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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 274. Köln, 17. April 1849.

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rothe Tücher oder ein rothes Bändchen oder Schleife trugen und erst nachdem man sie dieser gefährlich-stummen "Abzeichen" beraubt, wieder freigelassen.

221 Wien, 10. April.

Beim Gouverneur Welden war eine Versammlung der Vorstände der verschiedenen Bürgerwehrskörper, welche befragt wurden, ob sie bei einer bedeutenden Verringerung der Belagerungsgarnison für die Aufrechthaltung der Ruhe - und gesetzlichen - Ordnung zu bürgen im Stande seien, da zur "Vernichtung (!) der ungarischen Rebellenhaufen" die Entsendung einer bedeutenden Heeresmacht nach Ungarn dringend nothwendig scheine. Die Antwort der Vorstände lautete sehr natürlich und wahrheitsgemäß, daß sie für nichts, für gar nichts zu bürgen im Stande seien. Trotzdem gehen nun allnächtlich ganz in der Stille immer neue Truppentheile von hier nach Ungarn ab. Das Volk aber, das von den kaiserlichen Mordhunden decimirte Volk, hört mit wilder Freude die Nachrichten von dem immer weiteren Vordringen der Ungarn, Nachrichten, welche sich, trotz Standrechtsbülletins und Polizeisperre, wie ein Lauffeuer still und geschäftig durch die ganze Hauptstadt verbreiten. Der Rachedurst des Wiener Volkes ist durch die fortwährenden Begnadigungen zu Pulver und Blei auf die erfreulichste Höhe gestiegen, und wenn die Arbeiter unter den Bajonetten ihrer Henker bisher auch ihre Wuth niederhielten, so wird ein Sieg der Ungarn bei Pesth das Signal zu einem neuen Kampf in Wien geben, gegen welchen die früheren eine süße Schäfer-Idylle sein werden. Wenn Sie die finstern, verschlossenen Mienen sähen, mit denen sich die Proletarier seit den unaufhörlichen Hinrichtungen tragen, Sie würden wissen, wie es hier im Volke kocht und gährt. Das Volk wird bei einer neuen Revolution nicht in die Fehler der ersten zurückfallen; es wird keinen feigen Gemeinderath zur "Vereinbarung" mit seinem kaiserlichen Henker nöthig haben, es wird auch keine Truppen, wie damals den gefangenen Auersperg, aus der Stadt lassen; seine Errungenschaft unter der Standrechtsperiode konzentrirt sich jetzt in dem einzigen Erfahrungssatz: die Politik der Rache!

221 Wien, 11. April.

Da sich am Charsamstage bei der Auferstehungsfeierlichkeit am Stephansplatze, Graben, Kohlmarkte etc. sehr viele junge Männer mit rothen Halsbinden, und sonst etwas burschikoser Kleidung zeigten, besonders viele Frauen und Mädchen auffallend mit deutschen Schleifen geziert erschienen, so überraschte uns schon Ostermontag Abends eine Kundmachung vom Gouverneur Welden, welche "in Erwägung, daß sich viele böswillige Buben erfrechen, rothe und deutsche Farben als Abzeichen ihrer Gesinnung zu tragen, sowohl diese Abzeichen bei Männern und Frauen als auch jede auffallende(!) Tracht der Kleidung mit standrechtlicher Behandlung bedroht. Unter Beziehung dieser neuen Standrechtskategorie der "auffallenden" Tracht wurden auch bereits im Laufe des heutigen Tages zahlreiche Verhaftungen an Männern und Frauen vorgenommen.

Das Militär ergeht sich ungestört in den erfreulichsten Bestialiäten. In der Vorstadt Wieden, Favorittenstraße, tranken sich 3 Grenadiere in einer Kneipe einen nicht ungewöhnlichen Branntweinrausch an, und forderten dann statt der Bezahlung noch obendrein Geld vom Wirthe. Als derselbe ihnen dies verweigerte, stachen sie ihn ohne Weiteres nieder, und stürmten sodann auf die Straße fort, mit gezogenenSäbel nalles niedermetzelnd, was ihnen begegnete. Auf diese Weise kamen sie an der Karlskirche am Glacis an. Eine Patrouille, ebenfalls Stockczechen, und nach den böhmischen Flüchen der 3 Betrunkenen glaubend, sie wären von den ihnen nachfolgenden Civilisten insultirt, stachen mit dem Bajonnete noch 2 Civilisten nieder. Unter den Verwundeten war ein Beamter des Hofkriegsrathes, welchem der Kopf gespaltet wurde.

Triest, 9. April.

Gestern früh war der Schnelldämpfer "Trieste" schon von seiner Sendung nach Ancona mit den beiden Piemontesischen Stabsoffizieren zurück gekehrt. Albini scheint dieses Mal gehorchen zu wollen und ist mit seiner ganzen Flotte nach - Venedig gesegelt, wie er sagt, um 2 seiner, dort befindlichen Schiffe herauszubekommen. Die Anconitaner wollten die Flotte nicht fort lassen und droheten sogar auf dieselbe zu schießen, Albini antwortete ihnen hierauf, er werde in diesem Falle Ancona beschießen. Diese Drohungen reduzirten sich zuletzt auf die Flüche und Verwünschungen von Tausenden von Menschen, die auf dem Molo von Ancona zusammengedrängt waren.

062 062 Dessau, 13. April.

Das "Eldorado" der kleinbürgerlichen Konstitutions-Demokratie ist nun noch auf mindestens zwei Jahre gesichert, - wenn nichts dazwischen kömmt. Die Wahlen für den ersten (ordentlichen) Landtag sind in diesen Tagen vor sich gegangen und ihr Ergebniß ist: Von 22 gewählten Abgeordneten 19 Demokraten und 3 Reaktionäre. Es war der erste Versuch mit direkten Urwahlen in Deutschland. Die Bourgeoispartei hat eine vollständige Niederlage erlitten. Die Betheiligung an den Wahlen war bedeutend; in keinem Wahlbezirke waren weniger als zwei Drittel der stimmberechtigten Wähler erschienen. Die "gemäßigte Partei der Bürger", wie sich die Wucherer und Krämer bescheiden selbst nennen, machte die gewaltigsten Anstrengungen gegen die "lausigen Kanaillen von Demokraten" und - fiel mit allen ihren Kandidaten gegen die letztern durch. Das Resultat ist natürlich, daß diese Honetten wieder um Abschaffung der "Pöbelwahlen" schreien. Daß der Chef der gesammten Landesverwaltung gegen einen jüdischen Schullehrer, ein Regierungsrath gegen einen Seifensieder, der große Abgeordnete in Frankfurt, Pannier, gegen ein armes Dorfschulmeisterlein durchfallen würden, hatten die Bourgeois nicht geträumt. Trefflich hat sich das Volk benommen. Wenn man Euch bestechen will, sagte ein Arbeiter zu mehreren andern, so nehmt so viel ihr kriegen könnt und stimmt wie ihr wollt. Ein Pfaffe warnte einen Bauer vor dem Pf. Stein "der wolle die Republik". Der Bauer antwortete: "So, dann will ich den Stein." Frappant sind namentlich die ungeheuern Majoritäten, die die demokratischen Kandidaten auf dem Lande erhalten haben. Der Eine hat 440 von 480, der andere 360 von 415, ein dritter 375 von 392 Stimmen. Im Köthenschen sind die Mitglieder der äußersten Linken (vom ersten Landtage) sämmtlich wieder gewählt, die meisten in mehren Bezirken; Einer, Wolter, sogar in vier. Und doch würde man sich täuschen, wenn man glaubte, die republikanische Bewegung habe in Anhalt Boden gefaßt. Von den Gewählten geht praktisch kein Einziger über unsere Verfassung hinaus. Es wäre bei der Olmütz-Potsdamer Octroyirungsgeilheit auch unnütze Mühe. Jedenfalls ist durch diese Wahlen wenigstens der Bestand des Ministeriums Hadicht-Köppe auf weitere zwei Jahre gesichert.

103 Aus dem Badischen, Mitte April.

In geheimer Sitzung des Urtheilssenats des Hofgerichts zu Freiburg ist nun am 10. d. glücklich entschieden worden, daß der Hoch- und Landesverrathsprozeß gegen Bornstedt und Fickler erst am 2. Mai Vormittags 9 Uhr in öffentlicher Gerichtssitzung vor dem Geschwornengericht des Oberrheinkreises zu Freiburg beginnen soll. Gegen 100 Zeugen sind vorgeladen; die Verhandlungen werden also mindestens 8 Tage dauern. Eigenthümlich ist, daß die badische Justiz sich nicht geschämt hat, förmlich als Polizeispione in Straßburg öffentlich durchgeprügelte und durch den Unwillen des Volkes aus der Stadt getriebene Individuen, wie den Holzhändler Ernst Völblin, und den elenden Maler Julius Adelmann aus Karlsruhe als Belastungszeugen gegen Bornstedt und den Studenten Weber von der Pariser Legion vorzuladen. Dem berüchtigten Holzhändler Völblin wurden in Straßburg durch die Bürger die Fenster eingeworfen; das Volk hatte ihm dabei noch jene Justiz zugedacht, welche es an dem bezahlten Renegaten und Polizeispion Rauschenplatt versuchte, diesem vielseitigen Subjekt, welcher u. A. einen Heidelberger Professorengehalt mit einer Frankfurter Polizeistelle vereinigt. Rauschenplatt, der ehemalige Gesinnungsgenosse von Mazzini vom jungen Europa her, wagte es auch nicht, sich in Heidelberg bei der Liste der vorlesenden Professoren mit einem Kollegium einschreiben zu lassen, weil selbst die servilsten Studenten und preußischen Junker, welche sich noch an dieser Universität unter dem Vorwande des Studirens herumtrieben, diesen ehemals mit seinem Jakobinismus prahlenden Verräther mit Steinen und Koth empfangen haben würden. Die Exdemagogen, welche in den dreißiger Jahren die Schweiz bewohnten, werden sich noch erinnern, wie Rauschenplatt zu denen gehörte, welche damals ein Todesurtheil gegen den preußischen Flüchtling und geheimen Spion L. aussprechen und durch den Flüchtling G. in B. vollziehen ließen. Und dieser selbe mörderische Pendant Heinzens ist jetzt privilegirter und patentirter Reichsspion und wird von dem Beutelschneiderministerium Beck in einer beiderseitig gleich ehrenvollen Weise in geheimen Missionen verwendet.

Durch einen andern oben genannten Polizei-Agenten des Ministers Beck, Namens Julius Adelmann aus Karlsruhe sind viele deutsche Flüchtlinge selbst den französischen Behörden in Straßburg verdächtigt worden. Der Name dieses Unglücklichen, so wie der des Holzhändlers Ernst Völblin, welcher sich aus Straßburg nach Offenburg flüchten mußte, verdienen überall an den Pranger gestellt zu werden.

Unter den Zeugen, welche in dem Fickler-Bornstedt'schen Prozesse von politischem Interesse sein werden, befindet sich auch der Professor Welcker, wohlbezahlter Bundestagsgesandter in Frankfurt und Erfinder der unsterblichen preußischen Kaiserkomödie; ferner eine Menge zweideutiger süddeutscher Republikaner, wie Bürgermeister Hoctlin, Dekan Muenzer und andere, welche bei dem ersten Aufstande trotz Ihres bestimmten Versprechens im Augenblicke des Handelns feig zurücktraten und selbst verriethen. Die Zahl der Zeugen beläuft sich auf beinahe hundert, gegen Bornstedt viele Wurtembergische Soldaten, Unteroffiziere und der Hauptmann Lipp vom 6ten Infan-terie-Regiment, welcher bei Rossenbach mit dem tapfersten der Freischaarenführer, Reinhard Schimmelpenning einen Zweikampf ehrenhaft bestand. Auch eine badische Hofkreatur, der Kammerherr und Jesuit, Baron von Landenberg, erscheint als Zeuge gegen die Pariser Legion, weil die Mitglieder der Legion angeblich auf seinem Schlosse nicht blos Waffen, sondern sogar einige Kasten Cigarren, Pfeifen und Hemden in Beschlag nahmen. Uebrigens wird der Prozeß noch manches Interessante zu Tage fördern; Bornstedt will unter Andern die ganze Erbärmlichkeit der Puppe Herwegh demaskiren. - Aus Mannheim erfahren wir, daß Amalie Struve in Kurzem freigelassen wird. - Den Gefangenen, welche vor das Schwurgericht kommen sollen, hat das Hofgericht in Freiburg in einer amtlichen Eröffnung verboten, vor Gericht in den roth-seidnen Halstuchern u. s. w. zu erscheinen, welche ihnen der Mannheimer Frauen-Verein Concordia gesendet hatte. Das Hofgericht erklärt wörtlich, daß solche "rothe Abzeichen die Absicht andeuten, die badische Regierung und den Großherzog öffentlich zu verhöhnen!" Das Hofgericht und der Großherzog theilen diesen Zorn gegen die rothe Farbe mit den Ochsen und den Putern.

Französische Republik.
12 Paris, 14. April.

