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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 20. Prag, 1836.

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Panorama des Universums.
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Merkwürdigkeiten der Zähne.

Die Jahrbücher der Heilkunde bieten manche
Beispiele von Kindern dar, welche mit einem oder
mehreren Zähnen geboren wurden. Heinrich IV.
kam mit 4, Ludwig XIV. mit 2 Zähnen auf die
Welt. Noch merkwürdiger aber ist das Daseyn der
Zähne lange vor der Geburt. Dr. Desormaux
hat einen 6monatlichen Fötus mit 8 Zähnen an der
obern Kinnlade und einem an der untern, der eben
durchschießen wollte, gesehen. Haller erwähnt
einer Frau, die bis in das 60te Jahr lebte, ohne
jemals Zähne gehabt zu haben. Jhr Zahnfleisch
hatte sich dagegen so gehärtet, daß sie die derbsten
Nahrungsmittel genoß. Man versichert, daß Pyrr-
hus,
König von Epirus, gar keine Zähne gehabt,
doch an jedem Kinnbacken ein kreisförmiges Bein
ohne Abtheilungen, das ihm statt jener diente.
Gassendi erzählt, er hätte eine Frau von mehr
als 80 Jahren gesehen, welcher neue Zähne an der
Stelle derjenigen wuchsen, die sie vor 15 Jahren
verloren hatte, und zwar mit gleichen Schmerzen,
wie bei dem ersten Einschießen.

Jm Jahre 1791 starb zu Reichingen in der
Pfalz ein Mann von 120 Jahren, dem, nachdem
er lange Zeit ohne Zähne gewesen war, im Jahre
1787 acht neue Zähne einschossen. Hufeland, der
die Wahrheit verbürgt, fügt hinzu, daß diese Zähne
zwar 6 Monate nachher ausfielen, doch wurden sie
durch andere ersetzt, und noch einen Monat vor sei-
nem Tode wuchs ihm ein Zahn.



Ein Besuch beim Kaiser von Marokko.

Der von Frankreich mit einer diplomatischen
Sendung an den Kaiser von Marokko beauftragte
Herr von Mornay war in Mequinez, als der
Hauptstadt des Landes, mit seinem kleinen Gefolge
angekommen. Was uns aus dem Schreiben einer
Person desselben von dieser Reise bekannt gewor-
den, wollen wir dem Leser hier kürzlich im Auszuge
mittheilen.

"Gestern zwei Uhr Nachmittags zogen wir in
Mequinez ein. Es kostete uns zwar einige Mühe,
dorthin zu gelangen; doch war dieß nicht die Schuld
des Kaisers, der im Gegentheile befohlen hatte, den
Repräsentanten Frankreichs so höflich, als möglich,
zu empfangen, und ihn und seine Begleitung auf
dem ganzen Wege durch seine Staaten schon als
willkommne, dem Herrscher theure Gäste zu begrü-
ßen. Dieß ließen sich die Marokkaner auch nicht
zweimal sagen, und wer sollte nun nicht glauben,
daß wir überall mit Erfrischungen bedient, und uns
die schönsten Betten zum Nachtlager bereitet werden
würden? Allein es geschah nichts von alle dem;
um desto häufiger aber sahen wir Trupps von Ara-
bern uns entgegen kommen, die, um ihre Freude
über unsere Ankunft zu bezeugen, unaufhörlich ihre
langen Gewehre abfeuerten, und uns damit betäub-
ten. Das Schlimmste war, daß uns von Zeit zu
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Beduinen entweder auszuziehen vergessen, oder die
[Spaltenumbruch] sie maschinenmäßig mit hineingeladen hatten, da
Pulver und Blei bei ihnen ganz unzertrennliche Vor-
stellungen sind. Zum Glück wurde Niemand getrof-
fen, denn später erfuhren wir, daß, als man vor
einiger Zeit andere angesehene Personen mit densel-
ben Beweisen des Wohlwollens und der Achtung
von Seite des Kaisers von Marokko und seiner Un-
terthanen empfangen, zwölf Menschen und vierzehn
Pferde durch diese umherschweifenden Kugeln getödtet
worden waren.

Jeder Statthalter einer Provinz begleitete uns
bis an die Gränzen seines Gebiets, wo wir einem
andern Statthalter, dessen Gebiet wir betraten,
übergeben wurden, wobei dann jedesmal wieder eine
ungeheure Menge von Pulver verschossen wurde.

Jndessen sollten wir in der Hauptstadt selbst
die Pracht des marokkanischen Ceremoniels erst recht
erfahren. Um den Gesandten sogleich eine hohe
Jdee von der Wichtigkeit derselben beizubringen,
ließ man uns den Weg rund um die Mauern der
Stadt nehmen. Es war gerade in der Mittagszeit
in der unerträglichsten Hitze, und wir fühlten uns
äußerst ermattet, nachdem wir 50 Lieues auf schlech-
ten Sätteln unter diesem afrikanischen Himmelsstrich
zurückgelegt hatten, welches wahrlich viel sagen
will. Am Stadtthore fanden wir alles in voller
Thätigkeit, da Sr. Majestät ausdrücklich befohlen
hatten, daß man sich, uns zu ehren, recht belusti-
gen, und wer dieß unterließe, harte Strafe erlei-
den sollte. Hieraus entstand aber auch die größte
Verwirrung, so daß wir uns kaum zusammenhalten
konnten.

