[N. N.]: Von der Ode. In: Vermischte Beyträge zur Philosophie und den schönen Wissenschaften, 2,1 (1763), S. 152–177.Eine außerordentliche Sache kömmt uns dem ersten Anscheine nach unglaublich, folglich unwahrscheinlich, also widersprechend vor. Die Empfindungen demnach, welche einander zu widersprechen scheinen, sind wunderbar. Das Wahrscheinliche muß allezeit bey diesen Empfindungen seyn, wenn es nicht ein falsches oder verfehltes Wunderbares seyn soll. Es ist wahr, die Wahrscheinlichkeit ist hier in einem Nebel verhüllt, sie muß aber doch durch eine genaue Untersuchung können entdeckt werden. Dieses Wunderbare der Empfindungen ist von dem Wunderbaren der Maschinen, der Geschichte, der dramatischen Poesie und der Fabel darinn unterschieden, daß es keine versteckten Zubereitungen von weitem braucht. Es ist heftiger, und überrascht uns, ohne daß es einmal nur zu der Vermuthung Anlaß gebe, itzt würden wir etwas zu erwarten haben. Je plötzlicher, je unvermutheter die Veränderung des Affekts ist, je mehrere Folgen daraus entstehn, je mehr widersprechend die verbundenen Empfindungen zu seyn scheinen; je größer ist dieses Wunderbare. Jedes Erhabne ist wunderbar, aber nicht jedes Wunderbare erhaben. Das Unerwartete. Dasjenige ist unerwartet, was wir durch unser Vorhersehungsvermögen uns nicht vorgestellt haben. Folglich ist jede Empfindung, die nicht ihren Grund in der Vorhersehung gehabt, unerwartet. Also, die wir nicht als eine Folge der vorhergehenden gekannt, mithin deren Verbindung wir uns nicht bewußt gewesen; folglich, die wir uns nur dunkel vorgestellet haben. Also kann unter diesen Umständen die Empfindung selbst, oder auch die Aehnlichkeit mit den gehabten Empfindungen, in das Reich der Dunkelheit gehören. Es kann uns etwas unerwartet seyn, weil wir dasselbe entweder als unter oder außer unserm Gesichtskreise uns vorgestellt, oder weil wir, wegen unsrer Einschränkung, mit unsern Vorstellungen nicht darauf kommen konnten. In beyden Eine außerordentliche Sache kömmt uns dem ersten Anscheine nach unglaublich, folglich unwahrscheinlich, also widersprechend vor. Die Empfindungen demnach, welche einander zu widersprechen scheinen, sind wunderbar. Das Wahrscheinliche muß allezeit bey diesen Empfindungen seyn, wenn es nicht ein falsches oder verfehltes Wunderbares seyn soll. Es ist wahr, die Wahrscheinlichkeit ist hier in einem Nebel verhüllt, sie muß aber doch durch eine genaue Untersuchung können entdeckt werden. Dieses Wunderbare der Empfindungen ist von dem Wunderbaren der Maschinen, der Geschichte, der dramatischen Poesie und der Fabel darinn unterschieden, daß es keine versteckten Zubereitungen von weitem braucht. Es ist heftiger, und überrascht uns, ohne daß es einmal nur zu der Vermuthung Anlaß gebe, itzt würden wir etwas zu erwarten haben. Je plötzlicher, je unvermutheter die Veränderung des Affekts ist, je mehrere Folgen daraus entstehn, je mehr widersprechend die verbundenen Empfindungen zu seyn scheinen; je größer ist dieses Wunderbare. Jedes Erhabne ist wunderbar, aber nicht jedes Wunderbare erhaben. Das Unerwartete. Dasjenige ist unerwartet, was wir durch unser Vorhersehungsvermögen uns nicht vorgestellt haben. Folglich ist jede Empfindung, die nicht ihren Grund in der Vorhersehung gehabt, unerwartet. Also, die wir nicht als eine Folge der vorhergehenden gekannt, mithin deren Verbindung wir uns nicht bewußt gewesen; folglich, die wir uns nur dunkel vorgestellet haben. Also kann unter diesen Umständen die Empfindung selbst, oder auch die Aehnlichkeit mit den gehabten Empfindungen, in das Reich der Dunkelheit gehören. Es kann uns etwas unerwartet seyn, weil wir dasselbe entweder als unter oder außer unserm Gesichtskreise uns vorgestellt, oder weil wir, wegen unsrer Einschränkung, mit unsern Vorstellungen nicht darauf kommen konnten. In beyden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0019" n="169"/> Eine außerordentliche Sache kömmt uns dem ersten Anscheine nach unglaublich, folglich unwahrscheinlich, also widersprechend vor. Die Empfindungen demnach, welche einander zu widersprechen scheinen, sind