Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Dichtkunst und Musik, besonders durch den Einfluß,
welchen seine erste Pflegerin, die geistreiche Frau
von Rocoulle, und sein frühester Lehrer Duhan
unter dem geheimen Schutz der Königin, die er sehr
liebte, auf ihn gewannen. Unter diesen Umgebungen
erwachte Friedrichs Neigung zur Lektüre franzö-
sischer Dichter und Historiker, wodurch er jene außer-
ordentliche Vorliebe für die Literatur dieses Volkes
erhielt, die ihn mitunter zur Ungerechtigkeit gegen die
deutschen Schriftsteller verleitete. Die Feinheit fran-
zösischer Natur bildete einen grellen Gegensatz zu dem
rauhen Ton, der an dem Hofe seines Vaters herrschte,
welcher, unzufrieden mit den Neigungen des Prinzen,
oft von ihm sagte, er sey nichts als ein Stutzer, ein
französischer Schöngeist, welcher sein begonnenes
Werk wieder zu Grunde richten würde. Friedrich
Wilhelm
ahnte nicht, daß dieser französische Schön-
geist das neue Königreich Preußen zu einer der be-
deutendsten Mächte Europens erheben werde. *) Das
Mißverständniß zwischen Vater und Sohn ging so
weit, daß es den Wunsch des Ersteren rege machte,
die Thronfolge dereinst auf den jüngern Prinzen,
August Wilhelm, übergehen zu lassen. Der Mi-
nister von Grumbkow und der Fürst Leopold
von Anhalt=Dessau nährten diese Spannung, um
gewisse Plane zu fördern. Tief ergriffen von der
lieblosen Behandlung seines Vaters, beschloß Fried-
rich
derselben durch die Flucht zu entgehen, und sich
nach England zu seinem mütterlichen Oheim,
Georg II. zu begeben. Zwei junge Lieutnants, des
Prinzen Freunde, Katt und Keith, waren die Ver-
trauten seines Unternehmens, und sollten ihn beglei-
ten; aber einige unvorsichtige Aeußerungen des erste-
ren hatten dem Könige die zur Flucht bestimmte
Stunde verrathen; er ließ seinen Sohn in dem Au-
genblicke, wo er das Pferd besteigen wollte, gefangen
nehmen und vor sich führen, ja er würde ihn mit
eignen Händen getödtet haben, wenn man ihn nicht
zurück gehalten hätte. Katt wurde mit dem Prinzen
verhaftet, während Keith entfloh, und sich theils in
England theils in Portugal aufhielt, bis er nach
Friedrichs Thronbesteigung nach Berlin zurück-
kehrte ( 1741 ) , und zum Obristlieutnant, Stallmeister
und Curator der Akademie der Wissenschaften er-
nannt wurde.

Friedrich wurde in die Citadelle von Küstrin
gebracht, wo er in einem Zimmer ohne Meublen
verwahrt wurde, auch war der strengste Befehl er-
theilt, ihm weder Licht noch Bücher zu geben, die
Bibel und ein Gebetbuch ausgenommen, gleich als
wolle man ihm den Tod vorher verkündigen, und ihn
ermuntern seine Seele Gott zu empfehlen. Als
Friedrich kurze Zeit in Küstrin gewesen war,
ließ ihm der König den Antrag machen, der Thron-
folge zu entsagen, wofür ihm Freiheit der Studien,
Reisen u. s. w. gewährt werden solle. "Jch nehme",
sagte der Prinz, "den Vorschlag an, wenn mein
Vater erklärt, daß ich nicht sein leiblicher Sohn sey!"
Auf diese Antwort entsagte der König, welchem ehe-
liche Treue Religionspflicht war, dergleichen Ansin-
nen auf immer.

Während dieser Zeit überlegte Friedrich Wil-
helm
über die Art, wie er ein Gericht über seinen
Sohn halten solle, und da die Minister ihm vorstell-
[Spaltenumbruch] ten, kein Tribunal des Landes sey befugt, ein Urtheil
über den Kronerben zu sprechen, beschloß er, ihn bloß
als Obristen der Armee vor ein Kriegsgericht zu
stellen, welches den Prinzen und Katt zum Tode
durch das Schwert verurtheilte. Friedrich sah
durch die Gitter seines Kerkers, wie das Schaffot
aufgerichtet wurde, und zweifelte nicht, daß seine
letzte Stunde gekommen sey, als der Commandant
der Citadelle am folgenden Morgen in sein Zimmer
trat; doch sollte seine Strafe darin bestehen, der
Hinrichtung seines getreuen Katt beizuwohnen, der
bald herbeigeführt wurde. Sein Haupt fiel, Fried-
rich
sank ohnmächtig nieder, und verfiel, als er zu
sich kam, in eine gefährliche Krankheit.

[Abbildung] ( FriedrichII.König von Preußen. )

Man hat später erfahren, daß der Prinz
sein Leben bloß der Vermittlung fremder Mächte,
vorzüglich des deutschen Kaisers verdankte, welcher
das Recht geltend machte, daß es ihm allein zukom-
me, einen königlichen Prinzen zu richten. Der grau-
same Vater, taub für die Stimme des Blutes, hatte
nur der Politik nachgegeben, indem er seinen Sohn
verschonte. Als Friedrich das Gefängniß verließ,
arbeitete er auf Befehl des Königs als jüngster
Kriegsrath bei der Domainenkammer, und erhielt erst
lange nachher wieder die Erlaubniß, am Hofe zu
erscheinen; doch erkaufte er die väterliche Vergebung
durch ein Opfer seines Herzens. Er mußte seine
Hand der Prinzessin Elisabeth Christine von
Braunschweig=Bevern reichen, die er nicht
liebte, obschon sie dessen würdig war, und mit wel-
cher er zu leben sich streng weigerte, wenn er sie
gleich stets mit ausgezeichneter Hochachtung behandelte.
Friedrich lebte durch mehrere Jahre in der Ein-
samkeit des Schlosses Rheinsberg, welches er den
"Sitz der Musen" nannte, blos den Wissenschaften
und der Kunst.

Seine nächste Umgebung bestand aus Gelehrten
( Bielefeld, Chazot, Suhm, Fouquet, Kno-
belsdorf, Kaiserling, Jordan
) , Tonkünstlern
( Graun, Benda ) und Mahlern ( Pesne ) , und
er unterhielt eine zahlreiche Correspondenz mit Mau-
pertius, Algarotti
u. v. a., vorzüglich aber
[Ende Spaltensatz]

*) Friedrich II. fand beim Antritt seiner Regierung
( 1740 ) eine Zahl von 2,240,000 Unterthanen, und hin-
terließ deren bei seinem Tode ( 1786 ) 6,000,000.

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] Dichtkunst und Musik, besonders durch den Einfluß,
welchen seine erste Pflegerin, die geistreiche Frau
von Rocoulle, und sein frühester Lehrer Duhan
unter dem geheimen Schutz der Königin, die er sehr
liebte, auf ihn gewannen. Unter diesen Umgebungen
erwachte Friedrichs Neigung zur Lektüre franzö-
sischer Dichter und Historiker, wodurch er jene außer-
ordentliche Vorliebe für die Literatur dieses Volkes
erhielt, die ihn mitunter zur Ungerechtigkeit gegen die
deutschen Schriftsteller verleitete. Die Feinheit fran-
zösischer Natur bildete einen grellen Gegensatz zu dem
rauhen Ton, der an dem Hofe seines Vaters herrschte,
welcher, unzufrieden mit den Neigungen des Prinzen,
oft von ihm sagte, er sey nichts als ein Stutzer, ein
französischer Schöngeist, welcher sein begonnenes
Werk wieder zu Grunde richten würde. Friedrich
Wilhelm
ahnte nicht, daß dieser französische Schön-
geist das neue Königreich Preußen zu einer der be-
deutendsten Mächte Europens erheben werde. *) Das
Mißverständniß zwischen Vater und Sohn ging so
weit, daß es den Wunsch des Ersteren rege machte,
die Thronfolge dereinst auf den jüngern Prinzen,
August Wilhelm, übergehen zu lassen. Der Mi-
nister von Grumbkow und der Fürst Leopold
von Anhalt=Dessau nährten diese Spannung, um
gewisse Plane zu fördern. Tief ergriffen von der
lieblosen Behandlung seines Vaters, beschloß Fried-
rich
derselben durch die Flucht zu entgehen, und sich
nach England zu seinem mütterlichen Oheim,
Georg II. zu begeben. Zwei junge Lieutnants, des
Prinzen Freunde, Katt und Keith, waren die Ver-
trauten seines Unternehmens, und sollten ihn beglei-
ten; aber einige unvorsichtige Aeußerungen des erste-
ren hatten dem Könige die zur Flucht bestimmte
Stunde verrathen; er ließ seinen Sohn in dem Au-
genblicke, wo er das Pferd besteigen wollte, gefangen
nehmen und vor sich führen, ja er würde ihn mit
eignen Händen getödtet haben, wenn man ihn nicht
zurück gehalten hätte. Katt wurde mit dem Prinzen
verhaftet, während Keith entfloh, und sich theils in
England theils in Portugal aufhielt, bis er nach
Friedrichs Thronbesteigung nach Berlin zurück-
kehrte ( 1741 ) , und zum Obristlieutnant, Stallmeister
und Curator der Akademie der Wissenschaften er-
nannt wurde.

Friedrich wurde in die Citadelle von Küstrin
gebracht, wo er in einem Zimmer ohne Meublen
verwahrt wurde, auch war der strengste Befehl er-
theilt, ihm weder Licht noch Bücher zu geben, die
Bibel und ein Gebetbuch ausgenommen, gleich als
wolle man ihm den Tod vorher verkündigen, und ihn
ermuntern seine Seele Gott zu empfehlen. Als
Friedrich kurze Zeit in Küstrin gewesen war,
ließ ihm der König den Antrag machen, der Thron-
folge zu entsagen, wofür ihm Freiheit der Studien,
Reisen u. s. w. gewährt werden solle. „Jch nehme“,
sagte der Prinz, „den Vorschlag an, wenn mein
Vater erklärt, daß ich nicht sein leiblicher Sohn sey!“
Auf diese Antwort entsagte der König, welchem ehe-
liche Treue Religionspflicht war, dergleichen Ansin-
nen auf immer.

Während dieser Zeit überlegte Friedrich Wil-
helm
über die Art, wie er ein Gericht über seinen
Sohn halten solle, und da die Minister ihm vorstell-
[Spaltenumbruch] ten, kein Tribunal des Landes sey befugt, ein Urtheil
über den Kronerben zu sprechen, beschloß er, ihn bloß
als Obristen der Armee vor ein Kriegsgericht zu
stellen, welches den Prinzen und Katt zum Tode
durch das Schwert verurtheilte. Friedrich sah
durch die Gitter seines Kerkers, wie das Schaffot
aufgerichtet wurde, und zweifelte nicht, daß seine
letzte Stunde gekommen sey, als der Commandant
der Citadelle am folgenden Morgen in sein Zimmer
trat; doch sollte seine Strafe darin bestehen, der
Hinrichtung seines getreuen Katt beizuwohnen, der
bald herbeigeführt wurde. Sein Haupt fiel, Fried-
rich
sank ohnmächtig nieder, und verfiel, als er zu
sich kam, in eine gefährliche Krankheit.

[Abbildung] ( FriedrichII.König von Preußen. )

Man hat später erfahren, daß der Prinz
sein Leben bloß der Vermittlung fremder Mächte,
vorzüglich des deutschen Kaisers verdankte, welcher
das Recht geltend machte, daß es ihm allein zukom-
me, einen königlichen Prinzen zu richten. Der grau-
same Vater, taub für die Stimme des Blutes, hatte
nur der Politik nachgegeben, indem er seinen Sohn
verschonte. Als Friedrich das Gefängniß verließ,
arbeitete er auf Befehl des Königs als jüngster
Kriegsrath bei der Domainenkammer, und erhielt erst
lange nachher wieder die Erlaubniß, am Hofe zu
erscheinen; doch erkaufte er die väterliche Vergebung
durch ein Opfer seines Herzens. Er mußte seine
Hand der Prinzessin Elisabeth Christine von
Braunschweig=Bevern reichen, die er nicht
liebte, obschon sie dessen würdig war, und mit wel-
cher er zu leben sich streng weigerte, wenn er sie
gleich stets mit ausgezeichneter Hochachtung behandelte.
Friedrich lebte durch mehrere Jahre in der Ein-
samkeit des Schlosses Rheinsberg, welches er den
„Sitz der Musen“ nannte, blos den Wissenschaften
und der Kunst.

Seine nächste Umgebung bestand aus Gelehrten
( Bielefeld, Chazot, Suhm, Fouquet, Kno-
belsdorf, Kaiserling, Jordan
) , Tonkünstlern
( Graun, Benda ) und Mahlern ( Pesne ) , und
er unterhielt eine zahlreiche Correspondenz mit Mau-
pertius, Algarotti
u. v. a., vorzüglich aber
[Ende Spaltensatz]

*) Friedrich II. fand beim Antritt seiner Regierung
( 1740 ) eine Zahl von 2,240,000 Unterthanen, und hin-
terließ deren bei seinem Tode ( 1786 ) 6,000,000.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0005" n="101"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Panorama des Universums.</hi></fw><cb type="start"/>
Dichtkunst und Musik, besonders durch den Einfluß,<lb/>
welchen seine erste Pflegerin, die geistreiche Frau<lb/>
von <hi rendition="#g">Rocoulle,</hi> und sein frühester Lehrer <hi rendition="#g">Duhan</hi><lb/>
unter dem geheimen Schutz der Königin, die er sehr<lb/>
liebte, auf ihn gewannen. Unter diesen Umgebungen<lb/>
erwachte <hi rendition="#g">Friedrichs</hi> Neigung zur Lektüre franzö-<lb/>
sischer Dichter und Historiker, wodurch er jene außer-<lb/>
ordentliche Vorliebe für die Literatur dieses Volkes<lb/>
erhielt, die ihn mitunter zur Ungerechtigkeit gegen die<lb/>
deutschen Schriftsteller verleitete. Die Feinheit fran-<lb/>
zösischer Natur bildete einen grellen Gegensatz zu dem<lb/>
rauhen Ton, der an dem Hofe seines Vaters herrschte,<lb/>
welcher, unzufrieden mit den Neigungen des Prinzen,<lb/>
oft von ihm sagte, er sey nichts als ein Stutzer, ein<lb/>
französischer Schöngeist, welcher sein begonnenes<lb/>
Werk wieder zu Grunde richten würde. <hi rendition="#g">Friedrich<lb/>
Wilhelm</hi> ahnte nicht, daß dieser französische Schön-<lb/>
geist das neue Königreich Preußen zu einer der be-<lb/>
deutendsten Mächte Europens erheben werde. <note place="foot" n="*)">Friedrich <hi rendition="#aq">II</hi>. fand beim Antritt seiner Regierung<lb/>
( 1740 ) eine Zahl von 2,240,000 Unterthanen, und hin-<lb/>
terließ deren bei seinem Tode ( 1786 ) 6,000,000.</note> Das<lb/>
Mißverständniß zwischen Vater und Sohn ging so<lb/>
weit, daß es den Wunsch des Ersteren rege machte,<lb/>
die Thronfolge dereinst auf den jüngern Prinzen,<lb/><hi rendition="#g">August Wilhelm,</hi> übergehen zu lassen. Der Mi-<lb/>
nister von <hi rendition="#g">Grumbkow</hi> und der Fürst <hi rendition="#g">Leopold</hi><lb/>
von <hi rendition="#g">Anhalt=Dessau</hi> nährten diese Spannung, um<lb/>
gewisse Plane zu fördern. Tief ergriffen von der<lb/>
lieblosen Behandlung seines Vaters, beschloß <hi rendition="#g">Fried-<lb/>
rich</hi> derselben durch die Flucht zu entgehen, und sich<lb/>
nach England zu seinem mütterlichen Oheim,<lb/><hi rendition="#g">Georg</hi> <hi rendition="#aq">II</hi>. zu begeben. Zwei junge Lieutnants, des<lb/>
Prinzen Freunde, <hi rendition="#g">Katt</hi> und <hi rendition="#g">Keith,</hi> waren die Ver-<lb/>
trauten seines Unternehmens, und sollten ihn beglei-<lb/>
ten; aber einige unvorsichtige Aeußerungen des erste-<lb/>
ren hatten dem Könige die zur Flucht bestimmte<lb/>
Stunde verrathen; er ließ seinen Sohn in dem Au-<lb/>
genblicke, wo er das Pferd besteigen wollte, gefangen<lb/>
nehmen und vor sich führen, ja er würde ihn mit<lb/>
eignen Händen getödtet haben, wenn man ihn nicht<lb/>
zurück gehalten hätte. <hi rendition="#g">Katt</hi> wurde mit dem Prinzen<lb/>
verhaftet, während <hi rendition="#g">Keith</hi> entfloh, und sich theils in<lb/>
England theils in Portugal aufhielt, bis er nach<lb/><hi rendition="#g">Friedrichs</hi> Thronbesteigung nach <hi rendition="#g">Berlin</hi> zurück-<lb/>
kehrte ( 1741 ) , und zum Obristlieutnant, Stallmeister<lb/>
und Curator der Akademie der Wissenschaften er-<lb/>
nannt wurde.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Friedrich</hi> wurde in die Citadelle von <hi rendition="#g">Küstrin</hi><lb/>
gebracht, wo er in einem Zimmer ohne Meublen<lb/>
verwahrt wurde, auch war der strengste Befehl er-<lb/>
theilt, ihm weder Licht noch Bücher zu geben, die<lb/>
Bibel und ein Gebetbuch ausgenommen, gleich als<lb/>
wolle man ihm den Tod vorher verkündigen, und ihn<lb/>
ermuntern seine Seele Gott zu empfehlen. Als<lb/><hi rendition="#g">Friedrich</hi> kurze Zeit in <hi rendition="#g">Küstrin</hi> gewesen war,<lb/>
ließ ihm der König den Antrag machen, der Thron-<lb/>
folge zu entsagen, wofür ihm Freiheit der Studien,<lb/>
Reisen u. s. w. gewährt werden solle. &#x201E;Jch nehme&#x201C;,<lb/>
sagte der Prinz, &#x201E;den Vorschlag an, wenn mein<lb/>
Vater erklärt, daß ich nicht sein leiblicher Sohn sey!&#x201C;<lb/>
Auf diese Antwort entsagte der König, welchem ehe-<lb/>
liche Treue Religionspflicht war, dergleichen Ansin-<lb/>
nen auf immer.</p><lb/>
        <p>Während dieser Zeit überlegte <hi rendition="#g">Friedrich Wil-<lb/>
helm</hi> über die Art, wie er ein Gericht über seinen<lb/>
Sohn halten solle, und da die Minister ihm vorstell-<lb/><cb n="2"/>
ten, kein Tribunal des Landes sey befugt, ein Urtheil<lb/>
über den Kronerben zu sprechen, beschloß er, ihn bloß<lb/>
als Obristen der Armee vor ein Kriegsgericht zu<lb/>
stellen, welches den Prinzen und <hi rendition="#g">Katt</hi> zum Tode<lb/>
durch das Schwert verurtheilte. <hi rendition="#g">Friedrich</hi> sah<lb/>
durch die Gitter seines Kerkers, wie das Schaffot<lb/>
aufgerichtet wurde, und zweifelte nicht, daß seine<lb/>
letzte Stunde gekommen sey, als der Commandant<lb/>
der Citadelle am folgenden Morgen in sein Zimmer<lb/>
trat; doch sollte seine Strafe darin bestehen, der<lb/>
Hinrichtung seines getreuen <hi rendition="#g">Katt</hi> beizuwohnen, der<lb/>
bald herbeigeführt wurde. Sein Haupt fiel, <hi rendition="#g">Fried-<lb/>
rich</hi> sank ohnmächtig nieder, und verfiel, als er zu<lb/>
sich kam, in eine gefährliche Krankheit.</p><lb/>
        <figure>
          <head>  ( FriedrichII.König von Preußen. )   </head>
        </figure><lb/>
        <p>Man hat später erfahren, daß der Prinz<lb/>
sein Leben bloß der Vermittlung fremder Mächte,<lb/>
vorzüglich des deutschen Kaisers verdankte, welcher<lb/>
das Recht geltend machte, daß es ihm allein zukom-<lb/>
me, einen königlichen Prinzen zu richten. Der grau-<lb/>
same Vater, taub für die Stimme des Blutes, hatte<lb/>
nur der Politik nachgegeben, indem er seinen Sohn<lb/>
verschonte. Als <hi rendition="#g">Friedrich</hi> das Gefängniß verließ,<lb/>
arbeitete er auf Befehl des Königs als jüngster<lb/>
Kriegsrath bei der Domainenkammer, und erhielt erst<lb/>
lange nachher wieder die Erlaubniß, am Hofe zu<lb/>
erscheinen; doch erkaufte er die väterliche Vergebung<lb/>
durch ein Opfer seines Herzens. Er mußte seine<lb/>
Hand der Prinzessin <hi rendition="#g">Elisabeth Christine</hi> von<lb/><hi rendition="#g">Braunschweig=Bevern</hi> reichen, die er nicht<lb/>
liebte, obschon sie dessen würdig war, und mit wel-<lb/>
cher er zu leben sich streng weigerte, wenn er sie<lb/>
gleich stets mit ausgezeichneter Hochachtung behandelte.<lb/><hi rendition="#g">Friedrich</hi> lebte durch mehrere Jahre in der Ein-<lb/>
samkeit des Schlosses <hi rendition="#g">Rheinsberg,</hi> welches er den<lb/>
&#x201E;Sitz der Musen&#x201C; nannte, blos den Wissenschaften<lb/>
und der Kunst.</p><lb/>
        <p>Seine nächste Umgebung bestand aus Gelehrten<lb/>
( <hi rendition="#g">Bielefeld, Chazot, Suhm, Fouquet, Kno-<lb/>
belsdorf, Kaiserling, Jordan</hi> ) , Tonkünstlern<lb/>
( <hi rendition="#g">Graun, Benda</hi> ) und Mahlern ( <hi rendition="#g">Pesne</hi> ) , und<lb/>
er unterhielt eine zahlreiche Correspondenz mit <hi rendition="#g">Mau-<lb/>
pertius, Algarotti</hi> u. v. a., vorzüglich aber<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0005] Panorama des Universums. Dichtkunst und Musik, besonders durch den Einfluß, welchen seine erste Pflegerin, die geistreiche Frau von Rocoulle, und sein frühester Lehrer Duhan unter dem geheimen Schutz der Königin, die er sehr liebte, auf ihn gewannen. Unter diesen Umgebungen erwachte Friedrichs Neigung zur Lektüre franzö- sischer Dichter und Historiker, wodurch er jene außer- ordentliche Vorliebe für die Literatur dieses Volkes erhielt, die ihn mitunter zur Ungerechtigkeit gegen die deutschen Schriftsteller verleitete. Die Feinheit fran- zösischer Natur bildete einen grellen Gegensatz zu dem rauhen Ton, der an dem Hofe seines Vaters herrschte, welcher, unzufrieden mit den Neigungen des Prinzen, oft von ihm sagte, er sey nichts als ein Stutzer, ein französischer Schöngeist, welcher sein begonnenes Werk wieder zu Grunde richten würde. Friedrich Wilhelm ahnte nicht, daß dieser französische Schön- geist das neue Königreich Preußen zu einer der be- deutendsten Mächte Europens erheben werde. *) Das Mißverständniß zwischen Vater und Sohn ging so weit, daß es den Wunsch des Ersteren rege machte, die Thronfolge dereinst auf den jüngern Prinzen, August Wilhelm, übergehen zu lassen. Der Mi- nister von Grumbkow und der Fürst Leopold von Anhalt=Dessau nährten diese Spannung, um gewisse Plane zu fördern. Tief ergriffen von der lieblosen Behandlung seines Vaters, beschloß Fried- rich derselben durch die Flucht zu entgehen, und sich nach England zu seinem mütterlichen Oheim, Georg II. zu begeben. Zwei junge Lieutnants, des Prinzen Freunde, Katt und Keith, waren die Ver- trauten seines Unternehmens, und sollten ihn beglei- ten; aber einige unvorsichtige Aeußerungen des erste- ren hatten dem Könige die zur Flucht bestimmte Stunde verrathen; er ließ seinen Sohn in dem Au- genblicke, wo er das Pferd besteigen wollte, gefangen nehmen und vor sich führen, ja er würde ihn mit eignen Händen getödtet haben, wenn man ihn nicht zurück gehalten hätte. Katt wurde mit dem Prinzen verhaftet, während Keith entfloh, und sich theils in England theils in Portugal aufhielt, bis er nach Friedrichs Thronbesteigung nach Berlin zurück- kehrte ( 1741 ) , und zum Obristlieutnant, Stallmeister und Curator der Akademie der Wissenschaften er- nannt wurde. Friedrich wurde in die Citadelle von Küstrin gebracht, wo er in einem Zimmer ohne Meublen verwahrt wurde, auch war der strengste Befehl er- theilt, ihm weder Licht noch Bücher zu geben, die Bibel und ein Gebetbuch ausgenommen, gleich als wolle man ihm den Tod vorher verkündigen, und ihn ermuntern seine Seele Gott zu empfehlen. Als Friedrich kurze Zeit in Küstrin gewesen war, ließ ihm der König den Antrag machen, der Thron- folge zu entsagen, wofür ihm Freiheit der Studien, Reisen u. s. w. gewährt werden solle. „Jch nehme“, sagte der Prinz, „den Vorschlag an, wenn mein Vater erklärt, daß ich nicht sein leiblicher Sohn sey!“ Auf diese Antwort entsagte der König, welchem ehe- liche Treue Religionspflicht war, dergleichen Ansin- nen auf immer. Während dieser Zeit überlegte Friedrich Wil- helm über die Art, wie er ein Gericht über seinen Sohn halten solle, und da die Minister ihm vorstell- ten, kein Tribunal des Landes sey befugt, ein Urtheil über den Kronerben zu sprechen, beschloß er, ihn bloß als Obristen der Armee vor ein Kriegsgericht zu stellen, welches den Prinzen und Katt zum Tode durch das Schwert verurtheilte. Friedrich sah durch die Gitter seines Kerkers, wie das Schaffot aufgerichtet wurde, und zweifelte nicht, daß seine letzte Stunde gekommen sey, als der Commandant der Citadelle am folgenden Morgen in sein Zimmer trat; doch sollte seine Strafe darin bestehen, der Hinrichtung seines getreuen Katt beizuwohnen, der bald herbeigeführt wurde. Sein Haupt fiel, Fried- rich sank ohnmächtig nieder, und verfiel, als er zu sich kam, in eine gefährliche Krankheit. [Abbildung ( FriedrichII.König von Preußen. ) ] Man hat später erfahren, daß der Prinz sein Leben bloß der Vermittlung fremder Mächte, vorzüglich des deutschen Kaisers verdankte, welcher das Recht geltend machte, daß es ihm allein zukom- me, einen königlichen Prinzen zu richten. Der grau- same Vater, taub für die Stimme des Blutes, hatte nur der Politik nachgegeben, indem er seinen Sohn verschonte. Als Friedrich das Gefängniß verließ, arbeitete er auf Befehl des Königs als jüngster Kriegsrath bei der Domainenkammer, und erhielt erst lange nachher wieder die Erlaubniß, am Hofe zu erscheinen; doch erkaufte er die väterliche Vergebung durch ein Opfer seines Herzens. Er mußte seine Hand der Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig=Bevern reichen, die er nicht liebte, obschon sie dessen würdig war, und mit wel- cher er zu leben sich streng weigerte, wenn er sie gleich stets mit ausgezeichneter Hochachtung behandelte. Friedrich lebte durch mehrere Jahre in der Ein- samkeit des Schlosses Rheinsberg, welches er den „Sitz der Musen“ nannte, blos den Wissenschaften und der Kunst. Seine nächste Umgebung bestand aus Gelehrten ( Bielefeld, Chazot, Suhm, Fouquet, Kno- belsdorf, Kaiserling, Jordan ) , Tonkünstlern ( Graun, Benda ) und Mahlern ( Pesne ) , und er unterhielt eine zahlreiche Correspondenz mit Mau- pertius, Algarotti u. v. a., vorzüglich aber *) Friedrich II. fand beim Antritt seiner Regierung ( 1740 ) eine Zahl von 2,240,000 Unterthanen, und hin- terließ deren bei seinem Tode ( 1786 ) 6,000,000.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1834/5
Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 13. Prag, 1834, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama13_1834/5>, abgerufen am 13.06.2024.