Neue Rheinische Zeitung. Nr. 263. Köln, 4. April 1849.Kammer ging bald wieder in sich, ungeachtet alles Tobens von Seiten des plötzlich wieder kriegslustigen National. Und die Partei des National wird jetzt mit ihren eigenen Waffen geschlagen. - Paris, 1. April. Während Herr Thiers gestern auf der Bühne der Nationalversammlung zwei Stunden lang bewies, daß Italien todt sei und die Zuckungen dieses Leichnams keine Intervention werth seien, erhielt Ledru Rollin aus Oberitalien Briefe welche anzeigen: 1) Daß die Oestreicher trotz des Waffenstillstandes die Feindseligkeiten wiederbegonnen und Bergamo bombardirt hätten; 2) daß die Bevölkerung von Mailand aufgestanden sei und alle östreichischen Insignien abreiße; daß in allen Dörfern die Sturmglocke erschalle; 3) daß sich Genua zur Republik umgeschaffen und unter das Protektorat Englands gestellt habe. - - Bestätigen sich alle diese Nachrichten, die Leoru Rollin der Nationalversammlung vorlas, so sieht Jedermann ein, daß in Italien der Krieg mit der Verrätherei Ramorino's noch nicht zu Ende ging, sondern erst anfängt. - Karl Albert ist nach Spanien abgesegelt. Er geht, wie wir schon vor drei Tagen meldeten, nach Portugal. Bonaparte hätte ihn gern im Elysee fetirt; aber - dieser Skandal wäre doch gar zu arg. - In den Departements schießen neue Journale wie Spargel auf. Vor uns liegen ein Echo des Electeurs, ein Journal dü Peuple etc. etc. Nichts als Wahlmanöver! Die Rue de Poitiers fabrizirt Tag und Nacht kleine Handbüchelchen zum Nutz und Frommen für Stadt und Land. Diese Traktätleins wandern gratis in die Taschen der Marktfrauen. - Am Schluß der gestrigen Sitzung erlitt das Kabinet eine neue Niederlage. Ermuthigt, daß es durch Annahme der Bixioschen Tagesordnung eine Freikarte für sein Auftreten in Italien erhalten, bat Faucher flehentlichst, doch sein Klubgesetz morgen zur dritten Lesung zu bringen. "Ich erhalte eben - sagte er - eine telegraphische Depesche aus Lyon, welche mir meldet, daß Arbeit in Fülle vorhanden, nur die Hände fehlen, woran nur die Klubs schuldig seien u. s. w." Doutre und Pelletier, vom Rhonedepartement, straften jedoch den Minister geradezu Lügen indem sie die ministeriellen Wahlmanövers jener Gegenden an das Tageslicht zogen. Dies veranlaßte, daß die Klubdebatte auf Freitag den 6. April verschoben wurde. - Im Moniteur absolute Leere. Die übrigen Journale beschäftigen sich ausschließlich mit Italien und der gestrigen Nationalversammlung. Die conservativen Organe erheben natürlich die Thiers'sche Standrede bis in die Wolken. - Die Opinion publique zeigt mit Posaunenton an, daß Proudhon aus Paris geflüchtet. Keine Lüge! - Man schreibt von Bourges, 31. März, 7 Uhr Abends. Eben wird Huber eingebracht und dadurch das für morgen Abend erwartete Ende des großen Prozesses verzögert. Huber ist von London, über Brüssel, hierher geeilt, wurde an der Station von Vierzon erkannt und verhaftet. Seine Anwesenheit ruft nothwendig eine Nach-Instruktion hervor. Die Gerüchte, daß Courtais, Larger und der Pompier Degre freigesprochen seien, während sämmtliche Uebrigen deportirt würden, sind eben nur - Gerüchte. - Die Wahlagitation in Paris hat begonnen; allenthalben bilden sich Wahl-Komite's. Die Familie Napoleon will natürlich in diesem Treiben nicht zurückbleiben, und so hat dann Napoleon Bonaparte eine Versammlung Rue de Chambrol zusammenberufen, welche dem Einfluße der Rue de Poitiers entgegenwirken sollte. Die Versammlung war zahlreich; 1500 Personen fanden sich ein, und Bonaparte, ganz erfreut über ein so zahlreiches Auditorium schickte sich an, die Präsidentschaft zu übernehmen. Im Augenblicke, wo er auf dem Präsidentenstuhl sich niedergelassen, ertönte von allen Seiten der Ruf: "Es lebe die demokratisch-soziale Republik!" Dieser unerwartete Ruf lähmte die Zunge des Präsidenten. Der Bürger Drevet bestieg die Rednerbühne, und gab in einer beißenden Rede sein Erstaunen kund, als Präsidenten einen Mann zu erblicken, der schon längst in Madrid sein sollte, wo er als Gesandter hingehöre. Napoleon Bonaparte blieb stumm; das Wahl-Komite, das im Namen der Napoleonischen Partei zusammenberufen war, verwandelte sich auf der Stelle und vor den Augen des Präsidenten in ein demokratisch-soziales Komite. Bonaparte ist, wie wir hören, den andern Tag nach Madrid abgereist. * Bourges, 28. März. (Schluß der Sitzung vom 28.) Der Zug war in voller Ordnung; 200,000 Arbeiter, alle von demselben Gedanken, für Polen beseelt Bald aber fanden sich andere dazwischen ein, eine ungeordnete, zerstreute Masse, welche den Zug in Verwirrung brachte und die Einzelnen trennte und drängte. So kam Raspail am Gitter an. Zwei Zeugen haben ausgesagt, daß der Angeklagte sich hier zum Volk wendete und rief: Eh bien, wenn man uns die Petition nicht abnimmt, werden wir sie durch die Post einschicken." Gleich darauf wurde das Gitter geöffnet und es hieß: "Laßt die Delegirten passiren." Zu den Vorfällen in der Assemblee übergehend, erzählt der Angeklagte, wie er mit den Lokalen so wenig bekannt gewesen, daß er eine Zeit lang in den Bureaus umhergeirrt sei. Im achtzehnten Bureau traf er eine Menge verdächtigen Lumpenproletariats, deren Treiben er vergebens Einhalt zu thun suchte; im Saal des Pas Perdus benachrichtigte ihn Hr. Chateau-Renaud, daß er von mehreren Repräsentanten gesucht werde. Dann trat er, von Xavier Durrieu aufgefordert, in den Sitzungssaal, wo er von sechs verschiedenen Repräsentanten schriftliche Aufforderung erhielt, zur Beruhigung des bereits eingedrungenen Volkes die Petition zu verlesen. Nach einer längern Ausführung, wie er sich durchaus in gesetzlichen Schranken gehalten, verfolgt dann der Angeklagte die Beschuldigung des "Complotts". Es hat nach ihm in der That am 15. Mai ein Komplott bestanden. Aber die wahren Schuldigen sind hier nicht vor den Schranken; während die Patrioten Mann für Mann von zwei Gensd'armen umgeben sind, werden die wahren Schuldigen bei ihrem Eintritt gravitätisch von zwei Huissiers angekündigt. (Bewegung im Auditorium.) Die Manifestation fand Anfangs statt, wie sie am Abend vorher vorbereitet war. Man konnte sie verhindern, und ergriff doch keine Vorsichtsmaßregeln. Am 12. Mai fand bereits eine Manifestation zu demselben Zweck statt; aber Hr. Marrast, wie der Zeuge Dandurau gestand, wollte eine andere, und die Klubs, in denen Huber arbeitete, bestimmten hierfür den 15. Mai. Huber war der Agent des Lord-Maire Marrast, und das ist so gewiß, daß Delaroche den Marquis Marrast einen Elenden nannte. Präsident. Angeklagter, ich kann Sie in dieser Weise nicht fortfahren lassen. Raspail. Ich nehme das Wort "Elender" zurück, und will statt dessen: "Ehrenwerth" sagen. (Gelächter.) Was ich sage, ist, daß allerdings ein organisirtes Komplott bestanden hat; ich gebe Ihnen die Beweise. Man hat Hrn. Marrast, den Marquis der provisorischen Regierung, sagen hören: "Wir werden uns einrichten; das ist ein treffliches Netz, in dem wir die Fische fangen wollen." Es wurden auf frischer That beim Einbruch in die Versammlung verhaftet, und doch sofort wieder