wunderbar. Das Wahrscheinliche muß allezeit bey diesen Empfindungen seyn, wenn es nicht ein falsches oder verfehltes Wunderbares seyn soll. Es ist wahr, die Wahrscheinlichkeit ist hier in einem Nebel verhüllt, sie muß aber doch durch eine genaue Untersuchung können entdeckt werden. Dieses Wunderbare der Empfindungen ist von dem Wunderbaren der Maschinen, der Geschichte, der dramatischen Poesie und der Fabel darinn unterschieden, daß es keine versteckten Zubereitungen von weitem braucht. Es ist heftiger, und überrascht uns, ohne daß es einmal nur zu der Vermuthung Anlaß gebe, itzt würden wir etwas zu erwarten haben. Je plötzlicher, je unvermutheter die Veränderung des Affekts ist, je mehrere Folgen daraus entstehn, je mehr widersprechend die verbundenen Empfindungen zu seyn scheinen; je größer ist dieses Wunderbare. Jedes Erhabne ist wunderbar, aber nicht jedes Wunderbare erhaben. </p> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c">Das Unerwartete.</hi> </head> <p> Dasjenige ist unerwartet, was wir durch unser Vorhersehungsvermögen uns nicht vorgestellt haben. Folglich ist jede Empfindung, die nicht ihren Grund in der Vorhersehung gehabt, unerwartet. Also, die wir nicht als eine Folge der vorhergehenden gekannt, mithin deren Verbindung wir uns nicht bewußt gewesen; folglich, die wir uns nur dunkel vorgestellet haben. Also kann unter diesen Umständen die Empfindung selbst, oder auch die Aehnlichkeit mit den gehabten Empfindungen, in das Reich der Dunkelheit gehören. Es kann uns etwas unerwartet seyn, weil wir dasselbe entweder als unter oder außer unserm Gesichtskreise uns vorgestellt, oder weil wir, wegen unsrer Einschränkung, mit unsern Vorstellungen nicht darauf kommen konnten. In beyden </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0019]
Eine außerordentliche Sache kömmt uns dem ersten Anscheine nach unglaublich, folglich unwahrscheinlich, also widersprechend vor. Die Empfindungen demnach, welche einander zu widersprechen scheinen, sind wunderbar. Das Wahrscheinliche muß allezeit bey diesen Empfindungen seyn, wenn es nicht ein falsches oder verfehltes Wunderbares seyn soll. Es ist wahr, die Wahrscheinlichkeit ist hier in einem Nebel verhüllt, sie muß aber doch durch eine genaue Untersuchung können entdeckt werden. Dieses Wunderbare der Empfindungen ist von dem Wunderbaren der Maschinen, der Geschichte, der dramatischen Poesie und der Fabel darinn unterschieden, daß es keine versteckten Zubereitungen von weitem braucht. Es ist heftiger, und überrascht uns, ohne daß es einmal nur zu der Vermuthung Anlaß gebe, itzt würden wir etwas zu erwarten haben. Je plötzlicher, je unvermutheter die Veränderung des Affekts ist, je mehrere Folgen daraus entstehn, je mehr widersprechend die verbundenen Empfindungen zu seyn scheinen; je größer ist dieses Wunderbare. Jedes Erhabne ist wunderbar, aber nicht jedes Wunderbare erhaben.
Das Unerwartete. Dasjenige ist unerwartet, was wir durch unser Vorhersehungsvermögen uns nicht vorgestellt haben. Folglich ist jede Empfindung, die nicht ihren Grund in der Vorhersehung gehabt, unerwartet. Also, die wir nicht als eine Folge der vorhergehenden gekannt, mithin deren Verbindung wir uns nicht bewußt gewesen; folglich, die wir uns nur dunkel vorgestellet haben. Also kann unter diesen Umständen die Empfindung selbst, oder auch die Aehnlichkeit mit den gehabten Empfindungen, in das Reich der Dunkelheit gehören. Es kann uns etwas unerwartet seyn, weil wir dasselbe entweder als unter oder außer unserm Gesichtskreise uns vorgestellt, oder weil wir, wegen unsrer Einschränkung, mit unsern Vorstellungen nicht darauf kommen konnten. In beyden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Universität Duisburg-Essen, Projekt Lyriktheorie (Dr. Rudolf Brandmeyer): Bereitstellung der Texttranskription.
(2018-07-16T15:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-16T15:00:00Z)
Weitere Informationen:Die Transkription erfolgte nach den unter https://www.uni-due.de/lyriktheorie/beiwerk/projekt.html#edition formulierten Richtlinien. Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |