Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 51. Prag, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] vinnen verrichtet. Die Kinder bleiben bis zum
siebenten Jahre bei den Frauen; ist diese Zeit
vorüber, so vertrauet man sie einem Mufti, welcher
sie in der Religion und im Lesen unterrichtet.

Nur die Frauen von gemeinem Stande sieht
man in Egypten frei und ohne Begleitung herum-
gehen. Doch sind sie immer in ihren Milai gehüllt.
Die Fellahs schicken sie auf die Märkte, um den
Verkauf zu besorgen, aber es sind ihrer dort viel
weniger als Männer. Die Frauen der gemächlichen
Klasse dürfen in's Bad gehen, oder ihre Verwand-
ten besuchen, man sieht sie zu Fuß oder auf Eseln,
aber sie sind immer von einem oder mehreren Be-
dienten begleitet.

Die Orientalen sind äußerst eifersüchtig auf
ihre Frauen. Diese Krankheit herrscht auf gleiche
Weise in Aegypten und Nubien. Wenn man bei
einem Araber oder Nubier ist, so hüte man sich
wohl, sich nach ihren Frauen zu erkundigen; auch
rühme man nie ihre Schönheit, denn seine freund-
schaftliche Miene würde sich sogleich in Kälte ver-
wandeln, und seine beste Laune in oft fürchterlichen
Mißmuth umschlagen. Die Liebkosungen, die man
ihren Kindern macht, schmeicheln ihnen; die Ge-
schenke, welche diese Kinder empfangen, werden mit
Wohlgefallen aufgenommen. Die Europäer gefal-
len den Egyptierinnen sehr wegen ihrer weißen
Haut. Jene, die sich den Bart wachsen lassen, und
die Landestracht annehmen, werden dem Auge die-
ser Frauen noch wohlgefälliger. Die Färbung des
Gesichts ändert sich unter dem egyptischen Himmel
gar bald, und stufenweise wird man röthlich, und
dann tief dunkelbraun. Jedoch bekommt man nie
den eigentlichen Ton der Farbe, wie sie die Einge-
bornen haben.

Die Mode sich zu bemalen herrscht bei allen
arabischen, koptischen und nubischen Frauen. Kein
Theil des Gesichts oder Körpers bleibt frei von
diesem seltsamen Putze. Die Muselfrauen bemalen
sich unter andern beliebten Figuren mit Sternen
und Halbmonden, die Coptinnen mit Kreuzen und
Heiligen. Da allen Frauen die Haare weggenom-
men werden, so ersetzt dieses Bemalen gewissermassen
den Haarschleier, dessen man sie beraubt hat. Diese
Malerkunst wird von Weibern ausgeübt, die auf
den Straßen herumgehen und schreien, und auch die
Substanz verkaufen, womit man den Rand der Au-
genlieder schwarz färbt. Eine so bemalte Frau
mißfällt gemeinhin den Europäern, aber die Lan-
deseingebornen finden sie sehr reizend, manche Frauen
lassen sich die Nasenknorpel durchstechen, um Ringe
hinein zu hängen, was für Viele noch anmuthi-
ger ist.     R.



Die Glasscheibe zu Sedletz.

Jm zwölften Jahrhundert durch den Wladiken
Miroslaw gegründet prangte das Kloster Sedletz
in Fülle des Wohlstandes, als die Stürme des
Hussitenkrieges über Böhmen hereinbrachen, und das
reiche Stift, wie so viele andere mit Raub, Feuer
und Schwert heimgesucht wurde. Zizka befahl,
die Marienkirche zu verschonen, und als er das ihm
werthe Gotteshaus, das er in früher Jugend oft
besucht hatte, in Trümmer zusammenstürzen sah,
schwor er in seinem Jnnern, diesen Frevel und die
Verletzung seines Gebothes schrecklich zu rächen.
Der Thäter blieb unbekannt. Da heuchelte Zizka
[Spaltenumbruch] Freude über die Zerstörung der Kirche, und setzte
eine Menge Goldes zum Lohne für diesen verdienst-
lichen Eifer fest. Nun entdeckte sich alsobald einer
aus seinem Heere, der der Gier zum Golde nicht
widerstehen konnte, für den Thäter; doch der er-
grimmte Feldherr, um diesen Frevel zu ahnden und
dennoch sein gegebenes Wort nicht zu brechen, ließ
die bestimmte Menge Goldes schmelzen, und so in
den Hals des Unglücklichen gießen. Zur Zeit des
jugendlichen Königs Ladislaw erhohlte sich wohl
das Stift zum Theile wieder, und die Stiftskirche
so wie das Klostergebäude wurden wieder hergestellt;
nur die Marienkirche lag noch immer in traurigen
Trümmern. Zahllose Unglücksfälle, zwar nicht so
bedeutend, wie jener im Hussitenkriege wechselten
mit geringen Tröstungen; und doch schien es, als hänge
das Gedeihen des Stiftes, welches von der Er-
bauung der Marienkirche unter Abt Heinrich im
Jahre 1320 an bis zu ihrer Zerstörung in der
schönsten Blüthe war, von eben dieser Kirche ab.
Erst zu Anfang des 18ten Jahrhunderts dachte Abt
Heinrich Snopek an die Wiederherstellung dieses
Gotteshauses. Was dieser würdige Prälat begann,
das führte er auch jedesmal mit dem schönsten Er-
folge aus; wie es schon andere für das Klosterstift
begonnene Unternehmungen bewiesen hatten. Der
Bau ward thätig begonnen, eifrigst fortgeführt.
Der erste Morgenstrahl traf den Abt unter den
Arbeitern, durch Rath, Hülfe und freundlichen
Zuspruch, die Bauleute aufmunternd, oft selbst
die Hand anlegend, und so mit schönem Bei-
spiele mehr als durch Worte den Bau beschleu-
nigend. Als er sich einst früh Morgens zu der
Baustelle hinbegab, begegnete ihm eine ehrwürdige
Greisengestalt im Bettelgewande. Auf den leutse-
ligen Gruß des Prälaten reichte ihm der Bettler
einen Kreuzer mit der Bitte dar, für diesen etwas
zu der neu zu erbauenden Kirche anzuschaffen. Wäh-
rend der Abt gerührt und freundlich in das Begeh-
ren des Greises willigte, verlor sich dieser. Jener
hingegen, welcher dieses geringe Geschenk nicht ver-
schmähte, kaufte für den Kreuzer eine Glasscheibe,
die er in das rechts bei der großen Pforte ange-
brachte Fenster setzen ließ. Von dieser Zeit an schien
der Segen des Himmels sein Füllhorn über dieß
Unternehmen ausgeleert zu haben. Der Abt brachte
nicht nur den Bau dieser Kirche, die überdieß präch-
tig ausgeziert wurde, gänzlich zu Stande, sondern
fand sich bald auch vermögend genug, die übrigen
Klostergebäude zu renoviren, eine größere Anzahl
Ordensbrüder zu unterhalten, und die Stiftsgüter
zu vermehren und zu verbessern.     H.



Die artesischen Brunnen.

Mit Recht haben in der neuesten Zeit die
Bohr= und Springquellbrunnen, die man auch von
der französischen Grafschaft Artois, wo sie um
die Mitte des verwichenen Jahrhunderts sehr in
Aufnahme gekommen waren, artesische Brunnen
nennt, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gerich-
tet. Sie sind keineswegs eine Erfindung der Fran-
zosen, sondern weit früher in Oesterreich und Ober-
italien schon bekannt gewesen, und werden seit
langer Zeit wahrscheinlich auch in China angewandt.
Es wird durch die Anlegung solcher Brunnen auch
in dürren Gegenden frisches, reines Trinkwasser,
und zwar zu jeder Jahreszeit, in gleicher Menge
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] vinnen verrichtet. Die Kinder bleiben bis zum
siebenten Jahre bei den Frauen; ist diese Zeit
vorüber, so vertrauet man sie einem Mufti, welcher
sie in der Religion und im Lesen unterrichtet.

Nur die Frauen von gemeinem Stande sieht
man in Egypten frei und ohne Begleitung herum-
gehen. Doch sind sie immer in ihren Milai gehüllt.
Die Fellahs schicken sie auf die Märkte, um den
Verkauf zu besorgen, aber es sind ihrer dort viel
weniger als Männer. Die Frauen der gemächlichen
Klasse dürfen in's Bad gehen, oder ihre Verwand-
ten besuchen, man sieht sie zu Fuß oder auf Eseln,
aber sie sind immer von einem oder mehreren Be-
dienten begleitet.

Die Orientalen sind äußerst eifersüchtig auf
ihre Frauen. Diese Krankheit herrscht auf gleiche
Weise in Aegypten und Nubien. Wenn man bei
einem Araber oder Nubier ist, so hüte man sich
wohl, sich nach ihren Frauen zu erkundigen; auch
rühme man nie ihre Schönheit, denn seine freund-
schaftliche Miene würde sich sogleich in Kälte ver-
wandeln, und seine beste Laune in oft fürchterlichen
Mißmuth umschlagen. Die Liebkosungen, die man
ihren Kindern macht, schmeicheln ihnen; die Ge-
schenke, welche diese Kinder empfangen, werden mit
Wohlgefallen aufgenommen. Die Europäer gefal-
len den Egyptierinnen sehr wegen ihrer weißen
Haut. Jene, die sich den Bart wachsen lassen, und
die Landestracht annehmen, werden dem Auge die-
ser Frauen noch wohlgefälliger. Die Färbung des
Gesichts ändert sich unter dem egyptischen Himmel
gar bald, und stufenweise wird man röthlich, und
dann tief dunkelbraun. Jedoch bekommt man nie
den eigentlichen Ton der Farbe, wie sie die Einge-
bornen haben.

Die Mode sich zu bemalen herrscht bei allen
arabischen, koptischen und nubischen Frauen. Kein
Theil des Gesichts oder Körpers bleibt frei von
diesem seltsamen Putze. Die Muselfrauen bemalen
sich unter andern beliebten Figuren mit Sternen
und Halbmonden, die Coptinnen mit Kreuzen und
Heiligen. Da allen Frauen die Haare weggenom-
men werden, so ersetzt dieses Bemalen gewissermassen
den Haarschleier, dessen man sie beraubt hat. Diese
Malerkunst wird von Weibern ausgeübt, die auf
den Straßen herumgehen und schreien, und auch die
Substanz verkaufen, womit man den Rand der Au-
genlieder schwarz färbt. Eine so bemalte Frau
mißfällt gemeinhin den Europäern, aber die Lan-
deseingebornen finden sie sehr reizend, manche Frauen
lassen sich die Nasenknorpel durchstechen, um Ringe
hinein zu hängen, was für Viele noch anmuthi-
ger ist.     R.



Die Glasscheibe zu Sedletz.

Jm zwölften Jahrhundert durch den Wladiken
Miroslaw gegründet prangte das Kloster Sedletz
in Fülle des Wohlstandes, als die Stürme des
Hussitenkrieges über Böhmen hereinbrachen, und das
reiche Stift, wie so viele andere mit Raub, Feuer
und Schwert heimgesucht wurde. Žižka befahl,
die Marienkirche zu verschonen, und als er das ihm
werthe Gotteshaus, das er in früher Jugend oft
besucht hatte, in Trümmer zusammenstürzen sah,
schwor er in seinem Jnnern, diesen Frevel und die
Verletzung seines Gebothes schrecklich zu rächen.
Der Thäter blieb unbekannt. Da heuchelte Žižka
[Spaltenumbruch] Freude über die Zerstörung der Kirche, und setzte
eine Menge Goldes zum Lohne für diesen verdienst-
lichen Eifer fest. Nun entdeckte sich alsobald einer
aus seinem Heere, der der Gier zum Golde nicht
widerstehen konnte, für den Thäter; doch der er-
grimmte Feldherr, um diesen Frevel zu ahnden und
dennoch sein gegebenes Wort nicht zu brechen, ließ
die bestimmte Menge Goldes schmelzen, und so in
den Hals des Unglücklichen gießen. Zur Zeit des
jugendlichen Königs Ladislaw erhohlte sich wohl
das Stift zum Theile wieder, und die Stiftskirche
so wie das Klostergebäude wurden wieder hergestellt;
nur die Marienkirche lag noch immer in traurigen
Trümmern. Zahllose Unglücksfälle, zwar nicht so
bedeutend, wie jener im Hussitenkriege wechselten
mit geringen Tröstungen; und doch schien es, als hänge
das Gedeihen des Stiftes, welches von der Er-
bauung der Marienkirche unter Abt Heinrich im
Jahre 1320 an bis zu ihrer Zerstörung in der
schönsten Blüthe war, von eben dieser Kirche ab.
Erst zu Anfang des 18ten Jahrhunderts dachte Abt
Heinrich Snopek an die Wiederherstellung dieses
Gotteshauses. Was dieser würdige Prälat begann,
das führte er auch jedesmal mit dem schönsten Er-
folge aus; wie es schon andere für das Klosterstift
begonnene Unternehmungen bewiesen hatten. Der
Bau ward thätig begonnen, eifrigst fortgeführt.
Der erste Morgenstrahl traf den Abt unter den
Arbeitern, durch Rath, Hülfe und freundlichen
Zuspruch, die Bauleute aufmunternd, oft selbst
die Hand anlegend, und so mit schönem Bei-
spiele mehr als durch Worte den Bau beschleu-
nigend. Als er sich einst früh Morgens zu der
Baustelle hinbegab, begegnete ihm eine ehrwürdige
Greisengestalt im Bettelgewande. Auf den leutse-
ligen Gruß des Prälaten reichte ihm der Bettler
einen Kreuzer mit der Bitte dar, für diesen etwas
zu der neu zu erbauenden Kirche anzuschaffen. Wäh-
rend der Abt gerührt und freundlich in das Begeh-
ren des Greises willigte, verlor sich dieser. Jener
hingegen, welcher dieses geringe Geschenk nicht ver-
schmähte, kaufte für den Kreuzer eine Glasscheibe,
die er in das rechts bei der großen Pforte ange-
brachte Fenster setzen ließ. Von dieser Zeit an schien
der Segen des Himmels sein Füllhorn über dieß
Unternehmen ausgeleert zu haben. Der Abt brachte
nicht nur den Bau dieser Kirche, die überdieß präch-
tig ausgeziert wurde, gänzlich zu Stande, sondern
fand sich bald auch vermögend genug, die übrigen
Klostergebäude zu renoviren, eine größere Anzahl
Ordensbrüder zu unterhalten, und die Stiftsgüter
zu vermehren und zu verbessern.     H.



Die artesischen Brunnen.

Mit Recht haben in der neuesten Zeit die
Bohr= und Springquellbrunnen, die man auch von
der französischen Grafschaft Artois, wo sie um
die Mitte des verwichenen Jahrhunderts sehr in
Aufnahme gekommen waren, artesische Brunnen
nennt, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gerich-
tet. Sie sind keineswegs eine Erfindung der Fran-
zosen, sondern weit früher in Oesterreich und Ober-
italien schon bekannt gewesen, und werden seit
langer Zeit wahrscheinlich auch in China angewandt.
Es wird durch die Anlegung solcher Brunnen auch
in dürren Gegenden frisches, reines Trinkwasser,
und zwar zu jeder Jahreszeit, in gleicher Menge
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0006" n="406"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Panorama des Universums.</hi></fw><cb type="start"/>
vinnen verrichtet. Die Kinder bleiben bis zum<lb/>
siebenten Jahre bei den Frauen; ist diese Zeit<lb/>
vorüber, so vertrauet man sie einem Mufti, welcher<lb/>
sie in der Religion und im Lesen unterrichtet.</p><lb/>
        <p>Nur die Frauen von gemeinem Stande sieht<lb/>
man in Egypten frei und ohne Begleitung herum-<lb/>
gehen. Doch sind sie immer in ihren Milai gehüllt.<lb/>
Die Fellahs schicken sie auf die Märkte, um den<lb/>
Verkauf zu besorgen, aber es sind ihrer dort viel<lb/>
weniger als Männer. Die Frauen der gemächlichen<lb/>
Klasse dürfen in's Bad gehen, oder ihre Verwand-<lb/>
ten besuchen, man sieht sie zu Fuß oder auf Eseln,<lb/>
aber sie sind immer von einem oder mehreren Be-<lb/>
dienten begleitet.</p><lb/>
        <p>Die Orientalen sind äußerst eifersüchtig auf<lb/>
ihre Frauen. Diese Krankheit herrscht auf gleiche<lb/>
Weise in Aegypten und Nubien. Wenn man bei<lb/>
einem Araber oder Nubier ist, so hüte man sich<lb/>
wohl, sich nach ihren Frauen zu erkundigen; auch<lb/>
rühme man nie ihre Schönheit, denn seine freund-<lb/>
schaftliche Miene würde sich sogleich in Kälte ver-<lb/>
wandeln, und seine beste Laune in oft fürchterlichen<lb/>
Mißmuth umschlagen. Die Liebkosungen, die man<lb/>
ihren Kindern macht, schmeicheln ihnen; die Ge-<lb/>
schenke, welche diese Kinder empfangen, werden mit<lb/>
Wohlgefallen aufgenommen. Die Europäer gefal-<lb/>
len den Egyptierinnen sehr wegen ihrer weißen<lb/>
Haut. Jene, die sich den Bart wachsen lassen, und<lb/>
die Landestracht annehmen, werden dem Auge die-<lb/>
ser Frauen noch wohlgefälliger. Die Färbung des<lb/>
Gesichts ändert sich unter dem egyptischen Himmel<lb/>
gar bald, und stufenweise wird man röthlich, und<lb/>
dann tief dunkelbraun. Jedoch bekommt man nie<lb/>
den eigentlichen Ton der Farbe, wie sie die Einge-<lb/>
bornen haben.</p><lb/>
        <p>Die Mode sich zu bemalen herrscht bei allen<lb/>
arabischen, koptischen und nubischen Frauen. Kein<lb/>
Theil des Gesichts oder Körpers bleibt frei von<lb/>
diesem seltsamen Putze. Die Muselfrauen bemalen<lb/>
sich unter andern beliebten Figuren mit Sternen<lb/>
und Halbmonden, die Coptinnen mit Kreuzen und<lb/>
Heiligen. Da allen Frauen die Haare weggenom-<lb/>
men werden, so ersetzt dieses Bemalen gewissermassen<lb/>
den Haarschleier, dessen man sie beraubt hat. Diese<lb/>
Malerkunst wird von Weibern ausgeübt, die auf<lb/>
den Straßen herumgehen und schreien, und auch die<lb/>
Substanz verkaufen, womit man den Rand der Au-<lb/>
genlieder schwarz färbt. Eine so bemalte Frau<lb/>
mißfällt gemeinhin den Europäern, aber die Lan-<lb/>
deseingebornen finden sie sehr reizend, manche Frauen<lb/>
lassen sich die Nasenknorpel durchstechen, um Ringe<lb/>
hinein zu hängen, was für Viele noch anmuthi-<lb/>
ger ist.  <space dim="horizontal"/>  R.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Die Glasscheibe zu Sedletz.</hi> </head><lb/>
        <p>Jm zwölften Jahrhundert durch den Wladiken<lb/><hi rendition="#g">Miroslaw</hi> gegründet prangte das Kloster <hi rendition="#g">Sedletz</hi><lb/>
in Fülle des Wohlstandes, als die Stürme des<lb/>
Hussitenkrieges über Böhmen hereinbrachen, und das<lb/>
reiche Stift, wie so viele andere mit Raub, Feuer<lb/>
und Schwert heimgesucht wurde. <hi rendition="#g">&#x017D;i&#x017E;ka</hi> befahl,<lb/>
die Marienkirche zu verschonen, und als er das ihm<lb/>
werthe Gotteshaus, das er in früher Jugend oft<lb/>
besucht hatte, in Trümmer zusammenstürzen sah,<lb/>
schwor er in seinem Jnnern, diesen Frevel und die<lb/>
Verletzung seines Gebothes schrecklich zu rächen.<lb/>
Der Thäter blieb unbekannt. Da heuchelte <hi rendition="#g">&#x017D;i&#x017E;ka</hi><lb/><cb n="2"/>
Freude über die Zerstörung der Kirche, und setzte<lb/>
eine Menge Goldes zum Lohne für diesen verdienst-<lb/>
lichen Eifer fest. Nun entdeckte sich alsobald einer<lb/>
aus seinem Heere, der der Gier zum Golde nicht<lb/>
widerstehen konnte, für den Thäter; doch der er-<lb/>
grimmte Feldherr, um diesen Frevel zu ahnden und<lb/>
dennoch sein gegebenes Wort nicht zu brechen, ließ<lb/>
die bestimmte Menge Goldes schmelzen, und so in<lb/>
den Hals des Unglücklichen gießen. Zur Zeit des<lb/>
jugendlichen Königs <hi rendition="#g">Ladislaw</hi> erhohlte sich wohl<lb/>
das Stift zum Theile wieder, und die Stiftskirche<lb/>
so wie das Klostergebäude wurden wieder hergestellt;<lb/>
nur die Marienkirche lag noch immer in traurigen<lb/>
Trümmern. Zahllose Unglücksfälle, zwar nicht so<lb/>
bedeutend, wie jener im Hussitenkriege wechselten<lb/>
mit geringen Tröstungen; und doch schien es, als hänge<lb/>
das Gedeihen des Stiftes, welches von der Er-<lb/>
bauung der Marienkirche unter Abt <hi rendition="#g">Heinrich</hi> im<lb/>
Jahre 1320 an bis zu ihrer Zerstörung in der<lb/>
schönsten Blüthe war, von eben dieser Kirche ab.<lb/>
Erst zu Anfang des 18ten Jahrhunderts dachte Abt<lb/><hi rendition="#g">Heinrich Snopek</hi> an die Wiederherstellung dieses<lb/>
Gotteshauses. Was dieser würdige Prälat begann,<lb/>
das führte er auch jedesmal mit dem schönsten Er-<lb/>
folge aus; wie es schon andere für das Klosterstift<lb/>
begonnene Unternehmungen bewiesen hatten. Der<lb/>
Bau ward thätig begonnen, eifrigst fortgeführt.<lb/>
Der erste Morgenstrahl traf den Abt unter den<lb/>
Arbeitern, durch Rath, Hülfe und freundlichen<lb/>
Zuspruch, die Bauleute aufmunternd, oft selbst<lb/>
die Hand anlegend, und so mit schönem Bei-<lb/>
spiele mehr als durch Worte den Bau beschleu-<lb/>
nigend. Als er sich einst früh Morgens zu der<lb/>
Baustelle hinbegab, begegnete ihm eine ehrwürdige<lb/>
Greisengestalt im Bettelgewande. Auf den leutse-<lb/>
ligen Gruß des Prälaten reichte ihm der Bettler<lb/>
einen Kreuzer mit der Bitte dar, für diesen etwas<lb/>
zu der neu zu erbauenden Kirche anzuschaffen. Wäh-<lb/>
rend der Abt gerührt und freundlich in das Begeh-<lb/>
ren des Greises willigte, verlor sich dieser. Jener<lb/>
hingegen, welcher dieses geringe Geschenk nicht ver-<lb/>
schmähte, kaufte für den Kreuzer eine Glasscheibe,<lb/>
die er in das rechts bei der großen Pforte ange-<lb/>
brachte Fenster setzen ließ. Von dieser Zeit an schien<lb/>
der Segen des Himmels sein Füllhorn über dieß<lb/>
Unternehmen ausgeleert zu haben. Der Abt brachte<lb/>
nicht nur den Bau dieser Kirche, die überdieß präch-<lb/>
tig ausgeziert wurde, gänzlich zu Stande, sondern<lb/>
fand sich bald auch vermögend genug, die übrigen<lb/>
Klostergebäude zu renoviren, eine größere Anzahl<lb/>
Ordensbrüder zu unterhalten, und die Stiftsgüter<lb/>
zu vermehren und zu verbessern.  <space dim="horizontal"/>  H.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Die artesischen Brunnen.</hi> </head><lb/>
        <p>Mit Recht haben in der neuesten Zeit die<lb/>
Bohr= und Springquellbrunnen, die man auch von<lb/>
der französischen Grafschaft <hi rendition="#g">Artois,</hi> wo sie um<lb/>
die Mitte des verwichenen Jahrhunderts sehr in<lb/>
Aufnahme gekommen waren, <hi rendition="#g">artesische Brunnen</hi><lb/>
nennt, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gerich-<lb/>
tet. Sie sind keineswegs eine Erfindung der Fran-<lb/>
zosen, sondern weit früher in Oesterreich und Ober-<lb/>
italien schon bekannt gewesen, und werden seit<lb/>
langer Zeit wahrscheinlich auch in China angewandt.<lb/>
Es wird durch die Anlegung solcher Brunnen auch<lb/>
in dürren Gegenden frisches, reines Trinkwasser,<lb/>
und zwar zu jeder Jahreszeit, in gleicher Menge<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[406/0006] Panorama des Universums. vinnen verrichtet. Die Kinder bleiben bis zum siebenten Jahre bei den Frauen; ist diese Zeit vorüber, so vertrauet man sie einem Mufti, welcher sie in der Religion und im Lesen unterrichtet. Nur die Frauen von gemeinem Stande sieht man in Egypten frei und ohne Begleitung herum- gehen. Doch sind sie immer in ihren Milai gehüllt. Die Fellahs schicken sie auf die Märkte, um den Verkauf zu besorgen, aber es sind ihrer dort viel weniger als Männer. Die Frauen der gemächlichen Klasse dürfen in's Bad gehen, oder ihre Verwand- ten besuchen, man sieht sie zu Fuß oder auf Eseln, aber sie sind immer von einem oder mehreren Be- dienten begleitet. Die Orientalen sind äußerst eifersüchtig auf ihre Frauen. Diese Krankheit herrscht auf gleiche Weise in Aegypten und Nubien. Wenn man bei einem Araber oder Nubier ist, so hüte man sich wohl, sich nach ihren Frauen zu erkundigen; auch rühme man nie ihre Schönheit, denn seine freund- schaftliche Miene würde sich sogleich in Kälte ver- wandeln, und seine beste Laune in oft fürchterlichen Mißmuth umschlagen. Die Liebkosungen, die man ihren Kindern macht, schmeicheln ihnen; die Ge- schenke, welche diese Kinder empfangen, werden mit Wohlgefallen aufgenommen. Die Europäer gefal- len den Egyptierinnen sehr wegen ihrer weißen Haut. Jene, die sich den Bart wachsen lassen, und die Landestracht annehmen, werden dem Auge die- ser Frauen noch wohlgefälliger. Die Färbung des Gesichts ändert sich unter dem egyptischen Himmel gar bald, und stufenweise wird man röthlich, und dann tief dunkelbraun. Jedoch bekommt man nie den eigentlichen Ton der Farbe, wie sie die Einge- bornen haben. Die Mode sich zu bemalen herrscht bei allen arabischen, koptischen und nubischen Frauen. Kein Theil des Gesichts oder Körpers bleibt frei von diesem seltsamen Putze. Die Muselfrauen bemalen sich unter andern beliebten Figuren mit Sternen und Halbmonden, die Coptinnen mit Kreuzen und Heiligen. Da allen Frauen die Haare weggenom- men werden, so ersetzt dieses Bemalen gewissermassen den Haarschleier, dessen man sie beraubt hat. Diese Malerkunst wird von Weibern ausgeübt, die auf den Straßen herumgehen und schreien, und auch die Substanz verkaufen, womit man den Rand der Au- genlieder schwarz färbt. Eine so bemalte Frau mißfällt gemeinhin den Europäern, aber die Lan- deseingebornen finden sie sehr reizend, manche Frauen lassen sich die Nasenknorpel durchstechen, um Ringe hinein zu hängen, was für Viele noch anmuthi- ger ist. R. Die Glasscheibe zu Sedletz. Jm zwölften Jahrhundert durch den Wladiken Miroslaw gegründet prangte das Kloster Sedletz in Fülle des Wohlstandes, als die Stürme des Hussitenkrieges über Böhmen hereinbrachen, und das reiche Stift, wie so viele andere mit Raub, Feuer und Schwert heimgesucht wurde. Žižka befahl, die Marienkirche zu verschonen, und als er das ihm werthe Gotteshaus, das er in früher Jugend oft besucht hatte, in Trümmer zusammenstürzen sah, schwor er in seinem Jnnern, diesen Frevel und die Verletzung seines Gebothes schrecklich zu rächen. Der Thäter blieb unbekannt. Da heuchelte Žižka Freude über die Zerstörung der Kirche, und setzte eine Menge Goldes zum Lohne für diesen verdienst- lichen Eifer fest. Nun entdeckte sich alsobald einer aus seinem Heere, der der Gier zum Golde nicht widerstehen konnte, für den Thäter; doch der er- grimmte Feldherr, um diesen Frevel zu ahnden und dennoch sein gegebenes Wort nicht zu brechen, ließ die bestimmte Menge Goldes schmelzen, und so in den Hals des Unglücklichen gießen. Zur Zeit des jugendlichen Königs Ladislaw erhohlte sich wohl das Stift zum Theile wieder, und die Stiftskirche so wie das Klostergebäude wurden wieder hergestellt; nur die Marienkirche lag noch immer in traurigen Trümmern. Zahllose Unglücksfälle, zwar nicht so bedeutend, wie jener im Hussitenkriege wechselten mit geringen Tröstungen; und doch schien es, als hänge das Gedeihen des Stiftes, welches von der Er- bauung der Marienkirche unter Abt Heinrich im Jahre 1320 an bis zu ihrer Zerstörung in der schönsten Blüthe war, von eben dieser Kirche ab. Erst zu Anfang des 18ten Jahrhunderts dachte Abt Heinrich Snopek an die Wiederherstellung dieses Gotteshauses. Was dieser würdige Prälat begann, das führte er auch jedesmal mit dem schönsten Er- folge aus; wie es schon andere für das Klosterstift begonnene Unternehmungen bewiesen hatten. Der Bau ward thätig begonnen, eifrigst fortgeführt. Der erste Morgenstrahl traf den Abt unter den Arbeitern, durch Rath, Hülfe und freundlichen Zuspruch, die Bauleute aufmunternd, oft selbst die Hand anlegend, und so mit schönem Bei- spiele mehr als durch Worte den Bau beschleu- nigend. Als er sich einst früh Morgens zu der Baustelle hinbegab, begegnete ihm eine ehrwürdige Greisengestalt im Bettelgewande. Auf den leutse- ligen Gruß des Prälaten reichte ihm der Bettler einen Kreuzer mit der Bitte dar, für diesen etwas zu der neu zu erbauenden Kirche anzuschaffen. Wäh- rend der Abt gerührt und freundlich in das Begeh- ren des Greises willigte, verlor sich dieser. Jener hingegen, welcher dieses geringe Geschenk nicht ver- schmähte, kaufte für den Kreuzer eine Glasscheibe, die er in das rechts bei der großen Pforte ange- brachte Fenster setzen ließ. Von dieser Zeit an schien der Segen des Himmels sein Füllhorn über dieß Unternehmen ausgeleert zu haben. Der Abt brachte nicht nur den Bau dieser Kirche, die überdieß präch- tig ausgeziert wurde, gänzlich zu Stande, sondern fand sich bald auch vermögend genug, die übrigen Klostergebäude zu renoviren, eine größere Anzahl Ordensbrüder zu unterhalten, und die Stiftsgüter zu vermehren und zu verbessern. H. Die artesischen Brunnen. Mit Recht haben in der neuesten Zeit die Bohr= und Springquellbrunnen, die man auch von der französischen Grafschaft Artois, wo sie um die Mitte des verwichenen Jahrhunderts sehr in Aufnahme gekommen waren, artesische Brunnen nennt, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gerich- tet. Sie sind keineswegs eine Erfindung der Fran- zosen, sondern weit früher in Oesterreich und Ober- italien schon bekannt gewesen, und werden seit langer Zeit wahrscheinlich auch in China angewandt. Es wird durch die Anlegung solcher Brunnen auch in dürren Gegenden frisches, reines Trinkwasser, und zwar zu jeder Jahreszeit, in gleicher Menge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama51_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama51_1835/6
Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 51. Prag, 1835, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama51_1835/6>, abgerufen am 21.11.2024.