Monat April zu erheben.</p> </div> <div xml:id="ar255-2_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Castelletto, 15. März.</head> <p>Die Oestreicher verlassen die Gränzen, um sich mehr in's Innnere zurückzuziehen. Die Garnison von Festo-Calenda ist in dieser Nacht abmarschirt. In dem Haupt-Fort ist nurmehr eine kleine Anzahl von Soldaten zurückgeblieben, so daß der Uebergang über den Tessin frei geworden. Man erwartet hier ein Cavallerie-Corps. ‒ Wie man weiß, haben bereits am 14. die Truppen Radetzky's Parma verlassen, um nach Casal-Maggiore zu ziehen. Aus allen diesen Truppenbewegungen geht hervor, daß der alte Marschall seine Kräfte zusammenziehen will, um eine Schlacht an den Adda zu liefern.</p> </div> <div xml:id="ar255-2_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Parma, 14. März.</head> <p>Parma ist geräumt von den Oestreichern: darüber kann kein Zweifel mehr obwalten. Gegen 2 Uhr in der Nacht erhielt der Oberst Della-Rosa einen Brief vom Gouverneur, worin es heißt, daß, in der Nothwendigkeit, worin er sich befände, abzureisen, er ihm einen Theil der Posten um 5 Uhr Morgens und die andern um 11 Uhr übergeben werde. Der Oberst berief unmittelbar die Nationalgarde und gegen 9 Uhr begannen die Oestreicher wirklich ihren Abzug. Der General mit zwei Kanonen schloß den Zug. Wir fanden im Schlosse alle unsere Waffen wieder. Gegen 10 Uhr hat der Munizipalrath folgende Proklamation anheften lassen:</p> <p>„Mitbürger! Die östreichischen Truppen verlassen Parma. Wir empfehlen Euch die größte Ruhe; der Munizipalrath ist in Permanenz und wacht über Eure Sicherheit und das Wohl des Landes.</p> <p>Parma, den 14. März 1849.</p> <p>Die Freude, die in der Stadt herrscht, ist unbeschreiblich.</p> </div> <div xml:id="ar255-2_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Livorno, 15. März.</head> <p>Heute ist in unserer Stadt folgende Proklamation an die Mauern angeheftet worden:</p> <p>„Livornesen! Ich beeile mich, Euch die mir eben zugekommene Depesche mitzutheilen. Der Herzog von Modena hat die Flucht ergriffen; er hat eine Proklamation hinterlassen, worin er erklärt, daß der Grund seiner „Abreise“ die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zwischen Piemont und Oestreich sei. Man hört ein lebhaftes Kanonenfeuer in der Richtung von Bologna. Ich bin in Conferenz mit den Abgesandten von Piemont und Rom. Die Zeit ist gekommen; das Volk darf nunmehr noch Einen Willen haben: es greife zu den Waffen und kämpfe für das Vaterland. Es ist gewiß zu siegen: denn ein Volk stirbt nie.“</p> <p>Livorno, den 15. März 1849. <hi rendition="#g">Guerrazzi.</hi> </p> <p>Für den abwesenden Gouverneur: <hi rendition="#g">Rosi,</hi> erster Rath.</p> </div> <div xml:id="ar255-2_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Neapel,, 13. März.</head> <p>Die Auflösung der Deputirtenkammer von Neapel ist <hi rendition="#g">vollbracht!</hi> Sie ist durch ein Dekret vom 12. März ausgesprochen worden. Das Dekret trägt die Unterschrift des Königs Ferdinand, die des Prinzen Cariati und der übrigen Minister. Ein anderes Dekret wird später die Zeit der nächsten Wahlen festsetzen.</p> <p>Dem Auflösungsdekret geht ein langer Bericht an den König voran, welcher ebenfalls von den Ministern unterzeichnet ist. In diesem Bericht behandelt das Ministerium die Majorität der Kammer mit einer wahren Wegwerfung. Sie heißt nicht anders als eine „verbrecherische und freche Brut.“ Die Auflösung der Kammer gründet sich in diesem Berichte auf die geringe Anzahl von Wählern, welche an den Wahloperationen Theil genommen, und auf die Akten der Versammlung, welche nicht allein die konstitutionellen Prinzipien, sondern auch alle Regeln der Billigkeit und der Ehre verletzt haben soll?</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn.</head> <div xml:id="ar255-2_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Preßburg, 16. März.</head> <p>Hier ist gestern früh nachstehende Proklamation erschienen:</p> <p>„Unleugbare Thatsachen haben mir die unangenehme Ueberzeugung verschafft, daß die Landbewohner noch hie und da, besonders in den untern Gegenden der Schütt, eine sträfliche Verbindung mit den Insurgenten in Komorn unterhalten, und namentlich sich nicht scheuen, versprengte Haufen dieser Rebellen und einzelne derlei Individuen bei sich aufnehmen, zu verbergen oder ihnen anderweitig Vorschub zu leisten. Ich sehe mich daher veranlaßt, den Herrn ersten Vicegespan des Preßburger Comitats zu beauftragen, daß in allen Gemeinden dieses Comitats die Proklamationen Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz vom 26. Dezember v. J. und vom 11. Februar und 9. März d. J. republicirt werden. Hiernach sind die betreffenden Gemeinden für das strafbare Benehmen ihrer Mitglieder, welche den Insurgenten auf was immer für eine Art Vorschub leisten, und selbe bei sich aufnehmen oder verbergen, anstatt sie einzufangen und den Behörden auszuliefern, verantwortlich zu machen, und der Herr Vicegespan hat ferner in meinem Namen zu veröffentlichen, daß von nun an jede Gemeinde, wo Insurgenten einziehen oder eindringen, und nicht eingefangen werden, für jeden nicht abgelieferten Rebellen mit einer Geldstrafe von 100 fl. C. M. belegt, und diese Strafe auch nach Umständen verschärft werden wird, wenn nämlich die Zahl der Rebellen geringer und ihr Einfangen leichter gewesen wäre. Preßburg, am 14. März 1849. <hi rendition="#g">Kempen, F. M. L,</hi> Militär-Districts-Commandant.“</p> <p>Wie weit hier das Standrecht geht, kann man schon aus dem Umstande entnehmen, daß gestern Anton Krampl, aus Groß-Becskerek in Ungarn gebürtig, 22 Jahr alt, katholisch, ledig, Schneidergeselle, wegen Verbreitung einer ungünstigen Nachricht vom Kriegsschauplatze in Ungarn, zu <hi rendition="#g">einem neunmonatlichen Stockhausarreste in Eisen</hi> verurtheilt worden.</p> <p>Windischgrätz lös't und bindet gleich dem Pabst, wie Folgendes zeigt:</p> <p> <hi rendition="#g">Kundmachung.</hi> </p> <p>Es ist zu meiner Kenntniß gekommen, daß bei der zufolge eines ungesetzlichen, durch Se. k. k. Majestät nie sanctionirten Beschlusses des aufgelösten ungarischen Reichstages, vorgenommenen Recrutenstellung für die Rebellen, in vielen Gegenden von den wohlhabenderen Landleuten Stellvertreter gedungen werden, und die Zinsen der zugesicherten CapitalSumme von den durch die Kriegslasten ohnehin gedrückten Landleuten noch immer gezahlt werden. Landbewohner von Ungarn! den Beschluß dieses Reichstages, der Eure besten Kräfte nur zur Durchführung seiner gottlosen Pläne benützen wollte, hat Euer gnädigster Herr und König nie gut geheißen. Er ist daher ungesetzlich, seine Folgen ungiltig. Ich erkläre hiemit alle zufolge der unrechtmäßigen Recrutenstellung eingegangenen Verpflichtungen für null n. nichtig, und entbinde Euch hiemit ‒ Kraft meiner ausgedehntesten Vollmacht ‒ der Zahlung der bei diesem Anlasse bedungenen Capital-Summen sowohl, wie deren Zinsen an die Stellvertreter.</p> <p>Hauptquartier Ofen, am 14. März. 1849.</p> <p> <hi rendition="#g">Alfred Fürst zu Windisch-Grätz,</hi> </p> <p>k. k. Feldmarschall.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar255-2_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 23. März.</head> <p>Die Verhandlungen des Oberhauses waren gestern von ungewöhnlichem Interesse, da der Earl von Aberdeen die italienischen Streitigkeiten zur Sprache brachte und eine Vorlage aller darauf bezüglichen Papiere beantragte. Aus den bereits veröffentlichten Dokumenten scheine hervorzugehen, daß das Gouvernement mit dem vollkommenen Rechte Oestreichs, seine eignen italienischen Unterthanen zu regieren, im Widerspruch sei, und der Redner schloß damit, daß er sich über die Weisheit und die Mäßigung des östreichischen Kabinets im höchsten Grade günstig ausdrückte.</p> <p>Der Marquis von Lansdowne erwiderte dem früheren Minister der auswärtigen Angelegenheiten, daß die bereits veröffentlichten Papiere über die italienische Angelegenheit vor der französischen Revolution geschrieben seien, daß sich seitdem Manches geändert habe, und daß die Sache daher aus einem andern Gesichtspunkte betrachtet werden müsse.</p> <p>Uebrigens sei das jetzige Gouvernement nur geneigt, die alte Freundschaft mit Oestreich aufrecht zu erhalten, ohne indeß Frankreich vor den Kopf stoßen zu wollen. Die verlangten Dokumente versprach der Redner in der kürzesten Frist dem Hause vorzulegen.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1436/0002]
wie man durch Organisirung eines wirklichen Volksheeres große Ersparnisse machen könne. Wenn man kein Paradeheer wolle, könne man die Dienstzeit verkürzen. Auch erwähnt der Redner der mannigfachen Verschwendungen, die beim Militärwesen gemacht werden (Bravo!).
Der Kriegsminister v. Strotha sucht ihn zu widerlegen. Was die kürzere Dienstzeit anbetrifft, so gestehe er, daß man in noch kürzerer Zeit als in sechs Monaten einen Soldaten ausbilden könne, aber ein Soldat muß „erzogen“ werden und diese Erziehung fordert eine längere Zeit.
Caspary: Der Kriegsminister sagte, das Militär muß erzogen werden. Ja, allerdings! Auch 1813 wurden unsere Soldaten in einigen Wochen einexercirt und sie waren in kurzer Zeit erzogen, „fürs Volk“ (!) erzogen. Aber jetzt wird der Soldat nicht für das Volk, sondern gegen das Volk erzogen. Das Soldatenthum ist das Mönchsthum der Könige geworden.
Nachdem noch Dierschke und einige Andere gesprochen, wird die Debatte geschlossen. Vincke (Referent) glaubt, daß bei dem gegenwärtigen umwölkten Himmel Europa's es doppelt Unrecht wäre, das, als das vortrefflichste bekannte preußische Heer auch nur durch ein in der Adresse aufzunehmendes Wort anzugreifen. Er widerlegt noch mehrere in der Debatte gar nicht vorgebrachte Thatsachen, wodurch sich v. Berg veranlaßt sieht, auf das Ordnungswidrige hierin aufmerksam zu machen, da der Referent sich auf eine Diskussion in der Abtheilung bezogen.
Die Amendements der Linken werden verworfen und der fünfte Absatz der Commission angenommen.
Vor dem Uebergang zur Debatte über den sechsten Absatz sucht sich Hr. v. Vincke wegen der ihm von Hrn. v. Berg vorher gemachten Vorwürfe zu vertheidigen.
Neumann: Der 18. März war die Bluttaufe einer großen Zukunft. (Lachen zur Rechten.) Das Heer hat sich im Laufe des ganzen Jahres den Bürgern gegenübergestellt und dafür sollen wir dem Heere danken? ‒ Wir Demokraten sind der Meinung, daß das Heer zu unseren Ansichten wird erzogen werden, ohne daß eine Demoralisation einreißen könne, im Gegentheil wird das Heer demoralisirt werden, wennn man fortfährt, es so mit Flugschriften und unwahren Lehren zu überschütten, wie es jetzt geschieht.
Graf Schwerin will in einer faktischen Berichtigung die letzten Worte des Vorredners widerlegen.
D'Ester: Unser Heer besteht nicht blos aus den Soldaten, es besteht auch aus den Offizieren und ihrem Corpsgeiste. Nicht die Soldaten will ich angreifen, die fanatisirt, aufgereizt werden. Anklagen wollen wir sie nicht, aber auch nicht loben. Wollen Sie einen Beweis von dem Geiste, der im Heere herrscht, so erinnere ich Sie an die Worte des Kriegsministers. Als nach dem Frieden von Tilsit Preußen verboten ward, eine große Armee zu halten, nahm man das Prinzip an, alle sechs Wochen neue Rekruten einzuberufen und sie bewährten sich 1813-15 auf das Ausgezeichnetste, obgleich sie nicht zu jenem Geiste erzogen waren, zu einer Erziehung, die der Hr. Kriegsminister für so unerläßlich hielt. Sie fochten aber auch für das Volk (!) und für die Freiheit des Volks, (!) und wenn unsere Truppen jetzt wieder gegen die Feinde des Volkes und für seine Freiheit kämpfen werden, dann will auch ich dankende Worte an dieselben richten. Nicht alle unsere Soldaten sind verdorben; ich habe bei den Excursionen, welche man im vorigen Jahre mit der Nationalversammlung vornahm, manchen Soldaten gesehen, dem dabei die Thränen herunterliefen. Aber für die mannichfachen Metzeleien, die in diesem Jahre vorgefallen und die ich nur den Führern Schuld geben kann, dafür kann ich keinen Dank aussprechen.
Der Driegsminister nimmt die Offiziere in Schutz.
Tilff spricht in gewöhnlicher versöhnender Weise.
Stiehl: Das Heer hatte im letzten Jahre die sittliche Aufgabe, die Ruhe und Ordnung zu erhalten. Es ist dem Heere ohne vieles Morden und ohne Excesse gelungen. Wir sind verpflichtet, dem Heere zu danken.
Kinkel: Man möge unterscheiden zwischen dem Kampfe der hier in Berlin stattgefunden, dem im Großherzogthum Posen, der schon als Krieg zwischen zwei verschiedenen Nationalitäten angesehen werden kann und den Kämpfen in Schleswig-Holstein. Für letztere will auch ich dem Heere meinen Dank nicht vorenthalten, es hat sein Blut für die deutsche Sache dort verspritzt, obgleich der Erfolg die Mühe nicht lohnte. Der Redner widerlegt alle vorherigen Redner, die von sittlicher Macht predigten. Der exclusive Geist des Soldatenthums streite gegen die Sittlichkeit, dieser Geist habe Robert Blum getödtet. (Lachen auf derRechten.) Wir werden gegen diesen Geist die Gedanken Hunger, Noth, das Proletariat in den Kampf führen. Wir fürchten den äußern Krieg nicht, wenn es ein Völkerkrieg und kein Kabinetskrieg ist. Wenn man aber die Kasernentapferkeit wieder in die Schranken führt, wird Preußen sein Jena nochmal erleben. (Zischen rechts.)
Herrmann macht eine faktische Berichtigung dahin, daß die Seite des Hauses, der er angehöre, das Proletariat nicht als Kanonenfutter gebrauchen, sondern liebend an ihr Herz ziehen wolle.
Graf Arnim sagt, daß das Heer sich um das Vaterland wohl verdient gemacht habe.
Vincke wendet sich als Referent besonders gegen Kinkel, dem er Mangel an Logik vorwirft. Zuletzt sagt er: den Rechtsbruch im November v. J. habe nicht die Regierung veranlaßt, sondern die Steuerverweigerer.
Da erhebt sich ein furchtbarer Sturm zur Linken. Zur Ordnung rufen Einige, Andere weisen den Ordnungsruf zurück, weil der Name Steuerverweigerer keine Beleidigung sei.
Grabow ruft demungeachtet Vincke zur Ordnung. Vincke will die Gründe wissen. Er erklärt im Angesicht ganz Europas, diesen Vorwurf wiederholen zu wollen. Neuer Sturm auf der Linken. Anhaltender Lärm. Eisenach! Eisenach! hört man vielseitig rufen.
Vincke setzt seine Beleidigung fort, bis er endlich zum Schluß gelangt und von Parrisius, der es sich zur Ehre anrechnet, ein Steuerverweigerer zu sein, widerlegt wird.
Schließlich wird der § der Kommission angenommen, nachdem alle Amendements der Linken verworfen worden.
* Breslau, 22. März. Der Oberpräsident hat diesen Abend die hiesige Bürgerwehr angeblich „wegen Dienstverweigerung etc.“ und weil sie an dem Festzuge am 18. Marz Theil genommen, vorläufig suspendirt.
!!! Frankfurt, 23. März. National-Versammlung. Präsident Simson. Tagesordnung: 2. Lesung der deutschen Reichsverfassung. Man spricht von einem Ministerium von Herrmann, Römer, M. Mohl, von Möhring (Oestreich), H. Simon (Breslau) u. s. w., auch von Sommaruga. Die wüthenden und blamirten Preußen wollen einen Antrag auf Ausschließung der Oestreicher stellen. ‒ Johann soll das Ministerium Gagern mit wahrem Vergnügen entlassen haben.
Prinzinger aus Niederöstreich zeigt seinen Austritt an. 3 neue Abgeordnete treten ein Nach der Ersatzwahl zweier Mitglieder für den östreichischen Ausschuß geht man zur zweiten Lesung. Die Diskussion fällt nach den gestern angenommenen Anträgen gänzlich weg.
Zwei allgemeine Anträge über die Geschäftsverhandlung werden vorgelegt. Der erste von Max Simon und mehreren Mitgliedern der Linken, beantragt wegen der Ermüdung die die ewigen Abstimmungen herbeiführen, tägliche 2 Sitzungen früh und Nachmittag. Dies wird angenommen. Es wird von nun an bis zur Beendung der zweiten Lesung früh von 9 bis 1 Uhr und Nachmittags von 4 bis 7 Uhr Sitzung gehalten und zwar täglich.
Ein zweiter Antrag von Hermann Müller, Beda Weber und anderen geht daher nach Vollendung der zweiten Lesung noch einmal über die ganze Verfassung in einer Gesammtabstimmung zu beschließen.
