Neue Rheinische Zeitung. Nr. 285. Köln, 29. April 1849. Zweite Ausgabe.entsprechen wolle. Nichtsdestoweniger ist der Haß, den man von oben herab gegen ihn empfindet, so groß, daß man hier mit Ungeduld der betreffenden Entscheidung entgegensieht. Dieselbe nimmt bereits einen eigenthümlichen Verlauf. Die korrektionelle Kammer nämlich an die sich Lassalle wandte, hat damit angefangen, obwohl sie offenbar kompetent war, sich für inkompetent zu erklären, aus dem Vorwand, (alias Grund) Lassalle sei blos eventuell (für den Fall der Freisprechung durch die Jury) vor das korrektionelle Gericht verwiesen; d. h. es müsse, ehe sie sich kompetent erachten könne, erst der Assisenprozeß vom 3. k. M. beendigt sein (!) und das heißt wieder, die Kammer will verhindern, daß, wenn sie schon jetzt eine Kaution bestimmt, Lassalle am 3. Mai gleich gegen deren Erlegung in Freiheit komme, sie will vielmehr ihn mindestens noch 14 Tage über den 3. hinaus im Gewahrsam des Hrn. Morret lassen. Es ist gegen diese seltsame Inkompetenzerklärung appellirt worden. Nächstens Weiteres darüber. 067 Krefeld, 27. April. Aus der besten Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß Herr von Beckerath mit seiner Mission in Berlin total gescheitert ist, und sehr niedergeschlagen seine Rückreise nach Frankfurt angetreten hat. Dies zur Berichtigung der Mittheilungen der "Fr. O. -P.-A.-Ztg." und der "Kölnischen Ztg." Herr von Beckerath ist indeß naiv genug, sich von seiner Anwesenheit in Berlin doch noch einigen "spätern Erfolg" zu versprechen. Unter den hiesigen Heulern hat sich die bisherige Stimmung in Betreff der deutschen Angelegenheiten sehr geändert. Man fängt an, mit Allem unzufrieden zu werden, und mehrere der wüthendsten Reaktionärs machen bereits Anstalt, in das feindliche Lager der revolutionären Partei überzugehen * Berlin, 27. April. Folgendes ist das erfreuliche Memoire, worin die Minister Sr. Hohenzollern'schen Majestät die Auflösung der zweiten Kammer anrathen: Als Ew. Königliche Majestät durch das Allerhöchste Patent vom 5. Dezember v. J. die beiden Kammern zu der am 26. Februar v. J. eröffneten Session beriefen, geschah dies in der Hoffnung, daß die Verhandlungen derselben zur Befestigung eines gedeihlichen inneren Zustandes führen würden. Diese Hoffnung muß bei dem Gange, welchen in den letzten Wochen die Verhandlungen in der zweiten Kammer genommen haben, leider! aufgegeben werden. Die während dieser Zeit von der zweiten Kammer gefaßten Beschlüsse beruhen größtentheils auf Abstimmungen, bei welchen eine oder wenige Stimmen bald für die eine, bald für die andere Seite des Hauses in einer Weise den Ausschlag gaben, die keinen Zweifel darüber ließ, daß das Resultat sehr häufig lediglich die Folge zufälliger Umstände war. Wir halten es nach pflichtmäßiger Erwägung für verderblich, die Revision der Verfassungsurkunde vom 5. Dezember v. J. und die Gestaltung der an dieselbe sich anschließenden organischen Gesetze solchen Zufälligkeiten preiszugeben. Außerdem sind wir der Ueberzeugung, daß die zweite Kammer sich nicht immer in den Schranken ihrer Befugnisse gehalten hat. Eine Ueberschreitung ihrer Befugnisse finden wir in dem am 21. d. M. gefaßten Beschlusse, durch welchen die von der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt beschlossene Verfassung für rechtsgültig erklärt wird, und eben so in dem Beschlusse vom gestrigen Tage, durch welchen nicht nur die Fortdauer des über Berlin verhängten Belagerungszustandes, die wir gegenwärtig noch zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit für unerläßlich erachten, im Widerspruch mit dem Artikel 110 der Verfassungsurkunde für ungesetzlich erklärt, sondern auch die sofortige Aufhebung desselben gefordert wird. Aus vorstehenden Gründen halten wir es im Interesse des Landes für nothwendig, daß die zweite Kammer aufgelöst und demgemäß, nach Artikel 76 der Verfassungs-Urkunde gleichzeitig die erste Kammer vertagt werde. Wir dürfen uns der Hoffnung, daß diese Maßregel von der Mehrzahl der Gutgesinnten im Lande mit Beifall aufgenommen werden wird, um so zuversichtlicher hingeben, als zu unserem tiefen Schmerze die Rednerbühne in der zweiten Kammer nur zu oft dazu gemißbraucht worden ist, Grundsätze offen zu verkünden, welche geeignet sind, den Umsturz der bestehenden Verfassung und jeder gesetzlichen Ordnung vorzubereiten. Indem wir Ew. Königlichen Majestät den Entwurf der Auflösungs-Verordnung zur Allerhöchsten Vollziehung ehrfurchtsvoll überreichen, behalten wir uns die in Folge der Auflösung der zweiten Kammer nach Art. 49 der Verfassungs-Urkunde erforderlichen weiteren Anträge unterthänigst vor. Berlin, den 27. April 1849. Das Staats-Ministerium. Berlin, 27. April. Die Nachricht von der Kammerauflösung verbreitete sich heute mit Blitzesschnelle durch die ganze Stadt. Die Demokraten freuen sich als ob sie den größten Sieg erfochten hätten. Die Constitutionellen sind dagegen niedergeschlagen und nachdenkend, sie wissen nicht wie das werden soll. Da aber ihre Anzahl hier verhältnißmäßig nur gering ist, so begegnet man auf der Straße nur freundlichen Gesichtern. Wie kann es auch anders sein? Sind wir doch einen tüchtigen Schritt näher der endlichen Entwicklung gerückt! Das Laviren in den letzten Wochen war nicht mehr zum aushalten. Das Gerücht ist in der Stadt verbreitet, als beabsichtige man mehrere Abgeordneten der aufgelösten Kammer zu verhaften. Der Staatsanwalt soll schon die nöthigen Schritte bei der Anklagekammer gethan haben. Als Gründe der Verhaftungen werden wohl die Manteuffelschen Enthüllungen herhalten müssen. Mehrere Abgeordnete haben schon heute Mittag die Stadt verlassen. Der Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin haben sich bekanntlich durch ihre Feigheit und ihre Standrechtsgesinnungen schon immer ausgezeichnet. Sie haben gestern beschlossen, die Bürgerwehr nicht eher zu reorganisiren als nach Emanirung einer neuen Gemeindeordnung. Sie schickten heute eine Deputation zu dem Abg. Wehmer der vorzüglich gegen die Aufhebung des Belagerungszustandes gedonnert hatte, um ihm für seine Rede zu danken. * Berlin, 27. April. Sitzung der zweiten Kammer. Der Präsident Grabow eröffnet um 11 1/4 Uhr die Sitzung. Aldenhover und Genossen stellen den dringenden Antrag, die Paragraphen, welche " während der Dauer der Sitzungsperiode beider Kammern Versammlungen unter freiem Himmel innerhalb der Entfernung von zwei Meilen von dem Orte des Sitzes der Kammern verbieten," als besonderes Gesetz sogleich anzunehmen. Der Antrag wird unterstützt. Es entsteht aber eine Debatte darüber, welcher Kommission dieser Antrag zu überweisen ist. Die Linke will ihn der Justizkommission und die Rechte dem Centralausschuß für das Klubgesetz (dessen Thätigkeit aber nach der Ansicht der Linken schon beendigt ist) überweisen. Nach einer Abstimmung durch Zählung stimmen 159 gegen 158 für die Ueberweisung an die Justizkommission Es wird namentliche Abstimmung gefordert, aber auf einen Wink vom Ministertisch wieder zurückgenommen. Während der Abstimmung treten alle acht Minister ein. Ministerpräsident Brandenburg erhebt sich und bittet ums Wort. (Tiefe Stille. Ich habe der hohen Kammer eine allerh. k. Verordnung vorzulesen, von der ich die Abschrift auf das Bureau niederlegen werde. Wir Friedrich Wilhelm, von G. G. König etc. verordnen hiermit in Gemäßheit der Art. 49 und 76 der Verfassung und nach dem Antrage unseres Staatsministeriums wie folgt: §. 1 Die zweite Kammer ist aufgelöst. Präs. Grabow: Hiernach bleibt mir nur noch übrig, die Sitzung zu schließen. (Sämmtliche Abgeordnete verlassen ruhig den Saal). Sitzung der ersten Kammer. Heute um 12 Uhr wurden die Mitglieder dieser Kammer zu einer Nachmittags um 3 Uhr stattfindenden Sitzung eingeladen. Um 3 1/4 Uhr wird die Sitzung vom Präsidenten Auerswald eröffnet. Nach Verlesung des Protokolls erhebt sich der Ministerpräsident Brandenburg und verliest die schon in der zweiten Kammer mitgetheilte Königliche Verordnung. Präsident Auerswald ersucht hierauf die Abg. im Falle eines Wohnungswechsels denselben beim Büreau der Kammer anzumelden damit dieselbe schleunigst wieder zusammenberufen werden könne, da sie auf Grund der Verfassung binnen 60 Tagen wieder zusammenberufen sein müssen. (Schluß der Sitzung.) * Berlin, 27. April. In der neuesten Nr. der "Neuen Preußischen Zeitg." findet sich über die neueste "rettende That" des gottbegnadeten Ministeriums folgender Herzenserguß: "Die zweite Kammer ist aufgelös't, die Gesellschaft wird nach Hause geschickt! Wahrlich, man muß sagen, die Güte und Nachsicht der Regierung gränzt an das Unglaubliche! - Wir stimmen gern damit überein, daß man noch einen Versuch macht, um dem Lande den Werth jenes Wahlgesetzes zu zeigen! aber man sollte doch jene Wühler nicht dem Lande wieder über den Hals schicken, um aufs Neue dasselbe zu vergiften, sondern ohne Weiteres diesmal jene politischen Verräther fassen und der Gerechtigkeit überliefern, der sie leider durch ihr Kammerprivilegium schon zu lange entzogen waren." 314 Schweidnitz, 24. April. Ueber Petery's Verurtheilung herrscht hier ziemlich überall, und selbst in den Kreisen seiner bekannten Widersacher, nur eine Stimme; es ist die einer "völligen Entrüstung." - Der am 24. Januar d. J. hierorts verhaftete Märtyrer der vor ihm verhaftenen "Volks-Freiheit," ward anfänglich des "Hochverraths," des "Aufruhr's" und einer " strafbaren Erregung zum Mißvergnügen gegen die Regierung" angeklagt, später aber die geführte Kriminal-Untersuchung gegen ihn, wegen "Majestäts-Beleidigung," "Aufruhr's" und "Erregung von Mißvergnügen gegen die Regierung" in Spruch genommen. - Wie dies geschehen konnte, ist kaum begreiflich, da wenigstens in Absicht auf "Majestäts-Beleidigung" gegen Petery weder eine Anklage, noch Untersuchung, oder Vertheidigung stattgefunden, und nicht einmal der Untersuchungs-, sondern lediglich der "Spruchrichter" das in Rede stehende Verbrechen der wider Petery schwebenden übrigen Anklage vindicirt hat. - Mögen jedoch die Olympier dereinst diesen Vorwurf beseitigen; wir schwachen Sterblichen durchschauen nicht die dunklen Wege der Landrechtsscheusale und schwarzweißen Gerichtsbestien. Es muß uns genügen, wenn wir hören, daß Petery durch das Urtheil erster Instanz zu einer "3 jährigen Zuchthausstrafe" verurtheilt worden!! - Gegen diese Entscheidung hat der Verurtheilte sofort das Rechtsmittel der weitern Vertheidigung ergriffen; die Formalien der ersten Instanz als nicht beobachtet erklärt, und nachgewiesen, daß der erste Spruchrichter nicht einmal eine ausreichende Kenntniß von der mit Petery gepflogenen Generalien-Verhandlung gewonnen hat. - Es ist dies auch ganz folgerichtig und gemäß der noch jetzt in Preußen bestehenden strafrechtlichen Grundsätze. - Petery hat nämlich überhaupt 14 Jahre in der Armee, darunter 13 1/2 Jahr als Avancirter gedient, und ist zur Zeit erst 35 1/2 Jahr alt, würde mithin - selbst für den Fall, daß er wirklich die ihm zuerkannte 3jährige Freiheitsstrafe verbüßen mußte - noch nicht sein 40. Lebensjahr erreichen; daher aber, und weil ihm der Spruchrichter nicht den Verlust der Ehren-und staatsbürgerlichen Rechte zuerkennen konnte, durchaus nicht zu einer Zuchthaus-, sondern lediglich zu einer Festungsstrafe zu verurtheilen sein. Erwähnen wollen hier noch, daß der erste Spruchrichter, dem von Petery gebrauchten Ausdrucke "Camarilla" eine andere Deutung gegeben, als dies im artikulirten Verhöre von dem Angeklagten selbst geschehen; und daß er, aus diesem äußerst geringfügigen Umstande den Beweis der vor Petery verübten "Majestäts-Beleidigung" hergeleitet!!! Er mag bei diesem Schlusse dieselben Beweggründe vor Augen gehabt haben, die einen