Neue Rheinische Zeitung. Nr. 296. Köln, 12. Mai 1849.und dem 1. Kommandanten, General v. Steinäcker, unterzeichnet. Sie erklärt die Versammlung "für eine Demonstration gegen die Regierung, weil Se. Maj. der König die Reichsverfassung noch nicht anerkannt habe;" deshalb und weil die neulichen Erklärungen des demokratisch-konstitutionellen Vereins einen gleichen Charakter tragen, wird "unter Verweisung auf die Verordnung vom 3. April v. J über Einführung des Belagerungszustandes in Posen nicht nur jede Volksversammlung, sondern überhaupt jeder politische Verein in der Stadt und Festung Posen und deren Rayon verboten" und endlich die Drohung ausgesprochen, "daß die auf heute ausgeschriebene Volksversammlung nöthigen Falls mit der zu Gebote stehenden Militärmacht verhindert werden würde." Diesen Worten Nachdruck zu geben, waren denn auch die Zugänge zum Welden'schen Lokal militärisch besetzt und auf dem Kanonenplatz ein Bataillon Infanterie aufgestellt. Es ist unbeschreiblich, welchen Eindruck diese Maßregel selbst unter den indifferentesten Theilen der Bevölkerung hervorbringt. 61 Breslau, 7. Mai. 7 3/4 Uhr Abends. Der größte Theil der innern Stadt ist ohne Barrikaden, nirgends zeigt sich ein kühner, entschlossener Angriff der Massen. Die vier Löwen sind abgedeckt, und man hat Vitriol auf das Militär hinabgegossen. An der Elisabethkirche werden so eben Salven gegeben. Das Militär bläst mit dem Horne und feuert auch sofort in die wehrlose Menge. Es herrscht keine Einigkeit im Volke, kein Entschluß der Massen. Man sieht keine Bewaffnete. Das Palais des Ministers Brandenburg dient der preußischen Metzgerbande als Hauptquartier. Es ist weiter noch nichts als ein vergrößerter Putsch, den heute wahrscheinlich nach Einholung einer telegraphischen Depesche lediglich das Militär durch seine ganz improvisirte Demonstration hervorgerufen hat, um den Belagerungszustand dekretiren zu können. Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daß das Militär sich mit all' der Bestialität der Uckermark benimmt und namentlich in Massen schießt, von denen es weiß, daß sie wehrlos sind. 9 Uhr. Büttner- und Nikolaistraßen-Ecke haben sich Proletarier, meist Maurer, in einem unausgebauten Hause verschanzt. Dort sind bis jetzt vier Soldaten getödtet worden. In den vier Löwen sind vier Bürger getödtet worden. Ein Offizier wurde durch einen Schuß aus dem blauen Hirsch getödtet. Das Militär wird sich, wenn es die innere Stadt nicht behaupten kann, in die Vorstädte zurückziehen. Die Artillerie soll dann mit Kartätschen die Straßen säubern. Die Masse des Proletariats nimmt bis jetzt noch keinen Antheil am Kampfe. Alle Aeußerungen, die ich in seinen Gruppen vernehme, deuten auf größeren Haß gegen die Bourgeoisie als gegen die preußischen Banditen. Eine Frau äußerte über den Druck des Kapitals auf das Volk gründlichere Ansichten, als die meisten der offiziellen Sozialisten, die ich hier habe reden hören. Man hat die Soldaten, um sie zur Wuth anzufachen, mit Schnaps besoffen gemacht. Sie singen in der Nähe des Palais Brandenburg: "Ich bin ein Preuße!" Wir glauben ihnen das nach ihren Akten von Bestialität. Das reaktionäre Gesindel in der Schweidnitzer Vorstadt hetzt und traktirt diese bezahlten Volksmörder. 9 3/4 Uhr. Der Kampf hat eine entschiedene Wendung genommen. Barrikaden überall; aber noch immer kein Sturmläuten. In der Nikolai- und Ohlauerstraße ist das Feuer sehr lebhaft; besonders aber an der Jägerkaserne. Dort schießt man mit Kanonen auf eine Barrikade in ber Weidenstraße. -- Kochendes Oel und Wasser, Projektile aller Art werden aus den Häusern auf das "herrliche Kriegsheer" herabgegossen. Ein schwer verwundeter Kürassier liegt dicht in meiner Nähe. Andere Kürassiere bringen eben 5 Männer in die Schweidnitzer Thorwache, die schrecklich verstümmelt sind. Mehrere Waffenläden sind gestürmt worden. 11 Uhr. Die Mordbanden wüthen gräßlich. So eben sendet ein Offizier in meiner Nähe eine Patrouille mit dem Befehle aus, in jedes Fenster, wo ein Licht brenne, zu schießen, weil von dort her die meisten Offiziere erschossen worden. Das 22. Regiment, lauter Wasserpolacken, zeichnet sich im brutalen Morden Unschuldiger ganz besonders aus. Es sind Scheußlichkeiten verübt worden, die keine Feder beschreiben kann. Ich sah drei Gefangene einbringen. Der eine erhob in der Wache, wohin er gebracht war, bald ein ungeheures Geschrei, als ob er ermordet worden. Zwei andere wurden von einer wüthenden Soldatenmeute gebracht, die sie bei den Haaren hielt und ihnen die Köpfe aneinander schlug. Das Militär ist vollständig Herr der Stadt und mordet in hohenzoller'scher Schnapscourage nach Herzenslust. Es ist mir unmöglich, Ihnen diese Bestialitäten zu beschreiben, die alle Gräuel, welche ich die Kroaten in Wien verüben sah, bei Weitem überbieten Eben zieht die besoffene, in Blut triefende Bande, die seit zwei Tagen mit findierter Absicht abgerichtet worden, gleich Thieren über das wehrlose Volk herzufallen, unter jubelnden Gesängen an mir vorüber. Schon seit Mittag sind die Straßen unsicher. Ein Wildpretthändler am Ring hatte eben etwas vor seinem Hause zu verrichten und wurde von einer Spitzkugel durch den Kopf getroffen. Jetzt, um zwei Uhr in der Nacht, scheint sich der Kampf legen zu wollen, ein heftiger Gußregen stürzt herab. Mehrere Stabsoffiziere sollen gefallen sein. Die Demokraten haben sich rein geopfert. Die Schwarzweißen jubeln, daß nun überall der Belagerungszustand eingeführt wird. 61 Breslau, 8. Mai. Ein heute angekommener Reisender aus Krakau erzählte, daß 14,000 Mann Russen mit 30 Geschützen über Krakau in Oestreich eingerückt seien und den Weg nach Teschen genommen hätten. Die Russen stehen also auf deutschem Gebiet. Um 2 Uhr ließ Graf Monts ein Plakat mit dem Befehl anschlagen, die Waffen um 2 Uhr abzuliefern; dann wurde die Ablieferungszeit bis 1/2 5 Uhr verlängert, widrigenfalls dieselben durch Militär abgeholt würden. Auf allen Bahnhöfen steht Polizei, Militär und Gensd'armerie, welche die ankommenden Züge durchstöbern. An den Brücken findet eine abermalige Durchsuchung der Wagen und Effekten statt. Das Militär benimmt sich dabei preußisch-brutal. Ich sah, wie besoffene Unteroffiziere einen solchen Wagen durchforschten, worin ihrer Aeußerung nach Polen saßen, und ein anderer Unteroffizier es ihnen vorwarf, daß sie die Polenhunde nicht ohne weiters erschlagen. Hie und da trägt ein feiger Bourgeois ein Gewehr mit Ostentation zur Ablieferung. Am Schlusse seiner Standrechtsbekanntmachung hat Graf Monts die preußische Naivetät, zu sagen: "Der Betrieb der bürgerlichen Geschäfte, der königlichen und Privatarbeiten, des Handels und der Gewerbe wird durch Erklärung des Belagerungszustandes weiter nicht beschränkt." Um 10 Uhr müssen alle Wirthshäuser geschlossen sein, mehr als 20 Personen dürfen nicht beisammen stehen. Die Läden blieben heute den ganzen Tag geschlossen, das Militär bivouakirt noch immer auf den Straßen, und benimmt sich mit der gewohnten Brutalität. Monts spricht in seinen Maueranschlägen wie Wrangel, er wisse die guten Bürger von einer Partei zu unterscheiden, welche die Exzesse provozirt habe. Warum nimmt er den guten Bürgern denn die Waffen ab? Die Straßen und öffentlichen Orte wimmeln von Spionen. Es macht einen komischen Eindruck, wenn man die mit der deutschen Kokarde geschmückten Mörder diejenigen niedermetzeln sieht, welche eben weiter nichts als diese Kokardenfarben vertheidigen wollen. Es sollen 40 Offiziere theils verwundet, theils geblieben sein. Die Stadt ist heute und bis zu diesem Augenblicke (6 Uhr Abends) anscheinend ruhig, und man erblickt nirgendwo die gestrigen Proletariatmassen. Gestern Abend sah ich einen Gefangenen einbringen, den die Schnapshelden furchtbar malträtirten; die Offiziere ritten nebenher, als ob sie die Sache nicht angehe. Der Mord ist preußisches Privilegium. Indessen sind die Wanzenritter nur darum so ultraunverschämt, weil in Frankreich noch diese Infamie herrscht, und noch keine neue Revolution sich anschickte, das Gesindel vom Erdboden zu vertilgen. 61 Breslau, 8. Mai. Der Belagerungszustand ist erklärt, niemand stört sich daran. Die in der Nacht vom Militär verübten Greuel sind um so fürchterlicher, als der Kampf nur erst an einzelnen Punkten stattgefunden. Das 23. Inf.-Regiment hat sich durch kannibalische Schlächtereien und durch Stehlen besonders hervorgethan. In der Ahlauerstraße, bei der goldenen Weintraube, in der blauen Hirschengasse und an mehreren anderen Punkten hat eine äußerst hartnäckige Vertheidigung stattgefunden, ebenso beim deutschen Hause und in der Nikolaistraße. Oberst Engelmann an der Spitze einer kleinen Freischar hat sich auf das Heldenmüthigste hervorgethan. Es sollen vom Militär an 87 geblieben sein. Ein Postsekretär, der nach Hause gehen wollte, wurde vom Militär mit Kolbenschlägen niedergehauen. Die 23er stürzten in die Häuser und metzelten mit einem Vergnügen, wie es bloß diese feigen Hunde, die in wirklichen Schlachten stets ausreißen, fühlen können. Die Offiziere sahen lachend zu. Blut und Gehirn liegt in den Straßen. 4000 Weber vom Gebirge werden erwartet. Alle Kirchen waren besetzt, das Sturmläuten unmöglich, weil die in die Kirchen Dringenden von dem darin versteckten ("herrliches Kriegsheer!") Militär sofort niedergemetzelt wurden. Vom Civil sind bisher nur 5 Todte bekannt, abgesehen von denen, welche in den Häusern verborgen werden. Einer Frau wurde der kranke Sohn aus reinem Vergnügen der Spießgesellen des Herrn Hohenzollern im Bette getödtet. Die Offiziere lösen mit Fleiß alle Bande der Disziplin. Unterdessen man das "Gesindel, den Pöbel" niedermetzelt, hält das Bourgeoisgeschmeiß, wie ich mit eigenen Augen gesehen, Champagnerbachanalien und füttert die Soldateska. Was davon nicht in der Stadt bleiben will, hat sich in Zettlitz Hotel geflüchtet. Sämmtliche Läden sind geschlossen. Es soll heute von neuem, aber weit nachdrücklicher und erbitterter losgehen. Auf Engelmann, Elsner, Stein und andere wird gefahndet, aber es ist noch keiner von ihnen verhaftet. 12 Uhr. Eben werden die Barbareien des Belagerungszustandes bekannt gemacht. Aufhebung der Presse, der Vereine, Ablieferung der Waffen u. s. w. Die letztern sollen heute Nachmittag abgegeben werden. Das Volk hat den Muth verloren. Wie immer, so haben auch diesmal nur verzweifelte Proletarier am Kampfe Theil genommen, während die Bourgeoisie sich und ihre Waffen versteckt hielt. Findet bei Ablieferung der Waffen Widerstand statt, so soll die Stadt bombardirt werden. Das Judenthum fährt fort, die hohenzollern'schen Banditen mit Butterschnitten, Kalbsschlöpeln, Schnaps u. dergl. zu erheitern. Mögen Sie am Rhein für günstige Fälle nicht vergessen, daß nicht Windischgrätz, nicht Wrangel, nicht Monts, sondern die Bourgeois- und Juden-Verräther für die Henkereien verantwortlich gemacht werden müssen. Auch Geld wird unter die Soldaten vertheilt, damit sie sich heute wieder preußischen Muth trinken. Die Demokraten werden in den Straßen eingefangen. Auch Engelmann soll in die Hände der Polizei gefallen sein. Alle Fremden müssen die Stadt verlassen. Die schwarzen Husaren sollen heute noch hier einrücken. Die Mißhandlung des Volks durch die Soldateska ist entsetzlich; jeden Augenblick sieht man auf der Straße neue Greuel. Die Soldaten sind ganz darauf abgerichtet, die Leute aus dem Volk viehmäßig todt zu schlagen. Das Militär lagert massenweise in den Straßen und benimmt sich selbst gegen Frauen, wie es weder die Kroaten noch Kosaken gethan. Der Absolutismus versetzt ganz Deutschland in Belagerungszustand und wird nicht eher aufhören, bis die nichtuniformirte Bevölkerung ausgemordet und verelendet ist. Es widert mich, Ihnen mehr zu schreiben. Das Hauptunglück besteht darin, daß das Volk gar keine Führer hat, und von den bekannten demokratischen Autoritäten sich keiner hat blicken lassen. Der Krawall, ich wiederhole es, ist lediglich von der Kontrerevolution hervorgerufen worden, um den Belagerungszustand zu erklären und das Volk zu entwaffnen. Ein bewaffnetes Breslau paßt den magyarischen Siegen gegenüber nicht in den Kram des Standrechtsministeriums Manteuffel. Die demokratische Partei hätte darum klüger gethan, jeden Anlaß zur Belagerung zu vermeiden und die nahe Entscheidung in Wien abzuwarten. Ein wesentlicher Grund für den Belagerungszustand sind die magyarischen Siegesbülletins, welche die Presse täglich veröffentlicht hat, und welche den preußischen Heldenmuth nicht wenig in Alarm versetzt. Man weiß bereits, der Belagerungszustand ist mit der raffinirtesten Infamie herbeigeführt worden. Es ist gewiß, daß das Polizeipräsidium die Volksversammlung, die anonym berufen wurde, ausgeschrieben hat, Die Ermahnung des Magistrats, und die von gestern datirte Belagerung gehört mit zu den Manövern, von denen die Demokraten sich haben düpiren lassen. So hat man erreicht was man wollte, man hat Breslau beim Einmarsch der Russen entwaffnet. Wien, 7. Mai. Der "Wanderer" enthält nachstehendes Handschreiben des Standrechtskaisers an den Feldzeugmeister Nugent: Lieber Graf Nugent! Indem Ich die Ausübung des Mir verfassungsmäßig zustehenden Oberbefehles über Meine sämmtlichen Heere selbst zu übernehmen befunden habe, setze ich Sie mittelst der Anlage von demjenigen in Kenntniß, was Ich in dieser Hinsicht unter Einem an Meinen Kriegsminister erlassen habe. Olmütz, am 30. April 1849. Franz Joseph. Abschrift. Lieber Freiherr v. Cordon! Kraft des Mir zustehenden verfassungsmäßigen Rechtes übernehme Ich selbst die Ausübung des Oberbefehls über Meine sämmtlichen Heere und finde demgemäß diejenigen Punkte zu bezeichnen, über welche Ich Mir ausschließlich die Entscheidung vorbehalten wissen will, und zwar: 1. Alle größeren Truppenbewegungen aus einem General-Kommando in das andere; kleine Aenderungen in der Truppen-Dislokation, welche dringende Umstände erheischen, sind Mir nachträglich sogleich zur Kenntniß zu bringen. 2. Da Ich in Meiner obgedachten Eigenschaft der Aufrechthaltung der bestehenden, rein militärischen Dienstnormen und Reglements Meine besondere Sorgfalt widmen werde, so können grundsätzliche Abanderungen dieser Vorschriften auch nur von Mir ausgehen. 3 Die Personalien vom Stabsoffiziere aufwärts nach den Anträgen derjenigen, welche bisher hierzu befugt waren, oder nach Meiner eigenen Selbstbestimmung. In Betreff der Ernennung, Anstellung, Pensionirung u. dergl. der Generale werde Ich Mich mit den kommandirenden Generalen der Armee im Felde und mit jenen in den Ländern, welche die hier allein maßgebende Befähigung kompetent zu beurtheilen in der Lage sind, direkt in Verbindung setzen und dann nach Meiner Ueberzeugung entscheiden. 4. In Kriegszeiten kann nur Mir allein die außerordentliche Disposition über das gesammte Kriegsmaterial zu Lande und zur See anheimgestellt sein, nicht minder in Friedenszeiten die Ausführung der fortifikatorischen Bauten, insofern dieselben überhaupt gehörig bewilligt und bedeckt sind, auch in Bezug auf die etwa von der Vorschrift abweichende Art und Weise ihrer Vollendung Zur Besorgung dieser Geschäfte werde Ich Mir eine Militär-Centralkanzlei bilden, zu deren Vorstand Ich Meinen ersten General-Adjudanten bestimme. Indem Ich noch beifüge, daß die bisherige Behandlung der übrigen Gegenstände der Kriegsverwaltung, insofern solche ausschließlich Meiner Genehmigung unterzogen werden mußte, unverändert fortzubestehen habe, setze Ich unter Einem sowohl den Feldmarschall Grafen Radetzky und Feldzeugmeister Baron Welden als auch sämmtliche kommandirende Generale in den Ländern von dieser Meiner Anordnung in Kenntniß. Olmütz, am 30. April 1849. Franz Joseph. Dresden, 8. Mai. Unter vorstehendem Datum berichtet die "D. A. Z." über die Fortdauer der Schlacht Folgendes: Vormittags 11. Uhr. Heute früh sind wieder zwei Bataillone Preußen eingerückt. Die Kanonade dauert ununterbrochen fort; der Kreuzthurm jedoch ist noch nicht, wie ich gestern meldete, in den Händen der Truppen. Die Stadt ist von allen Seiten umzingelt und es dürfte daher nur Wenigen die Flucht gelingen. Die Eisenbahnhöfe sind stark besetzt und Niemand wird fortgelassen, der sich nicht gehörig legitimiren kann. Der Oberkommandant des Aufstandes, Oberstlieutenant Heinze (gewesenes Mitglied der I. Kammer,) ist diesen Morgen gefangen genommen worden. Soeben wird er an meinen Fenstern, unter Bedeckung eines starken Detachements Infanterie vorbeigeführt; er geht in Civilkleidern. Die Transporte der Gefangenen mehren sich. Eine Unzahl Waffen sind von dem Militär erbeutet worden. Nachmittags 4 1/2 Uhr. Außer dem Oberkommandanten Heinze sollen noch mehre Leiter des Aufstandes und selbst ein Mitglied der provisorischen Regierung gefangen worden sein. Das Gerücht, daß Heinze bereits standrechtlich verurtheilt und erschossen worden, ist sehr verbreitet, indeß nicht beglaubigt. Wahrscheinlich wird morgen der vollständige Belagerungszustand erklärt werden. Der Aufstand ist noch nicht besiegt, in diesem Augenblicke rasseln zwei Geschütze reitender Artillerie die Meißner Gasse hinab nach der Gegend des Leipziger-Dresdner Bahnhofs. Den 9. Mai. Früh 5 Uhr. Das Feuern hat seit einer Stunde in Altstadt wieder begonnen. Dresden ist in einem Umkreise von zwei Stunden militärisch umschlossen. Erfolgt bis heute Nachmittag 2 Uhr keine Unterwerfung, so soll das schwere Geschütz gebraucht werden. Mittags, 12 Uhr. Der Kampf ist geendet. Nach 10 Uhr wurde Generalmarsch geschlagen. Es entstand eine große Bewegung unter den in Neustadt befindlichen Truppen. Es hieß: der Kreuzthum hat sich ergeben; der noch nicht genommene Theil der Altstadt hat sich ergeben! Wirklich wehten auf dem Kreuzthurme die ersehnten weißen Fahnen. Im Sturmschritte zogen die Truppen aus Neustadt über die Brücke, um die im Feuer gewesenen Kameraden abzulösen, welche um halb 12 Uhr zurückkamen. Viele Gefangene, eine Menge eroberte Wagen, auch drei große Fässer Pulver werden herübergebracht. Von Abends 6 Uhr an tritt im Umkreise von drei Meilen um Dresden der Belagerungszustand ein. -- Gestern Abend ist der Bürgermeister Tzschucke aus Meißen mit 40 M. Reiterei hierher abgeführt worden. 9. Mai. 2 Uhr Nachmittags. Die provisorische Regierung hat ihren Sitz nach Freiberg verlegt. Die Bewaffneten des Volks haben sich eben dorthin zurückgezogen. Der Kampf in Dresden ist zu Ende, aber nicht der Kampf des sächsischen Volks gegen die einheimischen wie auswärtigen Mordgesellen "von Gottes Gnaden." * Aus Schleswig-Holstein, 8. Mai. Gestern haben die Reichstruppen nach einem ziemlich langen und heftigen Gefecht Veile besetzt; die Dänen flüchteten sich nach Fridericia. * Frankfurt, 9. Mai. Die äußerste Linke hat folgenden Aufruf erlassen: "Deutsches Volk! Zu den Waffen deutsche Männer in allen Gauen des Vaterlandes! Die Verbindung der Fürsten, welche Hochverrath an dem Volke und dem Vaterlande begehen wollen, liegt klar zu Tage. Verbindet auch Euch und erhebt Euch um das Vaterland zu retten. Schon kämpfen Eure Brüder in Sachsen und der Pfalz für Euch; laßt sie nicht untergehen. Nachbarstämme der Sachsen und der Pfälzer, an Euch ist es zunächst, -- zieht hin zu Euren Brüdern, zieht hin und helft -- helft ihnen und es wird auch Euch geholfen sein. Ihr könnt nicht zaudern, dürft nicht zaudern, Ihr dürft sie nicht allein stehen lassen, die aufgestanden sind das Recht in einer Hand und in der andern das Schwert. Das Schwert für Euer Recht! Helft mit den Waffen, und wenn Ihr die nicht habt, helft sonst, helft wie Ihr könnt -- nur helft! Ihr andern Stämme auch erhebt Euch, waffnet Euch und zeigt dem Despotismus und der Barbarei, die Euch entgegenstehen, die festgeschaarte Macht des Volkes, das sein Recht verlangt. Gerechtern Kampf hat es nie gegeben. Zu den Waffen, Männer zu den Waffen! Frankfurt, 8. Mai 1849. Die äußerste Linke der deutschen Nationalversammlung. * Frankfurt 9. Mai. Nationalversammlung. Präsident Simon eröffnet die Sitzung 10 1/4 Uhr Die Tribünen und der Platz vor der Paulskirche sind gedrängt voll Menschen. Rösler von Oels interpellirt höchst zeitgemäß unb patrotisch wegen der Fortsetzung des Hazardspiels in Hamburg. Der gelbe Reichsgimpel erhält von dem komischen Minister der sogenannten Reichsjustiz, Geldmacher Mohl, die Beruhigung daß das Spiel heute aufhören wird. Der ehemalige hessische Schnapsbrenner, Edler von Gagern: Ich habe gestern ein Programm über die Stellung des Reichsministeriums zu den Bewegungen in Deutschland in später Abendstunde dem Erzherzog Reichsverweser vorgelegt. Nach einer Konferenz heute Morgen hat der Reichsverweser eine Bedenkzeit von 24 Stunden verlangt. Ich komme daher auf meine Bitte von gestern zurück, die Sitzung bis morgen zu vertagen. (Bis die Schurken überall Truppen concentrirt.) Sollte das Haus auf meine Bitte nicht eingehen, so könnte das Ministerium "als solches" an den Verhandlungen keinen Theil nehmen. (Als ob bei den russischen Unterknäsen in Deutschland irgend etwas von der "Entscheidung" der blödsinnigen Reichsverfassung abhinge! Was die Zustände in Sachsen betrifft, so habe ich die Ehre gehabt, Ihnen gestern mitzutheilen, daß der zuerst ernannte Reichskommissär seine Vollmacht nicht annehmen zu wollen, durch eine telegraphische Depesche hierher erklärt hat. Als aber das Mitglied der Versammlung Herr Wydenbrugk nach Weimar kam und die dringenden Verhältnisse die in Sachsen das Einschreiten der Reichsgewalt so sehr wünschenswerth machen, von dem ernannten Kommissär in Erwägung gezogen wurden, hat er alle Bedenklichkeiten bei Seite gesetzt und durch telegraphische Depesche bin ich gestern Abends in Kenntniß gesetzt worden, daß er sich sofort nach Dresden begeben hat, um seiner Vollmacht gemäß zu handeln. Wie dringend es nothwendig ist, über die sächsischen höchst traurigen Zustände vorerst!! bis zur Entscheidung durch die Waffen!!) die Berichte dieses Kommissärs abzuwarten, das kann niemand verkennen. Die Stadt Leipzig hat sich durch einen Abgeordneten an das Reichsministerium gewendet, und unter den Schutz der Centralgewalt gestellt. (Der Centralgewalt, welche alle Erhebungen für ihre "Reichsverfassung" an die schnapswüthigen russischen Unterknäse verräth!) Was die Vorgänge in der Pfalz betrifft, so besteht dort gar kein Konflikt zwischen den Parteien und den Civil- (!!!) Behörden. (Während die preußischen Kroaten eingerückt sind!) Es ist also kein anderes "Einschreiten" dringend, als das eines Reichscommissairs zur Prüfung der wechselseitigen Schritte. Aus allen diesen Gründen verlangt der Edle Vertagung über den Hülferuf der für seine Verfassungs- und Kaiserschweinereien blutenden Volker. (Als Curiosum, daß dem "Edlen" doch ein baldiges Ende vor Augen schwebt, mag indeß dienen, daß er nach neuesten Nachrichten seinen Bedienten in die Witwenkasse eingekauft hat.) Umbscheiden bekämpft das Vertagungsverlangen des Ministeriums. Aus den Vorlagen über die Verhältnisse in Sachsen und der Pfalz geht und dem 1. Kommandanten, General v. Steinäcker, unterzeichnet. Sie erklärt die Versammlung „für eine Demonstration gegen die Regierung, weil Se. Maj. der König die Reichsverfassung noch nicht anerkannt habe;“ deshalb und weil die neulichen Erklärungen des demokratisch-konstitutionellen Vereins einen gleichen Charakter tragen, wird „unter Verweisung auf die Verordnung vom 3. April v. J über Einführung des Belagerungszustandes in Posen nicht nur jede Volksversammlung, sondern überhaupt jeder politische Verein in der Stadt und Festung Posen und deren Rayon verboten“ und endlich die Drohung ausgesprochen, „daß die auf heute ausgeschriebene Volksversammlung nöthigen Falls mit der zu Gebote stehenden Militärmacht verhindert werden würde.“ Diesen Worten Nachdruck zu geben, waren denn auch die Zugänge zum Welden'schen Lokal militärisch besetzt und auf dem Kanonenplatz ein Bataillon Infanterie aufgestellt. Es ist unbeschreiblich, welchen Eindruck diese Maßregel selbst unter den indifferentesten Theilen der Bevölkerung hervorbringt. 