in Freiheit gesetzt, darunter: Lagarde-Laurent, Ex-Redakteur der Epoque (Zögling des Hrn. Granier de Cassagnac); Dante, gegenwärtig Gouverneur des Luxembourg; Someiller, der sich Maire einer benachbarten Kommune nennt; Longuier, Danduran, Dumoulin, Ex-Adjutant des Kaisers, Delaire, der sich zum Maire von Paris machte. Zwei namenlose Repräsentanten, zwei Individuen, welche geheimnißvolle Briefe trugen; Bryere, Capitain der Nationalgarde, und zwanzig andere Personen, welche ihre Freilassung Hrn. Flottard, dem Geheimsekretär des erlauchten Hr. Marrast verdanken; im Ganzen 1500 Personen sind in das Hotel de Ville eingetreten, und nur 150 wurden verhaftet, und nur 12 Bürger erscheinen hier auf Grund der sämmtlichen Vorfälle des 15. Mai. Noch eine andere Person wurde unangefochten gelassen, der Mann nämlich, welcher sich zu meinem offiziösen Begleiter machte, und mich nach dem Hotel de Ville fahren lassen wollte; als ich mich von ihm trennte, ging er nach dem Hotel de Ville und wurde nicht verhaftet. Die Leute, welche Barbes bei seinem Zuge mit dem Ruf: "Es lebe Barbes!" umringten, traten mit rothen, von dem Lord-Maire Marrast ausgestellten Einlaßkarten in's Hotel de Ville, und waren die Ersten, welche gleich darauf mit dem Geschrei: "A bas Barbes!" über den Chatelet-Platz rannten. (Große Aufregung auf den Tribünen und im Auditorium.) Der Angeklagte schließt mit einem kurzen Resume. Die Journale haben ihn als einen blutdurstigen Unmenschen dargestellt; während seiner Haft hat man ihn die grausamsten Qualen erdulden lassen, während die Mutter seiner Kinder am Sterben lag und ein Tropfen Wasser von seiner Hand ihr Beruhigung gewährt haben würde. Von alle dem hat er nichts in die Oeffentlichkeit gebracht, weil er den Feinden der Republik nicht in die Hände arbeiten und lieber für die Republik selbst unerkannt leiden wollte. Als Royalisten könne man die Angeklagten nicht verurtheilen, denn sie sind es nicht; als Republikaner können sie noch weniger von Republikanern verdammt werden; wolle man aber auf ihre Ideen der sozialen Gerechtigkeit eingehen, so wiederhole er das Wort, welches er vor 18 Jahren den Geschworenen des Königthums geantwortet habe, und welches der Erfolg als wahr erwiesen: "Heute könnt ihr meine Richter sein; binnen Kurzem aber wird meine Sache über die Eure gesiegt haben." (Stürmischer Beifall im Publikum.) Advokat Guillot, Vertheidiger Quentin's, erhält das Wort. Das Plaidoyer desselben sucht zu beweisen, daß der Angeklagte dem, was man das Attentat des 15. Mai nenne, vollständig fremd war. Es verwirft die Belastungszeugnisse, deren verschiedenartige Widersprüche den Hauptinhalt der Vertheidigung bilden, erhebt sich mit Lebhaftigkeit gegen die Anschuldigung von Drohungen, welche Quentin gegen mehrere Repräsentanten und namentlich gegen Lacordaire ausgestoßen haben soll, und erklärt den Gang des Angeklagten nach dem Luxemburg aus dessen Wunsch, ein öffentliches Gebäude gegen jeden Angriff zu schützen. Am Schluß seiner, mit royalistischen Tendenzen ausgeschmückten Rede trägt der Vertheidiger nicht nur auf Freisprechung Quentin's, sondern der sämmtlichen Angeklagten an. Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen. Italien. * Köln, 1. April. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Turin, 27. März. Das alte Ministerium ist abgetreten und ein neues aus meist reactionären Elementen zusammengesetzt. Präsident des neuen Kabinets ist der General Delaunay; er hat zugleich das Auswärtige; Pinelli, Inneres; General Da Bormida, Krieg; Christiani, Justiz; Nigra, einer der reichsten Bankiers in Turin, Finanzen und Mameli, Unterricht. Die Bildung des neuen Kabinets wurde in der heutigen Sitzung den Kammern angezeigt. Die Nennung der neuen Minister erregte in der Deputirtenkammer laute Zeichen des Unwillens, die auf den Gallerien ein sehr verstärktes Echo fanden. Lanza besteigt hierauf die Tribüne und denunzirt unter dem lautesten Beifall der Kammer und der Gallerien eine Menge Thatsachen, die den Verrath als Ursache der Niederlage der piemontesischen Armee nachweisen. So haben die Truppen auch diesmal, wie im ersten Feldzuge, gleich Anfangs an Lebensmitteln Mangel gelitten. Ferner sind alle erdenklichen Manöver zur Demoralisation der Truppen angewandt worden. Lanza übergibt dem Präsidenten ein Exemplar von einem Plakat, das zu Tausenden in der Armee verbreitet worden und das die Proklamirung der Republik in Turin ankündigt. Lanza verlangt über Alles eine genaue Untersuchung. Die neuen Minister Delaunay und Pinelli verhießen die Untersuchung, wollten aber das Resultat nur in geheimer Sitzung mittheilen. Die Kammer protestirt dagegen und beschließt, die auf jene Thatsachen bezüglichen Mittheilungen in öffentlicher Sitzung entgegen zu nehmen. Nach einigen Erklärungen Delaunay's über die Absichten des neuen Kabinets, die mit lautem Murren angehört werden, interpellirt Josti, ob der Waffenstillstand wirklich schon abgeschlossen sei. Sei er's nicht, so müsse die Kammer Alles aufbieten, den Abschluß zu verhindern. Pinelli antwortet, daß er nichts Bestimmtes wisse!! Delaunay, der neue Premierminister, weiß aber schon mehr; er erklärt, daß der Waffenstillstand allerdings abgeschlossen sei, daß er aber die Bedingungen nicht kenne; er wolle morgen der Kammer Mittheilung darüber machen. Hier erhebt sich in der Kammer Sturm. Es wird beschlossen, daß das neue Kabinet noch heute, binnen einigen Stunden, Auskunft zu geben habe und zu diesem Zweck eine Abendsitzung anberaumt. In der Abendsitzung wird die gestern für Karl Albert beantragte Statue votirt und zugleich eine Adresse an den benannten Ex-König beschlossen, die ihm von einer Deputation überreicht werden soll. Endlich geben die neuen Minister Aufklärung über die Bedingungen des Waffenstillstands. Letztere rufen einen Sturm des Unwillens hervor, der kaum mehr zu beschwichtigen ist. Eine unbeschreibliche Aufregung herrscht unter den Deputirten. Die Wuth über solche Schmach malt sich auf den Gesichtern und macht sich in zornigen Ausrufen Luft. Es wird nach einer der aufgeregtesten Debatten, die je vorgekommen, folgender Beschluß gefaßt: "Die Kammer erklärt sich für permanent und den Waffenstillstand für verfassungswidrig. Die Exekutiv-Gewalt könne ihn ohne Verletzung der Constitution nicht annehmen." Auf Ravina's Vorschlag wird diesem Beschluß noch hinzugefügt, daß "das Ministerium sich des Hochverraths schuldig macht, wenn es die östreichischen Truppen in Alessandria einrücken läßt oder die sardinische Flotte von Venedig zurückzieht." Ende der Sitzung um Mitternacht. Karl Albert soll im strengsten Incognito unter dem Namen eines Grafen v. Bard nach dem Kloster St. Moritz im Kanton Wallis abgereist sein. * Turin, 26. März. In der heutigen Sitzung der Deputirten zeigte Ratazzi an, daß die offizielle Nachricht von der Abdan- Kammer ging bald wieder in sich, ungeachtet alles Tobens von Seiten des plötzlich wieder kriegslustigen National. Und die Partei des National wird jetzt mit ihren eigenen Waffen geschlagen. ‒ Paris, 1. April. Während Herr Thiers gestern auf der Bühne der Nationalversammlung zwei Stunden lang bewies, daß Italien todt sei und die Zuckungen dieses Leichnams keine Intervention werth seien, erhielt Ledru Rollin aus Oberitalien Briefe welche anzeigen: 1) Daß die Oestreicher trotz des Waffenstillstandes die Feindseligkeiten wiederbegonnen und Bergamo bombardirt hätten; 2) daß die Bevölkerung von Mailand aufgestanden sei und alle östreichischen Insignien abreiße; daß in allen Dörfern die Sturmglocke erschalle; 3) daß sich Genua zur Republik umgeschaffen und unter das Protektorat Englands gestellt habe. ‒ ‒ Bestätigen sich alle diese Nachrichten, die Leoru Rollin der Nationalversammlung vorlas, so sieht Jedermann ein, daß in Italien der Krieg mit der Verrätherei Ramorino's noch nicht zu Ende ging, sondern erst anfängt. ‒ Karl Albert ist nach Spanien abgesegelt. Er geht, wie wir schon vor drei Tagen meldeten, nach Portugal. Bonaparte hätte ihn gern im Elysée fètirt; aber ‒ dieser Skandal wäre doch gar zu arg. ‒ In den Departements schießen neue Journale wie Spargel auf. Vor uns liegen ein Echo des Electeurs, ein Journal dü Peuple etc. etc. Nichts als Wahlmanöver! Die Rue de Poitiers fabrizirt Tag und Nacht kleine Handbüchelchen zum Nutz und Frommen für Stadt und Land. Diese Traktätleins wandern gratis in die Taschen der Marktfrauen. ‒ Am Schluß der gestrigen Sitzung erlitt das Kabinet eine neue Niederlage. Ermuthigt, daß es durch Annahme der Bixioschen Tagesordnung eine Freikarte für sein Auftreten in Italien erhalten, bat Faucher flehentlichst, doch sein Klubgesetz morgen zur dritten Lesung zu bringen. „Ich erhalte eben ‒ sagte er ‒ eine telegraphische Depesche aus Lyon, welche mir meldet, daß Arbeit in Fülle vorhanden, nur die Hände fehlen, woran nur die Klubs schuldig seien u. s. w.“ Doutre und Pelletier, vom Rhonedepartement, straften jedoch den Minister geradezu Lügen indem sie die ministeriellen Wahlmanövers jener Gegenden an das Tageslicht zogen. Dies veranlaßte, daß die Klubdebatte auf Freitag den 6. April verschoben wurde. ‒ Im Moniteur absolute Leere. Die übrigen Journale beschäftigen sich ausschließlich mit Italien und der gestrigen Nationalversammlung. Die conservativen Organe erheben natürlich die Thiers'sche Standrede bis in die Wolken. ‒ Die Opinion publique zeigt mit Posaunenton an, daß Proudhon aus Paris geflüchtet. Keine Lüge! ‒ Man schreibt von Bourges, 31. März, 7 Uhr Abends. Eben wird Huber eingebracht und dadurch das für morgen Abend erwartete Ende des großen Prozesses verzögert. Huber ist von London, über Brüssel, hierher geeilt, wurde an der Station von Vierzon erkannt und verhaftet. Seine Anwesenheit ruft nothwendig eine Nach-Instruktion hervor. Die Gerüchte, daß Courtais, Larger und der Pompier Degré freigesprochen seien, während sämmtliche Uebrigen deportirt würden, sind eben nur ‒ Gerüchte. ‒ Die Wahlagitation in Paris hat begonnen; allenthalben bilden sich Wahl-Komite's. Die Familie Napoleon will natürlich in diesem Treiben nicht zurückbleiben, und so hat dann Napoleon Bonaparte eine Versammlung Rue de Chambrol zusammenberufen, welche dem Einfluße der Rue de Poitiers entgegenwirken sollte. Die Versammlung war zahlreich; 1500 Personen fanden sich ein, und Bonaparte, ganz erfreut über ein so zahlreiches Auditorium schickte sich an, die Präsidentschaft zu übernehmen. Im Augenblicke, wo er auf dem Präsidentenstuhl sich niedergelassen, ertönte von allen Seiten der Ruf: „Es lebe die demokratisch-soziale Republik!“ Dieser unerwartete Ruf lähmte die Zunge des Präsidenten. Der Bürger Drevet bestieg die Rednerbühne, und gab in einer beißenden Rede sein Erstaunen kund, als Präsidenten einen Mann zu erblicken, der schon längst in Madrid sein sollte, wo er als Gesandter hingehöre. Napoleon Bonaparte blieb stumm; das Wahl-Komite, das im Namen der Napoleonischen Partei zusammenberufen war, verwandelte sich auf der Stelle und vor den Augen des Präsidenten in ein demokratisch-soziales Komite. Bonaparte ist, wie wir hören, den andern Tag nach Madrid abgereist. * Bourges, 28. März. (Schluß der Sitzung vom 28.) Der Zug war in voller Ordnung; 200,000 Arbeiter, alle von demselben Gedanken, für Polen beseelt Bald aber fanden sich andere dazwischen ein, eine ungeordnete, zerstreute Masse, welche den Zug in Verwirrung brachte und die Einzelnen trennte und drängte. So kam Raspail am Gitter an. Zwei Zeugen haben ausgesagt, daß der Angeklagte sich hier zum Volk wendete und rief: Eh bien, wenn man uns die Petition nicht abnimmt, werden wir sie durch die Post einschicken.“ Gleich darauf wurde das Gitter geöffnet und es hieß: „Laßt die Delegirten passiren.“ Zu den Vorfällen in der Assemblée übergehend, erzählt der Angeklagte, wie er mit den Lokalen so wenig bekannt gewesen, daß er eine Zeit lang in den Bureaus umhergeirrt sei. Im achtzehnten Bureau traf er eine Menge verdächtigen Lumpenproletariats, deren Treiben er vergebens Einhalt zu thun suchte; im Saal des Pas Perdus benachrichtigte ihn Hr. Chateau-Renaud, daß er von mehreren Repräsentanten gesucht werde. Dann trat er, von Xavier Durrieu aufgefordert, in den Sitzungssaal, wo er von sechs verschiedenen Repräsentanten schriftliche Aufforderung erhielt, zur Beruhigung des bereits eingedrungenen Volkes die Petition zu verlesen. Nach einer längern Ausführung, wie er sich durchaus in gesetzlichen Schranken gehalten, verfolgt dann der Angeklagte die Beschuldigung des „Complotts“. Es hat nach ihm in der That am 15. Mai ein Komplott bestanden. Aber die wahren Schuldigen sind hier nicht vor den Schranken; während die Patrioten Mann für Mann von zwei Gensd'armen umgeben sind, werden die wahren Schuldigen bei ihrem Eintritt gravitätisch von zwei Huissiers angekündigt. (Bewegung im Auditorium.) Die Manifestation fand Anfangs statt, wie sie am Abend vorher vorbereitet war. Man konnte sie verhindern, und ergriff doch keine Vorsichtsmaßregeln. Am 12. Mai fand bereits eine Manifestation zu demselben Zweck statt; aber Hr. Marrast, wie der Zeuge Dandurau gestand, wollte eine andere, und die Klubs, in denen Huber arbeitete, bestimmten hierfür den 15. Mai. Huber war der Agent des Lord-Maire Marrast, und das ist so gewiß, daß Delaroche den Marquis Marrast einen Elenden nannte. Präsident. Angeklagter, ich kann Sie in dieser Weise nicht fortfahren lassen. Raspail. Ich nehme das Wort „Elender“ zurück, und will statt dessen: „Ehrenwerth“ sagen. (Gelächter.) Was ich sage, ist, daß allerdings ein organisirtes Komplott bestanden hat; ich gebe Ihnen die Beweise. Man hat Hrn. Marrast, den Marquis der provisorischen Regierung, sagen hören: „Wir werden uns einrichten; das ist ein treffliches Netz, in dem wir die Fische fangen wollen.“ Es wurden auf frischer That beim Einbruch in die Versammlung verhaftet, und doch sofort wieder in Freiheit gesetzt, darunter: Lagarde-Laurent, Ex-Redakteur der Epoque (Zögling des Hrn. Granier de Cassagnac); Dante, gegenwärtig Gouverneur des Luxembourg; Someiller, der sich Maire einer benachbarten Kommune nennt; Longuier, Danduran, Dumoulin, Ex-Adjutant des Kaisers, Delaire, der sich zum Maire von Paris machte. Zwei namenlose Repräsentanten, zwei Individuen, welche geheimnißvolle Briefe trugen; Bryère, Capitain der Nationalgarde, und zwanzig andere Personen, welche ihre Freilassung Hrn. Flottard, dem Geheimsekretär des erlauchten Hr. Marrast verdanken; im Ganzen 1500 Personen sind in das Hotel de Ville eingetreten, und nur 150 wurden verhaftet, und nur 12 Bürger erscheinen hier auf Grund der sämmtlichen Vorfälle des 15. Mai. Noch eine andere Person wurde unangefochten gelassen, der Mann nämlich, welcher sich zu meinem offiziösen Begleiter machte, und mich nach dem Hotel de Ville fahren lassen wollte; als ich mich von ihm trennte, ging er nach dem Hotel de Ville und wurde nicht verhaftet. Die Leute, welche Barbes bei seinem Zuge mit dem Ruf: „Es lebe Barbes!“ umringten, traten mit rothen, von dem Lord-Maire Marrast ausgestellten Einlaßkarten in's Hotel de Ville, und waren die Ersten, welche gleich darauf mit dem Geschrei: «A bas Barbès!» über den Chatelet-Platz rannten. (Große Aufregung auf den Tribünen und im Auditorium.) Der Angeklagte schließt mit einem kurzen Resumé. Die Journale haben ihn als einen blutdurstigen Unmenschen dargestellt; während seiner Haft hat man ihn die grausamsten Qualen erdulden lassen, während die Mutter seiner Kinder am Sterben lag und ein Tropfen Wasser von seiner Hand ihr Beruhigung gewährt haben würde. Von alle dem hat er nichts in die Oeffentlichkeit gebracht, weil er den Feinden der Republik nicht in die Hände arbeiten und lieber für die Republik selbst unerkannt leiden wollte. Als Royalisten könne man die Angeklagten nicht verurtheilen, denn sie sind es nicht; als Republikaner können sie noch weniger von Republikanern verdammt werden; wolle man aber auf ihre Ideen der sozialen Gerechtigkeit eingehen, so wiederhole er das Wort, welches er vor 18 Jahren den Geschworenen des Königthums geantwortet habe, und welches der Erfolg als wahr erwiesen: „Heute könnt ihr meine Richter sein; binnen Kurzem aber wird meine Sache über die Eure gesiegt haben.“ (Stürmischer Beifall im Publikum.) Advokat Guillot, Vertheidiger Quentin's, erhält das Wort. Das Plaidoyer desselben sucht zu beweisen, daß der Angeklagte dem, was man das Attentat des 15. Mai nenne, vollständig fremd war. Es verwirft die Belastungszeugnisse, deren verschiedenartige Widersprüche den Hauptinhalt der Vertheidigung bilden, erhebt sich mit Lebhaftigkeit gegen die Anschuldigung von Drohungen, welche Quentin gegen mehrere Repräsentanten und namentlich gegen Lacordaire ausgestoßen haben soll, und erklärt den Gang des Angeklagten nach dem Luxemburg aus dessen Wunsch, ein öffentliches Gebäude gegen jeden Angriff zu schützen. Am Schluß seiner, mit royalistischen Tendenzen ausgeschmückten Rede trägt der Vertheidiger nicht nur auf Freisprechung Quentin's, sondern der sämmtlichen Angeklagten an. Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen. Italien. * Köln, 1. April. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Turin, 27. März. Das alte Ministerium ist abgetreten und ein neues aus meist reactionären Elementen zusammengesetzt. Präsident des neuen Kabinets ist der General Delaunay; er hat zugleich das Auswärtige; Pinelli, Inneres; General Da Bormida, Krieg; Christiani, Justiz; Nigra, einer der reichsten Bankiers in Turin, Finanzen und Mameli, Unterricht. Die Bildung des neuen Kabinets wurde in der heutigen Sitzung den Kammern angezeigt. Die Nennung der neuen Minister erregte in der Deputirtenkammer laute Zeichen des Unwillens, die auf den Gallerien ein sehr verstärktes Echo fanden. Lanza besteigt hierauf die Tribüne und denunzirt unter dem lautesten Beifall der Kammer und der Gallerien eine Menge Thatsachen, die den Verrath als Ursache der Niederlage der piemontesischen Armee nachweisen. So haben die Truppen auch diesmal, wie im ersten Feldzuge, gleich Anfangs an Lebensmitteln Mangel gelitten. Ferner sind alle erdenklichen Manöver zur Demoralisation der Truppen angewandt worden. Lanza übergibt dem Präsidenten ein Exemplar von einem Plakat, das zu Tausenden in der Armee verbreitet worden und das die Proklamirung der Republik in Turin ankündigt. Lanza verlangt über Alles eine genaue Untersuchung. Die neuen Minister Delaunay und Pinelli verhießen die Untersuchung, wollten aber das Resultat nur in geheimer Sitzung mittheilen. Die Kammer protestirt dagegen und beschließt, die auf jene Thatsachen bezüglichen Mittheilungen in öffentlicher Sitzung entgegen zu nehmen. Nach einigen Erklärungen Delaunay's über die Absichten des neuen Kabinets, die mit lautem Murren angehört werden, interpellirt Josti, ob der Waffenstillstand wirklich schon abgeschlossen sei. Sei er's nicht, so müsse die Kammer Alles aufbieten, den Abschluß zu verhindern. Pinelli antwortet, daß er nichts Bestimmtes wisse!! Delaunay, der neue Premierminister, weiß aber schon mehr; er erklärt, daß der Waffenstillstand allerdings abgeschlossen sei, daß er aber die Bedingungen nicht kenne; er wolle morgen der Kammer Mittheilung darüber machen. Hier erhebt sich in der Kammer Sturm. Es wird beschlossen, daß das neue Kabinet noch heute, binnen einigen Stunden, Auskunft zu geben habe und zu diesem Zweck eine Abendsitzung anberaumt. In der Abendsitzung wird die gestern für Karl Albert beantragte Statue votirt und zugleich eine Adresse an den benannten Ex-König beschlossen, die ihm von einer Deputation überreicht werden soll. Endlich geben die neuen Minister Aufklärung über die Bedingungen des Waffenstillstands. Letztere rufen einen Sturm des Unwillens hervor, der kaum mehr zu beschwichtigen ist. Eine unbeschreibliche Aufregung herrscht unter den Deputirten. Die Wuth über solche Schmach malt sich auf den Gesichtern und macht sich in zornigen Ausrufen Luft. Es wird nach einer der aufgeregtesten Debatten, die je vorgekommen, folgender Beschluß gefaßt: „Die Kammer erklärt sich für permanent und den Waffenstillstand für verfassungswidrig. Die Exekutiv-Gewalt könne ihn ohne Verletzung der Constitution nicht annehmen.“ Auf Ravina's Vorschlag wird diesem Beschluß noch hinzugefügt, daß „das Ministerium sich des Hochverraths schuldig macht, wenn es die östreichischen Truppen in Alessandria einrücken läßt oder die sardinische Flotte von Venedig zurückzieht.“ Ende der Sitzung um Mitternacht. Karl Albert soll im strengsten Incognito unter dem Namen eines Grafen v. Bard nach dem Kloster St. Moritz im Kanton Wallis abgereist sein. * Turin, 26. März. 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Er geht, wie wir schon vor drei Tagen meldeten, nach Portugal.</p> <p>Bonaparte hätte ihn gern im Elysée fètirt; aber ‒ dieser Skandal wäre doch gar zu arg.</p> <p>‒ In den Departements schießen neue Journale wie Spargel auf. Vor uns liegen ein Echo des Electeurs, ein Journal dü Peuple etc. etc. Nichts als Wahlmanöver!</p> <p>Die Rue de Poitiers fabrizirt Tag und Nacht kleine Handbüchelchen zum Nutz und Frommen für Stadt und Land. Diese Traktätleins wandern gratis in die Taschen der Marktfrauen.</p> <p>‒ Am Schluß der gestrigen Sitzung erlitt das Kabinet eine neue Niederlage. Ermuthigt, daß es durch Annahme der Bixioschen Tagesordnung eine Freikarte für sein Auftreten in Italien erhalten, bat Faucher flehentlichst, doch sein Klubgesetz morgen zur dritten Lesung zu bringen. „Ich erhalte eben ‒ sagte er ‒ eine telegraphische Depesche aus Lyon, welche mir meldet, daß Arbeit in Fülle vorhanden, nur die Hände fehlen, woran nur die Klubs schuldig seien u. s. w.“</p> <p>Doutre und Pelletier, vom Rhonedepartement, straften jedoch den Minister geradezu Lügen indem sie die ministeriellen Wahlmanövers jener Gegenden an das Tageslicht zogen. Dies veranlaßte, daß die Klubdebatte auf Freitag den 6. April verschoben wurde.</p> <p>‒ Im Moniteur absolute Leere.</p> <p>Die übrigen Journale beschäftigen sich ausschließlich mit Italien und der gestrigen Nationalversammlung. Die conservativen Organe erheben natürlich die Thiers'sche Standrede bis in die Wolken.</p> <p>‒ Die Opinion publique zeigt mit Posaunenton an, daß Proudhon aus Paris geflüchtet. Keine Lüge!</p> <p>‒ Man schreibt von Bourges, 31. März, 7 Uhr Abends. Eben wird Huber eingebracht und dadurch das für morgen Abend erwartete Ende des großen Prozesses verzögert. Huber ist von London, über Brüssel, hierher geeilt, wurde an der Station von Vierzon erkannt und verhaftet. Seine Anwesenheit ruft nothwendig eine Nach-Instruktion hervor.</p> <p>Die Gerüchte, daß Courtais, Larger und der Pompier Degré freigesprochen seien, während sämmtliche Uebrigen deportirt würden, sind eben nur ‒ Gerüchte.</p> <p>‒ Die Wahlagitation in Paris hat begonnen; allenthalben bilden sich Wahl-Komite's. Die Familie Napoleon will natürlich in diesem Treiben nicht zurückbleiben, und so hat dann Napoleon Bonaparte eine Versammlung Rue de Chambrol zusammenberufen, welche dem Einfluße der Rue de Poitiers entgegenwirken sollte. Die Versammlung war zahlreich; 1500 Personen fanden sich ein, und Bonaparte, ganz erfreut über ein so zahlreiches Auditorium schickte sich an, die Präsidentschaft zu übernehmen. Im Augenblicke, wo er auf dem Präsidentenstuhl sich niedergelassen, ertönte von allen Seiten der Ruf: „Es lebe die demokratisch-soziale Republik!“ Dieser unerwartete Ruf lähmte die Zunge des Präsidenten. Der Bürger Drevet bestieg die Rednerbühne, und gab in einer beißenden Rede sein Erstaunen kund, als Präsidenten einen Mann zu erblicken, der schon längst in Madrid sein sollte, wo er als Gesandter hingehöre. Napoleon Bonaparte blieb stumm; das Wahl-Komite, das im Namen der Napoleonischen Partei zusammenberufen war, verwandelte sich auf der Stelle und vor den Augen des Präsidenten in ein demokratisch-soziales Komite. Bonaparte ist, wie wir hören, den andern Tag nach Madrid abgereist.</p> </div> <div xml:id="ar263_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Bourges, 28. März.</head> <p>(Schluß der Sitzung vom 28.) Der Zug war in voller Ordnung; 200,000 Arbeiter, alle von demselben Gedanken, für Polen beseelt Bald aber fanden sich andere dazwischen ein, eine ungeordnete, zerstreute Masse, welche den Zug in Verwirrung brachte und die Einzelnen trennte und drängte. So kam Raspail am Gitter an.</p> <p>Zwei Zeugen haben ausgesagt, daß der Angeklagte sich hier zum Volk wendete und rief: Eh bien, wenn man uns die Petition nicht abnimmt, werden wir sie durch die Post einschicken.“ Gleich darauf wurde das Gitter geöffnet und es hieß: „Laßt die Delegirten passiren.“</p> <p>Zu den Vorfällen in der Assemblée übergehend, erzählt der Angeklagte, wie er mit den Lokalen so wenig bekannt gewesen, daß er eine Zeit lang in den Bureaus umhergeirrt sei. Im achtzehnten Bureau traf er eine Menge verdächtigen Lumpenproletariats, deren Treiben er vergebens Einhalt zu thun suchte; im Saal des Pas Perdus benachrichtigte ihn Hr. Chateau-Renaud, daß er von mehreren Repräsentanten gesucht werde. Dann trat er, von Xavier Durrieu aufgefordert, in den Sitzungssaal, wo er von sechs verschiedenen Repräsentanten schriftliche Aufforderung erhielt, zur Beruhigung des bereits eingedrungenen Volkes die Petition zu verlesen. Nach einer längern Ausführung, wie er sich durchaus in gesetzlichen Schranken gehalten, verfolgt dann der Angeklagte die Beschuldigung des „Complotts“.</p> <p>Es hat nach ihm in der That am 15. Mai ein Komplott bestanden. Aber die wahren Schuldigen sind hier nicht vor den Schranken; während die Patrioten Mann für Mann von zwei Gensd'armen umgeben sind, werden die wahren Schuldigen bei ihrem Eintritt gravitätisch von zwei Huissiers angekündigt. (Bewegung im Auditorium.)</p> <p>Die Manifestation fand Anfangs statt, wie sie am Abend vorher vorbereitet war. Man konnte sie verhindern, und ergriff doch keine Vorsichtsmaßregeln. Am 12. Mai fand bereits eine Manifestation zu demselben Zweck statt; aber Hr. Marrast, wie der Zeuge Dandurau gestand, wollte eine andere, und die Klubs, in denen Huber arbeitete, bestimmten hierfür den 15. Mai. Huber war der Agent des Lord-Maire Marrast, und das ist so gewiß, daß Delaroche den Marquis Marrast einen Elenden nannte.</p> <p>Präsident. Angeklagter, ich kann Sie in dieser Weise nicht fortfahren lassen.</p> <p>Raspail. Ich nehme das Wort „Elender“ zurück, und will statt dessen: „Ehrenwerth“ sagen. (Gelächter.) Was ich sage, ist, daß allerdings ein organisirtes Komplott bestanden hat; ich gebe Ihnen die Beweise.</p> <p>Man hat Hrn. Marrast, den Marquis der provisorischen Regierung, sagen hören: „Wir werden uns einrichten; das ist ein treffliches Netz, in dem wir die Fische fangen wollen.“</p> <p>Es wurden auf frischer That beim Einbruch in die Versammlung verhaftet, und doch sofort wieder in Freiheit gesetzt, darunter: Lagarde-Laurent, Ex-Redakteur der Epoque (Zögling des Hrn. Granier de Cassagnac); Dante, gegenwärtig Gouverneur des Luxembourg; Someiller, der sich Maire einer benachbarten Kommune nennt; Longuier, Danduran, Dumoulin, Ex-Adjutant des Kaisers, Delaire, der sich zum Maire von Paris machte. Zwei namenlose Repräsentanten, zwei Individuen, welche geheimnißvolle Briefe trugen; Bryère, Capitain der Nationalgarde, und zwanzig andere Personen, welche ihre Freilassung Hrn. Flottard, dem Geheimsekretär des erlauchten Hr. Marrast verdanken; im Ganzen 1500 Personen sind in das Hotel de Ville eingetreten, und nur 150 wurden verhaftet, und nur 12 Bürger erscheinen hier auf Grund der sämmtlichen Vorfälle des 15. Mai. Noch eine andere Person wurde unangefochten gelassen, der Mann nämlich, welcher sich zu meinem offiziösen Begleiter machte, und mich nach dem Hotel de Ville fahren lassen wollte; als ich mich von ihm trennte, ging er nach dem Hotel de Ville und wurde <hi rendition="#g">nicht</hi> verhaftet. Die Leute, welche Barbes bei seinem Zuge mit dem Ruf: „Es lebe Barbes!“ umringten, traten mit rothen, von dem Lord-Maire Marrast ausgestellten Einlaßkarten in's Hotel de Ville, und waren die Ersten, welche gleich darauf mit dem Geschrei: «A bas Barbès!» über den Chatelet-Platz rannten. (Große Aufregung auf den Tribünen und im Auditorium.)</p> <p>Der Angeklagte schließt mit einem kurzen Resumé. Die Journale haben ihn als einen blutdurstigen Unmenschen dargestellt; während seiner Haft hat man ihn die grausamsten Qualen erdulden lassen, während die Mutter seiner Kinder am Sterben lag und ein Tropfen Wasser von seiner Hand ihr Beruhigung gewährt haben würde. Von alle dem hat er nichts in die Oeffentlichkeit gebracht, weil er den Feinden der Republik nicht in die Hände arbeiten und lieber für die Republik selbst unerkannt leiden wollte. Als Royalisten könne man die Angeklagten nicht verurtheilen, denn sie sind es nicht; als Republikaner können sie noch weniger von Republikanern verdammt werden; wolle man aber auf ihre Ideen der sozialen Gerechtigkeit eingehen, so wiederhole er das Wort, welches er vor 18 Jahren den Geschworenen des Königthums geantwortet habe, und welches der Erfolg als wahr erwiesen: „Heute könnt ihr meine Richter sein; binnen Kurzem aber wird meine Sache über die Eure gesiegt haben.“ (Stürmischer Beifall im Publikum.)</p> <p>Advokat Guillot, Vertheidiger Quentin's, erhält das Wort.</p> <p>Das Plaidoyer desselben sucht zu beweisen, daß der Angeklagte dem, was man das Attentat des 15. Mai nenne, vollständig fremd war. Es verwirft die Belastungszeugnisse, deren verschiedenartige Widersprüche den Hauptinhalt der Vertheidigung bilden, erhebt sich mit Lebhaftigkeit gegen die Anschuldigung von Drohungen, welche Quentin gegen mehrere Repräsentanten und namentlich gegen Lacordaire ausgestoßen haben soll, und erklärt den Gang des Angeklagten nach dem Luxemburg aus dessen Wunsch, ein öffentliches Gebäude gegen jeden Angriff zu schützen.</p> <p>Am Schluß seiner, mit royalistischen Tendenzen ausgeschmückten Rede trägt der Vertheidiger nicht nur auf Freisprechung Quentin's, sondern der sämmtlichen Angeklagten an.</p> <p>Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar263_015_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die Niederlage der Piemontesen, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9. </bibl> </note> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 1. April.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar263_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 27. März.</head> <p>Das alte Ministerium ist abgetreten und ein neues aus meist reactionären Elementen zusammengesetzt. Präsident des neuen Kabinets ist der General Delaunay; er hat zugleich das Auswärtige; Pinelli, Inneres; General Da Bormida, Krieg; Christiani, Justiz; Nigra, einer der reichsten Bankiers in Turin, Finanzen und Mameli, Unterricht. Die Bildung des neuen Kabinets wurde in der heutigen Sitzung den Kammern angezeigt. Die Nennung der neuen Minister erregte in der Deputirtenkammer laute Zeichen des Unwillens, die auf den Gallerien ein sehr verstärktes Echo fanden.</p> <p>Lanza besteigt hierauf die Tribüne und denunzirt unter dem lautesten Beifall der Kammer und der Gallerien eine Menge Thatsachen, die den Verrath als Ursache der Niederlage der piemontesischen Armee nachweisen. So haben die Truppen auch diesmal, wie im ersten Feldzuge, gleich Anfangs an Lebensmitteln Mangel gelitten. Ferner sind alle erdenklichen Manöver zur Demoralisation der Truppen angewandt worden. Lanza übergibt dem Präsidenten ein Exemplar von einem Plakat, das zu Tausenden in der Armee verbreitet worden und das die Proklamirung der Republik in Turin ankündigt. Lanza verlangt über Alles eine genaue Untersuchung.</p> <p>Die neuen Minister Delaunay und Pinelli verhießen die Untersuchung, wollten aber das Resultat nur in geheimer Sitzung mittheilen. Die Kammer protestirt dagegen und beschließt, die auf jene Thatsachen bezüglichen Mittheilungen in öffentlicher Sitzung entgegen zu nehmen.</p> <p>Nach einigen Erklärungen Delaunay's über die Absichten des neuen Kabinets, die mit lautem Murren angehört werden, interpellirt Josti, ob der Waffenstillstand wirklich schon abgeschlossen sei. Sei er's nicht, so müsse die Kammer Alles aufbieten, den Abschluß zu verhindern. Pinelli antwortet, daß er nichts Bestimmtes wisse!!</p> <p>Delaunay, der neue Premierminister, weiß aber schon mehr; er erklärt, daß der Waffenstillstand allerdings abgeschlossen sei, daß er aber die Bedingungen nicht kenne; er wolle morgen der Kammer Mittheilung darüber machen.</p> <p>Hier erhebt sich in der Kammer Sturm. Es wird beschlossen, daß das neue Kabinet noch heute, binnen einigen Stunden, Auskunft zu geben habe und zu diesem Zweck eine Abendsitzung anberaumt.</p> <p>In der Abendsitzung wird die gestern für Karl Albert beantragte Statue votirt und zugleich eine Adresse an den benannten Ex-König beschlossen, die ihm von einer Deputation überreicht werden soll.</p> <p>Endlich geben die neuen Minister Aufklärung über die Bedingungen des Waffenstillstands. Letztere rufen einen Sturm des Unwillens hervor, der kaum mehr zu beschwichtigen ist. Eine unbeschreibliche Aufregung herrscht unter den Deputirten. Die Wuth über solche Schmach malt sich auf den Gesichtern und macht sich in zornigen Ausrufen Luft. Es wird nach einer der aufgeregtesten Debatten, die je vorgekommen, folgender Beschluß gefaßt:</p> <p>„Die Kammer erklärt sich für <hi rendition="#g">permanent</hi> und den Waffenstillstand für <hi rendition="#g">verfassungswidrig.</hi> Die Exekutiv-Gewalt könne ihn ohne Verletzung der Constitution nicht annehmen.“</p> <p>Auf Ravina's Vorschlag wird diesem Beschluß noch hinzugefügt, daß</p> <p>„<hi rendition="#g">das Ministerium sich des Hochverraths schuldig macht,</hi> wenn es die östreichischen Truppen in Alessandria einrücken läßt oder die sardinische Flotte von Venedig zurückzieht.“</p> <p>Ende der Sitzung um Mitternacht. Karl Albert soll im strengsten Incognito unter dem Namen eines Grafen v. Bard nach dem Kloster St. Moritz im Kanton Wallis abgereist sein.</p> </div> <div xml:id="ar263_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 26. März.</head> <p>In der heutigen Sitzung der Deputirten zeigte Ratazzi an, daß die offizielle Nachricht von der Abdan- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1481/0003]
Kammer ging bald wieder in sich, ungeachtet alles Tobens von Seiten des plötzlich wieder kriegslustigen National. Und die Partei des National wird jetzt mit ihren eigenen Waffen geschlagen. ‒
Paris, 1. April. Während Herr Thiers gestern auf der Bühne der Nationalversammlung zwei Stunden lang bewies, daß Italien todt sei und die Zuckungen dieses Leichnams keine Intervention werth seien, erhielt Ledru Rollin aus Oberitalien Briefe welche anzeigen:
1) Daß die Oestreicher trotz des Waffenstillstandes die Feindseligkeiten wiederbegonnen und Bergamo bombardirt hätten;
2) daß die Bevölkerung von Mailand aufgestanden sei und alle östreichischen Insignien abreiße; daß in allen Dörfern die Sturmglocke erschalle;
3) daß sich Genua zur Republik umgeschaffen und unter das Protektorat Englands gestellt habe. ‒ ‒
Bestätigen sich alle diese Nachrichten, die Leoru Rollin der Nationalversammlung vorlas, so sieht Jedermann ein, daß in Italien der Krieg mit der Verrätherei Ramorino's noch nicht zu Ende ging, sondern erst anfängt.
‒ Karl Albert ist nach Spanien abgesegelt. Er geht, wie wir schon vor drei Tagen meldeten, nach Portugal.
Bonaparte hätte ihn gern im Elysée fètirt; aber ‒ dieser Skandal wäre doch gar zu arg.
‒ In den Departements schießen neue Journale wie Spargel auf. Vor uns liegen ein Echo des Electeurs, ein Journal dü Peuple etc. etc. Nichts als Wahlmanöver!
Die Rue de Poitiers fabrizirt Tag und Nacht kleine Handbüchelchen zum Nutz und Frommen für Stadt und Land. Diese Traktätleins wandern gratis in die Taschen der Marktfrauen.
‒ Am Schluß der gestrigen Sitzung erlitt das Kabinet eine neue Niederlage. Ermuthigt, daß es durch Annahme der Bixioschen Tagesordnung eine Freikarte für sein Auftreten in Italien erhalten, bat Faucher flehentlichst, doch sein Klubgesetz morgen zur dritten Lesung zu bringen. „Ich erhalte eben ‒ sagte er ‒ eine telegraphische Depesche aus Lyon, welche mir meldet, daß Arbeit in Fülle vorhanden, nur die Hände fehlen, woran nur die Klubs schuldig seien u. s. w.“
Doutre und Pelletier, vom Rhonedepartement, straften jedoch den Minister geradezu Lügen indem sie die ministeriellen Wahlmanövers jener Gegenden an das Tageslicht zogen. Dies veranlaßte, daß die Klubdebatte auf Freitag den 6. April verschoben wurde.
‒ Im Moniteur absolute Leere.
Die übrigen Journale beschäftigen sich ausschließlich mit Italien und der gestrigen Nationalversammlung. Die conservativen Organe erheben natürlich die Thiers'sche Standrede bis in die Wolken.
‒ Die Opinion publique zeigt mit Posaunenton an, daß Proudhon aus Paris geflüchtet. Keine Lüge!
‒ Man schreibt von Bourges, 31. März, 7 Uhr Abends. Eben wird Huber eingebracht und dadurch das für morgen Abend erwartete Ende des großen Prozesses verzögert. Huber ist von London, über Brüssel, hierher geeilt, wurde an der Station von Vierzon erkannt und verhaftet. Seine Anwesenheit ruft nothwendig eine Nach-Instruktion hervor.
Die Gerüchte, daß Courtais, Larger und der Pompier Degré freigesprochen seien, während sämmtliche Uebrigen deportirt würden, sind eben nur ‒ Gerüchte.
‒ Die Wahlagitation in Paris hat begonnen; allenthalben bilden sich Wahl-Komite's. Die Familie Napoleon will natürlich in diesem Treiben nicht zurückbleiben, und so hat dann Napoleon Bonaparte eine Versammlung Rue de Chambrol zusammenberufen, welche dem Einfluße der Rue de Poitiers entgegenwirken sollte. Die Versammlung war zahlreich; 1500 Personen fanden sich ein, und Bonaparte, ganz erfreut über ein so zahlreiches Auditorium schickte sich an, die Präsidentschaft zu übernehmen. Im Augenblicke, wo er auf dem Präsidentenstuhl sich niedergelassen, ertönte von allen Seiten der Ruf: „Es lebe die demokratisch-soziale Republik!“ Dieser unerwartete Ruf lähmte die Zunge des Präsidenten. Der Bürger Drevet bestieg die Rednerbühne, und gab in einer beißenden Rede sein Erstaunen kund, als Präsidenten einen Mann zu erblicken, der schon längst in Madrid sein sollte, wo er als Gesandter hingehöre. Napoleon Bonaparte blieb stumm; das Wahl-Komite, das im Namen der Napoleonischen Partei zusammenberufen war, verwandelte sich auf der Stelle und vor den Augen des Präsidenten in ein demokratisch-soziales Komite. Bonaparte ist, wie wir hören, den andern Tag nach Madrid abgereist.
* Bourges, 28. März. (Schluß der Sitzung vom 28.) Der Zug war in voller Ordnung; 200,000 Arbeiter, alle von demselben Gedanken, für Polen beseelt Bald aber fanden sich andere dazwischen ein, eine ungeordnete, zerstreute Masse, welche den Zug in Verwirrung brachte und die Einzelnen trennte und drängte. So kam Raspail am Gitter an.
Zwei Zeugen haben ausgesagt, daß der Angeklagte sich hier zum Volk wendete und rief: Eh bien, wenn man uns die Petition nicht abnimmt, werden wir sie durch die Post einschicken.“ Gleich darauf wurde das Gitter geöffnet und es hieß: „Laßt die Delegirten passiren.“
Zu den Vorfällen in der Assemblée übergehend, erzählt der Angeklagte, wie er mit den Lokalen so wenig bekannt gewesen, daß er eine Zeit lang in den Bureaus umhergeirrt sei. Im achtzehnten Bureau traf er eine Menge verdächtigen Lumpenproletariats, deren Treiben er vergebens Einhalt zu thun suchte; im Saal des Pas Perdus benachrichtigte ihn Hr. Chateau-Renaud, daß er von mehreren Repräsentanten gesucht werde. Dann trat er, von Xavier Durrieu aufgefordert, in den Sitzungssaal, wo er von sechs verschiedenen Repräsentanten schriftliche Aufforderung erhielt, zur Beruhigung des bereits eingedrungenen Volkes die Petition zu verlesen. Nach einer längern Ausführung, wie er sich durchaus in gesetzlichen Schranken gehalten, verfolgt dann der Angeklagte die Beschuldigung des „Complotts“.
Es hat nach ihm in der That am 15. Mai ein Komplott bestanden. Aber die wahren Schuldigen sind hier nicht vor den Schranken; während die Patrioten Mann für Mann von zwei Gensd'armen umgeben sind, werden die wahren Schuldigen bei ihrem Eintritt gravitätisch von zwei Huissiers angekündigt. (Bewegung im Auditorium.)
Die Manifestation fand Anfangs statt, wie sie am Abend vorher vorbereitet war. Man konnte sie verhindern, und ergriff doch keine Vorsichtsmaßregeln. Am 12. Mai fand bereits eine Manifestation zu demselben Zweck statt; aber Hr. Marrast, wie der Zeuge Dandurau gestand, wollte eine andere, und die Klubs, in denen Huber arbeitete, bestimmten hierfür den 15. Mai. Huber war der Agent des Lord-Maire Marrast, und das ist so gewiß, daß Delaroche den Marquis Marrast einen Elenden nannte.
Präsident. Angeklagter, ich kann Sie in dieser Weise nicht fortfahren lassen.
Raspail. Ich nehme das Wort „Elender“ zurück, und will statt dessen: „Ehrenwerth“ sagen. (Gelächter.) Was ich sage, ist, daß allerdings ein organisirtes Komplott bestanden hat; ich gebe Ihnen die Beweise.
Man hat Hrn. Marrast, den Marquis der provisorischen Regierung, sagen hören: „Wir werden uns einrichten; das ist ein treffliches Netz, in dem wir die Fische fangen wollen.“
Es wurden auf frischer That beim Einbruch in die Versammlung verhaftet, und doch sofort wieder in Freiheit gesetzt, darunter: Lagarde-Laurent, Ex-Redakteur der Epoque (Zögling des Hrn. Granier de Cassagnac); Dante, gegenwärtig Gouverneur des Luxembourg; Someiller, der sich Maire einer benachbarten Kommune nennt; Longuier, Danduran, Dumoulin, Ex-Adjutant des Kaisers, Delaire, der sich zum Maire von Paris machte. Zwei namenlose Repräsentanten, zwei Individuen, welche geheimnißvolle Briefe trugen; Bryère, Capitain der Nationalgarde, und zwanzig andere Personen, welche ihre Freilassung Hrn. Flottard, dem Geheimsekretär des erlauchten Hr. Marrast verdanken; im Ganzen 1500 Personen sind in das Hotel de Ville eingetreten, und nur 150 wurden verhaftet, und nur 12 Bürger erscheinen hier auf Grund der sämmtlichen Vorfälle des 15. Mai. Noch eine andere Person wurde unangefochten gelassen, der Mann nämlich, welcher sich zu meinem offiziösen Begleiter machte, und mich nach dem Hotel de Ville fahren lassen wollte; als ich mich von ihm trennte, ging er nach dem Hotel de Ville und wurde nicht verhaftet. Die Leute, welche Barbes bei seinem Zuge mit dem Ruf: „Es lebe Barbes!“ umringten, traten mit rothen, von dem Lord-Maire Marrast ausgestellten Einlaßkarten in's Hotel de Ville, und waren die Ersten, welche gleich darauf mit dem Geschrei: «A bas Barbès!» über den Chatelet-Platz rannten. (Große Aufregung auf den Tribünen und im Auditorium.)
Der Angeklagte schließt mit einem kurzen Resumé. Die Journale haben ihn als einen blutdurstigen Unmenschen dargestellt; während seiner Haft hat man ihn die grausamsten Qualen erdulden lassen, während die Mutter seiner Kinder am Sterben lag und ein Tropfen Wasser von seiner Hand ihr Beruhigung gewährt haben würde. Von alle dem hat er nichts in die Oeffentlichkeit gebracht, weil er den Feinden der Republik nicht in die Hände arbeiten und lieber für die Republik selbst unerkannt leiden wollte. Als Royalisten könne man die Angeklagten nicht verurtheilen, denn sie sind es nicht; als Republikaner können sie noch weniger von Republikanern verdammt werden; wolle man aber auf ihre Ideen der sozialen Gerechtigkeit eingehen, so wiederhole er das Wort, welches er vor 18 Jahren den Geschworenen des Königthums geantwortet habe, und welches der Erfolg als wahr erwiesen: „Heute könnt ihr meine Richter sein; binnen Kurzem aber wird meine Sache über die Eure gesiegt haben.“ (Stürmischer Beifall im Publikum.)
Advokat Guillot, Vertheidiger Quentin's, erhält das Wort.
Das Plaidoyer desselben sucht zu beweisen, daß der Angeklagte dem, was man das Attentat des 15. Mai nenne, vollständig fremd war. Es verwirft die Belastungszeugnisse, deren verschiedenartige Widersprüche den Hauptinhalt der Vertheidigung bilden, erhebt sich mit Lebhaftigkeit gegen die Anschuldigung von Drohungen, welche Quentin gegen mehrere Repräsentanten und namentlich gegen Lacordaire ausgestoßen haben soll, und erklärt den Gang des Angeklagten nach dem Luxemburg aus dessen Wunsch, ein öffentliches Gebäude gegen jeden Angriff zu schützen.
Am Schluß seiner, mit royalistischen Tendenzen ausgeschmückten Rede trägt der Vertheidiger nicht nur auf Freisprechung Quentin's, sondern der sämmtlichen Angeklagten an.
Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.
Italien. * Köln, 1. April. _ * Turin, 27. März. Das alte Ministerium ist abgetreten und ein neues aus meist reactionären Elementen zusammengesetzt. Präsident des neuen Kabinets ist der General Delaunay; er hat zugleich das Auswärtige; Pinelli, Inneres; General Da Bormida, Krieg; Christiani, Justiz; Nigra, einer der reichsten Bankiers in Turin, Finanzen und Mameli, Unterricht. Die Bildung des neuen Kabinets wurde in der heutigen Sitzung den Kammern angezeigt. Die Nennung der neuen Minister erregte in der Deputirtenkammer laute Zeichen des Unwillens, die auf den Gallerien ein sehr verstärktes Echo fanden.
Lanza besteigt hierauf die Tribüne und denunzirt unter dem lautesten Beifall der Kammer und der Gallerien eine Menge Thatsachen, die den Verrath als Ursache der Niederlage der piemontesischen Armee nachweisen. So haben die Truppen auch diesmal, wie im ersten Feldzuge, gleich Anfangs an Lebensmitteln Mangel gelitten. Ferner sind alle erdenklichen Manöver zur Demoralisation der Truppen angewandt worden. Lanza übergibt dem Präsidenten ein Exemplar von einem Plakat, das zu Tausenden in der Armee verbreitet worden und das die Proklamirung der Republik in Turin ankündigt. Lanza verlangt über Alles eine genaue Untersuchung.
Die neuen Minister Delaunay und Pinelli verhießen die Untersuchung, wollten aber das Resultat nur in geheimer Sitzung mittheilen. Die Kammer protestirt dagegen und beschließt, die auf jene Thatsachen bezüglichen Mittheilungen in öffentlicher Sitzung entgegen zu nehmen.
Nach einigen Erklärungen Delaunay's über die Absichten des neuen Kabinets, die mit lautem Murren angehört werden, interpellirt Josti, ob der Waffenstillstand wirklich schon abgeschlossen sei. Sei er's nicht, so müsse die Kammer Alles aufbieten, den Abschluß zu verhindern. Pinelli antwortet, daß er nichts Bestimmtes wisse!!
Delaunay, der neue Premierminister, weiß aber schon mehr; er erklärt, daß der Waffenstillstand allerdings abgeschlossen sei, daß er aber die Bedingungen nicht kenne; er wolle morgen der Kammer Mittheilung darüber machen.
Hier erhebt sich in der Kammer Sturm. Es wird beschlossen, daß das neue Kabinet noch heute, binnen einigen Stunden, Auskunft zu geben habe und zu diesem Zweck eine Abendsitzung anberaumt.
In der Abendsitzung wird die gestern für Karl Albert beantragte Statue votirt und zugleich eine Adresse an den benannten Ex-König beschlossen, die ihm von einer Deputation überreicht werden soll.
Endlich geben die neuen Minister Aufklärung über die Bedingungen des Waffenstillstands. Letztere rufen einen Sturm des Unwillens hervor, der kaum mehr zu beschwichtigen ist. Eine unbeschreibliche Aufregung herrscht unter den Deputirten. Die Wuth über solche Schmach malt sich auf den Gesichtern und macht sich in zornigen Ausrufen Luft. Es wird nach einer der aufgeregtesten Debatten, die je vorgekommen, folgender Beschluß gefaßt:
„Die Kammer erklärt sich für permanent und den Waffenstillstand für verfassungswidrig. Die Exekutiv-Gewalt könne ihn ohne Verletzung der Constitution nicht annehmen.“
Auf Ravina's Vorschlag wird diesem Beschluß noch hinzugefügt, daß
„das Ministerium sich des Hochverraths schuldig macht, wenn es die östreichischen Truppen in Alessandria einrücken läßt oder die sardinische Flotte von Venedig zurückzieht.“
Ende der Sitzung um Mitternacht. Karl Albert soll im strengsten Incognito unter dem Namen eines Grafen v. Bard nach dem Kloster St. Moritz im Kanton Wallis abgereist sein.
* Turin, 26. März. In der heutigen Sitzung der Deputirten zeigte Ratazzi an, daß die offizielle Nachricht von der Abdan-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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