der hiesigen Richter unsers armen Dulders zu dem Ausrufe veranlaßten: "Petery ist bald reif!" dann:"Petery ist jetzt reif!" und "Es fehlt jetzt nur noch Einer!" Im Urtheil zweiter Instanz dürfte man wenigstens nicht auf's Neue willkürliche Abänderungen der von Petery im Drucke veröffentlichten Schriften vornehmen. Daß man dem Angeklagten auch noch die erbetene Abschrift des wider ihn ergangenen Erkenntnisses versagt hat, befremdet um so weniger, als seit dem berühmten Königsberger Verfahren ein ähnlicher Fall bei keinem Gerichtshofe in Preußen weiter vorgekommen ist. - Das königliche Inquisitoriat in Breslau hat schon seit vielen Jahren den Angeklagten eine vidimirte Abschrift der wider dieselben ergangenen Erkenntnisse (mit Gründen) in dem Falle aushändigen lassen, daß dieselben den Begnadigungsweg einzuschlagen beabsichtigten. Will man nicht den Faden der Sache unnöthigerweise noch in die Länge spinnen, so ist dies auch der gradeste Weg, der nur irgend von einem Richter verfolgt werden kann. (Aus Vorstehendem sieht der Leser, daß die landrechtlichen Infamien wieder in ihrer alten Blüthenzeit stehen.) * Posen, 22. April. Unter den vielen Beamten, welche in Folge der vorjährigen Ereignisse suspendirt sind, und gegen die eine Untersuchung schwebt, befindet sich auch Herr Krotowski (Krauthofer). Derselbe soll dem Staatsanwalt eine Schrift folgenden Inhalts eingereicht haben: 1) Er werde sich blos in polnischer Sprache auslassen und vertheidigen. Als Defensor wird der Dr. juris Riegolewski auftreten. Es sollen Geschworne zugezogen werden, die der polnischen Sprache mächtig sind. 2) Der bekannte, vom Königl. Adjudanten, General v. Neumann, von Potsdam im April v. J. an den General von Colomb erlassene Befehl, welcher Letztern ermächtigte, die Polen feindlich anzugreifen, ist nicht konstitutionell. Dieser Befehl ist im Staatsministerium nicht berathen worden, und von keinem Minister kontrasignirt. Zur Begründung dieser Behauptung hat Krotowski den König, die Minister und den General Neumann als Zeugen vorgeschlagen, und stellt den Antrag, diese Zeugen zum Verhandlungstermin nach Posen vorzuladen. Und wenn auch Manche behaupten, daß dem Könige nach der octroyirten Verfassung vom 5. Dezember das Recht des Krieges allein zusteht, so muß doch berücksichtigt werden, daß die Verfassung beim Erlaß des Neumann'schen Befehls noch nicht existirte, und daß ferner der Krieg im Posen'schen eine reine Verwaltungsmaßregel war, die durchaus alle Stadien der konstitutionellen Formen durchmachen muß, zumal die damaligen Minister durch eine Erklärung sich als verantwortlich machten. - Auf jeden Fall dürften die Verhandlungen des Krotowski'schen Prozesses sehr interessante Momente liefern. Krotowski ist ein tüchtiger Jurist, hat viel Redetalent und Energie. Wien, 25. April. Windischgrätz hat aus Olmütz vom 21. April einen Armeebefehl an die Armee in Ungarn erlassen, in welchem er den Truppen, vom Ersten bis zum Letzten, für das unter ihm Geleistete dankt und die Versicherung ausspricht, daß ihm die Eigenschaften dieser Armee unvergeßlich sein werden, welche für die Welt große Verdienste habe, da sie zur Aufrechthaltung der "socialen Ordnung", zur "Herstellung eines gesetzlichen Zustandes" (!) unter seiner Leitung so Vieles geleistet. In einem zweiten Aufrufe vom 22. April richtet er sich an die Bewohner Ungarns und fordert darin die "rechtlich-gesinnten und aufgeklärten" Männer auf, durch Anschluß an die Regierung, durch energisches Eingreifen und durch den Einfluß auf ihre "verirrten" Mitbürger Alles anzuwenden, um dem unseligen Zustande der Dinge dort ein Ende zu machen etc. * Wien, 25. April. Der Mordknecht Welden hat "an die loyalen verständigen Bewohner Wien's " eine Ansprache erlassen, die gewaltig von seinen frühern "Kundmachungen absticht. Er bläst den Wienern die süßesten Flötentöne vor, um sie zu beruhigen und jeden Gedanken an Benutzung der zur Vergeltung immer günstiger werdenden Zeitumstände von ihnen fern zu halten. Aus einem vom Blut der Ermordeten bespritzten Scharfrichterknecht hat er sich in eine Sirene verwandelt; er spricht von "Rechtlichen und Braven" , vom "Himmel" und von der "gerechten Sache" und nicht ein einziges Wort von Begnadigung zu "Pulver und Blei." Was nicht die ungarischen Husaren für Wunder hervorzubringen im Stande sind! Prag, 23. April. Aus einer amtlichen Zusammenstellung des prov. N. G. Oberkommandos für Böhmen erfahren wir, daß in Böhmen in 947 Ortschaften Nationalgarden bestehen, und daß die Gesammtzahl der Garden 113,088 Mann beträgt, von denen jedoch nur 58.583 bewaffnet sind. Im Durchschnitte kommen auf je 1000 Einwohner 25 National-Gardisten. Am vortheilhaftesten zeichnen sich durch Eifer in Errichtung von National-Garden die nördlichen (meist deutschen) Kreise und die Hauptstadt Prag aus. Es kommen nämlich auf je 1000 Einw. im Leitmeritzer Kreise 52, im Saazer Kreise 42, in Prag 39, im Elbogner Kr. 38, im Bunzlauer Kr. 33, dagegen in den übrigen Kreisen auf je 1000 nicht mehr als 16 bis höchstens 23 Nationalgarden. (C. Bl. a. B.) Prag, 25. April. Gestern Abend langte Fürst Windischgrätz hier an, buchstäblich das Bild einer gefallenen Größe! In einen grauen Mantel gehüllt, die Mütze tief in die Stirn gedrückt, durchschritt er, von mehreren Offizieren begleitet, schweigend die Reihe der Zuschauer, die sich, ungeachtet der Bahnhof geschlossen war, eigends daselbst eingefunden hatten. Dem Vernehmen nach beabsichtigt der Fürst nach Belgien zu übersiedeln; alle Söhne desselben haben ihre Entlassung aus dem k. k. Militärdienste genommen. 15 Schleswig-Holstein, 26. April. Gerüchten zufolge will Prittwitz das Kommando niederlegen. Einige aus dem Norden kommende Soldaten behaupten, daß er sich bereits von der Armee entfernt habe. Irgend ein ehrlicher fürstlich-sächsischer Vollbluthengst soll sich mit ihm entzweit haben, weil Prittwitz sich fortwährend weigerte, die Truppen über die Königsau einrücken zu lassen, und in Folge dessen habe Ersterer, Letzteren zum Duell aufgefordert. Zu Anfang dieses Jahres erwähnten wir eines gewissen Springborn, dem man die Schuld in die Schuhe schieben wollte, im Anfang September vorigen Jahres die Soldaten zum Ungehorsam gegen ihre Vorgesetzten verleitet zu haben. Wenn wir ihn jetzt wieder erwähnen, so müssen wir leider sagen, derselbe sitzt noch in Haft, sitzt schon acht Monate. Ist das nicht ein wahrer Justizmord? Ihr Herrn Vertheidiger des gemeinen Gerichtsverfahrens was meint Ihr? Sehr honnett wenn man so einnen Wühler im Kerker verschmachten läßt!? Fragen Sie mich nach der Ursache? Nun das Gericht scheut sich, das Urtheil zu publiziren, weil auch viele Kieler Bürger bei dieser Sache betheiligt, und ihres Urtheils gewärtig sind. Da diese aber wissen, daß die Untersuchungsacten der Soldaten verfälscht, sie also Appellation dagegen einlegen werden, wenn man sie nicht freispräche, dieses aber nicht geht ohne auch Springborn freizusprechen, den man gern verurtheilen möchte; so schiebt man das Urtheil hinaus und hofft auf bessere Zeiten in der die "gute alte Ordnung"zurückgekehrt sein wird. Der Bourgeois Hedde, mag als Vertheidiger Springborns vielleicht auch theilweise Schuld tragen. Hedde hat nämlich eine geheime Malice auf die Rothen, und Springborn ist Rother. Ueber Ihr Blatt ist der Hedde bei Gelegenheit seiner Abschilderung in Harnisch gerathen, soll sich selbst an Jemand, der für die Neue deutsche Zeitung korrespondirt, gewandt haben, er möge doch die Angriffe des Korrespondenten der "Neuen Rheinischen" defavouiren. Jener war aber vollkommen damit einverstanden und hat es unsers Wissens nicht gethan. Viele nimmt es Wunder, daß Olshausen, dem sonst so viel politischer Scharfblick zugeschrieben wird, die ganze schwarz weiße Reichskriegskomödie für Ernst hält, und besonders seine Hoffnung auf die "edle" und "ehrliche Gesinnung des Preußen-Königs" setzt. Er nennt das von ihm redigirte Blatt die "freie Presse" und will dabei dem Volk glauben machen, als käme die Freiheit aus dem Boudoir der Frau Sophie, Mutter des jungen Mordbrennerchefs, oder aus den Steppen Rußlands; dennn das ist die Konsequenz der edlen und ehrlichen Gesinnung. Wir rathen dem Herrn Olshausen sich doch nach dem geheimen Bündniß der drei osteuropäischen Großmächte zu erkundigen. Aus Hadersleben wird uns von bekannter Hand mitgetheilt, daß dort 12,000 Mann Preußen zum Durchmarsch nach Jütland angesagt, und 63 dänische Kriegsgefangene eingebracht sind. Erstere Nachricht bezweifeln wir, da die preußische Regierung nicht weiter als bis an die Königsau marschiren lassen will. - Im westlichen Jütland sind mehrere Vorpostengefechte vorgefallen. Vom Kriegsschauplatz nur noch soviel, daß der Verlust auf unserer Seite sich auf 300-400 herausstellte. Eine oder einige Schwadronen dänischer Husaren sind ganz aufgerieben. Das Feuer in Kolding ist Anfangs durch die Dänen selbst verursacht worden, indem sie die Stadt von der Seeseite mit Granaten beschossen. Später aber, als die in der Stadt wohnenden Dänen die Unsrigen mit kochendem Wasser und Oel begossen, arbeitete unsere Artillerie tüchtig drauf los. Unter den Todten soll auch der Kompagniechef des 9. Bataillons, Svegansky, früher Hauptmann unter dem Freikorps, sein. Derselbe stand auch mit auf den Berliner Barrikaden, und war die Hauptstütze des Republikanismus im 9. Bataillon. Kolding, 24. April. Unter diesem Datum schreibt man der "Börsen-Halle": "Es sieht hier furchtbar aus, rauchende oder in Schutt geschossene Häuser, getödtete Soldaten, Kadaver von Pferden, Alles bunt durcheinander. Das gestrige Treffen war sehr hartnäckig, und unsere Truppen, die freilich eine große Uebermacht, besonders an Artillerie, im Anfang gegen sich hatten, waren nahe daran, den Rückzug antreten zu müssen. Allein ihre ausdauernde Tapferkeit, das feste Vertrauen auf den Führer Bonin und endlich das ruhige, sichere Schießen unserer Artilleristen, siegte endlich so vollkommen, daß die Schlacht als glänzend gewonnen für uns zu betrachten ist. Die Dänen haben sich theilweise gut geschlagen; besonders ihre blauen Husaren, die aber größtentheils aufgerieben sind, haben ausgezeichneten Muth bewiesen. Ehre auch dem Feind, wenn er es verdient. Die Zahl der Gefangenen, die wir gemacht haben, ist sehr groß, denn fast das ganze 13. Bataillon streckte am Abend freiwillig die Waffen, die Offiziere wurden von unseren Dragonern gefangen. Jetzt stehen unsere Vorposten schon wieder an zwei Stunden nordwärts Kolding und haben heute schon wieder eine dänische Feldwache von 60 Mann gefangen genommen." Das nämliche Blatt enthält aus Kiel u. A. folgende Zeilen:"Die Schlacht bei Kolding hat hier natürlich um so größere Freude erregt, da sie allein von unserer Schleswig-holsteinischen Armee ge- entsprechen wolle. Nichtsdestoweniger ist der Haß, den man von oben herab gegen ihn empfindet, so groß, daß man hier mit Ungeduld der betreffenden Entscheidung entgegensieht. Dieselbe nimmt bereits einen eigenthümlichen Verlauf. Die korrektionelle Kammer nämlich an die sich Lassalle wandte, hat damit angefangen, obwohl sie offenbar kompetent war, sich für inkompetent zu erklären, aus dem Vorwand, (alias Grund) Lassalle sei blos eventuell (für den Fall der Freisprechung durch die Jury) vor das korrektionelle Gericht verwiesen; d. h. es müsse, ehe sie sich kompetent erachten könne, erst der Assisenprozeß vom 3. k. M. beendigt sein (!) und das heißt wieder, die Kammer will verhindern, daß, wenn sie schon jetzt eine Kaution bestimmt, Lassalle am 3. Mai gleich gegen deren Erlegung in Freiheit komme, sie will vielmehr ihn mindestens noch 14 Tage über den 3. hinaus im Gewahrsam des Hrn. Morret lassen. Es ist gegen diese seltsame Inkompetenzerklärung appellirt worden. Nächstens Weiteres darüber. 