61 Breslau, 7. Mai. 7 3/4 Uhr Abends. Der größte Theil der innern Stadt ist ohne Barrikaden, nirgends zeigt sich ein kühner, entschlossener Angriff der Massen. Die vier Löwen sind abgedeckt, und man hat Vitriol auf das Militär hinabgegossen. An der Elisabethkirche werden so eben Salven gegeben. Das Militär bläst mit dem Horne und feuert auch sofort in die wehrlose Menge. Es herrscht keine Einigkeit im Volke, kein Entschluß der Massen. Man sieht keine Bewaffnete. Das Palais des Ministers Brandenburg dient der preußischen Metzgerbande als Hauptquartier. Es ist weiter noch nichts als ein vergrößerter Putsch, den heute wahrscheinlich nach Einholung einer telegraphischen Depesche lediglich das Militär durch seine ganz improvisirte Demonstration hervorgerufen hat, um den Belagerungszustand dekretiren zu können. Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daß das Militär sich mit all' der Bestialität der Uckermark benimmt und namentlich in Massen schießt, von denen es weiß, daß sie wehrlos sind. 9 Uhr. Büttner- und Nikolaistraßen-Ecke haben sich Proletarier, meist Maurer, in einem unausgebauten Hause verschanzt. Dort sind bis jetzt vier Soldaten getödtet worden. In den vier Löwen sind vier Bürger getödtet worden. Ein Offizier wurde durch einen Schuß aus dem blauen Hirsch getödtet. Das Militär wird sich, wenn es die innere Stadt nicht behaupten kann, in die Vorstädte zurückziehen. Die Artillerie soll dann mit Kartätschen die Straßen säubern. Die Masse des Proletariats nimmt bis jetzt noch keinen Antheil am Kampfe. Alle Aeußerungen, die ich in seinen Gruppen vernehme, deuten auf größeren Haß gegen die Bourgeoisie als gegen die preußischen Banditen. Eine Frau äußerte über den Druck des Kapitals auf das Volk gründlichere Ansichten, als die meisten der offiziellen Sozialisten, die ich hier habe reden hören. Man hat die Soldaten, um sie zur Wuth anzufachen, mit Schnaps besoffen gemacht. Sie singen in der Nähe des Palais Brandenburg: „Ich bin ein Preuße!“ Wir glauben ihnen das nach ihren Akten von Bestialität. Das reaktionäre Gesindel in der Schweidnitzer Vorstadt hetzt und traktirt diese bezahlten Volksmörder. 9 3/4 Uhr. Der Kampf hat eine entschiedene Wendung genommen. Barrikaden überall; aber noch immer kein Sturmläuten. In der Nikolai- und Ohlauerstraße ist das Feuer sehr lebhaft; besonders aber an der Jägerkaserne. Dort schießt man mit Kanonen auf eine Barrikade in ber Weidenstraße. — Kochendes Oel und Wasser, Projektile aller Art werden aus den Häusern auf das „herrliche Kriegsheer“ herabgegossen. Ein schwer verwundeter Kürassier liegt dicht in meiner Nähe. Andere Kürassiere bringen eben 5 Männer in die Schweidnitzer Thorwache, die schrecklich verstümmelt sind. Mehrere Waffenläden sind gestürmt worden. 11 Uhr. Die Mordbanden wüthen gräßlich. So eben sendet ein Offizier in meiner Nähe eine Patrouille mit dem Befehle aus, in jedes Fenster, wo ein Licht brenne, zu schießen, weil von dort her die meisten Offiziere erschossen worden. Das 22. Regiment, lauter Wasserpolacken, zeichnet sich im brutalen Morden Unschuldiger ganz besonders aus. Es sind Scheußlichkeiten verübt worden, die keine Feder beschreiben kann. Ich sah drei Gefangene einbringen. Der eine erhob in der Wache, wohin er gebracht war, bald ein ungeheures Geschrei, als ob er ermordet worden. Zwei andere wurden von einer wüthenden Soldatenmeute gebracht, die sie bei den Haaren hielt und ihnen die Köpfe aneinander schlug. Das Militär ist vollständig Herr der Stadt und mordet in hohenzoller'scher Schnapscourage nach Herzenslust. Es ist mir unmöglich, Ihnen diese Bestialitäten zu beschreiben, die alle Gräuel, welche ich die Kroaten in Wien verüben sah, bei Weitem überbieten Eben zieht die besoffene, in Blut triefende Bande, die seit zwei Tagen mit findierter Absicht abgerichtet worden, gleich Thieren über das wehrlose Volk herzufallen, unter jubelnden Gesängen an mir vorüber. Schon seit Mittag sind die Straßen unsicher. Ein Wildpretthändler am Ring hatte eben etwas vor seinem Hause zu verrichten und wurde von einer Spitzkugel durch den Kopf getroffen. Jetzt, um zwei Uhr in der Nacht, scheint sich der Kampf legen zu wollen, ein heftiger Gußregen stürzt herab. Mehrere Stabsoffiziere sollen gefallen sein. Die Demokraten haben sich rein geopfert. Die Schwarzweißen jubeln, daß nun überall der Belagerungszustand eingeführt wird. 61 Breslau, 8. Mai. Ein heute angekommener Reisender aus Krakau erzählte, daß 14,000 Mann Russen mit 30 Geschützen über Krakau in Oestreich eingerückt seien und den Weg nach Teschen genommen hätten. Die Russen stehen also auf deutschem Gebiet. Um 2 Uhr ließ Graf Monts ein Plakat mit dem Befehl anschlagen, die Waffen um 2 Uhr abzuliefern; dann wurde die Ablieferungszeit bis 1/2 5 Uhr verlängert, widrigenfalls dieselben durch Militär abgeholt würden. Auf allen Bahnhöfen steht Polizei, Militär und Gensd'armerie, welche die ankommenden Züge durchstöbern. An den Brücken findet eine abermalige Durchsuchung der Wagen und Effekten statt. Das Militär benimmt sich dabei preußisch-brutal. Ich sah, wie besoffene Unteroffiziere einen solchen Wagen durchforschten, worin ihrer Aeußerung nach Polen saßen, und ein anderer Unteroffizier es ihnen vorwarf, daß sie die Polenhunde nicht ohne weiters erschlagen. Hie und da trägt ein feiger Bourgeois ein Gewehr mit Ostentation zur Ablieferung. Am Schlusse seiner Standrechtsbekanntmachung hat Graf Monts die preußische Naivetät, zu sagen: „Der Betrieb der bürgerlichen Geschäfte, der königlichen und Privatarbeiten, des Handels und der Gewerbe wird durch Erklärung des Belagerungszustandes weiter nicht beschränkt.“ Um 10 Uhr müssen alle Wirthshäuser geschlossen sein, mehr als 20 Personen dürfen nicht beisammen stehen. Die Läden blieben heute den ganzen Tag geschlossen, das Militär bivouakirt noch immer auf den Straßen, und benimmt sich mit der gewohnten Brutalität. Monts spricht in seinen Maueranschlägen wie Wrangel, er wisse die guten Bürger von einer Partei zu unterscheiden, welche die Exzesse provozirt habe. Warum nimmt er den guten Bürgern denn die Waffen ab? Die Straßen und öffentlichen Orte wimmeln von Spionen. Es macht einen komischen Eindruck, wenn man die mit der deutschen Kokarde geschmückten Mörder diejenigen niedermetzeln sieht, welche eben weiter nichts als diese Kokardenfarben vertheidigen wollen. Es sollen 40 Offiziere theils verwundet, theils geblieben sein. Die Stadt ist heute und bis zu diesem Augenblicke (6 Uhr Abends) anscheinend ruhig, und man erblickt nirgendwo die gestrigen Proletariatmassen. Gestern Abend sah ich einen Gefangenen einbringen, den die Schnapshelden furchtbar malträtirten; die Offiziere ritten nebenher, als ob sie die Sache nicht angehe. Der Mord ist preußisches Privilegium. Indessen sind die Wanzenritter nur darum so ultraunverschämt, weil in Frankreich noch diese Infamie herrscht, und noch keine neue Revolution sich anschickte, das Gesindel vom Erdboden zu vertilgen. 61 Breslau, 8. Mai. Der Belagerungszustand ist erklärt, niemand stört sich daran. Die in der Nacht vom Militär verübten Greuel sind um so fürchterlicher, als der Kampf nur erst an einzelnen Punkten stattgefunden. Das 23. Inf.-Regiment hat sich durch kannibalische Schlächtereien und durch Stehlen besonders hervorgethan. In der Ahlauerstraße, bei der goldenen Weintraube, in der blauen Hirschengasse und an mehreren anderen Punkten hat eine äußerst hartnäckige Vertheidigung stattgefunden, ebenso beim deutschen Hause und in der Nikolaistraße. Oberst Engelmann an der Spitze einer kleinen Freischar hat sich auf das Heldenmüthigste hervorgethan. Es sollen vom Militär an 87 geblieben sein. Ein Postsekretär, der nach Hause gehen wollte, wurde vom Militär mit Kolbenschlägen niedergehauen. Die 23er stürzten in die Häuser und metzelten mit einem Vergnügen, wie es bloß diese feigen Hunde, die in wirklichen Schlachten stets ausreißen, fühlen können. Die Offiziere sahen lachend zu. Blut und Gehirn liegt in den Straßen. 4000 Weber vom Gebirge werden erwartet. Alle Kirchen waren besetzt, das Sturmläuten unmöglich, weil die in die Kirchen Dringenden von dem darin versteckten („herrliches Kriegsheer!“) Militär sofort niedergemetzelt wurden. Vom Civil sind bisher nur 5 Todte bekannt, abgesehen von denen, welche in den Häusern verborgen werden. Einer Frau wurde der kranke Sohn aus reinem Vergnügen der Spießgesellen des Herrn Hohenzollern im Bette getödtet. Die Offiziere lösen mit Fleiß alle Bande der Disziplin. Unterdessen man das „Gesindel, den Pöbel“ niedermetzelt, hält das Bourgeoisgeschmeiß, wie ich mit eigenen Augen gesehen, Champagnerbachanalien und füttert die Soldateska. Was davon nicht in der Stadt bleiben will, hat sich in Zettlitz Hotel geflüchtet. Sämmtliche Läden sind geschlossen. Es soll heute von neuem, aber weit nachdrücklicher und erbitterter losgehen. Auf Engelmann, Elsner, Stein und andere wird gefahndet, aber es ist noch keiner von ihnen verhaftet. 12 Uhr. Eben werden die Barbareien des Belagerungszustandes bekannt gemacht. Aufhebung der Presse, der Vereine, Ablieferung der Waffen u. s. w. Die letztern sollen heute Nachmittag abgegeben werden. Das Volk hat den Muth verloren. Wie immer, so haben auch diesmal nur verzweifelte Proletarier am Kampfe Theil genommen, während die Bourgeoisie sich und ihre Waffen versteckt hielt. Findet bei Ablieferung der Waffen Widerstand statt, so soll die Stadt bombardirt werden. Das Judenthum fährt fort, die hohenzollern'schen Banditen mit Butterschnitten, Kalbsschlöpeln, Schnaps u. dergl. zu erheitern. Mögen Sie am Rhein für günstige Fälle nicht vergessen, daß nicht Windischgrätz, nicht Wrangel, nicht Monts, sondern die Bourgeois- und Juden-Verräther für die Henkereien verantwortlich gemacht werden müssen. Auch Geld wird unter die Soldaten vertheilt, damit sie sich heute wieder preußischen Muth trinken. Die Demokraten werden in den Straßen eingefangen. Auch Engelmann soll in die Hände der Polizei gefallen sein. Alle Fremden müssen die Stadt verlassen. Die schwarzen Husaren sollen heute noch hier einrücken. Die Mißhandlung des Volks durch die Soldateska ist entsetzlich; jeden Augenblick sieht man auf der Straße neue Greuel. Die Soldaten sind ganz darauf abgerichtet, die Leute aus dem Volk viehmäßig todt zu schlagen. Das Militär lagert massenweise in den Straßen und benimmt sich selbst gegen Frauen, wie es weder die Kroaten noch Kosaken gethan. Der Absolutismus versetzt ganz Deutschland in Belagerungszustand und wird nicht eher aufhören, bis die nichtuniformirte Bevölkerung ausgemordet und verelendet ist. Es widert mich, Ihnen mehr zu schreiben. Das Hauptunglück besteht darin, daß das Volk gar keine Führer hat, und von den bekannten demokratischen Autoritäten sich keiner hat blicken lassen. Der Krawall, ich wiederhole es, ist lediglich von der Kontrerevolution hervorgerufen worden, um den Belagerungszustand zu erklären und das Volk zu entwaffnen. Ein bewaffnetes Breslau paßt den magyarischen Siegen gegenüber nicht in den Kram des Standrechtsministeriums Manteuffel. Die demokratische Partei hätte darum klüger gethan, jeden Anlaß zur Belagerung zu vermeiden und die nahe Entscheidung in Wien abzuwarten. Ein wesentlicher Grund für den Belagerungszustand sind die magyarischen Siegesbülletins, welche die Presse täglich veröffentlicht hat, und welche den preußischen Heldenmuth nicht wenig in Alarm versetzt. Man weiß bereits, der Belagerungszustand ist mit der raffinirtesten Infamie herbeigeführt worden. Es ist gewiß, daß das Polizeipräsidium die Volksversammlung, die anonym berufen wurde, ausgeschrieben hat, Die Ermahnung des Magistrats, und die von gestern datirte Belagerung gehört mit zu den Manövern, von denen die Demokraten sich haben düpiren lassen. So hat man erreicht was man wollte, man hat Breslau beim Einmarsch der Russen entwaffnet. Wien, 7. Mai. Der „Wanderer“ enthält nachstehendes Handschreiben des Standrechtskaisers an den Feldzeugmeister Nugent: Lieber Graf Nugent! Indem Ich die Ausübung des Mir verfassungsmäßig zustehenden Oberbefehles über Meine sämmtlichen Heere selbst zu übernehmen befunden habe, setze ich Sie mittelst der Anlage von demjenigen in Kenntniß, was Ich in dieser Hinsicht unter Einem an Meinen Kriegsminister erlassen habe. Olmütz, am 30. April 1849. Franz Joseph. Abschrift. Lieber Freiherr v. Cordon! Kraft des Mir zustehenden verfassungsmäßigen Rechtes übernehme Ich selbst die Ausübung des Oberbefehls über Meine sämmtlichen Heere und finde demgemäß diejenigen Punkte zu bezeichnen, über welche Ich Mir ausschließlich die Entscheidung vorbehalten wissen will, und zwar: 1. Alle größeren Truppenbewegungen aus einem General-Kommando in das andere; kleine Aenderungen in der Truppen-Dislokation, welche dringende Umstände erheischen, sind Mir nachträglich sogleich zur Kenntniß zu bringen. 2. Da Ich in Meiner obgedachten Eigenschaft der Aufrechthaltung der bestehenden, rein militärischen Dienstnormen und Reglements Meine besondere Sorgfalt widmen werde, so können grundsätzliche Abanderungen dieser Vorschriften auch nur von Mir ausgehen. 3 Die Personalien vom Stabsoffiziere aufwärts nach den Anträgen derjenigen, welche bisher hierzu befugt waren, oder nach Meiner eigenen Selbstbestimmung. In Betreff der Ernennung, Anstellung, Pensionirung u. dergl. der Generale werde Ich Mich mit den kommandirenden Generalen der Armee im Felde und mit jenen in den Ländern, welche die hier allein maßgebende Befähigung kompetent zu beurtheilen in der Lage sind, direkt in Verbindung setzen und dann nach Meiner Ueberzeugung entscheiden. 4. In Kriegszeiten kann nur Mir allein die außerordentliche Disposition über das gesammte Kriegsmaterial zu Lande und zur See anheimgestellt sein, nicht minder in Friedenszeiten die Ausführung der fortifikatorischen Bauten, insofern dieselben überhaupt gehörig bewilligt und bedeckt sind, auch in Bezug auf die etwa von der Vorschrift abweichende Art und Weise ihrer Vollendung Zur Besorgung dieser Geschäfte werde Ich Mir eine Militär-Centralkanzlei bilden, zu deren Vorstand Ich Meinen ersten General-Adjudanten bestimme. Indem Ich noch beifüge, daß die bisherige Behandlung der übrigen Gegenstände der Kriegsverwaltung, insofern solche ausschließlich Meiner Genehmigung unterzogen werden mußte, unverändert fortzubestehen habe, setze Ich unter Einem sowohl den Feldmarschall Grafen Radetzky und Feldzeugmeister Baron Welden als auch sämmtliche kommandirende Generale in den Ländern von dieser Meiner Anordnung in Kenntniß. Olmütz, am 30. April 1849. Franz Joseph. Dresden, 8. Mai. Unter vorstehendem Datum berichtet die „D. A. Z.“ über die Fortdauer der Schlacht Folgendes: Vormittags 11. Uhr. Heute früh sind wieder zwei Bataillone Preußen eingerückt. Die Kanonade dauert ununterbrochen fort; der Kreuzthurm jedoch ist noch nicht, wie ich gestern meldete, in den Händen der Truppen. Die Stadt ist von allen Seiten umzingelt und es dürfte daher nur Wenigen die Flucht gelingen. Die Eisenbahnhöfe sind stark besetzt und Niemand wird fortgelassen, der sich nicht gehörig legitimiren kann. Der Oberkommandant des Aufstandes, Oberstlieutenant Heinze (gewesenes Mitglied der I. Kammer,) ist diesen Morgen gefangen genommen worden. Soeben wird er an meinen Fenstern, unter Bedeckung eines starken Detachements Infanterie vorbeigeführt; er geht in Civilkleidern. Die Transporte der Gefangenen mehren sich. Eine Unzahl Waffen sind von dem Militär erbeutet worden. Nachmittags 4 1/2 Uhr. Außer dem Oberkommandanten Heinze sollen noch mehre Leiter des Aufstandes und selbst ein Mitglied der provisorischen Regierung gefangen worden sein. Das Gerücht, daß Heinze bereits standrechtlich verurtheilt und erschossen worden, ist sehr verbreitet, indeß nicht beglaubigt. Wahrscheinlich wird morgen der vollständige Belagerungszustand erklärt werden. Der Aufstand ist noch nicht besiegt, in diesem Augenblicke rasseln zwei Geschütze reitender Artillerie die Meißner Gasse hinab nach der Gegend des Leipziger-Dresdner Bahnhofs. Den 9. Mai. Früh 5 Uhr. Das Feuern hat seit einer Stunde in Altstadt wieder begonnen. Dresden ist in einem Umkreise von zwei Stunden militärisch umschlossen. Erfolgt bis heute Nachmittag 2 Uhr keine Unterwerfung, so soll das schwere Geschütz gebraucht werden. Mittags, 12 Uhr. Der Kampf ist geendet. Nach 10 Uhr wurde Generalmarsch geschlagen. Es entstand eine große Bewegung unter den in Neustadt befindlichen Truppen. Es hieß: der Kreuzthum hat sich ergeben; der noch nicht genommene Theil der Altstadt hat sich ergeben! Wirklich wehten auf dem Kreuzthurme die ersehnten weißen Fahnen. Im Sturmschritte zogen die Truppen aus Neustadt über die Brücke, um die im Feuer gewesenen Kameraden abzulösen, welche um halb 12 Uhr zurückkamen. Viele Gefangene, eine Menge eroberte Wagen, auch drei große Fässer Pulver werden herübergebracht. Von Abends 6 Uhr an tritt im Umkreise von drei Meilen um Dresden der Belagerungszustand ein. — Gestern Abend ist der Bürgermeister Tzschucke aus Meißen mit 40 M. Reiterei hierher abgeführt worden. 9. Mai. 2 Uhr Nachmittags. Die provisorische Regierung hat ihren Sitz nach Freiberg verlegt. Die Bewaffneten des Volks haben sich eben dorthin zurückgezogen. Der Kampf in Dresden ist zu Ende, aber nicht der Kampf des sächsischen Volks gegen die einheimischen wie auswärtigen Mordgesellen „von Gottes Gnaden.“ * Aus Schleswig-Holstein, 8. Mai. Gestern haben die Reichstruppen nach einem ziemlich langen und heftigen Gefecht Veile besetzt; die Dänen flüchteten sich nach Fridericia. * Frankfurt, 9. Mai. Die äußerste Linke hat folgenden Aufruf erlassen: „Deutsches Volk! Zu den Waffen deutsche Männer in allen Gauen des Vaterlandes! Die Verbindung der Fürsten, welche Hochverrath an dem Volke und dem Vaterlande begehen wollen, liegt klar zu Tage. Verbindet auch Euch und erhebt Euch um das Vaterland zu retten. Schon kämpfen Eure Brüder in Sachsen und der Pfalz für Euch; laßt sie nicht untergehen. Nachbarstämme der Sachsen und der Pfälzer, an Euch ist es zunächst, — zieht hin zu Euren Brüdern, zieht hin und helft — helft ihnen und es wird auch Euch geholfen sein. Ihr könnt nicht zaudern, dürft nicht zaudern, Ihr dürft sie nicht allein stehen lassen, die aufgestanden sind das Recht in einer Hand und in der andern das Schwert. Das Schwert für Euer Recht! Helft mit den Waffen, und wenn Ihr die nicht habt, helft sonst, helft wie Ihr könnt — nur helft! Ihr andern Stämme auch erhebt Euch, waffnet Euch und zeigt dem Despotismus und der Barbarei, die Euch entgegenstehen, die festgeschaarte Macht des Volkes, das sein Recht verlangt. Gerechtern Kampf hat es nie gegeben. Zu den Waffen, Männer zu den Waffen! Frankfurt, 8. Mai 1849. Die äußerste Linke der deutschen Nationalversammlung. * Frankfurt 9. Mai. Nationalversammlung. Präsident Simon eröffnet die Sitzung 10 1/4 Uhr Die Tribünen und der Platz vor der Paulskirche sind gedrängt voll Menschen. Rösler von Oels interpellirt höchst zeitgemäß unb patrotisch wegen der Fortsetzung des Hazardspiels in Hamburg. Der gelbe Reichsgimpel erhält von dem komischen Minister der sogenannten Reichsjustiz, Geldmacher Mohl, die Beruhigung daß das Spiel heute aufhören wird. Der ehemalige hessische Schnapsbrenner, Edler von Gagern: Ich habe gestern ein Programm über die Stellung des Reichsministeriums zu den Bewegungen in Deutschland in später Abendstunde dem Erzherzog Reichsverweser vorgelegt. Nach einer Konferenz heute Morgen hat der Reichsverweser eine Bedenkzeit von 24 Stunden verlangt. Ich komme daher auf meine Bitte von gestern zurück, die Sitzung bis morgen zu vertagen. (Bis die Schurken überall Truppen concentrirt.) Sollte das Haus auf meine Bitte nicht eingehen, so könnte das Ministerium „als solches“ an den Verhandlungen keinen Theil nehmen. (Als ob bei den russischen Unterknäsen in Deutschland irgend etwas von der „Entscheidung“ der blödsinnigen Reichsverfassung abhinge! Was die Zustände in Sachsen betrifft, so habe ich die Ehre gehabt, Ihnen gestern mitzutheilen, daß der zuerst ernannte Reichskommissär seine Vollmacht nicht annehmen zu wollen, durch eine telegraphische Depesche hierher erklärt hat. Als aber das Mitglied der Versammlung Herr Wydenbrugk nach Weimar kam und die dringenden Verhältnisse die in Sachsen das Einschreiten der Reichsgewalt so sehr wünschenswerth machen, von dem ernannten Kommissär in Erwägung gezogen wurden, hat er alle Bedenklichkeiten bei Seite gesetzt und durch telegraphische Depesche bin ich gestern Abends in Kenntniß gesetzt worden, daß er sich sofort nach Dresden begeben hat, um seiner Vollmacht gemäß zu handeln. Wie dringend es nothwendig ist, über die sächsischen höchst traurigen Zustände vorerst!! bis zur Entscheidung durch die Waffen!!) die Berichte dieses Kommissärs abzuwarten, das kann niemand verkennen. Die Stadt Leipzig hat sich durch einen Abgeordneten an das Reichsministerium gewendet, und unter den Schutz der Centralgewalt gestellt. (Der Centralgewalt, welche alle Erhebungen für ihre „Reichsverfassung“ an die schnapswüthigen russischen Unterknäse verräth!) Was die Vorgänge in der Pfalz betrifft, so besteht dort gar kein Konflikt zwischen den Parteien und den Civil- (!!!) Behörden. (Während die preußischen Kroaten eingerückt sind!) Es ist also kein anderes „Einschreiten“ dringend, als das eines Reichscommissairs zur Prüfung der wechselseitigen Schritte. Aus allen diesen Gründen verlangt der Edle Vertagung über den Hülferuf der für seine Verfassungs- und Kaiserschweinereien blutenden Volker. (Als Curiosum, daß dem „Edlen“ doch ein baldiges Ende vor Augen schwebt, mag indeß dienen, daß er nach neuesten Nachrichten seinen Bedienten in die Witwenkasse eingekauft hat.) Umbscheiden bekämpft das Vertagungsverlangen des Ministeriums. Aus den Vorlagen über die Verhältnisse in Sachsen und der Pfalz geht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar296_009" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1680"/> und dem 1. Kommandanten, General v. Steinäcker, unterzeichnet. Sie erklärt die Versammlung „für eine Demonstration gegen die Regierung, weil Se. Maj. der König die Reichsverfassung noch nicht anerkannt habe;“ deshalb und weil die neulichen Erklärungen des demokratisch-konstitutionellen Vereins einen gleichen Charakter tragen, wird „unter Verweisung auf die Verordnung vom 3. April v. J über Einführung des Belagerungszustandes in Posen nicht nur jede Volksversammlung, sondern überhaupt jeder politische Verein in der Stadt und Festung Posen und deren Rayon verboten“ und endlich die Drohung ausgesprochen, „daß die auf heute ausgeschriebene Volksversammlung nöthigen Falls mit der zu Gebote stehenden Militärmacht verhindert werden würde.“ Diesen Worten Nachdruck zu geben, waren denn auch die Zugänge zum Welden'schen Lokal militärisch besetzt und auf dem Kanonenplatz ein Bataillon Infanterie aufgestellt. Es ist unbeschreiblich, welchen Eindruck diese Maßregel selbst unter den indifferentesten Theilen der Bevölkerung hervorbringt.</p> <bibl>(N. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar296_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Breslau, 7. Mai. 7 3/4 Uhr Abends.</head> <p>Der größte Theil der innern Stadt ist ohne Barrikaden, nirgends zeigt sich ein kühner, entschlossener Angriff der Massen. Die vier Löwen sind abgedeckt, und man hat Vitriol auf das Militär hinabgegossen. An der Elisabethkirche werden so eben Salven gegeben. Das Militär bläst mit dem Horne und feuert auch sofort in die wehrlose Menge. Es herrscht keine Einigkeit im Volke, kein Entschluß der Massen. Man sieht keine Bewaffnete. Das Palais des Ministers Brandenburg dient der preußischen Metzgerbande als Hauptquartier.</p> <p>Es ist weiter noch nichts als ein vergrößerter Putsch, den heute wahrscheinlich nach Einholung einer telegraphischen Depesche lediglich das Militär durch seine ganz improvisirte Demonstration hervorgerufen hat, um den Belagerungszustand dekretiren zu können. Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daß das Militär sich mit all' der Bestialität der Uckermark benimmt und namentlich in Massen schießt, von denen es weiß, daß sie wehrlos sind.</p> <p>9 Uhr. Büttner- und Nikolaistraßen-Ecke haben sich Proletarier, meist Maurer, in einem unausgebauten Hause verschanzt. Dort sind bis jetzt vier Soldaten getödtet worden. In den vier Löwen sind vier Bürger getödtet worden. Ein Offizier wurde durch einen Schuß aus dem blauen Hirsch getödtet. Das Militär wird sich, wenn es die innere Stadt nicht behaupten kann, in die Vorstädte zurückziehen. Die Artillerie soll dann mit Kartätschen die Straßen säubern. Die Masse des Proletariats nimmt bis jetzt noch keinen Antheil am Kampfe. Alle Aeußerungen, die ich in seinen Gruppen vernehme, deuten auf größeren Haß gegen die Bourgeoisie als gegen die preußischen Banditen. Eine Frau äußerte über den Druck des Kapitals auf das Volk gründlichere Ansichten, als die meisten der offiziellen Sozialisten, die ich hier habe reden hören. Man hat die Soldaten, um sie zur Wuth anzufachen, mit Schnaps besoffen gemacht. Sie singen in der Nähe des Palais Brandenburg: „Ich bin ein Preuße!“ Wir glauben ihnen das nach ihren Akten von Bestialität. Das reaktionäre Gesindel in der Schweidnitzer Vorstadt hetzt und traktirt diese bezahlten Volksmörder.</p> <p>9 3/4 Uhr. Der Kampf hat eine entschiedene Wendung genommen. Barrikaden überall; aber noch immer kein Sturmläuten. In der Nikolai- und Ohlauerstraße ist das Feuer sehr lebhaft; besonders aber an der Jägerkaserne. Dort schießt man mit Kanonen auf eine Barrikade in ber Weidenstraße. — Kochendes Oel und Wasser, Projektile aller Art werden aus den Häusern auf das „herrliche Kriegsheer“ herabgegossen. Ein schwer verwundeter Kürassier liegt dicht in meiner Nähe. Andere Kürassiere bringen eben 5 Männer in die Schweidnitzer Thorwache, die schrecklich verstümmelt sind.</p> <p>Mehrere Waffenläden sind gestürmt worden.</p> <p>11 Uhr. Die Mordbanden wüthen gräßlich. So eben sendet ein Offizier in meiner Nähe eine Patrouille mit dem Befehle aus, in jedes Fenster, wo ein Licht brenne, zu schießen, weil von dort her die meisten Offiziere erschossen worden. Das 22. Regiment, lauter Wasserpolacken, zeichnet sich im brutalen Morden Unschuldiger ganz besonders aus. Es sind Scheußlichkeiten verübt worden, die keine Feder beschreiben kann. Ich sah drei Gefangene einbringen. Der eine erhob in der Wache, wohin er gebracht war, bald ein ungeheures Geschrei, als ob er ermordet worden. Zwei andere wurden von einer wüthenden Soldatenmeute gebracht, die sie bei den Haaren hielt und ihnen die Köpfe aneinander schlug. Das Militär ist vollständig Herr der Stadt und mordet in hohenzoller'scher Schnapscourage nach Herzenslust. Es ist mir unmöglich, Ihnen diese Bestialitäten zu beschreiben, die alle Gräuel, welche ich die Kroaten in Wien verüben sah, bei Weitem überbieten</p> <p>Eben zieht die besoffene, in Blut triefende Bande, die seit zwei Tagen mit findierter Absicht abgerichtet worden, gleich Thieren über das wehrlose Volk herzufallen, unter jubelnden Gesängen an mir vorüber.</p> <p>Schon seit Mittag sind die Straßen unsicher. Ein Wildpretthändler am Ring hatte eben etwas vor seinem Hause zu verrichten und wurde von einer Spitzkugel durch den Kopf getroffen. Jetzt, um zwei Uhr in der Nacht, scheint sich der Kampf legen zu wollen, ein heftiger Gußregen stürzt herab.</p> <p>Mehrere Stabsoffiziere sollen gefallen sein. Die Demokraten haben sich rein geopfert.</p> <p>Die Schwarzweißen jubeln, daß nun überall der Belagerungszustand eingeführt wird.</p> </div> <div xml:id="ar296_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Breslau, 8. Mai.</head> <p>Ein heute angekommener Reisender aus Krakau erzählte, daß 14,000 Mann Russen mit 30 Geschützen über Krakau in Oestreich eingerückt seien und den Weg nach Teschen genommen hätten. <hi rendition="#g">Die Russen stehen also auf deutschem Gebiet</hi>.</p> <p>Um 2 Uhr ließ Graf <hi rendition="#g">Monts</hi> ein Plakat mit dem Befehl anschlagen, die Waffen um 2 Uhr abzuliefern; dann wurde die Ablieferungszeit bis 1/2 5 Uhr verlängert, widrigenfalls dieselben durch Militär abgeholt würden. Auf allen Bahnhöfen steht Polizei, Militär und Gensd'armerie, welche die ankommenden Züge durchstöbern. An den Brücken findet eine abermalige Durchsuchung der Wagen und Effekten statt. Das Militär benimmt sich dabei preußisch-brutal. Ich sah, wie besoffene Unteroffiziere einen solchen Wagen durchforschten, worin ihrer Aeußerung nach Polen saßen, und ein anderer Unteroffizier es ihnen vorwarf, daß sie die Polenhunde nicht ohne weiters erschlagen. Hie und da trägt ein feiger Bourgeois ein Gewehr mit Ostentation zur Ablieferung. Am Schlusse seiner Standrechtsbekanntmachung hat Graf Monts die preußische Naivetät, zu sagen: „Der Betrieb der bürgerlichen Geschäfte, der königlichen und Privatarbeiten, des Handels und der Gewerbe wird durch Erklärung des Belagerungszustandes weiter nicht beschränkt.“ Um 10 Uhr müssen alle Wirthshäuser geschlossen sein, mehr als 20 Personen dürfen nicht beisammen stehen. Die Läden blieben heute den ganzen Tag geschlossen, das Militär bivouakirt noch immer auf den Straßen, und benimmt sich mit der gewohnten Brutalität. <hi rendition="#g">Monts</hi> spricht in seinen Maueranschlägen wie Wrangel, er wisse die guten Bürger von einer Partei zu unterscheiden, welche die Exzesse provozirt habe. Warum nimmt er den guten Bürgern denn die Waffen ab? Die Straßen und öffentlichen Orte wimmeln von Spionen.</p> <p>Es macht einen komischen Eindruck, wenn man die mit der deutschen Kokarde geschmückten Mörder diejenigen niedermetzeln sieht, welche eben weiter nichts als diese Kokardenfarben vertheidigen wollen. Es sollen 40 Offiziere theils verwundet, theils geblieben sein. Die Stadt ist heute und bis zu diesem Augenblicke (6 Uhr Abends) anscheinend ruhig, und man erblickt nirgendwo die gestrigen Proletariatmassen.</p> <p>Gestern Abend sah ich einen Gefangenen einbringen, den die Schnapshelden furchtbar malträtirten; die Offiziere ritten nebenher, als ob sie die Sache nicht angehe. Der Mord ist preußisches Privilegium. Indessen sind die Wanzenritter nur darum so ultraunverschämt, weil in Frankreich noch diese Infamie herrscht, und noch keine neue Revolution sich anschickte, das Gesindel vom Erdboden zu vertilgen.</p> </div> <div xml:id="ar296_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Breslau, 8. Mai.</head> <p>Der Belagerungszustand ist erklärt, niemand stört sich daran. Die in der Nacht vom Militär verübten Greuel sind um so fürchterlicher, als der Kampf nur erst an einzelnen Punkten stattgefunden. Das 23. Inf.-Regiment hat sich durch kannibalische Schlächtereien und durch <hi rendition="#b">Stehlen</hi> besonders hervorgethan. In der Ahlauerstraße, bei der goldenen Weintraube, in der blauen Hirschengasse und an mehreren anderen Punkten hat eine äußerst hartnäckige Vertheidigung stattgefunden, ebenso beim deutschen Hause und in der Nikolaistraße. Oberst Engelmann an der Spitze einer kleinen Freischar hat sich auf das Heldenmüthigste hervorgethan. Es sollen vom Militär an 87 geblieben sein. Ein Postsekretär, der nach Hause gehen wollte, wurde vom Militär mit Kolbenschlägen niedergehauen. Die 23er stürzten in die Häuser und metzelten mit einem Vergnügen, wie es bloß diese feigen Hunde, die in wirklichen Schlachten stets ausreißen, fühlen können. Die Offiziere sahen lachend zu. Blut und Gehirn liegt in den Straßen. 4000 Weber vom Gebirge werden erwartet. Alle Kirchen waren besetzt, das Sturmläuten unmöglich, weil die in die Kirchen Dringenden von dem darin <hi rendition="#g">versteckten</hi> („herrliches Kriegsheer!“) Militär sofort niedergemetzelt wurden. Vom Civil sind bisher nur 5 Todte bekannt, abgesehen von denen, welche in den Häusern verborgen werden. Einer Frau wurde der kranke Sohn aus reinem Vergnügen der Spießgesellen des Herrn Hohenzollern im Bette getödtet. Die Offiziere lösen mit Fleiß alle Bande der Disziplin. Unterdessen man das „Gesindel, den Pöbel“ niedermetzelt, hält das Bourgeoisgeschmeiß, wie ich mit eigenen Augen gesehen, Champagnerbachanalien und füttert die Soldateska. Was davon nicht in der Stadt bleiben will, hat sich in Zettlitz Hotel geflüchtet. Sämmtliche Läden sind geschlossen. Es soll heute von neuem, aber weit nachdrücklicher und erbitterter losgehen. Auf Engelmann, Elsner, Stein und andere wird gefahndet, aber es ist noch keiner von ihnen verhaftet.</p> <p>12 <hi rendition="#g">Uhr</hi>. Eben werden die Barbareien des Belagerungszustandes bekannt gemacht. Aufhebung der Presse, der Vereine, Ablieferung der Waffen u. s. w. Die letztern sollen heute Nachmittag abgegeben werden. Das Volk hat den Muth verloren. Wie immer, so haben auch diesmal nur verzweifelte Proletarier am Kampfe Theil genommen, während die Bourgeoisie sich und ihre Waffen versteckt hielt. Findet bei Ablieferung der Waffen Widerstand statt, so soll die Stadt bombardirt werden. Das Judenthum fährt fort, die hohenzollern'schen Banditen mit Butterschnitten, Kalbsschlöpeln, Schnaps u. dergl. zu erheitern. <hi rendition="#g">Mögen Sie am Rhein für günstige Fälle</hi> nicht vergessen, daß nicht Windischgrätz, nicht Wrangel, nicht Monts, sondern die Bourgeois- und Juden-Verräther für die Henkereien verantwortlich gemacht werden müssen. Auch Geld wird unter die Soldaten vertheilt, damit sie sich heute wieder preußischen Muth trinken. Die Demokraten werden in den Straßen eingefangen. Auch Engelmann soll in die Hände der Polizei gefallen sein. Alle Fremden müssen die Stadt verlassen. Die schwarzen Husaren sollen heute noch hier einrücken. Die Mißhandlung des Volks durch die Soldateska ist entsetzlich; jeden Augenblick sieht man auf der Straße neue Greuel. Die Soldaten sind ganz darauf abgerichtet, die Leute aus dem Volk viehmäßig todt zu schlagen. Das Militär lagert massenweise in den Straßen und benimmt sich selbst gegen Frauen, wie es weder die Kroaten noch Kosaken gethan. Der Absolutismus versetzt ganz Deutschland in Belagerungszustand und wird nicht eher aufhören, bis die nichtuniformirte Bevölkerung ausgemordet und verelendet ist. Es widert mich, Ihnen mehr zu schreiben. Das Hauptunglück besteht darin, daß das Volk gar keine Führer hat, und von den bekannten demokratischen Autoritäten sich keiner hat blicken lassen. Der Krawall, ich wiederhole es, ist lediglich von der Kontrerevolution hervorgerufen worden, um den Belagerungszustand zu erklären und das Volk zu entwaffnen. Ein bewaffnetes Breslau paßt den magyarischen Siegen gegenüber nicht in den Kram des Standrechtsministeriums Manteuffel. Die demokratische Partei hätte darum klüger gethan, jeden Anlaß zur Belagerung zu vermeiden und die nahe Entscheidung in Wien abzuwarten.</p> <p>Ein wesentlicher Grund für den Belagerungszustand sind die magyarischen Siegesbülletins, welche <hi rendition="#g">die Presse</hi> täglich veröffentlicht hat, und welche den preußischen Heldenmuth nicht wenig in Alarm versetzt.</p> <p>Man weiß bereits, der Belagerungszustand ist mit der raffinirtesten Infamie herbeigeführt worden. Es ist gewiß, daß das Polizeipräsidium die Volksversammlung, die anonym berufen wurde, ausgeschrieben hat, Die Ermahnung des Magistrats, und die von gestern datirte Belagerung gehört mit zu den Manövern, von denen die Demokraten sich haben düpiren lassen. So hat man erreicht was man wollte, man hat Breslau beim Einmarsch der Russen entwaffnet.</p> </div> <div xml:id="ar296_013" type="jArticle"> <head>Wien, 7. Mai.</head> <p>Der „Wanderer“ enthält nachstehendes Handschreiben des Standrechtskaisers an den Feldzeugmeister Nugent:</p> <p>Lieber Graf Nugent!</p> <p>Indem Ich die Ausübung des Mir verfassungsmäßig zustehenden Oberbefehles über Meine sämmtlichen Heere selbst zu übernehmen befunden habe, setze ich Sie mittelst der Anlage von demjenigen in Kenntniß, was Ich in dieser Hinsicht unter Einem an Meinen Kriegsminister erlassen habe.