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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 40. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] geschlagen wurde, zeigt auf der einen Seite eine Frau, welche in trauernder Stellung unter einem Palmbaume sitzt, auf der andern den Kopf des Titus oder Vespasian.



Die indianischen Vogelnester.

Seit undenklichen Zeiten spricht man von den
indianischen Vogelnestern; die Großen der verschie-
densten Himmelstriche kauften sie um schweres Geld
als Leckerbissen für ihre Tafeln, ohne daß Jemand
den Vogel kannte, der sie baute, und von dem die
gelehrte Unwissenheit die abentheuerlichsten Beschrei-
bungen machte. Erst in der letzteren Zeit hat man
mit Bestimmtheit ergründet, daß es kein Eisvogel,
sondern die indianische Schwalbe oder Salangane
( Hirando esculenta ) ist, welcher die Feinschmecker
diese kostbare Speise verdanken, die in Asien
von den Reichen begierig gekauft und gegessen wird,
und daher einen beträchtlichen Handelsartikel aus-
macht. Man findet diese Nester in Felsenhöhlen
am Meere auf verschiedenen ostindischen Jnseln,
z. B. auf der kleinen Tok in der Sundastraße zwi-
schen Java und Sumatra, auf mehreren Jnseln des
Sulo = Archipelagus, deßgleichen auf vielen Jnseln
zwischen Java und Cochinchina, von Sumatra gegen
Westen, und gegen Osten bis Neuguinea; nirgends
sind sie aber in größerer Anzahl vorhanden, als
um Croce, dem südlichen Ende von Sumatra 4
Meilen den Strom Croce hinauf. Der ehemalige
Jntendant der Jnseln Bourbon und Frankreich,
Poivre, fand im Jahre 1741 auf seiner Reise
nach China im Juli in der Sundastraße auf einer
Jnsel unweit Java, in einer tiefen ans Meer sto-
ßenden Felsenhöhle bei einbrechender Nacht eine
unglaubliche Menge von Salanganen, welche sich
beim Aufscheuchen wie eine Wolke erhuben, und
wovon er mit dem Stocke mehrere erlegte. Die
Höhle war tiefer hinein oberwärts mit den Nestern
dieser Vögel gleichsam ausgeschmückt. Sie hingen
sehr fest am Felsen, und glichen der Gestalt nach
der Hälfte eines zugespitzten Eies. Jhre Masse
war gelblichweiß und halb durchsichtig; von außen
bestanden sie aus sehr dünnen Platten, die beinahe
zusammenliefen, und so versteckt auf einander lagen,
wie dies bei gewissen Muscheln der Fall ist. Jn
allen Nestern, die Poivre damals mit seinen Leu-
ten fand, waren entweder Eier oder Junge. Daß
dies die wahren Salanganen = Nester waren, leidet
keinen Zweifel; denn ein Matrose, der zuerst die
Höhle entdeckt und einige Pfund von den Nestern
mitgenommen hatte, verkaufte sie in Canton für
einen guten Preis. Was die Substanz betrifft,
woraus diese Schwalben ihre Nester bauen, so
herrscht darüber noch einige Ungewißheit, obgleich
so viel ausgemacht ist, daß sie eine thierische Gal-
lerte ist. Wenn man ein Stückchen davon eine Zeit
lang im Munde behält, so empfindet man zuerst
einen etwas salzigen Geschmack, sodann wird die
Masse weich, ohne sich aufzulösen und gleicht einem
unschmackhaften Teige. Malaien, Cochinchineser und
Bewohner von den moluckischen und philippinischen
Jnseln versicherten den Herrn Poivre, daß die
indianischen Schwalben ihre Nester von Fischrogen
baueten, welchen sie theils vom Felsen absuchten,
woran er durch die Wellen geworfen würde, theils
von der Oberfläche des Meeres selbst sammelten,
indem sie, wie auch unsere Schwalben zu thun
[Spaltenumbruch] pflegen, dicht über dem Wasser hinstreiften. Auf
andern Reisen sah Poivre im März und April