067 Krefeld, 27. April. Aus der besten Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß Herr von Beckerath mit seiner Mission in Berlin total gescheitert ist, und sehr niedergeschlagen seine Rückreise nach Frankfurt angetreten hat. Dies zur Berichtigung der Mittheilungen der „Fr. O. -P.-A.-Ztg.“ und der „Kölnischen Ztg.“ Herr von Beckerath ist indeß naiv genug, sich von seiner Anwesenheit in Berlin doch noch einigen „spätern Erfolg“ zu versprechen. Unter den hiesigen Heulern hat sich die bisherige Stimmung in Betreff der deutschen Angelegenheiten sehr geändert. Man fängt an, mit Allem unzufrieden zu werden, und mehrere der wüthendsten Reaktionärs machen bereits Anstalt, in das feindliche Lager der revolutionären Partei überzugehen * Berlin, 27. April. Folgendes ist das erfreuliche Memoire, worin die Minister Sr. Hohenzollern'schen Majestät die Auflösung der zweiten Kammer anrathen: Als Ew. Königliche Majestät durch das Allerhöchste Patent vom 5. Dezember v. J. die beiden Kammern zu der am 26. Februar v. J. eröffneten Session beriefen, geschah dies in der Hoffnung, daß die Verhandlungen derselben zur Befestigung eines gedeihlichen inneren Zustandes führen würden. Diese Hoffnung muß bei dem Gange, welchen in den letzten Wochen die Verhandlungen in der zweiten Kammer genommen haben, leider! aufgegeben werden. Die während dieser Zeit von der zweiten Kammer gefaßten Beschlüsse beruhen größtentheils auf Abstimmungen, bei welchen eine oder wenige Stimmen bald für die eine, bald für die andere Seite des Hauses in einer Weise den Ausschlag gaben, die keinen Zweifel darüber ließ, daß das Resultat sehr häufig lediglich die Folge zufälliger Umstände war. Wir halten es nach pflichtmäßiger Erwägung für verderblich, die Revision der Verfassungsurkunde vom 5. Dezember v. J. und die Gestaltung der an dieselbe sich anschließenden organischen Gesetze solchen Zufälligkeiten preiszugeben. Außerdem sind wir der Ueberzeugung, daß die zweite Kammer sich nicht immer in den Schranken ihrer Befugnisse gehalten hat. Eine Ueberschreitung ihrer Befugnisse finden wir in dem am 21. d. M. gefaßten Beschlusse, durch welchen die von der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt beschlossene Verfassung für rechtsgültig erklärt wird, und eben so in dem Beschlusse vom gestrigen Tage, durch welchen nicht nur die Fortdauer des über Berlin verhängten Belagerungszustandes, die wir gegenwärtig noch zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit für unerläßlich erachten, im Widerspruch mit dem Artikel 110 der Verfassungsurkunde für ungesetzlich erklärt, sondern auch die sofortige Aufhebung desselben gefordert wird. Aus vorstehenden Gründen halten wir es im Interesse des Landes für nothwendig, daß die zweite Kammer aufgelöst und demgemäß, nach Artikel 76 der Verfassungs-Urkunde gleichzeitig die erste Kammer vertagt werde. Wir dürfen uns der Hoffnung, daß diese Maßregel von der Mehrzahl der Gutgesinnten im Lande mit Beifall aufgenommen werden wird, um so zuversichtlicher hingeben, als zu unserem tiefen Schmerze die Rednerbühne in der zweiten Kammer nur zu oft dazu gemißbraucht worden ist, Grundsätze offen zu verkünden, welche geeignet sind, den Umsturz der bestehenden Verfassung und jeder gesetzlichen Ordnung vorzubereiten. Indem wir Ew. Königlichen Majestät den Entwurf der Auflösungs-Verordnung zur Allerhöchsten Vollziehung ehrfurchtsvoll überreichen, behalten wir uns die in Folge der Auflösung der zweiten Kammer nach Art. 49 der Verfassungs-Urkunde erforderlichen weiteren Anträge unterthänigst vor. Berlin, den 27. April 1849. Das Staats-Ministerium. Berlin, 27. April. Die Nachricht von der Kammerauflösung verbreitete sich heute mit Blitzesschnelle durch die ganze Stadt. Die Demokraten freuen sich als ob sie den größten Sieg erfochten hätten. Die Constitutionellen sind dagegen niedergeschlagen und nachdenkend, sie wissen nicht wie das werden soll. Da aber ihre Anzahl hier verhältnißmäßig nur gering ist, so begegnet man auf der Straße nur freundlichen Gesichtern. Wie kann es auch anders sein? Sind wir doch einen tüchtigen Schritt näher der endlichen Entwicklung gerückt! Das Laviren in den letzten Wochen war nicht mehr zum aushalten. Das Gerücht ist in der Stadt verbreitet, als beabsichtige man mehrere Abgeordneten der aufgelösten Kammer zu verhaften. Der Staatsanwalt soll schon die nöthigen Schritte bei der Anklagekammer gethan haben. Als Gründe der Verhaftungen werden wohl die Manteuffelschen Enthüllungen herhalten müssen. Mehrere Abgeordnete haben schon heute Mittag die Stadt verlassen. Der Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin haben sich bekanntlich durch ihre Feigheit und ihre Standrechtsgesinnungen schon immer ausgezeichnet. Sie haben gestern beschlossen, die Bürgerwehr nicht eher zu reorganisiren als nach Emanirung einer neuen Gemeindeordnung. Sie schickten heute eine Deputation zu dem Abg. Wehmer der vorzüglich gegen die Aufhebung des Belagerungszustandes gedonnert hatte, um ihm für seine Rede zu danken. * Berlin, 27. April. Sitzung der zweiten Kammer. Der Präsident Grabow eröffnet um 11 1/4 Uhr die Sitzung. Aldenhover und Genossen stellen den dringenden Antrag, die Paragraphen, welche „ während der Dauer der Sitzungsperiode beider Kammern Versammlungen unter freiem Himmel innerhalb der Entfernung von zwei Meilen von dem Orte des Sitzes der Kammern verbieten,” als besonderes Gesetz sogleich anzunehmen. Der Antrag wird unterstützt. Es entsteht aber eine Debatte darüber, welcher Kommission dieser Antrag zu überweisen ist. Die Linke will ihn der Justizkommission und die Rechte dem Centralausschuß für das Klubgesetz (dessen Thätigkeit aber nach der Ansicht der Linken schon beendigt ist) überweisen. Nach einer Abstimmung durch Zählung stimmen 159 gegen 158 für die Ueberweisung an die Justizkommission Es wird namentliche Abstimmung gefordert, aber auf einen Wink vom Ministertisch wieder zurückgenommen. Während der Abstimmung treten alle acht Minister ein. Ministerpräsident Brandenburg erhebt sich und bittet ums Wort. (Tiefe Stille. Ich habe der hohen Kammer eine allerh. k. Verordnung vorzulesen, von der ich die Abschrift auf das Bureau niederlegen werde. Wir Friedrich Wilhelm, von G. G. König etc. verordnen hiermit in Gemäßheit der Art. 49 und 76 der Verfassung und nach dem Antrage unseres Staatsministeriums wie folgt: §. 1 Die zweite Kammer ist aufgelöst. Präs. Grabow: Hiernach bleibt mir nur noch übrig, die Sitzung zu schließen. (Sämmtliche Abgeordnete verlassen ruhig den Saal). Sitzung der ersten Kammer. Heute um 12 Uhr wurden die Mitglieder dieser Kammer zu einer Nachmittags um 3 Uhr stattfindenden Sitzung eingeladen. Um 3 1/4 Uhr wird die Sitzung vom Präsidenten Auerswald eröffnet. Nach Verlesung des Protokolls erhebt sich der Ministerpräsident Brandenburg und verliest die schon in der zweiten Kammer mitgetheilte Königliche Verordnung. Präsident Auerswald ersucht hierauf die Abg. im Falle eines Wohnungswechsels denselben beim Büreau der Kammer anzumelden damit dieselbe schleunigst wieder zusammenberufen werden könne, da sie auf Grund der Verfassung binnen 60 Tagen wieder zusammenberufen sein müssen. (Schluß der Sitzung.) * Berlin, 27. April. In der neuesten Nr. der „Neuen Preußischen Zeitg.“ findet sich über die neueste „rettende That“ des gottbegnadeten Ministeriums folgender Herzenserguß: „Die zweite Kammer ist aufgelös′t, die Gesellschaft wird nach Hause geschickt! Wahrlich, man muß sagen, die Güte und Nachsicht der Regierung gränzt an das Unglaubliche! ‒ Wir stimmen gern damit überein, daß man noch einen Versuch macht, um dem Lande den Werth jenes Wahlgesetzes zu zeigen! aber man sollte doch jene Wühler nicht dem Lande wieder über den Hals schicken, um aufs Neue dasselbe zu vergiften, sondern ohne Weiteres diesmal jene politischen Verräther fassen und der Gerechtigkeit überliefern, der sie leider durch ihr Kammerprivilegium schon zu lange entzogen waren.“ 314 Schweidnitz, 24. April. Ueber Petery's Verurtheilung herrscht hier ziemlich überall, und selbst in den Kreisen seiner bekannten Widersacher, nur eine Stimme; es ist die einer „völligen Entrüstung.“ ‒ Der am 24. Januar d. J. hierorts verhaftete Märtyrer der vor ihm verhaftenen „Volks-Freiheit,“ ward anfänglich des „Hochverraths,“ des „Aufruhr's“ und einer „ strafbaren Erregung zum Mißvergnügen gegen die Regierung“ angeklagt, später aber die geführte Kriminal-Untersuchung gegen ihn, wegen „Majestäts-Beleidigung,“ „Aufruhr's“ und „Erregung von Mißvergnügen gegen die Regierung“ in Spruch genommen. ‒ Wie dies geschehen konnte, ist kaum begreiflich, da wenigstens in Absicht auf „Majestäts-Beleidigung“ gegen Petery weder eine Anklage, noch Untersuchung, oder Vertheidigung stattgefunden, und nicht einmal der Untersuchungs-, sondern lediglich der „Spruchrichter“ das in Rede stehende Verbrechen der wider Petery schwebenden übrigen Anklage vindicirt hat. ‒ Mögen jedoch die Olympier dereinst diesen Vorwurf beseitigen; wir schwachen Sterblichen durchschauen nicht die dunklen Wege der Landrechtsscheusale und schwarzweißen Gerichtsbestien. Es muß uns genügen, wenn wir hören, daß Petery durch das Urtheil erster Instanz zu einer „3 jährigen Zuchthausstrafe“ verurtheilt worden!! ‒ Gegen diese Entscheidung hat der Verurtheilte sofort das Rechtsmittel der weitern Vertheidigung ergriffen; die Formalien der ersten Instanz als nicht beobachtet erklärt, und nachgewiesen, daß der erste Spruchrichter nicht einmal eine ausreichende Kenntniß von der mit Petery gepflogenen Generalien-Verhandlung gewonnen hat. ‒ Es ist dies auch ganz folgerichtig und gemäß der noch jetzt in Preußen bestehenden strafrechtlichen Grundsätze. ‒ Petery hat nämlich überhaupt 14 Jahre in der Armee, darunter 13 1/2 Jahr als Avancirter gedient, und ist zur Zeit erst 35 1/2 Jahr alt, würde mithin ‒ selbst für den Fall, daß er wirklich die ihm zuerkannte 3jährige Freiheitsstrafe verbüßen mußte ‒ noch nicht sein 40. Lebensjahr erreichen; daher aber, und weil ihm der Spruchrichter nicht den Verlust der Ehren-und staatsbürgerlichen Rechte zuerkennen konnte, durchaus nicht zu einer Zuchthaus-, sondern lediglich zu einer Festungsstrafe zu verurtheilen sein. Erwähnen wollen hier noch, daß der erste Spruchrichter, dem von Petery gebrauchten Ausdrucke „Camarilla“ eine andere Deutung gegeben, als dies im artikulirten Verhöre von dem Angeklagten selbst geschehen; und daß er, aus diesem äußerst geringfügigen Umstande den Beweis der vor Petery verübten „Majestäts-Beleidigung“ hergeleitet!!! Er mag bei diesem Schlusse dieselben Beweggründe vor Augen gehabt haben, die einen der hiesigen Richter unsers armen Dulders zu dem Ausrufe veranlaßten: „Petery ist bald reif!“ dann:“Petery ist jetzt reif!“ und „Es fehlt jetzt nur noch Einer!