Viele Redner von Links sind dafür, ebenso die Oestreicher; die Preußen sind natürlich dagegen. Die Debatte darüber ist giftig. Unter andern quälte sich der Literat Jordan in bekannter Leipziger Gosenmanier dagegen ab. Auch Herr Venedey ist dagegen und erndtete den Beifall der Rechten. Es geht ihm durch's Herz, daß die Verfassung noch „einmal auf's Spiel gestellt werden solle.“ Gestern habe er gehört wie ein Oestreicher (Schmerling!) gesagt habe, er werde nun (nach dem gestrigen Beschluß) zu dem Bevollmächtigten Camphausen gehen und sehen, ob derselbe jetzt mürbe genug gemacht worden sei, um zur Oktroyirung vorzuschreiten. (Großer Lärm.)
Schmerling (allgemeine Stille): Obschon der Redner vor mir meinen Namen nicht genannt, so glaube ich doch, daß er mich meint. (Aha!) Schmerling bezeichnet Venedey's Ausdruck als eine freche Lüge, eine infame Zumuthung die man einem Staatsmanne machen könne. Er sei allerdings gestern bei Camphausen gewesen, aber nur um versöhnend mit ihm zu berathen. ‒ Präsident will den wegen dieses Incidenz-Falles entstandenen Tumult beschwichtigen, was ihm endlich durch eine Abstimmung gelingt, in der man beschließt, auf dieses Skandalosum und Venedey'sche Gewäsch publiee nicht weiter einzugehen.
Der Antrag von Hermann Müller, Weber u. A. wird mit großer Majorität abgelehnt
Die zweite Lesung beginnt:
Abschnit 1: Das Reich. (Art. 1.)
§ 1.
„Das deutsche Reich besteht aus dem Gebiet des bisherigen deutschen Bundes.“
Angenommen.
Ein Zusatz:
„Die Theilnahme der östreichischen Bundeslande an den reichsverfassungsmäßigen Rechten und Pflichten bleibt vorbehalten.“
Wird in namentlicher Abstimmung mit 290 Stimmen gegen 240 verworfen. Die Linke dagegen:
„Die Feststellung der Verhältnisse des Herzogthums Schleswig bleibt vorbehalten.“
Angenommen.
Zusatz von M. Mohl:
„Die Aufnahme weiterer Länder in das deutsche Reich kann durch Reichsgesetze erfolgen.“
In namentlicher Abstimmung mit 268 Stimmen gegen 259 verworfen. Linke und Oestreicher dafür.
Gegen diese Bestimmungen des § 1 legen die 3 Abgeordneten von Südtyrol Esterle, Marsilly und Gazoletti feierlichen Protest ein, da ihre Wahlkreise sich nicht per Gewalt germanisiren lassen wollen.
Artikel 2, § 2.
„Kein Theil des deutschen Reichs darf mit nicht-deutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein.“
Die Linke und die Oestreicher stimmen dagegen. Max und Heinrich Simon stimmten dafür. Radowitz und von Boddien stimmten auch mit Nein! Giskra enthielt sich der Stimme. Das Resultat der Abstimmung ist, daß 266 mit Nein und 26_ mit Ja gestimmt haben. Jedem Unbefangenen leuchtet ein, daß der § verworfen ist. Aber der Präsident Simson hat seine „eigne Ansicht,“ er erklärt vor der Bestimmung des Resultats Herrn Reh (!) das Wort geben zu wollen. Dieser abtrünnige Ehrenmann erklärt, die Stimmen der 3 Tyroler Abgeordneten Esterle, Marsilly und Gazoletti könnten wegen des obenangeführten Protestes nicht mitgerechnet werden. (Die 3 Genannten hatten mit Nein gestimmt.) Und so meint Herr Reh, sei der § 2 angenommen. Hierüber erhebt sich allgemeine Ulkerei, die eine Viertelstunde dauert und wobei einige Abgeordnete nahe daran sind, thätlich zu werden.
Präsident hebt die Sitzung (3/4 1 Uhr) auf und erklärt vorläufig formell den § 2 für verworfen, indem er es der heutigen Nachmittagssitzung vorbehält, über die Abstimmung der 3 genannten Tyroler Abgeordneten zu entscheiden
Um 4 Uhr nächste Sitzung, die voraussichtlich stürmisch werden wird.
Nebenbei führe ich zur letztberegten Thatsache an, daß die Schleswigschen und Posenschen provisorischen Abgeordneten vom ersten Tag an bei allen Beschlüssen mitgestimmt haben. ‒ Aber diese Ehrenmänner sitzen auch alle auf der Rechten, während die drei Tyroler links. Das erklärt Herrn Simsons „eigne Ansicht“! ‒
!!! Frankfurt, 23. März. Nachmittagssitzung der National-Versammlung.
Beginn nach 4 Uhr.
Simson präsidirt.
Die Abgeordneten umdrängen Bureau und Tribüne und disputiren heftig mit dem Präsidenten. Bei allen heftigeren Debatten zeichnet sich besonders der feiste Schulmeister Kerst aus Posen aus, der an bäuerischer Rohheit Alles übertrifft, was sonst nur in Schnapskneipen denkbar ist. Uebrigens verzweifeln die meisten Abgeordneten selbst an der längeren Existenz dieser Versammlung. Die Centralgewalt ist schwächer als ein Schatten. Das Ministerium glücklicherweise gestürzt, aber ein neues eine nicht zu lösende Hypothese. Und die Versammlung durch Nationalhaß, Regierungsrücksichten, Unentschlossenheit und bösen Willen unflickbar zerrissen.
Präsident erhebt Bedenken gegen die Zulässigkeit eines tyroler Abgeordneten Dr. Marcek.
Er wird vorläufig zugelassen.
Die drei angegriffenen Tyroler Esterle, Marsilly, Garzoletti erklären, daß ihr Protest natürlich nur prinzipiell ist.
Reh erklärt hierauf, daß nur sein augenblickliches Gefühl des tiefsten Schmerzes für das Vaterland (Bravo und Zischen) ihn heute früh zu diesen Einwürfen bewegte, die er als Irrthum anerkennt. Noch fügt er eine rührende Tirade zu und zieht seinen Antrag zurück.
Präsident verliest einen Antrag von Bergthaler aus Wien, wonach Präsident sofort den Beschluß über die Verwerfung des § 2 als gültig proklamiren soll. Dasselbe beantragt Kohlpanzer, indem er einen Tadel des Präsidiums ausspricht. Präsident erkennt seinen Irrthum. (Bravo!)
Die Sache ist hiermit erledigt, und der erwartete Scandal bleibt aus.
§ 2 ist verworfen.
§ 3.
„Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so ist das Verhältniß zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personalunion zu ordnen.“
Auch dieser § wurde mit 274 Stimmen gegen 256 verworfen.
Minoritätserachten an die Stelle von § 3:
„Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so soll das deutsche Land eine von dem nichtdeutschen Lande getrennte, eigene Verfassung, Regierung und Verwaltung haben.“
Mit 290 Stimmen gegen 240 angenommen.
„In die Regierung und Verwaltung des deutschen Landes dürfen nur deutsche Staatsbürger berufen werden.“
Angenommen.
„Die Reichsverfassung und Reichsgesetzgebung hat in einem solchen deutschen Lande dieselbe verbindliche Kraft wie in den übrigen deutschen Ländern.“
Angenommen.
§ 4 fällt weg. Statt dessen wird ein Amendement von Tellkampf angenommen, des Inhalts:
„Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so muß dieses entweder in seinem deutschen Lande residiren, oder es muß auf verfassungsmäßigem Wege in demselben eine Regentschaft niedergesetzt werden, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen.“
§ 5 wird angenommen. Ein Zusatz der Minorität, welcher die Mediatisirung anbahnt, wird verworfen.
§ 5.
„Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher und nichtdeutscher Länder soll kein Staatsoberhaupt eines nichtdeutschen Landes zugleich zur Regierung eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone annehmen.“
§ 6.
„Die einzelnen deutschen Staaten behalten ihre Selbstständigkeit, so weit dieselbe nicht durch die Reichsverfassung beschränkt ist; sie haben alle staatlichen Hoheiten und Rechte, so weit diese nicht der Reichsgewalt ausdrücklich übertragen sind,“
wird angenommen.
Die Linke wollte als Abschnitt 2 „die Grundrechte“ folgen lassen. Wurde mit zweifelhafter Majorität verworfen und es kommt als Abschnitt 2 „die Reichsgewalt.“
Die Linke beantragt als Einschaltung zwischen § 6 und 7:
„Das deutsche Volk ist souverän.“
„Alle Reichsgewalt rührt vom Volke her.“
Es erfolgte namentliche Abstimmung.
Dagegen stimmten unter Anderm: Mewissen (Köln), Lassaulx, Linde, Möhring, Robert Mohl, Laube, Mathy, (Neuwall hatte sich gedrückt und wurde furchtbar ausgelacht), Philips, Plathner, Radowitz, Raumer (Berlin und Dinkelsbühl), Reichensperger, Riesser, Rüder, Rümelin, Schmerling, Schneer, Schubert (aus Königsberg), Schwetschke, Simson (Bruder des Präsidenten), Soiron (langes höhnisches Bravo, Hohngelächter der Gallerien. Man ruft: „Heckers Märzfreund!“), Waitz, Wernher aus Nierstein, Wurm, Arndt (aus Bonn), Bassermann (langes Gelächter), Beckerath, der bezahlte Beseler aus Greifswald, Herr Literat Jordan, der sich „aus Berlin“ nennt, ohne weder in Berlin ansässig oder gebürtig noch gewählt zu sein und dessen glorreiches Leben nächstens im Feuilleton der „N. Rh. Ztg.“ erscheinen soll.
