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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 265. Köln, 6. April 1849.

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sische Truppen ins Land, was uns als Vorbereitung zu irgend einem Kriege vorkommt.

(Buk.)
Französische Republik.
12 Paris, 3. April.

Der Geist Guizot's schwebt bereits über der Bougeois-Kammer, schwebt über dem Ministerium, und bekundet sich auf dieselbe skandalöse Weise, wie unter weiland Louis Philipp, wo Minister-Audienzen und Fürsprache bei Ministern für große Summen sich kaufen ließen. Bekanntlich erhalten nur diejenigen Präfekten eine Pension von 6 bis 7000 Franken, die zu ferneren Diensten auf die eine oder andere Weise unfähig geworden. Nun hatte die provisorische Regierung mit einem Schlage 16 Präfekten destituirt, die unter Duchatel und Guizot noch lange Zeit Präfektendienste hätten thun können. Unter der provisorischen Regierung dachten diese Leute nicht daran, eine Pension zu reklamiren. Unter Faucher finden sie sich plötzlich als Invaliden mit mehr oder weniger Gebrechlichkeiten in Folge ihrer Dienste angeführt, und erhalten Pensionen. Wer hat ihnen das Krankenzeugniß ausgestellt? Der honette Barrot! Wann hat er ihnen dieses Invalidenzeugniß ausgestellt?

Am 21. Februar 1849. Wann sind diese Leute invalide geworden? etwa am 24. Februar, in Folge empfangener Wunden? Nein; sie werden invalide unter dem jeune Faucher und dem honnetten Barrot im Augenblicke, wo sie erst physisch geheilt werden von der moralischen Krankheit des Februar, im Augenblicke wo sie wieder als gesunde, wohlgenährte Präfekten frei an's Tagelicht treten. Drei dieser invaliden Präfekten werfen sogar ihre Krücken weg, und erhalten ihre neue Anstellung gleichzeitig mit ihrer Pension.

Guizot als konsumirter Doktrinär hatte doch wenigstes sein Corruptionssystem glänzend zu vertheidigen gewußt; aber der junge, unerfahrene Faucher that uns wirklich leid, wie er die elendigsten Entschuldigungen vorbrachte; bald sagte er, er habe die drei Präfekten wieder angestellt, um die Staatsgelder zu ökonomisiren, und der Zahlung einer Pension enthoben zu sein; dann gibt er vor, die drei Präfekten hätten während des Jahres Zeit gehabt, sich zu erholen u. s. w. Aber wer hätte geglaubt, daß der honnette Barrot noch dem jungen Faucher zu Hülfe kommen würde, um das Guizot'sche Corruptionssystem vertheidigen zu helfen! Wer hätte ferner geglaubt, daß unter diesen geheilten Präfekten sich ein leibhafter Schwager des Herrn Barrot befindet.

Wer hätte endlich gedacht, daß alle diese Bettel-Präfekten schon ein Privatvermögen von 30 bis 40,000 Fr. Renten besitzen? Und das Journal des Debats, das ganz andere Korruptionsgeschichten zu beschönigen hatte, als diese Lappalien, erstaunt sich, wie man in der Kammer einen solchen Skandal darüber erheben konnte. Die Liquidation dieser Pensionen habe ja in der gehörigen Form stattgefunden; die Anfragen seien dem Staatsrath überwiesen worden, der Staatsrath habe sein Gutachten darüber ausgestellt, und auf dieses Gutachten hin habe das Ministerium die Pensionen bewilligt. O, dieses Bettelvolk von Präfekten, die, nicht zufrieden nach der Februarrevolution ihr Leben, ihre Freiheit und ihre 30,000 Fr. Renten gerettet zu haben, sich von Faucher noch nachträglich das durch die Februarrevolution Verlorene auszahlen lassen. Außer dem Schwager des Hrn. Barrot, befindet sich auch der Bruder des Hrn. Duchatel unter den pensionirten Präfekten. In Geldfragen hört die Ehrlichkeit auf.

Von heute an hat also Leon Faucher auch seine politischen Antezedentien. Er stand gar zu bloß und zu "blanc" da. Jules Favre trat mit einer Tagesordnung auf, die den Fall des Ministeriums nach sich ziehen mußte: das Gesetz von 1790, in Bezug auf die Pensionen ist formell und die Gesetzesüberschreitung unläugbar. Faucher hat das Gesetz überschritten, und die "Moral" der Politik untergeordnet. Die Kammer, nach der brillanten Rede des Hrn. Favre, ist einen Augenblick entrüstet, weniger wegen der Verletzung der Moral, als wegen der Unverschämtheit der dickleibigen Präfekten, die sich von ihren Aerzten Krankheitszeugnisse ausstellen lassen, um auf dieses Zeugniß hin 6000 Fr. Renten zu erschleichen und unter Faucher und Barrot plötzlich wieder so gesund zu werden, daß sie ihre Stellen von 20,000 Fr. reklamiren und erhalten. Barrot zittert einen Augenblick für seinen Schwager und für Duchatel: er besteigt die Tribune, redet stottertt und endet mit dem traurigen Geständnisse: Faucher habe vielleicht nicht ganz Unrecht; aber nicht die Moral, nicht Korruption sei hier im Spiele, sondern die Politik! Man solle sich hüten, für den Antrag Favre's zu stimmen, der eine politische Revolution verberge. Und die Kammer geht in sich; sie läßt den reichen Präfekten die schwache Pension, zumal ein Duchatel und da ein Schwager Barrots sich unter den Präfekten befinden und sie stimmte mit 6 Stimmen Majorität für Verweisung an eine Kommission!

Die Korruption der Kammer geht gleichen Schritt mit den Banketts der Demokraten; heute galt es den Delegirten vom Luxembourg: die Soldaten waren zahlreich vertreten und Felix Pyat hat ihnen einen Toast gebracht.

Seine Rede war darauf berechnet, den Soldaten fühlbar zu machen, wer ihre Feinde sind: Er erinnert mit Geschicklichkeit an den Meuchelmord der treu gebliebenen plebejischen Generale Ney, Lagarde, Labedoyere etc. "Eure Feinde haben kein anderes Vaterland als die Börse; kein heiligeres Interesse als die Rente, die steigt, wenn Frankreich fällt, und die am besten stand, als Ihr zu Waterloo fielt.... Die Männer, die Ihr an der Spitze seht, thäten nichts lieber, als Eurem Frankreich eine Kosacken-Infusion zum Einnehmen zu geben, um es zum Erbrechen der Republik zu bringen. Diese Männer haben sich heute hypokritisch dem Neffen des Mannes angeschlossen, den sie selbst proscribirt haben, und dieser Neffe, der die Zeit seines Exils damit zugebracht hat, die Adler seines Onkels zu zähmen, sieht ruhig zu, wie seine Minister sich die Taschen anfüllen, und die Köpfe Eurer Brüder abschneiden."

Die Rede Pyat's wird zu tausenden von Exemplaren abgezogen und bringt in die Kasernen ungeachtet aller Verbote der Bugeaud's und Changarnier's.

Paris, 3. April. 2 Uhr.

Eben bringt der Eisenbahnzug das Urtheil aus Bourges, das noch drakonischer ausgefallen ist, als man selbst von diesem Mörderhof bezahlter Beamten-Geschwornen erwartete. Barbes und Albert sind zu lebenslänglicher Deportation (!!!), Blanqui zu zehnjährigem Gefängniß (!!!), Sobrier zu siebenjährigem Gefängniß, Raspail (!!!) zu sechsjährigem Gefängniß, Flotte zu fünfjährigem Gefängniß und Quentin ebenfalls zu fünfjährigem Gefängniß verurtheilt worden.

General Courtais, Degre (genannt le pompier), Borme und Villain sind freigesprochen. Ueber Huber, der sich erst vorgestern stellte, ist Separatprozeß eingeleitet. Die übrigen Angeklagten sind in contumaciam verurtheilt. Der Urtheilsspruch erfolgte gestern Abend 11 Uhr. Keiner der Angeklagten verzog auch nur eine Miene bei Anhörung des Urtheils. Raspail sagte: "Es ist in dieser Sache besser, verurtheilt zu werden, als zu verurtheilen." Als die Gefangenen aus dem Sitzungssaale geführt wurden, drückten mehrere von ihnen ihren Vertheidigern die Hände. Barbes und Sobrier riefen: Es lebe die demokratisch-sociale Republik! So endigte der große Staatsprozeß des 15. Mai 1848. Um 11 1/2 Uhr verlief sich die Menge; die Säle des mittelalterlichen Finanzjuden Jacques-Coeur wurden geleert; starke Patrouillen durchziehen die Stadt Bourges.

- Die Nationalversammlung, mit dem Budget des Ministeriums des Innern beschäftigt, hat auf den Vorschlag Ledru-Rollin's das Gehalt von 50,000 Fr. für den Oberkommandanten der Pariser Bürgerwehr und Divisionskommandanten des Seinedepartements etc. gestrichen! Das ist ein harter Schlag für Changarnier. Man will ihn durch Collekte entschädigen.

Ebenso verwarf die Versammlung einen Antrag Pierre Bonaparte's, 25,000 Fr. zur Errichtung eines Denkmals für Ney auf der Stelle im Luxembourg, wo er erschossen wurde, zu bewilligen.

- Abbe Fayet, der bekannte voltairianische Bischof und Volksvertreter von Orleans (Anhänger Cavaignac's), ist gestorben.

- Präsident Bonaparte besichtigte heute Vincennes.

- Gioberti wird heute mit außerordentlichen Aufträgen aus Turin im Elysee erwartet. Er hat Taschen voll Radetzki'scher Geheimnisse!

- Das bonapartistische Morgenblatt "La Liberte" meldet: Auf außerordentlichem Wege erfahren wir, daß sich die kriegerisch gesinnte zweite Kammer aus Turin nach Genua zurückgezogen und dort die Republik proklamiert habe.

Ein ähnliches Gerücht geht an der Börse.

- Abbe Genoude überraschte uns gestern Abend in seiner Gazette de France mit einer Ministerkrisis. Er zeigte an, daß sich das Barrot-Faucher-Kabinet nach der gestrigen Kammerschlappe zurückzöge. Fehlgeschossen! Bonaparte ist durch seine Schuldscheine gezwungen, mit diesem Ministerium die Wahlschlacht durchzumachen.

- Das Wahlmanifest der demokratisch-sozialistischen Partei (der Rothen), das alle monarchischen Blätter für diesen Morgen verkündeten, ist heute noch nicht erschienen. Es zirkulirte bereits gestern unter der äußersten Linken und floß aus der Feder Felix Pyat's. Einige Stellen sind noch zu ändern.

- Die Wahllisten werden am 10. d. geschlossen.

- Nachdem die Nationalversammlung gestern den Hrn. Odilon-Faucher (wie ihn Charivari nennt) so unbarmherzig für gewisse administrative Corruptionen gezüchtigt, wird sie wahrscheinlich heute dem edlen Herrn v. Falloux auf den Leib rücken. Das Unterrichtsbüdget beträgt 20,760,318 Frs. und wird zu nicht minder heftigen Debatten führen.

- Der Schluß der gestrigen Sitzung zog sich bis nach 7 Uhr und endigte mit einem Tadelsvotum gegen den Minister Faucher, der sich nun vor der Büdgetkommission wegen administrativer Corruption zu rechtfertigen hat. Das Votum ging mit 363 gegen 350 Stimmen durch. Faucher stellte z. B. alte Beamte Louis Philipp's als Präfekten im Januar an, die bis dahin als erblindet, schwere Pensionen bezogen haben etc.

- Das vielbesprochene Primar- und Sekundar-Unterrichtsgesetz wird in gegenwärtiger Kammersession das Licht der Welt erblicken. Hr. Thiers, Cousin und die übrigen Freunde der Gesellschaft Jesu wollen dasselbe erst der nächsten Kammer vorlegen.

- Kardinal Giraud ist aus Gaeta zurückgekehrt; dagegen hat der aus Freiburg im Uechtlande geflüchtete Bischof Marilley vom Ministerium Pässe nach Gaeta verlangt, die ihm dasselbe ohne Zweifel ertheilt.

Vom Bischof von Rennes sind neue 20,000 Frs. als Pabststeuer nach Gaeta gewandert.

- Buvignier (vom Berge) überreichte gestern der Nationalversammlung fünfzehn Petitonen für Restution der Milliarde.

- Gestern sahen wir zwei Legionen von Savoyarden, Piemontesen, Sardiniern und sonstigen Italienern, denen sich ein Häuflein Ex-Mobilgardisten beigesellt hat, nach den Alpen abmarschiren. Unter dem hundertfachen Rufe: Es lebe die französisch und italienische Republik! zogen die beiden Legionen, die Marseillaise singend, ab.

- Es scheint gewiß, daß Taschereau dem Thiers den auf letzteren bezüglichen Theil des Ludwig Philippschen Portefeuilles verkaufthai. Man ist diesem Schurkenstreiche auf der Spur.

(Revolution.)

National-Versammlung. Sitzung vom 3. April. Anfang 12 1/2 Uhr. Marrast läßt durch Stimmzettel die Zahl der Anwesenden ermitteln Sie beträgt 530 Glieder.

An der Tagesordnung ist das Büdget des Ministeriums des Innern. Die Debatte rückte gestern Abend bis Kapitel 3.

Kapitel 4 wird ohne Diskussion angenommen.

Kapitel 5 (geheime Polizei-Ausgaben) wird bestritten. Der Ausschuß schlägt eine Ersparniß von 100,000 Franken vor.

Faucher, Minister, hält dieselbe für den Generalpolizeidienst nachtheilig.

Pierre Leroux unterstützt nicht nur die Reduktion, sondern eifert überhaupt fürchterlich gegen die Polizei. Ihr ursprünglicher Zweck, die Bürger zu bewahren, werde gänzlich verfehlt und sie sei nur noch da, um die Bürger zu quälen, Bankette zu stören. (Rechts: daran thut sie sehr wohl!) Das ehrenwerthe Glied benutzt diese Gelegenheit, um die Wuth zu geisseln, mit der Herr Faucher die Clubs des Volkes verfolge. (Zur Abstimmung! zur Abstimmung! von der Rechten.)

Die Ersparniß wird angenommen. (Agitation.)

Kapitel 6 und 7 gehen ohne viel Federlesens durch.

Kapitel 8 (Ausgaben für die Bürgerwehren) erregt großen Skandal. Der Ausschuß schlägt eine Ersparniß von 97,000 Franken vor.

Deludre, unterstützt von Ledru-Rollin, tragen darauf an, das Gehalt von 50,000 Franken für den Oberbefehlshaber der Bürgerwehr des Seine-Departements, General Changarnier, zu streichen Derselbe sei zugleich Deputirter, mithin Cumul vorhanden.

Faucher verspricht, die Regierung werde die ausnahmsweise Militärgewalt Changarnier's ändern, sobald es die Umstände erlauben. (Ah! Ah!)

Degoussee und Cremieux unterstützen die Ersparniß.

Dieselbe wird mit 361 gegen 304 Stimmen Mehr angenommen. (Sensation)

Während der Operation des Stimmens liest Marrast ein Urlaubsgesuch Proudhon's vor. Proudhon verlangt einen einmonatlichen Urlaub, um ein Memoire auszuarbeiten.

Der Urlaub wird bewilligt, aber das Gerücht geht, Proudhon sei nach Belgien geflüchter, um sich einem Handstreich der Reaktion zu entziehen.

Die Büdget-Debatte wird wieder aufgenommen. Die Streichung des Gehalts Changarniers macht solches Aufsehen, daß Listen zur freiwilligen Subscription Behufs Deckung jener 50,000 Fr. circuliren.

Kapitel 18 (Ermunterungsprämien für Literatur und Theater) führt Favre auf die Bühne. Er beklagt sich, daß das Ministerium ruhig zusehe, wie man die republikanische Regierungsform jeden Tag insultire und auf der Bühne lächerlich mache. Gegen den Socialismus nur zu Felde ziehe.

Faucher appellirt an die Meinungs-Freiheit (Ah! Ah! zur Linken) und willigt in die beantragte Ersparniß von 100,000 Fr.

Bei Kapitel 22 wurde die Debatte abgebrochen und somit das Ministerium des Innern noch nicht erledigt.

Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.

* Antibes, 27. März.

Der Ex-König Karl Albert ist in unsrer Stadt: er reist unter dem Namen eines Grafen von Bargo. Die Autorität der Stadt hat Alles Mögliche gethan um seine Anwesenheit verborgen zu halten. Aber der Ex-König hat schon dafür gesorgt, daß dieselbe ruchbar werde, und da hat er dann die hypokritische Phrase ausgesprochen: "Ich habe Alles gethan, um von den Kugeln getroffen zu werden, aber die Kugeln haben mich unglücklicher Weise vermieden." Karl Alb rt hat von der französischen Regierung ein Schiff verlangt, um sich nach Lisabon zu begeben.

* Bourges, 31. März.

(Schluß der Rede Blanqui's.)

... Was mich betrifft, so bin ich unbekümmert um einen Ausgang, der für Niemand hier definitiv sein kann; ich acceptire den Kampf nicht nur auf dem Boden der Thatsachen, der nur zum Schein und zur Verdeckung des wahren Angriffs hier behauptet wird, sondern vor Allem in der politischen Frage, welche die einzig ernsthafte in dieser Sache ist.

Niemand glaubt mehr, daß man wirklich Rechenschaft von mir über das angebliche Attentat vom 15. Mai verlangt; die Parole dieses Prozesses ist für Niemanden ein Geheimniß mehr. Man behauptet den monomanen Verschwörer vernichten zu müssen, wie das Requisitorium sich ausdrückt, welches seine Sprache den Freibeutereien des Charivari entlehnt; den monomanen Verschwörer, d. h. den Mann, welcher unbeirrt um die Abschweifungen der Parteien den Triumph einer Idee, niemals aber die Interessen persönlichen Ehrgeizes verfolgt. Ja, ich verfolge meine Idee, die Wegräumung der letzten Ruinen auf dem Wege der Zukunft, und wenn ich hier vor einer erbärmlichen Prozedur darüber Rechenschaft zu geben habe, so mag das Land entscheiden, nicht über mich, sondern über euch und meine Feinde, über meine Bestrebungen für das Volk, und über diejenigen, welche sie vernichten.

... Welchen Werth haben schriftliche Prozeßakten, welche niemals der wörtliche Ausdruck offener und natürlicher Depositionen sein können? Wenn die Zeugen selbst nicht mehr ihre volle Freiheit haben, was will man dann von der Stellung eines Angeklagten sagen? Ich weiß, man wird mir antworten, daß ich die Gerechtigkeit in ihrem Kampf gegen das Verbrechen entwaffnen wolle, indem ich sie des sichersten Instruktionsmittels beraube. Das aber ist das nämliche Argument, welches so lange Jahre zur Vertheidigung der Tortur gegen den Schrei der entrüsteten Gesellschaft diente, und doch hat die Tortur endlich dem allgemeinen Fluch erliegen müssen. Glauben Sie vielleicht auch hierin eine geschichtliche Ausnahme zu sein, meine Herren Ausnahme-Richter?! Zwischen Ihnen und uns wird die Zukunft niemals schwanken, und unter uns Beiden sind Sie es nicht, der rufen kann: "Für mich die Zukunft!" ...

Man sagt soeben, daß dies Mißtrauen gegen die geheime Instruktion eine Beleidigung der Beamten sei. In diesem Fall sind alle Seiten des Kriminalgesetzbuchs offizielle Beleidigungen der Beamten. Ist nicht die Jury, die Oeffentlichkeit der Verhandlung, jede in unsern Gesetzen angeordnete Formalität ein offenes Mißtrauen gegen die Beamten? Jeder den Angeklagten bewilligte Schutz ist dann eine Beleidigung des Gerichts. Möge das Land von diesen Ansichten, welche den "hohen Gerichtshof" erfüllen, Kenntniß nehmen und danach unsern Prozeß beurtheilen.

... Ich habe Ihnen ein Muster des Instruktionsverfahrens versprochen; ich komme jetzt darauf, mein Versprechen zu erfüllen.

Es ist des gegenwärtigen Gerichtes würdig, die längst gefallene Untrüglichkeit des Pabstes, durch die neue Untrüglichkeit der Beamten zu ersetzen. Aber diese Untrüglichkeit reicht nur so weit, als es sich gegen die Angeklagten handelt. Man hat vor acht Tagen eine gesetzlich legitimirte Deposition zu meinen Gunsten von Brest an den Generalprokurator gesendet; ich habe nichts davon zu Gesicht bekommen. (Der Generalprokurator bestreitet den Vorfall; Blanqui produzirt Briefe, wonach die amtlich legalisirte Deposition allerdings abgesendet worden.)

Man hat ferner ganz Paris während voller sechs Monate umgekehrt, um die kleinsten und frivolsten Dinge gegen die Angeklagten hervorzusuchen, während man den Gefangenen selbst nur fünf Tage zur Beschaffung ihrer schwachen Hülfsmittel gewährte.

Was Lacambre betrifft, so hat man ihn wohl oder übel außer Verfolgung setzen müssen. Ich will hier nicht von dem elenden Gewebe reden, durch welches man ihn durch die Hölle der Kriegsgerichte vom Juni zog; diese Geschichte wird noch später mit all ihren blutigen Beweisen an den Tag gebracht werden. Wenn Lacambre am 15. Mai nur von einem der so zahlreichen und so gefälligen Zeugen gesehen worden wäre, welche Anklagen hätte man nicht über seinem Haupte gesammelt! Ein Glas Wasser in seinen Händen würde hingereicht haben, ihm die Beschuldigung eines Vergiftungsversuches der Assemblee zuzuziehen. Ja, dieser denkwürdige Rapport des Herrn Bertrand wird als ein doppeltes Aktenstück für die geheime Prozedur und politische Tendenzprozesse in der Geschichte bleiben. Lacambre ist ein "Freund Blanqui's," ... es liegt nichts gegen ihn vor, aber "er soll die Bewegung organisirt haben," und das genügt für die keusche Anklage des Generalprokurators, um die Freundschaft Lacambre als Belastung gegen mich vorzubringen.

Ich will nicht in die ganze Leidensgeschichte der Verfolgungen und niederträchtigen Verleumdungen eingehen, zu deren Opfer man mich erkoren. Lassen Sie mich einfach eine einzige der von meinen wüthenden Feinden erfundenen Büßungen erzählen; das Aktenstück, welches zu dieser modernen Tortur diente, befindet sich in dem Prozeß; es ist ein an mich adressirter Brief.

Sie erinnern sich, daß die Polizei nach dem 15. Mai einige Zeit brauchte, um mich aufzufinden. Und was gebrauchte man dabei für Mittel? Man legte auf der Post auf alle Briefe Beschlag, die an mich eingingen. In demjenigen, von welchem ich sprechen will, las man, daß die Sozialisten den Taucher machen wollten; daß sie für den Augenblick nicht hoffen dürften, durch den offenen Kampf zu siegen: "Arme geheime Gesellschaften," hieß es höhnisch, "was werdet ihr jetzt anfangen?" Und dann folgten satyrische Rathschläge, die Gesellschaft durch fortwährende Agitationen zu beunruhigen, die Bourgeoisgemüther durch eingebildete Gefahren zu ängstigen, den Handel zu stören, den Kredit zu untergraben und die Gesellschaft endlich durch den Hunger zur Uebergabe zu zwingen.

Dieser Brief wurde sofort im Constitutionnel, diesem platten Verleumdungsblatt abgedruckt, jedoch mit weiser Weglassung des zweiten Satzes, aus dem klar hervorging, daß dieser Brief von einem schadenfrohen, honetten Feind kam. Noch nicht genug; einige Tage später schlug man diese Fälschung des Constitutionnel an allen Straßenecken unter der fast unleserlich kleinen Ueberschrift an: "Ein Brief an Blanqui." Auf diese Weise alarmirten die Gewalthaber der honetten Republik, denn nur von ihnen konnte die Publikation ausgehen, die Bürger gegen mich; sie benutzten sogar die anonymen Briefe meiner Feinde, um sie zu verfälschen und an den Straßen anzuschlagen, damit die Blödsinnigen, welche die kleingedruckte Ueberschrift noch übersehen, dies Polizeiwerk für einen Aufruf meiner Freunde zum Bürgerkrieg halten.

Man blieb aber selbst hierbei noch nicht stehen. Die offiziellen Verschwörer, die Männer der Regierung, welche die Wahrheit besser wissen mußten, acceptirten gleichwohl diese elenden Verleumdungen als Wahrheit, sie acceptirten sie nicht passiv, durch ihr Stillschweigen, nein, sie verbreiteten die Lüge wissentlich, offiziell von der Tribüne der Nationalversammlung herab. Lesen Sie in den Berichten des Moniteur die Worte, welche ein Repräsentant, ein Minister, der honette, durch die Reaktion von 1839 zuerst emporgekommene Dufaure bei Gelegenheit dieses Briefes sprach. Dieser Elende präsentirte das Aktenstück als ein bereits berühmt gewordenes Manifest der Demokraten, und klagte mich der moralischen Mitschuld an, mich, der ich damals Gefangener war, und mich nicht vertheidigen konnte, er produzirte seine perfiden Verleumdungen unter der doppelten feigen Sicherheit seiner Unverletzlichkeit als Abgeordneter, den ich nicht einmal gerichtlich verfolgen konnte, da er über seine Lügen in der Assemblee Niemanden Rechenschaft zu geben braucht!

Wenn die Verleumdung schon mit solcher Schamlosigkeit in Sachen auftritt, die so leicht, so sicher enthüllt werden konnten, welche Schranken standen ihr dann wohl bei jenen Machinationen im Wege, die Mann an Mann gar nicht zu erfassen sind, die dem gefangenen Opfer nichts als den Schrei der Verzweiflung übrig lassen: "Elender, du lügst!?"

"Warum sich geniren? Gegen Blanqui, diesen Verworfenen, diesen Tiger, ist die Verleumdung eine Schuldigkeit, der Dolch eine Tugend! Ein Stoß gegen Blanqui ist eine Bitte zu Gott!" Und somit ist der Sturm von allen Seiten des Horizonts gegen [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.

sische Truppen ins Land, was uns als Vorbereitung zu irgend einem Kriege vorkommt.

(Buk.)
Französische Republik.
12 Paris, 3. April.

Der Geist Guizot's schwebt bereits über der Bougeois-Kammer, schwebt über dem Ministerium, und bekundet sich auf dieselbe skandalöse Weise, wie unter weiland Louis Philipp, wo Minister-Audienzen und Fürsprache bei Ministern für große Summen sich kaufen ließen. Bekanntlich erhalten nur diejenigen Präfekten eine Pension von 6 bis 7000 Franken, die zu ferneren Diensten auf die eine oder andere Weise unfähig geworden. Nun hatte die provisorische Regierung mit einem Schlage 16 Präfekten destituirt, die unter Duchâtel und Guizot noch lange Zeit Präfektendienste hätten thun können. Unter der provisorischen Regierung dachten diese Leute nicht daran, eine Pension zu reklamiren. Unter Faucher finden sie sich plötzlich als Invaliden mit mehr oder weniger Gebrechlichkeiten in Folge ihrer Dienste angeführt, und erhalten Pensionen. Wer hat ihnen das Krankenzeugniß ausgestellt? Der honette Barrot! Wann hat er ihnen dieses Invalidenzeugniß ausgestellt?

Am 21. Februar 1849. Wann sind diese Leute invalide geworden? etwa am 24. Februar, in Folge empfangener Wunden? Nein; sie werden invalide unter dem jeune Faucher und dem honnetten Barrot im Augenblicke, wo sie erst physisch geheilt werden von der moralischen Krankheit des Februar, im Augenblicke wo sie wieder als gesunde, wohlgenährte Präfekten frei an's Tagelicht treten. Drei dieser invaliden Präfekten werfen sogar ihre Krücken weg, und erhalten ihre neue Anstellung gleichzeitig mit ihrer Pension.

Guizot als konsumirter Doktrinär hatte doch wenigstes sein Corruptionssystem glänzend zu vertheidigen gewußt; aber der junge, unerfahrene Faucher that uns wirklich leid, wie er die elendigsten Entschuldigungen vorbrachte; bald sagte er, er habe die drei Präfekten wieder angestellt, um die Staatsgelder zu ökonomisiren, und der Zahlung einer Pension enthoben zu sein; dann gibt er vor, die drei Präfekten hätten während des Jahres Zeit gehabt, sich zu erholen u. s. w. Aber wer hätte geglaubt, daß der honnette Barrot noch dem jungen Faucher zu Hülfe kommen würde, um das Guizot'sche Corruptionssystem vertheidigen zu helfen! Wer hätte ferner geglaubt, daß unter diesen geheilten Präfekten sich ein leibhafter Schwager des Herrn Barrot befindet.

Wer hätte endlich gedacht, daß alle diese Bettel-Präfekten schon ein Privatvermögen von 30 bis 40,000 Fr. Renten besitzen? Und das Journal des Debats, das ganz andere Korruptionsgeschichten zu beschönigen hatte, als diese Lappalien, erstaunt sich, wie man in der Kammer einen solchen Skandal darüber erheben konnte. Die Liquidation dieser Pensionen habe ja in der gehörigen Form stattgefunden; die Anfragen seien dem Staatsrath überwiesen worden, der Staatsrath habe sein Gutachten darüber ausgestellt, und auf dieses Gutachten hin habe das Ministerium die Pensionen bewilligt. O, dieses Bettelvolk von Präfekten, die, nicht zufrieden nach der Februarrevolution ihr Leben, ihre Freiheit und ihre 30,000 Fr. Renten gerettet zu haben, sich von Faucher noch nachträglich das durch die Februarrevolution Verlorene auszahlen lassen. Außer dem Schwager des Hrn. Barrot, befindet sich auch der Bruder des Hrn. Duchatel unter den pensionirten Präfekten. In Geldfragen hört die Ehrlichkeit auf.

Von heute an hat also Leon Faucher auch seine politischen Antezedentien. Er stand gar zu bloß und zu „blanc“ da. Jules Favre trat mit einer Tagesordnung auf, die den Fall des Ministeriums nach sich ziehen mußte: das Gesetz von 1790, in Bezug auf die Pensionen ist formell und die Gesetzesüberschreitung unläugbar. Faucher hat das Gesetz überschritten, und die „Moral“ der Politik untergeordnet. Die Kammer, nach der brillanten Rede des Hrn. Favre, ist einen Augenblick entrüstet, weniger wegen der Verletzung der Moral, als wegen der Unverschämtheit der dickleibigen Präfekten, die sich von ihren Aerzten Krankheitszeugnisse ausstellen lassen, um auf dieses Zeugniß hin 6000 Fr. Renten zu erschleichen und unter Faucher und Barrot plötzlich wieder so gesund zu werden, daß sie ihre Stellen von 20,000 Fr. reklamiren und erhalten. Barrot zittert einen Augenblick für seinen Schwager und für Duchatel: er besteigt die Tribune, redet stottertt und endet mit dem traurigen Geständnisse: Faucher habe vielleicht nicht ganz Unrecht; aber nicht die Moral, nicht Korruption sei hier im Spiele, sondern die Politik! Man solle sich hüten, für den Antrag Favre's zu stimmen, der eine politische Revolution verberge. Und die Kammer geht in sich; sie läßt den reichen Präfekten die schwache Pension, zumal ein Duchatel und da ein Schwager Barrots sich unter den Präfekten befinden und sie stimmte mit 6 Stimmen Majorität für Verweisung an eine Kommission!

Die Korruption der Kammer geht gleichen Schritt mit den Banketts der Demokraten; heute galt es den Delegirten vom Luxembourg: die Soldaten waren zahlreich vertreten und Felix Pyat hat ihnen einen Toast gebracht.

Seine Rede war darauf berechnet, den Soldaten fühlbar zu machen, wer ihre Feinde sind: Er erinnert mit Geschicklichkeit an den Meuchelmord der treu gebliebenen plebejischen Generale Ney, Lagarde, Labedoyere etc. „Eure Feinde haben kein anderes Vaterland als die Börse; kein heiligeres Interesse als die Rente, die steigt, wenn Frankreich fällt, und die am besten stand, als Ihr zu Waterloo fielt‥‥ Die Männer, die Ihr an der Spitze seht, thäten nichts lieber, als Eurem Frankreich eine Kosacken-Infusion zum Einnehmen zu geben, um es zum Erbrechen der Republik zu bringen. Diese Männer haben sich heute hypokritisch dem Neffen des Mannes angeschlossen, den sie selbst proscribirt haben, und dieser Neffe, der die Zeit seines Exils damit zugebracht hat, die Adler seines Onkels zu zähmen, sieht ruhig zu, wie seine Minister sich die Taschen anfüllen, und die Köpfe Eurer Brüder abschneiden.“

Die Rede Pyat's wird zu tausenden von Exemplaren abgezogen und bringt in die Kasernen ungeachtet aller Verbote der Bugeaud's und Changarnier's.

Paris, 3. April. 2 Uhr.

Eben bringt der Eisenbahnzug das Urtheil aus Bourges, das noch drakonischer ausgefallen ist, als man selbst von diesem Mörderhof bezahlter Beamten-Geschwornen erwartete. Barbes und Albert sind zu lebenslänglicher Deportation (!!!), Blanqui zu zehnjährigem Gefängniß (!!!), Sobrier zu siebenjährigem Gefängniß, Raspail (!!!) zu sechsjährigem Gefängniß, Flotte zu fünfjährigem Gefängniß und Quentin ebenfalls zu fünfjährigem Gefängniß verurtheilt worden.

General Courtais, Degré (genannt le pompier), Borme und Villain sind freigesprochen. Ueber Huber, der sich erst vorgestern stellte, ist Separatprozeß eingeleitet. Die übrigen Angeklagten sind in contumaciam verurtheilt. Der Urtheilsspruch erfolgte gestern Abend 11 Uhr. Keiner der Angeklagten verzog auch nur eine Miene bei Anhörung des Urtheils. Raspail sagte: „Es ist in dieser Sache besser, verurtheilt zu werden, als zu verurtheilen.“ Als die Gefangenen aus dem Sitzungssaale geführt wurden, drückten mehrere von ihnen ihren Vertheidigern die Hände. Barbes und Sobrier riefen: Es lebe die demokratisch-sociale Republik! So endigte der große Staatsprozeß des 15. Mai 1848. Um 11 1/2 Uhr verlief sich die Menge; die Säle des mittelalterlichen Finanzjuden Jacques-Coeur wurden geleert; starke Patrouillen durchziehen die Stadt Bourges.

‒ Die Nationalversammlung, mit dem Budget des Ministeriums des Innern beschäftigt, hat auf den Vorschlag Ledru-Rollin's das Gehalt von 50,000 Fr. für den Oberkommandanten der Pariser Bürgerwehr und Divisionskommandanten des Seinedepartements etc. gestrichen! Das ist ein harter Schlag für Changarnier. Man will ihn durch Collekte entschädigen.

Ebenso verwarf die Versammlung einen Antrag Pierre Bonaparte's, 25,000 Fr. zur Errichtung eines Denkmals für Ney auf der Stelle im Luxembourg, wo er erschossen wurde, zu bewilligen.

‒ Abbé Fayet, der bekannte voltairianische Bischof und Volksvertreter von Orleans (Anhänger Cavaignac's), ist gestorben.

‒ Präsident Bonaparte besichtigte heute Vincennes.

‒ Gioberti wird heute mit außerordentlichen Aufträgen aus Turin im Elysée erwartet. Er hat Taschen voll Radetzki'scher Geheimnisse!

‒ Das bonapartistische Morgenblatt „La Liberté“ meldet: Auf außerordentlichem Wege erfahren wir, daß sich die kriegerisch gesinnte zweite Kammer aus Turin nach Genua zurückgezogen und dort die Republik proklamiert habe.

Ein ähnliches Gerücht geht an der Börse.

‒ Abbé Genoude überraschte uns gestern Abend in seiner Gazette de France mit einer Ministerkrisis. Er zeigte an, daß sich das Barrot-Faucher-Kabinet nach der gestrigen Kammerschlappe zurückzöge. Fehlgeschossen! Bonaparte ist durch seine Schuldscheine gezwungen, mit diesem Ministerium die Wahlschlacht durchzumachen.

‒ Das Wahlmanifest der demokratisch-sozialistischen Partei (der Rothen), das alle monarchischen Blätter für diesen Morgen verkündeten, ist heute noch nicht erschienen. Es zirkulirte bereits gestern unter der äußersten Linken und floß aus der Feder Felix Pyat's. Einige Stellen sind noch zu ändern.

‒ Die Wahllisten werden am 10. d. geschlossen.

‒ Nachdem die Nationalversammlung gestern den Hrn. Odilon-Faucher (wie ihn Charivari nennt) so unbarmherzig für gewisse administrative Corruptionen gezüchtigt, wird sie wahrscheinlich heute dem edlen Herrn v. Falloux auf den Leib rücken. Das Unterrichtsbüdget beträgt 20,760,318 Frs. und wird zu nicht minder heftigen Debatten führen.

‒ Der Schluß der gestrigen Sitzung zog sich bis nach 7 Uhr und endigte mit einem Tadelsvotum gegen den Minister Faucher, der sich nun vor der Büdgetkommission wegen administrativer Corruption zu rechtfertigen hat. Das Votum ging mit 363 gegen 350 Stimmen durch. Faucher stellte z. B. alte Beamte Louis Philipp's als Präfekten im Januar an, die bis dahin als erblindet, schwere Pensionen bezogen haben etc.

‒ Das vielbesprochene Primar- und Sekundar-Unterrichtsgesetz wird in gegenwärtiger Kammersession das Licht der Welt erblicken. Hr. Thiers, Cousin und die übrigen Freunde der Gesellschaft Jesu wollen dasselbe erst der nächsten Kammer vorlegen.

‒ Kardinal Giraud ist aus Gaëta zurückgekehrt; dagegen hat der aus Freiburg im Uechtlande geflüchtete Bischof Marilley vom Ministerium Pässe nach Gaëta verlangt, die ihm dasselbe ohne Zweifel ertheilt.

Vom Bischof von Rennes sind neue 20,000 Frs. als Pabststeuer nach Gaëta gewandert.

‒ Buvignier (vom Berge) überreichte gestern der Nationalversammlung fünfzehn Petitonen für Restution der Milliarde.

‒ Gestern sahen wir zwei Legionen von Savoyarden, Piemontesen, Sardiniern und sonstigen Italienern, denen sich ein Häuflein Ex-Mobilgardisten beigesellt hat, nach den Alpen abmarschiren. Unter dem hundertfachen Rufe: Es lebe die französisch und italienische Republik! zogen die beiden Legionen, die Marseillaise singend, ab.

‒ Es scheint gewiß, daß Taschereau dem Thiers den auf letzteren bezüglichen Theil des Ludwig Philippschen Portefeuilles verkaufthai. Man ist diesem Schurkenstreiche auf der Spur.

(Revolution.)

National-Versammlung. Sitzung vom 3. April. Anfang 12 1/2 Uhr. Marrast läßt durch Stimmzettel die Zahl der Anwesenden ermitteln Sie beträgt 530 Glieder.

An der Tagesordnung ist das Büdget des Ministeriums des Innern. Die Debatte rückte gestern Abend bis Kapitel 3.

Kapitel 4 wird ohne Diskussion angenommen.

Kapitel 5 (geheime Polizei-Ausgaben) wird bestritten. Der Ausschuß schlägt eine Ersparniß von 100,000 Franken vor.

Faucher, Minister, hält dieselbe für den Generalpolizeidienst nachtheilig.

Pierre Leroux unterstützt nicht nur die Reduktion, sondern eifert überhaupt fürchterlich gegen die Polizei. Ihr ursprünglicher Zweck, die Bürger zu bewahren, werde gänzlich verfehlt und sie sei nur noch da, um die Bürger zu quälen, Bankette zu stören. (Rechts: daran thut sie sehr wohl!) Das ehrenwerthe Glied benutzt diese Gelegenheit, um die Wuth zu geisseln, mit der Herr Faucher die Clubs des Volkes verfolge. (Zur Abstimmung! zur Abstimmung! von der Rechten.)

Die Ersparniß wird angenommen. (Agitation.)

Kapitel 6 und 7 gehen ohne viel Federlesens durch.

Kapitel 8 (Ausgaben für die Bürgerwehren) erregt großen Skandal. Der Ausschuß schlägt eine Ersparniß von 97,000 Franken vor.

Deludre, unterstützt von Ledru-Rollin, tragen darauf an, das Gehalt von 50,000 Franken für den Oberbefehlshaber der Bürgerwehr des Seine-Departements, General Changarnier, zu streichen Derselbe sei zugleich Deputirter, mithin Cumul vorhanden.

Faucher verspricht, die Regierung werde die ausnahmsweise Militärgewalt Changarnier's ändern, sobald es die Umstände erlauben. (Ah! Ah!)

Degoussée und Cremieux unterstützen die Ersparniß.

Dieselbe wird mit 361 gegen 304 Stimmen Mehr angenommen. (Sensation)

Während der Operation des Stimmens liest Marrast ein Urlaubsgesuch Proudhon's vor. Proudhon verlangt einen einmonatlichen Urlaub, um ein Memoire auszuarbeiten.

Der Urlaub wird bewilligt, aber das Gerücht geht, Proudhon sei nach Belgien geflüchter, um sich einem Handstreich der Reaktion zu entziehen.

Die Büdget-Debatte wird wieder aufgenommen. Die Streichung des Gehalts Changarniers macht solches Aufsehen, daß Listen zur freiwilligen Subscription Behufs Deckung jener 50,000 Fr. circuliren.

Kapitel 18 (Ermunterungsprämien für Literatur und Theater) führt Favre auf die Bühne. Er beklagt sich, daß das Ministerium ruhig zusehe, wie man die republikanische Regierungsform jeden Tag insultire und auf der Bühne lächerlich mache. Gegen den Socialismus nur zu Felde ziehe.

Faucher appellirt an die Meinungs-Freiheit (Ah! Ah! zur Linken) und willigt in die beantragte Ersparniß von 100,000 Fr.

Bei Kapitel 22 wurde die Debatte abgebrochen und somit das Ministerium des Innern noch nicht erledigt.

Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.

* Antibes, 27. März.

Der Ex-König Karl Albert ist in unsrer Stadt: er reist unter dem Namen eines Grafen von Bargo. Die Autorität der Stadt hat Alles Mögliche gethan um seine Anwesenheit verborgen zu halten. Aber der Ex-König hat schon dafür gesorgt, daß dieselbe ruchbar werde, und da hat er dann die hypokritische Phrase ausgesprochen: „Ich habe Alles gethan, um von den Kugeln getroffen zu werden, aber die Kugeln haben mich unglücklicher Weise vermieden.“ Karl Alb rt hat von der französischen Regierung ein Schiff verlangt, um sich nach Lisabon zu begeben.

* Bourges, 31. März.

(Schluß der Rede Blanqui's.)

… Was mich betrifft, so bin ich unbekümmert um einen Ausgang, der für Niemand hier definitiv sein kann; ich acceptire den Kampf nicht nur auf dem Boden der Thatsachen, der nur zum Schein und zur Verdeckung des wahren Angriffs hier behauptet wird, sondern vor Allem in der politischen Frage, welche die einzig ernsthafte in dieser Sache ist.

Niemand glaubt mehr, daß man wirklich Rechenschaft von mir über das angebliche Attentat vom 15. Mai verlangt; die Parole dieses Prozesses ist für Niemanden ein Geheimniß mehr. Man behauptet den monomanen Verschwörer vernichten zu müssen, wie das Requisitorium sich ausdrückt, welches seine Sprache den Freibeutereien des Charivari entlehnt; den monomanen Verschwörer, d. h. den Mann, welcher unbeirrt um die Abschweifungen der Parteien den Triumph einer Idee, niemals aber die Interessen persönlichen Ehrgeizes verfolgt. Ja, ich verfolge meine Idee, die Wegräumung der letzten Ruinen auf dem Wege der Zukunft, und wenn ich hier vor einer erbärmlichen Prozedur darüber Rechenschaft zu geben habe, so mag das Land entscheiden, nicht über mich, sondern über euch und meine Feinde, über meine Bestrebungen für das Volk, und über diejenigen, welche sie vernichten.

… Welchen Werth haben schriftliche Prozeßakten, welche niemals der wörtliche Ausdruck offener und natürlicher Depositionen sein können? Wenn die Zeugen selbst nicht mehr ihre volle Freiheit haben, was will man dann von der Stellung eines Angeklagten sagen? Ich weiß, man wird mir antworten, daß ich die Gerechtigkeit in ihrem Kampf gegen das Verbrechen entwaffnen wolle, indem ich sie des sichersten Instruktionsmittels beraube. Das aber ist das nämliche Argument, welches so lange Jahre zur Vertheidigung der Tortur gegen den Schrei der entrüsteten Gesellschaft diente, und doch hat die Tortur endlich dem allgemeinen Fluch erliegen müssen. Glauben Sie vielleicht auch hierin eine geschichtliche Ausnahme zu sein, meine Herren Ausnahme-Richter?! Zwischen Ihnen und uns wird die Zukunft niemals schwanken, und unter uns Beiden sind Sie es nicht, der rufen kann: „Für mich die Zukunft!“ …

Man sagt soeben, daß dies Mißtrauen gegen die geheime Instruktion eine Beleidigung der Beamten sei. In diesem Fall sind alle Seiten des Kriminalgesetzbuchs offizielle Beleidigungen der Beamten. Ist nicht die Jury, die Oeffentlichkeit der Verhandlung, jede in unsern Gesetzen angeordnete Formalität ein offenes Mißtrauen gegen die Beamten? Jeder den Angeklagten bewilligte Schutz ist dann eine Beleidigung des Gerichts. Möge das Land von diesen Ansichten, welche den „hohen Gerichtshof“ erfüllen, Kenntniß nehmen und danach unsern Prozeß beurtheilen.

… Ich habe Ihnen ein Muster des Instruktionsverfahrens versprochen; ich komme jetzt darauf, mein Versprechen zu erfüllen.

Es ist des gegenwärtigen Gerichtes würdig, die längst gefallene Untrüglichkeit des Pabstes, durch die neue Untrüglichkeit der Beamten zu ersetzen. Aber diese Untrüglichkeit reicht nur so weit, als es sich gegen die Angeklagten handelt. Man hat vor acht Tagen eine gesetzlich legitimirte Deposition zu meinen Gunsten von Brest an den Generalprokurator gesendet; ich habe nichts davon zu Gesicht bekommen. (Der Generalprokurator bestreitet den Vorfall; Blanqui produzirt Briefe, wonach die amtlich legalisirte Deposition allerdings abgesendet worden.)

Man hat ferner ganz Paris während voller sechs Monate umgekehrt, um die kleinsten und frivolsten Dinge gegen die Angeklagten hervorzusuchen, während man den Gefangenen selbst nur fünf Tage zur Beschaffung ihrer schwachen Hülfsmittel gewährte.

Was Lacambre betrifft, so hat man ihn wohl oder übel außer Verfolgung setzen müssen. Ich will hier nicht von dem elenden Gewebe reden, durch welches man ihn durch die Hölle der Kriegsgerichte vom Juni zog; diese Geschichte wird noch später mit all ihren blutigen Beweisen an den Tag gebracht werden. Wenn Lacambre am 15. Mai nur von einem der so zahlreichen und so gefälligen Zeugen gesehen worden wäre, welche Anklagen hätte man nicht über seinem Haupte gesammelt! Ein Glas Wasser in seinen Händen würde hingereicht haben, ihm die Beschuldigung eines Vergiftungsversuches der Assemblée zuzuziehen. Ja, dieser denkwürdige Rapport des Herrn Bertrand wird als ein doppeltes Aktenstück für die geheime Prozedur und politische Tendenzprozesse in der Geschichte bleiben. Lacambre ist ein „Freund Blanqui's,“ … es liegt nichts gegen ihn vor, aber „er soll die Bewegung organisirt haben,“ und das genügt für die keusche Anklage des Generalprokurators, um die Freundschaft Lacambre als Belastung gegen mich vorzubringen.

Ich will nicht in die ganze Leidensgeschichte der Verfolgungen und niederträchtigen Verleumdungen eingehen, zu deren Opfer man mich erkoren. Lassen Sie mich einfach eine einzige der von meinen wüthenden Feinden erfundenen Büßungen erzählen; das Aktenstück, welches zu dieser modernen Tortur diente, befindet sich in dem Prozeß; es ist ein an mich adressirter Brief.

Sie erinnern sich, daß die Polizei nach dem 15. Mai einige Zeit brauchte, um mich aufzufinden. Und was gebrauchte man dabei für Mittel? Man legte auf der Post auf alle Briefe Beschlag, die an mich eingingen. In demjenigen, von welchem ich sprechen will, las man, daß die Sozialisten den Taucher machen wollten; daß sie für den Augenblick nicht hoffen dürften, durch den offenen Kampf zu siegen: „Arme geheime Gesellschaften,“ hieß es höhnisch, „was werdet ihr jetzt anfangen?“ Und dann folgten satyrische Rathschläge, die Gesellschaft durch fortwährende Agitationen zu beunruhigen, die Bourgeoisgemüther durch eingebildete Gefahren zu ängstigen, den Handel zu stören, den Kredit zu untergraben und die Gesellschaft endlich durch den Hunger zur Uebergabe zu zwingen.

Dieser Brief wurde sofort im Constitutionnel, diesem platten Verleumdungsblatt abgedruckt, jedoch mit weiser Weglassung des zweiten Satzes, aus dem klar hervorging, daß dieser Brief von einem schadenfrohen, honetten Feind kam. Noch nicht genug; einige Tage später schlug man diese Fälschung des Constitutionnel an allen Straßenecken unter der fast unleserlich kleinen Ueberschrift an: „Ein Brief an Blanqui.“ Auf diese Weise alarmirten die Gewalthaber der honetten Republik, denn nur von ihnen konnte die Publikation ausgehen, die Bürger gegen mich; sie benutzten sogar die anonymen Briefe meiner Feinde, um sie zu verfälschen und an den Straßen anzuschlagen, damit die Blödsinnigen, welche die kleingedruckte Ueberschrift noch übersehen, dies Polizeiwerk für einen Aufruf meiner Freunde zum Bürgerkrieg halten.

Man blieb aber selbst hierbei noch nicht stehen. Die offiziellen Verschwörer, die Männer der Regierung, welche die Wahrheit besser wissen mußten, acceptirten gleichwohl diese elenden Verleumdungen als Wahrheit, sie acceptirten sie nicht passiv, durch ihr Stillschweigen, nein, sie verbreiteten die Lüge wissentlich, offiziell von der Tribüne der Nationalversammlung herab. Lesen Sie in den Berichten des Moniteur die Worte, welche ein Repräsentant, ein Minister, der honette, durch die Reaktion von 1839 zuerst emporgekommene Dufaure bei Gelegenheit dieses Briefes sprach. Dieser Elende präsentirte das Aktenstück als ein bereits berühmt gewordenes Manifest der Demokraten, und klagte mich der moralischen Mitschuld an, mich, der ich damals Gefangener war, und mich nicht vertheidigen konnte, er produzirte seine perfiden Verleumdungen unter der doppelten feigen Sicherheit seiner Unverletzlichkeit als Abgeordneter, den ich nicht einmal gerichtlich verfolgen konnte, da er über seine Lügen in der Assemblée Niemanden Rechenschaft zu geben braucht!

Wenn die Verleumdung schon mit solcher Schamlosigkeit in Sachen auftritt, die so leicht, so sicher enthüllt werden konnten, welche Schranken standen ihr dann wohl bei jenen Machinationen im Wege, die Mann an Mann gar nicht zu erfassen sind, die dem gefangenen Opfer nichts als den Schrei der Verzweiflung übrig lassen: „Elender, du lügst!?“

„Warum sich geniren? Gegen Blanqui, diesen Verworfenen, diesen Tiger, ist die Verleumdung eine Schuldigkeit, der Dolch eine Tugend! Ein Stoß gegen Blanqui ist eine Bitte zu Gott!“ Und somit ist der Sturm von allen Seiten des Horizonts gegen [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.

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          <p><pb facs="#f0004" n="1494"/>
sische Truppen ins Land, was uns als Vorbereitung zu irgend einem Kriege vorkommt.</p>
          <bibl>(Buk.)</bibl>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 3. April.</head>
          <p>Der Geist Guizot's schwebt bereits über der Bougeois-Kammer, schwebt über dem Ministerium, und bekundet sich auf dieselbe skandalöse Weise, wie unter weiland Louis Philipp, wo Minister-Audienzen und Fürsprache bei Ministern für große Summen sich kaufen ließen. Bekanntlich erhalten nur diejenigen Präfekten eine Pension von 6 bis 7000 Franken, die zu ferneren Diensten auf die eine oder andere Weise unfähig geworden. Nun hatte die provisorische Regierung mit einem Schlage 16 Präfekten destituirt, die unter Duchâtel und Guizot noch lange Zeit Präfektendienste hätten thun können. Unter der provisorischen Regierung dachten diese Leute nicht daran, eine Pension zu reklamiren. Unter Faucher finden sie sich plötzlich als Invaliden mit mehr oder weniger Gebrechlichkeiten in Folge ihrer Dienste angeführt, und erhalten Pensionen. Wer hat ihnen das Krankenzeugniß ausgestellt? Der honette Barrot! Wann hat er ihnen dieses Invalidenzeugniß ausgestellt?</p>
          <p>Am 21. Februar 1849. Wann sind diese Leute invalide geworden? etwa am 24. Februar, in Folge empfangener Wunden? Nein; sie werden invalide unter dem jeune Faucher und dem honnetten Barrot im Augenblicke, wo sie erst physisch geheilt werden von der moralischen Krankheit des Februar, im Augenblicke wo sie wieder als gesunde, wohlgenährte Präfekten frei an's Tagelicht treten. Drei dieser invaliden Präfekten werfen sogar ihre Krücken weg, und erhalten ihre neue Anstellung gleichzeitig mit ihrer Pension.</p>
          <p>Guizot als konsumirter Doktrinär hatte doch wenigstes sein Corruptionssystem glänzend zu vertheidigen gewußt; aber der junge, unerfahrene Faucher that uns wirklich leid, wie er die elendigsten Entschuldigungen vorbrachte; bald sagte er, er habe die drei Präfekten wieder angestellt, um die Staatsgelder zu ökonomisiren, und der Zahlung einer Pension enthoben zu sein; dann gibt er vor, die drei Präfekten hätten während des Jahres Zeit gehabt, sich zu erholen u. s. w. Aber wer hätte geglaubt, daß der honnette Barrot noch dem jungen Faucher zu Hülfe kommen würde, um das Guizot'sche Corruptionssystem vertheidigen zu helfen! Wer hätte ferner geglaubt, daß unter diesen geheilten Präfekten sich ein leibhafter Schwager des Herrn Barrot befindet.</p>
          <p>Wer hätte endlich gedacht, daß alle diese Bettel-Präfekten schon ein Privatvermögen von 30 bis 40,000 Fr. Renten besitzen? Und das Journal des Debats, das ganz andere Korruptionsgeschichten zu beschönigen hatte, als diese Lappalien, erstaunt sich, wie man in der Kammer einen solchen Skandal darüber erheben konnte. Die Liquidation dieser Pensionen habe ja in der gehörigen Form stattgefunden; die Anfragen seien dem Staatsrath überwiesen worden, der Staatsrath habe sein Gutachten darüber ausgestellt, und auf dieses Gutachten hin habe das Ministerium die Pensionen bewilligt. O, dieses Bettelvolk von Präfekten, die, nicht zufrieden nach der Februarrevolution ihr Leben, ihre Freiheit und ihre 30,000 Fr. Renten gerettet zu haben, sich von Faucher noch nachträglich das durch die Februarrevolution Verlorene auszahlen lassen. Außer dem Schwager des Hrn. Barrot, befindet sich auch der Bruder des Hrn. Duchatel unter den pensionirten Präfekten. In Geldfragen hört die Ehrlichkeit auf.</p>
          <p>Von heute an hat also Leon Faucher auch seine <hi rendition="#g">politischen</hi> Antezedentien. Er stand gar zu bloß und zu &#x201E;<hi rendition="#g">blanc</hi>&#x201C; da. Jules Favre trat mit einer Tagesordnung auf, die den Fall des Ministeriums nach sich ziehen mußte: das Gesetz von 1790, in Bezug auf die Pensionen ist formell und die Gesetzesüberschreitung unläugbar. Faucher hat das Gesetz überschritten, und die &#x201E;Moral&#x201C; der Politik untergeordnet. Die Kammer, nach der brillanten Rede des Hrn. Favre, ist einen Augenblick entrüstet, weniger wegen der Verletzung der Moral, als wegen der Unverschämtheit der dickleibigen Präfekten, die sich von ihren Aerzten Krankheitszeugnisse ausstellen lassen, um auf dieses Zeugniß hin 6000 Fr. Renten zu erschleichen und unter Faucher und Barrot plötzlich wieder so gesund zu werden, daß sie ihre Stellen von 20,000 Fr. reklamiren und erhalten. Barrot zittert einen Augenblick für seinen Schwager und für Duchatel: er besteigt die Tribune, redet stottertt und endet mit dem traurigen Geständnisse: Faucher habe vielleicht nicht ganz Unrecht; aber nicht die Moral, nicht Korruption sei hier im Spiele, sondern die Politik! Man solle sich hüten, für den Antrag Favre's zu stimmen, der eine politische Revolution verberge. Und die Kammer geht in sich; sie läßt den reichen Präfekten die schwache Pension, zumal ein Duchatel und da ein Schwager Barrots sich unter den Präfekten befinden und sie stimmte mit 6 Stimmen Majorität für Verweisung an eine Kommission!</p>
          <p>Die Korruption der Kammer geht gleichen Schritt mit den Banketts der Demokraten; heute galt es den Delegirten vom Luxembourg: die Soldaten waren zahlreich vertreten und Felix Pyat hat ihnen einen Toast gebracht.</p>
          <p>Seine Rede war darauf berechnet, den Soldaten fühlbar zu machen, wer ihre Feinde sind: Er erinnert mit Geschicklichkeit an den Meuchelmord der treu gebliebenen plebejischen Generale Ney, Lagarde, Labedoyere etc. &#x201E;Eure Feinde haben kein anderes Vaterland als die Börse; kein heiligeres Interesse als die Rente, die steigt, wenn Frankreich fällt, und die am besten stand, als Ihr zu Waterloo fielt&#x2025;&#x2025; Die Männer, die Ihr an der Spitze seht, thäten nichts lieber, als Eurem Frankreich eine Kosacken-Infusion zum Einnehmen zu geben, um es zum Erbrechen der Republik zu bringen. Diese Männer haben sich heute hypokritisch dem Neffen des Mannes angeschlossen, den sie selbst proscribirt haben, und dieser Neffe, der die Zeit seines Exils damit zugebracht hat, die Adler seines Onkels zu zähmen, sieht ruhig zu, wie seine Minister sich die Taschen anfüllen, und die Köpfe Eurer Brüder abschneiden.&#x201C;</p>
          <p>Die Rede Pyat's wird zu tausenden von Exemplaren abgezogen und bringt in die Kasernen ungeachtet aller Verbote der Bugeaud's und Changarnier's.</p>
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          <head>Paris, 3. April. 2 Uhr.</head>
          <p>Eben bringt der Eisenbahnzug das Urtheil aus Bourges, das noch drakonischer ausgefallen ist, als man selbst von diesem Mörderhof bezahlter Beamten-Geschwornen erwartete. Barbes und Albert sind zu <hi rendition="#g">lebenslänglicher Deportation</hi> (!!!), Blanqui zu <hi rendition="#g">zehnjährigem Gefängniß</hi> (!!!), Sobrier zu <hi rendition="#g">siebenjährigem</hi> Gefängniß, Raspail (!!!) zu <hi rendition="#g">sechsjährigem</hi> Gefängniß, Flotte zu <hi rendition="#g">fünfjährigem</hi> Gefängniß und Quentin ebenfalls zu fünfjährigem Gefängniß verurtheilt worden.</p>
          <p>General Courtais, Degré (genannt le pompier), Borme und Villain sind freigesprochen. Ueber Huber, der sich erst vorgestern stellte, ist Separatprozeß eingeleitet. Die übrigen Angeklagten sind in contumaciam verurtheilt. Der Urtheilsspruch erfolgte gestern Abend 11 Uhr. Keiner der Angeklagten verzog auch nur eine Miene bei Anhörung des Urtheils. Raspail sagte: &#x201E;Es ist in dieser Sache besser, verurtheilt zu werden, als zu verurtheilen.&#x201C; Als die Gefangenen aus dem Sitzungssaale geführt wurden, drückten mehrere von ihnen ihren Vertheidigern die Hände. Barbes und Sobrier riefen: Es lebe die demokratisch-sociale Republik! So endigte der große Staatsprozeß des 15. Mai 1848. Um 11 1/2 Uhr verlief sich die Menge; die Säle des mittelalterlichen Finanzjuden Jacques-Coeur wurden geleert; starke Patrouillen durchziehen die Stadt Bourges.</p>
          <p>&#x2012; Die Nationalversammlung, mit dem Budget des Ministeriums des Innern beschäftigt, hat auf den Vorschlag Ledru-Rollin's das Gehalt von 50,000 Fr. für den Oberkommandanten der Pariser Bürgerwehr und Divisionskommandanten des Seinedepartements etc. <hi rendition="#g">gestrichen!</hi> Das ist ein harter Schlag für Changarnier. Man will ihn durch Collekte entschädigen.</p>
          <p>Ebenso verwarf die Versammlung einen Antrag Pierre Bonaparte's, 25,000 Fr. zur Errichtung eines Denkmals für Ney auf der Stelle im Luxembourg, wo er erschossen wurde, zu bewilligen.</p>
          <p>&#x2012; Abbé Fayet, der bekannte voltairianische Bischof und Volksvertreter von Orleans (Anhänger Cavaignac's), ist gestorben.</p>
          <p>&#x2012; Präsident Bonaparte besichtigte heute Vincennes.</p>
          <p>&#x2012; Gioberti wird heute mit außerordentlichen Aufträgen aus Turin im Elysée erwartet. Er hat Taschen voll Radetzki'scher Geheimnisse!</p>
          <p>&#x2012; Das bonapartistische Morgenblatt &#x201E;La Liberté&#x201C; meldet: Auf außerordentlichem Wege erfahren wir, daß sich die kriegerisch gesinnte zweite Kammer aus Turin nach Genua zurückgezogen und dort die Republik proklamiert habe.</p>
          <p>Ein ähnliches Gerücht geht an der Börse.</p>
          <p>&#x2012; Abbé Genoude überraschte uns gestern Abend in seiner Gazette de France mit einer Ministerkrisis. Er zeigte an, daß sich das Barrot-Faucher-Kabinet nach der gestrigen Kammerschlappe zurückzöge. Fehlgeschossen! Bonaparte ist durch seine Schuldscheine gezwungen, mit <hi rendition="#g">diesem</hi> Ministerium die Wahlschlacht durchzumachen.</p>
          <p>&#x2012; Das Wahlmanifest der demokratisch-sozialistischen Partei (der Rothen), das alle monarchischen Blätter für diesen Morgen verkündeten, ist heute noch nicht erschienen. Es zirkulirte bereits gestern unter der äußersten Linken und floß aus der Feder Felix Pyat's. Einige Stellen sind noch zu ändern.</p>
          <p>&#x2012; Die Wahllisten werden am 10. d. geschlossen.</p>
          <p>&#x2012; Nachdem die Nationalversammlung gestern den Hrn. Odilon-Faucher (wie ihn Charivari nennt) so unbarmherzig für gewisse administrative Corruptionen gezüchtigt, wird sie wahrscheinlich heute dem edlen Herrn v. Falloux auf den Leib rücken. Das Unterrichtsbüdget beträgt 20,760,318 Frs. und wird zu nicht minder heftigen Debatten führen.</p>
          <p>&#x2012; Der Schluß der gestrigen Sitzung zog sich bis nach 7 Uhr und endigte mit einem Tadelsvotum gegen den Minister Faucher, der sich nun vor der Büdgetkommission wegen administrativer Corruption zu rechtfertigen hat. Das Votum ging mit 363 gegen 350 Stimmen durch. Faucher stellte z. B. alte Beamte Louis Philipp's als Präfekten im Januar an, die bis dahin als erblindet, schwere Pensionen bezogen haben etc.</p>
          <p>&#x2012; Das vielbesprochene Primar- und Sekundar-Unterrichtsgesetz wird in gegenwärtiger Kammersession das Licht der Welt erblicken. Hr. Thiers, Cousin und die übrigen Freunde der Gesellschaft Jesu wollen dasselbe erst der nächsten Kammer vorlegen.</p>
          <p>&#x2012; Kardinal Giraud ist aus Gaëta zurückgekehrt; dagegen hat der aus Freiburg im Uechtlande geflüchtete Bischof Marilley vom Ministerium Pässe nach Gaëta verlangt, die ihm dasselbe ohne Zweifel ertheilt.</p>
          <p>Vom Bischof von Rennes sind neue 20,000 Frs. als Pabststeuer nach Gaëta gewandert.</p>
          <p>&#x2012; Buvignier (vom Berge) überreichte gestern der Nationalversammlung fünfzehn Petitonen für Restution der Milliarde.</p>
          <p>&#x2012; Gestern sahen wir zwei Legionen von Savoyarden, Piemontesen, Sardiniern und sonstigen Italienern, denen sich ein Häuflein Ex-Mobilgardisten beigesellt hat, nach den Alpen abmarschiren. Unter dem hundertfachen Rufe: Es lebe die französisch und italienische Republik! zogen die beiden Legionen, die Marseillaise singend, ab.</p>
          <p>&#x2012; Es scheint gewiß, daß Taschereau dem Thiers den auf letzteren bezüglichen Theil des Ludwig Philippschen Portefeuilles verkaufthai. Man ist diesem Schurkenstreiche auf der Spur.</p>
          <p>(Revolution.)</p>
          <p><hi rendition="#g">National-Versammlung.</hi> Sitzung vom 3. April. Anfang 12 1/2 Uhr. Marrast läßt durch Stimmzettel die Zahl der Anwesenden ermitteln Sie beträgt 530 Glieder.</p>
          <p>An der Tagesordnung ist das Büdget des Ministeriums des Innern. Die Debatte rückte gestern Abend bis Kapitel 3.</p>
          <p>Kapitel 4 wird ohne Diskussion angenommen.</p>
          <p>Kapitel 5 (geheime Polizei-Ausgaben) wird bestritten. Der Ausschuß schlägt eine Ersparniß von 100,000 Franken vor.</p>
          <p><hi rendition="#g">Faucher,</hi> Minister, hält dieselbe für den Generalpolizeidienst nachtheilig.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pierre Leroux</hi> unterstützt nicht nur die Reduktion, sondern eifert überhaupt fürchterlich gegen die Polizei. Ihr ursprünglicher Zweck, die Bürger zu bewahren, werde gänzlich verfehlt und sie sei nur noch da, um die Bürger zu quälen, Bankette zu stören. (Rechts: daran thut sie sehr wohl!) Das ehrenwerthe Glied benutzt diese Gelegenheit, um die Wuth zu geisseln, mit der Herr Faucher die Clubs des Volkes verfolge. (Zur Abstimmung! zur Abstimmung! von der Rechten.)</p>
          <p>Die Ersparniß wird angenommen. (Agitation.)</p>
          <p>Kapitel 6 und 7 gehen ohne viel Federlesens durch.</p>
          <p>Kapitel 8 (Ausgaben für die Bürgerwehren) erregt großen Skandal. Der Ausschuß schlägt eine Ersparniß von 97,000 Franken vor.</p>
          <p><hi rendition="#g">Deludre,</hi> unterstützt von Ledru-Rollin, tragen darauf an, das Gehalt von 50,000 Franken für den Oberbefehlshaber der Bürgerwehr des Seine-Departements, General Changarnier, zu streichen Derselbe sei zugleich Deputirter, mithin Cumul vorhanden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Faucher</hi> verspricht, die Regierung werde die ausnahmsweise Militärgewalt Changarnier's ändern, sobald es die Umstände erlauben. (Ah! Ah!)</p>
          <p>Degoussée und Cremieux unterstützen die Ersparniß.</p>
          <p>Dieselbe wird mit 361 gegen 304 Stimmen Mehr angenommen. (Sensation)</p>
          <p>Während der Operation des Stimmens liest Marrast ein Urlaubsgesuch Proudhon's vor. Proudhon verlangt einen einmonatlichen Urlaub, um ein Memoire auszuarbeiten.</p>
          <p>Der Urlaub wird bewilligt, aber das Gerücht geht, Proudhon sei nach Belgien geflüchter, um sich einem Handstreich der Reaktion zu entziehen.</p>
          <p>Die Büdget-Debatte wird wieder aufgenommen. Die Streichung des Gehalts Changarniers macht solches Aufsehen, daß Listen zur freiwilligen Subscription Behufs Deckung jener 50,000 Fr. circuliren.</p>
          <p>Kapitel 18 (Ermunterungsprämien für Literatur und Theater) führt Favre auf die Bühne. Er beklagt sich, daß das Ministerium ruhig zusehe, wie man die republikanische Regierungsform jeden Tag insultire und auf der Bühne lächerlich mache. Gegen den Socialismus nur zu Felde ziehe.</p>
          <p><hi rendition="#g">Faucher</hi> appellirt an die Meinungs-Freiheit (Ah! Ah! zur Linken) und willigt in die beantragte Ersparniß von 100,000 Fr.</p>
          <p>Bei Kapitel 22 wurde die Debatte abgebrochen und somit das Ministerium des Innern noch nicht erledigt.</p>
          <p>Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.</p>
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          <p>Der Ex-König Karl Albert ist in unsrer Stadt: er reist unter dem Namen eines Grafen von Bargo. Die Autorität der Stadt hat Alles Mögliche gethan um seine Anwesenheit verborgen zu halten. Aber der Ex-König hat schon dafür gesorgt, daß dieselbe ruchbar werde, und da hat er dann die hypokritische Phrase ausgesprochen: &#x201E;Ich habe Alles gethan, um von den Kugeln getroffen zu werden, aber die Kugeln haben mich unglücklicher Weise vermieden.&#x201C; Karl Alb rt hat von der französischen Regierung ein Schiff verlangt, um sich nach Lisabon zu begeben.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Bourges, 31. März.</head>
          <p>(Schluß der Rede Blanqui's.)</p>
          <p>&#x2026; Was mich betrifft, so bin ich unbekümmert um einen Ausgang, der für Niemand hier definitiv sein kann; ich acceptire den Kampf nicht nur auf dem Boden der Thatsachen, der nur zum Schein und zur Verdeckung des wahren Angriffs hier behauptet wird, sondern vor Allem in der politischen Frage, welche die einzig ernsthafte in dieser Sache ist.</p>
          <p>Niemand glaubt mehr, daß man wirklich Rechenschaft von mir über das angebliche Attentat vom 15. Mai verlangt; die Parole dieses Prozesses ist für Niemanden ein Geheimniß mehr. Man behauptet den monomanen Verschwörer vernichten zu müssen, wie das Requisitorium sich ausdrückt, welches seine Sprache den Freibeutereien des Charivari entlehnt; den monomanen Verschwörer, d. h. den Mann, welcher unbeirrt um die Abschweifungen der Parteien den Triumph einer Idee, niemals aber die Interessen persönlichen Ehrgeizes verfolgt. Ja, ich verfolge meine Idee, die Wegräumung der letzten Ruinen auf dem Wege der Zukunft, und wenn ich hier vor einer erbärmlichen Prozedur darüber Rechenschaft zu geben habe, so mag das Land entscheiden, nicht über mich, sondern über euch und meine Feinde, über meine Bestrebungen für das Volk, und über diejenigen, welche sie vernichten.</p>
          <p>&#x2026; Welchen Werth haben schriftliche Prozeßakten, welche niemals der wörtliche Ausdruck offener und natürlicher Depositionen sein können? Wenn die Zeugen selbst nicht mehr ihre volle Freiheit haben, was will man dann von der Stellung eines Angeklagten sagen? Ich weiß, man wird mir antworten, daß ich die Gerechtigkeit in ihrem Kampf gegen das Verbrechen entwaffnen wolle, indem ich sie des sichersten Instruktionsmittels beraube. Das aber ist das nämliche Argument, welches so lange Jahre zur Vertheidigung der Tortur gegen den Schrei der entrüsteten Gesellschaft diente, und doch hat die Tortur endlich dem allgemeinen Fluch erliegen müssen. Glauben Sie vielleicht auch hierin eine geschichtliche Ausnahme zu sein, meine Herren Ausnahme-Richter?! Zwischen Ihnen und uns wird die Zukunft niemals schwanken, und unter uns Beiden sind Sie es nicht, der rufen kann: &#x201E;Für mich die Zukunft!&#x201C; &#x2026;</p>
          <p>Man sagt soeben, daß dies Mißtrauen gegen die geheime Instruktion eine Beleidigung der Beamten sei. In diesem Fall sind alle Seiten des Kriminalgesetzbuchs offizielle Beleidigungen der Beamten. Ist nicht die Jury, die Oeffentlichkeit der Verhandlung, jede in unsern Gesetzen angeordnete Formalität ein offenes Mißtrauen gegen die Beamten? Jeder den Angeklagten bewilligte Schutz ist dann eine Beleidigung des Gerichts. Möge das Land von diesen Ansichten, welche den &#x201E;hohen Gerichtshof&#x201C; erfüllen, Kenntniß nehmen und danach unsern Prozeß beurtheilen.</p>
          <p>&#x2026; Ich habe Ihnen ein Muster des Instruktionsverfahrens versprochen; ich komme jetzt darauf, mein Versprechen zu erfüllen.</p>
          <p>Es ist des gegenwärtigen Gerichtes würdig, die längst gefallene Untrüglichkeit des Pabstes, durch die neue Untrüglichkeit der Beamten zu ersetzen. Aber diese Untrüglichkeit reicht nur so weit, als es sich <hi rendition="#g">gegen</hi> die Angeklagten handelt. Man hat vor acht Tagen eine gesetzlich legitimirte Deposition zu meinen Gunsten von Brest an den Generalprokurator gesendet; ich habe nichts davon zu Gesicht bekommen. (Der Generalprokurator bestreitet den Vorfall; Blanqui produzirt Briefe, wonach die amtlich legalisirte Deposition allerdings abgesendet worden.)</p>
          <p>Man hat ferner ganz Paris während voller sechs Monate umgekehrt, um die kleinsten und frivolsten Dinge gegen die Angeklagten hervorzusuchen, während man den Gefangenen selbst nur fünf Tage zur Beschaffung ihrer schwachen Hülfsmittel gewährte.</p>
          <p>Was Lacambre betrifft, so hat man ihn wohl oder übel außer Verfolgung setzen müssen. Ich will hier nicht von dem elenden Gewebe reden, durch welches man ihn durch die Hölle der Kriegsgerichte vom Juni zog; diese Geschichte wird noch später mit all ihren blutigen Beweisen an den Tag gebracht werden. Wenn Lacambre am 15. Mai nur von einem der so zahlreichen und so gefälligen Zeugen gesehen worden wäre, welche Anklagen hätte man nicht über seinem Haupte gesammelt! Ein Glas Wasser in seinen Händen würde hingereicht haben, ihm die Beschuldigung eines Vergiftungsversuches der Assemblée zuzuziehen. Ja, dieser denkwürdige Rapport des Herrn Bertrand wird als ein doppeltes Aktenstück für die geheime Prozedur und politische Tendenzprozesse in der Geschichte bleiben. Lacambre ist ein &#x201E;Freund Blanqui's,&#x201C; &#x2026; es liegt nichts gegen ihn vor, aber &#x201E;er soll die Bewegung organisirt haben,&#x201C; und das genügt für die keusche Anklage des Generalprokurators, um die Freundschaft Lacambre als Belastung gegen mich vorzubringen.</p>
          <p>Ich will nicht in die ganze Leidensgeschichte der Verfolgungen und niederträchtigen Verleumdungen eingehen, zu deren Opfer man mich erkoren. Lassen Sie mich einfach eine einzige der von meinen wüthenden Feinden erfundenen Büßungen erzählen; das Aktenstück, welches zu dieser modernen Tortur diente, befindet sich in dem Prozeß; es ist ein an mich adressirter Brief.</p>
          <p>Sie erinnern sich, daß die Polizei nach dem 15. Mai einige Zeit brauchte, um mich aufzufinden. Und was gebrauchte man dabei für Mittel? Man legte auf der Post auf alle Briefe Beschlag, die an mich eingingen. In demjenigen, von welchem ich sprechen will, las man, daß die Sozialisten den Taucher machen wollten; daß sie für den Augenblick nicht hoffen dürften, durch den offenen Kampf zu siegen: &#x201E;Arme geheime Gesellschaften,&#x201C; hieß es höhnisch, &#x201E;was werdet ihr jetzt anfangen?&#x201C; Und dann folgten satyrische Rathschläge, die Gesellschaft durch fortwährende Agitationen zu beunruhigen, die Bourgeoisgemüther durch eingebildete Gefahren zu ängstigen, den Handel zu stören, den Kredit zu untergraben und die Gesellschaft endlich durch den Hunger zur Uebergabe zu zwingen.</p>
          <p>Dieser Brief wurde sofort im Constitutionnel, diesem platten Verleumdungsblatt abgedruckt, jedoch mit weiser Weglassung des zweiten Satzes, aus dem klar hervorging, daß dieser Brief von einem schadenfrohen, honetten Feind kam. Noch nicht genug; einige Tage später schlug man diese Fälschung des Constitutionnel an allen Straßenecken unter der fast unleserlich kleinen Ueberschrift an: &#x201E;Ein Brief an Blanqui.&#x201C; Auf diese Weise alarmirten die Gewalthaber der honetten Republik, denn nur von ihnen konnte die Publikation ausgehen, die Bürger gegen mich; sie benutzten sogar die anonymen Briefe meiner Feinde, um sie zu verfälschen und an den Straßen anzuschlagen, damit die Blödsinnigen, welche die kleingedruckte Ueberschrift noch übersehen, dies Polizeiwerk für einen Aufruf meiner Freunde zum Bürgerkrieg halten.</p>
          <p>Man blieb aber selbst hierbei noch nicht stehen. Die offiziellen Verschwörer, die Männer der Regierung, welche die Wahrheit besser wissen <hi rendition="#g">mußten,</hi> acceptirten gleichwohl diese elenden Verleumdungen als Wahrheit, sie acceptirten sie nicht passiv, durch ihr Stillschweigen, nein, sie verbreiteten die Lüge wissentlich, offiziell von der Tribüne der Nationalversammlung herab. Lesen Sie in den Berichten des Moniteur die Worte, welche ein Repräsentant, ein Minister, der honette, durch die Reaktion von 1839 zuerst emporgekommene Dufaure bei Gelegenheit dieses Briefes sprach. Dieser Elende präsentirte das Aktenstück als ein bereits berühmt gewordenes Manifest der Demokraten, und klagte mich der moralischen Mitschuld an, mich, der ich damals Gefangener war, und mich nicht vertheidigen konnte, er produzirte seine perfiden Verleumdungen unter der doppelten feigen Sicherheit seiner Unverletzlichkeit als Abgeordneter, den ich nicht einmal gerichtlich verfolgen konnte, da er über seine Lügen in der Assemblée Niemanden Rechenschaft zu geben braucht!</p>
          <p>Wenn die Verleumdung schon mit solcher Schamlosigkeit in Sachen auftritt, die so leicht, so sicher enthüllt werden konnten, welche Schranken standen ihr dann wohl bei jenen Machinationen im Wege, die Mann an Mann gar nicht zu erfassen sind, die dem gefangenen Opfer nichts als den Schrei der Verzweiflung übrig lassen: &#x201E;Elender, du lügst!?&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Warum sich geniren? Gegen Blanqui, diesen Verworfenen, diesen Tiger, ist die Verleumdung eine Schuldigkeit, der Dolch eine Tugend! Ein Stoß gegen Blanqui ist eine Bitte zu Gott!&#x201C; Und somit ist der Sturm von allen Seiten des Horizonts gegen <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                   <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref>                </p>
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[1494/0004] sische Truppen ins Land, was uns als Vorbereitung zu irgend einem Kriege vorkommt. (Buk.) Französische Republik. 12 Paris, 3. April. Der Geist Guizot's schwebt bereits über der Bougeois-Kammer, schwebt über dem Ministerium, und bekundet sich auf dieselbe skandalöse Weise, wie unter weiland Louis Philipp, wo Minister-Audienzen und Fürsprache bei Ministern für große Summen sich kaufen ließen. Bekanntlich erhalten nur diejenigen Präfekten eine Pension von 6 bis 7000 Franken, die zu ferneren Diensten auf die eine oder andere Weise unfähig geworden. Nun hatte die provisorische Regierung mit einem Schlage 16 Präfekten destituirt, die unter Duchâtel und Guizot noch lange Zeit Präfektendienste hätten thun können. Unter der provisorischen Regierung dachten diese Leute nicht daran, eine Pension zu reklamiren. Unter Faucher finden sie sich plötzlich als Invaliden mit mehr oder weniger Gebrechlichkeiten in Folge ihrer Dienste angeführt, und erhalten Pensionen. Wer hat ihnen das Krankenzeugniß ausgestellt? Der honette Barrot! Wann hat er ihnen dieses Invalidenzeugniß ausgestellt? Am 21. Februar 1849. Wann sind diese Leute invalide geworden? etwa am 24. Februar, in Folge empfangener Wunden? Nein; sie werden invalide unter dem jeune Faucher und dem honnetten Barrot im Augenblicke, wo sie erst physisch geheilt werden von der moralischen Krankheit des Februar, im Augenblicke wo sie wieder als gesunde, wohlgenährte Präfekten frei an's Tagelicht treten. Drei dieser invaliden Präfekten werfen sogar ihre Krücken weg, und erhalten ihre neue Anstellung gleichzeitig mit ihrer Pension. Guizot als konsumirter Doktrinär hatte doch wenigstes sein Corruptionssystem glänzend zu vertheidigen gewußt; aber der junge, unerfahrene Faucher that uns wirklich leid, wie er die elendigsten Entschuldigungen vorbrachte; bald sagte er, er habe die drei Präfekten wieder angestellt, um die Staatsgelder zu ökonomisiren, und der Zahlung einer Pension enthoben zu sein; dann gibt er vor, die drei Präfekten hätten während des Jahres Zeit gehabt, sich zu erholen u. s. w. Aber wer hätte geglaubt, daß der honnette Barrot noch dem jungen Faucher zu Hülfe kommen würde, um das Guizot'sche Corruptionssystem vertheidigen zu helfen! Wer hätte ferner geglaubt, daß unter diesen geheilten Präfekten sich ein leibhafter Schwager des Herrn Barrot befindet. Wer hätte endlich gedacht, daß alle diese Bettel-Präfekten schon ein Privatvermögen von 30 bis 40,000 Fr. Renten besitzen? Und das Journal des Debats, das ganz andere Korruptionsgeschichten zu beschönigen hatte, als diese Lappalien, erstaunt sich, wie man in der Kammer einen solchen Skandal darüber erheben konnte. Die Liquidation dieser Pensionen habe ja in der gehörigen Form stattgefunden; die Anfragen seien dem Staatsrath überwiesen worden, der Staatsrath habe sein Gutachten darüber ausgestellt, und auf dieses Gutachten hin habe das Ministerium die Pensionen bewilligt. O, dieses Bettelvolk von Präfekten, die, nicht zufrieden nach der Februarrevolution ihr Leben, ihre Freiheit und ihre 30,000 Fr. Renten gerettet zu haben, sich von Faucher noch nachträglich das durch die Februarrevolution Verlorene auszahlen lassen. Außer dem Schwager des Hrn. Barrot, befindet sich auch der Bruder des Hrn. Duchatel unter den pensionirten Präfekten. In Geldfragen hört die Ehrlichkeit auf. Von heute an hat also Leon Faucher auch seine politischen Antezedentien. Er stand gar zu bloß und zu „blanc“ da. Jules Favre trat mit einer Tagesordnung auf, die den Fall des Ministeriums nach sich ziehen mußte: das Gesetz von 1790, in Bezug auf die Pensionen ist formell und die Gesetzesüberschreitung unläugbar. Faucher hat das Gesetz überschritten, und die „Moral“ der Politik untergeordnet. Die Kammer, nach der brillanten Rede des Hrn. Favre, ist einen Augenblick entrüstet, weniger wegen der Verletzung der Moral, als wegen der Unverschämtheit der dickleibigen Präfekten, die sich von ihren Aerzten Krankheitszeugnisse ausstellen lassen, um auf dieses Zeugniß hin 6000 Fr. Renten zu erschleichen und unter Faucher und Barrot plötzlich wieder so gesund zu werden, daß sie ihre Stellen von 20,000 Fr. reklamiren und erhalten. Barrot zittert einen Augenblick für seinen Schwager und für Duchatel: er besteigt die Tribune, redet stottertt und endet mit dem traurigen Geständnisse: Faucher habe vielleicht nicht ganz Unrecht; aber nicht die Moral, nicht Korruption sei hier im Spiele, sondern die Politik! Man solle sich hüten, für den Antrag Favre's zu stimmen, der eine politische Revolution verberge. Und die Kammer geht in sich; sie läßt den reichen Präfekten die schwache Pension, zumal ein Duchatel und da ein Schwager Barrots sich unter den Präfekten befinden und sie stimmte mit 6 Stimmen Majorität für Verweisung an eine Kommission! Die Korruption der Kammer geht gleichen Schritt mit den Banketts der Demokraten; heute galt es den Delegirten vom Luxembourg: die Soldaten waren zahlreich vertreten und Felix Pyat hat ihnen einen Toast gebracht. Seine Rede war darauf berechnet, den Soldaten fühlbar zu machen, wer ihre Feinde sind: Er erinnert mit Geschicklichkeit an den Meuchelmord der treu gebliebenen plebejischen Generale Ney, Lagarde, Labedoyere etc. „Eure Feinde haben kein anderes Vaterland als die Börse; kein heiligeres Interesse als die Rente, die steigt, wenn Frankreich fällt, und die am besten stand, als Ihr zu Waterloo fielt‥‥ Die Männer, die Ihr an der Spitze seht, thäten nichts lieber, als Eurem Frankreich eine Kosacken-Infusion zum Einnehmen zu geben, um es zum Erbrechen der Republik zu bringen. Diese Männer haben sich heute hypokritisch dem Neffen des Mannes angeschlossen, den sie selbst proscribirt haben, und dieser Neffe, der die Zeit seines Exils damit zugebracht hat, die Adler seines Onkels zu zähmen, sieht ruhig zu, wie seine Minister sich die Taschen anfüllen, und die Köpfe Eurer Brüder abschneiden.“ Die Rede Pyat's wird zu tausenden von Exemplaren abgezogen und bringt in die Kasernen ungeachtet aller Verbote der Bugeaud's und Changarnier's. Paris, 3. April. 2 Uhr. Eben bringt der Eisenbahnzug das Urtheil aus Bourges, das noch drakonischer ausgefallen ist, als man selbst von diesem Mörderhof bezahlter Beamten-Geschwornen erwartete. Barbes und Albert sind zu lebenslänglicher Deportation (!!!), Blanqui zu zehnjährigem Gefängniß (!!!), Sobrier zu siebenjährigem Gefängniß, Raspail (!!!) zu sechsjährigem Gefängniß, Flotte zu fünfjährigem Gefängniß und Quentin ebenfalls zu fünfjährigem Gefängniß verurtheilt worden. General Courtais, Degré (genannt le pompier), Borme und Villain sind freigesprochen. Ueber Huber, der sich erst vorgestern stellte, ist Separatprozeß eingeleitet. Die übrigen Angeklagten sind in contumaciam verurtheilt. Der Urtheilsspruch erfolgte gestern Abend 11 Uhr. Keiner der Angeklagten verzog auch nur eine Miene bei Anhörung des Urtheils. Raspail sagte: „Es ist in dieser Sache besser, verurtheilt zu werden, als zu verurtheilen.“ Als die Gefangenen aus dem Sitzungssaale geführt wurden, drückten mehrere von ihnen ihren Vertheidigern die Hände. Barbes und Sobrier riefen: Es lebe die demokratisch-sociale Republik! So endigte der große Staatsprozeß des 15. Mai 1848. Um 11 1/2 Uhr verlief sich die Menge; die Säle des mittelalterlichen Finanzjuden Jacques-Coeur wurden geleert; starke Patrouillen durchziehen die Stadt Bourges. ‒ Die Nationalversammlung, mit dem Budget des Ministeriums des Innern beschäftigt, hat auf den Vorschlag Ledru-Rollin's das Gehalt von 50,000 Fr. für den Oberkommandanten der Pariser Bürgerwehr und Divisionskommandanten des Seinedepartements etc. gestrichen! Das ist ein harter Schlag für Changarnier. Man will ihn durch Collekte entschädigen. Ebenso verwarf die Versammlung einen Antrag Pierre Bonaparte's, 25,000 Fr. zur Errichtung eines Denkmals für Ney auf der Stelle im Luxembourg, wo er erschossen wurde, zu bewilligen. ‒ Abbé Fayet, der bekannte voltairianische Bischof und Volksvertreter von Orleans (Anhänger Cavaignac's), ist gestorben. ‒ Präsident Bonaparte besichtigte heute Vincennes. ‒ Gioberti wird heute mit außerordentlichen Aufträgen aus Turin im Elysée erwartet. Er hat Taschen voll Radetzki'scher Geheimnisse! ‒ Das bonapartistische Morgenblatt „La Liberté“ meldet: Auf außerordentlichem Wege erfahren wir, daß sich die kriegerisch gesinnte zweite Kammer aus Turin nach Genua zurückgezogen und dort die Republik proklamiert habe. Ein ähnliches Gerücht geht an der Börse. ‒ Abbé Genoude überraschte uns gestern Abend in seiner Gazette de France mit einer Ministerkrisis. Er zeigte an, daß sich das Barrot-Faucher-Kabinet nach der gestrigen Kammerschlappe zurückzöge. Fehlgeschossen! Bonaparte ist durch seine Schuldscheine gezwungen, mit diesem Ministerium die Wahlschlacht durchzumachen. ‒ Das Wahlmanifest der demokratisch-sozialistischen Partei (der Rothen), das alle monarchischen Blätter für diesen Morgen verkündeten, ist heute noch nicht erschienen. Es zirkulirte bereits gestern unter der äußersten Linken und floß aus der Feder Felix Pyat's. Einige Stellen sind noch zu ändern. ‒ Die Wahllisten werden am 10. d. geschlossen. ‒ Nachdem die Nationalversammlung gestern den Hrn. Odilon-Faucher (wie ihn Charivari nennt) so unbarmherzig für gewisse administrative Corruptionen gezüchtigt, wird sie wahrscheinlich heute dem edlen Herrn v. Falloux auf den Leib rücken. Das Unterrichtsbüdget beträgt 20,760,318 Frs. und wird zu nicht minder heftigen Debatten führen. ‒ Der Schluß der gestrigen Sitzung zog sich bis nach 7 Uhr und endigte mit einem Tadelsvotum gegen den Minister Faucher, der sich nun vor der Büdgetkommission wegen administrativer Corruption zu rechtfertigen hat. Das Votum ging mit 363 gegen 350 Stimmen durch. Faucher stellte z. B. alte Beamte Louis Philipp's als Präfekten im Januar an, die bis dahin als erblindet, schwere Pensionen bezogen haben etc. ‒ Das vielbesprochene Primar- und Sekundar-Unterrichtsgesetz wird in gegenwärtiger Kammersession das Licht der Welt erblicken. Hr. Thiers, Cousin und die übrigen Freunde der Gesellschaft Jesu wollen dasselbe erst der nächsten Kammer vorlegen. ‒ Kardinal Giraud ist aus Gaëta zurückgekehrt; dagegen hat der aus Freiburg im Uechtlande geflüchtete Bischof Marilley vom Ministerium Pässe nach Gaëta verlangt, die ihm dasselbe ohne Zweifel ertheilt. Vom Bischof von Rennes sind neue 20,000 Frs. als Pabststeuer nach Gaëta gewandert. ‒ Buvignier (vom Berge) überreichte gestern der Nationalversammlung fünfzehn Petitonen für Restution der Milliarde. ‒ Gestern sahen wir zwei Legionen von Savoyarden, Piemontesen, Sardiniern und sonstigen Italienern, denen sich ein Häuflein Ex-Mobilgardisten beigesellt hat, nach den Alpen abmarschiren. Unter dem hundertfachen Rufe: Es lebe die französisch und italienische Republik! zogen die beiden Legionen, die Marseillaise singend, ab. ‒ Es scheint gewiß, daß Taschereau dem Thiers den auf letzteren bezüglichen Theil des Ludwig Philippschen Portefeuilles verkaufthai. Man ist diesem Schurkenstreiche auf der Spur. (Revolution.) National-Versammlung. Sitzung vom 3. April. Anfang 12 1/2 Uhr. Marrast läßt durch Stimmzettel die Zahl der Anwesenden ermitteln Sie beträgt 530 Glieder. An der Tagesordnung ist das Büdget des Ministeriums des Innern. Die Debatte rückte gestern Abend bis Kapitel 3. Kapitel 4 wird ohne Diskussion angenommen. Kapitel 5 (geheime Polizei-Ausgaben) wird bestritten. Der Ausschuß schlägt eine Ersparniß von 100,000 Franken vor. Faucher, Minister, hält dieselbe für den Generalpolizeidienst nachtheilig. Pierre Leroux unterstützt nicht nur die Reduktion, sondern eifert überhaupt fürchterlich gegen die Polizei. Ihr ursprünglicher Zweck, die Bürger zu bewahren, werde gänzlich verfehlt und sie sei nur noch da, um die Bürger zu quälen, Bankette zu stören. (Rechts: daran thut sie sehr wohl!) Das ehrenwerthe Glied benutzt diese Gelegenheit, um die Wuth zu geisseln, mit der Herr Faucher die Clubs des Volkes verfolge. (Zur Abstimmung! zur Abstimmung! von der Rechten.) Die Ersparniß wird angenommen. (Agitation.) Kapitel 6 und 7 gehen ohne viel Federlesens durch. Kapitel 8 (Ausgaben für die Bürgerwehren) erregt großen Skandal. Der Ausschuß schlägt eine Ersparniß von 97,000 Franken vor. Deludre, unterstützt von Ledru-Rollin, tragen darauf an, das Gehalt von 50,000 Franken für den Oberbefehlshaber der Bürgerwehr des Seine-Departements, General Changarnier, zu streichen Derselbe sei zugleich Deputirter, mithin Cumul vorhanden. Faucher verspricht, die Regierung werde die ausnahmsweise Militärgewalt Changarnier's ändern, sobald es die Umstände erlauben. (Ah! Ah!) Degoussée und Cremieux unterstützen die Ersparniß. Dieselbe wird mit 361 gegen 304 Stimmen Mehr angenommen. (Sensation) Während der Operation des Stimmens liest Marrast ein Urlaubsgesuch Proudhon's vor. Proudhon verlangt einen einmonatlichen Urlaub, um ein Memoire auszuarbeiten. Der Urlaub wird bewilligt, aber das Gerücht geht, Proudhon sei nach Belgien geflüchter, um sich einem Handstreich der Reaktion zu entziehen. Die Büdget-Debatte wird wieder aufgenommen. Die Streichung des Gehalts Changarniers macht solches Aufsehen, daß Listen zur freiwilligen Subscription Behufs Deckung jener 50,000 Fr. circuliren. Kapitel 18 (Ermunterungsprämien für Literatur und Theater) führt Favre auf die Bühne. Er beklagt sich, daß das Ministerium ruhig zusehe, wie man die republikanische Regierungsform jeden Tag insultire und auf der Bühne lächerlich mache. Gegen den Socialismus nur zu Felde ziehe. Faucher appellirt an die Meinungs-Freiheit (Ah! Ah! zur Linken) und willigt in die beantragte Ersparniß von 100,000 Fr. Bei Kapitel 22 wurde die Debatte abgebrochen und somit das Ministerium des Innern noch nicht erledigt. Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen. * Antibes, 27. März. Der Ex-König Karl Albert ist in unsrer Stadt: er reist unter dem Namen eines Grafen von Bargo. Die Autorität der Stadt hat Alles Mögliche gethan um seine Anwesenheit verborgen zu halten. Aber der Ex-König hat schon dafür gesorgt, daß dieselbe ruchbar werde, und da hat er dann die hypokritische Phrase ausgesprochen: „Ich habe Alles gethan, um von den Kugeln getroffen zu werden, aber die Kugeln haben mich unglücklicher Weise vermieden.“ Karl Alb rt hat von der französischen Regierung ein Schiff verlangt, um sich nach Lisabon zu begeben. * Bourges, 31. März. (Schluß der Rede Blanqui's.) … Was mich betrifft, so bin ich unbekümmert um einen Ausgang, der für Niemand hier definitiv sein kann; ich acceptire den Kampf nicht nur auf dem Boden der Thatsachen, der nur zum Schein und zur Verdeckung des wahren Angriffs hier behauptet wird, sondern vor Allem in der politischen Frage, welche die einzig ernsthafte in dieser Sache ist. Niemand glaubt mehr, daß man wirklich Rechenschaft von mir über das angebliche Attentat vom 15. Mai verlangt; die Parole dieses Prozesses ist für Niemanden ein Geheimniß mehr. Man behauptet den monomanen Verschwörer vernichten zu müssen, wie das Requisitorium sich ausdrückt, welches seine Sprache den Freibeutereien des Charivari entlehnt; den monomanen Verschwörer, d. h. den Mann, welcher unbeirrt um die Abschweifungen der Parteien den Triumph einer Idee, niemals aber die Interessen persönlichen Ehrgeizes verfolgt. Ja, ich verfolge meine Idee, die Wegräumung der letzten Ruinen auf dem Wege der Zukunft, und wenn ich hier vor einer erbärmlichen Prozedur darüber Rechenschaft zu geben habe, so mag das Land entscheiden, nicht über mich, sondern über euch und meine Feinde, über meine Bestrebungen für das Volk, und über diejenigen, welche sie vernichten. … Welchen Werth haben schriftliche Prozeßakten, welche niemals der wörtliche Ausdruck offener und natürlicher Depositionen sein können? Wenn die Zeugen selbst nicht mehr ihre volle Freiheit haben, was will man dann von der Stellung eines Angeklagten sagen? Ich weiß, man wird mir antworten, daß ich die Gerechtigkeit in ihrem Kampf gegen das Verbrechen entwaffnen wolle, indem ich sie des sichersten Instruktionsmittels beraube. Das aber ist das nämliche Argument, welches so lange Jahre zur Vertheidigung der Tortur gegen den Schrei der entrüsteten Gesellschaft diente, und doch hat die Tortur endlich dem allgemeinen Fluch erliegen müssen. Glauben Sie vielleicht auch hierin eine geschichtliche Ausnahme zu sein, meine Herren Ausnahme-Richter?! Zwischen Ihnen und uns wird die Zukunft niemals schwanken, und unter uns Beiden sind Sie es nicht, der rufen kann: „Für mich die Zukunft!“ … Man sagt soeben, daß dies Mißtrauen gegen die geheime Instruktion eine Beleidigung der Beamten sei. In diesem Fall sind alle Seiten des Kriminalgesetzbuchs offizielle Beleidigungen der Beamten. Ist nicht die Jury, die Oeffentlichkeit der Verhandlung, jede in unsern Gesetzen angeordnete Formalität ein offenes Mißtrauen gegen die Beamten? Jeder den Angeklagten bewilligte Schutz ist dann eine Beleidigung des Gerichts. Möge das Land von diesen Ansichten, welche den „hohen Gerichtshof“ erfüllen, Kenntniß nehmen und danach unsern Prozeß beurtheilen. … Ich habe Ihnen ein Muster des Instruktionsverfahrens versprochen; ich komme jetzt darauf, mein Versprechen zu erfüllen. Es ist des gegenwärtigen Gerichtes würdig, die längst gefallene Untrüglichkeit des Pabstes, durch die neue Untrüglichkeit der Beamten zu ersetzen. Aber diese Untrüglichkeit reicht nur so weit, als es sich gegen die Angeklagten handelt. Man hat vor acht Tagen eine gesetzlich legitimirte Deposition zu meinen Gunsten von Brest an den Generalprokurator gesendet; ich habe nichts davon zu Gesicht bekommen. (Der Generalprokurator bestreitet den Vorfall; Blanqui produzirt Briefe, wonach die amtlich legalisirte Deposition allerdings abgesendet worden.) Man hat ferner ganz Paris während voller sechs Monate umgekehrt, um die kleinsten und frivolsten Dinge gegen die Angeklagten hervorzusuchen, während man den Gefangenen selbst nur fünf Tage zur Beschaffung ihrer schwachen Hülfsmittel gewährte. Was Lacambre betrifft, so hat man ihn wohl oder übel außer Verfolgung setzen müssen. Ich will hier nicht von dem elenden Gewebe reden, durch welches man ihn durch die Hölle der Kriegsgerichte vom Juni zog; diese Geschichte wird noch später mit all ihren blutigen Beweisen an den Tag gebracht werden. Wenn Lacambre am 15. Mai nur von einem der so zahlreichen und so gefälligen Zeugen gesehen worden wäre, welche Anklagen hätte man nicht über seinem Haupte gesammelt! Ein Glas Wasser in seinen Händen würde hingereicht haben, ihm die Beschuldigung eines Vergiftungsversuches der Assemblée zuzuziehen. Ja, dieser denkwürdige Rapport des Herrn Bertrand wird als ein doppeltes Aktenstück für die geheime Prozedur und politische Tendenzprozesse in der Geschichte bleiben. Lacambre ist ein „Freund Blanqui's,“ … es liegt nichts gegen ihn vor, aber „er soll die Bewegung organisirt haben,“ und das genügt für die keusche Anklage des Generalprokurators, um die Freundschaft Lacambre als Belastung gegen mich vorzubringen. Ich will nicht in die ganze Leidensgeschichte der Verfolgungen und niederträchtigen Verleumdungen eingehen, zu deren Opfer man mich erkoren. Lassen Sie mich einfach eine einzige der von meinen wüthenden Feinden erfundenen Büßungen erzählen; das Aktenstück, welches zu dieser modernen Tortur diente, befindet sich in dem Prozeß; es ist ein an mich adressirter Brief. Sie erinnern sich, daß die Polizei nach dem 15. Mai einige Zeit brauchte, um mich aufzufinden. Und was gebrauchte man dabei für Mittel? Man legte auf der Post auf alle Briefe Beschlag, die an mich eingingen. In demjenigen, von welchem ich sprechen will, las man, daß die Sozialisten den Taucher machen wollten; daß sie für den Augenblick nicht hoffen dürften, durch den offenen Kampf zu siegen: „Arme geheime Gesellschaften,“ hieß es höhnisch, „was werdet ihr jetzt anfangen?“ Und dann folgten satyrische Rathschläge, die Gesellschaft durch fortwährende Agitationen zu beunruhigen, die Bourgeoisgemüther durch eingebildete Gefahren zu ängstigen, den Handel zu stören, den Kredit zu untergraben und die Gesellschaft endlich durch den Hunger zur Uebergabe zu zwingen. Dieser Brief wurde sofort im Constitutionnel, diesem platten Verleumdungsblatt abgedruckt, jedoch mit weiser Weglassung des zweiten Satzes, aus dem klar hervorging, daß dieser Brief von einem schadenfrohen, honetten Feind kam. Noch nicht genug; einige Tage später schlug man diese Fälschung des Constitutionnel an allen Straßenecken unter der fast unleserlich kleinen Ueberschrift an: „Ein Brief an Blanqui.“ Auf diese Weise alarmirten die Gewalthaber der honetten Republik, denn nur von ihnen konnte die Publikation ausgehen, die Bürger gegen mich; sie benutzten sogar die anonymen Briefe meiner Feinde, um sie zu verfälschen und an den Straßen anzuschlagen, damit die Blödsinnigen, welche die kleingedruckte Ueberschrift noch übersehen, dies Polizeiwerk für einen Aufruf meiner Freunde zum Bürgerkrieg halten. Man blieb aber selbst hierbei noch nicht stehen. Die offiziellen Verschwörer, die Männer der Regierung, welche die Wahrheit besser wissen mußten, acceptirten gleichwohl diese elenden Verleumdungen als Wahrheit, sie acceptirten sie nicht passiv, durch ihr Stillschweigen, nein, sie verbreiteten die Lüge wissentlich, offiziell von der Tribüne der Nationalversammlung herab. Lesen Sie in den Berichten des Moniteur die Worte, welche ein Repräsentant, ein Minister, der honette, durch die Reaktion von 1839 zuerst emporgekommene Dufaure bei Gelegenheit dieses Briefes sprach. Dieser Elende präsentirte das Aktenstück als ein bereits berühmt gewordenes Manifest der Demokraten, und klagte mich der moralischen Mitschuld an, mich, der ich damals Gefangener war, und mich nicht vertheidigen konnte, er produzirte seine perfiden Verleumdungen unter der doppelten feigen Sicherheit seiner Unverletzlichkeit als Abgeordneter, den ich nicht einmal gerichtlich verfolgen konnte, da er über seine Lügen in der Assemblée Niemanden Rechenschaft zu geben braucht! Wenn die Verleumdung schon mit solcher Schamlosigkeit in Sachen auftritt, die so leicht, so sicher enthüllt werden konnten, welche Schranken standen ihr dann wohl bei jenen Machinationen im Wege, die Mann an Mann gar nicht zu erfassen sind, die dem gefangenen Opfer nichts als den Schrei der Verzweiflung übrig lassen: „Elender, du lügst!?“ „Warum sich geniren? Gegen Blanqui, diesen Verworfenen, diesen Tiger, ist die Verleumdung eine Schuldigkeit, der Dolch eine Tugend! Ein Stoß gegen Blanqui ist eine Bitte zu Gott!“ Und somit ist der Sturm von allen Seiten des Horizonts gegen [Fortsetzung] Hierzu eine Beilage.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 265. Köln, 6. April 1849, S. 1494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz265_1849/4>, abgerufen am 03.12.2024.