“ Im Urtheil zweiter Instanz dürfte man wenigstens nicht auf's Neue willkürliche Abänderungen der von Petery im Drucke veröffentlichten Schriften vornehmen. Daß man dem Angeklagten auch noch die erbetene Abschrift des wider ihn ergangenen Erkenntnisses versagt hat, befremdet um so weniger, als seit dem berühmten Königsberger Verfahren ein ähnlicher Fall bei keinem Gerichtshofe in Preußen weiter vorgekommen ist. ‒ Das königliche Inquisitoriat in Breslau hat schon seit vielen Jahren den Angeklagten eine vidimirte Abschrift der wider dieselben ergangenen Erkenntnisse (mit Gründen) in dem Falle aushändigen lassen, daß dieselben den Begnadigungsweg einzuschlagen beabsichtigten. Will man nicht den Faden der Sache unnöthigerweise noch in die Länge spinnen, so ist dies auch der gradeste Weg, der nur irgend von einem Richter verfolgt werden kann. (Aus Vorstehendem sieht der Leser, daß die landrechtlichen Infamien wieder in ihrer alten Blüthenzeit stehen.) * Posen, 22. April. Unter den vielen Beamten, welche in Folge der vorjährigen Ereignisse suspendirt sind, und gegen die eine Untersuchung schwebt, befindet sich auch Herr Krotowski (Krauthofer). Derselbe soll dem Staatsanwalt eine Schrift folgenden Inhalts eingereicht haben: 1) Er werde sich blos in polnischer Sprache auslassen und vertheidigen. Als Defensor wird der Dr. juris Riegolewski auftreten. Es sollen Geschworne zugezogen werden, die der polnischen Sprache mächtig sind. 2) Der bekannte, vom Königl. Adjudanten, General v. Neumann, von Potsdam im April v. J. an den General von Colomb erlassene Befehl, welcher Letztern ermächtigte, die Polen feindlich anzugreifen, ist nicht konstitutionell. Dieser Befehl ist im Staatsministerium nicht berathen worden, und von keinem Minister kontrasignirt. Zur Begründung dieser Behauptung hat Krotowski den König, die Minister und den General Neumann als Zeugen vorgeschlagen, und stellt den Antrag, diese Zeugen zum Verhandlungstermin nach Posen vorzuladen. Und wenn auch Manche behaupten, daß dem Könige nach der octroyirten Verfassung vom 5. Dezember das Recht des Krieges allein zusteht, so muß doch berücksichtigt werden, daß die Verfassung beim Erlaß des Neumann'schen Befehls noch nicht existirte, und daß ferner der Krieg im Posen'schen eine reine Verwaltungsmaßregel war, die durchaus alle Stadien der konstitutionellen Formen durchmachen muß, zumal die damaligen Minister durch eine Erklärung sich als verantwortlich machten. ‒ Auf jeden Fall dürften die Verhandlungen des Krotowski'schen Prozesses sehr interessante Momente liefern. Krotowski ist ein tüchtiger Jurist, hat viel Redetalent und Energie. Wien, 25. April. Windischgrätz hat aus Olmütz vom 21. April einen Armeebefehl an die Armee in Ungarn erlassen, in welchem er den Truppen, vom Ersten bis zum Letzten, für das unter ihm Geleistete dankt und die Versicherung ausspricht, daß ihm die Eigenschaften dieser Armee unvergeßlich sein werden, welche für die Welt große Verdienste habe, da sie zur Aufrechthaltung der „socialen Ordnung“, zur „Herstellung eines gesetzlichen Zustandes“ (!) unter seiner Leitung so Vieles geleistet. In einem zweiten Aufrufe vom 22. April richtet er sich an die Bewohner Ungarns und fordert darin die „rechtlich-gesinnten und aufgeklärten“ Männer auf, durch Anschluß an die Regierung, durch energisches Eingreifen und durch den Einfluß auf ihre „verirrten” Mitbürger Alles anzuwenden, um dem unseligen Zustande der Dinge dort ein Ende zu machen etc. * Wien, 25. April. Der Mordknecht Welden hat „an die loyalen verständigen Bewohner Wien's “ eine Ansprache erlassen, die gewaltig von seinen frühern “Kundmachungen absticht. Er bläst den Wienern die süßesten Flötentöne vor, um sie zu beruhigen und jeden Gedanken an Benutzung der zur Vergeltung immer günstiger werdenden Zeitumstände von ihnen fern zu halten. Aus einem vom Blut der Ermordeten bespritzten Scharfrichterknecht hat er sich in eine Sirene verwandelt; er spricht von „Rechtlichen und Braven“ , vom „Himmel“ und von der „gerechten Sache“ und nicht ein einziges Wort von Begnadigung zu „Pulver und Blei.“ Was nicht die ungarischen Husaren für Wunder hervorzubringen im Stande sind! Prag, 23. April. Aus einer amtlichen Zusammenstellung des prov. N. G. Oberkommandos für Böhmen erfahren wir, daß in Böhmen in 947 Ortschaften Nationalgarden bestehen, und daß die Gesammtzahl der Garden 113,088 Mann beträgt, von denen jedoch nur 58.583 bewaffnet sind. Im Durchschnitte kommen auf je 1000 Einwohner 25 National-Gardisten. Am vortheilhaftesten zeichnen sich durch Eifer in Errichtung von National-Garden die nördlichen (meist deutschen) Kreise und die Hauptstadt Prag aus. Es kommen nämlich auf je 1000 Einw. im Leitmeritzer Kreise 52, im Saazer Kreise 42, in Prag 39, im Elbogner Kr. 38, im Bunzlauer Kr. 33, dagegen in den übrigen Kreisen auf je 1000 nicht mehr als 16 bis höchstens 23 Nationalgarden. (C. Bl. a. B.) Prag, 25. April. Gestern Abend langte Fürst Windischgrätz hier an, buchstäblich das Bild einer gefallenen Größe! In einen grauen Mantel gehüllt, die Mütze tief in die Stirn gedrückt, durchschritt er, von mehreren Offizieren begleitet, schweigend die Reihe der Zuschauer, die sich, ungeachtet der Bahnhof geschlossen war, eigends daselbst eingefunden hatten. Dem Vernehmen nach beabsichtigt der Fürst nach Belgien zu übersiedeln; alle Söhne desselben haben ihre Entlassung aus dem k. k. Militärdienste genommen. 15 Schleswig-Holstein, 26. April. Gerüchten zufolge will Prittwitz das Kommando niederlegen. Einige aus dem Norden kommende Soldaten behaupten, daß er sich bereits von der Armee entfernt habe. Irgend ein ehrlicher fürstlich-sächsischer Vollbluthengst soll sich mit ihm entzweit haben, weil Prittwitz sich fortwährend weigerte, die Truppen über die Königsau einrücken zu lassen, und in Folge dessen habe Ersterer, Letzteren zum Duell aufgefordert. Zu Anfang dieses Jahres erwähnten wir eines gewissen Springborn, dem man die Schuld in die Schuhe schieben wollte, im Anfang September vorigen Jahres die Soldaten zum Ungehorsam gegen ihre Vorgesetzten verleitet zu haben. Wenn wir ihn jetzt wieder erwähnen, so müssen wir leider sagen, derselbe sitzt noch in Haft, sitzt schon acht Monate. Ist das nicht ein wahrer Justizmord? Ihr Herrn Vertheidiger des gemeinen Gerichtsverfahrens was meint Ihr? Sehr honnett wenn man so einnen Wühler im Kerker verschmachten läßt!? Fragen Sie mich nach der Ursache? Nun das Gericht scheut sich, das Urtheil zu publiziren, weil auch viele Kieler Bürger bei dieser Sache betheiligt, und ihres Urtheils gewärtig sind. Da diese aber wissen, daß die Untersuchungsacten der Soldaten verfälscht, sie also Appellation dagegen einlegen werden, wenn man sie nicht freispräche, dieses aber nicht geht ohne auch Springborn freizusprechen, den man gern verurtheilen möchte; so schiebt man das Urtheil hinaus und hofft auf bessere Zeiten in der die „gute alte Ordnung“zurückgekehrt sein wird. Der Bourgeois Hedde, mag als Vertheidiger Springborns vielleicht auch theilweise Schuld tragen. Hedde hat nämlich eine geheime Malice auf die Rothen, und Springborn ist Rother. Ueber Ihr Blatt ist der Hedde bei Gelegenheit seiner Abschilderung in Harnisch gerathen, soll sich selbst an Jemand, der für die Neue deutsche Zeitung korrespondirt, gewandt haben, er möge doch die Angriffe des Korrespondenten der „Neuen Rheinischen“ defavouiren. Jener war aber vollkommen damit einverstanden und hat es unsers Wissens nicht gethan. Viele nimmt es Wunder, daß Olshausen, dem sonst so viel politischer Scharfblick zugeschrieben wird, die ganze schwarz weiße Reichskriegskomödie für Ernst hält, und besonders seine Hoffnung auf die „edle“ und „ehrliche Gesinnung des Preußen-Königs“ setzt. Er nennt das von ihm redigirte Blatt die „freie Presse“ und will dabei dem Volk glauben machen, als käme die Freiheit aus dem Boudoir der Frau Sophie, Mutter des jungen Mordbrennerchefs, oder aus den Steppen Rußlands; dennn das ist die Konsequenz der edlen und ehrlichen Gesinnung. Wir rathen dem Herrn Olshausen sich doch nach dem geheimen Bündniß der drei osteuropäischen Großmächte zu erkundigen. Aus Hadersleben wird uns von bekannter Hand mitgetheilt, daß dort 12,000 Mann Preußen zum Durchmarsch nach Jütland angesagt, und 63 dänische Kriegsgefangene eingebracht sind. Erstere Nachricht bezweifeln wir, da die preußische Regierung nicht weiter als bis an die Königsau marschiren lassen will. ‒ Im westlichen Jütland sind mehrere Vorpostengefechte vorgefallen. Vom Kriegsschauplatz nur noch soviel, daß der Verlust auf unserer Seite sich auf 300-400 herausstellte. Eine oder einige Schwadronen dänischer Husaren sind ganz aufgerieben. Das Feuer in Kolding ist Anfangs durch die Dänen selbst verursacht worden, indem sie die Stadt von der Seeseite mit Granaten beschossen. Später aber, als die in der Stadt wohnenden Dänen die Unsrigen mit kochendem Wasser und Oel begossen, arbeitete unsere Artillerie tüchtig drauf los. Unter den Todten soll auch der Kompagniechef des 9. Bataillons, Svegansky, früher Hauptmann unter dem Freikorps, sein. Derselbe stand auch mit auf den Berliner Barrikaden, und war die Hauptstütze des Republikanismus im 9. Bataillon. Kolding, 24. April. Unter diesem Datum schreibt man der „Börsen-Halle“: „Es sieht hier furchtbar aus, rauchende oder in Schutt geschossene Häuser, getödtete Soldaten, Kadaver von Pferden, Alles bunt durcheinander. Das gestrige Treffen war sehr hartnäckig, und unsere Truppen, die freilich eine große Uebermacht, besonders an Artillerie, im Anfang gegen sich hatten, waren nahe daran, den Rückzug antreten zu müssen. Allein ihre ausdauernde Tapferkeit, das feste Vertrauen auf den Führer Bonin und endlich das ruhige, sichere Schießen unserer Artilleristen, siegte endlich so vollkommen, daß die Schlacht als glänzend gewonnen für uns zu betrachten ist. Die Dänen haben sich theilweise gut geschlagen; besonders ihre blauen Husaren, die aber größtentheils aufgerieben sind, haben ausgezeichneten Muth bewiesen. Ehre auch dem Feind, wenn er es verdient. Die Zahl der Gefangenen, die wir gemacht haben, ist sehr groß, denn fast das ganze 13. Bataillon streckte am Abend freiwillig die Waffen, die Offiziere wurden von unseren Dragonern gefangen. Jetzt stehen unsere Vorposten schon wieder an zwei Stunden nordwärts Kolding und haben heute schon wieder eine dänische Feldwache von 60 Mann gefangen genommen.“ Das nämliche Blatt enthält aus Kiel u. A. folgende Zeilen:„Die Schlacht bei Kolding hat hier natürlich um so größere Freude erregt, da sie allein von unserer Schleswig-holsteinischen Armee ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar285-2_003" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1616"/> entsprechen wolle. Nichtsdestoweniger ist der Haß, den man von oben herab gegen ihn empfindet, so groß, daß man hier mit Ungeduld der betreffenden Entscheidung entgegensieht. Dieselbe nimmt bereits einen eigenthümlichen Verlauf. Die korrektionelle Kammer nämlich an die sich Lassalle wandte, hat damit angefangen, obwohl sie offenbar kompetent war, sich für inkompetent zu erklären, aus dem Vorwand, (alias Grund) Lassalle sei blos <hi rendition="#g">eventuell</hi> (für den Fall der Freisprechung durch die Jury) vor das korrektionelle Gericht verwiesen; d. h. es müsse, ehe sie sich kompetent erachten könne, erst der Assisenprozeß vom 3. k. M. beendigt sein (!) und das heißt wieder, die Kammer will verhindern, daß, wenn sie schon jetzt eine Kaution bestimmt, Lassalle am 3. Mai gleich gegen deren Erlegung in Freiheit komme, sie will vielmehr ihn mindestens noch 14 Tage über den 3. hinaus im Gewahrsam des Hrn. Morret lassen. Es ist gegen diese seltsame Inkompetenzerklärung appellirt worden. Nächstens Weiteres darüber.</p> </div> <div xml:id="ar285-2_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>067</author></bibl> Krefeld, 27. April.</head> <p>Aus der besten Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß Herr von Beckerath mit seiner Mission in Berlin total gescheitert ist, und sehr niedergeschlagen seine Rückreise nach Frankfurt angetreten hat. Dies zur Berichtigung der Mittheilungen der „Fr. O. -P.-A.-Ztg.“ und der „Kölnischen Ztg.“ Herr von Beckerath ist indeß naiv genug, sich von seiner Anwesenheit in Berlin doch noch einigen „spätern Erfolg“ zu versprechen.</p> <p>Unter den hiesigen Heulern hat sich die bisherige Stimmung in Betreff der deutschen Angelegenheiten sehr geändert. Man fängt an, mit Allem unzufrieden zu werden, und mehrere der wüthendsten Reaktionärs machen bereits Anstalt, in das feindliche Lager der revolutionären Partei überzugehen</p> </div> <div xml:id="ar285-2_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 27. April.