Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 296. Köln, 12. Mai 1849.

Bild:
erste Seite
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 296. Köln, Samstag, den 12. Mai. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. -- Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. -- Nur frankirte Briefe werden angenommen. -- Expedition in Aachen bei Ernst[unleserliches Material]ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zu Nro. 295 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt.

Uebersicht.

Deutschland Köln. (Vorgänge in der Artilleriekaserne. -- Beschlüsse der Landwehr- und Reservisten-Versammlung. -- Unruhen in Neuß. -- Abtritt des Reichsministeriums.) Elberfeld. (Der Aufstand. -- Der Sicherheitsausschuß.) Berlin. (Klatsch.) Posen (Verbot von Demonstrationen für die Reichsverfassung.) Breslau. (Die Ereignisse am 7. und 8 Mai) Wien. (Der Standrechtskaiser als Oberbefehlshaber.) Dresden. (Fortsetzung und Ende der Schlacht -- Die provisor. Regierung nach Freiberg.) Aus Schleswig-Holstein. (Veile von den Reichstruppen besetzt.) Frankfurt. (Aufruf der äußersten Linken. -- National-Versammlung.) Aus Franken. (Truppen nach Sachsen. -- Steigende Aufregung. -- Volksversammlung. -- Proklamation der Regierung.) Freiburg. (Der Prozeß Fickler-Bornstedt.) Mannheim. (Maßregeln gegen und für die Pfalz.) Neustadt a. d. H. (Die Volksversammlung am 6. Mai.)

Ungarn. (Oedenburg von den Ungarn besetzt.)

Polen. Krakau. (Durchmarsch der Russen.)

Italien. Depeschen über den Einfall der Oestreicher und Neapolitaner ins Römische. -- Aufstand in der Romagna.) Turin. (Romarino zum Tode verurtheilt)

Französische Republik. Paris. (Vermischtes. -- National-Versammlung.)

Deutschland.
068 Köln, 11. Mai.

Die Erhebungen des Volks in Elberfeld, Düsseldorf, Dresden und baierischen Pfalz haben unseren Kölner Militärbehörden, den tapfern Oberst Engels an der Spitze, Furcht eingejagt.

Gestern Abend wurden in der Artillerie-Kaserne an den Dominikanern folgende Vertheidigungsanstalten getroffen: Drei Geschütze, zwei Sechspfünder und eine siebenpfündige Haubitze, wurden gegen das Hauptthor gerichtet und von den Offizieren selbst in Richtung genommen. Sie waren nicht mit gewöhnlicher scharfer Munition, sondern mit einer Portion Manöver-Munition geladen, in der großmüthigen Absicht, den erwarteten Angriff zuerst mit einem Schreckschuß zu empfangen. Die Wachen waren verstärkt und alle Eingänge im Innern der Art besetzt, daß den Artilleristen selbst der Zugang zu der Pumpe abgeschnitten war. Auf dem Futterboden des Stalles stand ein Feuerwerker mit Mannschaft, um etwa angelegtes Feuer zu löschen.

Die Furcht der Herren Offiziere erstreckte sich nicht blos auf einen Angriff von Außen. Das Mißtrauen gegen die eignen Soldaten ging so weit, daß man den Geschützführern verbot an ihre Geschütze zu treten. Die Schildwachen waren auf Befehl des Hauptmanns Schelten angewiesen, Niemand heranzulassen, und nicht genug mit diesen Vorsichtsmaßregeln inspicirten noch die Offiziere zweimal mit Laternen die Zündlöcher, um sich zu überzeugen, daß die Soldaten sie nicht etwa zugenagelt hätten. Bis um 1 Uhr Nachts mußten die Truppen angekleidet auf den Zimmern, die Pferde geschirrt in den Ställen stehen.

Als Gegenstück zu diesen muthvollen Vorbereitungen theilen wir noch folgenden Vorfall vom Nachmittag aus derselben Kaserne mit. Ein Soldat, der bei seinen Kameraden allgemein als schwachsinnig bekannt ist, kam in den Hof und jammerte, daß er nach Hause gehen wolle. Ein Offizier, der vorbeiging, befahl "den Kerl auf die Erde zu schmeißen und durchzuprügeln". Der erste Theil dieser ritterlichen Ordre war bereits von ein paar Dienstbeflissenen erfüllt, als ein alter Mann, der aus einem Fenster der Nachbarschaft in den Kasernenhof sah, den Leuten zurief, daß sie sich schämen sollten, einen ihrer Kameraden auf diese Weise mißhandeln zu lassen, worauf sich die Tapferkeit der Exekutoren in Schimpfworten der gemeinsten Art gegen den unberufenen alten Zeugen richtete.

Man sieht, "Mein herrliches Kriegsheer", die geschniegelten Helden des dreißigjährigen Friedens mit dem "eingefrorenen Dünkel" in den spirituellen Gesichtern und dem Ladstock in dem hohlen Rücken, sind überall dieselben: muthvoll, arrogant, frech, wo es gilt, die Soldaten auf wehrlose Bürger zu hetzen, oder ihre Untergebenen zu prügeln, feig, mißtrauisch gegen ihre eigenen Truppen, wo sie einen wirklichen Kampf fürchten.

Den Herren Artillerie-Chefs wird es indeß nicht gelingen, trotz ihrer gestrigen Biertraktemente, die hiesigen Brigadetheile zu demoralisiren. Die Artilleristen wissen am Besten, durch wessen Sieg sie von der Fuchtel ihrer allerhöchst oktroyirten Vorgesetzten befreit werden und die eigne Wahl ihrer Offiziere zu erwarten haben.

* Köln, 10. Mai.

In einer Versammlung von Landwehrmännern und Reservisten, welche heute Abend 8 Uhr im Eiser'schen Saale stattfand, wurden folgende Beschlüsse gefaßt:

1) Wir erkennen die deutsche Reichsverfassung, wie sie von der Reichsversammlung am 28. März verkündet worden, als rechtsgültiges Gesetz an.

2) Wir stellen uns der deutschen Reichsversammlung zur Verfügung und verpflichten uns, den Beschlüssen mit allen Mitteln Geltung zu verschaffen.

3) Da das Ministerium Brandenburg-Manteuffel dem Willen des Volkes entgegen sich in offner Rebellion gegen die Nationalversammlung befindet, so werden wir einer Aufforderung desselben unter die Waffen zu treten keine Folge leisten.

Sodann beschloß die Versammlung, nachdem ihr mitgetheilt worden, daß der Kölner Gemeinderath sich abermals gegen die Reorganisation der Bürgerwehr ausgesprochen, eine Deputation an die neuerdings gewählten Chargirten der Bürgerwehr abzuordnen und diese aufzufordern, eine Sammlung von freiwilligen Beiträgen zur Beschaffung von Waffen und Munition unter der Bürgerschaft zu veranstalten.

* Köln, 11. Mai.

Wie Eisenbahn-Reisende versichern, ist Neuß selbst oder in der Umgegend, wie man aus dem fortwährenden Feuern schloß, die ganze Nacht hindurch gekämpft worden.

* Köln, 11. Mai.

Aus Frankfurt a. M. laufen diesen Morgen Gerüchte ein, denen zufolge das jetzige Reichsministerium abgetreten. Der Grund soll in drei von der Nationalversammlung gefaßten Beschlüssen liegen, welche 1. das preußische Einschreiten in Sachsen mißbilligen, 2. schleunige Maaßregeln zur Durchsetzung der Reichsverfassung verlangen und 3. auf Aenderung des Ministeriums dringen.

15 Elberfeld, 11. Mai.

Die hiesige Landwehr hat den Impuls zu einem Kampfe gegeben, der unserer, bisher mit vollem Recht als höchst reaktionär verschrieenen Stadt, alle Ehre macht. Die Elberfelder Landwehr hat mit den Waffen in der Hand bewiesen, daß sie nicht auf der Seite des Königs, sondern auf der Seite des Volkes steht. Sie hat durch ihren Enthusiasmus die ganze Bevölkerung mit sich fortgerissen. Schon am vorigen Sonntag hatte sich die für den 10. Mai einberufene Landwehr auf der sogenannten Wilhelmshöhe Rendez-vous gegeben, und sich gegenseitig verpflichtet, dieser Einberufung unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht nachzukommen. Ein in Permanenz zurückgelassener Ausschuß brachte dieses Uebereinkommen auch zur Kenntniß aller später eintreffenden Landwehrmänner, so daß man bald in dem ganzen Thale vollkommen einig war und den allenfallsigen Gewaltmaßregeln der Regierung ruhig entgegensah. Diese ließ denn auch nicht lange auf sich warten, indem am 9. Mittags eine Eskadron Ulanen von Düsseldorf und zwei Compagnien vom 16. Regiment aus Köln nebst zwei Kanonen hier einrückten.

Das Signal zu einem allgemeinen Aufstand war hierdurch gegeben; die Sturmglocken tönten, etwa vierzig Barrikaden befestigten in wenigen Stunden die wichtigsten Straßen und Bürgerwehr und Landwehr vereinigten sich, um der auf dem Marktplatz aufgestellten Soldateska die Stirn zu bieten.

Das Resultat des Kampfes ist Ihnen schon bekannt. Das Volk siegte, indem es die mit Kartätschen und Musketenkugeln angreifenden Soldaten zurück und aus der Stadt schlug. Wir erfahren seitdem, daß ein Theil der 16er sich nach Düsseldorf retirirte, und wüthend über die erlittene Niederlage an wehrlosen Menschen die abscheulichsten Grausamkeiten verübte.

Außer einigen schon bekannten Details bemerke ich Ihnen, daß das Hotel des Ministers von der Heydt zu einem Lazareth eingerichtet wurde, und daß die Schützen, in grauen Hüten und grünen Blousen, Wache davor halten. Ueber der Hausthür lies't man in großen Buchstaben "Lazareth". Das Haus des Oberbürgermeisters von Carnap wurde gänzlich zerstört. Die Kanonen der Gesellschaft "Genügsamkeit", welche sich bisher damit begnügten, mit Freudenschüssen die königlichen Geburtstage zu feiern, wurden diesmal gegen "Mein herrliches Kriegsheer" gerichtet. Die Gefangenen der Gefängnisse wurden sämmtlich in Freiheit gesetzt.

