Neue Rheinische Zeitung. Nr. 272. Köln, 14. April 1849.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 272 Köln, Samstag, den 14. April. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. - Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. - Nur frankirte Briefe werden angenommen. - Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Zur schlesischen Milliarde. - Das raubritterliche Jagdrecht). Rambrücken. (Demokratie und Polizei). Berlin. (Klatsch. Sitzung der ersten Kammer). Wien. (Rupertus. - Ein Curiosum. - Vermischtes). Halle. (Hr. Prutz). Weimar. (Gerichtliches). Aus Schleswig-Holstein. (Kleine Gefechte. - Die schleswigsche Kaiser-Deputation). Ungarn. (Die Niederlage der Oestreicher). Polen. Kalisch. (Truppenbewegungen). Von der polnischen Gränze. (Zustände in Russisch Polen). Lemberg. (Der "ruthenische Volksrath"). Französische Republik. Paris. (Vermischtes - National-Versammlung). Großbritannien. London. (Journalstatistik). Türkei. Konstantinopel. (Veränderungen im Ministerium). Italien. Turin. (Treiben der Oestreicher am Tessin. - Verfolgung der demokratischen Presse). Deutschland. * Köln, 13. April. (Zur schlesischen Milliarde.) Von den ritterlichen Annehmlichkeiten des Schutzgeldes wenden wir uns zu einer andern, höheren Annehmlichkeit, die mit einer der nobelsten Passionen der Feudalherren verknüpft, vor Allen denjenigen Theil der ländlichen Bevölkerung angeht, der ein größeres oder kleineres Stück Land besitzt. Wir meinen das raubritterliche Jagdrecht, wie es bis zum März 1848 durch ganz Schlesien, durch fast ganz Deutschland, mit Ausnahme eines kleinen Theils, durchweg bestand und ausgeübt wurde. Nach dem März 1848 trat eine faktische Aufhebung dieses ritterlichen Vorrechts ein, das nun später durch das bekannte Jagdgesetz der Vereinbarer-Versammlung zu Berlin, unter dem Heulen, Knirschen und Zähnefletschen der ganzen nobeln Ritterschaft, ohne Entschädigung aufgehoben wurde. Mit all' der Wuth, die bei dem Verlust eines so lieblichen Monopols in den ahnenreichen Herzen aufsteigen mußte, wurde das Gesetz unterzeichnet und publizirt. Denn noch war die Zeit nicht gekommen, die Maske abzuwerfen und diesen Vereinbarungsplebs aus einander zu sprengen und seine Arbeiten in Fidibus und andere für "Mein herrliches Kriegsheer" brauchbare Papiere zu verwandeln. So erließ man das Jagdgesetz mit der tröstlichen Aussicht, die Folgen dieses Attentats auf ein Hauptvergnügen der Gottbegnadeten durch baldige Octroyirungen abwenden zu können. Nach den Reden der wuthentbrannten Ritterschaft zu urtheilten, war nun die Nähe des jüngsten Tages nicht mehr zu bezweifeln, wenn nicht statt dessen die jüngste Contrerevolution hereingebrochen wäre. Das kosakisch-ritterschaftliche Organ des Prinzen von Preußen die "Neue Preuß. Zeitung" erhielt Befehl, auf Rechnung des neuen Jagdgesetzes täglich eine Masse schrecklicher Erschießungen in ihren Spalten vorzunehmen. Bald wurde der eine Bauer von seinem Nachbar, bald der Bauer von seinem Knecht, auf dem nächsten Felde von seinem Sohn erschossen; dann erschoß der Vater den Sohn, der Bruder die Schwester, der Knecht die Magd, und schließlich die Magd sich selbst, so daß, nach diesem Blättchen "mit Gott für König und Junkerschaft" zu schließen, jetzt wohl nur wenig Landvolk übrig geblieben sein dürfte. Für die "kommunistische" Missethat der Vereinbarer - unentgeltliche Aufhebung des ausschließlichen Jagdrechts der Raubritterschaft - wird und muß Rache genommen werden, wär's vorläufig auch nur durch Wiederherstellung desselben oder durch eine gehörige "Entschädigung" in der Weise, wie sich die Herrn seit 30 Jahren mittelst des Gaunergesetzes wegen "Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse" zu entschädigen gewußt haben. Da wir hier abermals auf das ritterliche "Entschädigungsgeschrei" treffen und in der bisher ermittelten Summe, welche das schlesische Landvolk von seinen Raubrittern als "Entschädigung" zurückzufordern hat, der von der nobeln Jagdpassion in den letzten 30 Jahren angerichtete Schaden gar nicht veranschlagt ist: so müssen wir auf die herrliche Zeit des raubritterlichen Jagdvergnügens einen kurzen Blick zurückwerfen. Die Heiligsprechung des Wildes brachte es mit sich, daß man lieber eine Kanaille von Bauer erschoß, als einen Hasen, ein Rebhuhn oder ähnliche eximirte Geschöpfe. Beim Jagen mit "Treibern," aus den lieben Dorf-"Unterthanen" genommen, genirte man sich nicht sehr; wurde auch einer der "Treiber" angeschossen oder todt niedergestreckt, so gab's höchstens eine Untersuchung und damit Basta. Außerdem sind uns aus jener dominialen Glanzperiode mehrere Fälle bekannt, wo der noble Ritter dem oder jenem Treiber eine Ladung Schrot in die Beine oder in den Hintern schoß - zum reinen ritterlichen Privatvergnügen. Auch außerhalb der eigentlichen Jagd trieben die Herrn Ritter solche Kurzweil mit Passion. Wir erinnern uns bei solcher Gelegenheit stets des Herrn Barons, der einem Weibe, die gegen sein Verbot auf dem abgeärnteten herrschaftlichen Acker Aehren las, eine Portion Schrot in die Schenkel jagte und dann beim Mittagsmahl in einer auserlesenen raubritterlichen Gesellschaft seine Heldenthat mit unverkennbarer Selbstbefriedigung erzählte. Einem Plebejer, der bei diesem Bericht zugegen sich eine Bemerkung erlaubte, wurde auf ächt ritterliche Weise das Maul gestopft. Doch zum nobeln Jagdvergnügen zurück. Nicht genug, daß der Landmann auf seinem eignen Acker weder schießen noch ein Gewehr sehen lassen durfte - bei harter Leibesstrafe: es war sogar verpönt, die zur Winterzeit in die Gärten dringenden Hasen, die dort von den jungen Bäumen die Rinde abfraßen, zu fangen oder zu erschlagen, ohne sie an den gnädigen Herrn alsbald abzuliefern. Dagegen hatten die geliebten Dorf-"Unterthanen" bei den großherrschaftlichen Treibjagden die Freude, als "Treiber"roboten zu müssen. Jeder Wirth, d. h. jeder Ackerbesitzer und jeder Häusler ohne Acker, wurde den Abend zuvor durch den Dominialvogt angewiesen, morgen in aller Frühe einen "Treiber" zu stellen: es sei große herrschaftliche Jagd und werde so und so viele Tage dauern. Es mußte freilich den Herrn Rittern das Herz vor Wonne klopfen, wenn an kalten, nassen Oktober- und November-Tagen eine Hetze schlechtgekleideter, oft baarfüßiger, hungernder Dorfinsassen neben ihnen einher trabten. Die Karbatsche - ein knutenähnliches Prügelinstrument - hing an der Jagdtasche zu Nutz und Frommen für Hund und Treiber. Die beste Portion pflegte letzterer davonzu tragen. Die schlechte Laune oder der Fehlschuß des Raubritters entlud sich mittelst Karbatschenhieben auf den Rücken des Treibers. War andrerseits die Jagd ergiebig und konnte der Treiber das ihm aufgepackte Wild nicht schnell genug mit fortschleppen: so war die Karbatsche abermals da, um ihm "Beine zu machen." So kehrte der "Treiber" sehr oft nicht blos von den ihm aufgepackten Hasen etc. sondern von den Karbatschenhieben blutig zur herrschaftlichen Försterei oder zum Schlosse zurück, um sich dann mit dem Bewußtsein nach seiner Hütte zu begeben, daß er einem vortrefflichen Amusement der Gottbegnadeten - parole d'honneur - beigewohnt. Andere Ritter legten sich große Fasanerien an. Aus den Gärten verbreiteten sich die Fasanen im Walde weit hin und suchten sich ihren Brüteplatz aus. Wehe der Frau oder der Magd, die unvorsichtig oder aus Mangel an Jagdhunds-Spürkraft beim Grasen einem solchen Nest zu nahe kam und die Henne störte. Wurde dies der gnädige Herr oder sein Jäger gewahr: dann verblieb ihr die Erinnerung an herrschaftliche Fasanen ihr Lebelang. Wir sind selbst in unsrer Jugend Augenzeuge gewesen, wie eine Bauersfrau aus besagtem Grunde von einem jungen Raubritter, der als Wirthschafts-Eleve bei einem andern "Gnädigen" die Oekonomie erlernte und die angeborne noble Passion ausbildete, aufs Barbarischste, auf's Viehischste mißhandelt und zum Krüppel geschlagen wurde, ohne daß ein Hahn darnach gekräht. Es waren arme Leute und zum Klagen, d. h. zum Prozessiren, gehört Geld und dann auch einiges Vertrauen zur Justiz, Dinge die bei der Mehrzahl des schlesischen Landvolks theils spärlich, theils gar nicht anzutreffen. Einem Häusler passirte es, daß er eines Tages in seinem Garten einen aus dem nahen Walde dahin gekommnen Fasanen fing und schlachtete. Für dieses schauerliche Verbrechen wurde er zur Untersuchung gezogen. In Folge der Kosten und der ihm zudictirten Zuchthausstrafe war er ein ruinirter Mann und ging nebst seiner Familie zu Grunde - von Rechtswegen, denn er hatte sich an herrschaftlichem Wilde vergriffen. Doch das sind nur Kleinigkeiten, nur einzelne Züge aus dem raubritterlichen Jagd-Tableau. Wir kommen zum Hauptpunkte - zum Punkte der "Entschädigung". Und hier möge der schlesische Landmann den raubritterlichen Geldsack festpacken und für alle Verwüstungen, die ihm seit 30 Jahren das herrschaftliche Wild angerichtet, volle "Entschädigung" fordern. Knirschend vor Wuth hat es der Landmann ansehen müssen, wie die ritterlichen Herren mit oder ohne ihre Jäger oder wie diese allein über sein mit Noth und Mühe angebautes Feld zertretend und verwüstend einherjagten, wie sie keine Feldfrucht schonten, ob hoch oder niedrig, ob dick oder dünn. Mitten durch oder drüber hinweg ging's mit Jägern und Hunden. Wagte der Bauer Einsprache, so war im mildesten Fall Hohnlachen die Antwort; den schlimmeren hat so Mancher an seinem mißhandelten Körper empfunden. Den Kohl auf dem Felde des Bauern suchte sich der gottbegnadete eximirte Hase - und andere gab's nicht zu seiner Aetzung aus, und seine Bäume pflanzte der Landmann, damit der Hase im Winter seinen Hunger stillen konnte. Für den Landmann war's angeblich Ehre wie Pflicht, solches zu dulden. War er anderer Meinung und schoß etwa den zwar eximirten, aber doch ungebetenen Gast zusammen: so spazierte der Bauer unwiderruflich in's Loch. Dafür war er Bauer! So groß nun der Schaden ist, den der Landmann in eben gedachter Weise erlitten hat: so steht er doch in gar keinem Verhältniß zu dem, welchen ihm Schwarz- und Rothwild angerichtet, das zwar nicht überall, aber doch im größten Theile Schlesiens gehegt wurde. Einzelne Distrikte zeichneten sich in dieser Hinsicht besonders aus und zwar diejenigen, wo die ungeheuern Besitzungen der vielen Fürsten und Standesherren sind. Wildschweine, Hirsche und Rehe durchwühlten, fraßen, zertraten oft in Einer Nacht, was dem Bauer oder dem "kleinen Manne" für's ganze Jahr zum eignen Unterhalt und zur Bezahlung der Steuern und Abgaben dienen sollte. Allerdings stand es dem Beschädigten frei, auf Ersatz zu klagen. Es haben's auch Einzelne und ganze Gemeinden versucht. Das Ergebniß solcher Klagen oder Prozesse wird sich Jeder selbst sagen, der in seinem Leben von dem altpreußischen Beamtenwesen und von dem Richterstande und dem Prozeßverfahren auch nur eine entfernte Idee erlangt hat. Man erkundige sich einmal bei den Bauern oder Gemeinden, die wegen ihrer verwüsteten Fluren Beschwerde beim Landrath führten oder beim Gericht klagbar wurden und man wird Wunderdinge hören. Vom gnädigen Herrn Landrath, einem höhern oder niedern Standesgenossen des beschwerdeveranlassenden Ritters, angeschnauzt und ab- und zur Ruhe verwiesen, begab er sich zum Gericht und zahlte den erforderten Vorschuß. Eine meist im raubritterlichen Interesse zusammengesetzte Kommission traf wo möglich recht spät an Ort und Stelle ein, um den Schaden, dessen Spuren wegen dringender Feldbestellung oder durch Regen etc. zum Theil verwischt worden, abzuschätzen. Ueber die Abschätzung, wenn überhaupt eine solche stattfand, da der Beweis, daß herrschaftliches Wild die Verwüstung angerichtet, nicht so leicht zu führen war: hatten sich die "Gnädigen" selten zu beklagen. Jetzt kamen die Termine. Um auf ihnen zu erscheinen, mußte der Bauer Zeit und Geld opfern, und nahm er einen Advokaten, so kostete ihn das noch mehr. Nach unendlichem Schreiben und Terminiren erlangte der Bauer, wenn's Glück günstig war, in ein paar Jahren ein Urtheil gegen den "Gnädigen", und wenn er sich das beim Lichte besah und Alles nachrechnete, so stand er erst recht als der Geprellte da. Daher auch im Ganzen, im Verhältniß zu dem ungeheuern Wildschaden, den der schlesische Landmann jährlich zu erleiden hatte, wenig Prozesse. Die Zahl der Dörfer aber, auf deren Rustikaläckern seit 30 Jahren, und von Jahr zu Jahr ärger, die gottbegnadeten Wildschweine, Hirsche und Rehe verwüstend gehaust, beträgt über 1000. Wir kennen mehrere derselben (die lange nicht zu den größten gehören), denen bloß das eximirte Hochwild ein Jahr um das andere jährlich 200 bis 300 Thlr. Schaden verursacht hat. Da nun die Raubritterschaft das neue Jagdgesetz umstoßen will, eventualiter auf Entschädigung für das aufgehobene Jagdvorrecht dringt: so ist es hohe Zeit, daß das schlesische Landvolk auch in diesem Punkte seine Rechnung aufsetzt. Daß ihm die gnädigen Herren eine hübsche Anzahl von Milliönchen bloß für den in den letzten 30 Jahren erduldeten Wildschaden herauszuzahlen haben, liegt nach dem eben Gesagten auf der Hand. Auf dem Banner, welches das Landvolk der ganzen Provinz Schlesien gegenüber den nach "Entschädigung" brüllenden Rittern zu entfalten hat, muß noch als weitere Inschrift hinzugefügt werden: "Volle Entschädigung für allen Wildschaden, für alle Verwüstungen, die seit 30 Jahren von gottbegnadeten Rehen, Hirschen und Wildschweinen und von den Herren Rittern selbst bei Ausübung ihrer nobeln Passion auf unsern Fluren angerichtet worden - das heißt in runder Zahl: Eine Entschädigung von mindestens 20 Mill. Thalern! 316 Rambrücken, Kreis Mülheim, 13. April. Den "gottbegnadeten" Regierungs-Würgengeln (Bürgermeistern, Gensd'armen u. s. w.) wird das demokratische Treiben im Bergischen bald zu arg. Die Herren Bürgermeister - lauter Leute aus dem alten Testament, die sich schon selig glauben, in schwarzweiß-roth-goldener Schärpe mit um das goldene Kalb tanzen zu dürfen - sahen dies zuerst als ein Marionettenspiel an. Jetzt ist bereits ein Berg vor ihnen aufgestiegen, der ihren beschränkten Horizont immer mehr verfinstert, so daß die armen Herren den Verstand zu verlieren scheinen. Die Bürgermeister glauben das Volk zu retten, wenn sie den Demokratenführern eine Polizeiwache mitgeben. So wurde neulich in Eitorf ein demokratischer Verein gegründet, und es waren dazu einige fremde Demokraten eingeladen worden. Kaum waren diese im Orte: so gab die Polizei Ordre, ihre Pässe zu revidiren. Leider konnte man damit die Demokraten nicht fangen. Als nun die Versammlung begann, trat der Gensdarm Kilian vor, und sprach feierlich zu dem Redner gewandt die preußischgeflügelten Worte: "Wer giebt Ihnen das Recht, hier einen demokratischen Verein zu gründen?" Und jetzt vernehmen Sie die ganze Ruchlosigkeit der abscheulichen Demokraten. Statt ehrfurchtsvoll dem königlich-kaiserlich-schwarzweißen Gendarmen-Heiligen sofort das Feld zu überlassen: lacht der Redner wie die ganze Versammlung dem sehr betroffenen Heiligen unmäßig ins Gesicht und die Polizei zog mit höchst verlängerter Nase von dannen. Der Verein konstituirte sich und erfreut sich einer tüchtigen Theilnahme. Die Polizei schäumt, der h. Piusverein liegt ohnmächtig da und so geht die Krankheit weiter von einem Ort zum andern und läßt förmliche Verwüstungen in Piusvereinen und Polizeiwirthschaften zurück. Nächstens kömmt auch die Reihe an die Herren Krautjunker und Heubarone wegen ihrer "wohlerworbenen Rechte," unter denen der Zehnten eine ganz besondere Stelle einnimmt. Ich werde Ihnen darüber genaue Mittheilungen verschaffen. X Berlin, 11. April. Während der Osterferien haben fortwährend Sitzungen des Ministerraths stattgefunden, was aber geschehen soll, darüber war man nicht einig. Es muß sich nun in den nächsten Tagen zeigen, ob man durch Auflösung der Kammern den Beweis zu führen gedenkt, daß es einer kräftigen Regierung unmöglich sei, mit einem solchen Wahlgesetz zu herrschen, oder ob man anderen Ministern Platz machen will. Herr Camphausen hatte wenigstens vielfach Konferenzen sowohl mit den Ministern und dem König, als auch mit Hrn. v. Vinke. Natürlich ist der Kampf darüber, welcher Weg einzuschlagen sei, gerade bei Hofe am heftigsten. Auch dort gibt es eine Partei, welche vermitteln und konstitutionell bleiben will, eine andere dagegen, welche Alles auf einen Wurf setzen, und von der Last des Parlaments sich befreien will. Am vergangenen Sonnabend, den 7. d. M., reichte das Gesammtministerium, nach dem von uns gemeldeten Kabinetsrathe, seine Entlassung ein. Der König nahm dieselbe nicht an, er wies in seiner Antwort darauf hin, daß es jetzt ihre Ehre (?!!) erfordere, in schlimmen Zeiten bei ihm auszuharren. Die Minister ließen sich natürlich bald bewegen, auf ihren Sitzen zu bleiben. Nur der arme Rintelen ist von dem Sturm der letzten Tage gefällt worden. Wir werden nicht mehr Gelegenheit haben, seine geistreichen Auseinandersetzungen zu hören, und der Graf Arnim wird sich bemühen müssen, diesen Verlust dadurch auszugleichen, daß er uns öfter wie bisher durch die Darlegung seiner diplomatischen Kenntnisse erfreuet. Daß Preußische Gouvernement hat endlich eingesehen, wie ein Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 272 Köln, Samstag, den 14. April. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Zur schlesischen Milliarde. ‒ Das raubritterliche Jagdrecht). Rambrücken. (Demokratie und Polizei). Berlin. (Klatsch. Sitzung der ersten Kammer). Wien. (Rupertus. ‒ Ein Curiosum. ‒ Vermischtes). Halle. (Hr. Prutz). Weimar. (Gerichtliches). Aus Schleswig-Holstein. (Kleine Gefechte. ‒ Die schleswigsche Kaiser-Deputation). Ungarn. (Die Niederlage der Oestreicher). Polen. Kalisch. (Truppenbewegungen). Von der polnischen Gränze. (Zustände in Russisch Polen). Lemberg. (Der „ruthenische Volksrath“). Französische Republik. Paris. (Vermischtes ‒ National-Versammlung). Großbritannien. London. (Journalstatistik). Türkei. Konstantinopel. (Veränderungen im Ministerium). Italien. Turin. (Treiben der Oestreicher am Tessin. ‒ Verfolgung der demokratischen Presse). Deutschland. * Köln, 13. April. (Zur schlesischen Milliarde.) Von den ritterlichen Annehmlichkeiten des Schutzgeldes wenden wir uns zu einer andern, höheren Annehmlichkeit, die mit einer der nobelsten Passionen der Feudalherren verknüpft, vor Allen denjenigen Theil der ländlichen Bevölkerung angeht, der ein größeres oder kleineres Stück Land besitzt. Wir meinen das raubritterliche Jagdrecht, wie es bis zum März 1848 durch ganz Schlesien, durch fast ganz Deutschland, mit Ausnahme eines kleinen Theils, durchweg bestand und ausgeübt wurde. Nach dem März 1848 trat eine faktische Aufhebung dieses ritterlichen Vorrechts ein, das nun später durch das bekannte Jagdgesetz der Vereinbarer-Versammlung zu Berlin, unter dem Heulen, Knirschen und Zähnefletschen der ganzen nobeln Ritterschaft, ohne Entschädigung aufgehoben wurde. Mit all' der Wuth, die bei dem Verlust eines so lieblichen Monopols in den ahnenreichen Herzen aufsteigen mußte, wurde das Gesetz unterzeichnet und publizirt. Denn noch war die Zeit nicht gekommen, die Maske abzuwerfen und diesen Vereinbarungsplebs aus einander zu sprengen und seine Arbeiten in Fidibus und andere für „Mein herrliches Kriegsheer“ brauchbare Papiere zu verwandeln. So erließ man das Jagdgesetz mit der tröstlichen Aussicht, die Folgen dieses Attentats auf ein Hauptvergnügen der Gottbegnadeten durch baldige Octroyirungen abwenden zu können. Nach den Reden der wuthentbrannten Ritterschaft zu urtheilten, war nun die Nähe des jüngsten Tages nicht mehr zu bezweifeln, wenn nicht statt dessen die jüngste Contrerevolution hereingebrochen wäre. Das kosakisch-ritterschaftliche Organ des Prinzen von Preußen die „Neue Preuß. Zeitung“ erhielt Befehl, auf Rechnung des neuen Jagdgesetzes täglich eine Masse schrecklicher Erschießungen in ihren Spalten vorzunehmen. Bald wurde der eine Bauer von seinem Nachbar, bald der Bauer von seinem Knecht, auf dem nächsten Felde von seinem Sohn erschossen; dann erschoß der Vater den Sohn, der Bruder die Schwester, der Knecht die Magd, und schließlich die Magd sich selbst, so daß, nach diesem Blättchen „mit Gott für König und Junkerschaft“ zu schließen, jetzt wohl nur wenig Landvolk übrig geblieben sein dürfte. Für die „kommunistische“ Missethat der Vereinbarer ‒ unentgeltliche Aufhebung des ausschließlichen Jagdrechts der Raubritterschaft ‒ wird und muß Rache genommen werden, wär's vorläufig auch nur durch Wiederherstellung desselben oder durch eine gehörige „Entschädigung“ in der Weise, wie sich die Herrn seit 30 Jahren mittelst des Gaunergesetzes wegen „Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse“ zu entschädigen gewußt haben. Da wir hier abermals auf das ritterliche „Entschädigungsgeschrei“ treffen und in der bisher ermittelten Summe, welche das schlesische Landvolk von seinen Raubrittern als „Entschädigung“ zurückzufordern hat, der von der nobeln Jagdpassion in den letzten 30 Jahren angerichtete Schaden gar nicht veranschlagt ist: so müssen wir auf die herrliche Zeit des raubritterlichen Jagdvergnügens einen kurzen Blick zurückwerfen. Die Heiligsprechung des Wildes brachte es mit sich, daß man lieber eine Kanaille von Bauer erschoß, als einen Hasen, ein Rebhuhn oder ähnliche eximirte Geschöpfe. Beim Jagen mit „Treibern,“ aus den lieben Dorf-„Unterthanen“ genommen, genirte man sich nicht sehr; wurde auch einer der „Treiber“ angeschossen oder todt niedergestreckt, so gab's höchstens eine Untersuchung und damit Basta. Außerdem sind uns aus jener dominialen Glanzperiode mehrere Fälle bekannt, wo der noble Ritter dem oder jenem Treiber eine Ladung Schrot in die Beine oder in den Hintern schoß ‒ zum reinen ritterlichen Privatvergnügen. Auch außerhalb der eigentlichen Jagd trieben die Herrn Ritter solche Kurzweil mit Passion. Wir erinnern uns bei solcher Gelegenheit stets des Herrn Barons, der einem Weibe, die gegen sein Verbot auf dem abgeärnteten herrschaftlichen Acker Aehren las, eine Portion Schrot in die Schenkel jagte und dann beim Mittagsmahl in einer auserlesenen raubritterlichen Gesellschaft seine Heldenthat mit unverkennbarer Selbstbefriedigung erzählte. Einem Plebejer, der bei diesem Bericht zugegen sich eine Bemerkung erlaubte, wurde auf ächt ritterliche Weise das Maul gestopft. Doch zum nobeln Jagdvergnügen zurück. Nicht genug, daß der Landmann auf seinem eignen Acker weder schießen noch ein Gewehr sehen lassen durfte ‒ bei harter Leibesstrafe: es war sogar verpönt, die zur Winterzeit in die Gärten dringenden Hasen, die dort von den jungen Bäumen die Rinde abfraßen, zu fangen oder zu erschlagen, ohne sie an den gnädigen Herrn alsbald abzuliefern. Dagegen hatten die geliebten Dorf-„Unterthanen“ bei den großherrschaftlichen Treibjagden die Freude, als „Treiber“roboten zu müssen. Jeder Wirth, d. h. jeder Ackerbesitzer und jeder Häusler ohne Acker, wurde den Abend zuvor durch den Dominialvogt angewiesen, morgen in aller Frühe einen „Treiber“ zu stellen: es sei große herrschaftliche Jagd und werde so und so viele Tage dauern. Es mußte freilich den Herrn Rittern das Herz vor Wonne klopfen, wenn an kalten, nassen Oktober- und November-Tagen eine Hetze schlechtgekleideter, oft baarfüßiger, hungernder Dorfinsassen neben ihnen einher trabten. Die Karbatsche ‒ ein knutenähnliches Prügelinstrument ‒ hing an der Jagdtasche zu Nutz und Frommen für Hund und Treiber. Die beste Portion pflegte letzterer davonzu tragen. Die schlechte Laune oder der Fehlschuß des Raubritters entlud sich mittelst Karbatschenhieben auf den Rücken des Treibers. War andrerseits die Jagd ergiebig und konnte der Treiber das ihm aufgepackte Wild nicht schnell genug mit fortschleppen: so war die Karbatsche abermals da, um ihm „Beine zu machen.“ So kehrte der „Treiber“ sehr oft nicht blos von den ihm aufgepackten Hasen etc. sondern von den Karbatschenhieben blutig zur herrschaftlichen Försterei oder zum Schlosse zurück, um sich dann mit dem Bewußtsein nach seiner Hütte zu begeben, daß er einem vortrefflichen Amusement der Gottbegnadeten ‒ parole d'honneur ‒ beigewohnt. Andere Ritter legten sich große Fasanerien an. Aus den Gärten verbreiteten sich die Fasanen im Walde weit hin und suchten sich ihren Brüteplatz aus. Wehe der Frau oder der Magd, die unvorsichtig oder aus Mangel an Jagdhunds-Spürkraft beim Grasen einem solchen Nest zu nahe kam und die Henne störte. Wurde dies der gnädige Herr oder sein Jäger gewahr: dann verblieb ihr die Erinnerung an herrschaftliche Fasanen ihr Lebelang. Wir sind selbst in unsrer Jugend Augenzeuge gewesen, wie eine Bauersfrau aus besagtem Grunde von einem jungen Raubritter, der als Wirthschafts-Eleve bei einem andern „Gnädigen“ die Oekonomie erlernte und die angeborne noble Passion ausbildete, aufs Barbarischste, auf's Viehischste mißhandelt und zum Krüppel geschlagen wurde, ohne daß ein Hahn darnach gekräht. Es waren arme Leute und zum Klagen, d. h. zum Prozessiren, gehört Geld und dann auch einiges Vertrauen zur Justiz, Dinge die bei der Mehrzahl des schlesischen Landvolks theils spärlich, theils gar nicht anzutreffen. Einem Häusler passirte es, daß er eines Tages in seinem Garten einen aus dem nahen Walde dahin gekommnen Fasanen fing und schlachtete. Für dieses schauerliche Verbrechen wurde er zur Untersuchung gezogen. In Folge der Kosten und der ihm zudictirten Zuchthausstrafe war er ein ruinirter Mann und ging nebst seiner Familie zu Grunde ‒ von Rechtswegen, denn er hatte sich an herrschaftlichem Wilde vergriffen. Doch das sind nur Kleinigkeiten, nur einzelne Züge aus dem raubritterlichen Jagd-Tableau. Wir kommen zum Hauptpunkte ‒ zum Punkte der „Entschädigung“. Und hier möge der schlesische Landmann den raubritterlichen Geldsack festpacken und für alle Verwüstungen, die ihm seit 30 Jahren das herrschaftliche Wild angerichtet, volle „Entschädigung“ fordern. Knirschend vor Wuth hat es der Landmann ansehen müssen, wie die ritterlichen Herren mit oder ohne ihre Jäger oder wie diese allein über sein mit Noth und Mühe angebautes Feld zertretend und verwüstend einherjagten, wie sie keine Feldfrucht schonten, ob hoch oder niedrig, ob dick oder dünn. Mitten durch oder drüber hinweg ging's mit Jägern und Hunden. Wagte der Bauer Einsprache, so war im mildesten Fall Hohnlachen die Antwort; den schlimmeren hat so Mancher an seinem mißhandelten Körper empfunden. Den Kohl auf dem Felde des Bauern suchte sich der gottbegnadete eximirte Hase ‒ und andere gab's nicht zu seiner Aetzung aus, und seine Bäume pflanzte der Landmann, damit der Hase im Winter seinen Hunger stillen konnte. Für den Landmann war's angeblich Ehre wie Pflicht, solches zu dulden. War er anderer Meinung und schoß etwa den zwar eximirten, aber doch ungebetenen Gast zusammen: so spazierte der Bauer unwiderruflich in's Loch. Dafür war er Bauer! So groß nun der Schaden ist, den der Landmann in eben gedachter Weise erlitten hat: so steht er doch in gar keinem Verhältniß zu dem, welchen ihm Schwarz- und Rothwild angerichtet, das zwar nicht überall, aber doch im größten Theile Schlesiens gehegt wurde. Einzelne Distrikte zeichneten sich in dieser Hinsicht besonders aus und zwar diejenigen, wo die ungeheuern Besitzungen der vielen Fürsten und Standesherren sind. Wildschweine, Hirsche und Rehe durchwühlten, fraßen, zertraten oft in Einer Nacht, was dem Bauer oder dem „kleinen Manne“ für's ganze Jahr zum eignen Unterhalt und zur Bezahlung der Steuern und Abgaben dienen sollte. Allerdings stand es dem Beschädigten frei, auf Ersatz zu klagen. Es haben's auch Einzelne und ganze Gemeinden versucht. Das Ergebniß solcher Klagen oder Prozesse wird sich Jeder selbst sagen, der in seinem Leben von dem altpreußischen Beamtenwesen und von dem Richterstande und dem Prozeßverfahren auch nur eine entfernte Idee erlangt hat. Man erkundige sich einmal bei den Bauern oder Gemeinden, die wegen ihrer verwüsteten Fluren Beschwerde beim Landrath führten oder beim Gericht klagbar wurden und man wird Wunderdinge hören. Vom gnädigen Herrn Landrath, einem höhern oder niedern Standesgenossen des beschwerdeveranlassenden Ritters, angeschnauzt und ab- und zur Ruhe verwiesen, begab er sich zum Gericht und zahlte den erforderten Vorschuß. Eine meist im raubritterlichen Interesse zusammengesetzte Kommission traf wo möglich recht spät an Ort und Stelle ein, um den Schaden, dessen Spuren wegen dringender Feldbestellung oder durch Regen etc. zum Theil verwischt worden, abzuschätzen. Ueber die Abschätzung, wenn überhaupt eine solche stattfand, da der Beweis, daß herrschaftliches Wild die Verwüstung angerichtet, nicht so leicht zu führen war: hatten sich die „Gnädigen“ selten zu beklagen. Jetzt kamen die Termine. Um auf ihnen zu erscheinen, mußte der Bauer Zeit und Geld opfern, und nahm er einen Advokaten, so kostete ihn das noch mehr. Nach unendlichem Schreiben und Terminiren erlangte der Bauer, wenn's Glück günstig war, in ein paar Jahren ein Urtheil gegen den „Gnädigen“, und wenn er sich das beim Lichte besah und Alles nachrechnete, so stand er erst recht als der Geprellte da. Daher auch im Ganzen, im Verhältniß zu dem ungeheuern Wildschaden, den der schlesische Landmann jährlich zu erleiden hatte, wenig Prozesse. Die Zahl der Dörfer aber, auf deren Rustikaläckern seit 30 Jahren, und von Jahr zu Jahr ärger, die gottbegnadeten Wildschweine, Hirsche und Rehe verwüstend gehaust, beträgt über 1000. Wir kennen mehrere derselben (die lange nicht zu den größten gehören), denen bloß das eximirte Hochwild ein Jahr um das andere jährlich 200 bis 300 Thlr. Schaden verursacht hat. Da nun die Raubritterschaft das neue Jagdgesetz umstoßen will, eventualiter auf Entschädigung für das aufgehobene Jagdvorrecht dringt: so ist es hohe Zeit, daß das schlesische Landvolk auch in diesem Punkte seine Rechnung aufsetzt. Daß ihm die gnädigen Herren eine hübsche Anzahl von Milliönchen bloß für den in den letzten 30 Jahren erduldeten Wildschaden herauszuzahlen haben, liegt nach dem eben Gesagten auf der Hand. Auf dem Banner, welches das Landvolk der ganzen Provinz Schlesien gegenüber den nach „Entschädigung“ brüllenden Rittern zu entfalten hat, muß noch als weitere Inschrift hinzugefügt werden: „Volle Entschädigung für allen Wildschaden, für alle Verwüstungen, die seit 30 Jahren von gottbegnadeten Rehen, Hirschen und Wildschweinen und von den Herren Rittern selbst bei Ausübung ihrer nobeln Passion auf unsern Fluren angerichtet worden ‒ das heißt in runder Zahl: Eine Entschädigung von mindestens 20 Mill. Thalern! 316 Rambrücken, Kreis Mülheim, 13. April. Den „gottbegnadeten“ Regierungs-Würgengeln (Bürgermeistern, Gensd'armen u. s. w.) wird das demokratische Treiben im Bergischen bald zu arg. Die Herren Bürgermeister ‒ lauter Leute aus dem alten Testament, die sich schon selig glauben, in schwarzweiß-roth-goldener Schärpe mit um das goldene Kalb tanzen zu dürfen ‒ sahen dies zuerst als ein Marionettenspiel an. Jetzt ist bereits ein Berg vor ihnen aufgestiegen, der ihren beschränkten Horizont immer mehr verfinstert, so daß die armen Herren den Verstand zu verlieren scheinen. Die Bürgermeister glauben das Volk zu retten, wenn sie den Demokratenführern eine Polizeiwache mitgeben. So wurde neulich in Eitorf ein demokratischer Verein gegründet, und es waren dazu einige fremde Demokraten eingeladen worden. Kaum waren diese im Orte: so gab die Polizei Ordre, ihre Pässe zu revidiren. Leider konnte man damit die Demokraten nicht fangen. Als nun die Versammlung begann, trat der Gensdarm Kilian vor, und sprach feierlich zu dem Redner gewandt die preußischgeflügelten Worte: „Wer giebt Ihnen das Recht, hier einen demokratischen Verein zu gründen?“ Und jetzt vernehmen Sie die ganze Ruchlosigkeit der abscheulichen Demokraten. Statt ehrfurchtsvoll dem königlich-kaiserlich-schwarzweißen Gendarmen-Heiligen sofort das Feld zu überlassen: lacht der Redner wie die ganze Versammlung dem sehr betroffenen Heiligen unmäßig ins Gesicht und die Polizei zog mit höchst verlängerter Nase von dannen. Der Verein konstituirte sich und erfreut sich einer tüchtigen Theilnahme. Die Polizei schäumt, der h. Piusverein liegt ohnmächtig da und so geht die Krankheit weiter von einem Ort zum andern und läßt förmliche Verwüstungen in Piusvereinen und Polizeiwirthschaften zurück. Nächstens kömmt auch die Reihe an die Herren Krautjunker und Heubarone wegen ihrer „wohlerworbenen Rechte,“ unter denen der Zehnten eine ganz besondere Stelle einnimmt. Ich werde Ihnen darüber genaue Mittheilungen verschaffen. X Berlin, 11. April. Während der Osterferien haben fortwährend Sitzungen des Ministerraths stattgefunden, was aber geschehen soll, darüber war man nicht einig. Es muß sich nun in den nächsten Tagen zeigen, ob man durch Auflösung der Kammern den Beweis zu führen gedenkt, daß es einer kräftigen Regierung unmöglich sei, mit einem solchen Wahlgesetz zu herrschen, oder ob man anderen Ministern Platz machen will. Herr Camphausen hatte wenigstens vielfach Konferenzen sowohl mit den Ministern und dem König, als auch mit Hrn. v. Vinke. Natürlich ist der Kampf darüber, welcher Weg einzuschlagen sei, gerade bei Hofe am heftigsten. Auch dort gibt es eine Partei, welche vermitteln und konstitutionell bleiben will, eine andere dagegen, welche Alles auf einen Wurf setzen, und von der Last des Parlaments sich befreien will. Am vergangenen Sonnabend, den 7. d. M., reichte das Gesammtministerium, nach dem von uns gemeldeten Kabinetsrathe, seine Entlassung ein. Der König nahm dieselbe nicht an, er wies in seiner Antwort darauf hin, daß es jetzt ihre Ehre (?!!) erfordere, in schlimmen Zeiten bei ihm auszuharren. Die Minister ließen sich natürlich bald bewegen, auf ihren Sitzen zu bleiben. Nur der arme Rintelen ist von dem Sturm der letzten Tage gefällt worden. Wir werden nicht mehr Gelegenheit haben, seine geistreichen Auseinandersetzungen zu hören, und der Graf Arnim wird sich bemühen müssen, diesen Verlust dadurch auszugleichen, daß er uns öfter wie bisher durch die Darlegung seiner diplomatischen Kenntnisse erfreuet. Daß Preußische Gouvernement hat endlich eingesehen, wie ein <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="1535"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 272 Köln, Samstag, den 14. April. 1849.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.</p> <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter Meer;</hi> in Düsseldorf bei <hi rendition="#g">F. W. Schmitz,</hi> Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Zur schlesischen Milliarde. ‒ Das raubritterliche Jagdrecht). Rambrücken. (Demokratie und Polizei). Berlin. (Klatsch. Sitzung der ersten Kammer). Wien. (Rupertus. ‒ Ein Curiosum. ‒ Vermischtes). Halle. (Hr. Prutz). Weimar. (Gerichtliches). Aus Schleswig-Holstein. (Kleine Gefechte. ‒ Die schleswigsche Kaiser-Deputation).</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> (Die Niederlage der Oestreicher).</p> <p><hi rendition="#g">Polen.</hi> Kalisch. (Truppenbewegungen). Von der polnischen Gränze. (Zustände in Russisch Polen). Lemberg. (Der „ruthenische Volksrath“).</p> <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Vermischtes ‒ National-Versammlung).</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Journalstatistik).</p> <p><hi rendition="#g">Türkei.</hi> Konstantinopel. (Veränderungen im Ministerium).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Turin. (Treiben der Oestreicher am Tessin. ‒ Verfolgung der demokratischen Presse).</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar272_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 13. April.</head> <p><hi rendition="#g">(Zur schlesischen Milliarde.)</hi> Von den ritterlichen Annehmlichkeiten des Schutzgeldes wenden wir uns zu einer andern, höheren Annehmlichkeit, die mit einer der nobelsten Passionen der Feudalherren verknüpft, vor Allen denjenigen Theil der ländlichen Bevölkerung angeht, der ein größeres oder kleineres Stück Land besitzt. Wir meinen das raubritterliche <hi rendition="#b">Jagdrecht,</hi> wie es bis zum März 1848 durch ganz Schlesien, durch fast ganz Deutschland, mit Ausnahme eines kleinen Theils, durchweg bestand und ausgeübt wurde. Nach dem März 1848 trat eine faktische Aufhebung dieses ritterlichen Vorrechts ein, das nun später durch das bekannte Jagdgesetz der Vereinbarer-Versammlung zu Berlin, unter dem Heulen, Knirschen und Zähnefletschen der ganzen nobeln Ritterschaft, <hi rendition="#g">ohne Entschädigung</hi> aufgehoben wurde. Mit all' der Wuth, die bei dem Verlust eines so lieblichen Monopols in den ahnenreichen Herzen aufsteigen mußte, wurde das Gesetz unterzeichnet und publizirt. Denn noch war die Zeit nicht gekommen, die Maske abzuwerfen und diesen Vereinbarungsplebs aus einander zu sprengen und seine Arbeiten in Fidibus und andere für „Mein herrliches Kriegsheer“ brauchbare Papiere zu verwandeln. So erließ man das Jagdgesetz mit der tröstlichen Aussicht, die Folgen dieses Attentats auf ein Hauptvergnügen der Gottbegnadeten durch baldige Octroyirungen abwenden zu können. Nach den Reden der wuthentbrannten Ritterschaft zu urtheilten, war nun die Nähe des jüngsten Tages nicht mehr zu bezweifeln, wenn nicht statt dessen die jüngste Contrerevolution hereingebrochen wäre. Das kosakisch-ritterschaftliche Organ des Prinzen von Preußen die „Neue Preuß. Zeitung“ erhielt Befehl, auf Rechnung des neuen Jagdgesetzes täglich eine Masse schrecklicher Erschießungen in ihren Spalten vorzunehmen. Bald wurde der eine Bauer von seinem Nachbar, bald der Bauer von seinem Knecht, auf dem nächsten Felde von seinem Sohn erschossen; dann erschoß der Vater den Sohn, der Bruder die Schwester, der Knecht die Magd, und schließlich die Magd sich selbst, so daß, nach diesem Blättchen „mit Gott für König und Junkerschaft“ zu schließen, jetzt wohl nur wenig Landvolk übrig geblieben sein dürfte.</p> <p>Für die „kommunistische“ Missethat der Vereinbarer ‒ <hi rendition="#g">unentgeltliche</hi> Aufhebung des ausschließlichen Jagdrechts der Raubritterschaft ‒ wird und muß Rache genommen werden, wär's vorläufig auch nur durch Wiederherstellung desselben oder durch eine gehörige „Entschädigung“ in der Weise, wie sich die Herrn seit 30 Jahren mittelst des Gaunergesetzes wegen „Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse“ zu entschädigen gewußt haben.</p> <p>Da wir hier abermals auf das ritterliche „Entschädigungsgeschrei“ treffen und in der bisher ermittelten Summe, welche das schlesische Landvolk von seinen Raubrittern als „Entschädigung“ zurückzufordern hat, der von der nobeln Jagdpassion in den letzten 30 Jahren angerichtete Schaden gar nicht veranschlagt ist: so müssen wir auf die herrliche Zeit des raubritterlichen Jagdvergnügens einen kurzen Blick zurückwerfen.</p> <p>Die <hi rendition="#g">Heiligsprechung des Wildes</hi> brachte es mit sich, daß man lieber eine Kanaille von Bauer erschoß, als einen Hasen, ein Rebhuhn oder ähnliche eximirte Geschöpfe. Beim Jagen mit „Treibern,“ aus den lieben Dorf-„Unterthanen“ genommen, genirte man sich nicht sehr; wurde auch einer der „Treiber“ angeschossen oder todt niedergestreckt, so gab's höchstens eine Untersuchung und damit Basta.</p> <p>Außerdem sind uns aus jener dominialen Glanzperiode mehrere Fälle bekannt, wo der noble Ritter dem oder jenem Treiber eine Ladung Schrot in die Beine oder in den Hintern schoß ‒ zum reinen ritterlichen Privatvergnügen. Auch außerhalb der eigentlichen Jagd trieben die Herrn Ritter solche Kurzweil mit Passion. Wir erinnern uns bei solcher Gelegenheit stets des Herrn Barons, der einem Weibe, die gegen sein Verbot auf dem abgeärnteten herrschaftlichen Acker Aehren las, eine Portion Schrot in die Schenkel jagte und dann beim Mittagsmahl in einer auserlesenen raubritterlichen Gesellschaft seine Heldenthat mit unverkennbarer Selbstbefriedigung erzählte. Einem Plebejer, der bei diesem Bericht zugegen sich eine Bemerkung erlaubte, wurde auf ächt ritterliche Weise das Maul gestopft.</p> <p>Doch zum nobeln Jagdvergnügen zurück. Nicht genug, daß der Landmann auf seinem eignen Acker weder schießen noch ein Gewehr sehen lassen durfte ‒ bei harter Leibesstrafe: es war sogar verpönt, die zur Winterzeit in die Gärten dringenden Hasen, die dort von den jungen Bäumen die Rinde abfraßen, zu fangen oder zu erschlagen, ohne sie an den gnädigen Herrn alsbald abzuliefern. Dagegen hatten die geliebten Dorf-„Unterthanen“ bei den großherrschaftlichen Treibjagden die Freude, als „Treiber“roboten zu müssen. Jeder Wirth, d. h. jeder Ackerbesitzer und jeder Häusler ohne Acker, wurde den Abend zuvor durch den Dominialvogt angewiesen, morgen in aller Frühe einen „Treiber“ zu stellen: es sei große herrschaftliche Jagd und werde so und so viele Tage dauern. Es mußte freilich den Herrn Rittern das Herz vor Wonne klopfen, wenn an kalten, nassen Oktober- und November-Tagen eine Hetze schlechtgekleideter, oft baarfüßiger, hungernder Dorfinsassen neben ihnen einher trabten. Die Karbatsche ‒ ein knutenähnliches Prügelinstrument ‒ hing an der Jagdtasche zu Nutz und Frommen für Hund und Treiber. Die beste Portion pflegte letzterer davonzu tragen. Die schlechte Laune oder der Fehlschuß des Raubritters entlud sich mittelst Karbatschenhieben auf den Rücken des Treibers. War andrerseits die Jagd ergiebig und konnte der Treiber das ihm aufgepackte Wild nicht schnell genug mit fortschleppen: so war die Karbatsche abermals da, um ihm „Beine zu machen.“ So kehrte der „Treiber“ sehr oft nicht blos von den ihm aufgepackten Hasen etc. sondern von den Karbatschenhieben blutig zur herrschaftlichen Försterei oder zum Schlosse zurück, um sich dann mit dem Bewußtsein nach seiner Hütte zu begeben, daß er einem vortrefflichen Amusement der Gottbegnadeten ‒ parole d'honneur ‒ beigewohnt.</p> <p>Andere Ritter legten sich große Fasanerien an. Aus den Gärten verbreiteten sich die Fasanen im Walde weit hin und suchten sich ihren Brüteplatz aus. Wehe der Frau oder der Magd, die unvorsichtig oder aus Mangel an Jagdhunds-Spürkraft beim Grasen einem solchen Nest zu nahe kam und die Henne störte. Wurde dies der gnädige Herr oder sein Jäger gewahr: dann verblieb ihr die Erinnerung an herrschaftliche Fasanen ihr Lebelang. Wir sind selbst in unsrer Jugend Augenzeuge gewesen, wie eine Bauersfrau aus besagtem Grunde von einem jungen Raubritter, der als Wirthschafts-Eleve bei einem andern „Gnädigen“ die Oekonomie erlernte und die angeborne noble Passion ausbildete, aufs Barbarischste, auf's Viehischste mißhandelt und zum Krüppel geschlagen wurde, ohne daß ein Hahn darnach gekräht. Es waren arme Leute und zum Klagen, d. h. zum Prozessiren, gehört Geld und dann auch einiges Vertrauen zur Justiz, Dinge die bei der Mehrzahl des schlesischen Landvolks theils spärlich, theils gar nicht anzutreffen. Einem Häusler passirte es, daß er eines Tages in seinem Garten einen aus dem nahen Walde dahin gekommnen Fasanen fing und schlachtete. Für dieses schauerliche Verbrechen wurde er zur Untersuchung gezogen. In Folge der Kosten und der ihm zudictirten Zuchthausstrafe war er ein ruinirter Mann und ging nebst seiner Familie zu Grunde ‒ von Rechtswegen, denn er hatte sich an herrschaftlichem Wilde vergriffen.</p> <p>Doch das sind nur Kleinigkeiten, nur einzelne Züge aus dem raubritterlichen Jagd-Tableau.</p> <p>Wir kommen zum Hauptpunkte ‒ zum Punkte der „Entschädigung“.</p> <p>Und hier möge der schlesische Landmann den raubritterlichen Geldsack festpacken und für alle Verwüstungen, die ihm seit 30 Jahren das herrschaftliche Wild angerichtet, volle „Entschädigung“ fordern.</p> <p>Knirschend vor Wuth hat es der Landmann ansehen müssen, wie die ritterlichen Herren mit oder ohne ihre Jäger oder wie diese allein über sein mit Noth und Mühe angebautes Feld zertretend und verwüstend einherjagten, wie sie keine Feldfrucht schonten, ob hoch oder niedrig, ob dick oder dünn. Mitten durch oder drüber hinweg ging's mit Jägern und Hunden. Wagte der Bauer Einsprache, so war im mildesten Fall Hohnlachen die Antwort; den schlimmeren hat so Mancher an seinem mißhandelten Körper empfunden. Den Kohl auf dem Felde des Bauern suchte sich der gottbegnadete eximirte Hase ‒ und andere gab's nicht zu seiner Aetzung aus, und seine Bäume pflanzte der Landmann, damit der Hase im Winter seinen Hunger stillen konnte. Für den Landmann war's angeblich Ehre wie Pflicht, solches zu dulden. War er anderer Meinung und schoß etwa den zwar eximirten, aber doch ungebetenen Gast zusammen: so spazierte der Bauer unwiderruflich in's Loch. Dafür war er Bauer!</p> <p>So groß nun der Schaden ist, den der Landmann in eben gedachter Weise erlitten hat: so steht er doch in gar keinem Verhältniß zu dem, welchen ihm Schwarz- und Rothwild angerichtet, das zwar nicht überall, aber doch im größten Theile Schlesiens gehegt wurde. Einzelne Distrikte zeichneten sich in dieser Hinsicht besonders aus und zwar diejenigen, wo die ungeheuern Besitzungen der vielen Fürsten und Standesherren sind.</p> <p>Wildschweine, Hirsche und Rehe durchwühlten, fraßen, zertraten oft in Einer Nacht, was dem Bauer oder dem „kleinen Manne“ für's ganze Jahr zum eignen Unterhalt und zur Bezahlung der Steuern und Abgaben dienen sollte.</p> <p>Allerdings stand es dem Beschädigten frei, auf Ersatz zu klagen. Es haben's auch Einzelne und ganze Gemeinden versucht. Das Ergebniß solcher Klagen oder Prozesse wird sich Jeder selbst sagen, der in seinem Leben von dem altpreußischen Beamtenwesen und von dem Richterstande und dem Prozeßverfahren auch nur eine entfernte Idee erlangt hat. Man erkundige sich einmal bei den Bauern oder Gemeinden, die wegen ihrer verwüsteten Fluren Beschwerde beim Landrath führten oder beim Gericht klagbar wurden und man wird Wunderdinge hören. Vom gnädigen Herrn Landrath, einem höhern oder niedern Standesgenossen des beschwerdeveranlassenden Ritters, angeschnauzt und ab- und zur Ruhe verwiesen, begab er sich zum Gericht und zahlte den erforderten Vorschuß. Eine meist im raubritterlichen Interesse zusammengesetzte Kommission traf wo möglich recht spät an Ort und Stelle ein, um den Schaden, dessen Spuren wegen dringender Feldbestellung oder durch Regen etc. zum Theil verwischt worden, abzuschätzen. Ueber die Abschätzung, wenn überhaupt eine solche stattfand, da der Beweis, daß herrschaftliches Wild die Verwüstung angerichtet, nicht so leicht zu führen war: hatten sich die „Gnädigen“ selten zu beklagen. Jetzt kamen die Termine. Um auf ihnen zu erscheinen, mußte der Bauer Zeit und Geld opfern, und nahm er einen Advokaten, so kostete ihn das noch mehr. Nach unendlichem Schreiben und Terminiren erlangte der Bauer, wenn's Glück günstig war, in ein paar Jahren ein Urtheil gegen den „Gnädigen“, und wenn er sich das beim Lichte besah und Alles nachrechnete, so stand er erst recht als der Geprellte da. Daher auch im Ganzen, im Verhältniß zu dem ungeheuern Wildschaden, den der schlesische Landmann jährlich zu erleiden hatte, wenig Prozesse.</p> <p>Die Zahl der Dörfer aber, auf deren Rustikaläckern seit 30 Jahren, und von Jahr zu Jahr ärger, die gottbegnadeten Wildschweine, Hirsche und Rehe verwüstend gehaust, beträgt über 1000. Wir kennen mehrere derselben (die lange nicht zu den größten gehören), denen bloß das eximirte Hochwild ein Jahr um das andere jährlich 200 bis 300 Thlr. Schaden verursacht hat.</p> <p>Da nun die Raubritterschaft das neue Jagdgesetz umstoßen will, eventualiter auf Entschädigung für das aufgehobene Jagdvorrecht dringt: so ist es hohe Zeit, daß das schlesische Landvolk auch in diesem Punkte seine Rechnung aufsetzt. Daß ihm die gnädigen Herren eine hübsche Anzahl von Milliönchen bloß für den in den letzten 30 Jahren erduldeten Wildschaden herauszuzahlen haben, liegt nach dem eben Gesagten auf der Hand.</p> <p>Auf dem Banner, welches das Landvolk der ganzen Provinz Schlesien gegenüber den nach „Entschädigung“ brüllenden Rittern zu entfalten hat, muß noch als weitere Inschrift hinzugefügt werden:</p> <p>„<hi rendition="#g">Volle Entschädigung für allen Wildschaden, für alle Verwüstungen, die seit 30 Jahren von gottbegnadeten Rehen, Hirschen und Wildschweinen und von den Herren Rittern selbst bei Ausübung ihrer nobeln Passion auf unsern Fluren angerichtet worden ‒ das heißt in runder Zahl:</hi> </p> <p> <hi rendition="#b">Eine Entschädigung von mindestens 20 Mill. Thalern!</hi> </p> </div> <div xml:id="ar272_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>316</author></bibl> Rambrücken, Kreis Mülheim, 13. April.</head> <p>Den „gottbegnadeten“ Regierungs-Würgengeln (Bürgermeistern, Gensd'armen u. s. w.) wird das demokratische Treiben im Bergischen bald zu arg. Die Herren Bürgermeister ‒ lauter Leute aus dem alten Testament, die sich schon selig glauben, in schwarzweiß-roth-goldener Schärpe mit um das goldene Kalb tanzen zu dürfen ‒ sahen dies zuerst als ein Marionettenspiel an. Jetzt ist bereits ein Berg vor ihnen aufgestiegen, der ihren beschränkten Horizont immer mehr verfinstert, so daß die armen Herren den Verstand zu verlieren scheinen. Die Bürgermeister glauben das Volk zu retten, wenn sie den Demokratenführern eine Polizeiwache mitgeben. So wurde neulich in Eitorf ein demokratischer Verein gegründet, und es waren dazu einige fremde Demokraten eingeladen worden. Kaum waren diese im Orte: so gab die Polizei Ordre, ihre Pässe zu revidiren. Leider konnte man damit die Demokraten nicht fangen. Als nun die Versammlung begann, trat der Gensdarm Kilian vor, und sprach feierlich zu dem Redner gewandt die preußischgeflügelten Worte: „Wer giebt Ihnen das Recht, hier einen demokratischen Verein zu gründen?“ Und jetzt vernehmen Sie die ganze Ruchlosigkeit der abscheulichen Demokraten. Statt ehrfurchtsvoll dem königlich-kaiserlich-schwarzweißen Gendarmen-Heiligen sofort das Feld zu überlassen: lacht der Redner wie die ganze Versammlung dem sehr betroffenen Heiligen unmäßig ins Gesicht und die Polizei zog mit höchst verlängerter Nase von dannen. Der Verein konstituirte sich und erfreut sich einer tüchtigen Theilnahme. Die Polizei schäumt, der h. Piusverein liegt ohnmächtig da und so geht die Krankheit weiter von einem Ort zum andern und läßt förmliche Verwüstungen in Piusvereinen und Polizeiwirthschaften zurück.</p> <p>Nächstens kömmt auch die Reihe an die Herren Krautjunker und Heubarone wegen ihrer „wohlerworbenen Rechte,“ unter denen der Zehnten eine ganz besondere Stelle einnimmt. Ich werde Ihnen darüber genaue Mittheilungen verschaffen.</p> </div> <div xml:id="ar272_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 11. April.</head> <p>Während der Osterferien haben fortwährend Sitzungen des Ministerraths stattgefunden, was aber geschehen soll, darüber war man nicht einig. Es muß sich nun in den nächsten Tagen zeigen, ob man durch Auflösung der Kammern den Beweis zu führen gedenkt, daß es einer kräftigen Regierung unmöglich sei, mit einem solchen Wahlgesetz zu herrschen, oder ob man anderen Ministern Platz machen will. Herr Camphausen hatte wenigstens vielfach Konferenzen sowohl mit den Ministern und dem König, als auch mit Hrn. v. Vinke. Natürlich ist der Kampf darüber, welcher Weg einzuschlagen sei, gerade bei Hofe am heftigsten. Auch dort gibt es eine Partei, welche vermitteln und konstitutionell bleiben will, eine andere dagegen, welche Alles auf einen Wurf setzen, und von der Last des Parlaments sich befreien will.</p> <p>Am vergangenen Sonnabend, den 7. d. M., reichte das Gesammtministerium, nach dem von uns gemeldeten Kabinetsrathe, seine Entlassung ein. Der König nahm dieselbe nicht an, er wies in seiner Antwort darauf hin, daß es jetzt ihre Ehre (?!!) erfordere, in schlimmen Zeiten bei ihm auszuharren. Die Minister ließen sich natürlich bald bewegen, auf ihren Sitzen zu bleiben. Nur der arme Rintelen ist von dem Sturm der letzten Tage gefällt worden. Wir werden nicht mehr Gelegenheit haben, seine geistreichen Auseinandersetzungen zu hören, und der Graf Arnim wird sich bemühen müssen, diesen Verlust dadurch auszugleichen, daß er uns öfter wie bisher durch die Darlegung seiner diplomatischen Kenntnisse erfreuet.</p> <p>Daß Preußische Gouvernement hat endlich eingesehen, wie ein </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1535/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 272 Köln, Samstag, den 14. April. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.
Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.
Uebersicht. Deutschland. Köln. (Zur schlesischen Milliarde. ‒ Das raubritterliche Jagdrecht). Rambrücken. (Demokratie und Polizei). Berlin. (Klatsch. Sitzung der ersten Kammer). Wien. (Rupertus. ‒ Ein Curiosum. ‒ Vermischtes). Halle. (Hr. Prutz). Weimar. (Gerichtliches). Aus Schleswig-Holstein. (Kleine Gefechte. ‒ Die schleswigsche Kaiser-Deputation).
Ungarn. (Die Niederlage der Oestreicher).
Polen. Kalisch. (Truppenbewegungen). Von der polnischen Gränze. (Zustände in Russisch Polen). Lemberg. (Der „ruthenische Volksrath“).
Französische Republik. Paris. (Vermischtes ‒ National-Versammlung).
Großbritannien. London. (Journalstatistik).
Türkei. Konstantinopel. (Veränderungen im Ministerium).
Italien. Turin. (Treiben der Oestreicher am Tessin. ‒ Verfolgung der demokratischen Presse).
Deutschland. * Köln, 13. April. (Zur schlesischen Milliarde.) Von den ritterlichen Annehmlichkeiten des Schutzgeldes wenden wir uns zu einer andern, höheren Annehmlichkeit, die mit einer der nobelsten Passionen der Feudalherren verknüpft, vor Allen denjenigen Theil der ländlichen Bevölkerung angeht, der ein größeres oder kleineres Stück Land besitzt. Wir meinen das raubritterliche Jagdrecht, wie es bis zum März 1848 durch ganz Schlesien, durch fast ganz Deutschland, mit Ausnahme eines kleinen Theils, durchweg bestand und ausgeübt wurde. Nach dem März 1848 trat eine faktische Aufhebung dieses ritterlichen Vorrechts ein, das nun später durch das bekannte Jagdgesetz der Vereinbarer-Versammlung zu Berlin, unter dem Heulen, Knirschen und Zähnefletschen der ganzen nobeln Ritterschaft, ohne Entschädigung aufgehoben wurde. Mit all' der Wuth, die bei dem Verlust eines so lieblichen Monopols in den ahnenreichen Herzen aufsteigen mußte, wurde das Gesetz unterzeichnet und publizirt. Denn noch war die Zeit nicht gekommen, die Maske abzuwerfen und diesen Vereinbarungsplebs aus einander zu sprengen und seine Arbeiten in Fidibus und andere für „Mein herrliches Kriegsheer“ brauchbare Papiere zu verwandeln. So erließ man das Jagdgesetz mit der tröstlichen Aussicht, die Folgen dieses Attentats auf ein Hauptvergnügen der Gottbegnadeten durch baldige Octroyirungen abwenden zu können. Nach den Reden der wuthentbrannten Ritterschaft zu urtheilten, war nun die Nähe des jüngsten Tages nicht mehr zu bezweifeln, wenn nicht statt dessen die jüngste Contrerevolution hereingebrochen wäre. Das kosakisch-ritterschaftliche Organ des Prinzen von Preußen die „Neue Preuß. Zeitung“ erhielt Befehl, auf Rechnung des neuen Jagdgesetzes täglich eine Masse schrecklicher Erschießungen in ihren Spalten vorzunehmen. Bald wurde der eine Bauer von seinem Nachbar, bald der Bauer von seinem Knecht, auf dem nächsten Felde von seinem Sohn erschossen; dann erschoß der Vater den Sohn, der Bruder die Schwester, der Knecht die Magd, und schließlich die Magd sich selbst, so daß, nach diesem Blättchen „mit Gott für König und Junkerschaft“ zu schließen, jetzt wohl nur wenig Landvolk übrig geblieben sein dürfte.
Für die „kommunistische“ Missethat der Vereinbarer ‒ unentgeltliche Aufhebung des ausschließlichen Jagdrechts der Raubritterschaft ‒ wird und muß Rache genommen werden, wär's vorläufig auch nur durch Wiederherstellung desselben oder durch eine gehörige „Entschädigung“ in der Weise, wie sich die Herrn seit 30 Jahren mittelst des Gaunergesetzes wegen „Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse“ zu entschädigen gewußt haben.
Da wir hier abermals auf das ritterliche „Entschädigungsgeschrei“ treffen und in der bisher ermittelten Summe, welche das schlesische Landvolk von seinen Raubrittern als „Entschädigung“ zurückzufordern hat, der von der nobeln Jagdpassion in den letzten 30 Jahren angerichtete Schaden gar nicht veranschlagt ist: so müssen wir auf die herrliche Zeit des raubritterlichen Jagdvergnügens einen kurzen Blick zurückwerfen.
Die Heiligsprechung des Wildes brachte es mit sich, daß man lieber eine Kanaille von Bauer erschoß, als einen Hasen, ein Rebhuhn oder ähnliche eximirte Geschöpfe. Beim Jagen mit „Treibern,“ aus den lieben Dorf-„Unterthanen“ genommen, genirte man sich nicht sehr; wurde auch einer der „Treiber“ angeschossen oder todt niedergestreckt, so gab's höchstens eine Untersuchung und damit Basta.
Außerdem sind uns aus jener dominialen Glanzperiode mehrere Fälle bekannt, wo der noble Ritter dem oder jenem Treiber eine Ladung Schrot in die Beine oder in den Hintern schoß ‒ zum reinen ritterlichen Privatvergnügen. Auch außerhalb der eigentlichen Jagd trieben die Herrn Ritter solche Kurzweil mit Passion. Wir erinnern uns bei solcher Gelegenheit stets des Herrn Barons, der einem Weibe, die gegen sein Verbot auf dem abgeärnteten herrschaftlichen Acker Aehren las, eine Portion Schrot in die Schenkel jagte und dann beim Mittagsmahl in einer auserlesenen raubritterlichen Gesellschaft seine Heldenthat mit unverkennbarer Selbstbefriedigung erzählte. Einem Plebejer, der bei diesem Bericht zugegen sich eine Bemerkung erlaubte, wurde auf ächt ritterliche Weise das Maul gestopft.
Doch zum nobeln Jagdvergnügen zurück. Nicht genug, daß der Landmann auf seinem eignen Acker weder schießen noch ein Gewehr sehen lassen durfte ‒ bei harter Leibesstrafe: es war sogar verpönt, die zur Winterzeit in die Gärten dringenden Hasen, die dort von den jungen Bäumen die Rinde abfraßen, zu fangen oder zu erschlagen, ohne sie an den gnädigen Herrn alsbald abzuliefern. Dagegen hatten die geliebten Dorf-„Unterthanen“ bei den großherrschaftlichen Treibjagden die Freude, als „Treiber“roboten zu müssen. Jeder Wirth, d. h. jeder Ackerbesitzer und jeder Häusler ohne Acker, wurde den Abend zuvor durch den Dominialvogt angewiesen, morgen in aller Frühe einen „Treiber“ zu stellen: es sei große herrschaftliche Jagd und werde so und so viele Tage dauern. Es mußte freilich den Herrn Rittern das Herz vor Wonne klopfen, wenn an kalten, nassen Oktober- und November-Tagen eine Hetze schlechtgekleideter, oft baarfüßiger, hungernder Dorfinsassen neben ihnen einher trabten. Die Karbatsche ‒ ein knutenähnliches Prügelinstrument ‒ hing an der Jagdtasche zu Nutz und Frommen für Hund und Treiber. Die beste Portion pflegte letzterer davonzu tragen. Die schlechte Laune oder der Fehlschuß des Raubritters entlud sich mittelst Karbatschenhieben auf den Rücken des Treibers. War andrerseits die Jagd ergiebig und konnte der Treiber das ihm aufgepackte Wild nicht schnell genug mit fortschleppen: so war die Karbatsche abermals da, um ihm „Beine zu machen.“ So kehrte der „Treiber“ sehr oft nicht blos von den ihm aufgepackten Hasen etc. sondern von den Karbatschenhieben blutig zur herrschaftlichen Försterei oder zum Schlosse zurück, um sich dann mit dem Bewußtsein nach seiner Hütte zu begeben, daß er einem vortrefflichen Amusement der Gottbegnadeten ‒ parole d'honneur ‒ beigewohnt.
Andere Ritter legten sich große Fasanerien an. Aus den Gärten verbreiteten sich die Fasanen im Walde weit hin und suchten sich ihren Brüteplatz aus. Wehe der Frau oder der Magd, die unvorsichtig oder aus Mangel an Jagdhunds-Spürkraft beim Grasen einem solchen Nest zu nahe kam und die Henne störte. Wurde dies der gnädige Herr oder sein Jäger gewahr: dann verblieb ihr die Erinnerung an herrschaftliche Fasanen ihr Lebelang. Wir sind selbst in unsrer Jugend Augenzeuge gewesen, wie eine Bauersfrau aus besagtem Grunde von einem jungen Raubritter, der als Wirthschafts-Eleve bei einem andern „Gnädigen“ die Oekonomie erlernte und die angeborne noble Passion ausbildete, aufs Barbarischste, auf's Viehischste mißhandelt und zum Krüppel geschlagen wurde, ohne daß ein Hahn darnach gekräht. Es waren arme Leute und zum Klagen, d. h. zum Prozessiren, gehört Geld und dann auch einiges Vertrauen zur Justiz, Dinge die bei der Mehrzahl des schlesischen Landvolks theils spärlich, theils gar nicht anzutreffen. Einem Häusler passirte es, daß er eines Tages in seinem Garten einen aus dem nahen Walde dahin gekommnen Fasanen fing und schlachtete. Für dieses schauerliche Verbrechen wurde er zur Untersuchung gezogen. In Folge der Kosten und der ihm zudictirten Zuchthausstrafe war er ein ruinirter Mann und ging nebst seiner Familie zu Grunde ‒ von Rechtswegen, denn er hatte sich an herrschaftlichem Wilde vergriffen.
Doch das sind nur Kleinigkeiten, nur einzelne Züge aus dem raubritterlichen Jagd-Tableau.
Wir kommen zum Hauptpunkte ‒ zum Punkte der „Entschädigung“.
Und hier möge der schlesische Landmann den raubritterlichen Geldsack festpacken und für alle Verwüstungen, die ihm seit 30 Jahren das herrschaftliche Wild angerichtet, volle „Entschädigung“ fordern.
Knirschend vor Wuth hat es der Landmann ansehen müssen, wie die ritterlichen Herren mit oder ohne ihre Jäger oder wie diese allein über sein mit Noth und Mühe angebautes Feld zertretend und verwüstend einherjagten, wie sie keine Feldfrucht schonten, ob hoch oder niedrig, ob dick oder dünn. Mitten durch oder drüber hinweg ging's mit Jägern und Hunden. Wagte der Bauer Einsprache, so war im mildesten Fall Hohnlachen die Antwort; den schlimmeren hat so Mancher an seinem mißhandelten Körper empfunden. Den Kohl auf dem Felde des Bauern suchte sich der gottbegnadete eximirte Hase ‒ und andere gab's nicht zu seiner Aetzung aus, und seine Bäume pflanzte der Landmann, damit der Hase im Winter seinen Hunger stillen konnte. Für den Landmann war's angeblich Ehre wie Pflicht, solches zu dulden. War er anderer Meinung und schoß etwa den zwar eximirten, aber doch ungebetenen Gast zusammen: so spazierte der Bauer unwiderruflich in's Loch. Dafür war er Bauer!
So groß nun der Schaden ist, den der Landmann in eben gedachter Weise erlitten hat: so steht er doch in gar keinem Verhältniß zu dem, welchen ihm Schwarz- und Rothwild angerichtet, das zwar nicht überall, aber doch im größten Theile Schlesiens gehegt wurde. Einzelne Distrikte zeichneten sich in dieser Hinsicht besonders aus und zwar diejenigen, wo die ungeheuern Besitzungen der vielen Fürsten und Standesherren sind.
Wildschweine, Hirsche und Rehe durchwühlten, fraßen, zertraten oft in Einer Nacht, was dem Bauer oder dem „kleinen Manne“ für's ganze Jahr zum eignen Unterhalt und zur Bezahlung der Steuern und Abgaben dienen sollte.
Allerdings stand es dem Beschädigten frei, auf Ersatz zu klagen. Es haben's auch Einzelne und ganze Gemeinden versucht. Das Ergebniß solcher Klagen oder Prozesse wird sich Jeder selbst sagen, der in seinem Leben von dem altpreußischen Beamtenwesen und von dem Richterstande und dem Prozeßverfahren auch nur eine entfernte Idee erlangt hat. Man erkundige sich einmal bei den Bauern oder Gemeinden, die wegen ihrer verwüsteten Fluren Beschwerde beim Landrath führten oder beim Gericht klagbar wurden und man wird Wunderdinge hören. Vom gnädigen Herrn Landrath, einem höhern oder niedern Standesgenossen des beschwerdeveranlassenden Ritters, angeschnauzt und ab- und zur Ruhe verwiesen, begab er sich zum Gericht und zahlte den erforderten Vorschuß. Eine meist im raubritterlichen Interesse zusammengesetzte Kommission traf wo möglich recht spät an Ort und Stelle ein, um den Schaden, dessen Spuren wegen dringender Feldbestellung oder durch Regen etc. zum Theil verwischt worden, abzuschätzen. Ueber die Abschätzung, wenn überhaupt eine solche stattfand, da der Beweis, daß herrschaftliches Wild die Verwüstung angerichtet, nicht so leicht zu führen war: hatten sich die „Gnädigen“ selten zu beklagen. Jetzt kamen die Termine. Um auf ihnen zu erscheinen, mußte der Bauer Zeit und Geld opfern, und nahm er einen Advokaten, so kostete ihn das noch mehr. Nach unendlichem Schreiben und Terminiren erlangte der Bauer, wenn's Glück günstig war, in ein paar Jahren ein Urtheil gegen den „Gnädigen“, und wenn er sich das beim Lichte besah und Alles nachrechnete, so stand er erst recht als der Geprellte da. Daher auch im Ganzen, im Verhältniß zu dem ungeheuern Wildschaden, den der schlesische Landmann jährlich zu erleiden hatte, wenig Prozesse.
Die Zahl der Dörfer aber, auf deren Rustikaläckern seit 30 Jahren, und von Jahr zu Jahr ärger, die gottbegnadeten Wildschweine, Hirsche und Rehe verwüstend gehaust, beträgt über 1000. Wir kennen mehrere derselben (die lange nicht zu den größten gehören), denen bloß das eximirte Hochwild ein Jahr um das andere jährlich 200 bis 300 Thlr. Schaden verursacht hat.
Da nun die Raubritterschaft das neue Jagdgesetz umstoßen will, eventualiter auf Entschädigung für das aufgehobene Jagdvorrecht dringt: so ist es hohe Zeit, daß das schlesische Landvolk auch in diesem Punkte seine Rechnung aufsetzt. Daß ihm die gnädigen Herren eine hübsche Anzahl von Milliönchen bloß für den in den letzten 30 Jahren erduldeten Wildschaden herauszuzahlen haben, liegt nach dem eben Gesagten auf der Hand.
Auf dem Banner, welches das Landvolk der ganzen Provinz Schlesien gegenüber den nach „Entschädigung“ brüllenden Rittern zu entfalten hat, muß noch als weitere Inschrift hinzugefügt werden:
„Volle Entschädigung für allen Wildschaden, für alle Verwüstungen, die seit 30 Jahren von gottbegnadeten Rehen, Hirschen und Wildschweinen und von den Herren Rittern selbst bei Ausübung ihrer nobeln Passion auf unsern Fluren angerichtet worden ‒ das heißt in runder Zahl:
Eine Entschädigung von mindestens 20 Mill. Thalern!
316 Rambrücken, Kreis Mülheim, 13. April. Den „gottbegnadeten“ Regierungs-Würgengeln (Bürgermeistern, Gensd'armen u. s. w.) wird das demokratische Treiben im Bergischen bald zu arg. Die Herren Bürgermeister ‒ lauter Leute aus dem alten Testament, die sich schon selig glauben, in schwarzweiß-roth-goldener Schärpe mit um das goldene Kalb tanzen zu dürfen ‒ sahen dies zuerst als ein Marionettenspiel an. Jetzt ist bereits ein Berg vor ihnen aufgestiegen, der ihren beschränkten Horizont immer mehr verfinstert, so daß die armen Herren den Verstand zu verlieren scheinen. Die Bürgermeister glauben das Volk zu retten, wenn sie den Demokratenführern eine Polizeiwache mitgeben. So wurde neulich in Eitorf ein demokratischer Verein gegründet, und es waren dazu einige fremde Demokraten eingeladen worden. Kaum waren diese im Orte: so gab die Polizei Ordre, ihre Pässe zu revidiren. Leider konnte man damit die Demokraten nicht fangen. Als nun die Versammlung begann, trat der Gensdarm Kilian vor, und sprach feierlich zu dem Redner gewandt die preußischgeflügelten Worte: „Wer giebt Ihnen das Recht, hier einen demokratischen Verein zu gründen?“ Und jetzt vernehmen Sie die ganze Ruchlosigkeit der abscheulichen Demokraten. Statt ehrfurchtsvoll dem königlich-kaiserlich-schwarzweißen Gendarmen-Heiligen sofort das Feld zu überlassen: lacht der Redner wie die ganze Versammlung dem sehr betroffenen Heiligen unmäßig ins Gesicht und die Polizei zog mit höchst verlängerter Nase von dannen. Der Verein konstituirte sich und erfreut sich einer tüchtigen Theilnahme. Die Polizei schäumt, der h. Piusverein liegt ohnmächtig da und so geht die Krankheit weiter von einem Ort zum andern und läßt förmliche Verwüstungen in Piusvereinen und Polizeiwirthschaften zurück.
Nächstens kömmt auch die Reihe an die Herren Krautjunker und Heubarone wegen ihrer „wohlerworbenen Rechte,“ unter denen der Zehnten eine ganz besondere Stelle einnimmt. Ich werde Ihnen darüber genaue Mittheilungen verschaffen.
X Berlin, 11. April. Während der Osterferien haben fortwährend Sitzungen des Ministerraths stattgefunden, was aber geschehen soll, darüber war man nicht einig. Es muß sich nun in den nächsten Tagen zeigen, ob man durch Auflösung der Kammern den Beweis zu führen gedenkt, daß es einer kräftigen Regierung unmöglich sei, mit einem solchen Wahlgesetz zu herrschen, oder ob man anderen Ministern Platz machen will. Herr Camphausen hatte wenigstens vielfach Konferenzen sowohl mit den Ministern und dem König, als auch mit Hrn. v. Vinke. Natürlich ist der Kampf darüber, welcher Weg einzuschlagen sei, gerade bei Hofe am heftigsten. Auch dort gibt es eine Partei, welche vermitteln und konstitutionell bleiben will, eine andere dagegen, welche Alles auf einen Wurf setzen, und von der Last des Parlaments sich befreien will.
Am vergangenen Sonnabend, den 7. d. M., reichte das Gesammtministerium, nach dem von uns gemeldeten Kabinetsrathe, seine Entlassung ein. Der König nahm dieselbe nicht an, er wies in seiner Antwort darauf hin, daß es jetzt ihre Ehre (?!!) erfordere, in schlimmen Zeiten bei ihm auszuharren. Die Minister ließen sich natürlich bald bewegen, auf ihren Sitzen zu bleiben. Nur der arme Rintelen ist von dem Sturm der letzten Tage gefällt worden. Wir werden nicht mehr Gelegenheit haben, seine geistreichen Auseinandersetzungen zu hören, und der Graf Arnim wird sich bemühen müssen, diesen Verlust dadurch auszugleichen, daß er uns öfter wie bisher durch die Darlegung seiner diplomatischen Kenntnisse erfreuet.
Daß Preußische Gouvernement hat endlich eingesehen, wie ein
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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