</head> <p>Folgendes ist das erfreuliche Memoire, worin die Minister Sr. Hohenzollern'schen Majestät die Auflösung der zweiten Kammer anrathen:</p> <p>Als Ew. Königliche Majestät durch das Allerhöchste Patent vom 5. Dezember v. J. die beiden Kammern zu der am 26. Februar v. J. eröffneten Session beriefen, geschah dies in der Hoffnung, daß die Verhandlungen derselben zur Befestigung eines gedeihlichen inneren Zustandes führen würden. Diese Hoffnung muß bei dem Gange, welchen in den letzten Wochen die Verhandlungen in der zweiten Kammer genommen haben, leider! aufgegeben werden. Die während dieser Zeit von der zweiten Kammer gefaßten Beschlüsse beruhen größtentheils auf Abstimmungen, bei welchen eine oder wenige Stimmen bald für die eine, bald für die andere Seite des Hauses in einer Weise den Ausschlag gaben, die keinen Zweifel darüber ließ, daß das Resultat sehr häufig lediglich die Folge zufälliger Umstände war. Wir halten es nach pflichtmäßiger Erwägung für verderblich, die Revision der Verfassungsurkunde vom 5. Dezember v. J. und die Gestaltung der an dieselbe sich anschließenden organischen Gesetze solchen Zufälligkeiten preiszugeben.</p> <p>Außerdem sind wir der Ueberzeugung, daß die zweite Kammer sich nicht immer in den Schranken ihrer Befugnisse gehalten hat. Eine Ueberschreitung ihrer Befugnisse finden wir in dem am 21. d. M. gefaßten Beschlusse, durch welchen die von der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt beschlossene Verfassung für rechtsgültig erklärt wird, und eben so in dem Beschlusse vom gestrigen Tage, durch welchen nicht nur die Fortdauer des über Berlin verhängten Belagerungszustandes, die wir gegenwärtig noch zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit für unerläßlich erachten, im Widerspruch mit dem Artikel 110 der Verfassungsurkunde für ungesetzlich erklärt, sondern auch die sofortige Aufhebung desselben gefordert wird.</p> <p>Aus vorstehenden Gründen halten wir es im Interesse des Landes für nothwendig, daß die zweite Kammer aufgelöst und demgemäß, nach Artikel 76 der Verfassungs-Urkunde gleichzeitig die erste Kammer vertagt werde. Wir dürfen uns der Hoffnung, daß diese Maßregel von der Mehrzahl der Gutgesinnten im Lande mit Beifall aufgenommen werden wird, um so zuversichtlicher hingeben, als zu unserem tiefen Schmerze die Rednerbühne in der zweiten Kammer nur zu oft dazu gemißbraucht worden ist, Grundsätze offen zu verkünden, welche geeignet sind, den Umsturz der bestehenden Verfassung und jeder gesetzlichen Ordnung vorzubereiten.</p> <p>Indem wir Ew. Königlichen Majestät den Entwurf der Auflösungs-Verordnung zur Allerhöchsten Vollziehung ehrfurchtsvoll überreichen, behalten wir uns die in Folge der Auflösung der zweiten Kammer nach Art. 49 der Verfassungs-Urkunde erforderlichen weiteren Anträge unterthänigst vor.</p> <p>Berlin, den 27. April 1849.</p> <p>Das Staats-Ministerium.</p> </div> <div xml:id="ar285-2_006" type="jArticle"> <head>Berlin, 27. April.</head> <p>Die Nachricht von der Kammerauflösung verbreitete sich heute mit Blitzesschnelle durch die ganze Stadt. Die Demokraten freuen sich als ob sie den größten Sieg erfochten hätten. Die Constitutionellen sind dagegen niedergeschlagen und nachdenkend, sie wissen nicht wie das werden soll. Da aber ihre Anzahl hier verhältnißmäßig nur gering ist, so begegnet man auf der Straße nur freundlichen Gesichtern. Wie kann es auch anders sein? Sind wir doch einen tüchtigen Schritt näher der endlichen Entwicklung gerückt! Das Laviren in den letzten Wochen war nicht mehr zum aushalten.</p> <p>Das Gerücht ist in der Stadt verbreitet, als beabsichtige man mehrere Abgeordneten der aufgelösten Kammer zu verhaften. Der Staatsanwalt soll schon die nöthigen Schritte bei der Anklagekammer gethan haben. Als Gründe der Verhaftungen werden wohl die Manteuffelschen Enthüllungen herhalten müssen. Mehrere Abgeordnete haben schon heute Mittag die Stadt verlassen.</p> <p>Der Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin haben sich bekanntlich durch ihre Feigheit und ihre Standrechtsgesinnungen schon immer ausgezeichnet. Sie haben gestern beschlossen, die Bürgerwehr nicht eher zu reorganisiren als nach Emanirung einer neuen Gemeindeordnung. Sie schickten heute eine Deputation zu dem Abg. Wehmer der vorzüglich gegen die Aufhebung des Belagerungszustandes gedonnert hatte, um ihm für seine Rede zu danken.</p> </div> <div xml:id="ar285-2_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 27. April.</head> <head>Sitzung der zweiten Kammer.</head> <p>Der Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi> eröffnet um 11 1/4 Uhr die Sitzung.</p> <p><hi rendition="#g">Aldenhover</hi> und Genossen stellen den dringenden Antrag, die Paragraphen, welche „ während der Dauer der Sitzungsperiode beider Kammern Versammlungen unter freiem Himmel innerhalb der Entfernung von zwei Meilen von dem Orte des Sitzes der Kammern verbieten,” als besonderes Gesetz sogleich anzunehmen.</p> <p>Der Antrag wird unterstützt. Es entsteht aber eine Debatte darüber, welcher Kommission dieser Antrag zu überweisen ist. Die Linke will ihn der Justizkommission und die Rechte dem Centralausschuß für das Klubgesetz (dessen Thätigkeit aber nach der Ansicht der Linken schon beendigt ist) überweisen. Nach einer Abstimmung durch Zählung stimmen 159 gegen 158 für die Ueberweisung an die Justizkommission Es wird namentliche Abstimmung gefordert, aber auf einen Wink vom Ministertisch wieder zurückgenommen.</p> <p>Während der Abstimmung treten alle acht Minister ein.</p> <p>Ministerpräsident Brandenburg erhebt sich und bittet ums Wort. (Tiefe Stille.</p> <p>Ich habe der hohen Kammer eine allerh. k. Verordnung vorzulesen, von der ich die Abschrift auf das Bureau niederlegen werde.</p> <p>Wir Friedrich Wilhelm, von G. G. König etc. verordnen hiermit in Gemäßheit der Art. 49 und 76 der Verfassung und nach dem Antrage unseres Staatsministeriums wie folgt:</p> <p>§. 1 <hi rendition="#g">Die zweite Kammer ist aufgelöst.</hi><lb/> §. 2. <hi rendition="#g">Die erste Kammer ist vertagt.</hi><lb/> §. 3. Das Staatsministerium ist mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt. (Die Minister entfernen sich).</p> <p>Präs. <hi rendition="#g">Grabow:</hi> Hiernach bleibt mir nur noch übrig, die Sitzung zu schließen. (Sämmtliche Abgeordnete verlassen ruhig den Saal).</p> <p> <hi rendition="#b">Sitzung der ersten Kammer.</hi> </p> <p>Heute um 12 Uhr wurden die Mitglieder dieser Kammer zu einer Nachmittags um 3 Uhr stattfindenden Sitzung eingeladen.</p> <p>Um 3 1/4 Uhr wird die Sitzung vom Präsidenten Auerswald eröffnet.</p> <p>Nach Verlesung des Protokolls erhebt sich der Ministerpräsident Brandenburg und verliest die schon in der zweiten Kammer mitgetheilte Königliche Verordnung.</p> <p>Präsident Auerswald ersucht hierauf die Abg. im Falle eines Wohnungswechsels denselben beim Büreau der Kammer anzumelden damit dieselbe schleunigst wieder zusammenberufen werden könne, da sie auf Grund der Verfassung binnen 60 Tagen wieder zusammenberufen sein müssen.</p> <p>(Schluß der Sitzung.)</p> </div> <div xml:id="ar285-2_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 27. April.</head> <p>In der neuesten Nr. der „Neuen Preußischen Zeitg.“ findet sich über die neueste „rettende That“ des gottbegnadeten Ministeriums folgender Herzenserguß:</p> <p>„Die zweite Kammer ist aufgelös′t, die Gesellschaft wird nach Hause geschickt! Wahrlich, man muß sagen, die Güte und Nachsicht der Regierung gränzt an das Unglaubliche! ‒ Wir stimmen gern damit überein, daß man noch einen Versuch macht, um dem Lande den Werth jenes Wahlgesetzes zu zeigen! aber man sollte doch jene Wühler nicht dem Lande wieder über den Hals schicken, um aufs Neue dasselbe zu vergiften, sondern ohne Weiteres diesmal jene politischen Verräther fassen und der Gerechtigkeit überliefern, der sie leider durch ihr Kammerprivilegium schon zu lange entzogen waren.“</p> </div> <div xml:id="ar285-2_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>314</author></bibl> Schweidnitz, 24. April.</head> <p>Ueber Petery's Verurtheilung herrscht hier ziemlich überall, und selbst in den Kreisen seiner bekannten Widersacher, nur eine Stimme; es ist die einer „völligen Entrüstung.“ ‒ Der am 24. Januar d. J. hierorts verhaftete Märtyrer der vor ihm verhaftenen „Volks-Freiheit,“ ward anfänglich des „Hochverraths,“ des „Aufruhr's“ und einer „ strafbaren Erregung zum Mißvergnügen gegen die Regierung“ angeklagt, später aber die geführte Kriminal-Untersuchung gegen ihn, wegen „Majestäts-Beleidigung,“ „Aufruhr's“ und „Erregung von Mißvergnügen gegen die Regierung“ in Spruch genommen. ‒ Wie dies geschehen konnte, ist kaum begreiflich, da wenigstens in Absicht auf „Majestäts-Beleidigung“ gegen Petery weder eine Anklage, noch Untersuchung, oder Vertheidigung stattgefunden, und nicht einmal der Untersuchungs-, sondern lediglich der „Spruchrichter“ das in Rede stehende Verbrechen der wider Petery schwebenden übrigen Anklage vindicirt hat. ‒ Mögen jedoch die Olympier dereinst diesen Vorwurf beseitigen; wir schwachen Sterblichen durchschauen nicht die dunklen Wege der Landrechtsscheusale und schwarzweißen Gerichtsbestien. Es muß uns genügen, wenn wir hören, daß Petery durch das Urtheil erster Instanz zu einer „3 jährigen Zuchthausstrafe“ verurtheilt worden!! ‒ Gegen diese Entscheidung hat der Verurtheilte sofort das Rechtsmittel der weitern Vertheidigung ergriffen; die Formalien der ersten Instanz als nicht beobachtet erklärt, und nachgewiesen, daß der erste Spruchrichter nicht einmal eine ausreichende Kenntniß von der mit Petery gepflogenen Generalien-Verhandlung gewonnen hat. ‒ Es ist dies auch ganz folgerichtig und gemäß der noch jetzt in Preußen bestehenden strafrechtlichen Grundsätze. ‒ Petery hat nämlich überhaupt 14 Jahre in der Armee, darunter 13 1/2 Jahr als Avancirter gedient, und ist zur Zeit erst 35 1/2 Jahr alt, würde mithin ‒ selbst für den Fall, daß er wirklich die ihm zuerkannte 3jährige Freiheitsstrafe verbüßen mußte ‒ noch nicht sein 40. Lebensjahr erreichen; daher aber, und weil ihm der Spruchrichter nicht den Verlust der Ehren-und staatsbürgerlichen Rechte zuerkennen konnte, durchaus nicht zu einer Zuchthaus-, sondern lediglich zu einer Festungsstrafe zu verurtheilen sein.</p> <p>Erwähnen wollen hier noch, daß der erste Spruchrichter, dem von Petery gebrauchten Ausdrucke „Camarilla“ eine andere Deutung gegeben, als dies im artikulirten Verhöre von dem Angeklagten selbst geschehen; und daß er, aus diesem äußerst geringfügigen Umstande den Beweis der vor Petery verübten „Majestäts-Beleidigung“ hergeleitet!!! Er mag bei diesem Schlusse dieselben Beweggründe vor Augen gehabt haben, die einen der hiesigen Richter unsers armen Dulders zu dem Ausrufe veranlaßten: „Petery ist bald reif!“ dann:“Petery ist jetzt reif!“ und „Es fehlt jetzt nur noch Einer!“</p> <p>Im Urtheil zweiter Instanz dürfte man wenigstens nicht auf's Neue willkürliche Abänderungen der von Petery im Drucke veröffentlichten Schriften vornehmen.</p> <p>Daß man dem Angeklagten auch noch die erbetene Abschrift des wider ihn ergangenen Erkenntnisses versagt hat, befremdet um so weniger, als seit dem berühmten Königsberger Verfahren ein ähnlicher Fall bei keinem Gerichtshofe in Preußen weiter vorgekommen ist. ‒ Das königliche Inquisitoriat in Breslau hat schon seit vielen Jahren den Angeklagten eine vidimirte Abschrift der wider dieselben ergangenen Erkenntnisse (<hi rendition="#g">mit Gründen</hi>) in dem Falle aushändigen lassen, daß dieselben den Begnadigungsweg einzuschlagen beabsichtigten. Will man nicht den Faden der Sache unnöthigerweise noch in die Länge spinnen, so ist dies auch der gradeste Weg, der nur irgend von einem Richter verfolgt werden kann. (Aus Vorstehendem sieht der Leser, daß die landrechtlichen Infamien wieder in ihrer alten Blüthenzeit stehen.)