Der Bruder des Ministers von der Heydt leidet an einer solchen Geistesverwirrung, daß er eben Pulver und Blei unter die Proletarier austheilt. -- Wahrscheinlich sind diese verborgenen Kriegsvorräthe ursprünglich zu einem ganz andern Zweck angeschafft. Der Regierungspräsident von Düsseldorf ist als Geißel in den Händen des Elberfelder Volkes.

Wie bei jedem Kampfe benimmt sich das Volk wahrhaft groß und edel. Kisten mit Silbergeschirr des von Carnap liegen in den Barrikaden, und zwar ebenso sicher, wie in dem Keller des Eigenthümers.

Für weitern Kampf ist man auf's beste gerüstet. Alle Straßen sind verbarrikadirt. Die Dächer liegen voller Steine. Zahlreicher Zuzug langt aus allen umliegenden Orten an, die ganze Bevölkerung erwartet auf's Neue den Feind.

323 Elberfeld, 11. Mai.

Die verschiedenen bewaffneten Korps der Bürgerwehr haben an die Stelle des aufgelösten Gemeinderaths einen Sicherheitsausschuß niedergesetzt, welcher die folgenden Proklamationen erlassen hat:

Mitbürger!

Wir kämpfen einen heiligen Kampf, einen Kampf für die Freiheit, für die Ordnung und das Recht, deshalb bitten wir Euch Wohlhabende besonders, uns mit Geld schnell und freiwillig zu unterstützen, da ohne dieses wir nicht allein im Kampfe nothwendig unterliegen müssen, sondern wir auch dann nicht, bei dem großen Zuzug, der heute aus der Gegend kommt, dafür stehen konnen, daß nicht Frevel am Eigenthum stattfinden wird, was wir als heilig erklären. Ebenfalls bitten wir um Anmeldung für Frei-Quartier und um Zusendung von Munition.

Elberfeld, den 10. Mai 1849.

Der Sicherheitsausschuß: in der Post-Passagierstube.

Bürger!

Die Stadt ist in den Händen des Volkes. Das Volk muß jetzt zeigen, daß es ihm um wahre Freiheit zu thun ist. Darum darf nicht ein Einzelner über die Person und das Eigenthum bestimmen. Noch weniger wird das Volk Person und Eigenthum antasten. Des freien Volkes Wahlspruch sei:

Unverletzlich sei die Person!

Heilig sei das Eigenthum!

Der Sicherheitsausschuß.

Für denselben:

Körner.

Mitbürger!

Zur genauen Ermittelung der Stärke und der disponiblen Waffen haben wir es für dringend nöthig erachtet, sofort diejenigen Mannschaften, die Waffen besitzen, einzuladen, sich unverzüglich auf dem neuen Markte mit ihren Waffen, und diejenigen, die noch keine besitzen, auf dem reformirten Kirchplatze einzufinden.

Wir fordern zugleich alle unsere Mitbürger auf, die noch disponiblen Waffen an den Sicherheitsausschuß in der Postpassagierstube abzuliefern, und erwarten auch mit Bestimmtheit von denjenigen Bürgerwehrmännern, die nicht an dem Kampfe Theil nehmen, ihre Waffen gleich abzugeben, widrigenfalls Zwangsmaßregeln angewandt werden.

Elberfeld, den 10. Mai 1849.

Der Sicherheits-Ausschuß.

Die gesammte Bürgerwehr wird aufgefordert, sich um 11 Uhr mit Waffen auf dem neuen Markt zu versammeln.

Elberfeld, den 10. Mai 1849.

Der Sicherheits-Ausschuß:

Riotte. Körner.

Die verehrten Mitbürgerinnen werden gebeten, sogleich an die folgende Orte Leinwand und Charpie abzuliefern, zum Verbande unserer verwundeten Mitbürger.

Elberfeld, den 10. Mai 1849.

Dr. Fränkel. Dr. Kirchner. Körner. Riotte.

Bei den hiesigen nächstwohnenden Aerzten.

Düsseldorf, 10. Mai.

Unter den heute Morgen Ermordeten befinden sich 4 Bürger, welche einzeln und ohne Waffen am Rathhausplatz vorbeikamen, und hier von dem im Rathhaus versteckten Lieutenant Bessel hinterrücks erschossen wurden.

* Berlin, 9. Mai.

In Dresden dauert der Kampf "trotz der heldenmüthigen Truppen", trotz der Uebermacht des Militärs, trotz der Artillerie fort. Im Uebrigen bringen unsere Berichte nur noch Einzelnheiten über die Bravour des Volkes und die beispiellose Brutalität der Preußen, die fast wörtlich, das Kind im Mutterleibe nicht geschont haben. Und solchen Thaten gegenüber ist die konservative Presse frech genug, auf den Mord Lichnowsky's Auerswald's hinzuweisen! -- 400 Mann Schützen sind nach Leipzig zurückgeschickt worden, um auch dort Ordnung und Ruhe zu octroyiren.

Es ist interessant, die Haltung der Berliner Presse der sächsischen Revolution gegenüber zu beobachten. Die "Nationalzeitung" kennt nur ein Gefühl, die Furcht, verboten zu werden.

Die Buchhandlung des Herrn Löwenherz, der es gewagt hatte, Nachrichten über Sachsen, welche für die Rebellen günstig lauteten, in Extra-Blättern zu verbreiten, ist auf Wrangels Spezialbefehl geschlossen worden. Desgleichen sind dem Buchdrucker Schulze, der diese Extra-Blätter druckte, die Pressen versiegelt.

Die "demokratische" "Nationalzeitung" erzählte, der General v. Wrangel sei in Spandau von der Landwehr mit Jubel empfangen worden. Es ist dies eine positive Unwahrheit. Die dort einzukleidenden Wehrmänner haben bei der Ankunft des Diktators von Berlin theils das tiefste Stillschweigen beobachtet, theils ihrem Unwillen durch Pfeifen und Zischen Luft gemacht. -- Ueberhaupt gehen bei der Einkleidung der Landwehr ganz merkwürdige Dinge vor. So waren z. B. in Teltow eine Compagnie-Versammlung, bei der ein königl. Solotänzer sich die deutsche Kokarde abriß und nur die preußische tragen wollte. Das erregte eine ziemlich bedeutende Prügelei, welche damit endete, daß man den spezifisch-preußischen Tänzer zwang, allein hinter der Compagnie zu marschiren.

Hr. v. Manteuffel besitzt ein Gut in der Lausitz. Es wurden in der letzten Zeit die Separationen jenes Kreises zu Ende geführt, und dabei der Besitzer des Gutes auf eine unerhörte Weise zum Schaden der Bauern begünstigt. Das Landvolk jener Gegend gehörte bis jetzt entschieden der konservativen Partei an, hat aber durch diese Uebervortheilungen einen gründlichen Haß gegen Hrn. v. Manteuffel, sein Ministerium und sein ganzes System gefaßt.

Es wird uns so eben ein Privatbrief aus Breslau zur Einsicht gebracht, aus dem wir entnehmen, daß das Volk dort mit großer Tapferkeit gekämpft und mehr als 60 Todte verloren hat. Auch der Verlust des Militärs soll sehr beträchtlich sein; an der Börse sprach man von 5 getödteten Offizieren und 40 Gemeinen. Der Brief wurde gestern Nachmittag um 4 Uhr abgeschickt, auf seiner Rückseite war mit Bleistift in aller Eile geschrieben: "So eben hört man von der Ohlauer Vorstadt wieder Kanonendonner."

Der directe Dresdener Zug ist heute Mittag nicht angekommen. Es wurde telegraphirt, daß er nicht kommen könne.

Hr. v. Wrangel hat neulich in einer großen Gesellschaft ein so offenes Bekenntniß gemacht, daß wir glauben, es zu Protokoll nehmen zu müssen. Er meinte nämlich, man könne dem Könige nur dankbar sein, daß er die Kaiserkrone nicht angenommen habe. In diesem Falle hätte das jetzige liberale System fortgeführt werden müssen und es sei ihre Aufgabe, das alte absolute System bis auf den Namen wieder herzustellen.

Einem Privatbriefe aus Leipzig vom 8. Mai, entnehmen wir: "Es war Unsinn, daß sich die Dresdener auf das Militär verließen. Die Kerle waren hungrig wie die Wölfe, als sie zum Volke übertraten, und nachdem sie sich satt gegessen, begingen sie die Infamie, wieder in die Reihen der Soldaten einzutreten." (Sehr liebenswürdige Dankbarkeit.) "Der Stadtrath von Chemnitz hat gestern Mittag wieder Allarm schlagen lassen und erklärt, daß jeder Mann von 18-40 Jahren nach Dresden muß, wer nicht kann, zahlt 20 Rthlr. für einen Ersatzmann." ..... "Das Volk in Dresden hat ausgezeichnete Scharfschützen, die hauptsächlich die Offiziere auf's Korn nehmen." ..... "Die provisorische Regierung (steckbrieflich verfolgt) wird, wie man glaubt, wenn Dresden fallen sollte, nach Chemnitz gehen und einen förmlichen Guerillakrieg durch Sachsen fortsetzen."

Posen, 6. Mai.

Die Zeitungen und die Straßenecken brachten heute den Aufruf drr "Vertrauensmänner der deutschen Verbrüderung" zu einer Volksversammlung im Wedel'schen Garten behufs Anerkennung der Reichsverfassung durch eine feierliche Erklärung. Um halb zwei Uhr wurde unter Trommelschlag das Verbot der ausgeschriebenen Volksversammlung bekannt gemacht. Die betreffende Bekanntmachung, die leider noch nicht durch den Druck veröffentlicht worden, ist von dem kommandirenden General Brünneck

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 296. Köln, Samstag, den 12. Mai. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst[unleserliches Material]ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zu Nro. 295 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt.

Uebersicht.