Resultat: Das Minoritätserachten wird mit 297 gegen 213 Stimmen verwofen.
Die Sitzung dauert beim Postschluß (3/4 7 Uhr) fort.
* Wien, 21. März, Schon wieder drei Gesetze octroyirt: 1) gegen die Presse (hohe Kautionen, schwere Kerkerstrafen à la Manteufel etc.), 2) über Associationen (à la Manteufel-Hohenzollern) und 3) ein Gesetz über das Preßverfahren.
Italien. * Turin, 18. März. Die Kammer hat in ihrer Sitzung vom 17. der Regierung die Autorisation gegeben, die Steuern für den Monat April zu erheben.
* Castelletto, 15. März. Die Oestreicher verlassen die Gränzen, um sich mehr in's Innnere zurückzuziehen. Die Garnison von Festo-Calenda ist in dieser Nacht abmarschirt. In dem Haupt-Fort ist nurmehr eine kleine Anzahl von Soldaten zurückgeblieben, so daß der Uebergang über den Tessin frei geworden. Man erwartet hier ein Cavallerie-Corps. ‒ Wie man weiß, haben bereits am 14. die Truppen Radetzky's Parma verlassen, um nach Casal-Maggiore zu ziehen. Aus allen diesen Truppenbewegungen geht hervor, daß der alte Marschall seine Kräfte zusammenziehen will, um eine Schlacht an den Adda zu liefern.
* Parma, 14. März. Parma ist geräumt von den Oestreichern: darüber kann kein Zweifel mehr obwalten. Gegen 2 Uhr in der Nacht erhielt der Oberst Della-Rosa einen Brief vom Gouverneur, worin es heißt, daß, in der Nothwendigkeit, worin er sich befände, abzureisen, er ihm einen Theil der Posten um 5 Uhr Morgens und die andern um 11 Uhr übergeben werde. Der Oberst berief unmittelbar die Nationalgarde und gegen 9 Uhr begannen die Oestreicher wirklich ihren Abzug. Der General mit zwei Kanonen schloß den Zug. Wir fanden im Schlosse alle unsere Waffen wieder. Gegen 10 Uhr hat der Munizipalrath folgende Proklamation anheften lassen:
„Mitbürger! Die östreichischen Truppen verlassen Parma. Wir empfehlen Euch die größte Ruhe; der Munizipalrath ist in Permanenz und wacht über Eure Sicherheit und das Wohl des Landes.
Parma, den 14. März 1849.
Die Freude, die in der Stadt herrscht, ist unbeschreiblich.
* Livorno, 15. März. Heute ist in unserer Stadt folgende Proklamation an die Mauern angeheftet worden:
„Livornesen! Ich beeile mich, Euch die mir eben zugekommene Depesche mitzutheilen. Der Herzog von Modena hat die Flucht ergriffen; er hat eine Proklamation hinterlassen, worin er erklärt, daß der Grund seiner „Abreise“ die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zwischen Piemont und Oestreich sei. Man hört ein lebhaftes Kanonenfeuer in der Richtung von Bologna. Ich bin in Conferenz mit den Abgesandten von Piemont und Rom. Die Zeit ist gekommen; das Volk darf nunmehr noch Einen Willen haben: es greife zu den Waffen und kämpfe für das Vaterland. Es ist gewiß zu siegen: denn ein Volk stirbt nie.“
Livorno, den 15. März 1849. Guerrazzi.
Für den abwesenden Gouverneur: Rosi, erster Rath.
* Neapel,, 13. März. Die Auflösung der Deputirtenkammer von Neapel ist vollbracht! Sie ist durch ein Dekret vom 12. März ausgesprochen worden. Das Dekret trägt die Unterschrift des Königs Ferdinand, die des Prinzen Cariati und der übrigen Minister. Ein anderes Dekret wird später die Zeit der nächsten Wahlen festsetzen.
Dem Auflösungsdekret geht ein langer Bericht an den König voran, welcher ebenfalls von den Ministern unterzeichnet ist. In diesem Bericht behandelt das Ministerium die Majorität der Kammer mit einer wahren Wegwerfung. Sie heißt nicht anders als eine „verbrecherische und freche Brut.“ Die Auflösung der Kammer gründet sich in diesem Berichte auf die geringe Anzahl von Wählern, welche an den Wahloperationen Theil genommen, und auf die Akten der Versammlung, welche nicht allein die konstitutionellen Prinzipien, sondern auch alle Regeln der Billigkeit und der Ehre verletzt haben soll?
Ungarn. * Preßburg, 16. März. Hier ist gestern früh nachstehende Proklamation erschienen:
„Unleugbare Thatsachen haben mir die unangenehme Ueberzeugung verschafft, daß die Landbewohner noch hie und da, besonders in den untern Gegenden der Schütt, eine sträfliche Verbindung mit den Insurgenten in Komorn unterhalten, und namentlich sich nicht scheuen, versprengte Haufen dieser Rebellen und einzelne derlei Individuen bei sich aufnehmen, zu verbergen oder ihnen anderweitig Vorschub zu leisten. Ich sehe mich daher veranlaßt, den Herrn ersten Vicegespan des Preßburger Comitats zu beauftragen, daß in allen Gemeinden dieses Comitats die Proklamationen Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz vom 26. Dezember v. J. und vom 11. Februar und 9. März d. J. republicirt werden. Hiernach sind die betreffenden Gemeinden für das strafbare Benehmen ihrer Mitglieder, welche den Insurgenten auf was immer für eine Art Vorschub leisten, und selbe bei sich aufnehmen oder verbergen, anstatt sie einzufangen und den Behörden auszuliefern, verantwortlich zu machen, und der Herr Vicegespan hat ferner in meinem Namen zu veröffentlichen, daß von nun an jede Gemeinde, wo Insurgenten einziehen oder eindringen, und nicht eingefangen werden, für jeden nicht abgelieferten Rebellen mit einer Geldstrafe von 100 fl. C. M. belegt, und diese Strafe auch nach Umständen verschärft werden wird, wenn nämlich die Zahl der Rebellen geringer und ihr Einfangen leichter gewesen wäre. Preßburg, am 14. März 1849. Kempen, F. M. L, Militär-Districts-Commandant.“
Wie weit hier das Standrecht geht, kann man schon aus dem Umstande entnehmen, daß gestern Anton Krampl, aus Groß-Becskerek in Ungarn gebürtig, 22 Jahr alt, katholisch, ledig, Schneidergeselle, wegen Verbreitung einer ungünstigen Nachricht vom Kriegsschauplatze in Ungarn, zu einem neunmonatlichen Stockhausarreste in Eisen verurtheilt worden.
Windischgrätz lös't und bindet gleich dem Pabst, wie Folgendes zeigt:
Kundmachung.
Es ist zu meiner Kenntniß gekommen, daß bei der zufolge eines ungesetzlichen, durch Se. k. k. Majestät nie sanctionirten Beschlusses des aufgelösten ungarischen Reichstages, vorgenommenen Recrutenstellung für die Rebellen, in vielen Gegenden von den wohlhabenderen Landleuten Stellvertreter gedungen werden, und die Zinsen der zugesicherten CapitalSumme von den durch die Kriegslasten ohnehin gedrückten Landleuten noch immer gezahlt werden. Landbewohner von Ungarn! den Beschluß dieses Reichstages, der Eure besten Kräfte nur zur Durchführung seiner gottlosen Pläne benützen wollte, hat Euer gnädigster Herr und König nie gut geheißen. Er ist daher ungesetzlich, seine Folgen ungiltig. Ich erkläre hiemit alle zufolge der unrechtmäßigen Recrutenstellung eingegangenen Verpflichtungen für null n. nichtig, und entbinde Euch hiemit ‒ Kraft meiner ausgedehntesten Vollmacht ‒ der Zahlung der bei diesem Anlasse bedungenen Capital-Summen sowohl, wie deren Zinsen an die Stellvertreter.
Hauptquartier Ofen, am 14. März. 1849.
Alfred Fürst zu Windisch-Grätz,
k. k. Feldmarschall.
Großbritannien. * London, 23. März. Die Verhandlungen des Oberhauses waren gestern von ungewöhnlichem Interesse, da der Earl von Aberdeen die italienischen Streitigkeiten zur Sprache brachte und eine Vorlage aller darauf bezüglichen Papiere beantragte. Aus den bereits veröffentlichten Dokumenten scheine hervorzugehen, daß das Gouvernement mit dem vollkommenen Rechte Oestreichs, seine eignen italienischen Unterthanen zu regieren, im Widerspruch sei, und der Redner schloß damit, daß er sich über die Weisheit und die Mäßigung des östreichischen Kabinets im höchsten Grade günstig ausdrückte.
Der Marquis von Lansdowne erwiderte dem früheren Minister der auswärtigen Angelegenheiten, daß die bereits veröffentlichten Papiere über die italienische Angelegenheit vor der französischen Revolution geschrieben seien, daß sich seitdem Manches geändert habe, und daß die Sache daher aus einem andern Gesichtspunkte betrachtet werden müsse.
Uebrigens sei das jetzige Gouvernement nur geneigt, die alte Freundschaft mit Oestreich aufrecht zu erhalten, ohne indeß Frankreich vor den Kopf stoßen zu wollen. Die verlangten Dokumente versprach der Redner in der kürzesten Frist dem Hause vorzulegen.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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