</p> </div> <div xml:id="ar285-2_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Posen, 22. April.</head> <p>Unter den vielen Beamten, welche in Folge der vorjährigen Ereignisse suspendirt sind, und gegen die eine Untersuchung schwebt, befindet sich auch Herr <hi rendition="#g">Krotowski</hi> (Krauthofer). Derselbe soll dem Staatsanwalt eine Schrift folgenden Inhalts eingereicht haben:</p> <p>1) Er werde sich blos in polnischer Sprache auslassen und vertheidigen. Als Defensor wird der Dr. juris Riegolewski auftreten. Es sollen Geschworne zugezogen werden, die der polnischen Sprache mächtig sind.</p> <p>2) Der bekannte, vom Königl. Adjudanten, General v. Neumann, von Potsdam im April v. J. an den General von Colomb erlassene Befehl, welcher Letztern ermächtigte, die Polen feindlich anzugreifen, ist nicht konstitutionell. Dieser Befehl ist im Staatsministerium nicht berathen worden, und von keinem Minister kontrasignirt. Zur Begründung dieser Behauptung hat Krotowski den König, die Minister und den General Neumann als Zeugen vorgeschlagen, und stellt den Antrag, diese Zeugen zum Verhandlungstermin nach Posen vorzuladen. Und wenn auch Manche behaupten, daß dem Könige nach der octroyirten Verfassung vom 5. Dezember das Recht des Krieges allein zusteht, so muß doch berücksichtigt werden, daß die Verfassung beim Erlaß des Neumann'schen Befehls noch nicht existirte, und daß ferner der Krieg im Posen'schen eine reine Verwaltungsmaßregel war, die durchaus alle Stadien der konstitutionellen Formen durchmachen muß, zumal die damaligen Minister durch eine Erklärung sich als verantwortlich machten. ‒ Auf jeden Fall dürften die Verhandlungen des Krotowski'schen Prozesses sehr interessante Momente liefern. Krotowski ist ein tüchtiger Jurist, hat viel Redetalent und Energie.</p> </div> <div xml:id="ar285-2_012" type="jArticle"> <head>Wien, 25. April.</head> <p>Windischgrätz hat aus Olmütz vom 21. April einen Armeebefehl an die Armee in Ungarn erlassen, in welchem er den Truppen, vom Ersten bis zum Letzten, für das unter ihm Geleistete dankt und die Versicherung ausspricht, daß ihm die Eigenschaften dieser Armee unvergeßlich sein werden, welche für die Welt große Verdienste habe, da sie zur Aufrechthaltung der „socialen Ordnung“, zur „Herstellung eines gesetzlichen Zustandes“ (!) unter seiner Leitung so Vieles geleistet. In einem zweiten Aufrufe vom 22. April richtet er sich an die Bewohner Ungarns und fordert darin die „rechtlich-gesinnten und aufgeklärten“ Männer auf, durch Anschluß an die Regierung, durch energisches Eingreifen und durch den Einfluß auf ihre „verirrten” Mitbürger Alles anzuwenden, um dem unseligen Zustande der Dinge dort ein Ende zu machen etc.</p> </div> <div xml:id="ar285-2_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 25. April.</head> <p>Der Mordknecht Welden hat „an die loyalen verständigen Bewohner Wien's “ eine Ansprache erlassen, die gewaltig von seinen frühern “Kundmachungen absticht. Er bläst den Wienern die süßesten Flötentöne vor, um sie zu beruhigen und jeden Gedanken an Benutzung der zur Vergeltung immer günstiger werdenden Zeitumstände von ihnen fern zu halten. Aus einem vom Blut der Ermordeten bespritzten Scharfrichterknecht hat er sich in eine Sirene verwandelt; er spricht von „Rechtlichen und Braven“ , vom „Himmel“ und von der „gerechten Sache“ und nicht ein einziges Wort von Begnadigung zu „Pulver und Blei.“ Was nicht die ungarischen Husaren für Wunder hervorzubringen im Stande sind!</p> </div> <div xml:id="ar285-2_014" type="jArticle"> <head>Prag, 23. April.</head> <p>Aus einer amtlichen Zusammenstellung des prov. N. G. Oberkommandos für Böhmen erfahren wir, daß in Böhmen in 947 Ortschaften Nationalgarden bestehen, und daß die Gesammtzahl der Garden 113,088 Mann beträgt, von denen jedoch nur 58.583 bewaffnet sind. Im Durchschnitte kommen auf je 1000 Einwohner 25 National-Gardisten. Am vortheilhaftesten zeichnen sich durch Eifer in Errichtung von National-Garden die nördlichen (meist deutschen) Kreise und die Hauptstadt Prag aus. Es kommen nämlich auf je 1000 Einw. im Leitmeritzer Kreise 52, im Saazer Kreise 42, in Prag 39, im Elbogner Kr. 38, im Bunzlauer Kr. 33, dagegen in den übrigen Kreisen auf je 1000 nicht mehr als 16 bis höchstens 23 Nationalgarden. (C. Bl. a. B.)</p> </div> <div xml:id="ar285-2_015" type="jArticle"> <head>Prag, 25. April.</head> <p>Gestern Abend langte Fürst Windischgrätz hier an, buchstäblich das Bild einer gefallenen Größe! In einen grauen Mantel gehüllt, die Mütze tief in die Stirn gedrückt, durchschritt er, von mehreren Offizieren begleitet, schweigend die Reihe der Zuschauer, die sich, ungeachtet der Bahnhof geschlossen war, eigends daselbst eingefunden hatten. Dem Vernehmen nach beabsichtigt der Fürst nach Belgien zu übersiedeln; alle Söhne desselben haben ihre Entlassung aus dem k. k. Militärdienste genommen.</p> </div> <div xml:id="ar285-2_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Schleswig-Holstein, 26. April.</head> <p>Gerüchten zufolge will Prittwitz das Kommando niederlegen. Einige aus dem Norden kommende Soldaten behaupten, daß er sich bereits von der Armee entfernt habe. Irgend ein ehrlicher fürstlich-sächsischer Vollbluthengst soll sich mit ihm entzweit haben, weil Prittwitz sich fortwährend weigerte, die Truppen über die Königsau einrücken zu lassen, und in Folge dessen habe Ersterer, Letzteren zum Duell aufgefordert.</p> <p>Zu Anfang dieses Jahres erwähnten wir eines gewissen Springborn, dem man die Schuld in die Schuhe schieben wollte, im Anfang September vorigen Jahres die Soldaten zum Ungehorsam gegen ihre Vorgesetzten verleitet zu haben. Wenn wir ihn jetzt wieder erwähnen, so müssen wir leider sagen, derselbe sitzt noch in Haft, sitzt schon acht Monate. Ist das nicht ein wahrer Justizmord? Ihr Herrn Vertheidiger des gemeinen Gerichtsverfahrens was meint Ihr? Sehr honnett wenn man so einnen Wühler im Kerker verschmachten läßt!? Fragen Sie mich nach der Ursache? Nun das Gericht scheut sich, das Urtheil zu publiziren, weil auch viele Kieler Bürger bei dieser Sache betheiligt, und ihres Urtheils gewärtig sind. Da diese aber wissen, daß die Untersuchungsacten der Soldaten verfälscht, sie also Appellation dagegen einlegen werden, wenn man sie nicht freispräche, dieses aber nicht geht ohne auch Springborn freizusprechen, den man gern verurtheilen möchte; so schiebt man das Urtheil hinaus und hofft auf bessere Zeiten in der die „gute alte Ordnung“zurückgekehrt sein wird. Der Bourgeois Hedde, mag als Vertheidiger Springborns vielleicht auch theilweise Schuld tragen. Hedde hat nämlich eine geheime Malice auf die Rothen, und Springborn ist Rother. Ueber Ihr Blatt ist der Hedde bei Gelegenheit seiner Abschilderung in Harnisch gerathen, soll sich selbst an Jemand, der für die Neue deutsche Zeitung korrespondirt, gewandt haben, er möge doch die Angriffe des Korrespondenten der „Neuen Rheinischen“ defavouiren. Jener war aber vollkommen damit einverstanden und hat es unsers Wissens nicht gethan.</p> <p>Viele nimmt es Wunder, daß Olshausen, dem sonst so viel politischer Scharfblick zugeschrieben wird, die ganze schwarz weiße Reichskriegskomödie für Ernst hält, und besonders seine Hoffnung auf die „edle“ und „ehrliche Gesinnung des Preußen-Königs“ setzt. Er nennt das von ihm redigirte Blatt die „freie Presse“ und will dabei dem Volk glauben machen, als käme die Freiheit aus dem Boudoir der Frau Sophie, Mutter des jungen Mordbrennerchefs, oder aus den Steppen Rußlands; dennn das ist die Konsequenz der edlen und ehrlichen Gesinnung. Wir rathen dem Herrn Olshausen sich doch nach dem geheimen Bündniß der drei osteuropäischen Großmächte zu erkundigen.</p> <p>Aus Hadersleben wird uns von bekannter Hand mitgetheilt, daß dort 12,000 Mann Preußen zum Durchmarsch nach Jütland angesagt, und 63 dänische Kriegsgefangene eingebracht sind. Erstere Nachricht bezweifeln wir, da die preußische Regierung nicht weiter als bis an die Königsau marschiren lassen will. ‒ Im westlichen Jütland sind mehrere Vorpostengefechte vorgefallen.</p> <p>Vom Kriegsschauplatz nur noch soviel, daß der Verlust auf unserer Seite sich auf 300-400 herausstellte. Eine oder einige Schwadronen dänischer Husaren sind ganz aufgerieben. Das Feuer in Kolding ist Anfangs durch die Dänen selbst verursacht worden, indem sie die Stadt von der Seeseite mit Granaten beschossen. Später aber, als die in der Stadt wohnenden Dänen die Unsrigen mit kochendem Wasser und Oel begossen, arbeitete unsere Artillerie tüchtig drauf los. Unter den Todten soll auch der Kompagniechef des 9. Bataillons, Svegansky, früher Hauptmann unter dem Freikorps, sein. Derselbe stand auch mit auf den Berliner Barrikaden, und war die Hauptstütze des Republikanismus im 9. Bataillon.</p> </div> <div xml:id="ar285-2_017" type="jArticle"> <head>Kolding, 24. April.</head> <p>Unter diesem Datum schreibt man der „Börsen-Halle“:</p> <p>„Es sieht hier furchtbar aus, rauchende oder in Schutt geschossene Häuser, getödtete Soldaten, Kadaver von Pferden, Alles bunt durcheinander. Das gestrige Treffen war sehr hartnäckig, und unsere Truppen, die freilich eine große Uebermacht, besonders an Artillerie, im Anfang gegen sich hatten, waren nahe daran, den Rückzug antreten zu müssen. Allein ihre ausdauernde Tapferkeit, das feste Vertrauen auf den Führer Bonin und endlich das ruhige, sichere Schießen unserer Artilleristen, siegte endlich so vollkommen, daß die Schlacht als glänzend gewonnen für uns zu betrachten ist. Die Dänen haben sich theilweise gut geschlagen; besonders ihre blauen Husaren, die aber größtentheils aufgerieben sind, haben ausgezeichneten Muth bewiesen. Ehre auch dem Feind, wenn er es verdient. Die Zahl der Gefangenen, die wir gemacht haben, ist sehr groß, denn fast das ganze 13. Bataillon streckte am Abend freiwillig die Waffen, die Offiziere wurden von unseren Dragonern gefangen. Jetzt stehen unsere Vorposten schon wieder an zwei Stunden nordwärts Kolding und haben heute schon wieder eine dänische Feldwache von 60 Mann gefangen genommen.“</p> <p>Das nämliche Blatt enthält aus Kiel u. A. folgende Zeilen:„Die Schlacht bei Kolding hat hier natürlich um so größere Freude erregt, da sie allein von unserer Schleswig-holsteinischen Armee ge- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1616/0002]
entsprechen wolle. Nichtsdestoweniger ist der Haß, den man von oben herab gegen ihn empfindet, so groß, daß man hier mit Ungeduld der betreffenden Entscheidung entgegensieht. Dieselbe nimmt bereits einen eigenthümlichen Verlauf. Die korrektionelle Kammer nämlich an die sich Lassalle wandte, hat damit angefangen, obwohl sie offenbar kompetent war, sich für inkompetent zu erklären, aus dem Vorwand, (alias Grund) Lassalle sei blos eventuell (für den Fall der Freisprechung durch die Jury) vor das korrektionelle Gericht verwiesen; d. h. es müsse, ehe sie sich kompetent erachten könne, erst der Assisenprozeß vom 3. k. M. beendigt sein (!) und das heißt wieder, die Kammer will verhindern, daß, wenn sie schon jetzt eine Kaution bestimmt, Lassalle am 3. Mai gleich gegen deren Erlegung in Freiheit komme, sie will vielmehr ihn mindestens noch 14 Tage über den 3. hinaus im Gewahrsam des Hrn. Morret lassen. Es ist gegen diese seltsame Inkompetenzerklärung appellirt worden. Nächstens Weiteres darüber.