Deutschland Köln. (Vorgänge in der Artilleriekaserne. — Beschlüsse der Landwehr- und Reservisten-Versammlung. — Unruhen in Neuß. — Abtritt des Reichsministeriums.) Elberfeld. (Der Aufstand. — Der Sicherheitsausschuß.) Berlin. (Klatsch.) Posen (Verbot von Demonstrationen für die Reichsverfassung.) Breslau. (Die Ereignisse am 7. und 8 Mai) Wien. (Der Standrechtskaiser als Oberbefehlshaber.) Dresden. (Fortsetzung und Ende der Schlacht — Die provisor. Regierung nach Freiberg.) Aus Schleswig-Holstein. (Veile von den Reichstruppen besetzt.) Frankfurt. (Aufruf der äußersten Linken. — National-Versammlung.) Aus Franken. (Truppen nach Sachsen. — Steigende Aufregung. — Volksversammlung. — Proklamation der Regierung.) Freiburg. (Der Prozeß Fickler-Bornstedt.) Mannheim. (Maßregeln gegen und für die Pfalz.) Neustadt a. d. H. (Die Volksversammlung am 6. Mai.)

Ungarn. (Oedenburg von den Ungarn besetzt.)

Polen. Krakau. (Durchmarsch der Russen.)

Italien. Depeschen über den Einfall der Oestreicher und Neapolitaner ins Römische. — Aufstand in der Romagna.) Turin. (Romarino zum Tode verurtheilt)

Französische Republik. Paris. (Vermischtes. — National-Versammlung.)

Deutschland.
068 Köln, 11. Mai.

Die Erhebungen des Volks in Elberfeld, Düsseldorf, Dresden und baierischen Pfalz haben unseren Kölner Militärbehörden, den tapfern Oberst Engels an der Spitze, Furcht eingejagt.

Gestern Abend wurden in der Artillerie-Kaserne an den Dominikanern folgende Vertheidigungsanstalten getroffen: Drei Geschütze, zwei Sechspfünder und eine siebenpfündige Haubitze, wurden gegen das Hauptthor gerichtet und von den Offizieren selbst in Richtung genommen. Sie waren nicht mit gewöhnlicher scharfer Munition, sondern mit einer Portion Manöver-Munition geladen, in der großmüthigen Absicht, den erwarteten Angriff zuerst mit einem Schreckschuß zu empfangen. Die Wachen waren verstärkt und alle Eingänge im Innern der Art besetzt, daß den Artilleristen selbst der Zugang zu der Pumpe abgeschnitten war. Auf dem Futterboden des Stalles stand ein Feuerwerker mit Mannschaft, um etwa angelegtes Feuer zu löschen.

Die Furcht der Herren Offiziere erstreckte sich nicht blos auf einen Angriff von Außen. Das Mißtrauen gegen die eignen Soldaten ging so weit, daß man den Geschützführern verbot an ihre Geschütze zu treten. Die Schildwachen waren auf Befehl des Hauptmanns Schelten angewiesen, Niemand heranzulassen, und nicht genug mit diesen Vorsichtsmaßregeln inspicirten noch die Offiziere zweimal mit Laternen die Zündlöcher, um sich zu überzeugen, daß die Soldaten sie nicht etwa zugenagelt hätten. Bis um 1 Uhr Nachts mußten die Truppen angekleidet auf den Zimmern, die Pferde geschirrt in den Ställen stehen.

Als Gegenstück zu diesen muthvollen Vorbereitungen theilen wir noch folgenden Vorfall vom Nachmittag aus derselben Kaserne mit. Ein Soldat, der bei seinen Kameraden allgemein als schwachsinnig bekannt ist, kam in den Hof und jammerte, daß er nach Hause gehen wolle. Ein Offizier, der vorbeiging, befahl „den Kerl auf die Erde zu schmeißen und durchzuprügeln“. Der erste Theil dieser ritterlichen Ordre war bereits von ein paar Dienstbeflissenen erfüllt, als ein alter Mann, der aus einem Fenster der Nachbarschaft in den Kasernenhof sah, den Leuten zurief, daß sie sich schämen sollten, einen ihrer Kameraden auf diese Weise mißhandeln zu lassen, worauf sich die Tapferkeit der Exekutoren in Schimpfworten der gemeinsten Art gegen den unberufenen alten Zeugen richtete.

Man sieht, „Mein herrliches Kriegsheer“, die geschniegelten Helden des dreißigjährigen Friedens mit dem „eingefrorenen Dünkel“ in den spirituellen Gesichtern und dem Ladstock in dem hohlen Rücken, sind überall dieselben: muthvoll, arrogant, frech, wo es gilt, die Soldaten auf wehrlose Bürger zu hetzen, oder ihre Untergebenen zu prügeln, feig, mißtrauisch gegen ihre eigenen Truppen, wo sie einen wirklichen Kampf fürchten.

Den Herren Artillerie-Chefs wird es indeß nicht gelingen, trotz ihrer gestrigen Biertraktemente, die hiesigen Brigadetheile zu demoralisiren. Die Artilleristen wissen am Besten, durch wessen Sieg sie von der Fuchtel ihrer allerhöchst oktroyirten Vorgesetzten befreit werden und die eigne Wahl ihrer Offiziere zu erwarten haben.

* Köln, 10. Mai.

In einer Versammlung von Landwehrmännern und Reservisten, welche heute Abend 8 Uhr im Eiser'schen Saale stattfand, wurden folgende Beschlüsse gefaßt:

1) Wir erkennen die deutsche Reichsverfassung, wie sie von der Reichsversammlung am 28. März verkündet worden, als rechtsgültiges Gesetz an.

2) Wir stellen uns der deutschen Reichsversammlung zur Verfügung und verpflichten uns, den Beschlüssen mit allen Mitteln Geltung zu verschaffen.

3) Da das Ministerium Brandenburg-Manteuffel dem Willen des Volkes entgegen sich in offner Rebellion gegen die Nationalversammlung befindet, so werden wir einer Aufforderung desselben unter die Waffen zu treten keine Folge leisten.

Sodann beschloß die Versammlung, nachdem ihr mitgetheilt worden, daß der Kölner Gemeinderath sich abermals gegen die Reorganisation der Bürgerwehr ausgesprochen, eine Deputation an die neuerdings gewählten Chargirten der Bürgerwehr abzuordnen und diese aufzufordern, eine Sammlung von freiwilligen Beiträgen zur Beschaffung von Waffen und Munition unter der Bürgerschaft zu veranstalten.

* Köln, 11. Mai.

Wie Eisenbahn-Reisende versichern, ist Neuß selbst oder in der Umgegend, wie man aus dem fortwährenden Feuern schloß, die ganze Nacht hindurch gekämpft worden.

* Köln, 11. Mai.

Aus Frankfurt a. M. laufen diesen Morgen Gerüchte ein, denen zufolge das jetzige Reichsministerium abgetreten. Der Grund soll in drei von der Nationalversammlung gefaßten Beschlüssen liegen, welche 1. das preußische Einschreiten in Sachsen mißbilligen, 2. schleunige Maaßregeln zur Durchsetzung der Reichsverfassung verlangen und 3. auf Aenderung des Ministeriums dringen.

15 Elberfeld, 11. Mai.

Die hiesige Landwehr hat den Impuls zu einem Kampfe gegeben, der unserer, bisher mit vollem Recht als höchst reaktionär verschrieenen Stadt, alle Ehre macht. Die Elberfelder Landwehr hat mit den Waffen in der Hand bewiesen, daß sie nicht auf der Seite des Königs, sondern auf der Seite des Volkes steht. Sie hat durch ihren Enthusiasmus die ganze Bevölkerung mit sich fortgerissen. Schon am vorigen Sonntag hatte sich die für den 10. Mai einberufene Landwehr auf der sogenannten Wilhelmshöhe Rendez-vous gegeben, und sich gegenseitig verpflichtet, dieser Einberufung unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht nachzukommen. Ein in Permanenz zurückgelassener Ausschuß brachte dieses Uebereinkommen auch zur Kenntniß aller später eintreffenden Landwehrmänner, so daß man bald in dem ganzen Thale vollkommen einig war und den allenfallsigen Gewaltmaßregeln der Regierung ruhig entgegensah. Diese ließ denn auch nicht lange auf sich warten, indem am 9. Mittags eine Eskadron Ulanen von Düsseldorf und zwei Compagnien vom 16. Regiment aus Köln nebst zwei Kanonen hier einrückten.

Das Signal zu einem allgemeinen Aufstand war hierdurch gegeben; die Sturmglocken tönten, etwa vierzig Barrikaden befestigten in wenigen Stunden die wichtigsten Straßen und Bürgerwehr und Landwehr vereinigten sich, um der auf dem Marktplatz aufgestellten Soldateska die Stirn zu bieten.

Das Resultat des Kampfes ist Ihnen schon bekannt. Das Volk siegte, indem es die mit Kartätschen und Musketenkugeln angreifenden Soldaten zurück und aus der Stadt schlug. Wir erfahren seitdem, daß ein Theil der 16er sich nach Düsseldorf retirirte, und wüthend über die erlittene Niederlage an wehrlosen Menschen die abscheulichsten Grausamkeiten verübte.

Außer einigen schon bekannten Details bemerke ich Ihnen, daß das Hotel des Ministers von der Heydt zu einem Lazareth eingerichtet wurde, und daß die Schützen, in grauen Hüten und grünen Blousen, Wache davor halten. Ueber der Hausthür lies't man in großen Buchstaben „Lazareth“. Das Haus des Oberbürgermeisters von Carnap wurde gänzlich zerstört. Die Kanonen der Gesellschaft „Genügsamkeit“, welche sich bisher damit begnügten, mit Freudenschüssen die königlichen Geburtstage zu feiern, wurden diesmal gegen „Mein herrliches Kriegsheer“ gerichtet. Die Gefangenen der Gefängnisse wurden sämmtlich in Freiheit gesetzt.

Der Bruder des Ministers von der Heydt leidet an einer solchen Geistesverwirrung, daß er eben Pulver und Blei unter die Proletarier austheilt. — Wahrscheinlich sind diese verborgenen Kriegsvorräthe ursprünglich zu einem ganz andern Zweck angeschafft. Der Regierungspräsident von Düsseldorf ist als Geißel in den Händen des Elberfelder Volkes.

Wie bei jedem Kampfe benimmt sich das Volk wahrhaft groß und edel. Kisten mit Silbergeschirr des von Carnap liegen in den Barrikaden, und zwar ebenso sicher, wie in dem Keller des Eigenthümers.

Für weitern Kampf ist man auf's beste gerüstet. Alle Straßen sind verbarrikadirt. Die Dächer liegen voller Steine. Zahlreicher Zuzug langt aus allen umliegenden Orten an, die ganze Bevölkerung erwartet auf's Neue den Feind.