Jetzt begannen die Gewehrsalven, und mehrere
der guten Marokkaner, die dem Willen ihres gnä-
digen Beherrschers recht Genüge leisten wollten,
schossen ihre Flinten so dicht an unserer Nase ab,
daß sie die schönen Bärte, die wir uns hatten wach-
sen lassen, fast verbrannt hätten.

Außer dem Schießen wurden unsere Ohren noch
durch Musik belästiget. Die Jnstrumente bestanden zwar
nur aus einer Art von Sackpfeifen und kleinen Trom-
meln, verursachten aber, verbunden mit dem unaufhörli-
chen Feuer, ein so furchtbares Getöse, daß unsre ganze
christliche Karavane sich davon angegriffen und er-
schöpft fühlte, und wir in diesem Zustande weit eher
Missethätern, die zum Richtplatz geführt werden,
als dem Gefolge einer Gesandtschaft ähnlich sahen.
Die Musiker waren übrigens zu Pferde an der
Spitze des Zuges, und wurden von einigen zwan-
zig kaiserlichen Offizieren mit bunten Fahnen be-
gleitet.

Endlich wurden wir vor einem großen Hause
abgesetzt, in welchem wir sieben Tage, in Erwar-
tung Se. Majestät zu sehen, eingeschlossen zubrin-
gen mußten. Dieser Aufenthaltsort war ziemlich
traurig, obgleich in architectonischer Hinsicht nicht
uninteressant, da alles hier das Gepräge des gro-
tesken Geschmacks an sich trug, wie dieß auch bei
allen Denkmälern in Mequinez der Fall ist.

Am 8. Tage folgten wir Herrn von Mornay
zur Audienz beim Kaiser, der deßhalb ausdrücklich
nach der Residenz zurückgekehrt war. Seine Maje-
stät bewilligte uns eine Gunst, die sonst nicht leicht
Jemanden zu Theil wird, nämlich ihre innern Ge-
mächer, Gärten u. s. w., die der Aufmerksamkeit
eines Europäers wohl werth sind, besuchen zu
dürfen.

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Panorama des Universums.
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Merkwürdigkeiten der Zähne.

Die Jahrbücher der Heilkunde bieten manche
Beispiele von Kindern dar, welche mit einem oder
mehreren Zähnen geboren wurden. Heinrich IV.
kam mit 4, Ludwig XIV. mit 2 Zähnen auf die
Welt. Noch merkwürdiger aber ist das Daseyn der
Zähne lange vor der Geburt. Dr. Desormaux
hat einen 6monatlichen Fötus mit 8 Zähnen an der
obern Kinnlade und einem an der untern, der eben
durchschießen wollte, gesehen. Haller erwähnt
einer Frau, die bis in das 60te Jahr lebte, ohne
jemals Zähne gehabt zu haben. Jhr Zahnfleisch
hatte sich dagegen so gehärtet, daß sie die derbsten
Nahrungsmittel genoß. Man versichert, daß Pyrr-
hus,
König von Epirus, gar keine Zähne gehabt,
doch an jedem Kinnbacken ein kreisförmiges Bein
ohne Abtheilungen, das ihm statt jener diente.
Gassendi erzählt, er hätte eine Frau von mehr
als 80 Jahren gesehen, welcher neue Zähne an der
Stelle derjenigen wuchsen, die sie vor 15 Jahren
verloren hatte, und zwar mit gleichen Schmerzen,
wie bei dem ersten Einschießen.

Jm Jahre 1791 starb zu Reichingen in der
Pfalz ein Mann von 120 Jahren, dem, nachdem
er lange Zeit ohne Zähne gewesen war, im Jahre
1787 acht neue Zähne einschossen. Hufeland, der
die Wahrheit verbürgt, fügt hinzu, daß diese Zähne
zwar 6 Monate nachher ausfielen, doch wurden sie
durch andere ersetzt, und noch einen Monat vor sei-
nem Tode wuchs ihm ein Zahn.



Ein Besuch beim Kaiser von Marokko.

Der von Frankreich mit einer diplomatischen
Sendung an den Kaiser von Marokko beauftragte
Herr von Mornay war in Mequinez, als der
Hauptstadt des Landes, mit seinem kleinen Gefolge
angekommen. Was uns aus dem Schreiben einer
Person desselben von dieser Reise bekannt gewor-
den, wollen wir dem Leser hier kürzlich im Auszuge
mittheilen.

„Gestern zwei Uhr Nachmittags zogen wir in
Mequinez ein. Es kostete uns zwar einige Mühe,
dorthin zu gelangen; doch war dieß nicht die Schuld
des Kaisers, der im Gegentheile befohlen hatte, den
Repräsentanten Frankreichs so höflich, als möglich,
zu empfangen, und ihn und seine Begleitung auf
dem ganzen Wege durch seine Staaten schon als
willkommne, dem Herrscher theure Gäste zu begrü-
ßen. Dieß ließen sich die Marokkaner auch nicht
zweimal sagen, und wer sollte nun nicht glauben,
daß wir überall mit Erfrischungen bedient, und uns
die schönsten Betten zum Nachtlager bereitet werden
würden? Allein es geschah nichts von alle dem;
um desto häufiger aber sahen wir Trupps von Ara-
bern uns entgegen kommen, die, um ihre Freude
über unsere Ankunft zu bezeugen, unaufhörlich ihre
langen Gewehre abfeuerten, und uns damit betäub-
ten. Das Schlimmste war, daß uns von Zeit zu
Zeit auch Kugeln um die Ohren sausten, welche die
Beduinen entweder auszuziehen vergessen, oder die
[Spaltenumbruch] sie maschinenmäßig mit hineingeladen hatten, da
Pulver und Blei bei ihnen ganz unzertrennliche Vor-
stellungen sind. Zum Glück wurde Niemand getrof-
fen, denn später erfuhren wir, daß, als man vor
einiger Zeit andere angesehene Personen mit densel-
ben Beweisen des Wohlwollens und der Achtung
von Seite des Kaisers von Marokko und seiner Un-
terthanen empfangen, zwölf Menschen und vierzehn
Pferde durch diese umherschweifenden Kugeln getödtet
worden waren.

Jeder Statthalter einer Provinz begleitete uns
bis an die Gränzen seines Gebiets, wo wir einem
andern Statthalter, dessen Gebiet wir betraten,
übergeben wurden, wobei dann jedesmal wieder eine
ungeheure Menge von Pulver verschossen wurde.

Jndessen sollten wir in der Hauptstadt selbst
die Pracht des marokkanischen Ceremoniels erst recht
erfahren. Um den Gesandten sogleich eine hohe
Jdee von der Wichtigkeit derselben beizubringen,
ließ man uns den Weg rund um die Mauern der
Stadt nehmen. Es war gerade in der Mittagszeit
in der unerträglichsten Hitze, und wir fühlten uns
äußerst ermattet, nachdem wir 50 Lieues auf schlech-
ten Sätteln unter diesem afrikanischen Himmelsstrich
zurückgelegt hatten, welches wahrlich viel sagen
will. Am Stadtthore fanden wir alles in voller
Thätigkeit, da Sr. Majestät ausdrücklich befohlen
hatten, daß man sich, uns zu ehren, recht belusti-
gen, und wer dieß unterließe, harte Strafe erlei-
den sollte. Hieraus entstand aber auch die größte
Verwirrung, so daß wir uns kaum zusammenhalten
konnten.

Jetzt begannen die Gewehrsalven, und mehrere
der guten Marokkaner, die dem Willen ihres gnä-
digen Beherrschers recht Genüge leisten wollten,
schossen ihre Flinten so dicht an unserer Nase ab,
daß sie die schönen Bärte, die wir uns hatten wach-
sen lassen, fast verbrannt hätten.

Außer dem Schießen wurden unsere Ohren noch
durch Musik belästiget. Die Jnstrumente bestanden zwar
nur aus einer Art von Sackpfeifen und kleinen Trom-
meln, verursachten aber, verbunden mit dem unaufhörli-
chen Feuer, ein so furchtbares Getöse, daß unsre ganze
christliche Karavane sich davon angegriffen und er-
schöpft fühlte, und wir in diesem Zustande weit eher
Missethätern, die zum Richtplatz geführt werden,
als dem Gefolge einer Gesandtschaft ähnlich sahen.
Die Musiker waren übrigens zu Pferde an der
Spitze des Zuges, und wurden von einigen zwan-
zig kaiserlichen Offizieren mit bunten Fahnen be-
gleitet.

Endlich wurden wir vor einem großen Hause
abgesetzt, in welchem wir sieben Tage, in Erwar-
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gen mußten. Dieser Aufenthaltsort war ziemlich
traurig, obgleich in architectonischer Hinsicht nicht
uninteressant, da alles hier das Gepräge des gro-
tesken Geschmacks an sich trug, wie dieß auch bei
allen Denkmälern in Mequinez der Fall ist.

Am 8. Tage folgten wir Herrn von Mornay
zur Audienz beim Kaiser, der deßhalb ausdrücklich
nach der Residenz zurückgekehrt war. Seine Maje-
stät bewilligte uns eine Gunst, die sonst nicht leicht
Jemanden zu Theil wird, nämlich ihre innern Ge-
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eines Europäers wohl werth sind, besuchen zu
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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 20. Prag, 1836, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama20_1836/2>, abgerufen am 21.11.2024.