</p> <p>Olmütz, am 30. April 1849.</p> <p>Franz Joseph.</p> <p><hi rendition="#g">Abschrift</hi>.</p> <p>Lieber Freiherr v. Cordon!</p> <p>Kraft des Mir zustehenden verfassungsmäßigen Rechtes übernehme Ich selbst die Ausübung des Oberbefehls über Meine sämmtlichen Heere und finde demgemäß diejenigen Punkte zu bezeichnen, über welche Ich Mir ausschließlich die Entscheidung vorbehalten wissen will, und zwar:</p> <p>1. Alle größeren Truppenbewegungen aus einem General-Kommando in das andere; kleine Aenderungen in der Truppen-Dislokation, welche dringende Umstände erheischen, sind Mir nachträglich sogleich zur Kenntniß zu bringen.</p> <p>2. Da Ich in Meiner obgedachten Eigenschaft der Aufrechthaltung der bestehenden, rein militärischen Dienstnormen und Reglements Meine besondere Sorgfalt widmen werde, so können grundsätzliche Abanderungen dieser Vorschriften auch nur von Mir ausgehen.</p> <p>3 Die Personalien vom Stabsoffiziere aufwärts nach den Anträgen derjenigen, welche bisher hierzu befugt waren, oder nach Meiner eigenen Selbstbestimmung. In Betreff der Ernennung, Anstellung, Pensionirung u. dergl. der Generale werde Ich Mich mit den kommandirenden Generalen der Armee im Felde und mit jenen in den Ländern, welche die hier allein maßgebende Befähigung kompetent zu beurtheilen in der Lage sind, direkt in Verbindung setzen und dann nach Meiner Ueberzeugung entscheiden.</p> <p>4. In Kriegszeiten kann nur Mir allein die außerordentliche Disposition über das gesammte Kriegsmaterial zu Lande und zur See anheimgestellt sein, nicht minder in Friedenszeiten die Ausführung der fortifikatorischen Bauten, insofern dieselben überhaupt gehörig bewilligt und bedeckt sind, auch in Bezug auf die etwa von der Vorschrift abweichende Art und Weise ihrer Vollendung Zur Besorgung dieser Geschäfte werde Ich Mir eine Militär-Centralkanzlei bilden, zu deren Vorstand Ich Meinen ersten General-Adjudanten bestimme.</p> <p>Indem Ich noch beifüge, daß die bisherige Behandlung der übrigen Gegenstände der Kriegsverwaltung, insofern solche ausschließlich Meiner Genehmigung unterzogen werden mußte, unverändert fortzubestehen habe, setze Ich unter Einem sowohl den Feldmarschall Grafen Radetzky und Feldzeugmeister Baron Welden als auch sämmtliche kommandirende Generale in den Ländern von dieser Meiner Anordnung in Kenntniß.</p> <p>Olmütz, am 30. April 1849.</p> <p>Franz Joseph.</p> </div> <div xml:id="ar296_014" type="jArticle"> <head>Dresden, 8. Mai.</head> <p>Unter vorstehendem Datum berichtet die „D. A. Z.“ über die Fortdauer der Schlacht Folgendes:</p> <p><hi rendition="#g">Vormittags 11. Uhr</hi>. Heute früh sind wieder zwei Bataillone Preußen eingerückt. Die Kanonade dauert ununterbrochen fort; der Kreuzthurm jedoch ist noch nicht, wie ich gestern meldete, in den Händen der Truppen. Die Stadt ist von allen Seiten umzingelt und es dürfte daher nur Wenigen die Flucht gelingen. Die Eisenbahnhöfe sind stark besetzt und Niemand wird fortgelassen, der sich nicht gehörig legitimiren kann. Der Oberkommandant des Aufstandes, Oberstlieutenant Heinze (gewesenes Mitglied der I. Kammer,) ist diesen Morgen gefangen genommen worden. Soeben wird er an meinen Fenstern, unter Bedeckung eines starken Detachements Infanterie vorbeigeführt; er geht in Civilkleidern. Die Transporte der Gefangenen mehren sich. Eine Unzahl Waffen sind von dem Militär erbeutet worden.</p> <p><hi rendition="#g">Nachmittags 4 1/2 Uhr</hi>. Außer dem Oberkommandanten Heinze sollen noch mehre Leiter des Aufstandes und selbst ein Mitglied der provisorischen Regierung gefangen worden sein. Das Gerücht, daß Heinze bereits standrechtlich verurtheilt und erschossen worden, ist sehr verbreitet, indeß nicht beglaubigt. Wahrscheinlich wird morgen der vollständige Belagerungszustand erklärt werden. Der Aufstand ist noch nicht besiegt, in diesem Augenblicke rasseln zwei Geschütze reitender Artillerie die Meißner Gasse hinab nach der Gegend des Leipziger-Dresdner Bahnhofs.</p> <p><hi rendition="#g">Den 9. Mai. Früh 5 Uhr</hi>. Das Feuern hat seit einer Stunde in Altstadt wieder begonnen. Dresden ist in einem Umkreise von zwei Stunden militärisch umschlossen. Erfolgt bis heute Nachmittag 2 Uhr keine Unterwerfung, so soll das schwere Geschütz gebraucht werden.</p> <p><hi rendition="#g">Mittags, 12 Uhr. Der Kampf ist geendet</hi>. Nach 10 Uhr wurde Generalmarsch geschlagen. Es entstand eine große Bewegung unter den in Neustadt befindlichen Truppen. Es hieß: der Kreuzthum hat sich ergeben; der noch nicht genommene Theil der Altstadt hat sich ergeben! Wirklich wehten auf dem Kreuzthurme die ersehnten weißen Fahnen. Im Sturmschritte zogen die Truppen aus Neustadt über die Brücke, um die im Feuer gewesenen Kameraden abzulösen, welche um halb 12 Uhr zurückkamen. Viele Gefangene, eine Menge eroberte Wagen, auch drei große Fässer Pulver werden herübergebracht. Von Abends 6 Uhr an tritt im Umkreise von <hi rendition="#b">drei</hi> Meilen um Dresden der Belagerungszustand ein. — Gestern Abend ist der Bürgermeister Tzschucke aus Meißen mit 40 M. Reiterei hierher abgeführt worden.</p> <p><hi rendition="#g">9. Mai. 2 Uhr Nachmittags</hi>. Die provisorische Regierung hat ihren Sitz nach <hi rendition="#g">Freiberg</hi> verlegt. Die Bewaffneten des Volks haben sich eben dorthin zurückgezogen. Der Kampf in Dresden ist zu Ende, aber nicht der Kampf des sächsischen Volks gegen die einheimischen wie auswärtigen Mordgesellen „von Gottes Gnaden.“</p> </div> <div xml:id="ar296_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Aus Schleswig-Holstein, 8. Mai.</head> <p>Gestern haben die Reichstruppen nach einem ziemlich langen und heftigen Gefecht <hi rendition="#g">Veile</hi> besetzt; die Dänen flüchteten sich nach Fridericia.</p> </div> <div xml:id="ar296_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 9. Mai.</head> <p>Die äußerste Linke hat folgenden Aufruf erlassen:</p> <p> <hi rendition="#b">„Deutsches Volk!</hi> </p> <p>Zu den Waffen deutsche Männer in allen Gauen des Vaterlandes!</p> <p>Die Verbindung der Fürsten, welche Hochverrath an dem Volke und dem Vaterlande begehen wollen, liegt klar zu Tage. Verbindet auch Euch und erhebt Euch um das Vaterland zu retten.</p> <p>Schon kämpfen Eure Brüder in Sachsen und der Pfalz für Euch; laßt sie nicht untergehen. Nachbarstämme der Sachsen und der Pfälzer, an Euch ist es zunächst, — zieht hin zu Euren Brüdern, zieht hin und helft — helft ihnen und es wird auch Euch geholfen sein. Ihr könnt nicht zaudern, dürft nicht zaudern, Ihr dürft sie nicht allein stehen lassen, die aufgestanden sind das Recht in einer Hand und in der andern das Schwert. Das Schwert für <hi rendition="#g">Euer Recht!</hi> </p> <p>Helft mit den Waffen, und wenn Ihr die nicht habt, helft sonst, helft wie Ihr könnt — nur helft!</p> <p>Ihr andern Stämme auch erhebt Euch, waffnet Euch und zeigt dem Despotismus und der Barbarei, die Euch entgegenstehen, die festgeschaarte Macht des Volkes, das sein Recht verlangt.</p> <p>Gerechtern Kampf hat es nie gegeben. Zu den Waffen, Männer zu den Waffen!</p> <p>Frankfurt, 8. Mai 1849.</p> <p rendition="#et">Die äußerste Linke der deutschen Nationalversammlung.<lb/> (Klubb Donnersberg.)<lb/> Brentano. Culmann. Damm. Dietsch. Erbe. Hönniger. Hoffbauer. Junghaus. Martiny. Mohr. Peter. Reichardt. Reinhardt. Richter. Rühl. Schlöffel. Schlutter. Schmidt. Schmitt. Schütz. Titus. Trützschler. Werner. Wiesner. Würth.“</p> </div> <div xml:id="ar296_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt 9. Mai.</head> <p>Nationalversammlung.</p> <p>Präsident Simon eröffnet die Sitzung 10 1/4 Uhr Die Tribünen und der Platz vor der Paulskirche sind gedrängt voll Menschen.</p> <p>Rösler von Oels interpellirt höchst zeitgemäß unb patrotisch wegen der Fortsetzung des Hazardspiels in Hamburg. Der gelbe Reichsgimpel erhält von dem komischen Minister der sogenannten Reichsjustiz, Geldmacher Mohl, die Beruhigung daß das Spiel heute aufhören wird.</p> <p>Der ehemalige hessische Schnapsbrenner, Edler von Gagern:</p> <p>Ich habe gestern ein Programm über die Stellung des Reichsministeriums zu den Bewegungen in Deutschland in später Abendstunde dem Erzherzog Reichsverweser vorgelegt. Nach einer Konferenz heute Morgen hat der Reichsverweser eine Bedenkzeit von 24 Stunden verlangt. Ich komme daher auf meine Bitte von gestern zurück, die Sitzung bis morgen zu vertagen. (Bis die Schurken überall Truppen concentrirt.) Sollte das Haus auf meine Bitte nicht eingehen, so könnte das Ministerium „<hi rendition="#g">als solches</hi>“ an den Verhandlungen keinen Theil nehmen. (Als ob bei den russischen Unterknäsen in Deutschland irgend etwas von der „Entscheidung“ der blödsinnigen Reichsverfassung abhinge!</p> <p>Was die Zustände in Sachsen betrifft, so habe ich die Ehre gehabt, Ihnen gestern mitzutheilen, daß der zuerst ernannte Reichskommissär seine Vollmacht nicht annehmen zu wollen, durch eine telegraphische Depesche hierher erklärt hat. Als aber das Mitglied der Versammlung Herr Wydenbrugk nach Weimar kam und die dringenden Verhältnisse die in Sachsen das Einschreiten der Reichsgewalt so sehr wünschenswerth machen, von dem ernannten Kommissär in Erwägung gezogen wurden, hat er alle Bedenklichkeiten bei Seite gesetzt und durch telegraphische Depesche bin ich gestern Abends in Kenntniß gesetzt worden, daß er sich sofort nach Dresden begeben hat, um seiner Vollmacht gemäß zu handeln. Wie dringend es nothwendig ist, über die sächsischen höchst traurigen Zustände <hi rendition="#g">vorerst!!</hi> bis zur Entscheidung durch die Waffen!!) die Berichte dieses Kommissärs abzuwarten, das kann niemand verkennen. Die Stadt Leipzig hat sich durch einen Abgeordneten an das Reichsministerium gewendet, und unter den Schutz der Centralgewalt gestellt. (Der Centralgewalt, welche alle Erhebungen für ihre „Reichsverfassung“ an die schnapswüthigen russischen Unterknäse verräth!)</p> <p>Was die Vorgänge in der Pfalz betrifft, so besteht dort gar kein Konflikt zwischen den Parteien und den Civil- (!!!) Behörden. (Während die preußischen Kroaten eingerückt sind!) Es ist also kein anderes „Einschreiten“ dringend, als das eines Reichscommissairs zur Prüfung der wechselseitigen Schritte. Aus allen diesen Gründen verlangt der Edle Vertagung über den Hülferuf der für seine Verfassungs- und Kaiserschweinereien blutenden Volker.</p> <p>(Als Curiosum, daß dem „Edlen“ doch ein baldiges Ende vor Augen schwebt, mag indeß dienen, daß er nach neuesten Nachrichten seinen <hi rendition="#g">Bedienten</hi> in die <hi rendition="#g">Witwen</hi>kasse eingekauft hat.)</p> <p><hi rendition="#g">Umbscheiden</hi> bekämpft das Vertagungsverlangen des Ministeriums. Aus den Vorlagen über die Verhältnisse in Sachsen und der Pfalz geht </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1680/0002]
und dem 1. Kommandanten, General v. Steinäcker, unterzeichnet. Sie erklärt die Versammlung „für eine Demonstration gegen die Regierung, weil Se. Maj. der König die Reichsverfassung noch nicht anerkannt habe;“ deshalb und weil die neulichen Erklärungen des demokratisch-konstitutionellen Vereins einen gleichen Charakter tragen, wird „unter Verweisung auf die Verordnung vom 3. April v. J über Einführung des Belagerungszustandes in Posen nicht nur jede Volksversammlung, sondern überhaupt jeder politische Verein in der Stadt und Festung Posen und deren Rayon verboten“ und endlich die Drohung ausgesprochen, „daß die auf heute ausgeschriebene Volksversammlung nöthigen Falls mit der zu Gebote stehenden Militärmacht verhindert werden würde.“ Diesen Worten Nachdruck zu geben, waren denn auch die Zugänge zum Welden'schen Lokal militärisch besetzt und auf dem Kanonenplatz ein Bataillon Infanterie aufgestellt. Es ist unbeschreiblich, welchen Eindruck diese Maßregel selbst unter den indifferentesten Theilen der Bevölkerung hervorbringt.
(N. Z.) 61 Breslau, 7. Mai. 7 3/4 Uhr Abends. Der größte Theil der innern Stadt ist ohne Barrikaden, nirgends zeigt sich ein kühner, entschlossener Angriff der Massen. Die vier Löwen sind abgedeckt, und man hat Vitriol auf das Militär hinabgegossen. An der Elisabethkirche werden so eben Salven gegeben. Das Militär bläst mit dem Horne und feuert auch sofort in die wehrlose Menge. Es herrscht keine Einigkeit im Volke, kein Entschluß der Massen. Man sieht keine Bewaffnete. Das Palais des Ministers Brandenburg dient der preußischen Metzgerbande als Hauptquartier.
Es ist weiter noch nichts als ein vergrößerter Putsch, den heute wahrscheinlich nach Einholung einer telegraphischen Depesche lediglich das Militär durch seine ganz improvisirte Demonstration hervorgerufen hat, um den Belagerungszustand dekretiren zu können. Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daß das Militär sich mit all' der Bestialität der Uckermark benimmt und namentlich in Massen schießt, von denen es weiß, daß sie wehrlos sind.
9 Uhr. Büttner- und Nikolaistraßen-Ecke haben sich Proletarier, meist Maurer, in einem unausgebauten Hause verschanzt. Dort sind bis jetzt vier Soldaten getödtet worden. In den vier Löwen sind vier Bürger getödtet worden. Ein Offizier wurde durch einen Schuß aus dem blauen Hirsch getödtet. Das Militär wird sich, wenn es die innere Stadt nicht behaupten kann, in die Vorstädte zurückziehen. Die Artillerie soll dann mit Kartätschen die Straßen säubern. Die Masse des Proletariats nimmt bis jetzt noch keinen Antheil am Kampfe. Alle Aeußerungen, die ich in seinen Gruppen vernehme, deuten auf größeren Haß gegen die Bourgeoisie als gegen die preußischen Banditen. Eine Frau äußerte über den Druck des Kapitals auf das Volk gründlichere Ansichten, als die meisten der offiziellen Sozialisten, die ich hier habe reden hören. Man hat die Soldaten, um sie zur Wuth anzufachen, mit Schnaps besoffen gemacht. Sie singen in der Nähe des Palais Brandenburg: „Ich bin ein Preuße!“ Wir glauben ihnen das nach ihren Akten von Bestialität. Das reaktionäre Gesindel in der Schweidnitzer Vorstadt hetzt und traktirt diese bezahlten Volksmörder.
9 3/4 Uhr. Der Kampf hat eine entschiedene Wendung genommen. Barrikaden überall; aber noch immer kein Sturmläuten. In der Nikolai- und Ohlauerstraße ist das Feuer sehr lebhaft; besonders aber an der Jägerkaserne. Dort schießt man mit Kanonen auf eine Barrikade in ber Weidenstraße. — Kochendes Oel und Wasser, Projektile aller Art werden aus den Häusern auf das „herrliche Kriegsheer“ herabgegossen. Ein schwer verwundeter Kürassier liegt dicht in meiner Nähe. Andere Kürassiere bringen eben 5 Männer in die Schweidnitzer Thorwache, die schrecklich verstümmelt sind.
Mehrere Waffenläden sind gestürmt worden.
11 Uhr. Die Mordbanden wüthen gräßlich. So eben sendet ein Offizier in meiner Nähe eine Patrouille mit dem Befehle aus, in jedes Fenster, wo ein Licht brenne, zu schießen, weil von dort her die meisten Offiziere erschossen worden. Das 22. Regiment, lauter Wasserpolacken, zeichnet sich im brutalen Morden Unschuldiger ganz besonders aus. Es sind Scheußlichkeiten verübt worden, die keine Feder beschreiben kann. Ich sah drei Gefangene einbringen. Der eine erhob in der Wache, wohin er gebracht war, bald ein ungeheures Geschrei, als ob er ermordet worden. Zwei andere wurden von einer wüthenden Soldatenmeute gebracht, die sie bei den Haaren hielt und ihnen die Köpfe aneinander schlug. Das Militär ist vollständig Herr der Stadt und mordet in hohenzoller'scher Schnapscourage nach Herzenslust. Es ist mir unmöglich, Ihnen diese Bestialitäten zu beschreiben, die alle Gräuel, welche ich die Kroaten in Wien verüben sah, bei Weitem überbieten
Eben zieht die besoffene, in Blut triefende Bande, die seit zwei Tagen mit findierter Absicht abgerichtet worden, gleich Thieren über das wehrlose Volk herzufallen, unter jubelnden Gesängen an mir vorüber.
Schon seit Mittag sind die Straßen unsicher. Ein Wildpretthändler am Ring hatte eben etwas vor seinem Hause zu verrichten und wurde von einer Spitzkugel durch den Kopf getroffen. Jetzt, um zwei Uhr in der Nacht, scheint sich der Kampf legen zu wollen, ein heftiger Gußregen stürzt herab.
Mehrere Stabsoffiziere sollen gefallen sein. Die Demokraten haben sich rein geopfert.
Die Schwarzweißen jubeln, daß nun überall der Belagerungszustand eingeführt wird.
61 Breslau, 8. Mai. Ein heute angekommener Reisender aus Krakau erzählte, daß 14,000 Mann Russen mit 30 Geschützen über Krakau in Oestreich eingerückt seien und den Weg nach Teschen genommen hätten. Die Russen stehen also auf deutschem Gebiet.
Um 2 Uhr ließ Graf Monts ein Plakat mit dem Befehl anschlagen, die Waffen um 2 Uhr abzuliefern; dann wurde die Ablieferungszeit bis 1/2 5 Uhr verlängert, widrigenfalls dieselben durch Militär abgeholt würden. Auf allen Bahnhöfen steht Polizei, Militär und Gensd'armerie, welche die ankommenden Züge durchstöbern. An den Brücken findet eine abermalige Durchsuchung der Wagen und Effekten statt. Das Militär benimmt sich dabei preußisch-brutal. Ich sah, wie besoffene Unteroffiziere einen solchen Wagen durchforschten, worin ihrer Aeußerung nach Polen saßen, und ein anderer Unteroffizier es ihnen vorwarf, daß sie die Polenhunde nicht ohne weiters erschlagen. Hie und da trägt ein feiger Bourgeois ein Gewehr mit Ostentation zur Ablieferung. Am Schlusse seiner Standrechtsbekanntmachung hat Graf Monts die preußische Naivetät, zu sagen: „Der Betrieb der bürgerlichen Geschäfte, der königlichen und Privatarbeiten, des Handels und der Gewerbe wird durch Erklärung des Belagerungszustandes weiter nicht beschränkt.“ Um 10 Uhr müssen alle Wirthshäuser geschlossen sein, mehr als 20 Personen dürfen nicht beisammen stehen. Die Läden blieben heute den ganzen Tag geschlossen, das Militär bivouakirt noch immer auf den Straßen, und benimmt sich mit der gewohnten Brutalität. Monts spricht in seinen Maueranschlägen wie Wrangel, er wisse die guten Bürger von einer Partei zu unterscheiden, welche die Exzesse provozirt habe. Warum nimmt er den guten Bürgern denn die Waffen ab? Die Straßen und öffentlichen Orte wimmeln von Spionen.
Es macht einen komischen Eindruck, wenn man die mit der deutschen Kokarde geschmückten Mörder diejenigen niedermetzeln sieht, welche eben weiter nichts als diese Kokardenfarben vertheidigen wollen. Es sollen 40 Offiziere theils verwundet, theils geblieben sein. Die Stadt ist heute und bis zu diesem Augenblicke (6 Uhr Abends) anscheinend ruhig, und man erblickt nirgendwo die gestrigen Proletariatmassen.
Gestern Abend sah ich einen Gefangenen einbringen, den die Schnapshelden furchtbar malträtirten; die Offiziere ritten nebenher, als ob sie die Sache nicht angehe. Der Mord ist preußisches Privilegium. Indessen sind die Wanzenritter nur darum so ultraunverschämt, weil in Frankreich noch diese Infamie herrscht, und noch keine neue Revolution sich anschickte, das Gesindel vom Erdboden zu vertilgen.
61 Breslau, 8. Mai. Der Belagerungszustand ist erklärt, niemand stört sich daran. Die in der Nacht vom Militär verübten Greuel sind um so fürchterlicher, als der Kampf nur erst an einzelnen Punkten stattgefunden. Das 23. Inf.-Regiment hat sich durch kannibalische Schlächtereien und durch Stehlen besonders hervorgethan. In der Ahlauerstraße, bei der goldenen Weintraube, in der blauen Hirschengasse und an mehreren anderen Punkten hat eine äußerst hartnäckige Vertheidigung stattgefunden, ebenso beim deutschen Hause und in der Nikolaistraße. Oberst Engelmann an der Spitze einer kleinen Freischar hat sich auf das Heldenmüthigste hervorgethan. Es sollen vom Militär an 87 geblieben sein. Ein Postsekretär, der nach Hause gehen wollte, wurde vom Militär mit Kolbenschlägen niedergehauen. Die 23er stürzten in die Häuser und metzelten mit einem Vergnügen, wie es bloß diese feigen Hunde, die in wirklichen Schlachten stets ausreißen, fühlen können. Die Offiziere sahen lachend zu. Blut und Gehirn liegt in den Straßen. 4000 Weber vom Gebirge werden erwartet. Alle Kirchen waren besetzt, das Sturmläuten unmöglich, weil die in die Kirchen Dringenden von dem darin versteckten („herrliches Kriegsheer!“) Militär sofort niedergemetzelt wurden. Vom Civil sind bisher nur 5 Todte bekannt, abgesehen von denen, welche in den Häusern verborgen werden. Einer Frau wurde der kranke Sohn aus reinem Vergnügen der Spießgesellen des Herrn Hohenzollern im Bette getödtet. Die Offiziere lösen mit Fleiß alle Bande der Disziplin. Unterdessen man das „Gesindel, den Pöbel“ niedermetzelt, hält das Bourgeoisgeschmeiß, wie ich mit eigenen Augen gesehen, Champagnerbachanalien und füttert die Soldateska. Was davon nicht in der Stadt bleiben will, hat sich in Zettlitz Hotel geflüchtet. Sämmtliche Läden sind geschlossen. Es soll heute von neuem, aber weit nachdrücklicher und erbitterter losgehen. Auf Engelmann, Elsner, Stein und andere wird gefahndet, aber es ist noch keiner von ihnen verhaftet.
12 Uhr. Eben werden die Barbareien des Belagerungszustandes bekannt gemacht. Aufhebung der Presse, der Vereine, Ablieferung der Waffen u. s. w. Die letztern sollen heute Nachmittag abgegeben werden. Das Volk hat den Muth verloren. Wie immer, so haben auch diesmal nur verzweifelte Proletarier am Kampfe Theil genommen, während die Bourgeoisie sich und ihre Waffen versteckt hielt. Findet bei Ablieferung der Waffen Widerstand statt, so soll die Stadt bombardirt werden. Das Judenthum fährt fort, die hohenzollern'schen Banditen mit Butterschnitten, Kalbsschlöpeln, Schnaps u. dergl. zu erheitern. Mögen Sie am Rhein für günstige Fälle nicht vergessen, daß nicht Windischgrätz, nicht Wrangel, nicht Monts, sondern die Bourgeois- und Juden-Verräther für die Henkereien verantwortlich gemacht werden müssen. Auch Geld wird unter die Soldaten vertheilt, damit sie sich heute wieder preußischen Muth trinken. Die Demokraten werden in den Straßen eingefangen. Auch Engelmann soll in die Hände der Polizei gefallen sein. Alle Fremden müssen die Stadt verlassen. Die schwarzen Husaren sollen heute noch hier einrücken. Die Mißhandlung des Volks durch die Soldateska ist entsetzlich; jeden Augenblick sieht man auf der Straße neue Greuel. Die Soldaten sind ganz darauf abgerichtet, die Leute aus dem Volk viehmäßig todt zu schlagen. Das Militär lagert massenweise in den Straßen und benimmt sich selbst gegen Frauen, wie es weder die Kroaten noch Kosaken gethan. Der Absolutismus versetzt ganz Deutschland in Belagerungszustand und wird nicht eher aufhören, bis die nichtuniformirte Bevölkerung ausgemordet und verelendet ist. Es widert mich, Ihnen mehr zu schreiben. Das Hauptunglück besteht darin, daß das Volk gar keine Führer hat, und von den bekannten demokratischen Autoritäten sich keiner hat blicken lassen. Der Krawall, ich wiederhole es, ist lediglich von der Kontrerevolution hervorgerufen worden, um den Belagerungszustand zu erklären und das Volk zu entwaffnen. Ein bewaffnetes Breslau paßt den magyarischen Siegen gegenüber nicht in den Kram des Standrechtsministeriums Manteuffel. Die demokratische Partei hätte darum klüger gethan, jeden Anlaß zur Belagerung zu vermeiden und die nahe Entscheidung in Wien abzuwarten.
Ein wesentlicher Grund für den Belagerungszustand sind die magyarischen Siegesbülletins, welche die Presse täglich veröffentlicht hat, und welche den preußischen Heldenmuth nicht wenig in Alarm versetzt.
Man weiß bereits, der Belagerungszustand ist mit der raffinirtesten Infamie herbeigeführt worden. Es ist gewiß, daß das Polizeipräsidium die Volksversammlung, die anonym berufen wurde, ausgeschrieben hat, Die Ermahnung des Magistrats, und die von gestern datirte Belagerung gehört mit zu den Manövern, von denen die Demokraten sich haben düpiren lassen. So hat man erreicht was man wollte, man hat Breslau beim Einmarsch der Russen entwaffnet.
Wien, 7. Mai. Der „Wanderer“ enthält nachstehendes Handschreiben des Standrechtskaisers an den Feldzeugmeister Nugent:
Lieber Graf Nugent!
Indem Ich die Ausübung des Mir verfassungsmäßig zustehenden Oberbefehles über Meine sämmtlichen Heere selbst zu übernehmen befunden habe, setze ich Sie mittelst der Anlage von demjenigen in Kenntniß, was Ich in dieser Hinsicht unter Einem an Meinen Kriegsminister erlassen habe.
Olmütz, am 30. April 1849.
Franz Joseph.
Abschrift.
Lieber Freiherr v. Cordon!
Kraft des Mir zustehenden verfassungsmäßigen Rechtes übernehme Ich selbst die Ausübung des Oberbefehls über Meine sämmtlichen Heere und finde demgemäß diejenigen Punkte zu bezeichnen, über welche Ich Mir ausschließlich die Entscheidung vorbehalten wissen will, und zwar:
1. Alle größeren Truppenbewegungen aus einem General-Kommando in das andere; kleine Aenderungen in der Truppen-Dislokation, welche dringende Umstände erheischen, sind Mir nachträglich sogleich zur Kenntniß zu bringen.
2. Da Ich in Meiner obgedachten Eigenschaft der Aufrechthaltung der bestehenden, rein militärischen Dienstnormen und Reglements Meine besondere Sorgfalt widmen werde, so können grundsätzliche Abanderungen dieser Vorschriften auch nur von Mir ausgehen.
3 Die Personalien vom Stabsoffiziere aufwärts nach den Anträgen derjenigen, welche bisher hierzu befugt waren, oder nach Meiner eigenen Selbstbestimmung. In Betreff der Ernennung, Anstellung, Pensionirung u. dergl. der Generale werde Ich Mich mit den kommandirenden Generalen der Armee im Felde und mit jenen in den Ländern, welche die hier allein maßgebende Befähigung kompetent zu beurtheilen in der Lage sind, direkt in Verbindung setzen und dann nach Meiner Ueberzeugung entscheiden.
4. In Kriegszeiten kann nur Mir allein die außerordentliche Disposition über das gesammte Kriegsmaterial zu Lande und zur See anheimgestellt sein, nicht minder in Friedenszeiten die Ausführung der fortifikatorischen Bauten, insofern dieselben überhaupt gehörig bewilligt und bedeckt sind, auch in Bezug auf die etwa von der Vorschrift abweichende Art und Weise ihrer Vollendung Zur Besorgung dieser Geschäfte werde Ich Mir eine Militär-Centralkanzlei bilden, zu deren Vorstand Ich Meinen ersten General-Adjudanten bestimme.
Indem Ich noch beifüge, daß die bisherige Behandlung der übrigen Gegenstände der Kriegsverwaltung, insofern solche ausschließlich Meiner Genehmigung unterzogen werden mußte, unverändert fortzubestehen habe, setze Ich unter Einem sowohl den Feldmarschall Grafen Radetzky und Feldzeugmeister Baron Welden als auch sämmtliche kommandirende Generale in den Ländern von dieser Meiner Anordnung in Kenntniß.
Olmütz, am 30. April 1849.
Franz Joseph.
Dresden, 8. Mai. Unter vorstehendem Datum berichtet die „D. A. Z.“ über die Fortdauer der Schlacht Folgendes:
Vormittags 11. Uhr. Heute früh sind wieder zwei Bataillone Preußen eingerückt. Die Kanonade dauert ununterbrochen fort; der Kreuzthurm jedoch ist noch nicht, wie ich gestern meldete, in den Händen der Truppen. Die Stadt ist von allen Seiten umzingelt und es dürfte daher nur Wenigen die Flucht gelingen. Die Eisenbahnhöfe sind stark besetzt und Niemand wird fortgelassen, der sich nicht gehörig legitimiren kann. Der Oberkommandant des Aufstandes, Oberstlieutenant Heinze (gewesenes Mitglied der I. Kammer,) ist diesen Morgen gefangen genommen worden. Soeben wird er an meinen Fenstern, unter Bedeckung eines starken Detachements Infanterie vorbeigeführt; er geht in Civilkleidern. Die Transporte der Gefangenen mehren sich. Eine Unzahl Waffen sind von dem Militär erbeutet worden.
Nachmittags 4 1/2 Uhr. Außer dem Oberkommandanten Heinze sollen noch mehre Leiter des Aufstandes und selbst ein Mitglied der provisorischen Regierung gefangen worden sein. Das Gerücht, daß Heinze bereits standrechtlich verurtheilt und erschossen worden, ist sehr verbreitet, indeß nicht beglaubigt. Wahrscheinlich wird morgen der vollständige Belagerungszustand erklärt werden. Der Aufstand ist noch nicht besiegt, in diesem Augenblicke rasseln zwei Geschütze reitender Artillerie die Meißner Gasse hinab nach der Gegend des Leipziger-Dresdner Bahnhofs.
Den 9. Mai. Früh 5 Uhr. Das Feuern hat seit einer Stunde in Altstadt wieder begonnen. Dresden ist in einem Umkreise von zwei Stunden militärisch umschlossen. Erfolgt bis heute Nachmittag 2 Uhr keine Unterwerfung, so soll das schwere Geschütz gebraucht werden.
Mittags, 12 Uhr. Der Kampf ist geendet. Nach 10 Uhr wurde Generalmarsch geschlagen. Es entstand eine große Bewegung unter den in Neustadt befindlichen Truppen. Es hieß: der Kreuzthum hat sich ergeben; der noch nicht genommene Theil der Altstadt hat sich ergeben! Wirklich wehten auf dem Kreuzthurme die ersehnten weißen Fahnen. Im Sturmschritte zogen die Truppen aus Neustadt über die Brücke, um die im Feuer gewesenen Kameraden abzulösen, welche um halb 12 Uhr zurückkamen. Viele Gefangene, eine Menge eroberte Wagen, auch drei große Fässer Pulver werden herübergebracht. Von Abends 6 Uhr an tritt im Umkreise von drei Meilen um Dresden der Belagerungszustand ein. — Gestern Abend ist der Bürgermeister Tzschucke aus Meißen mit 40 M. Reiterei hierher abgeführt worden.
9. Mai. 2 Uhr Nachmittags. Die provisorische Regierung hat ihren Sitz nach Freiberg verlegt. Die Bewaffneten des Volks haben sich eben dorthin zurückgezogen. Der Kampf in Dresden ist zu Ende, aber nicht der Kampf des sächsischen Volks gegen die einheimischen wie auswärtigen Mordgesellen „von Gottes Gnaden.“
* Aus Schleswig-Holstein, 8. Mai. Gestern haben die Reichstruppen nach einem ziemlich langen und heftigen Gefecht Veile besetzt; die Dänen flüchteten sich nach Fridericia.
* Frankfurt, 9. Mai. Die äußerste Linke hat folgenden Aufruf erlassen:
„Deutsches Volk!
Zu den Waffen deutsche Männer in allen Gauen des Vaterlandes!
Die Verbindung der Fürsten, welche Hochverrath an dem Volke und dem Vaterlande begehen wollen, liegt klar zu Tage. Verbindet auch Euch und erhebt Euch um das Vaterland zu retten.
Schon kämpfen Eure Brüder in Sachsen und der Pfalz für Euch; laßt sie nicht untergehen. Nachbarstämme der Sachsen und der Pfälzer, an Euch ist es zunächst, — zieht hin zu Euren Brüdern, zieht hin und helft — helft ihnen und es wird auch Euch geholfen sein. Ihr könnt nicht zaudern, dürft nicht zaudern, Ihr dürft sie nicht allein stehen lassen, die aufgestanden sind das Recht in einer Hand und in der andern das Schwert. Das Schwert für Euer Recht!
Helft mit den Waffen, und wenn Ihr die nicht habt, helft sonst, helft wie Ihr könnt — nur helft!
Ihr andern Stämme auch erhebt Euch, waffnet Euch und zeigt dem Despotismus und der Barbarei, die Euch entgegenstehen, die festgeschaarte Macht des Volkes, das sein Recht verlangt.
Gerechtern Kampf hat es nie gegeben. Zu den Waffen, Männer zu den Waffen!
Frankfurt, 8. Mai 1849.
Die äußerste Linke der deutschen Nationalversammlung.
(Klubb Donnersberg.)
Brentano. Culmann. Damm. Dietsch. Erbe. Hönniger. Hoffbauer. Junghaus. Martiny. Mohr. Peter. Reichardt. Reinhardt. Richter. Rühl. Schlöffel. Schlutter. Schmidt. Schmitt. Schütz. Titus. Trützschler. Werner. Wiesner. Würth.“
* Frankfurt 9. Mai. Nationalversammlung.
Präsident Simon eröffnet die Sitzung 10 1/4 Uhr Die Tribünen und der Platz vor der Paulskirche sind gedrängt voll Menschen.
Rösler von Oels interpellirt höchst zeitgemäß unb patrotisch wegen der Fortsetzung des Hazardspiels in Hamburg. Der gelbe Reichsgimpel erhält von dem komischen Minister der sogenannten Reichsjustiz, Geldmacher Mohl, die Beruhigung daß das Spiel heute aufhören wird.
Der ehemalige hessische Schnapsbrenner, Edler von Gagern:
Ich habe gestern ein Programm über die Stellung des Reichsministeriums zu den Bewegungen in Deutschland in später Abendstunde dem Erzherzog Reichsverweser vorgelegt. Nach einer Konferenz heute Morgen hat der Reichsverweser eine Bedenkzeit von 24 Stunden verlangt. Ich komme daher auf meine Bitte von gestern zurück, die Sitzung bis morgen zu vertagen. (Bis die Schurken überall Truppen concentrirt.) Sollte das Haus auf meine Bitte nicht eingehen, so könnte das Ministerium „als solches“ an den Verhandlungen keinen Theil nehmen. (Als ob bei den russischen Unterknäsen in Deutschland irgend etwas von der „Entscheidung“ der blödsinnigen Reichsverfassung abhinge!
Was die Zustände in Sachsen betrifft, so habe ich die Ehre gehabt, Ihnen gestern mitzutheilen, daß der zuerst ernannte Reichskommissär seine Vollmacht nicht annehmen zu wollen, durch eine telegraphische Depesche hierher erklärt hat. Als aber das Mitglied der Versammlung Herr Wydenbrugk nach Weimar kam und die dringenden Verhältnisse die in Sachsen das Einschreiten der Reichsgewalt so sehr wünschenswerth machen, von dem ernannten Kommissär in Erwägung gezogen wurden, hat er alle Bedenklichkeiten bei Seite gesetzt und durch telegraphische Depesche bin ich gestern Abends in Kenntniß gesetzt worden, daß er sich sofort nach Dresden begeben hat, um seiner Vollmacht gemäß zu handeln. Wie dringend es nothwendig ist, über die sächsischen höchst traurigen Zustände vorerst!! bis zur Entscheidung durch die Waffen!!) die Berichte dieses Kommissärs abzuwarten, das kann niemand verkennen. Die Stadt Leipzig hat sich durch einen Abgeordneten an das Reichsministerium gewendet, und unter den Schutz der Centralgewalt gestellt. (Der Centralgewalt, welche alle Erhebungen für ihre „Reichsverfassung“ an die schnapswüthigen russischen Unterknäse verräth!)
Was die Vorgänge in der Pfalz betrifft, so besteht dort gar kein Konflikt zwischen den Parteien und den Civil- (!!!) Behörden. (Während die preußischen Kroaten eingerückt sind!) Es ist also kein anderes „Einschreiten“ dringend, als das eines Reichscommissairs zur Prüfung der wechselseitigen Schritte. Aus allen diesen Gründen verlangt der Edle Vertagung über den Hülferuf der für seine Verfassungs- und Kaiserschweinereien blutenden Volker.
(Als Curiosum, daß dem „Edlen“ doch ein baldiges Ende vor Augen schwebt, mag indeß dienen, daß er nach neuesten Nachrichten seinen Bedienten in die Witwenkasse eingekauft hat.)
Umbscheiden bekämpft das Vertagungsverlangen des Ministeriums. Aus den Vorlagen über die Verhältnisse in Sachsen und der Pfalz geht
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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