323 Elberfeld, 11. Mai.

Die verschiedenen bewaffneten Korps der Bürgerwehr haben an die Stelle des aufgelösten Gemeinderaths einen Sicherheitsausschuß niedergesetzt, welcher die folgenden Proklamationen erlassen hat:

Mitbürger!

Wir kämpfen einen heiligen Kampf, einen Kampf für die Freiheit, für die Ordnung und das Recht, deshalb bitten wir Euch Wohlhabende besonders, uns mit Geld schnell und freiwillig zu unterstützen, da ohne dieses wir nicht allein im Kampfe nothwendig unterliegen müssen, sondern wir auch dann nicht, bei dem großen Zuzug, der heute aus der Gegend kommt, dafür stehen konnen, daß nicht Frevel am Eigenthum stattfinden wird, was wir als heilig erklären. Ebenfalls bitten wir um Anmeldung für Frei-Quartier und um Zusendung von Munition.

Elberfeld, den 10. Mai 1849.

Der Sicherheitsausschuß: in der Post-Passagierstube.

Bürger!

Die Stadt ist in den Händen des Volkes. Das Volk muß jetzt zeigen, daß es ihm um wahre Freiheit zu thun ist. Darum darf nicht ein Einzelner über die Person und das Eigenthum bestimmen. Noch weniger wird das Volk Person und Eigenthum antasten. Des freien Volkes Wahlspruch sei:

Unverletzlich sei die Person!

Heilig sei das Eigenthum!

Der Sicherheitsausschuß.

Für denselben:

Körner.

Mitbürger!

Zur genauen Ermittelung der Stärke und der disponiblen Waffen haben wir es für dringend nöthig erachtet, sofort diejenigen Mannschaften, die Waffen besitzen, einzuladen, sich unverzüglich auf dem neuen Markte mit ihren Waffen, und diejenigen, die noch keine besitzen, auf dem reformirten Kirchplatze einzufinden.

Wir fordern zugleich alle unsere Mitbürger auf, die noch disponiblen Waffen an den Sicherheitsausschuß in der Postpassagierstube abzuliefern, und erwarten auch mit Bestimmtheit von denjenigen Bürgerwehrmännern, die nicht an dem Kampfe Theil nehmen, ihre Waffen gleich abzugeben, widrigenfalls Zwangsmaßregeln angewandt werden.

Elberfeld, den 10. Mai 1849.

Der Sicherheits-Ausschuß.

Die gesammte Bürgerwehr wird aufgefordert, sich um 11 Uhr mit Waffen auf dem neuen Markt zu versammeln.

Elberfeld, den 10. Mai 1849.

Der Sicherheits-Ausschuß:

Riotte. Körner.

Die verehrten Mitbürgerinnen werden gebeten, sogleich an die folgende Orte Leinwand und Charpie abzuliefern, zum Verbande unserer verwundeten Mitbürger.

Elberfeld, den 10. Mai 1849.

Dr. Fränkel. Dr. Kirchner. Körner. Riotte.

Bei den hiesigen nächstwohnenden Aerzten.

Düsseldorf, 10. Mai.

Unter den heute Morgen Ermordeten befinden sich 4 Bürger, welche einzeln und ohne Waffen am Rathhausplatz vorbeikamen, und hier von dem im Rathhaus versteckten Lieutenant Bessel hinterrücks erschossen wurden.

* Berlin, 9. Mai.

In Dresden dauert der Kampf „trotz der heldenmüthigen Truppen“, trotz der Uebermacht des Militärs, trotz der Artillerie fort. Im Uebrigen bringen unsere Berichte nur noch Einzelnheiten über die Bravour des Volkes und die beispiellose Brutalität der Preußen, die fast wörtlich, das Kind im Mutterleibe nicht geschont haben. Und solchen Thaten gegenüber ist die konservative Presse frech genug, auf den Mord Lichnowsky's Auerswald's hinzuweisen! — 400 Mann Schützen sind nach Leipzig zurückgeschickt worden, um auch dort Ordnung und Ruhe zu octroyiren.

Es ist interessant, die Haltung der Berliner Presse der sächsischen Revolution gegenüber zu beobachten. Die „Nationalzeitung“ kennt nur ein Gefühl, die Furcht, verboten zu werden.

Die Buchhandlung des Herrn Löwenherz, der es gewagt hatte, Nachrichten über Sachsen, welche für die Rebellen günstig lauteten, in Extra-Blättern zu verbreiten, ist auf Wrangels Spezialbefehl geschlossen worden. Desgleichen sind dem Buchdrucker Schulze, der diese Extra-Blätter druckte, die Pressen versiegelt.

Die „demokratische“ „Nationalzeitung“ erzählte, der General v. Wrangel sei in Spandau von der Landwehr mit Jubel empfangen worden. Es ist dies eine positive Unwahrheit. Die dort einzukleidenden Wehrmänner haben bei der Ankunft des Diktators von Berlin theils das tiefste Stillschweigen beobachtet, theils ihrem Unwillen durch Pfeifen und Zischen Luft gemacht. — Ueberhaupt gehen bei der Einkleidung der Landwehr ganz merkwürdige Dinge vor. So waren z. B. in Teltow eine Compagnie-Versammlung, bei der ein königl. Solotänzer sich die deutsche Kokarde abriß und nur die preußische tragen wollte. Das erregte eine ziemlich bedeutende Prügelei, welche damit endete, daß man den spezifisch-preußischen Tänzer zwang, allein hinter der Compagnie zu marschiren.

Hr. v. Manteuffel besitzt ein Gut in der Lausitz. Es wurden in der letzten Zeit die Separationen jenes Kreises zu Ende geführt, und dabei der Besitzer des Gutes auf eine unerhörte Weise zum Schaden der Bauern begünstigt. Das Landvolk jener Gegend gehörte bis jetzt entschieden der konservativen Partei an, hat aber durch diese Uebervortheilungen einen gründlichen Haß gegen Hrn. v. Manteuffel, sein Ministerium und sein ganzes System gefaßt.

Es wird uns so eben ein Privatbrief aus Breslau zur Einsicht gebracht, aus dem wir entnehmen, daß das Volk dort mit großer Tapferkeit gekämpft und mehr als 60 Todte verloren hat. Auch der Verlust des Militärs soll sehr beträchtlich sein; an der Börse sprach man von 5 getödteten Offizieren und 40 Gemeinen. Der Brief wurde gestern Nachmittag um 4 Uhr abgeschickt, auf seiner Rückseite war mit Bleistift in aller Eile geschrieben: „So eben hört man von der Ohlauer Vorstadt wieder Kanonendonner.“

Der directe Dresdener Zug ist heute Mittag nicht angekommen. Es wurde telegraphirt, daß er nicht kommen könne.

Hr. v. Wrangel hat neulich in einer großen Gesellschaft ein so offenes Bekenntniß gemacht, daß wir glauben, es zu Protokoll nehmen zu müssen. Er meinte nämlich, man könne dem Könige nur dankbar sein, daß er die Kaiserkrone nicht angenommen habe. In diesem Falle hätte das jetzige liberale System fortgeführt werden müssen und es sei ihre Aufgabe, das alte absolute System bis auf den Namen wieder herzustellen.

Einem Privatbriefe aus Leipzig vom 8. Mai, entnehmen wir: „Es war Unsinn, daß sich die Dresdener auf das Militär verließen. Die Kerle waren hungrig wie die Wölfe, als sie zum Volke übertraten, und nachdem sie sich satt gegessen, begingen sie die Infamie, wieder in die Reihen der Soldaten einzutreten.“ (Sehr liebenswürdige Dankbarkeit.) „Der Stadtrath von Chemnitz hat gestern Mittag wieder Allarm schlagen lassen und erklärt, daß jeder Mann von 18-40 Jahren nach Dresden muß, wer nicht kann, zahlt 20 Rthlr. für einen Ersatzmann.“ ‥… „Das Volk in Dresden hat ausgezeichnete Scharfschützen, die hauptsächlich die Offiziere auf's Korn nehmen.“ ‥… „Die provisorische Regierung (steckbrieflich verfolgt) wird, wie man glaubt, wenn Dresden fallen sollte, nach Chemnitz gehen und einen förmlichen Guerillakrieg durch Sachsen fortsetzen.“

Posen, 6. Mai.

Die Zeitungen und die Straßenecken brachten heute den Aufruf drr „Vertrauensmänner der deutschen Verbrüderung“ zu einer Volksversammlung im Wedel'schen Garten behufs Anerkennung der Reichsverfassung durch eine feierliche Erklärung. Um halb zwei Uhr wurde unter Trommelschlag das Verbot der ausgeschriebenen Volksversammlung bekannt gemacht. Die betreffende Bekanntmachung, die leider noch nicht durch den Druck veröffentlicht worden, ist von dem kommandirenden General Brünneck