das Jnselmeer der dortigen Gegend an der Ober-
fläche gleichsam mit Fischlaich bedeckt. Er bildete
auf dem dort so warmen Seewasser eine Art von
Leim, weil er einigermaßen erweicht war. Wenn
man etwas davon aufschöpfte, vom Wasser abson-
derte, und trocken werden ließ, so hatte man eine
Masse, die vollkommen der von den Salanganen-
nestern glich. Man muß gestehen, daß diese Angabe
von Poivre viel Wahrscheinlichkeit hat; indeß
halten doch Andere dafür, daß die Schwalben nicht
Fischlaich, sondern gewisse Schleimwürmer zu ihren
Nestern nehmen, z. B. die Seequalle, oder eine Art
von den sogenannten Dintenfischen, besonders aber
die röhrige Seeblase ( Holothuria tubulosa ) . Einige
haben dafür gehalten, daß die Substanz nicht thie-
rischen Ursprungs sey, sondern von einer Seepflanze,
die dort Agal genannt wird, herrühre; ja man
hat sogar vermuthet, daß die Salanganen andern
Vögeln ihre Eier raubten, zerbrächen, und aus der
flüßigen Masse die Nester baueten. Dies Letztere
möchte wohl das Unwahrscheinlichste seyn. Eben so
ungegründet scheint aber auch die Meinung, daß
die Vögel ihre Nester aus den kräftigsten Ueber-
bleibseln der Jnsekten, die ihre Nahrung ausmachen,
verfertigten. Zu Ende des Juli und im Anfange
des August durchstreifen die Cochinchineser die Jn-
seln in der Nähe ihrer Küsten auf 20 Meilen weit
vom Lande, und suchen die Salanganennester auf.
Sie finden in Batavia guten Abgang und von dort
verführen sie die Holländer mit großem Gewinn nach
China, wo sie besonders sehr gesucht und theuer
bezahlt werden. Man behauptet, daß die jährliche
Ausfuhr an Vogelnestern bloß aus Batavia an
4 Millionen Stück betrage. Wahrscheinlich kommen
nicht alle Nester nach Batavia, und gewiß werden
nicht alle gefunden -- man kann demnach auf die
Menge der Vögel schließen, die sie bauen! --
Da diese Waare wegen des starken Abganges nicht
nur in China, sondern in mehreren benachbarten
Ländern des östlichen Asiens sehr theuer ist, so pflegt
man sie auf allerlei Art nachzukünsteln. Dies hat
vorzüglich Anlaß zu den ehemals so widersprechen-
den Beschreibungen von den Vogelnestern gegeben.
Von den besten, d. i. reinen und unverfälschten,
oder von allen fremden Beimischungen freien Nestern
kostet in China der Pikel oder Pekul, welches 125
Pfund hält, 1000 bis 1500 Rthlr; dagegen von
den schmutzigen und unreinen nur 20 Rthlr. Diese
letztere Sorte sind ohne Zweifel alte und mit Koth
und Federn vermischte; die Nestersammler brechen
sie hauptsächlich darum ab, damit die Vögel, wie
sie meinen, nicht wieder darin nisten, sondern neue
zu bauen gezwungen werden. Man verbraucht diese
Sorte bloß zum Leim oder Kleister. Die reinen
dienen vornämlich zu Suppen und Hühnerragouts,
die man mit der Ginsengwurzel vermischt. Poivre
versichert, daß er nie etwas Kräftigeres gegessen
habe, als eine Suppe aus diesen Nestern und gutem
Fleische. Es ist indeß die Frage, ob die Kraft,
welche vielleicht die Einbildung vergrößerte, nicht
dem guten Fleische zuzuschreiben war. Andere ver-
sichern, daß die stärkende Eigenschaft der Vogelne-
ster bloß auf Vorurtheilen beruhe. Forster
Vogelnester auf dem Gebirge der guten Hoffnung,
und sagt, daß es ein sehr fades Essen sey, welches
stark mit Gewürzen versetzt werde. Zu den Ra-
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] geschlagen wurde, zeigt auf der einen Seite eine Frau, welche in trauernder Stellung unter einem Palmbaume sitzt, auf der andern den Kopf des Titus oder Vespasian.



Die indianischen Vogelnester.

Seit undenklichen Zeiten spricht man von den
indianischen Vogelnestern; die Großen der verschie-
densten Himmelstriche kauften sie um schweres Geld
als Leckerbissen für ihre Tafeln, ohne daß Jemand
den Vogel kannte, der sie baute, und von dem die
gelehrte Unwissenheit die abentheuerlichsten Beschrei-
bungen machte. Erst in der letzteren Zeit hat man
mit Bestimmtheit ergründet, daß es kein Eisvogel,
sondern die indianische Schwalbe oder Salangane
( Hirando esculenta ) ist, welcher die Feinschmecker
diese kostbare Speise verdanken, die in Asien
von den Reichen begierig gekauft und gegessen wird,
und daher einen beträchtlichen Handelsartikel aus-
macht. Man findet diese Nester in Felsenhöhlen
am Meere auf verschiedenen ostindischen Jnseln,
z. B. auf der kleinen Tok in der Sundastraße zwi-
schen Java und Sumatra, auf mehreren Jnseln des
Sulo = Archipelagus, deßgleichen auf vielen Jnseln
zwischen Java und Cochinchina, von Sumatra gegen
Westen, und gegen Osten bis Neuguinea; nirgends
sind sie aber in größerer Anzahl vorhanden, als
um Croce, dem südlichen Ende von Sumatra 4
Meilen den Strom Croce hinauf. Der ehemalige
Jntendant der Jnseln Bourbon und Frankreich,
Poivre, fand im Jahre 1741 auf seiner Reise
nach China im Juli in der Sundastraße auf einer
Jnsel unweit Java, in einer tiefen ans Meer sto-
ßenden Felsenhöhle bei einbrechender Nacht eine
unglaubliche Menge von Salanganen, welche sich
beim Aufscheuchen wie eine Wolke erhuben, und
wovon er mit dem Stocke mehrere erlegte. Die
Höhle war tiefer hinein oberwärts mit den Nestern
dieser Vögel gleichsam ausgeschmückt. Sie hingen
sehr fest am Felsen, und glichen der Gestalt nach
der Hälfte eines zugespitzten Eies. Jhre Masse
war gelblichweiß und halb durchsichtig; von außen
bestanden sie aus sehr dünnen Platten, die beinahe
zusammenliefen, und so versteckt auf einander lagen,
wie dies bei gewissen Muscheln der Fall ist. Jn
allen Nestern, die Poivre damals mit seinen Leu-
ten fand, waren entweder Eier oder Junge. Daß
dies die wahren Salanganen = Nester waren, leidet
keinen Zweifel; denn ein Matrose, der zuerst die
Höhle entdeckt und einige Pfund von den Nestern
mitgenommen hatte, verkaufte sie in Canton für
einen guten Preis. Was die Substanz betrifft,
woraus diese Schwalben ihre Nester bauen, so
herrscht darüber noch einige Ungewißheit, obgleich
so viel ausgemacht ist, daß sie eine thierische Gal-
lerte ist. Wenn man ein Stückchen davon eine Zeit
lang im Munde behält, so empfindet man zuerst
einen etwas salzigen Geschmack, sodann wird die
Masse weich, ohne sich aufzulösen und gleicht einem
unschmackhaften Teige. Malaien, Cochinchineser und
Bewohner von den moluckischen und philippinischen
Jnseln versicherten den Herrn Poivre, daß die
indianischen Schwalben ihre Nester von Fischrogen
baueten, welchen sie theils vom Felsen absuchten,
woran er durch die Wellen geworfen würde, theils
von der Oberfläche des Meeres selbst sammelten,
indem sie, wie auch unsere Schwalben zu thun
[Spaltenumbruch] pflegen, dicht über dem Wasser hinstreiften. Auf
andern Reisen sah Poivre im März und April
das Jnselmeer der dortigen Gegend an der Ober-
fläche gleichsam mit Fischlaich bedeckt. Er bildete
auf dem dort so warmen Seewasser eine Art von
Leim, weil er einigermaßen erweicht war. Wenn
man etwas davon aufschöpfte, vom Wasser abson-
derte, und trocken werden ließ, so hatte man eine
Masse, die vollkommen der von den Salanganen-
nestern glich. Man muß gestehen, daß diese Angabe
von Poivre viel Wahrscheinlichkeit hat; indeß
halten doch Andere dafür, daß die Schwalben nicht
Fischlaich, sondern gewisse Schleimwürmer zu ihren
Nestern nehmen, z. B. die Seequalle, oder eine Art
von den sogenannten Dintenfischen, besonders aber
die röhrige Seeblase ( Holothuria tubulosa ) . Einige
haben dafür gehalten, daß die Substanz nicht thie-
rischen Ursprungs sey, sondern von einer Seepflanze,
die dort Agal genannt wird, herrühre; ja man
hat sogar vermuthet, daß die Salanganen andern
Vögeln ihre Eier raubten, zerbrächen, und aus der
flüßigen Masse die Nester baueten. Dies Letztere
möchte wohl das Unwahrscheinlichste seyn. Eben so
ungegründet scheint aber auch die Meinung, daß
die Vögel ihre Nester aus den kräftigsten Ueber-
bleibseln der Jnsekten, die ihre Nahrung ausmachen,
verfertigten. Zu Ende des Juli und im Anfange
des August durchstreifen die Cochinchineser die Jn-
seln in der Nähe ihrer Küsten auf 20 Meilen weit
vom Lande, und suchen die Salanganennester auf.
Sie finden in Batavia guten Abgang und von dort
verführen sie die Holländer mit großem Gewinn nach
China, wo sie besonders sehr gesucht und theuer
bezahlt werden. Man behauptet, daß die jährliche
Ausfuhr an Vogelnestern bloß aus Batavia an
4 Millionen Stück betrage. Wahrscheinlich kommen
nicht alle Nester nach Batavia, und gewiß werden
nicht alle gefunden — man kann demnach auf die
Menge der Vögel schließen, die sie bauen! —
Da diese Waare wegen des starken Abganges nicht
nur in China, sondern in mehreren benachbarten
Ländern des östlichen Asiens sehr theuer ist, so pflegt
man sie auf allerlei Art nachzukünsteln. Dies hat
vorzüglich Anlaß zu den ehemals so widersprechen-
den Beschreibungen von den Vogelnestern gegeben.
Von den besten, d. i. reinen und unverfälschten,
oder von allen fremden Beimischungen freien Nestern
kostet in China der Pikel oder Pekul, welches 125
Pfund hält, 1000 bis 1500 Rthlr; dagegen von
den schmutzigen und unreinen nur 20 Rthlr. Diese
letztere Sorte sind ohne Zweifel alte und mit Koth
und Federn vermischte; die Nestersammler brechen
sie hauptsächlich darum ab, damit die Vögel, wie
sie meinen, nicht wieder darin nisten, sondern neue
zu bauen gezwungen werden. Man verbraucht diese
Sorte bloß zum Leim oder Kleister. Die reinen
dienen vornämlich zu Suppen und Hühnerragouts,
die man mit der Ginsengwurzel vermischt. Poivre
versichert, daß er nie etwas Kräftigeres gegessen
habe, als eine Suppe aus diesen Nestern und gutem
Fleische. Es ist indeß die Frage, ob die Kraft,
welche vielleicht die Einbildung vergrößerte, nicht
dem guten Fleische zuzuschreiben war. Andere ver-
sichern, daß die stärkende Eigenschaft der Vogelne-
ster bloß auf Vorurtheilen beruhe. Forster
Vogelnester auf dem Gebirge der guten Hoffnung,
und sagt, daß es ein sehr fades Essen sey, welches
stark mit Gewürzen versetzt werde. Zu den Ra-
[Ende Spaltensatz]

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Jhre Masse war gelblichweiß und halb durchsichtig; von außen bestanden sie aus sehr dünnen Platten, die beinahe zusammenliefen, und so versteckt auf einander lagen, wie dies bei gewissen Muscheln der Fall ist. Jn allen Nestern, die Poivre damals mit seinen Leu- ten fand, waren entweder Eier oder Junge. Daß dies die wahren Salanganen = Nester waren, leidet keinen Zweifel; denn ein Matrose, der zuerst die Höhle entdeckt und einige Pfund von den Nestern mitgenommen hatte, verkaufte sie in Canton für einen guten Preis. Was die Substanz betrifft, woraus diese Schwalben ihre Nester bauen, so herrscht darüber noch einige Ungewißheit, obgleich so viel ausgemacht ist, daß sie eine thierische Gal- lerte ist. Wenn man ein Stückchen davon eine Zeit lang im Munde behält, so empfindet man zuerst einen etwas salzigen Geschmack, sodann wird die Masse weich, ohne sich aufzulösen und gleicht einem unschmackhaften Teige. 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Zu Ende des Juli und im Anfange des August durchstreifen die Cochinchineser die Jn- seln in der Nähe ihrer Küsten auf 20 Meilen weit vom Lande, und suchen die Salanganennester auf. Sie finden in Batavia guten Abgang und von dort verführen sie die Holländer mit großem Gewinn nach China, wo sie besonders sehr gesucht und theuer bezahlt werden. Man behauptet, daß die jährliche Ausfuhr an Vogelnestern bloß aus Batavia an 4 Millionen Stück betrage. Wahrscheinlich kommen nicht alle Nester nach Batavia, und gewiß werden nicht alle gefunden — man kann demnach auf die Menge der Vögel schließen, die sie bauen! — Da diese Waare wegen des starken Abganges nicht nur in China, sondern in mehreren benachbarten Ländern des östlichen Asiens sehr theuer ist, so pflegt man sie auf allerlei Art nachzukünsteln. Dies hat vorzüglich Anlaß zu den ehemals so widersprechen- den Beschreibungen von den Vogelnestern gegeben. Von den besten, d. i. reinen und unverfälschten, oder von allen fremden Beimischungen freien Nestern kostet in China der Pikel oder Pekul, welches 125 Pfund hält, 1000 bis 1500 Rthlr; dagegen von den schmutzigen und unreinen nur 20 Rthlr. Diese letztere Sorte sind ohne Zweifel alte und mit Koth und Federn vermischte; die Nestersammler brechen sie hauptsächlich darum ab, damit die Vögel, wie sie meinen, nicht wieder darin nisten, sondern neue zu bauen gezwungen werden. Man verbraucht diese Sorte bloß zum Leim oder Kleister. Die reinen dienen vornämlich zu Suppen und Hühnerragouts, die man mit der Ginsengwurzel vermischt. Poivre versichert, daß er nie etwas Kräftigeres gegessen habe, als eine Suppe aus diesen Nestern und gutem Fleische. Es ist indeß die Frage, ob die Kraft, welche vielleicht die Einbildung vergrößerte, nicht dem guten Fleische zuzuschreiben war. Andere ver- sichern, daß die stärkende Eigenschaft der Vogelne- ster bloß auf Vorurtheilen beruhe. Forster aß Vogelnester auf dem Gebirge der guten Hoffnung, und sagt, daß es ein sehr fades Essen sey, welches stark mit Gewürzen versetzt werde. Zu den Ra-

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 40. Prag, 1834, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama40_1834/6>, abgerufen am 01.06.2024.