Endlich tritt auch der National mit seinem Manifeste auf. Und was ist der Inhalt dieses Manifestes? Der National preis't sich den Wählern, und den Wählern seine Constitution an. Der National will gewählt werden. Welcher National? Der National von 1834? Nein; der National von 1848; der National des Cavaignac, und der Cavaignac des National. Gut. Was sind seine Titel? Die Republik und die Constitution, beide, angeblich, von ihm begründet. Auch gut! Und was hat die Republik und die Constitution den Franzosen gebracht? Die Verjagung der Könige und die Organisation des öffentlichen Beistandes! Die Verjagung der Könige; das ist offenbar die Anerkennung der Republik. Der National, wie sich von selbst versteht, erkennt die Republik an, die Cavaignac'sche Republik, und greift das Manifest der Rue Poitiers an, weil die Rue Portier mit keinem einzigen Worte der Republik erwähnt, und den Cavaignac bereits aus der Liste der Wahlkandidaten gestrichen hat. Mit der Rue Poitiers haben National und Cavaignac völlig gebrochen. Aber was ist zu thun mit der demokratisch-sozialen Partei? Der National erwähnt ihrer mit keinem Worte, und deßungeachtet schmiegte er sich bereits dieser Partei an. Die Constitution bewilligt die "assistance", das heißt, den Bettelbeistand; die demokratisch-soziale Partei verlangt "le droif au travail", das Recht auf Arbeit, das heißt, die Anwaltschaft auf Arbeit: und der National, der die Constitution so zu sagen verfaßt und in der Kammer durchgebracht hat, dringt auf Organisation des öffentlichen Beistandes. Der organisirte Beistand aber, ist das etwas anderes als eine Concession, die der National dem Recht auf Arbeit macht, als das Geständniß, daß die Rue Poitiers ihn sammt seiner Constitution und seinem versprochenen "Beistande" soviel wie möglich entfernt halten will?

Wie ganz anders die Montagne! sie spricht sich geradezu gegne die Constitution aus; sie ist zu der Erkenntniß gelangt, daß Paris gerade es ist, welches in Mailand, in Pesth, in Wien, Warschau und Berlin gebrandschatzt wird: sie dringt daher vor allen Dingen auf bewaffnete Intervention, und in Betreff der innern Politik auf das Recht auf Arbeit, welches sie obenanstellt. Die Zurückzahlung der Fünfundvierzigcentimensteuer ist nur eine Umschreibung der Zurückforderung der Milliarde, und auch hierin tritt sie dem National schnurstracks entgegen, der weder des Einen noch des Andern gedenkt. Wir haben also außer dem Programm der social-demokratischen Partei noch ein besonderes Manifest der Montagne. In diesem Manifest erklärt der Berg, daß er kein Wahlcomite konstituiren werde. So wie die Partei des National unendliche Konzessionen dem Berge macht, ohne daß der Berg sich zur Reciprocität veranlaßt sieht, so ist der Berg seinerseits wieder genöthigt, eben so große Konzessionen der Volkspartei, dem eigentlichen Proletariate zu machen, den Anhängern von Raspail, Blanqui und Barbes, um seine Chancen bei der bevorstehenden Wahl nicht zu verlieren. Die Politik der konstituirenden Versammlung ist in diesem vom ganzen Berge unterschriebenen Manifeste gehörig gewürdigt: "Sie war schwach nach Außen, und heftig, grausam nach Innen." Woraus bestand die Kammer? Aus Korkmännern, die, nachdem sie durch die Revolution in den Abgrund geschleudert waren, wieder an die Oberfläche des Wassers zu schwimmen kamen, weil die Männer der Revolution vergessen hatten, ihnen ein Gewicht unter die Füße zu binden. Welch ein Glück übrigens, daß diese Kammer nun zu Ende ist: am Vorabende ihrer Auflösung wird darüber diskutirt, ob man den obgedachten Pairs und Kammerherren eine Pension, die geringste von 24,000 Fr., fortan noch zahlen soll, und der Finanzminister sieht hierin eine Menschlichkeitsfrage. Zu Paris sind 300,000 Proletarier dem Elende Preis gegeben; aber diese haben das Unglück, nicht so "interessant" zu sein, wie Leute, die den Marschall Ney haben niederschießen lassen, und die von dem Auslande bezahlt werden! Die Kammer, mit einer kleinen Reduktion, hat die Pension diesen Elenden fernerhin bewilligt. "Heraus mit der Milliarde"! "Nieder mit den Windischgrätz's", so ertönt es bereits außerhalb der Kammer, und die Kammer bleibt taub!

Die erfreulichste Erscheinung ist ohne Zweifel das Manifest des Hrn. Guizot: Zehn Seiten Aergerniß für Hrn. Thiers! Welch ein Schlag für die Rue Poitiers! "Guizot a ses amis!" Also Guizot hat Freunde außer der Rue Poitiers, und die Rue Poitiers, mit Duvergier de Haurannne sehen in Herrn Guizot einen Feind "ihrer Freunde!" Guizot will "heilen," und "wenn meine Freunde meine Anwesenheit in der Kammer für nützlich halten, so bin ich bereit." Guizots Freunde sitzen in der Rue Poitiers, und Thiers sitzt unter ihnen! "Es handelt sich nicht darum, eine gewisse äußere Satisfaktion der Nothwendigkeit des Einverständnisses zwischen allen Männern der Ordnung zu geben, und dann unter dem Mantel dieses großen Friedens die Zerwürfnisse, alle großen und kleinen Kriege fortzusetzen!" Guizot ist ein Tölpel geworden, ungeachtet aller Feinheit seiner Sprache, ungeachtet der schlauen Sprachwendung, mit welcher er auf seine Stellung zu der Rue Poitiers hinweist. Für Guizot giebt es keine andern "großen Kriege" als der Krieg mit Thiers! Die alte Marotte tritt als fixe Idee zum Vorschein. Der Krieg zwischen Thiers und Guizot; die Wahlbewegung und der Kampf in Italien hat für ihn keine andere Bedeutung. "Die Ordnung ist tiefer angegriffen, als man glaubt; es kömmt in diesem Augenblick hauptsächlich darauf an, daß die Partei der Ordnung sich organisirt. Alle Welt sagt das; aber wenige wissen, was diese Worte bedeuten und erheischen. Die Ordnung ist angegriffen von passionirten, unermüdlichen unersättlichen Revolutionairen."

Als die Rue Poitiers über die Kandidatur des Hrn. Guizot befregt wurde, da waren es die Herren Thiers und Berryer, welche die superbe Erklärung der Neutralität vorschoben und so Guizot auf eine glänzende Weise abfahren ließen. Wie antwortet Guizot darauf?

"Die Annährungen stellen sich von selbst zu Wege, man möge sie suchen oder nicht, man möge sie eingestehn oder verschweigen." Also immer Thiers und immer Thiers!

Den Thiers "abzufertigen" und die Ordnung herzustellen - das ist der ganze Inhalt des Manifestes. "Das Publikum, heißt es im Manifeste, weiß dieses, und in seinem großen Instinkte, handelt es ganz konsequent mit diesem Prinzip. Warum hat das Publikum den General Cavaignac nicht zum Präsidenten erwählt? Hat der General Cavaignac nicht zu Gunsten der Ordnung die entscheidenste Schlacht gewonnen? Der General Cavaignac ist ein honorabler Mann; aber der General Cavaignac, sei es durch die Persönlichkeit seiner Freude, oder auch durch seine eigene Persönlichkeit, erschien dem Volke nicht als das Repräsentant der Ordnung. Keineswegs undankbar, aber klar und hell schauend hat das Volk sich von ihm abgewandt, um sich in Masse um einen Namen zu gruppiren, der ihm als das Symbol der Ordnung und der Macht im Gedächtnisse geblieben ist." Guizot lobt Napoleon, und schlägt auf Cavaignac und meint alle Welt, und Thiers in's besondere! Aber wie lobt Guizot den Napoleon?

"Drie ersten Regierungen haben in Frankreich existirt; das Kaiserreich, die Restauration und die Monarchie von 1830; alle drei, die gedauert, haben die Begriffe von Ordnung dem Volke leguirt". Diese drei Regierungen sind "ernst" gewesen; die jetzige Regierung ist keine ernste! Von der Republik kein Wort. Guizot bereut seine früher befolgte Politik nicht; er giebt zu, daß er Fehler begangen haben kann; aber im Ganzen sei sie gut gewesen, gut für den Fortschritt und die Ordnung. Guizot's Manifest ist die Tölpelhaftigkeit, in der reinsten Sprache ausgedrückt. Es ist von Brompton aus datirt, aus derselben Vorstadt London's, wo Harncy wohnt, und den Northern Star redigirt.

Paris, 14. April.

Keine Journale aus Genua, Florenz, Rom und Neapel.

- Alle Morgenblätter wiederholen die angeblich telegraphische Depesche von der Capitulation Genua's. "Temps" fügt hinzu: Wir fürchten, daß an dem Tage (11.), wo die Lantarmora'schen Truppen in die Stadt treten sollten, noch Ströme von Blut flossen.

Graf v. Randwyck überreichte dem Präsidenten der Republik die Papiere, welche den Thronwechsel im Haag anzeigen.

Gleichzeitig hatte Hr. von Thoun und Gioberti die Ehre, von Drouyn de Lhuys in das Elisee geführt zu werden.

- Gestern hat sich Ledru-Rollin mit dem durch seine Arroganz genügend bekannten Legitimisten Denjoy geschossen. Nach dem ersten fruchtlosen Pistolengange erklärten die Zeugen: Felix Pyat, Baraguay d'Hilliers, Joly und v. Lauffat, die Ehre gerächt und der Kampf wurde eingestellt.

Das Duell hatte in der jüngsten Wahlpolizeidebatte seinen Anlaß.

- E. Raspail, der sich verborgen hält, hat den berüchtigten Point zwei Mal vergebens gefordert. Die Zeugen desselben lehnen jedoch jede Genugthung mit den Waffen ab und wollen laut der Erklärung eines Ehrenraths in den heutigen Morgenblättern die Rache dem Pariser Zuchtgerichte überlassen.

- Der Pariser Affissenhof verurtheilte gestern den "Peuple" in der Person des Geranten Duchene abermals zu fünf Jahren Gefängniß und 6000 Franken Geldstrafe - par defaut.

- Der Pariser Gerichtshof hat die Volksbank versiegeln lassen.

- General Pelet Chef des Generalstabes und ehemaliger Adjutant Massena's, protestirt im Courrier Francais gegen die Aechtheit der jüngst im Buchhandel erschienenen Memoiren aus den Feldzügen des Marschalls Massena.

- Der Ausschuß, den die Nationalversammlung zur Begutachtung des Faucherschen Antrages rücksichtlich des Preßgesetzes niedersetzte, soll sich für eine Herabsetzung der Journal-Caution auf die Hälfte des bisherigen Betrages, also für eine Caution von 12000 Frk. (statt 24000 Frk.) ausgesprochen haben, doch können wir diese erfreuliche Nachricht nicht verbürgen.

- Aus Lyon nichts Neues. Es wäre denn die Entrüstung der dortigen konservativen Organe über die Ausweisung eines preuß. Prinzen aus Genf.

- Aus Marseille sahen wir keine Journale.

- Dem Vernehmen nach arbeitet man im Ministerium an dem Plane einer systematischen Proletarier-Uebersiedlung nach den Colonieen Guadeloupe und Martinique, wie dies im vorigen Jahre nach Algerien der Fall war.

- Der Moniteur veröffentlicht heute die Liste der unterstützten Schriftsteller. Wir erblicken darunter auffallend viele Namen deutschen Ursprungs.*)

- Der Moniteur bringt uns den Wochenbericht der großen Bank vom 5. zum 12. April. In dieser Epoche ist der Pariser Wechselverkehr von 51,695,883 Frs. 86 Cent. abermals auf 50,292,321 Frs. 76 Cent. gesunken, und die Ziffer der leidenden Papiere auf 7,103,543 Frs. 34 Cent. stehen geblieben.

- Auch Bugeaud tritt unter die Buschklepper, die den Sozialismus zunächst auf literarischem Wege bekämpfen. Die sämmtlichen conservativen Blätter verkünden mit vollen Backen den Verkauf einer Broschüre:

"Le Socialisme et le travail en commun, vom Marschall Bugeaud, Herzog von Isly." 100 Exemplare für 8 Franken (einzeln 2 Sous.)

- In Lyon ras't die Gerichtsgewalt gegen die sozialistische Zeitungspresse nicht minder als hier in Paris.

*) Etwa auch Hrn. Benedey und den Juden Carpelles, Korrespondenten der Köln. Ztg.? Wir ersuch[e]n das Korrespondenzbüreau um Mittheilung der Namen.   Die Red.

rothe Tücher oder ein rothes Bändchen oder Schleife trugen und erst nachdem man sie dieser gefährlich-stummen „Abzeichen“ beraubt, wieder freigelassen.

221 Wien, 10. April.

Beim Gouverneur Welden war eine Versammlung der Vorstände der verschiedenen Bürgerwehrskörper, welche befragt wurden, ob sie bei einer bedeutenden Verringerung der Belagerungsgarnison für die Aufrechthaltung der Ruhe ‒ und gesetzlichen ‒ Ordnung zu bürgen im Stande seien, da zur „Vernichtung (!) der ungarischen Rebellenhaufen“ die Entsendung einer bedeutenden Heeresmacht nach Ungarn dringend nothwendig scheine. Die Antwort der Vorstände lautete sehr natürlich und wahrheitsgemäß, daß sie für nichts, für gar nichts zu bürgen im Stande seien. Trotzdem gehen nun allnächtlich ganz in der Stille immer neue Truppentheile von hier nach Ungarn ab. Das Volk aber, das von den kaiserlichen Mordhunden decimirte Volk, hört mit wilder Freude die Nachrichten von dem immer weiteren Vordringen der Ungarn, Nachrichten, welche sich, trotz Standrechtsbülletins und Polizeisperre, wie ein Lauffeuer still und geschäftig durch die ganze Hauptstadt verbreiten. Der Rachedurst des Wiener Volkes ist durch die fortwährenden Begnadigungen zu Pulver und Blei auf die erfreulichste Höhe gestiegen, und wenn die Arbeiter unter den Bajonetten ihrer Henker bisher auch ihre Wuth niederhielten, so wird ein Sieg der Ungarn bei Pesth das Signal zu einem neuen Kampf in Wien geben, gegen welchen die früheren eine süße Schäfer-Idylle sein werden. Wenn Sie die finstern, verschlossenen Mienen sähen, mit denen sich die Proletarier seit den unaufhörlichen Hinrichtungen tragen, Sie würden wissen, wie es hier im Volke kocht und gährt. Das Volk wird bei einer neuen Revolution nicht in die Fehler der ersten zurückfallen; es wird keinen feigen Gemeinderath zur „Vereinbarung“ mit seinem kaiserlichen Henker nöthig haben, es wird auch keine Truppen, wie damals den gefangenen Auersperg, aus der Stadt lassen; seine Errungenschaft unter der Standrechtsperiode konzentrirt sich jetzt in dem einzigen Erfahrungssatz: die Politik der Rache!

221 Wien, 11. April.

Da sich am Charsamstage bei der Auferstehungsfeierlichkeit am Stephansplatze, Graben, Kohlmarkte etc. sehr viele junge Männer mit rothen Halsbinden, und sonst etwas burschikoser Kleidung zeigten, besonders viele Frauen und Mädchen auffallend mit deutschen Schleifen geziert erschienen, so überraschte uns schon Ostermontag Abends eine Kundmachung vom Gouverneur Welden, welche „in Erwägung, daß sich viele böswillige Buben erfrechen, rothe und deutsche Farben als Abzeichen ihrer Gesinnung zu tragen, sowohl diese Abzeichen bei Männern und Frauen als auch jede auffallende(!) Tracht der Kleidung mit standrechtlicher Behandlung bedroht. Unter Beziehung dieser neuen Standrechtskategorie der „auffallenden“ Tracht wurden auch bereits im Laufe des heutigen Tages zahlreiche Verhaftungen an Männern und Frauen vorgenommen.

Das Militär ergeht sich ungestört in den erfreulichsten Bestialiäten. In der Vorstadt Wieden, Favorittenstraße, tranken sich 3 Grenadiere in einer Kneipe einen nicht ungewöhnlichen Branntweinrausch an, und forderten dann statt der Bezahlung noch obendrein Geld vom Wirthe. Als derselbe ihnen dies verweigerte, stachen sie ihn ohne Weiteres nieder, und stürmten sodann auf die Straße fort, mit gezogenenSäbel nalles niedermetzelnd, was ihnen begegnete. Auf diese Weise kamen sie an der Karlskirche am Glacis an. Eine Patrouille, ebenfalls Stockczechen, und nach den böhmischen Flüchen der 3 Betrunkenen glaubend, sie wären von den ihnen nachfolgenden Civilisten insultirt, stachen mit dem Bajonnete noch 2 Civilisten nieder. Unter den Verwundeten war ein Beamter des Hofkriegsrathes, welchem der Kopf gespaltet wurde.

Triest, 9. April.

Gestern früh war der Schnelldämpfer „Trieste“ schon von seiner Sendung nach Ancona mit den beiden Piemontesischen Stabsoffizieren zurück gekehrt. Albini scheint dieses Mal gehorchen zu wollen und ist mit seiner ganzen Flotte nach ‒ Venedig gesegelt, wie er sagt, um 2 seiner, dort befindlichen Schiffe herauszubekommen. Die Anconitaner wollten die Flotte nicht fort lassen und droheten sogar auf dieselbe zu schießen, Albini antwortete ihnen hierauf, er werde in diesem Falle Ancona beschießen. Diese Drohungen reduzirten sich zuletzt auf die Flüche und Verwünschungen von Tausenden von Menschen, die auf dem Molo von Ancona zusammengedrängt waren.

062 062 Dessau, 13. April.

Das „Eldorado“ der kleinbürgerlichen Konstitutions-Demokratie ist nun noch auf mindestens zwei Jahre gesichert, ‒ wenn nichts dazwischen kömmt. Die Wahlen für den ersten (ordentlichen) Landtag sind in diesen Tagen vor sich gegangen und ihr Ergebniß ist: Von 22 gewählten Abgeordneten 19 Demokraten und 3 Reaktionäre. Es war der erste Versuch mit direkten Urwahlen in Deutschland. Die Bourgeoispartei hat eine vollständige Niederlage erlitten. Die Betheiligung an den Wahlen war bedeutend; in keinem Wahlbezirke waren weniger als zwei Drittel der stimmberechtigten Wähler erschienen. Die „gemäßigte Partei der Bürger“, wie sich die Wucherer und Krämer bescheiden selbst nennen, machte die gewaltigsten Anstrengungen gegen die „lausigen Kanaillen von Demokraten“ und ‒ fiel mit allen ihren Kandidaten gegen die letztern durch. Das Resultat ist natürlich, daß diese Honetten wieder um Abschaffung der „Pöbelwahlen“ schreien. Daß der Chef der gesammten Landesverwaltung gegen einen jüdischen Schullehrer, ein Regierungsrath gegen einen Seifensieder, der große Abgeordnete in Frankfurt, Pannier, gegen ein armes Dorfschulmeisterlein durchfallen würden, hatten die Bourgeois nicht geträumt. Trefflich hat sich das Volk benommen. Wenn man Euch bestechen will, sagte ein Arbeiter zu mehreren andern, so nehmt so viel ihr kriegen könnt und stimmt wie ihr wollt. Ein Pfaffe warnte einen Bauer vor dem Pf. Stein „der wolle die Republik“. Der Bauer antwortete: „So, dann will ich den Stein.“ Frappant sind namentlich die ungeheuern Majoritäten, die die demokratischen Kandidaten auf dem Lande erhalten haben. Der Eine hat 440 von 480, der andere 360 von 415, ein dritter 375 von 392 Stimmen. Im Köthenschen sind die Mitglieder der äußersten Linken (vom ersten Landtage) sämmtlich wieder gewählt, die meisten in mehren Bezirken; Einer, Wolter, sogar in vier. Und doch würde man sich täuschen, wenn man glaubte, die republikanische Bewegung habe in Anhalt Boden gefaßt. Von den Gewählten geht praktisch kein Einziger über unsere Verfassung hinaus. Es wäre bei der Olmütz-Potsdamer Octroyirungsgeilheit auch unnütze Mühe. Jedenfalls ist durch diese Wahlen wenigstens der Bestand des Ministeriums Hadicht-Köppe auf weitere zwei Jahre gesichert.

103 Aus dem Badischen, Mitte April.

In geheimer Sitzung des Urtheilssenats des Hofgerichts zu Freiburg ist nun am 10. d. glücklich entschieden worden, daß der Hoch- und Landesverrathsprozeß gegen Bornstedt und Fickler erst am 2. Mai Vormittags 9 Uhr in öffentlicher Gerichtssitzung vor dem Geschwornengericht des Oberrheinkreises zu Freiburg beginnen soll. Gegen 100 Zeugen sind vorgeladen; die Verhandlungen werden also mindestens 8 Tage dauern. Eigenthümlich ist, daß die badische Justiz sich nicht geschämt hat, förmlich als Polizeispione in Straßburg öffentlich durchgeprügelte und durch den Unwillen des Volkes aus der Stadt getriebene Individuen, wie den Holzhändler Ernst Völblin, und den elenden Maler Julius Adelmann aus Karlsruhe als Belastungszeugen gegen Bornstedt und den Studenten Weber von der Pariser Legion vorzuladen. Dem berüchtigten Holzhändler Völblin wurden in Straßburg durch die Bürger die Fenster eingeworfen; das Volk hatte ihm dabei noch jene Justiz zugedacht, welche es an dem bezahlten Renegaten und Polizeispion Rauschenplatt versuchte, diesem vielseitigen Subjekt, welcher u. A. einen Heidelberger Professorengehalt mit einer Frankfurter Polizeistelle vereinigt. Rauschenplatt, der ehemalige Gesinnungsgenosse von Mazzini vom jungen Europa her, wagte es auch nicht, sich in Heidelberg bei der Liste der vorlesenden Professoren mit einem Kollegium einschreiben zu lassen, weil selbst die servilsten Studenten und preußischen Junker, welche sich noch an dieser Universität unter dem Vorwande des Studirens herumtrieben, diesen ehemals mit seinem Jakobinismus prahlenden Verräther mit Steinen und Koth empfangen haben würden. Die Exdemagogen, welche in den dreißiger Jahren die Schweiz bewohnten, werden sich noch erinnern, wie Rauschenplatt zu denen gehörte, welche damals ein Todesurtheil gegen den preußischen Flüchtling und geheimen Spion L. aussprechen und durch den Flüchtling G. in B. vollziehen ließen. Und dieser selbe mörderische Pendant Heinzens ist jetzt privilegirter und patentirter Reichsspion und wird von dem Beutelschneiderministerium Beck in einer beiderseitig gleich ehrenvollen Weise in geheimen Missionen verwendet.

Durch einen andern oben genannten Polizei-Agenten des Ministers Beck, Namens Julius Adelmann aus Karlsruhe sind viele deutsche Flüchtlinge selbst den französischen Behörden in Straßburg verdächtigt worden. Der Name dieses Unglücklichen, so wie der des Holzhändlers Ernst Völblin, welcher sich aus Straßburg nach Offenburg flüchten mußte, verdienen überall an den Pranger gestellt zu werden.

Unter den Zeugen, welche in dem Fickler-Bornstedt'schen Prozesse von politischem Interesse sein werden, befindet sich auch der Professor Welcker, wohlbezahlter Bundestagsgesandter in Frankfurt und Erfinder der unsterblichen preußischen Kaiserkomödie; ferner eine Menge zweideutiger süddeutscher Republikaner, wie Bürgermeister Hoctlin, Dekan Muenzer und andere, welche bei dem ersten Aufstande trotz Ihres bestimmten Versprechens im Augenblicke des Handelns feig zurücktraten und selbst verriethen. Die Zahl der Zeugen beläuft sich auf beinahe hundert, gegen Bornstedt viele Wurtembergische Soldaten, Unteroffiziere und der Hauptmann Lipp vom 6ten Infan-terie-Regiment, welcher bei Rossenbach mit dem tapfersten der Freischaarenführer, Reinhard Schimmelpenning einen Zweikampf ehrenhaft bestand. Auch eine badische Hofkreatur, der Kammerherr und Jesuit, Baron von Landenberg, erscheint als Zeuge gegen die Pariser Legion, weil die Mitglieder der Legion angeblich auf seinem Schlosse nicht blos Waffen, sondern sogar einige Kasten Cigarren, Pfeifen und Hemden in Beschlag nahmen. Uebrigens wird der Prozeß noch manches Interessante zu Tage fördern; Bornstedt will unter Andern die ganze Erbärmlichkeit der Puppe Herwegh demaskiren. ‒ Aus Mannheim erfahren wir, daß Amalie Struve in Kurzem freigelassen wird. ‒ Den Gefangenen, welche vor das Schwurgericht kommen sollen, hat das Hofgericht in Freiburg in einer amtlichen Eröffnung verboten, vor Gericht in den roth-seidnen Halstuchern u. s. w. zu erscheinen, welche ihnen der Mannheimer Frauen-Verein Concordia gesendet hatte. Das Hofgericht erklärt wörtlich, daß solche „rothe Abzeichen die Absicht andeuten, die badische Regierung und den Großherzog öffentlich zu verhöhnen!“ Das Hofgericht und der Großherzog theilen diesen Zorn gegen die rothe Farbe mit den Ochsen und den Putern.

Französische Republik.
12 Paris, 14. April.