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0001" n="1679"/>
    <front>
      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>No 296. Köln, Samstag, den 12. Mai. 1849.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <div type="jExpedition">
        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2014; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. &#x2014; Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. &#x2014; Nur frankirte Briefe werden angenommen. &#x2014; Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst<gap reason="illegible"/>ter Meer</hi>; in Düsseldorf bei F. W. <hi rendition="#g">Schmitz</hi>, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
      </div>
      <div n="1">
        <p>Zu Nro. 295 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt.</p>
      </div>
      <div type="contents" n="1">
        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi> Köln. (Vorgänge in der Artilleriekaserne. &#x2014; Beschlüsse der Landwehr- und Reservisten-Versammlung. &#x2014; Unruhen in Neuß. &#x2014; Abtritt des Reichsministeriums.) Elberfeld. (Der Aufstand. &#x2014; Der Sicherheitsausschuß.) Berlin. (Klatsch.) Posen (Verbot von Demonstrationen für die Reichsverfassung.) Breslau. (Die Ereignisse am 7. und 8 Mai) Wien. (Der Standrechtskaiser als Oberbefehlshaber.) Dresden. (Fortsetzung und Ende der Schlacht &#x2014; Die provisor. Regierung nach Freiberg.) Aus Schleswig-Holstein. (Veile von den Reichstruppen besetzt.) Frankfurt. (Aufruf der äußersten Linken. &#x2014; National-Versammlung.) Aus Franken. (Truppen nach Sachsen. &#x2014; Steigende Aufregung. &#x2014; Volksversammlung. &#x2014; Proklamation der Regierung.) Freiburg. (Der Prozeß Fickler-Bornstedt.) Mannheim. (Maßregeln gegen und für die Pfalz.) Neustadt a. d. H. (Die Volksversammlung am 6. Mai.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn</hi>. (Oedenburg von den Ungarn besetzt.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Polen</hi>. Krakau. (Durchmarsch der Russen.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. Depeschen über den Einfall der Oestreicher und Neapolitaner ins Römische. &#x2014; Aufstand in der Romagna.) Turin. (Romarino zum Tode verurtheilt)</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris. (Vermischtes. &#x2014; National-Versammlung.)</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar296_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 11. Mai.</head>
          <p>Die Erhebungen des Volks in Elberfeld, Düsseldorf, Dresden und baierischen Pfalz haben unseren Kölner Militärbehörden, den tapfern Oberst Engels an der Spitze, <hi rendition="#g">Furcht eingejagt</hi>.</p>
          <p>Gestern Abend wurden in der Artillerie-Kaserne an den Dominikanern folgende Vertheidigungsanstalten getroffen: Drei Geschütze, zwei Sechspfünder und eine siebenpfündige Haubitze, wurden gegen das Hauptthor gerichtet und von den Offizieren selbst in Richtung genommen. Sie waren nicht mit gewöhnlicher scharfer Munition, sondern mit einer Portion Manöver-Munition geladen, in der großmüthigen Absicht, den erwarteten Angriff zuerst mit einem Schreckschuß zu empfangen. Die Wachen waren verstärkt und alle Eingänge im Innern der Art besetzt, daß den Artilleristen selbst der Zugang zu der Pumpe abgeschnitten war. Auf dem Futterboden des Stalles stand ein Feuerwerker mit Mannschaft, <hi rendition="#g">um etwa angelegtes Feuer zu löschen</hi>.</p>
          <p>Die Furcht der Herren Offiziere erstreckte sich nicht blos auf einen Angriff <hi rendition="#g">von Außen</hi>. Das Mißtrauen gegen die eignen Soldaten ging so weit, daß man den Geschützführern verbot an ihre Geschütze zu treten. Die Schildwachen waren auf Befehl des Hauptmanns Schelten angewiesen, Niemand heranzulassen, und nicht genug mit diesen Vorsichtsmaßregeln inspicirten noch die Offiziere zweimal mit Laternen die Zündlöcher, um sich zu überzeugen, daß die Soldaten sie nicht etwa zugenagelt hätten. Bis um 1 Uhr Nachts mußten die Truppen angekleidet auf den Zimmern, die Pferde geschirrt in den Ställen stehen.</p>
          <p>Als Gegenstück zu diesen muthvollen Vorbereitungen theilen wir noch folgenden Vorfall vom Nachmittag aus derselben Kaserne mit. Ein Soldat, der bei seinen Kameraden allgemein als schwachsinnig bekannt ist, kam in den Hof und jammerte, daß er nach Hause gehen wolle. Ein Offizier, der vorbeiging, befahl &#x201E;den Kerl auf die Erde zu schmeißen und durchzuprügeln&#x201C;. Der erste Theil dieser ritterlichen Ordre war bereits von ein paar Dienstbeflissenen erfüllt, als ein alter Mann, der aus einem Fenster der Nachbarschaft in den Kasernenhof sah, den Leuten zurief, daß sie sich schämen sollten, einen ihrer Kameraden auf diese Weise mißhandeln zu lassen, worauf sich die Tapferkeit der Exekutoren in Schimpfworten der gemeinsten Art gegen den unberufenen alten Zeugen richtete.</p>
          <p>Man sieht, &#x201E;Mein herrliches Kriegsheer&#x201C;, die geschniegelten Helden des dreißigjährigen Friedens mit dem &#x201E;eingefrorenen Dünkel&#x201C; in den spirituellen Gesichtern und dem Ladstock in dem hohlen Rücken, sind überall dieselben: muthvoll, arrogant, frech, wo es gilt, die Soldaten auf wehrlose Bürger zu hetzen, oder ihre Untergebenen zu prügeln, feig, mißtrauisch gegen ihre eigenen Truppen, wo sie einen wirklichen Kampf fürchten.</p>
          <p>Den Herren Artillerie-Chefs wird es indeß nicht gelingen, trotz ihrer gestrigen Biertraktemente, die hiesigen Brigadetheile zu demoralisiren. Die Artilleristen wissen am Besten, durch wessen Sieg sie von der Fuchtel ihrer allerhöchst oktroyirten Vorgesetzten befreit werden und die <hi rendition="#g">eigne Wahl ihrer Offiziere</hi> zu erwarten haben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar296_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 10. Mai.</head>
          <p>In einer Versammlung von Landwehrmännern und Reservisten, welche heute Abend 8 Uhr im Eiser'schen Saale stattfand, wurden folgende Beschlüsse gefaßt:</p>
          <p>1) Wir erkennen die deutsche Reichsverfassung, wie sie von der Reichsversammlung am 28. März verkündet worden, als rechtsgültiges Gesetz an.</p>
          <p>2) Wir stellen uns der deutschen Reichsversammlung zur Verfügung und verpflichten uns, den Beschlüssen mit allen Mitteln Geltung zu verschaffen.</p>
          <p>3) Da das Ministerium Brandenburg-Manteuffel dem Willen des Volkes entgegen sich in offner Rebellion gegen die Nationalversammlung befindet, so werden wir einer Aufforderung desselben unter die Waffen zu treten keine Folge leisten.</p>
          <p>Sodann beschloß die Versammlung, nachdem ihr mitgetheilt worden, daß der Kölner Gemeinderath sich abermals gegen die Reorganisation der Bürgerwehr ausgesprochen, eine Deputation an die neuerdings gewählten Chargirten der Bürgerwehr abzuordnen und diese aufzufordern, eine Sammlung von freiwilligen Beiträgen zur Beschaffung von Waffen und Munition unter der Bürgerschaft zu veranstalten.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar296_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 11. Mai.</head>
          <p>Wie Eisenbahn-Reisende versichern, ist <hi rendition="#b">Neuß</hi> selbst oder in der Umgegend, wie man aus dem fortwährenden Feuern schloß, die ganze Nacht hindurch gekämpft worden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar296_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 11. Mai.</head>
          <p>Aus Frankfurt a. M. laufen diesen Morgen Gerüchte ein, denen zufolge das jetzige Reichsministerium abgetreten. Der Grund soll in drei von der Nationalversammlung gefaßten Beschlüssen liegen, welche 1. das preußische Einschreiten in Sachsen mißbilligen, 2. schleunige Maaßregeln zur Durchsetzung der Reichsverfassung verlangen und 3. auf Aenderung des Ministeriums dringen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar296_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Elberfeld, 11. Mai.</head>
          <p>Die hiesige Landwehr hat den Impuls zu einem Kampfe gegeben, der unserer, bisher mit vollem Recht als höchst reaktionär verschrieenen Stadt, alle Ehre macht. Die Elberfelder Landwehr hat mit den Waffen in der Hand bewiesen, daß sie nicht auf der Seite des Königs, sondern auf der Seite des Volkes steht. Sie hat durch ihren Enthusiasmus die ganze Bevölkerung mit sich fortgerissen. Schon am vorigen Sonntag hatte sich die für den 10. Mai einberufene Landwehr auf der sogenannten Wilhelmshöhe Rendez-vous gegeben, und sich gegenseitig verpflichtet, dieser Einberufung unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht nachzukommen. Ein in Permanenz zurückgelassener Ausschuß brachte dieses Uebereinkommen auch zur Kenntniß aller später eintreffenden Landwehrmänner, so daß man bald in dem ganzen Thale vollkommen einig war und den allenfallsigen Gewaltmaßregeln der Regierung ruhig entgegensah. Diese ließ denn auch nicht lange auf sich warten, indem am 9. Mittags eine Eskadron Ulanen von Düsseldorf und zwei Compagnien vom 16. Regiment aus Köln nebst zwei Kanonen hier einrückten.</p>
          <p>Das Signal zu einem allgemeinen Aufstand war hierdurch gegeben; die Sturmglocken tönten, etwa vierzig Barrikaden befestigten in wenigen Stunden die wichtigsten Straßen und Bürgerwehr und Landwehr vereinigten sich, um der auf dem Marktplatz aufgestellten Soldateska die Stirn zu bieten.</p>
          <p>Das Resultat des Kampfes ist Ihnen schon bekannt. Das Volk siegte, indem es die mit Kartätschen und Musketenkugeln angreifenden Soldaten zurück und aus der Stadt schlug. Wir erfahren seitdem, daß ein Theil der 16er sich nach Düsseldorf retirirte, und wüthend über die erlittene Niederlage an wehrlosen Menschen die abscheulichsten Grausamkeiten verübte.</p>
          <p>Außer einigen schon bekannten Details bemerke ich Ihnen, daß das Hotel des Ministers von der Heydt zu einem Lazareth eingerichtet wurde, und daß die Schützen, in grauen Hüten und grünen Blousen, Wache davor halten. Ueber der Hausthür lies't man in großen Buchstaben &#x201E;Lazareth&#x201C;. Das Haus des Oberbürgermeisters von Carnap wurde gänzlich zerstört. Die Kanonen der Gesellschaft &#x201E;Genügsamkeit&#x201C;, welche sich bisher damit begnügten, mit Freudenschüssen die königlichen Geburtstage zu feiern, wurden diesmal gegen &#x201E;Mein herrliches Kriegsheer&#x201C; gerichtet. Die Gefangenen der Gefängnisse wurden sämmtlich in Freiheit gesetzt.</p>
          <p>Der Bruder des Ministers von der Heydt leidet an einer solchen Geistesverwirrung, daß er eben Pulver und Blei unter die Proletarier austheilt. &#x2014; Wahrscheinlich sind diese verborgenen Kriegsvorräthe ursprünglich zu einem ganz andern Zweck angeschafft. Der Regierungspräsident von Düsseldorf ist als Geißel in den Händen des Elberfelder Volkes.</p>
          <p>Wie bei jedem Kampfe benimmt sich das Volk wahrhaft groß und edel. Kisten mit Silbergeschirr des von Carnap liegen in den Barrikaden, und zwar ebenso sicher, wie in dem Keller des Eigenthümers.</p>
          <p>Für weitern Kampf ist man auf's beste gerüstet. Alle Straßen sind verbarrikadirt. Die Dächer liegen voller Steine. Zahlreicher Zuzug langt aus allen umliegenden Orten an, die ganze Bevölkerung erwartet auf's Neue den Feind.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar296_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>323</author></bibl> Elberfeld, 11. Mai.</head>
          <p>Die verschiedenen bewaffneten Korps der Bürgerwehr haben an die Stelle des aufgelösten Gemeinderaths einen Sicherheitsausschuß niedergesetzt, welcher die folgenden Proklamationen erlassen hat:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Mitbürger!</hi> </p>
          <p>Wir kämpfen einen heiligen Kampf, einen Kampf für die Freiheit, für die Ordnung und das Recht, deshalb bitten wir Euch Wohlhabende besonders, uns mit Geld schnell und freiwillig zu unterstützen, da ohne dieses wir nicht allein im Kampfe nothwendig unterliegen müssen, sondern wir auch dann nicht, bei dem großen Zuzug, der heute aus der Gegend kommt, dafür stehen konnen, daß nicht Frevel am Eigenthum stattfinden wird, was wir als heilig erklären. Ebenfalls bitten wir um Anmeldung für Frei-Quartier und um Zusendung von Munition.</p>
          <p>Elberfeld, den 10. Mai 1849.</p>
          <p>Der Sicherheitsausschuß: in der Post-Passagierstube.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Bürger!</hi> </p>
          <p>Die Stadt ist in den Händen des Volkes. Das Volk muß jetzt zeigen, daß es ihm um wahre Freiheit zu thun ist. Darum darf nicht ein Einzelner über die Person und das Eigenthum bestimmen. Noch weniger wird das Volk Person und Eigenthum antasten. Des freien Volkes Wahlspruch sei:</p>
          <p> <hi rendition="#b">Unverletzlich sei die Person!</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#b">Heilig sei das Eigenthum!</hi> </p>
          <p>Der Sicherheitsausschuß.</p>
          <p>Für denselben:</p>
          <p> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Körner</hi>.</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#g">Mitbürger!</hi> </p>
          <p>Zur genauen Ermittelung der Stärke und der disponiblen Waffen haben wir es für <hi rendition="#g">dringend</hi> nöthig erachtet, sofort diejenigen Mannschaften, die Waffen besitzen, einzuladen, sich <hi rendition="#g">unverzüglich</hi> auf dem neuen Markte mit ihren Waffen, und diejenigen, die noch keine besitzen, auf dem reformirten Kirchplatze einzufinden.</p>
          <p>Wir fordern zugleich alle unsere Mitbürger auf, die noch disponiblen Waffen an den Sicherheitsausschuß <hi rendition="#g">in der Postpassagierstube</hi> abzuliefern, und erwarten auch mit <hi rendition="#g">Bestimmtheit</hi> von denjenigen Bürgerwehrmännern, die nicht an dem Kampfe Theil nehmen, ihre Waffen <hi rendition="#g">gleich</hi> abzugeben, widrigenfalls Zwangsmaßregeln angewandt werden.</p>
          <p>Elberfeld, den 10. Mai 1849.</p>
          <p>Der Sicherheits-Ausschuß.</p>
          <p>Die gesammte Bürgerwehr wird aufgefordert, sich um 11 Uhr mit Waffen auf dem neuen Markt zu versammeln.</p>
          <p>Elberfeld, den 10. Mai 1849.</p>
          <p>Der Sicherheits-Ausschuß:</p>
          <p> <hi rendition="#b">Riotte. Körner.</hi> </p>
          <p>Die verehrten Mitbürgerinnen werden gebeten, sogleich an die folgende Orte Leinwand und Charpie abzuliefern, zum Verbande unserer verwundeten Mitbürger.</p>
          <p>Elberfeld, den 10. Mai 1849.</p>
          <p>Dr. <hi rendition="#b">Fränkel</hi>. Dr. <hi rendition="#b">Kirchner. Körner. Riotte.</hi> </p>
          <p>Bei den hiesigen nächstwohnenden Aerzten.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar296_007" type="jArticle">
          <head>Düsseldorf, 10. Mai.</head>
          <p>Unter den heute Morgen Ermordeten befinden sich 4 Bürger, welche einzeln und ohne Waffen am Rathhausplatz vorbeikamen, und hier von dem im Rathhaus versteckten Lieutenant <hi rendition="#g">Bessel</hi> hinterrücks erschossen wurden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar296_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 9. Mai.</head>
          <p>In <hi rendition="#g">Dresden</hi> dauert der Kampf &#x201E;trotz der heldenmüthigen Truppen&#x201C;, trotz der Uebermacht des Militärs, trotz der Artillerie fort. Im Uebrigen bringen unsere Berichte nur noch Einzelnheiten über die Bravour des Volkes und die beispiellose Brutalität der Preußen, die fast wörtlich, das Kind im Mutterleibe nicht geschont haben. Und solchen Thaten gegenüber ist die konservative Presse frech genug, auf den Mord Lichnowsky's Auerswald's hinzuweisen! &#x2014; 400 Mann Schützen sind nach Leipzig zurückgeschickt worden, um auch dort Ordnung und Ruhe zu octroyiren.</p>
          <p>Es ist interessant, die Haltung der Berliner Presse der sächsischen Revolution gegenüber zu beobachten. Die &#x201E;Nationalzeitung&#x201C; kennt nur ein Gefühl, die Furcht, verboten zu werden.</p>
          <p>Die Buchhandlung des Herrn <hi rendition="#g">Löwenherz</hi>, der es gewagt hatte, Nachrichten über Sachsen, welche für die Rebellen günstig lauteten, in Extra-Blättern zu verbreiten, ist auf Wrangels Spezialbefehl geschlossen worden. Desgleichen sind dem Buchdrucker <hi rendition="#g">Schulze</hi>, der diese Extra-Blätter druckte, die Pressen versiegelt.</p>
          <p>Die &#x201E;demokratische&#x201C; &#x201E;Nationalzeitung&#x201C; erzählte, der General v. Wrangel sei in Spandau von der Landwehr mit Jubel empfangen worden. Es ist dies eine positive Unwahrheit. Die dort einzukleidenden Wehrmänner haben bei der Ankunft des Diktators von Berlin theils das tiefste Stillschweigen beobachtet, theils ihrem Unwillen durch Pfeifen und Zischen Luft gemacht. &#x2014; Ueberhaupt gehen bei der Einkleidung der Landwehr ganz merkwürdige Dinge vor. So waren z. B. in Teltow eine Compagnie-Versammlung, bei der ein königl. Solotänzer sich die deutsche Kokarde abriß und nur die preußische tragen wollte. Das erregte eine ziemlich bedeutende Prügelei, welche damit endete, daß man den spezifisch-preußischen Tänzer zwang, allein hinter der Compagnie zu marschiren.</p>
          <p>Hr. v. Manteuffel besitzt ein Gut in der Lausitz. Es wurden in der letzten Zeit die Separationen jenes Kreises zu Ende geführt, und dabei der Besitzer des Gutes auf eine unerhörte Weise zum Schaden der Bauern begünstigt. Das Landvolk jener Gegend gehörte bis jetzt entschieden der konservativen Partei an, hat aber durch diese Uebervortheilungen einen gründlichen Haß gegen Hrn. v. Manteuffel, sein Ministerium und sein ganzes System gefaßt.</p>
          <p>Es wird uns so eben ein Privatbrief aus <hi rendition="#g">Breslau</hi> zur Einsicht gebracht, aus dem wir entnehmen, daß das Volk dort mit großer Tapferkeit gekämpft und mehr als 60 Todte verloren hat. Auch der Verlust des Militärs soll sehr beträchtlich sein; an der Börse sprach man von 5 getödteten Offizieren und 40 Gemeinen. Der Brief wurde gestern Nachmittag um 4 Uhr abgeschickt, auf seiner Rückseite war mit Bleistift in aller Eile geschrieben: &#x201E;<hi rendition="#g">So eben hört man von der Ohlauer Vorstadt wieder Kanonendonner</hi>.&#x201C;</p>
          <p>Der directe Dresdener Zug ist heute Mittag nicht angekommen. Es wurde telegraphirt, daß er nicht kommen könne.</p>
          <p>Hr. v. Wrangel hat neulich in einer großen Gesellschaft ein so offenes Bekenntniß gemacht, daß wir glauben, es zu Protokoll nehmen zu müssen. Er meinte nämlich, man könne dem Könige nur dankbar sein, daß er die Kaiserkrone nicht angenommen habe. In diesem Falle hätte das jetzige <hi rendition="#g">liberale</hi> System fortgeführt werden müssen und es sei <hi rendition="#g">ihre Aufgabe</hi>, das alte <hi rendition="#g">absolute</hi> System bis auf den <hi rendition="#g">Namen</hi> wieder herzustellen.</p>
          <p>Einem Privatbriefe aus Leipzig vom 8. Mai, entnehmen wir: &#x201E;Es war Unsinn, daß sich die Dresdener auf das Militär verließen. Die Kerle waren hungrig wie die Wölfe, als sie zum Volke übertraten, und nachdem sie sich satt gegessen, begingen sie die Infamie, wieder in die Reihen der Soldaten einzutreten.&#x201C; (Sehr liebenswürdige Dankbarkeit.) &#x201E;Der Stadtrath von <hi rendition="#g">Chemnitz</hi> hat gestern Mittag wieder Allarm schlagen lassen und erklärt, daß jeder Mann von 18-40 Jahren nach Dresden muß, wer nicht kann, zahlt 20 Rthlr. für einen Ersatzmann.&#x201C; &#x2025;&#x2026; &#x201E;Das Volk in Dresden hat ausgezeichnete Scharfschützen, die hauptsächlich die Offiziere auf's Korn nehmen.&#x201C; &#x2025;&#x2026; &#x201E;Die provisorische Regierung (steckbrieflich verfolgt) wird, wie man glaubt, wenn Dresden fallen sollte, nach Chemnitz gehen und einen förmlichen Guerillakrieg durch Sachsen fortsetzen.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar296_009" type="jArticle">
          <head>Posen, 6. Mai.</head>
          <p>Die Zeitungen und die Straßenecken brachten heute den Aufruf drr &#x201E;Vertrauensmänner der deutschen Verbrüderung&#x201C; zu einer Volksversammlung im Wedel'schen Garten behufs Anerkennung der Reichsverfassung durch eine feierliche Erklärung. Um halb zwei Uhr wurde unter Trommelschlag das Verbot der ausgeschriebenen Volksversammlung bekannt gemacht. Die betreffende Bekanntmachung, die leider noch nicht durch den Druck veröffentlicht worden, ist von dem kommandirenden General Brünneck
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1679/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 296. Köln, Samstag, den 12. Mai. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst_ ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Zu Nro. 295 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt. Uebersicht. Deutschland Köln. (Vorgänge in der Artilleriekaserne. — Beschlüsse der Landwehr- und Reservisten-Versammlung. — Unruhen in Neuß. — Abtritt des Reichsministeriums.) Elberfeld. (Der Aufstand. — Der Sicherheitsausschuß.) Berlin. (Klatsch.) Posen (Verbot von Demonstrationen für die Reichsverfassung.) Breslau. (Die Ereignisse am 7. und 8 Mai) Wien. (Der Standrechtskaiser als Oberbefehlshaber.) Dresden. (Fortsetzung und Ende der Schlacht — Die provisor. Regierung nach Freiberg.) Aus Schleswig-Holstein. (Veile von den Reichstruppen besetzt.) Frankfurt. (Aufruf der äußersten Linken. — National-Versammlung.) Aus Franken. (Truppen nach Sachsen. — Steigende Aufregung. — Volksversammlung. — Proklamation der Regierung.) Freiburg. (Der Prozeß Fickler-Bornstedt.) Mannheim. (Maßregeln gegen und für die Pfalz.) Neustadt a. d. H. (Die Volksversammlung am 6. Mai.) Ungarn. (Oedenburg von den Ungarn besetzt.) Polen. Krakau. (Durchmarsch der Russen.) Italien. Depeschen über den Einfall der Oestreicher und Neapolitaner ins Römische. — Aufstand in der Romagna.) Turin. (Romarino zum Tode verurtheilt) Französische Republik. Paris. (Vermischtes. — National-Versammlung.) Deutschland. 068 Köln, 11. Mai. Die Erhebungen des Volks in Elberfeld, Düsseldorf, Dresden und baierischen Pfalz haben unseren Kölner Militärbehörden, den tapfern Oberst Engels an der Spitze, Furcht eingejagt. Gestern Abend wurden in der Artillerie-Kaserne an den Dominikanern folgende Vertheidigungsanstalten getroffen: Drei Geschütze, zwei Sechspfünder und eine siebenpfündige Haubitze, wurden gegen das Hauptthor gerichtet und von den Offizieren selbst in Richtung genommen. Sie waren nicht mit gewöhnlicher scharfer Munition, sondern mit einer Portion Manöver-Munition geladen, in der großmüthigen Absicht, den erwarteten Angriff zuerst mit einem Schreckschuß zu empfangen. Die Wachen waren verstärkt und alle Eingänge im Innern der Art besetzt, daß den Artilleristen selbst der Zugang zu der Pumpe abgeschnitten war. Auf dem Futterboden des Stalles stand ein Feuerwerker mit Mannschaft, um etwa angelegtes Feuer zu löschen. Die Furcht der Herren Offiziere erstreckte sich nicht blos auf einen Angriff von Außen. Das Mißtrauen gegen die eignen Soldaten ging so weit, daß man den Geschützführern verbot an ihre Geschütze zu treten. Die Schildwachen waren auf Befehl des Hauptmanns Schelten angewiesen, Niemand heranzulassen, und nicht genug mit diesen Vorsichtsmaßregeln inspicirten noch die Offiziere zweimal mit Laternen die Zündlöcher, um sich zu überzeugen, daß die Soldaten sie nicht etwa zugenagelt hätten. Bis um 1 Uhr Nachts mußten die Truppen angekleidet auf den Zimmern, die Pferde geschirrt in den Ställen stehen. Als Gegenstück zu diesen muthvollen Vorbereitungen theilen wir noch folgenden Vorfall vom Nachmittag aus derselben Kaserne mit. Ein Soldat, der bei seinen Kameraden allgemein als schwachsinnig bekannt ist, kam in den Hof und jammerte, daß er nach Hause gehen wolle. Ein Offizier, der vorbeiging, befahl „den Kerl auf die Erde zu schmeißen und durchzuprügeln“. Der erste Theil dieser ritterlichen Ordre war bereits von ein paar Dienstbeflissenen erfüllt, als ein alter Mann, der aus einem Fenster der Nachbarschaft in den Kasernenhof sah, den Leuten zurief, daß sie sich schämen sollten, einen ihrer Kameraden auf diese Weise mißhandeln zu lassen, worauf sich die Tapferkeit der Exekutoren in Schimpfworten der gemeinsten Art gegen den unberufenen alten Zeugen richtete. Man sieht, „Mein herrliches Kriegsheer“, die geschniegelten Helden des dreißigjährigen Friedens mit dem „eingefrorenen Dünkel“ in den spirituellen Gesichtern und dem Ladstock in dem hohlen Rücken, sind überall dieselben: muthvoll, arrogant, frech, wo es gilt, die Soldaten auf wehrlose Bürger zu hetzen, oder ihre Untergebenen zu prügeln, feig, mißtrauisch gegen ihre eigenen Truppen, wo sie einen wirklichen Kampf fürchten. Den Herren Artillerie-Chefs wird es indeß nicht gelingen, trotz ihrer gestrigen Biertraktemente, die hiesigen Brigadetheile zu demoralisiren. Die Artilleristen wissen am Besten, durch wessen Sieg sie von der Fuchtel ihrer allerhöchst oktroyirten Vorgesetzten befreit werden und die eigne Wahl ihrer Offiziere zu erwarten haben. * Köln, 10. Mai. In einer Versammlung von Landwehrmännern und Reservisten, welche heute Abend 8 Uhr im Eiser'schen Saale stattfand, wurden folgende Beschlüsse gefaßt: 1) Wir erkennen die deutsche Reichsverfassung, wie sie von der Reichsversammlung am 28. März verkündet worden, als rechtsgültiges Gesetz an. 2) Wir stellen uns der deutschen Reichsversammlung zur Verfügung und verpflichten uns, den Beschlüssen mit allen Mitteln Geltung zu verschaffen. 3) Da das Ministerium Brandenburg-Manteuffel dem Willen des Volkes entgegen sich in offner Rebellion gegen die Nationalversammlung befindet, so werden wir einer Aufforderung desselben unter die Waffen zu treten keine Folge leisten. Sodann beschloß die Versammlung, nachdem ihr mitgetheilt worden, daß der Kölner Gemeinderath sich abermals gegen die Reorganisation der Bürgerwehr ausgesprochen, eine Deputation an die neuerdings gewählten Chargirten der Bürgerwehr abzuordnen und diese aufzufordern, eine Sammlung von freiwilligen Beiträgen zur Beschaffung von Waffen und Munition unter der Bürgerschaft zu veranstalten. * Köln, 11. Mai. Wie Eisenbahn-Reisende versichern, ist Neuß selbst oder in der Umgegend, wie man aus dem fortwährenden Feuern schloß, die ganze Nacht hindurch gekämpft worden. * Köln, 11. Mai. Aus Frankfurt a. M. laufen diesen Morgen Gerüchte ein, denen zufolge das jetzige Reichsministerium abgetreten. Der Grund soll in drei von der Nationalversammlung gefaßten Beschlüssen liegen, welche 1. das preußische Einschreiten in Sachsen mißbilligen, 2. schleunige Maaßregeln zur Durchsetzung der Reichsverfassung verlangen und 3. auf Aenderung des Ministeriums dringen. 15 Elberfeld, 11. Mai. Die hiesige Landwehr hat den Impuls zu einem Kampfe gegeben, der unserer, bisher mit vollem Recht als höchst reaktionär verschrieenen Stadt, alle Ehre macht. Die Elberfelder Landwehr hat mit den Waffen in der Hand bewiesen, daß sie nicht auf der Seite des Königs, sondern auf der Seite des Volkes steht. Sie hat durch ihren Enthusiasmus die ganze Bevölkerung mit sich fortgerissen. Schon am vorigen Sonntag hatte sich die für den 10. Mai einberufene Landwehr auf der sogenannten Wilhelmshöhe Rendez-vous gegeben, und sich gegenseitig verpflichtet, dieser Einberufung unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht nachzukommen. Ein in Permanenz zurückgelassener Ausschuß brachte dieses Uebereinkommen auch zur Kenntniß aller später eintreffenden Landwehrmänner, so daß man bald in dem ganzen Thale vollkommen einig war und den allenfallsigen Gewaltmaßregeln der Regierung ruhig entgegensah. Diese ließ denn auch nicht lange auf sich warten, indem am 9. Mittags eine Eskadron Ulanen von Düsseldorf und zwei Compagnien vom 16. Regiment aus Köln nebst zwei Kanonen hier einrückten. Das Signal zu einem allgemeinen Aufstand war hierdurch gegeben; die Sturmglocken tönten, etwa vierzig Barrikaden befestigten in wenigen Stunden die wichtigsten Straßen und Bürgerwehr und Landwehr vereinigten sich, um der auf dem Marktplatz aufgestellten Soldateska die Stirn zu bieten. Das Resultat des Kampfes ist Ihnen schon bekannt. Das Volk siegte, indem es die mit Kartätschen und Musketenkugeln angreifenden Soldaten zurück und aus der Stadt schlug. Wir erfahren seitdem, daß ein Theil der 16er sich nach Düsseldorf retirirte, und wüthend über die erlittene Niederlage an wehrlosen Menschen die abscheulichsten Grausamkeiten verübte. Außer einigen schon bekannten Details bemerke ich Ihnen, daß das Hotel des Ministers von der Heydt zu einem Lazareth eingerichtet wurde, und daß die Schützen, in grauen Hüten und grünen Blousen, Wache davor halten. Ueber der Hausthür lies't man in großen Buchstaben „Lazareth“. Das Haus des Oberbürgermeisters von Carnap wurde gänzlich zerstört. Die Kanonen der Gesellschaft „Genügsamkeit“, welche sich bisher damit begnügten, mit Freudenschüssen die königlichen Geburtstage zu feiern, wurden diesmal gegen „Mein herrliches Kriegsheer“ gerichtet. Die Gefangenen der Gefängnisse wurden sämmtlich in Freiheit gesetzt. Der Bruder des Ministers von der Heydt leidet an einer solchen Geistesverwirrung, daß er eben Pulver und Blei unter die Proletarier austheilt. — Wahrscheinlich sind diese verborgenen Kriegsvorräthe ursprünglich zu einem ganz andern Zweck angeschafft. Der Regierungspräsident von Düsseldorf ist als Geißel in den Händen des Elberfelder Volkes. Wie bei jedem Kampfe benimmt sich das Volk wahrhaft groß und edel. Kisten mit Silbergeschirr des von Carnap liegen in den Barrikaden, und zwar ebenso sicher, wie in dem Keller des Eigenthümers. Für weitern Kampf ist man auf's beste gerüstet. Alle Straßen sind verbarrikadirt. Die Dächer liegen voller Steine. Zahlreicher Zuzug langt aus allen umliegenden Orten an, die ganze Bevölkerung erwartet auf's Neue den Feind. 323 Elberfeld, 11. Mai. Die verschiedenen bewaffneten Korps der Bürgerwehr haben an die Stelle des aufgelösten Gemeinderaths einen Sicherheitsausschuß niedergesetzt, welcher die folgenden Proklamationen erlassen hat: Mitbürger! Wir kämpfen einen heiligen Kampf, einen Kampf für die Freiheit, für die Ordnung und das Recht, deshalb bitten wir Euch Wohlhabende besonders, uns mit Geld schnell und freiwillig zu unterstützen, da ohne dieses wir nicht allein im Kampfe nothwendig unterliegen müssen, sondern wir auch dann nicht, bei dem großen Zuzug, der heute aus der Gegend kommt, dafür stehen konnen, daß nicht Frevel am Eigenthum stattfinden wird, was wir als heilig erklären. Ebenfalls bitten wir um Anmeldung für Frei-Quartier und um Zusendung von Munition. Elberfeld, den 10. Mai 1849. Der Sicherheitsausschuß: in der Post-Passagierstube. Bürger! Die Stadt ist in den Händen des Volkes. Das Volk muß jetzt zeigen, daß es ihm um wahre Freiheit zu thun ist. Darum darf nicht ein Einzelner über die Person und das Eigenthum bestimmen. Noch weniger wird das Volk Person und Eigenthum antasten. Des freien Volkes Wahlspruch sei: Unverletzlich sei die Person! Heilig sei das Eigenthum! Der Sicherheitsausschuß. Für denselben: Körner. Mitbürger! Zur genauen Ermittelung der Stärke und der disponiblen Waffen haben wir es für dringend nöthig erachtet, sofort diejenigen Mannschaften, die Waffen besitzen, einzuladen, sich unverzüglich auf dem neuen Markte mit ihren Waffen, und diejenigen, die noch keine besitzen, auf dem reformirten Kirchplatze einzufinden. Wir fordern zugleich alle unsere Mitbürger auf, die noch disponiblen Waffen an den Sicherheitsausschuß in der Postpassagierstube abzuliefern, und erwarten auch mit Bestimmtheit von denjenigen Bürgerwehrmännern, die nicht an dem Kampfe Theil nehmen, ihre Waffen gleich abzugeben, widrigenfalls Zwangsmaßregeln angewandt werden. Elberfeld, den 10. Mai 1849. Der Sicherheits-Ausschuß. Die gesammte Bürgerwehr wird aufgefordert, sich um 11 Uhr mit Waffen auf dem neuen Markt zu versammeln. Elberfeld, den 10. Mai 1849. Der Sicherheits-Ausschuß: Riotte. Körner. Die verehrten Mitbürgerinnen werden gebeten, sogleich an die folgende Orte Leinwand und Charpie abzuliefern, zum Verbande unserer verwundeten Mitbürger. Elberfeld, den 10. Mai 1849. Dr. Fränkel. Dr. Kirchner. Körner. Riotte. Bei den hiesigen nächstwohnenden Aerzten. Düsseldorf, 10. Mai. Unter den heute Morgen Ermordeten befinden sich 4 Bürger, welche einzeln und ohne Waffen am Rathhausplatz vorbeikamen, und hier von dem im Rathhaus versteckten Lieutenant Bessel hinterrücks erschossen wurden. * Berlin, 9. Mai. In Dresden dauert der Kampf „trotz der heldenmüthigen Truppen“, trotz der Uebermacht des Militärs, trotz der Artillerie fort. Im Uebrigen bringen unsere Berichte nur noch Einzelnheiten über die Bravour des Volkes und die beispiellose Brutalität der Preußen, die fast wörtlich, das Kind im Mutterleibe nicht geschont haben. Und solchen Thaten gegenüber ist die konservative Presse frech genug, auf den Mord Lichnowsky's Auerswald's hinzuweisen! — 400 Mann Schützen sind nach Leipzig zurückgeschickt worden, um auch dort Ordnung und Ruhe zu octroyiren. Es ist interessant, die Haltung der Berliner Presse der sächsischen Revolution gegenüber zu beobachten. Die „Nationalzeitung“ kennt nur ein Gefühl, die Furcht, verboten zu werden. Die Buchhandlung des Herrn Löwenherz, der es gewagt hatte, Nachrichten über Sachsen, welche für die Rebellen günstig lauteten, in Extra-Blättern zu verbreiten, ist auf Wrangels Spezialbefehl geschlossen worden. Desgleichen sind dem Buchdrucker Schulze, der diese Extra-Blätter druckte, die Pressen versiegelt. Die „demokratische“ „Nationalzeitung“ erzählte, der General v. Wrangel sei in Spandau von der Landwehr mit Jubel empfangen worden. Es ist dies eine positive Unwahrheit. Die dort einzukleidenden Wehrmänner haben bei der Ankunft des Diktators von Berlin theils das tiefste Stillschweigen beobachtet, theils ihrem Unwillen durch Pfeifen und Zischen Luft gemacht. — Ueberhaupt gehen bei der Einkleidung der Landwehr ganz merkwürdige Dinge vor. So waren z. B. in Teltow eine Compagnie-Versammlung, bei der ein königl. Solotänzer sich die deutsche Kokarde abriß und nur die preußische tragen wollte. Das erregte eine ziemlich bedeutende Prügelei, welche damit endete, daß man den spezifisch-preußischen Tänzer zwang, allein hinter der Compagnie zu marschiren. Hr. v. Manteuffel besitzt ein Gut in der Lausitz. Es wurden in der letzten Zeit die Separationen jenes Kreises zu Ende geführt, und dabei der Besitzer des Gutes auf eine unerhörte Weise zum Schaden der Bauern begünstigt. Das Landvolk jener Gegend gehörte bis jetzt entschieden der konservativen Partei an, hat aber durch diese Uebervortheilungen einen gründlichen Haß gegen Hrn. v. Manteuffel, sein Ministerium und sein ganzes System gefaßt. Es wird uns so eben ein Privatbrief aus Breslau zur Einsicht gebracht, aus dem wir entnehmen, daß das Volk dort mit großer Tapferkeit gekämpft und mehr als 60 Todte verloren hat. Auch der Verlust des Militärs soll sehr beträchtlich sein; an der Börse sprach man von 5 getödteten Offizieren und 40 Gemeinen. Der Brief wurde gestern Nachmittag um 4 Uhr abgeschickt, auf seiner Rückseite war mit Bleistift in aller Eile geschrieben: „So eben hört man von der Ohlauer Vorstadt wieder Kanonendonner.“ Der directe Dresdener Zug ist heute Mittag nicht angekommen. Es wurde telegraphirt, daß er nicht kommen könne. Hr. v. Wrangel hat neulich in einer großen Gesellschaft ein so offenes Bekenntniß gemacht, daß wir glauben, es zu Protokoll nehmen zu müssen. Er meinte nämlich, man könne dem Könige nur dankbar sein, daß er die Kaiserkrone nicht angenommen habe. In diesem Falle hätte das jetzige liberale System fortgeführt werden müssen und es sei ihre Aufgabe, das alte absolute System bis auf den Namen wieder herzustellen. Einem Privatbriefe aus Leipzig vom 8. Mai, entnehmen wir: „Es war Unsinn, daß sich die Dresdener auf das Militär verließen. Die Kerle waren hungrig wie die Wölfe, als sie zum Volke übertraten, und nachdem sie sich satt gegessen, begingen sie die Infamie, wieder in die Reihen der Soldaten einzutreten.“ (Sehr liebenswürdige Dankbarkeit.) „Der Stadtrath von Chemnitz hat gestern Mittag wieder Allarm schlagen lassen und erklärt, daß jeder Mann von 18-40 Jahren nach Dresden muß, wer nicht kann, zahlt 20 Rthlr. für einen Ersatzmann.“ ‥… „Das Volk in Dresden hat ausgezeichnete Scharfschützen, die hauptsächlich die Offiziere auf's Korn nehmen.“ ‥… „Die provisorische Regierung (steckbrieflich verfolgt) wird, wie man glaubt, wenn Dresden fallen sollte, nach Chemnitz gehen und einen förmlichen Guerillakrieg durch Sachsen fortsetzen.“ Posen, 6. Mai. Die Zeitungen und die Straßenecken brachten heute den Aufruf drr „Vertrauensmänner der deutschen Verbrüderung“ zu einer Volksversammlung im Wedel'schen Garten behufs Anerkennung der Reichsverfassung durch eine feierliche Erklärung. Um halb zwei Uhr wurde unter Trommelschlag das Verbot der ausgeschriebenen Volksversammlung bekannt gemacht. Die betreffende Bekanntmachung, die leider noch nicht durch den Druck veröffentlicht worden, ist von dem kommandirenden General Brünneck

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz296_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz296_1849/1
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 296. Köln, 12. Mai 1849, S. 1679. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz296_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.