067 Krefeld, 27. April. Aus der besten Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß Herr von Beckerath mit seiner Mission in Berlin total gescheitert ist, und sehr niedergeschlagen seine Rückreise nach Frankfurt angetreten hat. Dies zur Berichtigung der Mittheilungen der „Fr. O. -P.-A.-Ztg.“ und der „Kölnischen Ztg.“ Herr von Beckerath ist indeß naiv genug, sich von seiner Anwesenheit in Berlin doch noch einigen „spätern Erfolg“ zu versprechen.
Unter den hiesigen Heulern hat sich die bisherige Stimmung in Betreff der deutschen Angelegenheiten sehr geändert. Man fängt an, mit Allem unzufrieden zu werden, und mehrere der wüthendsten Reaktionärs machen bereits Anstalt, in das feindliche Lager der revolutionären Partei überzugehen
* Berlin, 27. April. Folgendes ist das erfreuliche Memoire, worin die Minister Sr. Hohenzollern'schen Majestät die Auflösung der zweiten Kammer anrathen:
Als Ew. Königliche Majestät durch das Allerhöchste Patent vom 5. Dezember v. J. die beiden Kammern zu der am 26. Februar v. J. eröffneten Session beriefen, geschah dies in der Hoffnung, daß die Verhandlungen derselben zur Befestigung eines gedeihlichen inneren Zustandes führen würden. Diese Hoffnung muß bei dem Gange, welchen in den letzten Wochen die Verhandlungen in der zweiten Kammer genommen haben, leider! aufgegeben werden. Die während dieser Zeit von der zweiten Kammer gefaßten Beschlüsse beruhen größtentheils auf Abstimmungen, bei welchen eine oder wenige Stimmen bald für die eine, bald für die andere Seite des Hauses in einer Weise den Ausschlag gaben, die keinen Zweifel darüber ließ, daß das Resultat sehr häufig lediglich die Folge zufälliger Umstände war. Wir halten es nach pflichtmäßiger Erwägung für verderblich, die Revision der Verfassungsurkunde vom 5. Dezember v. J. und die Gestaltung der an dieselbe sich anschließenden organischen Gesetze solchen Zufälligkeiten preiszugeben.
Außerdem sind wir der Ueberzeugung, daß die zweite Kammer sich nicht immer in den Schranken ihrer Befugnisse gehalten hat. Eine Ueberschreitung ihrer Befugnisse finden wir in dem am 21. d. M. gefaßten Beschlusse, durch welchen die von der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt beschlossene Verfassung für rechtsgültig erklärt wird, und eben so in dem Beschlusse vom gestrigen Tage, durch welchen nicht nur die Fortdauer des über Berlin verhängten Belagerungszustandes, die wir gegenwärtig noch zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit für unerläßlich erachten, im Widerspruch mit dem Artikel 110 der Verfassungsurkunde für ungesetzlich erklärt, sondern auch die sofortige Aufhebung desselben gefordert wird.
Aus vorstehenden Gründen halten wir es im Interesse des Landes für nothwendig, daß die zweite Kammer aufgelöst und demgemäß, nach Artikel 76 der Verfassungs-Urkunde gleichzeitig die erste Kammer vertagt werde. Wir dürfen uns der Hoffnung, daß diese Maßregel von der Mehrzahl der Gutgesinnten im Lande mit Beifall aufgenommen werden wird, um so zuversichtlicher hingeben, als zu unserem tiefen Schmerze die Rednerbühne in der zweiten Kammer nur zu oft dazu gemißbraucht worden ist, Grundsätze offen zu verkünden, welche geeignet sind, den Umsturz der bestehenden Verfassung und jeder gesetzlichen Ordnung vorzubereiten.
Indem wir Ew. Königlichen Majestät den Entwurf der Auflösungs-Verordnung zur Allerhöchsten Vollziehung ehrfurchtsvoll überreichen, behalten wir uns die in Folge der Auflösung der zweiten Kammer nach Art. 49 der Verfassungs-Urkunde erforderlichen weiteren Anträge unterthänigst vor.
Berlin, den 27. April 1849.
Das Staats-Ministerium.
Berlin, 27. April. Die Nachricht von der Kammerauflösung verbreitete sich heute mit Blitzesschnelle durch die ganze Stadt. Die Demokraten freuen sich als ob sie den größten Sieg erfochten hätten. Die Constitutionellen sind dagegen niedergeschlagen und nachdenkend, sie wissen nicht wie das werden soll. Da aber ihre Anzahl hier verhältnißmäßig nur gering ist, so begegnet man auf der Straße nur freundlichen Gesichtern. Wie kann es auch anders sein? Sind wir doch einen tüchtigen Schritt näher der endlichen Entwicklung gerückt! Das Laviren in den letzten Wochen war nicht mehr zum aushalten.
Das Gerücht ist in der Stadt verbreitet, als beabsichtige man mehrere Abgeordneten der aufgelösten Kammer zu verhaften. Der Staatsanwalt soll schon die nöthigen Schritte bei der Anklagekammer gethan haben. Als Gründe der Verhaftungen werden wohl die Manteuffelschen Enthüllungen herhalten müssen. Mehrere Abgeordnete haben schon heute Mittag die Stadt verlassen.
Der Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin haben sich bekanntlich durch ihre Feigheit und ihre Standrechtsgesinnungen schon immer ausgezeichnet. Sie haben gestern beschlossen, die Bürgerwehr nicht eher zu reorganisiren als nach Emanirung einer neuen Gemeindeordnung. Sie schickten heute eine Deputation zu dem Abg. Wehmer der vorzüglich gegen die Aufhebung des Belagerungszustandes gedonnert hatte, um ihm für seine Rede zu danken.
* Berlin, 27. April. Sitzung der zweiten Kammer. Der Präsident Grabow eröffnet um 11 1/4 Uhr die Sitzung.
Aldenhover und Genossen stellen den dringenden Antrag, die Paragraphen, welche „ während der Dauer der Sitzungsperiode beider Kammern Versammlungen unter freiem Himmel innerhalb der Entfernung von zwei Meilen von dem Orte des Sitzes der Kammern verbieten,” als besonderes Gesetz sogleich anzunehmen.
Der Antrag wird unterstützt. Es entsteht aber eine Debatte darüber, welcher Kommission dieser Antrag zu überweisen ist. Die Linke will ihn der Justizkommission und die Rechte dem Centralausschuß für das Klubgesetz (dessen Thätigkeit aber nach der Ansicht der Linken schon beendigt ist) überweisen. Nach einer Abstimmung durch Zählung stimmen 159 gegen 158 für die Ueberweisung an die Justizkommission Es wird namentliche Abstimmung gefordert, aber auf einen Wink vom Ministertisch wieder zurückgenommen.
Während der Abstimmung treten alle acht Minister ein.
Ministerpräsident Brandenburg erhebt sich und bittet ums Wort. (Tiefe Stille.
Ich habe der hohen Kammer eine allerh. k. Verordnung vorzulesen, von der ich die Abschrift auf das Bureau niederlegen werde.
Wir Friedrich Wilhelm, von G. G. König etc. verordnen hiermit in Gemäßheit der Art. 49 und 76 der Verfassung und nach dem Antrage unseres Staatsministeriums wie folgt:
§. 1 Die zweite Kammer ist aufgelöst.
§. 2. Die erste Kammer ist vertagt.
§. 3. Das Staatsministerium ist mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt. (Die Minister entfernen sich).
Präs. Grabow: Hiernach bleibt mir nur noch übrig, die Sitzung zu schließen. (Sämmtliche Abgeordnete verlassen ruhig den Saal).
Sitzung der ersten Kammer.
Heute um 12 Uhr wurden die Mitglieder dieser Kammer zu einer Nachmittags um 3 Uhr stattfindenden Sitzung eingeladen.
Um 3 1/4 Uhr wird die Sitzung vom Präsidenten Auerswald eröffnet.
Nach Verlesung des Protokolls erhebt sich der Ministerpräsident Brandenburg und verliest die schon in der zweiten Kammer mitgetheilte Königliche Verordnung.
Präsident Auerswald ersucht hierauf die Abg. im Falle eines Wohnungswechsels denselben beim Büreau der Kammer anzumelden damit dieselbe schleunigst wieder zusammenberufen werden könne, da sie auf Grund der Verfassung binnen 60 Tagen wieder zusammenberufen sein müssen.
(Schluß der Sitzung.)
* Berlin, 27. April. In der neuesten Nr. der „Neuen Preußischen Zeitg.“ findet sich über die neueste „rettende That“ des gottbegnadeten Ministeriums folgender Herzenserguß:
„Die zweite Kammer ist aufgelös′t, die Gesellschaft wird nach Hause geschickt! Wahrlich, man muß sagen, die Güte und Nachsicht der Regierung gränzt an das Unglaubliche! ‒ Wir stimmen gern damit überein, daß man noch einen Versuch macht, um dem Lande den Werth jenes Wahlgesetzes zu zeigen! aber man sollte doch jene Wühler nicht dem Lande wieder über den Hals schicken, um aufs Neue dasselbe zu vergiften, sondern ohne Weiteres diesmal jene politischen Verräther fassen und der Gerechtigkeit überliefern, der sie leider durch ihr Kammerprivilegium schon zu lange entzogen waren.“
314 Schweidnitz, 24. April. Ueber Petery's Verurtheilung herrscht hier ziemlich überall, und selbst in den Kreisen seiner bekannten Widersacher, nur eine Stimme; es ist die einer „völligen Entrüstung.“ ‒ Der am 24. Januar d. J. hierorts verhaftete Märtyrer der vor ihm verhaftenen „Volks-Freiheit,“ ward anfänglich des „Hochverraths,“ des „Aufruhr's“ und einer „ strafbaren Erregung zum Mißvergnügen gegen die Regierung“ angeklagt, später aber die geführte Kriminal-Untersuchung gegen ihn, wegen „Majestäts-Beleidigung,“ „Aufruhr's“ und „Erregung von Mißvergnügen gegen die Regierung“ in Spruch genommen. ‒ Wie dies geschehen konnte, ist kaum begreiflich, da wenigstens in Absicht auf „Majestäts-Beleidigung“ gegen Petery weder eine Anklage, noch Untersuchung, oder Vertheidigung stattgefunden, und nicht einmal der Untersuchungs-, sondern lediglich der „Spruchrichter“ das in Rede stehende Verbrechen der wider Petery schwebenden übrigen Anklage vindicirt hat. ‒ Mögen jedoch die Olympier dereinst diesen Vorwurf beseitigen; wir schwachen Sterblichen durchschauen nicht die dunklen Wege der Landrechtsscheusale und schwarzweißen Gerichtsbestien. Es muß uns genügen, wenn wir hören, daß Petery durch das Urtheil erster Instanz zu einer „3 jährigen Zuchthausstrafe“ verurtheilt worden!! ‒ Gegen diese Entscheidung hat der Verurtheilte sofort das Rechtsmittel der weitern Vertheidigung ergriffen; die Formalien der ersten Instanz als nicht beobachtet erklärt, und nachgewiesen, daß der erste Spruchrichter nicht einmal eine ausreichende Kenntniß von der mit Petery gepflogenen Generalien-Verhandlung gewonnen hat. ‒ Es ist dies auch ganz folgerichtig und gemäß der noch jetzt in Preußen bestehenden strafrechtlichen Grundsätze. ‒ Petery hat nämlich überhaupt 14 Jahre in der Armee, darunter 13 1/2 Jahr als Avancirter gedient, und ist zur Zeit erst 35 1/2 Jahr alt, würde mithin ‒ selbst für den Fall, daß er wirklich die ihm zuerkannte 3jährige Freiheitsstrafe verbüßen mußte ‒ noch nicht sein 40. Lebensjahr erreichen; daher aber, und weil ihm der Spruchrichter nicht den Verlust der Ehren-und staatsbürgerlichen Rechte zuerkennen konnte, durchaus nicht zu einer Zuchthaus-, sondern lediglich zu einer Festungsstrafe zu verurtheilen sein.