Endlich tritt auch der National mit seinem Manifeste auf. Und was ist der Inhalt dieses Manifestes? Der National preis't sich den Wählern, und den Wählern seine Constitution an. Der National will gewählt werden. Welcher National? Der National von 1834? Nein; der National von 1848; der National des Cavaignac, und der Cavaignac des National. Gut. Was sind seine Titel? Die Republik und die Constitution, beide, angeblich, von ihm begründet. Auch gut! Und was hat die Republik und die Constitution den Franzosen gebracht? Die Verjagung der Könige und die Organisation des öffentlichen Beistandes! Die Verjagung der Könige; das ist offenbar die Anerkennung der Republik. Der National, wie sich von selbst versteht, erkennt die Republik an, die Cavaignac'sche Republik, und greift das Manifest der Rue Poitiers an, weil die Rue Portier mit keinem einzigen Worte der Republik erwähnt, und den Cavaignac bereits aus der Liste der Wahlkandidaten gestrichen hat. Mit der Rue Poitiers haben National und Cavaignac völlig gebrochen. Aber was ist zu thun mit der demokratisch-sozialen Partei? Der National erwähnt ihrer mit keinem Worte, und deßungeachtet schmiegte er sich bereits dieser Partei an. Die Constitution bewilligt die «assistance», das heißt, den Bettelbeistand; die demokratisch-soziale Partei verlangt «le droif au travail», das Recht auf Arbeit, das heißt, die Anwaltschaft auf Arbeit: und der National, der die Constitution so zu sagen verfaßt und in der Kammer durchgebracht hat, dringt auf Organisation des öffentlichen Beistandes. Der organisirte Beistand aber, ist das etwas anderes als eine Concession, die der National dem Recht auf Arbeit macht, als das Geständniß, daß die Rue Poitiers ihn sammt seiner Constitution und seinem versprochenen „Beistande“ soviel wie möglich entfernt halten will?

Wie ganz anders die Montagne! sie spricht sich geradezu gegne die Constitution aus; sie ist zu der Erkenntniß gelangt, daß Paris gerade es ist, welches in Mailand, in Pesth, in Wien, Warschau und Berlin gebrandschatzt wird: sie dringt daher vor allen Dingen auf bewaffnete Intervention, und in Betreff der innern Politik auf das Recht auf Arbeit, welches sie obenanstellt. Die Zurückzahlung der Fünfundvierzigcentimensteuer ist nur eine Umschreibung der Zurückforderung der Milliarde, und auch hierin tritt sie dem National schnurstracks entgegen, der weder des Einen noch des Andern gedenkt. Wir haben also außer dem Programm der social-demokratischen Partei noch ein besonderes Manifest der Montagne. In diesem Manifest erklärt der Berg, daß er kein Wahlcomite konstituiren werde. So wie die Partei des National unendliche Konzessionen dem Berge macht, ohne daß der Berg sich zur Reciprocität veranlaßt sieht, so ist der Berg seinerseits wieder genöthigt, eben so große Konzessionen der Volkspartei, dem eigentlichen Proletariate zu machen, den Anhängern von Raspail, Blanqui und Barbès, um seine Chancen bei der bevorstehenden Wahl nicht zu verlieren. Die Politik der konstituirenden Versammlung ist in diesem vom ganzen Berge unterschriebenen Manifeste gehörig gewürdigt: „Sie war schwach nach Außen, und heftig, grausam nach Innen.“ Woraus bestand die Kammer? Aus Korkmännern, die, nachdem sie durch die Revolution in den Abgrund geschleudert waren, wieder an die Oberfläche des Wassers zu schwimmen kamen, weil die Männer der Revolution vergessen hatten, ihnen ein Gewicht unter die Füße zu binden. Welch ein Glück übrigens, daß diese Kammer nun zu Ende ist: am Vorabende ihrer Auflösung wird darüber diskutirt, ob man den obgedachten Pairs und Kammerherren eine Pension, die geringste von 24,000 Fr., fortan noch zahlen soll, und der Finanzminister sieht hierin eine Menschlichkeitsfrage. Zu Paris sind 300,000 Proletarier dem Elende Preis gegeben; aber diese haben das Unglück, nicht so „interessant“ zu sein, wie Leute, die den Marschall Ney haben niederschießen lassen, und die von dem Auslande bezahlt werden! Die Kammer, mit einer kleinen Reduktion, hat die Pension diesen Elenden fernerhin bewilligt. „Heraus mit der Milliarde“! „Nieder mit den Windischgrätz's“, so ertönt es bereits außerhalb der Kammer, und die Kammer bleibt taub!

Die erfreulichste Erscheinung ist ohne Zweifel das Manifest des Hrn. Guizot: Zehn Seiten Aergerniß für Hrn. Thiers! Welch ein Schlag für die Rue Poitiers! „Guizot à ses amis!« Also Guizot hat Freunde außer der Rue Poitiers, und die Rue Poitiers, mit Duvergier de Haurannne sehen in Herrn Guizot einen Feind „ihrer Freunde!“ Guizot will „heilen,“ und „wenn meine Freunde meine Anwesenheit in der Kammer für nützlich halten, so bin ich bereit.“ Guizots Freunde sitzen in der Rue Poitiers, und Thiers sitzt unter ihnen! „Es handelt sich nicht darum, eine gewisse äußere Satisfaktion der Nothwendigkeit des Einverständnisses zwischen allen Männern der Ordnung zu geben, und dann unter dem Mantel dieses großen Friedens die Zerwürfnisse, alle großen und kleinen Kriege fortzusetzen!“ Guizot ist ein Tölpel geworden, ungeachtet aller Feinheit seiner Sprache, ungeachtet der schlauen Sprachwendung, mit welcher er auf seine Stellung zu der Rue Poitiers hinweist. Für Guizot giebt es keine andern „großen Kriege“ als der Krieg mit Thiers! Die alte Marotte tritt als fixe Idee zum Vorschein. Der Krieg zwischen Thiers und Guizot; die Wahlbewegung und der Kampf in Italien hat für ihn keine andere Bedeutung. „Die Ordnung ist tiefer angegriffen, als man glaubt; es kömmt in diesem Augenblick hauptsächlich darauf an, daß die Partei der Ordnung sich organisirt. Alle Welt sagt das; aber wenige wissen, was diese Worte bedeuten und erheischen. Die Ordnung ist angegriffen von passionirten, unermüdlichen unersättlichen Revolutionairen.“

Als die Rue Poitiers über die Kandidatur des Hrn. Guizot befregt wurde, da waren es die Herren Thiers und Berryer, welche die superbe Erklärung der Neutralität vorschoben und so Guizot auf eine glänzende Weise abfahren ließen. Wie antwortet Guizot darauf?

„Die Annährungen stellen sich von selbst zu Wege, man möge sie suchen oder nicht, man möge sie eingestehn oder verschweigen.“ Also immer Thiers und immer Thiers!

Den Thiers „abzufertigen“ und die Ordnung herzustellen ‒ das ist der ganze Inhalt des Manifestes. „Das Publikum, heißt es im Manifeste, weiß dieses, und in seinem großen Instinkte, handelt es ganz konsequent mit diesem Prinzip. Warum hat das Publikum den General Cavaignac nicht zum Präsidenten erwählt? Hat der General Cavaignac nicht zu Gunsten der Ordnung die entscheidenste Schlacht gewonnen? Der General Cavaignac ist ein honorabler Mann; aber der General Cavaignac, sei es durch die Persönlichkeit seiner Freude, oder auch durch seine eigene Persönlichkeit, erschien dem Volke nicht als das Repräsentant der Ordnung. Keineswegs undankbar, aber klar und hell schauend hat das Volk sich von ihm abgewandt, um sich in Masse um einen Namen zu gruppiren, der ihm als das Symbol der Ordnung und der Macht im Gedächtnisse geblieben ist.“ Guizot lobt Napoleon, und schlägt auf Cavaignac und meint alle Welt, und Thiers in's besondere! Aber wie lobt Guizot den Napoleon?

„Drie ersten Regierungen haben in Frankreich existirt; das Kaiserreich, die Restauration und die Monarchie von 1830; alle drei, die gedauert, haben die Begriffe von Ordnung dem Volke leguirt“. Diese drei Regierungen sind „ernst“ gewesen; die jetzige Regierung ist keine ernste! Von der Republik kein Wort. Guizot bereut seine früher befolgte Politik nicht; er giebt zu, daß er Fehler begangen haben kann; aber im Ganzen sei sie gut gewesen, gut für den Fortschritt und die Ordnung. Guizot's Manifest ist die Tölpelhaftigkeit, in der reinsten Sprache ausgedrückt. Es ist von Brompton aus datirt, aus derselben Vorstadt London's, wo Harncy wohnt, und den Northern Star redigirt.

Paris, 14. April.

Keine Journale aus Genua, Florenz, Rom und Neapel.

‒ Alle Morgenblätter wiederholen die angeblich telegraphische Depesche von der Capitulation Genua's. „Temps“ fügt hinzu: Wir fürchten, daß an dem Tage (11.), wo die Lantarmora'schen Truppen in die Stadt treten sollten, noch Ströme von Blut flossen.

Graf v. Randwyck überreichte dem Präsidenten der Republik die Papiere, welche den Thronwechsel im Haag anzeigen.

Gleichzeitig hatte Hr. von Thoun und Gioberti die Ehre, von Drouyn de Lhuys in das Elisée geführt zu werden.

‒ Gestern hat sich Ledru-Rollin mit dem durch seine Arroganz genügend bekannten Legitimisten Denjoy geschossen. Nach dem ersten fruchtlosen Pistolengange erklärten die Zeugen: Felix Pyat, Baraguay d'Hilliers, Joly und v. Lauffat, die Ehre gerächt und der Kampf wurde eingestellt.

Das Duell hatte in der jüngsten Wahlpolizeidebatte seinen Anlaß.

‒ E. Raspail, der sich verborgen hält, hat den berüchtigten Point zwei Mal vergebens gefordert. Die Zeugen desselben lehnen jedoch jede Genugthung mit den Waffen ab und wollen laut der Erklärung eines Ehrenraths in den heutigen Morgenblättern die Rache dem Pariser Zuchtgerichte überlassen.

‒ Der Pariser Affissenhof verurtheilte gestern den „Peuple“ in der Person des Geranten Duchene abermals zu fünf Jahren Gefängniß und 6000 Franken Geldstrafe ‒ par defaut.

‒ Der Pariser Gerichtshof hat die Volksbank versiegeln lassen.

‒ General Pelet Chef des Generalstabes und ehemaliger Adjutant Masséna's, protestirt im Courrier Français gegen die Aechtheit der jüngst im Buchhandel erschienenen Memoiren aus den Feldzügen des Marschalls Masséna.

‒ Der Ausschuß, den die Nationalversammlung zur Begutachtung des Faucherschen Antrages rücksichtlich des Preßgesetzes niedersetzte, soll sich für eine Herabsetzung der Journal-Caution auf die Hälfte des bisherigen Betrages, also für eine Caution von 12000 Frk. (statt 24000 Frk.) ausgesprochen haben, doch können wir diese erfreuliche Nachricht nicht verbürgen.

‒ Aus Lyon nichts Neues. Es wäre denn die Entrüstung der dortigen konservativen Organe über die Ausweisung eines preuß. Prinzen aus Genf.

‒ Aus Marseille sahen wir keine Journale.

‒ Dem Vernehmen nach arbeitet man im Ministerium an dem Plane einer systematischen Proletarier-Uebersiedlung nach den Colonieen Guadeloupe und Martinique, wie dies im vorigen Jahre nach Algerien der Fall war.

‒ Der Moniteur veröffentlicht heute die Liste der unterstützten Schriftsteller. Wir erblicken darunter auffallend viele Namen deutschen Ursprungs.*)

‒ Der Moniteur bringt uns den Wochenbericht der großen Bank vom 5. zum 12. April. In dieser Epoche ist der Pariser Wechselverkehr von 51,695,883 Frs. 86 Cent. abermals auf 50,292,321 Frs. 76 Cent. gesunken, und die Ziffer der leidenden Papiere auf 7,103,543 Frs. 34 Cent. stehen geblieben.

‒ Auch Bugeaud tritt unter die Buschklepper, die den Sozialismus zunächst auf literarischem Wege bekämpfen. Die sämmtlichen conservativen Blätter verkünden mit vollen Backen den Verkauf einer Broschüre:

„Le Socialisme et le travail en commun, vom Marschall Bugeaud, Herzog von Isly.“ 100 Exemplare für 8 Franken (einzeln 2 Sous.)

‒ In Lyon ras't die Gerichtsgewalt gegen die sozialistische Zeitungspresse nicht minder als hier in Paris.

*) Etwa auch Hrn. Benedey und den Juden Carpelles, Korrespondenten der Köln. Ztg.? Wir ersuch[e]n das Korrespondenzbüreau um Mittheilung der Namen.   Die Red.
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rothe Tücher oder ein rothes Bändchen oder Schleife trugen und erst nachdem man sie dieser gefährlich-stummen &#x201E;Abzeichen&#x201C; beraubt, wieder freigelassen.</p>
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          <head><bibl><author>221</author></bibl> Wien, 10. April.</head>
          <p>Beim Gouverneur Welden war eine Versammlung der Vorstände der verschiedenen Bürgerwehrskörper, welche befragt wurden, ob sie bei einer bedeutenden Verringerung der Belagerungsgarnison für die Aufrechthaltung der Ruhe &#x2012; und gesetzlichen &#x2012; Ordnung zu bürgen im Stande seien, da zur &#x201E;Vernichtung (!) der ungarischen Rebellenhaufen&#x201C; die Entsendung einer bedeutenden Heeresmacht nach Ungarn dringend nothwendig scheine. Die Antwort der Vorstände lautete sehr natürlich und wahrheitsgemäß, daß sie für nichts, für gar nichts zu bürgen im Stande seien. Trotzdem gehen nun <hi rendition="#g">allnächtlich</hi> ganz in der Stille immer neue Truppentheile von hier nach Ungarn ab. Das Volk aber, das von den kaiserlichen Mordhunden decimirte Volk, hört mit wilder Freude die Nachrichten von dem immer weiteren Vordringen der Ungarn, Nachrichten, welche sich, trotz Standrechtsbülletins und Polizeisperre, wie ein Lauffeuer still und geschäftig durch die ganze Hauptstadt verbreiten. Der Rachedurst des Wiener Volkes ist durch die fortwährenden Begnadigungen zu Pulver und Blei auf die erfreulichste Höhe gestiegen, und wenn die Arbeiter unter den Bajonetten ihrer Henker bisher auch ihre Wuth niederhielten, so wird ein Sieg der Ungarn bei Pesth das Signal zu einem neuen Kampf in Wien geben, gegen welchen die früheren eine süße Schäfer-Idylle sein werden. Wenn Sie die finstern, verschlossenen Mienen sähen, mit denen sich die Proletarier seit den unaufhörlichen Hinrichtungen tragen, Sie würden wissen, wie es hier im Volke kocht und gährt. Das Volk wird bei einer neuen Revolution nicht in die Fehler der ersten zurückfallen; es wird keinen feigen Gemeinderath zur &#x201E;<hi rendition="#g">Vereinbarung</hi>&#x201C; mit seinem kaiserlichen Henker nöthig haben, es wird auch keine Truppen, wie damals den gefangenen Auersperg, aus der Stadt lassen; seine Errungenschaft unter der Standrechtsperiode konzentrirt sich jetzt in dem einzigen Erfahrungssatz: <hi rendition="#g">die Politik der Rache!</hi> </p>
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          <head><bibl><author>221</author></bibl> Wien, 11. April.</head>
          <p>Da sich am Charsamstage bei der Auferstehungsfeierlichkeit am Stephansplatze, Graben, Kohlmarkte etc. sehr viele junge Männer mit rothen Halsbinden, und sonst etwas burschikoser Kleidung zeigten, besonders viele Frauen und Mädchen auffallend mit deutschen Schleifen geziert erschienen, so überraschte uns schon Ostermontag Abends eine Kundmachung vom Gouverneur Welden, welche &#x201E;in Erwägung, daß sich viele böswillige Buben erfrechen, <hi rendition="#g">rothe</hi> und <hi rendition="#g">deutsche</hi> Farben als Abzeichen ihrer Gesinnung zu tragen, sowohl diese Abzeichen bei Männern und Frauen als auch jede <hi rendition="#g">auffallende(!)</hi> Tracht der Kleidung mit <hi rendition="#g">standrechtlicher</hi> Behandlung bedroht. Unter Beziehung dieser neuen Standrechtskategorie der &#x201E;<hi rendition="#g">auffallenden</hi>&#x201C; Tracht wurden auch bereits im Laufe des heutigen Tages zahlreiche Verhaftungen an Männern und Frauen vorgenommen.</p>
          <p>Das Militär ergeht sich ungestört in den erfreulichsten Bestialiäten. In der Vorstadt Wieden, Favorittenstraße, tranken sich 3 Grenadiere in einer Kneipe einen nicht ungewöhnlichen Branntweinrausch an, und forderten dann statt der Bezahlung noch obendrein Geld vom Wirthe. Als derselbe ihnen dies verweigerte, stachen sie ihn ohne Weiteres nieder, und stürmten sodann auf die Straße fort, mit gezogenenSäbel nalles niedermetzelnd, was ihnen begegnete. Auf diese Weise kamen sie an der Karlskirche am Glacis an. Eine Patrouille, ebenfalls Stockczechen, und nach den böhmischen Flüchen der 3 Betrunkenen glaubend, sie wären von den ihnen nachfolgenden Civilisten insultirt, stachen mit dem Bajonnete noch 2 Civilisten nieder. Unter den Verwundeten war ein Beamter des Hofkriegsrathes, welchem der Kopf gespaltet wurde.</p>
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          <head>Triest, 9. April.</head>
          <p>Gestern früh war der Schnelldämpfer &#x201E;Trieste&#x201C; schon von seiner Sendung nach Ancona mit den beiden Piemontesischen Stabsoffizieren zurück gekehrt. Albini scheint dieses Mal gehorchen zu wollen und ist mit seiner ganzen Flotte nach &#x2012; Venedig gesegelt, wie er sagt, um 2 seiner, dort befindlichen Schiffe herauszubekommen. Die Anconitaner wollten die Flotte nicht fort lassen und droheten sogar auf dieselbe zu schießen, Albini antwortete ihnen hierauf, er werde in diesem Falle Ancona beschießen. Diese Drohungen reduzirten sich zuletzt auf die Flüche und Verwünschungen von Tausenden von Menschen, die auf dem Molo von Ancona zusammengedrängt waren.</p>
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          <head><bibl><author>062</author></bibl><bibl><author>062</author></bibl> Dessau, 13. April.</head>
          <p>Das &#x201E;Eldorado&#x201C; der kleinbürgerlichen Konstitutions-Demokratie ist nun noch auf mindestens zwei Jahre gesichert, &#x2012; wenn nichts dazwischen kömmt. Die Wahlen für den ersten (ordentlichen) Landtag sind in diesen Tagen vor sich gegangen und ihr Ergebniß ist: Von 22 gewählten Abgeordneten 19 Demokraten und 3 Reaktionäre. Es war der erste Versuch mit <hi rendition="#g">direkten</hi> Urwahlen in Deutschland. Die Bourgeoispartei hat eine vollständige Niederlage erlitten. Die Betheiligung an den Wahlen war bedeutend; in keinem Wahlbezirke waren weniger als zwei Drittel der stimmberechtigten Wähler erschienen. Die &#x201E;gemäßigte Partei der Bürger&#x201C;, wie sich die Wucherer und Krämer bescheiden selbst nennen, machte die gewaltigsten Anstrengungen gegen die &#x201E;lausigen Kanaillen von Demokraten&#x201C; und &#x2012; fiel mit allen ihren Kandidaten gegen die letztern durch. Das Resultat ist natürlich, daß diese Honetten wieder um Abschaffung der &#x201E;Pöbelwahlen&#x201C; schreien. Daß der Chef der gesammten Landesverwaltung gegen einen jüdischen Schullehrer, ein Regierungsrath gegen einen Seifensieder, der große Abgeordnete in Frankfurt, Pannier, gegen ein armes Dorfschulmeisterlein durchfallen würden, hatten die Bourgeois nicht geträumt. Trefflich hat sich das Volk benommen. Wenn man Euch bestechen will, sagte ein Arbeiter zu mehreren andern, so nehmt so viel ihr kriegen könnt und stimmt wie ihr wollt. Ein Pfaffe warnte einen Bauer vor dem Pf. Stein &#x201E;der wolle die Republik&#x201C;. Der Bauer antwortete: &#x201E;So, dann will ich den Stein.&#x201C; Frappant sind namentlich die ungeheuern Majoritäten, die die demokratischen Kandidaten auf dem Lande erhalten haben. Der Eine hat 440 von 480, der andere 360 von 415, ein dritter 375 von 392 Stimmen. Im Köthenschen sind die Mitglieder der äußersten Linken (vom ersten Landtage) sämmtlich wieder gewählt, die meisten in mehren Bezirken; Einer, Wolter, sogar in vier. Und doch würde man sich täuschen, wenn man glaubte, die republikanische Bewegung habe in Anhalt Boden gefaßt. Von den Gewählten geht praktisch kein Einziger über unsere Verfassung hinaus. Es wäre bei der Olmütz-Potsdamer Octroyirungsgeilheit auch unnütze Mühe. Jedenfalls ist durch diese Wahlen wenigstens der Bestand des Ministeriums Hadicht-Köppe auf weitere zwei Jahre gesichert.</p>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Aus dem Badischen, Mitte April.</head>
          <p>In geheimer Sitzung des Urtheilssenats des Hofgerichts zu Freiburg ist nun am 10. d. glücklich entschieden worden, daß der Hoch- und Landesverrathsprozeß gegen Bornstedt und Fickler erst am 2. Mai Vormittags 9 Uhr in öffentlicher Gerichtssitzung vor dem Geschwornengericht des Oberrheinkreises zu Freiburg beginnen soll. Gegen 100 Zeugen sind vorgeladen; die Verhandlungen werden also mindestens 8 Tage dauern. Eigenthümlich ist, daß die badische Justiz sich nicht geschämt hat, förmlich als Polizeispione in Straßburg öffentlich durchgeprügelte und durch den Unwillen des Volkes aus der Stadt getriebene Individuen, wie den Holzhändler Ernst Völblin, und den elenden Maler Julius Adelmann aus Karlsruhe als Belastungszeugen gegen Bornstedt und den Studenten Weber von der Pariser Legion vorzuladen. Dem berüchtigten Holzhändler Völblin wurden in Straßburg durch die Bürger die Fenster eingeworfen; das Volk hatte ihm dabei noch jene Justiz zugedacht, welche es an dem bezahlten Renegaten und Polizeispion Rauschenplatt versuchte, diesem vielseitigen Subjekt, welcher u. A. einen Heidelberger Professorengehalt mit einer Frankfurter Polizeistelle vereinigt. Rauschenplatt, der ehemalige Gesinnungsgenosse von Mazzini vom jungen Europa her, wagte es auch nicht, sich in Heidelberg bei der Liste der vorlesenden Professoren mit einem Kollegium einschreiben zu lassen, weil selbst die servilsten Studenten und preußischen Junker, welche sich noch an dieser Universität unter dem Vorwande des Studirens herumtrieben, diesen ehemals mit seinem Jakobinismus prahlenden Verräther mit Steinen und Koth empfangen haben würden. Die Exdemagogen, welche in den dreißiger Jahren die Schweiz bewohnten, werden sich noch erinnern, wie Rauschenplatt zu denen gehörte, welche damals ein Todesurtheil gegen den preußischen Flüchtling und geheimen Spion L. aussprechen und durch den Flüchtling G. in B. vollziehen ließen. Und dieser selbe mörderische Pendant Heinzens ist jetzt privilegirter und patentirter Reichsspion und wird von dem Beutelschneiderministerium Beck in einer beiderseitig gleich ehrenvollen Weise in geheimen Missionen verwendet.</p>
          <p>Durch einen andern oben genannten Polizei-Agenten des Ministers Beck, Namens Julius Adelmann aus Karlsruhe sind viele deutsche Flüchtlinge selbst den französischen Behörden in Straßburg verdächtigt worden. Der Name dieses Unglücklichen, so wie der des Holzhändlers Ernst Völblin, welcher sich aus Straßburg nach Offenburg flüchten mußte, verdienen überall an den Pranger gestellt zu werden.</p>
          <p>Unter den Zeugen, welche in dem Fickler-Bornstedt'schen Prozesse von politischem Interesse sein werden, befindet sich auch der Professor Welcker, wohlbezahlter Bundestagsgesandter in Frankfurt und Erfinder der unsterblichen preußischen Kaiserkomödie; ferner eine Menge zweideutiger süddeutscher Republikaner, wie Bürgermeister Hoctlin, Dekan Muenzer und andere, welche bei dem ersten Aufstande trotz Ihres bestimmten Versprechens im Augenblicke des Handelns feig zurücktraten und selbst verriethen. Die Zahl der Zeugen beläuft sich auf beinahe hundert, gegen Bornstedt viele Wurtembergische Soldaten, Unteroffiziere und der Hauptmann Lipp vom 6ten Infan-terie-Regiment, welcher bei Rossenbach mit dem tapfersten der Freischaarenführer, Reinhard Schimmelpenning einen Zweikampf ehrenhaft bestand. Auch eine badische Hofkreatur, der Kammerherr und Jesuit, Baron von Landenberg, erscheint als Zeuge gegen die Pariser Legion, weil die Mitglieder der Legion angeblich auf seinem Schlosse nicht blos Waffen, sondern sogar einige Kasten Cigarren, Pfeifen und Hemden in Beschlag nahmen. Uebrigens wird der Prozeß noch manches Interessante zu Tage fördern; Bornstedt will unter Andern die ganze Erbärmlichkeit der Puppe Herwegh demaskiren. &#x2012; Aus Mannheim erfahren wir, daß Amalie Struve in Kurzem freigelassen wird. &#x2012; Den Gefangenen, welche vor das Schwurgericht kommen sollen, hat das Hofgericht in Freiburg in einer amtlichen Eröffnung verboten, vor Gericht in den roth-seidnen Halstuchern u. s. w. zu erscheinen, welche ihnen der Mannheimer Frauen-Verein Concordia gesendet hatte. Das Hofgericht erklärt wörtlich, daß solche &#x201E;rothe Abzeichen die Absicht andeuten, die badische Regierung und den Großherzog öffentlich zu verhöhnen!&#x201C; Das Hofgericht und der Großherzog theilen diesen Zorn gegen die rothe Farbe mit den Ochsen und den Putern.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 14. April.</head>
          <p>Endlich tritt auch der National mit seinem Manifeste auf. Und was ist der Inhalt dieses Manifestes? Der National preis't sich den Wählern, und den Wählern seine Constitution an. Der National will gewählt werden. Welcher National? Der National von 1834? Nein; der National von 1848; der National des Cavaignac, und der Cavaignac des National. Gut. Was sind seine Titel? Die Republik und die Constitution, beide, angeblich, von ihm begründet. Auch gut! Und was hat die Republik und die Constitution den Franzosen gebracht? Die Verjagung der Könige und die Organisation des öffentlichen <hi rendition="#g">Beistandes!</hi> Die Verjagung der Könige; das ist offenbar die Anerkennung der Republik. Der National, wie sich von selbst versteht, erkennt die Republik an, die Cavaignac'sche Republik, und greift das Manifest der Rue Poitiers an, weil die Rue Portier mit keinem einzigen Worte der Republik erwähnt, und den Cavaignac bereits aus der Liste der Wahlkandidaten gestrichen hat. Mit der Rue Poitiers haben National und Cavaignac völlig gebrochen. Aber was ist zu thun mit der demokratisch-sozialen Partei? Der National erwähnt ihrer mit keinem Worte, und deßungeachtet schmiegte er sich bereits dieser Partei an. Die Constitution bewilligt die «assistance», das heißt, den Bettelbeistand; die demokratisch-soziale Partei verlangt «le droif au travail», das Recht auf Arbeit, das heißt, die Anwaltschaft auf Arbeit: und der National, der die Constitution so zu sagen verfaßt und in der Kammer durchgebracht hat, dringt auf Organisation des öffentlichen Beistandes. Der <hi rendition="#g">organisirte</hi> Beistand aber, ist das etwas anderes als eine Concession, die der National dem Recht auf Arbeit macht, als das Geständniß, daß die Rue Poitiers ihn sammt seiner Constitution und seinem versprochenen &#x201E;Beistande&#x201C; soviel wie möglich entfernt halten will?</p>
          <p>Wie ganz anders die Montagne! sie spricht sich geradezu gegne die Constitution aus; sie ist zu der Erkenntniß gelangt, daß Paris gerade es ist, welches in Mailand, in Pesth, in Wien, Warschau und Berlin gebrandschatzt wird: sie dringt daher vor allen Dingen auf bewaffnete Intervention, und in Betreff der innern Politik auf das Recht auf Arbeit, welches sie obenanstellt. Die Zurückzahlung der Fünfundvierzigcentimensteuer ist nur eine Umschreibung der Zurückforderung der Milliarde, und auch hierin tritt sie dem National schnurstracks entgegen, der weder des Einen noch des Andern gedenkt. Wir haben also außer dem Programm der social-demokratischen Partei noch ein besonderes Manifest der Montagne. In diesem Manifest erklärt der Berg, daß er kein Wahlcomite konstituiren werde. So wie die Partei des National unendliche Konzessionen dem Berge macht, ohne daß der Berg sich zur Reciprocität veranlaßt sieht, so ist der Berg seinerseits wieder genöthigt, eben so große Konzessionen der Volkspartei, dem eigentlichen Proletariate zu machen, den Anhängern von Raspail, Blanqui und Barbès, um seine Chancen bei der bevorstehenden Wahl nicht zu verlieren. Die Politik der konstituirenden Versammlung ist in diesem vom ganzen Berge unterschriebenen Manifeste gehörig gewürdigt: &#x201E;Sie war schwach nach Außen, und heftig, grausam nach Innen.&#x201C; Woraus bestand die Kammer? Aus Korkmännern, die, nachdem sie durch die Revolution in den Abgrund geschleudert waren, wieder an die Oberfläche des Wassers zu schwimmen kamen, weil die Männer der Revolution vergessen hatten, ihnen ein Gewicht unter die Füße zu binden. Welch ein Glück übrigens, daß diese Kammer nun zu Ende ist: am Vorabende ihrer Auflösung wird darüber diskutirt, ob man den obgedachten Pairs und Kammerherren eine Pension, die geringste von 24,000 Fr., fortan noch zahlen soll, und der Finanzminister sieht hierin eine Menschlichkeitsfrage. Zu Paris sind 300,000 Proletarier dem Elende Preis gegeben; aber diese haben das Unglück, nicht so &#x201E;interessant&#x201C; zu sein, wie Leute, die den Marschall Ney haben niederschießen lassen, und die von dem Auslande bezahlt werden! Die Kammer, mit einer kleinen Reduktion, hat die Pension diesen Elenden fernerhin bewilligt. &#x201E;Heraus mit der Milliarde&#x201C;! &#x201E;Nieder mit den Windischgrätz's&#x201C;, so ertönt es bereits außerhalb der Kammer, und die Kammer bleibt taub!</p>
          <p>Die erfreulichste Erscheinung ist ohne Zweifel das Manifest des Hrn. Guizot: Zehn Seiten Aergerniß für Hrn. Thiers! Welch ein Schlag für die Rue Poitiers! &#x201E;Guizot à ses amis!« Also Guizot hat Freunde außer der Rue Poitiers, und die Rue Poitiers, mit Duvergier de Haurannne sehen in Herrn Guizot einen Feind &#x201E;ihrer Freunde!&#x201C; Guizot will &#x201E;heilen,&#x201C; und &#x201E;wenn meine Freunde meine Anwesenheit in der Kammer für nützlich halten, so bin ich bereit.&#x201C; Guizots Freunde sitzen in der Rue Poitiers, und Thiers sitzt unter ihnen! &#x201E;Es handelt sich nicht darum, eine gewisse äußere Satisfaktion der Nothwendigkeit des Einverständnisses zwischen allen Männern der Ordnung zu geben, und dann unter dem Mantel dieses großen Friedens die Zerwürfnisse, alle großen und kleinen Kriege fortzusetzen!&#x201C; Guizot ist ein Tölpel geworden, ungeachtet aller Feinheit seiner Sprache, ungeachtet der schlauen Sprachwendung, mit welcher er auf seine Stellung zu der Rue Poitiers hinweist. Für Guizot giebt es keine andern &#x201E;großen Kriege&#x201C; als der Krieg mit Thiers! Die alte Marotte tritt als fixe Idee zum Vorschein. Der Krieg zwischen Thiers und Guizot; die Wahlbewegung und der Kampf in Italien hat für ihn keine andere Bedeutung. &#x201E;Die Ordnung ist tiefer angegriffen, als man glaubt; es kömmt in diesem Augenblick hauptsächlich darauf an, daß die Partei der Ordnung sich organisirt. Alle Welt sagt das; aber wenige wissen, was diese Worte bedeuten und erheischen. Die Ordnung ist angegriffen von passionirten, unermüdlichen unersättlichen Revolutionairen.&#x201C;</p>
          <p>Als die Rue Poitiers über die Kandidatur des Hrn. Guizot befregt wurde, da waren es die Herren Thiers und Berryer, welche die superbe Erklärung der Neutralität vorschoben und so Guizot auf eine glänzende Weise abfahren ließen. Wie antwortet Guizot darauf?</p>
          <p>&#x201E;Die Annährungen stellen sich von selbst zu Wege, man möge sie suchen oder nicht, man möge sie eingestehn oder verschweigen.&#x201C; Also immer Thiers und immer Thiers!</p>
          <p>Den Thiers &#x201E;abzufertigen&#x201C; und die Ordnung herzustellen &#x2012; das ist der ganze Inhalt des Manifestes. &#x201E;Das Publikum, heißt es im Manifeste, weiß dieses, und in seinem großen Instinkte, handelt es ganz konsequent mit diesem Prinzip. Warum hat das Publikum den General Cavaignac nicht zum Präsidenten erwählt? Hat der General Cavaignac nicht zu Gunsten der Ordnung die entscheidenste Schlacht gewonnen? Der General Cavaignac ist ein honorabler Mann; aber der General Cavaignac, sei es durch die Persönlichkeit seiner Freude, oder auch durch seine eigene Persönlichkeit, erschien dem Volke nicht als das Repräsentant der Ordnung. Keineswegs undankbar, aber klar und hell schauend hat das Volk sich von ihm abgewandt, um sich in Masse um einen Namen zu gruppiren, der ihm als das Symbol der Ordnung und der Macht im Gedächtnisse geblieben ist.&#x201C; Guizot lobt Napoleon, und schlägt auf Cavaignac und meint alle Welt, und Thiers in's besondere! Aber wie lobt Guizot den Napoleon?</p>
          <p>&#x201E;Drie <hi rendition="#g">ersten</hi> Regierungen haben in Frankreich existirt; das Kaiserreich, die Restauration und die Monarchie von 1830; alle <hi rendition="#g">drei,</hi> die gedauert, haben die Begriffe von Ordnung dem Volke leguirt&#x201C;. Diese drei Regierungen sind &#x201E;ernst&#x201C; gewesen; die jetzige Regierung ist keine ernste! Von der Republik kein Wort. Guizot bereut seine früher befolgte Politik <hi rendition="#g">nicht;</hi> er giebt zu, daß er Fehler begangen haben kann; aber im Ganzen sei sie gut gewesen, gut für den Fortschritt und die Ordnung. Guizot's Manifest ist die Tölpelhaftigkeit, in der reinsten Sprache ausgedrückt. Es ist von Brompton aus datirt, aus derselben Vorstadt London's, wo Harncy wohnt, und den Northern Star redigirt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar274_013" type="jArticle">
          <head>Paris, 14. April.</head>
          <p>Keine Journale aus Genua, Florenz, Rom und Neapel.</p>
          <p>&#x2012; Alle Morgenblätter wiederholen die angeblich telegraphische Depesche von der Capitulation Genua's. &#x201E;Temps&#x201C; fügt hinzu: Wir fürchten, daß an dem Tage (11.), wo die Lantarmora'schen Truppen in die Stadt treten sollten, noch Ströme von Blut flossen.</p>
          <p>Graf v. Randwyck überreichte dem Präsidenten der Republik die Papiere, welche den Thronwechsel im Haag anzeigen.</p>
          <p>Gleichzeitig hatte Hr. von Thoun und Gioberti die Ehre, von Drouyn de Lhuys in das Elisée geführt zu werden.</p>
          <p>&#x2012; Gestern hat sich Ledru-Rollin mit dem durch seine Arroganz genügend bekannten Legitimisten Denjoy geschossen. Nach dem ersten fruchtlosen Pistolengange erklärten die Zeugen: Felix Pyat, Baraguay d'Hilliers, Joly und v. Lauffat, die Ehre gerächt und der Kampf wurde eingestellt.</p>
          <p>Das Duell hatte in der jüngsten Wahlpolizeidebatte seinen Anlaß.</p>
          <p>&#x2012; E. Raspail, der sich verborgen hält, hat den berüchtigten Point zwei Mal vergebens gefordert. Die Zeugen desselben lehnen jedoch jede Genugthung mit den Waffen ab und wollen laut der Erklärung eines Ehrenraths in den heutigen Morgenblättern die Rache dem Pariser Zuchtgerichte überlassen.</p>
          <p>&#x2012; Der Pariser Affissenhof verurtheilte gestern den &#x201E;Peuple&#x201C; in der Person des Geranten Duchene abermals zu fünf Jahren Gefängniß und 6000 Franken Geldstrafe &#x2012; par defaut.</p>
          <p>&#x2012; Der Pariser Gerichtshof hat die Volksbank versiegeln lassen.</p>
          <p>&#x2012; General Pelet Chef des Generalstabes und ehemaliger Adjutant Masséna's, protestirt im Courrier Français gegen die Aechtheit der jüngst im Buchhandel erschienenen Memoiren aus den Feldzügen des Marschalls Masséna.</p>
          <p>&#x2012; Der Ausschuß, den die Nationalversammlung zur Begutachtung des Faucherschen Antrages rücksichtlich des Preßgesetzes niedersetzte, soll sich für eine Herabsetzung der Journal-Caution auf die Hälfte des bisherigen Betrages, also für eine Caution von 12000 Frk. (statt 24000 Frk.) ausgesprochen haben, doch können wir diese erfreuliche Nachricht nicht verbürgen.</p>
          <p>&#x2012; Aus Lyon nichts Neues. Es wäre denn die Entrüstung der dortigen konservativen Organe über die Ausweisung eines preuß. Prinzen aus Genf.</p>
          <p>&#x2012; Aus Marseille sahen wir keine Journale.</p>
          <p>&#x2012; Dem Vernehmen nach arbeitet man im Ministerium an dem Plane einer systematischen Proletarier-Uebersiedlung nach den Colonieen Guadeloupe und Martinique, wie dies im vorigen Jahre nach Algerien der Fall war.</p>
          <p>&#x2012; Der Moniteur veröffentlicht heute die Liste der unterstützten Schriftsteller. Wir erblicken darunter auffallend viele Namen deutschen Ursprungs.<note place="foot" n="*)">Etwa auch Hrn. Benedey und den Juden Carpelles, Korrespondenten der Köln. Ztg.? Wir ersuch<supplied>e</supplied>n das Korrespondenzbüreau um Mittheilung der Namen.<space dim="horizontal"/><bibl>Die Red.</bibl></note>                </p>
          <p>&#x2012; Der Moniteur bringt uns den Wochenbericht der großen Bank vom 5. zum 12. April. In dieser Epoche ist der Pariser Wechselverkehr von 51,695,883 Frs. 86 Cent. abermals auf 50,292,321 Frs. 76 Cent. <hi rendition="#g">gesunken,</hi> und die Ziffer der leidenden Papiere auf 7,103,543 Frs. 34 Cent. stehen geblieben.</p>
          <p>&#x2012; Auch Bugeaud tritt unter die Buschklepper, die den Sozialismus zunächst auf literarischem Wege bekämpfen. Die sämmtlichen conservativen Blätter verkünden mit vollen Backen den Verkauf einer Broschüre:</p>
          <p>&#x201E;Le Socialisme et le travail en commun, vom Marschall Bugeaud, Herzog von Isly.&#x201C; 100 Exemplare für 8 Franken (einzeln 2 Sous.)</p>
          <p>&#x2012; In Lyon ras't die Gerichtsgewalt gegen die sozialistische Zeitungspresse nicht minder als hier in Paris.</p>
        </div>
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</TEI>
[1548/0002] rothe Tücher oder ein rothes Bändchen oder Schleife trugen und erst nachdem man sie dieser gefährlich-stummen „Abzeichen“ beraubt, wieder freigelassen. 221 Wien, 10. April. Beim Gouverneur Welden war eine Versammlung der Vorstände der verschiedenen Bürgerwehrskörper, welche befragt wurden, ob sie bei einer bedeutenden Verringerung der Belagerungsgarnison für die Aufrechthaltung der Ruhe ‒ und gesetzlichen ‒ Ordnung zu bürgen im Stande seien, da zur „Vernichtung (!) der ungarischen Rebellenhaufen“ die Entsendung einer bedeutenden Heeresmacht nach Ungarn dringend nothwendig scheine. Die Antwort der Vorstände lautete sehr natürlich und wahrheitsgemäß, daß sie für nichts, für gar nichts zu bürgen im Stande seien. Trotzdem gehen nun allnächtlich ganz in der Stille immer neue Truppentheile von hier nach Ungarn ab. Das Volk aber, das von den kaiserlichen Mordhunden decimirte Volk, hört mit wilder Freude die Nachrichten von dem immer weiteren Vordringen der Ungarn, Nachrichten, welche sich, trotz Standrechtsbülletins und Polizeisperre, wie ein Lauffeuer still und geschäftig durch die ganze Hauptstadt verbreiten. Der Rachedurst des Wiener Volkes ist durch die fortwährenden Begnadigungen zu Pulver und Blei auf die erfreulichste Höhe gestiegen, und wenn die Arbeiter unter den Bajonetten ihrer Henker bisher auch ihre Wuth niederhielten, so wird ein Sieg der Ungarn bei Pesth das Signal zu einem neuen Kampf in Wien geben, gegen welchen die früheren eine süße Schäfer-Idylle sein werden. Wenn Sie die finstern, verschlossenen Mienen sähen, mit denen sich die Proletarier seit den unaufhörlichen Hinrichtungen tragen, Sie würden wissen, wie es hier im Volke kocht und gährt. Das Volk wird bei einer neuen Revolution nicht in die Fehler der ersten zurückfallen; es wird keinen feigen Gemeinderath zur „Vereinbarung“ mit seinem kaiserlichen Henker nöthig haben, es wird auch keine Truppen, wie damals den gefangenen Auersperg, aus der Stadt lassen; seine Errungenschaft unter der Standrechtsperiode konzentrirt sich jetzt in dem einzigen Erfahrungssatz: die Politik der Rache! 221 Wien, 11. April. Da sich am Charsamstage bei der Auferstehungsfeierlichkeit am Stephansplatze, Graben, Kohlmarkte etc. sehr viele junge Männer mit rothen Halsbinden, und sonst etwas burschikoser Kleidung zeigten, besonders viele Frauen und Mädchen auffallend mit deutschen Schleifen geziert erschienen, so überraschte uns schon Ostermontag Abends eine Kundmachung vom Gouverneur Welden, welche „in Erwägung, daß sich viele böswillige Buben erfrechen, rothe und deutsche Farben als Abzeichen ihrer Gesinnung zu tragen, sowohl diese Abzeichen bei Männern und Frauen als auch jede auffallende(!) Tracht der Kleidung mit standrechtlicher Behandlung bedroht. Unter Beziehung dieser neuen Standrechtskategorie der „auffallenden“ Tracht wurden auch bereits im Laufe des heutigen Tages zahlreiche Verhaftungen an Männern und Frauen vorgenommen. Das Militär ergeht sich ungestört in den erfreulichsten Bestialiäten. In der Vorstadt Wieden, Favorittenstraße, tranken sich 3 Grenadiere in einer Kneipe einen nicht ungewöhnlichen Branntweinrausch an, und forderten dann statt der Bezahlung noch obendrein Geld vom Wirthe. Als derselbe ihnen dies verweigerte, stachen sie ihn ohne Weiteres nieder, und stürmten sodann auf die Straße fort, mit gezogenenSäbel nalles niedermetzelnd, was ihnen begegnete. Auf diese Weise kamen sie an der Karlskirche am Glacis an. Eine Patrouille, ebenfalls Stockczechen, und nach den böhmischen Flüchen der 3 Betrunkenen glaubend, sie wären von den ihnen nachfolgenden Civilisten insultirt, stachen mit dem Bajonnete noch 2 Civilisten nieder. Unter den Verwundeten war ein Beamter des Hofkriegsrathes, welchem der Kopf gespaltet wurde. Triest, 9. April. Gestern früh war der Schnelldämpfer „Trieste“ schon von seiner Sendung nach Ancona mit den beiden Piemontesischen Stabsoffizieren zurück gekehrt. Albini scheint dieses Mal gehorchen zu wollen und ist mit seiner ganzen Flotte nach ‒ Venedig gesegelt, wie er sagt, um 2 seiner, dort befindlichen Schiffe herauszubekommen. Die Anconitaner wollten die Flotte nicht fort lassen und droheten sogar auf dieselbe zu schießen, Albini antwortete ihnen hierauf, er werde in diesem Falle Ancona beschießen. Diese Drohungen reduzirten sich zuletzt auf die Flüche und Verwünschungen von Tausenden von Menschen, die auf dem Molo von Ancona zusammengedrängt waren. 062 062 Dessau, 13. April. Das „Eldorado“ der kleinbürgerlichen Konstitutions-Demokratie ist nun noch auf mindestens zwei Jahre gesichert, ‒ wenn nichts dazwischen kömmt. Die Wahlen für den ersten (ordentlichen) Landtag sind in diesen Tagen vor sich gegangen und ihr Ergebniß ist: Von 22 gewählten Abgeordneten 19 Demokraten und 3 Reaktionäre. Es war der erste Versuch mit direkten Urwahlen in Deutschland. Die Bourgeoispartei hat eine vollständige Niederlage erlitten. Die Betheiligung an den Wahlen war bedeutend; in keinem Wahlbezirke waren weniger als zwei Drittel der stimmberechtigten Wähler erschienen. Die „gemäßigte Partei der Bürger“, wie sich die Wucherer und Krämer bescheiden selbst nennen, machte die gewaltigsten Anstrengungen gegen die „lausigen Kanaillen von Demokraten“ und ‒ fiel mit allen ihren Kandidaten gegen die letztern durch. Das Resultat ist natürlich, daß diese Honetten wieder um Abschaffung der „Pöbelwahlen“ schreien. Daß der Chef der gesammten Landesverwaltung gegen einen jüdischen Schullehrer, ein Regierungsrath gegen einen Seifensieder, der große Abgeordnete in Frankfurt, Pannier, gegen ein armes Dorfschulmeisterlein durchfallen würden, hatten die Bourgeois nicht geträumt. Trefflich hat sich das Volk benommen. Wenn man Euch bestechen will, sagte ein Arbeiter zu mehreren andern, so nehmt so viel ihr kriegen könnt und stimmt wie ihr wollt. Ein Pfaffe warnte einen Bauer vor dem Pf. Stein „der wolle die Republik“. Der Bauer antwortete: „So, dann will ich den Stein.“ Frappant sind namentlich die ungeheuern Majoritäten, die die demokratischen Kandidaten auf dem Lande erhalten haben. Der Eine hat 440 von 480, der andere 360 von 415, ein dritter 375 von 392 Stimmen. Im Köthenschen sind die Mitglieder der äußersten Linken (vom ersten Landtage) sämmtlich wieder gewählt, die meisten in mehren Bezirken; Einer, Wolter, sogar in vier. Und doch würde man sich täuschen, wenn man glaubte, die republikanische Bewegung habe in Anhalt Boden gefaßt. Von den Gewählten geht praktisch kein Einziger über unsere Verfassung hinaus. Es wäre bei der Olmütz-Potsdamer Octroyirungsgeilheit auch unnütze Mühe. Jedenfalls ist durch diese Wahlen wenigstens der Bestand des Ministeriums Hadicht-Köppe auf weitere zwei Jahre gesichert. 103 Aus dem Badischen, Mitte April. In geheimer Sitzung des Urtheilssenats des Hofgerichts zu Freiburg ist nun am 10. d. glücklich entschieden worden, daß der Hoch- und Landesverrathsprozeß gegen Bornstedt und Fickler erst am 2. Mai Vormittags 9 Uhr in öffentlicher Gerichtssitzung vor dem Geschwornengericht des Oberrheinkreises zu Freiburg beginnen soll. Gegen 100 Zeugen sind vorgeladen; die Verhandlungen werden also mindestens 8 Tage dauern. Eigenthümlich ist, daß die badische Justiz sich nicht geschämt hat, förmlich als Polizeispione in Straßburg öffentlich durchgeprügelte und durch den Unwillen des Volkes aus der Stadt getriebene Individuen, wie den Holzhändler Ernst Völblin, und den elenden Maler Julius Adelmann aus Karlsruhe als Belastungszeugen gegen Bornstedt und den Studenten Weber von der Pariser Legion vorzuladen. Dem berüchtigten Holzhändler Völblin wurden in Straßburg durch die Bürger die Fenster eingeworfen; das Volk hatte ihm dabei noch jene Justiz zugedacht, welche es an dem bezahlten Renegaten und Polizeispion Rauschenplatt versuchte, diesem vielseitigen Subjekt, welcher u. A. einen Heidelberger Professorengehalt mit einer Frankfurter Polizeistelle vereinigt. Rauschenplatt, der ehemalige Gesinnungsgenosse von Mazzini vom jungen Europa her, wagte es auch nicht, sich in Heidelberg bei der Liste der vorlesenden Professoren mit einem Kollegium einschreiben zu lassen, weil selbst die servilsten Studenten und preußischen Junker, welche sich noch an dieser Universität unter dem Vorwande des Studirens herumtrieben, diesen ehemals mit seinem Jakobinismus prahlenden Verräther mit Steinen und Koth empfangen haben würden. Die Exdemagogen, welche in den dreißiger Jahren die Schweiz bewohnten, werden sich noch erinnern, wie Rauschenplatt zu denen gehörte, welche damals ein Todesurtheil gegen den preußischen Flüchtling und geheimen Spion L. aussprechen und durch den Flüchtling G. in B. vollziehen ließen. Und dieser selbe mörderische Pendant Heinzens ist jetzt privilegirter und patentirter Reichsspion und wird von dem Beutelschneiderministerium Beck in einer beiderseitig gleich ehrenvollen Weise in geheimen Missionen verwendet. Durch einen andern oben genannten Polizei-Agenten des Ministers Beck, Namens Julius Adelmann aus Karlsruhe sind viele deutsche Flüchtlinge selbst den französischen Behörden in Straßburg verdächtigt worden. Der Name dieses Unglücklichen, so wie der des Holzhändlers Ernst Völblin, welcher sich aus Straßburg nach Offenburg flüchten mußte, verdienen überall an den Pranger gestellt zu werden. Unter den Zeugen, welche in dem Fickler-Bornstedt'schen Prozesse von politischem Interesse sein werden, befindet sich auch der Professor Welcker, wohlbezahlter Bundestagsgesandter in Frankfurt und Erfinder der unsterblichen preußischen Kaiserkomödie; ferner eine Menge zweideutiger süddeutscher Republikaner, wie Bürgermeister Hoctlin, Dekan Muenzer und andere, welche bei dem ersten Aufstande trotz Ihres bestimmten Versprechens im Augenblicke des Handelns feig zurücktraten und selbst verriethen. Die Zahl der Zeugen beläuft sich auf beinahe hundert, gegen Bornstedt viele Wurtembergische Soldaten, Unteroffiziere und der Hauptmann Lipp vom 6ten Infan-terie-Regiment, welcher bei Rossenbach mit dem tapfersten der Freischaarenführer, Reinhard Schimmelpenning einen Zweikampf ehrenhaft bestand. Auch eine badische Hofkreatur, der Kammerherr und Jesuit, Baron von Landenberg, erscheint als Zeuge gegen die Pariser Legion, weil die Mitglieder der Legion angeblich auf seinem Schlosse nicht blos Waffen, sondern sogar einige Kasten Cigarren, Pfeifen und Hemden in Beschlag nahmen. Uebrigens wird der Prozeß noch manches Interessante zu Tage fördern; Bornstedt will unter Andern die ganze Erbärmlichkeit der Puppe Herwegh demaskiren. ‒ Aus Mannheim erfahren wir, daß Amalie Struve in Kurzem freigelassen wird. ‒ Den Gefangenen, welche vor das Schwurgericht kommen sollen, hat das Hofgericht in Freiburg in einer amtlichen Eröffnung verboten, vor Gericht in den roth-seidnen Halstuchern u. s. w. zu erscheinen, welche ihnen der Mannheimer Frauen-Verein Concordia gesendet hatte. Das Hofgericht erklärt wörtlich, daß solche „rothe Abzeichen die Absicht andeuten, die badische Regierung und den Großherzog öffentlich zu verhöhnen!“ Das Hofgericht und der Großherzog theilen diesen Zorn gegen die rothe Farbe mit den Ochsen und den Putern. Französische Republik. 12 Paris, 14. April. Endlich tritt auch der National mit seinem Manifeste auf. Und was ist der Inhalt dieses Manifestes? Der National preis't sich den Wählern, und den Wählern seine Constitution an. Der National will gewählt werden. Welcher National? Der National von 1834? Nein; der National von 1848; der National des Cavaignac, und der Cavaignac des National. Gut. Was sind seine Titel? Die Republik und die Constitution, beide, angeblich, von ihm begründet. Auch gut! Und was hat die Republik und die Constitution den Franzosen gebracht? Die Verjagung der Könige und die Organisation des öffentlichen Beistandes! Die Verjagung der Könige; das ist offenbar die Anerkennung der Republik. Der National, wie sich von selbst versteht, erkennt die Republik an, die Cavaignac'sche Republik, und greift das Manifest der Rue Poitiers an, weil die Rue Portier mit keinem einzigen Worte der Republik erwähnt, und den Cavaignac bereits aus der Liste der Wahlkandidaten gestrichen hat. Mit der Rue Poitiers haben National und Cavaignac völlig gebrochen. Aber was ist zu thun mit der demokratisch-sozialen Partei? Der National erwähnt ihrer mit keinem Worte, und deßungeachtet schmiegte er sich bereits dieser Partei an. Die Constitution bewilligt die «assistance», das heißt, den Bettelbeistand; die demokratisch-soziale Partei verlangt «le droif au travail», das Recht auf Arbeit, das heißt, die Anwaltschaft auf Arbeit: und der National, der die Constitution so zu sagen verfaßt und in der Kammer durchgebracht hat, dringt auf Organisation des öffentlichen Beistandes. Der organisirte Beistand aber, ist das etwas anderes als eine Concession, die der National dem Recht auf Arbeit macht, als das Geständniß, daß die Rue Poitiers ihn sammt seiner Constitution und seinem versprochenen „Beistande“ soviel wie möglich entfernt halten will? Wie ganz anders die Montagne! sie spricht sich geradezu gegne die Constitution aus; sie ist zu der Erkenntniß gelangt, daß Paris gerade es ist, welches in Mailand, in Pesth, in Wien, Warschau und Berlin gebrandschatzt wird: sie dringt daher vor allen Dingen auf bewaffnete Intervention, und in Betreff der innern Politik auf das Recht auf Arbeit, welches sie obenanstellt. Die Zurückzahlung der Fünfundvierzigcentimensteuer ist nur eine Umschreibung der Zurückforderung der Milliarde, und auch hierin tritt sie dem National schnurstracks entgegen, der weder des Einen noch des Andern gedenkt. Wir haben also außer dem Programm der social-demokratischen Partei noch ein besonderes Manifest der Montagne. In diesem Manifest erklärt der Berg, daß er kein Wahlcomite konstituiren werde. So wie die Partei des National unendliche Konzessionen dem Berge macht, ohne daß der Berg sich zur Reciprocität veranlaßt sieht, so ist der Berg seinerseits wieder genöthigt, eben so große Konzessionen der Volkspartei, dem eigentlichen Proletariate zu machen, den Anhängern von Raspail, Blanqui und Barbès, um seine Chancen bei der bevorstehenden Wahl nicht zu verlieren. Die Politik der konstituirenden Versammlung ist in diesem vom ganzen Berge unterschriebenen Manifeste gehörig gewürdigt: „Sie war schwach nach Außen, und heftig, grausam nach Innen.“ Woraus bestand die Kammer? Aus Korkmännern, die, nachdem sie durch die Revolution in den Abgrund geschleudert waren, wieder an die Oberfläche des Wassers zu schwimmen kamen, weil die Männer der Revolution vergessen hatten, ihnen ein Gewicht unter die Füße zu binden. Welch ein Glück übrigens, daß diese Kammer nun zu Ende ist: am Vorabende ihrer Auflösung wird darüber diskutirt, ob man den obgedachten Pairs und Kammerherren eine Pension, die geringste von 24,000 Fr., fortan noch zahlen soll, und der Finanzminister sieht hierin eine Menschlichkeitsfrage. Zu Paris sind 300,000 Proletarier dem Elende Preis gegeben; aber diese haben das Unglück, nicht so „interessant“ zu sein, wie Leute, die den Marschall Ney haben niederschießen lassen, und die von dem Auslande bezahlt werden! Die Kammer, mit einer kleinen Reduktion, hat die Pension diesen Elenden fernerhin bewilligt. „Heraus mit der Milliarde“! „Nieder mit den Windischgrätz's“, so ertönt es bereits außerhalb der Kammer, und die Kammer bleibt taub! Die erfreulichste Erscheinung ist ohne Zweifel das Manifest des Hrn. Guizot: Zehn Seiten Aergerniß für Hrn. Thiers! Welch ein Schlag für die Rue Poitiers! „Guizot à ses amis!« Also Guizot hat Freunde außer der Rue Poitiers, und die Rue Poitiers, mit Duvergier de Haurannne sehen in Herrn Guizot einen Feind „ihrer Freunde!“ Guizot will „heilen,“ und „wenn meine Freunde meine Anwesenheit in der Kammer für nützlich halten, so bin ich bereit.“ Guizots Freunde sitzen in der Rue Poitiers, und Thiers sitzt unter ihnen! „Es handelt sich nicht darum, eine gewisse äußere Satisfaktion der Nothwendigkeit des Einverständnisses zwischen allen Männern der Ordnung zu geben, und dann unter dem Mantel dieses großen Friedens die Zerwürfnisse, alle großen und kleinen Kriege fortzusetzen!“ Guizot ist ein Tölpel geworden, ungeachtet aller Feinheit seiner Sprache, ungeachtet der schlauen Sprachwendung, mit welcher er auf seine Stellung zu der Rue Poitiers hinweist. Für Guizot giebt es keine andern „großen Kriege“ als der Krieg mit Thiers! Die alte Marotte tritt als fixe Idee zum Vorschein. Der Krieg zwischen Thiers und Guizot; die Wahlbewegung und der Kampf in Italien hat für ihn keine andere Bedeutung. „Die Ordnung ist tiefer angegriffen, als man glaubt; es kömmt in diesem Augenblick hauptsächlich darauf an, daß die Partei der Ordnung sich organisirt. Alle Welt sagt das; aber wenige wissen, was diese Worte bedeuten und erheischen. Die Ordnung ist angegriffen von passionirten, unermüdlichen unersättlichen Revolutionairen.“ Als die Rue Poitiers über die Kandidatur des Hrn. Guizot befregt wurde, da waren es die Herren Thiers und Berryer, welche die superbe Erklärung der Neutralität vorschoben und so Guizot auf eine glänzende Weise abfahren ließen. Wie antwortet Guizot darauf? „Die Annährungen stellen sich von selbst zu Wege, man möge sie suchen oder nicht, man möge sie eingestehn oder verschweigen.“ Also immer Thiers und immer Thiers! Den Thiers „abzufertigen“ und die Ordnung herzustellen ‒ das ist der ganze Inhalt des Manifestes. „Das Publikum, heißt es im Manifeste, weiß dieses, und in seinem großen Instinkte, handelt es ganz konsequent mit diesem Prinzip. Warum hat das Publikum den General Cavaignac nicht zum Präsidenten erwählt? Hat der General Cavaignac nicht zu Gunsten der Ordnung die entscheidenste Schlacht gewonnen? Der General Cavaignac ist ein honorabler Mann; aber der General Cavaignac, sei es durch die Persönlichkeit seiner Freude, oder auch durch seine eigene Persönlichkeit, erschien dem Volke nicht als das Repräsentant der Ordnung. Keineswegs undankbar, aber klar und hell schauend hat das Volk sich von ihm abgewandt, um sich in Masse um einen Namen zu gruppiren, der ihm als das Symbol der Ordnung und der Macht im Gedächtnisse geblieben ist.“ Guizot lobt Napoleon, und schlägt auf Cavaignac und meint alle Welt, und Thiers in's besondere! Aber wie lobt Guizot den Napoleon? „Drie ersten Regierungen haben in Frankreich existirt; das Kaiserreich, die Restauration und die Monarchie von 1830; alle drei, die gedauert, haben die Begriffe von Ordnung dem Volke leguirt“. Diese drei Regierungen sind „ernst“ gewesen; die jetzige Regierung ist keine ernste! Von der Republik kein Wort. Guizot bereut seine früher befolgte Politik nicht; er giebt zu, daß er Fehler begangen haben kann; aber im Ganzen sei sie gut gewesen, gut für den Fortschritt und die Ordnung. Guizot's Manifest ist die Tölpelhaftigkeit, in der reinsten Sprache ausgedrückt. Es ist von Brompton aus datirt, aus derselben Vorstadt London's, wo Harncy wohnt, und den Northern Star redigirt. Paris, 14. April. Keine Journale aus Genua, Florenz, Rom und Neapel. ‒ Alle Morgenblätter wiederholen die angeblich telegraphische Depesche von der Capitulation Genua's. „Temps“ fügt hinzu: Wir fürchten, daß an dem Tage (11.), wo die Lantarmora'schen Truppen in die Stadt treten sollten, noch Ströme von Blut flossen. Graf v. Randwyck überreichte dem Präsidenten der Republik die Papiere, welche den Thronwechsel im Haag anzeigen. Gleichzeitig hatte Hr. von Thoun und Gioberti die Ehre, von Drouyn de Lhuys in das Elisée geführt zu werden. ‒ Gestern hat sich Ledru-Rollin mit dem durch seine Arroganz genügend bekannten Legitimisten Denjoy geschossen. Nach dem ersten fruchtlosen Pistolengange erklärten die Zeugen: Felix Pyat, Baraguay d'Hilliers, Joly und v. Lauffat, die Ehre gerächt und der Kampf wurde eingestellt. Das Duell hatte in der jüngsten Wahlpolizeidebatte seinen Anlaß. ‒ E. Raspail, der sich verborgen hält, hat den berüchtigten Point zwei Mal vergebens gefordert. Die Zeugen desselben lehnen jedoch jede Genugthung mit den Waffen ab und wollen laut der Erklärung eines Ehrenraths in den heutigen Morgenblättern die Rache dem Pariser Zuchtgerichte überlassen. ‒ Der Pariser Affissenhof verurtheilte gestern den „Peuple“ in der Person des Geranten Duchene abermals zu fünf Jahren Gefängniß und 6000 Franken Geldstrafe ‒ par defaut. ‒ Der Pariser Gerichtshof hat die Volksbank versiegeln lassen. ‒ General Pelet Chef des Generalstabes und ehemaliger Adjutant Masséna's, protestirt im Courrier Français gegen die Aechtheit der jüngst im Buchhandel erschienenen Memoiren aus den Feldzügen des Marschalls Masséna. ‒ Der Ausschuß, den die Nationalversammlung zur Begutachtung des Faucherschen Antrages rücksichtlich des Preßgesetzes niedersetzte, soll sich für eine Herabsetzung der Journal-Caution auf die Hälfte des bisherigen Betrages, also für eine Caution von 12000 Frk. (statt 24000 Frk.) ausgesprochen haben, doch können wir diese erfreuliche Nachricht nicht verbürgen. ‒ Aus Lyon nichts Neues. Es wäre denn die Entrüstung der dortigen konservativen Organe über die Ausweisung eines preuß. Prinzen aus Genf. ‒ Aus Marseille sahen wir keine Journale. ‒ Dem Vernehmen nach arbeitet man im Ministerium an dem Plane einer systematischen Proletarier-Uebersiedlung nach den Colonieen Guadeloupe und Martinique, wie dies im vorigen Jahre nach Algerien der Fall war. ‒ Der Moniteur veröffentlicht heute die Liste der unterstützten Schriftsteller. Wir erblicken darunter auffallend viele Namen deutschen Ursprungs. *) ‒ Der Moniteur bringt uns den Wochenbericht der großen Bank vom 5. zum 12. April. In dieser Epoche ist der Pariser Wechselverkehr von 51,695,883 Frs. 86 Cent. abermals auf 50,292,321 Frs. 76 Cent. gesunken, und die Ziffer der leidenden Papiere auf 7,103,543 Frs. 34 Cent. stehen geblieben. ‒ Auch Bugeaud tritt unter die Buschklepper, die den Sozialismus zunächst auf literarischem Wege bekämpfen. Die sämmtlichen conservativen Blätter verkünden mit vollen Backen den Verkauf einer Broschüre: „Le Socialisme et le travail en commun, vom Marschall Bugeaud, Herzog von Isly.“ 100 Exemplare für 8 Franken (einzeln 2 Sous.) ‒ In Lyon ras't die Gerichtsgewalt gegen die sozialistische Zeitungspresse nicht minder als hier in Paris. *) Etwa auch Hrn. Benedey und den Juden Carpelles, Korrespondenten der Köln. Ztg.? Wir ersuchen das Korrespondenzbüreau um Mittheilung der Namen. Die Red.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 274. Köln, 17. April 1849, S. 1548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz274_1849/2>, abgerufen am 29.04.2024.