Erwähnen wollen hier noch, daß der erste Spruchrichter, dem von Petery gebrauchten Ausdrucke „Camarilla“ eine andere Deutung gegeben, als dies im artikulirten Verhöre von dem Angeklagten selbst geschehen; und daß er, aus diesem äußerst geringfügigen Umstande den Beweis der vor Petery verübten „Majestäts-Beleidigung“ hergeleitet!!! Er mag bei diesem Schlusse dieselben Beweggründe vor Augen gehabt haben, die einen der hiesigen Richter unsers armen Dulders zu dem Ausrufe veranlaßten: „Petery ist bald reif!“ dann:“Petery ist jetzt reif!“ und „Es fehlt jetzt nur noch Einer!“
Im Urtheil zweiter Instanz dürfte man wenigstens nicht auf's Neue willkürliche Abänderungen der von Petery im Drucke veröffentlichten Schriften vornehmen.
Daß man dem Angeklagten auch noch die erbetene Abschrift des wider ihn ergangenen Erkenntnisses versagt hat, befremdet um so weniger, als seit dem berühmten Königsberger Verfahren ein ähnlicher Fall bei keinem Gerichtshofe in Preußen weiter vorgekommen ist. ‒ Das königliche Inquisitoriat in Breslau hat schon seit vielen Jahren den Angeklagten eine vidimirte Abschrift der wider dieselben ergangenen Erkenntnisse (mit Gründen) in dem Falle aushändigen lassen, daß dieselben den Begnadigungsweg einzuschlagen beabsichtigten. Will man nicht den Faden der Sache unnöthigerweise noch in die Länge spinnen, so ist dies auch der gradeste Weg, der nur irgend von einem Richter verfolgt werden kann. (Aus Vorstehendem sieht der Leser, daß die landrechtlichen Infamien wieder in ihrer alten Blüthenzeit stehen.)
* Posen, 22. April. Unter den vielen Beamten, welche in Folge der vorjährigen Ereignisse suspendirt sind, und gegen die eine Untersuchung schwebt, befindet sich auch Herr Krotowski (Krauthofer). Derselbe soll dem Staatsanwalt eine Schrift folgenden Inhalts eingereicht haben:
1) Er werde sich blos in polnischer Sprache auslassen und vertheidigen. Als Defensor wird der Dr. juris Riegolewski auftreten. Es sollen Geschworne zugezogen werden, die der polnischen Sprache mächtig sind.
2) Der bekannte, vom Königl. Adjudanten, General v. Neumann, von Potsdam im April v. J. an den General von Colomb erlassene Befehl, welcher Letztern ermächtigte, die Polen feindlich anzugreifen, ist nicht konstitutionell. Dieser Befehl ist im Staatsministerium nicht berathen worden, und von keinem Minister kontrasignirt. Zur Begründung dieser Behauptung hat Krotowski den König, die Minister und den General Neumann als Zeugen vorgeschlagen, und stellt den Antrag, diese Zeugen zum Verhandlungstermin nach Posen vorzuladen. Und wenn auch Manche behaupten, daß dem Könige nach der octroyirten Verfassung vom 5. Dezember das Recht des Krieges allein zusteht, so muß doch berücksichtigt werden, daß die Verfassung beim Erlaß des Neumann'schen Befehls noch nicht existirte, und daß ferner der Krieg im Posen'schen eine reine Verwaltungsmaßregel war, die durchaus alle Stadien der konstitutionellen Formen durchmachen muß, zumal die damaligen Minister durch eine Erklärung sich als verantwortlich machten. ‒ Auf jeden Fall dürften die Verhandlungen des Krotowski'schen Prozesses sehr interessante Momente liefern. Krotowski ist ein tüchtiger Jurist, hat viel Redetalent und Energie.
Wien, 25. April. Windischgrätz hat aus Olmütz vom 21. April einen Armeebefehl an die Armee in Ungarn erlassen, in welchem er den Truppen, vom Ersten bis zum Letzten, für das unter ihm Geleistete dankt und die Versicherung ausspricht, daß ihm die Eigenschaften dieser Armee unvergeßlich sein werden, welche für die Welt große Verdienste habe, da sie zur Aufrechthaltung der „socialen Ordnung“, zur „Herstellung eines gesetzlichen Zustandes“ (!) unter seiner Leitung so Vieles geleistet. In einem zweiten Aufrufe vom 22. April richtet er sich an die Bewohner Ungarns und fordert darin die „rechtlich-gesinnten und aufgeklärten“ Männer auf, durch Anschluß an die Regierung, durch energisches Eingreifen und durch den Einfluß auf ihre „verirrten” Mitbürger Alles anzuwenden, um dem unseligen Zustande der Dinge dort ein Ende zu machen etc.
* Wien, 25. April. Der Mordknecht Welden hat „an die loyalen verständigen Bewohner Wien's “ eine Ansprache erlassen, die gewaltig von seinen frühern “Kundmachungen absticht. Er bläst den Wienern die süßesten Flötentöne vor, um sie zu beruhigen und jeden Gedanken an Benutzung der zur Vergeltung immer günstiger werdenden Zeitumstände von ihnen fern zu halten. Aus einem vom Blut der Ermordeten bespritzten Scharfrichterknecht hat er sich in eine Sirene verwandelt; er spricht von „Rechtlichen und Braven“ , vom „Himmel“ und von der „gerechten Sache“ und nicht ein einziges Wort von Begnadigung zu „Pulver und Blei.“ Was nicht die ungarischen Husaren für Wunder hervorzubringen im Stande sind!
Prag, 23. April. Aus einer amtlichen Zusammenstellung des prov. N. G. Oberkommandos für Böhmen erfahren wir, daß in Böhmen in 947 Ortschaften Nationalgarden bestehen, und daß die Gesammtzahl der Garden 113,088 Mann beträgt, von denen jedoch nur 58.583 bewaffnet sind. Im Durchschnitte kommen auf je 1000 Einwohner 25 National-Gardisten. Am vortheilhaftesten zeichnen sich durch Eifer in Errichtung von National-Garden die nördlichen (meist deutschen) Kreise und die Hauptstadt Prag aus. Es kommen nämlich auf je 1000 Einw. im Leitmeritzer Kreise 52, im Saazer Kreise 42, in Prag 39, im Elbogner Kr. 38, im Bunzlauer Kr. 33, dagegen in den übrigen Kreisen auf je 1000 nicht mehr als 16 bis höchstens 23 Nationalgarden. (C. Bl. a. B.)
Prag, 25. April. Gestern Abend langte Fürst Windischgrätz hier an, buchstäblich das Bild einer gefallenen Größe! In einen grauen Mantel gehüllt, die Mütze tief in die Stirn gedrückt, durchschritt er, von mehreren Offizieren begleitet, schweigend die Reihe der Zuschauer, die sich, ungeachtet der Bahnhof geschlossen war, eigends daselbst eingefunden hatten. Dem Vernehmen nach beabsichtigt der Fürst nach Belgien zu übersiedeln; alle Söhne desselben haben ihre Entlassung aus dem k. k. Militärdienste genommen.
15 Schleswig-Holstein, 26. April. Gerüchten zufolge will Prittwitz das Kommando niederlegen. Einige aus dem Norden kommende Soldaten behaupten, daß er sich bereits von der Armee entfernt habe. Irgend ein ehrlicher fürstlich-sächsischer Vollbluthengst soll sich mit ihm entzweit haben, weil Prittwitz sich fortwährend weigerte, die Truppen über die Königsau einrücken zu lassen, und in Folge dessen habe Ersterer, Letzteren zum Duell aufgefordert.
Zu Anfang dieses Jahres erwähnten wir eines gewissen Springborn, dem man die Schuld in die Schuhe schieben wollte, im Anfang September vorigen Jahres die Soldaten zum Ungehorsam gegen ihre Vorgesetzten verleitet zu haben. Wenn wir ihn jetzt wieder erwähnen, so müssen wir leider sagen, derselbe sitzt noch in Haft, sitzt schon acht Monate. Ist das nicht ein wahrer Justizmord? Ihr Herrn Vertheidiger des gemeinen Gerichtsverfahrens was meint Ihr? Sehr honnett wenn man so einnen Wühler im Kerker verschmachten läßt!? Fragen Sie mich nach der Ursache? Nun das Gericht scheut sich, das Urtheil zu publiziren, weil auch viele Kieler Bürger bei dieser Sache betheiligt, und ihres Urtheils gewärtig sind. Da diese aber wissen, daß die Untersuchungsacten der Soldaten verfälscht, sie also Appellation dagegen einlegen werden, wenn man sie nicht freispräche, dieses aber nicht geht ohne auch Springborn freizusprechen, den man gern verurtheilen möchte; so schiebt man das Urtheil hinaus und hofft auf bessere Zeiten in der die „gute alte Ordnung“zurückgekehrt sein wird. Der Bourgeois Hedde, mag als Vertheidiger Springborns vielleicht auch theilweise Schuld tragen. Hedde hat nämlich eine geheime Malice auf die Rothen, und Springborn ist Rother. Ueber Ihr Blatt ist der Hedde bei Gelegenheit seiner Abschilderung in Harnisch gerathen, soll sich selbst an Jemand, der für die Neue deutsche Zeitung korrespondirt, gewandt haben, er möge doch die Angriffe des Korrespondenten der „Neuen Rheinischen“ defavouiren. Jener war aber vollkommen damit einverstanden und hat es unsers Wissens nicht gethan.
Viele nimmt es Wunder, daß Olshausen, dem sonst so viel politischer Scharfblick zugeschrieben wird, die ganze schwarz weiße Reichskriegskomödie für Ernst hält, und besonders seine Hoffnung auf die „edle“ und „ehrliche Gesinnung des Preußen-Königs“ setzt. Er nennt das von ihm redigirte Blatt die „freie Presse“ und will dabei dem Volk glauben machen, als käme die Freiheit aus dem Boudoir der Frau Sophie, Mutter des jungen Mordbrennerchefs, oder aus den Steppen Rußlands; dennn das ist die Konsequenz der edlen und ehrlichen Gesinnung. Wir rathen dem Herrn Olshausen sich doch nach dem geheimen Bündniß der drei osteuropäischen Großmächte zu erkundigen.
Aus Hadersleben wird uns von bekannter Hand mitgetheilt, daß dort 12,000 Mann Preußen zum Durchmarsch nach Jütland angesagt, und 63 dänische Kriegsgefangene eingebracht sind. Erstere Nachricht bezweifeln wir, da die preußische Regierung nicht weiter als bis an die Königsau marschiren lassen will. ‒ Im westlichen Jütland sind mehrere Vorpostengefechte vorgefallen.
Vom Kriegsschauplatz nur noch soviel, daß der Verlust auf unserer Seite sich auf 300-400 herausstellte. Eine oder einige Schwadronen dänischer Husaren sind ganz aufgerieben. Das Feuer in Kolding ist Anfangs durch die Dänen selbst verursacht worden, indem sie die Stadt von der Seeseite mit Granaten beschossen. Später aber, als die in der Stadt wohnenden Dänen die Unsrigen mit kochendem Wasser und Oel begossen, arbeitete unsere Artillerie tüchtig drauf los. Unter den Todten soll auch der Kompagniechef des 9. Bataillons, Svegansky, früher Hauptmann unter dem Freikorps, sein. Derselbe stand auch mit auf den Berliner Barrikaden, und war die Hauptstütze des Republikanismus im 9. Bataillon.
Kolding, 24. April. Unter diesem Datum schreibt man der „Börsen-Halle“:
„Es sieht hier furchtbar aus, rauchende oder in Schutt geschossene Häuser, getödtete Soldaten, Kadaver von Pferden, Alles bunt durcheinander. Das gestrige Treffen war sehr hartnäckig, und unsere Truppen, die freilich eine große Uebermacht, besonders an Artillerie, im Anfang gegen sich hatten, waren nahe daran, den Rückzug antreten zu müssen. Allein ihre ausdauernde Tapferkeit, das feste Vertrauen auf den Führer Bonin und endlich das ruhige, sichere Schießen unserer Artilleristen, siegte endlich so vollkommen, daß die Schlacht als glänzend gewonnen für uns zu betrachten ist. Die Dänen haben sich theilweise gut geschlagen; besonders ihre blauen Husaren, die aber größtentheils aufgerieben sind, haben ausgezeichneten Muth bewiesen. Ehre auch dem Feind, wenn er es verdient. Die Zahl der Gefangenen, die wir gemacht haben, ist sehr groß, denn fast das ganze 13. Bataillon streckte am Abend freiwillig die Waffen, die Offiziere wurden von unseren Dragonern gefangen. Jetzt stehen unsere Vorposten schon wieder an zwei Stunden nordwärts Kolding und haben heute schon wieder eine dänische Feldwache von 60 Mann gefangen genommen.“
Das nämliche Blatt enthält aus Kiel u. A. folgende Zeilen:„Die Schlacht bei Kolding hat hier natürlich um so größere Freude erregt, da sie allein von unserer Schleswig-holsteinischen Armee ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |