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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 10. Leipzig (Sachsen), 11. März 1843.

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[Beginn Spaltensatz] schen Völkerschaften. Die Verfassung der Stämme in
den von den 4 Söhnen des Kais abgeleiteten 4 Abthei-
lungen ist folgende: der Stamm zerfällt in Ulusse, oft in
Folge von Fehden, der Uluß in Zweige, der Zweig in Ge-
meinschaften von oft nur 10--12 Familien. Das Fami-
lienhaupt, der Vorsteher der Gemeinde, welcher Spihn
Zehras, d. i. Weißbart, der Vorsteher des Zweigs, welcher
Malik oder Maschir, d. i. König, Herr, und der Vor-
steher des Uluß, welcher Sirdar oder Khan genannt wird,
bilden eine Reihe von Herren, in welcher das niedere Glied
immer durch das höhere eingesetzt oder bestätigt wird.
Die Stellen sind erblich im Geschlecht, aber aus diesem
wird gewählt. Dieses unbestimmte Erbrecht erzeugt stete
Fehden, in welchen oft ein Dictator ernannt wird.
Wichtige Dinge bedürfen einer Versammlung der Stamm-
und Familienhäupter, welche Dschirgah genannt wird
und für jede Gemeinde und jeden Zweig zugleich das
Gericht ist, wo das Faustrecht nicht ausreicht. Strafen
sind Geldbußen, die nach Frauen geschätzt werden. So
zahlt man z. B. für einen Mord 12 Frauen. Die
Erscheinung als Flehender wirkt Versöhnung. Der Ko-
ran bildet für den Kadi, das Puschtenwalle oder afgha-
nische Herkommen für die Dschirgah den Rechtscodex.
Die Ländereien sind unter die Afghanen entweder ganz
vertheilt oder werden jährlich in den Stämmen verloost.
Wer kein Recht an der Dschirgah hat, kann sie nur
als Höriger oder Meier benutzen. Das Alles stimmt
mit der altpersischen und germanischen Verfassung überein.

Der Hof hat seine Beamten ganz nach persischer
Weise, an der Spitze steht der Wisir Azem, Hakims ver-
walten die Civilsachen der 17 größern Provinzen, Kadis
leiten die Rechtspflege, der Mufti ist die oberste Jnstanz.
Jn den 9 kleinen Provinzen gilt die Stammherrschaft,
nur zur Erhebung der Abgaben kommt ein Sirdar. Die
Einkünfte bilden die Grundsteuer, die Gewerbesteuer, die
Domainen, die Straf= und Confiscationsgelder und die
Münze. Sie belaufen sich auf 12 Millionen Gulden. Den
Mittelpunkt des Heeres bilden die Durahner; die Sir-
dars die Generale; persische Säbel, Flinten, Pistolen,
Lanzen, Schilde und Panzer die Waffen. Die Ge-
birgsländer liefern das Fußvolk, sonst ist Alles Reiterei.
Jn den Schulen des Landes, den Medresses, lernt man
den Koran, einige Dichter, die Jurisprudenz und Theo-
logie; wer mehr erlernen will, reist nach Samarkand in
der Bucharei. Freie Afghanen, Pachter, Hörige, Mieth-
arbeiter, Sklaven bilden die Abstufungen der Stände.

Die Viehzucht, besonders Schafzucht, wird lebhafter
betrieben als der Ackerbau. Von Jndustrie kann nicht
die Rede sein, denn was man braucht, verfertigt man
sich selbst, die Weiber das für die Haushaltung Nö-
thige, die Männer Waffen und Werkzeuge. Handel
treibt das Land mit Jndien. Man sendet ihm Pferde
und Früchte, und empfängt dafür indische Producte, die
man dann wieder nach Turkestan ausführt, um dafür
die Kameele der Kirgisen und europäische Waaren ein-
zutauschen. Auch nach Persien führen Karavanen indi-
sches Gut und bringen dafür vorzüglich persische Seide,
Baumwollenzeuche und edle Metalle zurück. Dieselben
Waaren gehen auch nach China bis Kaschgar hinauf,
um dort gegen chinesische Marktwaaren umgetauscht zu
werden. Aus allem Dem sieht man, daß Afghanistan
alle Elemente besitzt, einer der schönsten Culturstaaten
Asiens zu werden und daß die Engländer gewiß nur
sehr ungern die ergriffene Beute wieder fahren ließen.



[Spaltenumbruch]
Miscellen.

Der Uhrmacher Bonhard in Berlin hat eine clektro=gal-
vanische Uhr erfunden, mit deren Hülfe sich der Weg, den
ein Körper in einer gewissen Zeiteintheilung zurücklegt, aufs
genauste bestimmen läßt. Diese Uhr ist angewendet worden,
um den Flug der Kanonenkugeln in der Secunde zu ermitteln.
Durch eine sinnreiche Vorrichtung bewegt sich der Pendel, so-
bald das Geschütz abgebrannt wird; sobald die Kugel in die
Scheibe schlägt, leitet ein Draht einen elektrogalvanischen Fun-
ken zurück, welcher die Uhr zum Stehen bringt.



Jn Amsterdam, einer Stadt von 200,000 Einwohnern,
wurden im Laufe des vorigen Jahres 1723 Paare getraut
und 17 Ehen durch richterliches Erkenntniß getrennt. Die
Anzahl der Geburten belief sich auf 7681, worunter 778 Un-
eheliche, die der Todesfälle auf 7768, worunter 487 Todtge-
borene; 248 Personen hatten ein Alter von 81--90, 41 von
91--100 Jahren erreicht.



Berlin hatte im J. 1560 gegen 12,000 Einwohner, im
J. 1618 ( zu Anfange des dreißigjährigen Kriegs ) ebenso viel,
zu Ende desselben nur 6000, im J. 1700 bereits 29,000 und
12 Jahre darauf 61,000, bei der Thronbesteigung Friedrich's
des Großen schon 90,000 und beim Tode desselben gegen
148,000, im J. 1797 gegen 166,000 und 7 Jahre darauf
über 182,000, im J. 1811 nur noch gegen 170,000, gegen-
wärtig über 330,000 Einwohner.



Nach der am 1. Juli 1842 vorgenommenen Zählung der
Wohnungen und Einwohner im Königreiche Hanover beläuft
sich die Zahl der Wohnungen im ganzen Königreiche auf
250,054, die der Einwohner auf 1,755,592.



Jn Neuß in Rheinpreußen ereignete sich am 10. Januar
ein großes Unglück. Ein Mädchen von 19 Jahren brachte
Abends ihrem Vater, welcher in der Fabrik des Herrn Thywis-
sen arbeitete, das Essen und wollte es daselbst so stellen, daß
es warm bleiben sollte. Dabei kam sie mit dem Mantel den
Rädern der Maschine zu nahe und wurde von ihnen ergriffen
und gänzlich zermalmt. Man mußte die Maschine auseinan-
der nehmen, um die zermalmten Glieder herauszubringen.



Literarische Anzeige.

Schriften von H. Koenig.

Neu erscheint soeben bei mir und ist in allen Buchhand-
lungen zu erhalten:

Regina.
Eine Herzensgeschichte
von
H. Koenig.
Gr. 12. Geh. 1 Thlr. 6 Ngr.

Diese Erzählung bildet das erste Bändchen einer Samm-
lung unter dem Titel: "Deutsches Leben in deutschen
Novellen."

Früher erschienen von H. Koenig in meinem Verlage:

Die hohe Braut. Ein Roman. Zwei Theile.
8. 1833. Geh. 4 Thlr.

Die Waldenser. Ein Roman. Zwei Theile. 1836.
8. Geh. 4 Thlr.

Die Bußfahrt. Trauerspiel in fünf Aufzügen.
1836. 8. Geh. 20 Ngr.

Leipzig, im März 1843.

    F. A. Brockhaus.

[Ende Spaltensatz]

Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung F. A. Brockhaus in Leipzig.

[Beginn Spaltensatz] schen Völkerschaften. Die Verfassung der Stämme in
den von den 4 Söhnen des Kais abgeleiteten 4 Abthei-
lungen ist folgende: der Stamm zerfällt in Ulusse, oft in
Folge von Fehden, der Uluß in Zweige, der Zweig in Ge-
meinschaften von oft nur 10—12 Familien. Das Fami-
lienhaupt, der Vorsteher der Gemeinde, welcher Spihn
Zehras, d. i. Weißbart, der Vorsteher des Zweigs, welcher
Malik oder Maschir, d. i. König, Herr, und der Vor-
steher des Uluß, welcher Sirdar oder Khan genannt wird,
bilden eine Reihe von Herren, in welcher das niedere Glied
immer durch das höhere eingesetzt oder bestätigt wird.
Die Stellen sind erblich im Geschlecht, aber aus diesem
wird gewählt. Dieses unbestimmte Erbrecht erzeugt stete
Fehden, in welchen oft ein Dictator ernannt wird.
Wichtige Dinge bedürfen einer Versammlung der Stamm-
und Familienhäupter, welche Dschirgah genannt wird
und für jede Gemeinde und jeden Zweig zugleich das
Gericht ist, wo das Faustrecht nicht ausreicht. Strafen
sind Geldbußen, die nach Frauen geschätzt werden. So
zahlt man z. B. für einen Mord 12 Frauen. Die
Erscheinung als Flehender wirkt Versöhnung. Der Ko-
ran bildet für den Kadi, das Puschtenwalle oder afgha-
nische Herkommen für die Dschirgah den Rechtscodex.
Die Ländereien sind unter die Afghanen entweder ganz
vertheilt oder werden jährlich in den Stämmen verloost.
Wer kein Recht an der Dschirgah hat, kann sie nur
als Höriger oder Meier benutzen. Das Alles stimmt
mit der altpersischen und germanischen Verfassung überein.

Der Hof hat seine Beamten ganz nach persischer
Weise, an der Spitze steht der Wisir Azem, Hakims ver-
walten die Civilsachen der 17 größern Provinzen, Kadis
leiten die Rechtspflege, der Mufti ist die oberste Jnstanz.
Jn den 9 kleinen Provinzen gilt die Stammherrschaft,
nur zur Erhebung der Abgaben kommt ein Sirdar. Die
Einkünfte bilden die Grundsteuer, die Gewerbesteuer, die
Domainen, die Straf= und Confiscationsgelder und die
Münze. Sie belaufen sich auf 12 Millionen Gulden. Den
Mittelpunkt des Heeres bilden die Durahner; die Sir-
dars die Generale; persische Säbel, Flinten, Pistolen,
Lanzen, Schilde und Panzer die Waffen. Die Ge-
birgsländer liefern das Fußvolk, sonst ist Alles Reiterei.
Jn den Schulen des Landes, den Medresses, lernt man
den Koran, einige Dichter, die Jurisprudenz und Theo-
logie; wer mehr erlernen will, reist nach Samarkand in
der Bucharei. Freie Afghanen, Pachter, Hörige, Mieth-
arbeiter, Sklaven bilden die Abstufungen der Stände.

Die Viehzucht, besonders Schafzucht, wird lebhafter
betrieben als der Ackerbau. Von Jndustrie kann nicht
die Rede sein, denn was man braucht, verfertigt man
sich selbst, die Weiber das für die Haushaltung Nö-
thige, die Männer Waffen und Werkzeuge. Handel
treibt das Land mit Jndien. Man sendet ihm Pferde
und Früchte, und empfängt dafür indische Producte, die
man dann wieder nach Turkestan ausführt, um dafür
die Kameele der Kirgisen und europäische Waaren ein-
zutauschen. Auch nach Persien führen Karavanen indi-
sches Gut und bringen dafür vorzüglich persische Seide,
Baumwollenzeuche und edle Metalle zurück. Dieselben
Waaren gehen auch nach China bis Kaschgar hinauf,
um dort gegen chinesische Marktwaaren umgetauscht zu
werden. Aus allem Dem sieht man, daß Afghanistan
alle Elemente besitzt, einer der schönsten Culturstaaten
Asiens zu werden und daß die Engländer gewiß nur
sehr ungern die ergriffene Beute wieder fahren ließen.



[Spaltenumbruch]
Miscellen.

Der Uhrmacher Bonhard in Berlin hat eine clektro=gal-
vanische Uhr erfunden, mit deren Hülfe sich der Weg, den
ein Körper in einer gewissen Zeiteintheilung zurücklegt, aufs
genauste bestimmen läßt. Diese Uhr ist angewendet worden,
um den Flug der Kanonenkugeln in der Secunde zu ermitteln.
Durch eine sinnreiche Vorrichtung bewegt sich der Pendel, so-
bald das Geschütz abgebrannt wird; sobald die Kugel in die
Scheibe schlägt, leitet ein Draht einen elektrogalvanischen Fun-
ken zurück, welcher die Uhr zum Stehen bringt.



Jn Amsterdam, einer Stadt von 200,000 Einwohnern,
wurden im Laufe des vorigen Jahres 1723 Paare getraut
und 17 Ehen durch richterliches Erkenntniß getrennt. Die
Anzahl der Geburten belief sich auf 7681, worunter 778 Un-
eheliche, die der Todesfälle auf 7768, worunter 487 Todtge-
borene; 248 Personen hatten ein Alter von 81—90, 41 von
91—100 Jahren erreicht.



Berlin hatte im J. 1560 gegen 12,000 Einwohner, im
J. 1618 ( zu Anfange des dreißigjährigen Kriegs ) ebenso viel,
zu Ende desselben nur 6000, im J. 1700 bereits 29,000 und
12 Jahre darauf 61,000, bei der Thronbesteigung Friedrich's
des Großen schon 90,000 und beim Tode desselben gegen
148,000, im J. 1797 gegen 166,000 und 7 Jahre darauf
über 182,000, im J. 1811 nur noch gegen 170,000, gegen-
wärtig über 330,000 Einwohner.



Nach der am 1. Juli 1842 vorgenommenen Zählung der
Wohnungen und Einwohner im Königreiche Hanover beläuft
sich die Zahl der Wohnungen im ganzen Königreiche auf
250,054, die der Einwohner auf 1,755,592.



Jn Neuß in Rheinpreußen ereignete sich am 10. Januar
ein großes Unglück. Ein Mädchen von 19 Jahren brachte
Abends ihrem Vater, welcher in der Fabrik des Herrn Thywis-
sen arbeitete, das Essen und wollte es daselbst so stellen, daß
es warm bleiben sollte. Dabei kam sie mit dem Mantel den
Rädern der Maschine zu nahe und wurde von ihnen ergriffen
und gänzlich zermalmt. Man mußte die Maschine auseinan-
der nehmen, um die zermalmten Glieder herauszubringen.



Literarische Anzeige.

Schriften von H. Koenig.

Neu erscheint soeben bei mir und ist in allen Buchhand-
lungen zu erhalten:

Regina.
Eine Herzensgeschichte
von
H. Koenig.
Gr. 12. Geh. 1 Thlr. 6 Ngr.

Diese Erzählung bildet das erste Bändchen einer Samm-
lung unter dem Titel: „Deutsches Leben in deutschen
Novellen.“

Früher erschienen von H. Koenig in meinem Verlage:

Die hohe Braut. Ein Roman. Zwei Theile.
8. 1833. Geh. 4 Thlr.

Die Waldenser. Ein Roman. Zwei Theile. 1836.
8. Geh. 4 Thlr.

Die Bußfahrt. Trauerspiel in fünf Aufzügen.
1836. 8. Geh. 20 Ngr.

Leipzig, im März 1843.

    F. A. Brockhaus.

[Ende Spaltensatz]

Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung F. A. Brockhaus in Leipzig.

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Sie belaufen sich auf 12 Millionen Gulden. Den Mittelpunkt des Heeres bilden die Durahner; die Sir- dars die Generale; persische Säbel, Flinten, Pistolen, Lanzen, Schilde und Panzer die Waffen. Die Ge- birgsländer liefern das Fußvolk, sonst ist Alles Reiterei. Jn den Schulen des Landes, den Medresses, lernt man den Koran, einige Dichter, die Jurisprudenz und Theo- logie; wer mehr erlernen will, reist nach Samarkand in der Bucharei. Freie Afghanen, Pachter, Hörige, Mieth- arbeiter, Sklaven bilden die Abstufungen der Stände. Die Viehzucht, besonders Schafzucht, wird lebhafter betrieben als der Ackerbau. Von Jndustrie kann nicht die Rede sein, denn was man braucht, verfertigt man sich selbst, die Weiber das für die Haushaltung Nö- thige, die Männer Waffen und Werkzeuge. Handel treibt das Land mit Jndien. Man sendet ihm Pferde und Früchte, und empfängt dafür indische Producte, die man dann wieder nach Turkestan ausführt, um dafür die Kameele der Kirgisen und europäische Waaren ein- zutauschen. Auch nach Persien führen Karavanen indi- sches Gut und bringen dafür vorzüglich persische Seide, Baumwollenzeuche und edle Metalle zurück. Dieselben Waaren gehen auch nach China bis Kaschgar hinauf, um dort gegen chinesische Marktwaaren umgetauscht zu werden. Aus allem Dem sieht man, daß Afghanistan alle Elemente besitzt, einer der schönsten Culturstaaten Asiens zu werden und daß die Engländer gewiß nur sehr ungern die ergriffene Beute wieder fahren ließen. Miscellen. Der Uhrmacher Bonhard in Berlin hat eine clektro=gal- vanische Uhr erfunden, mit deren Hülfe sich der Weg, den ein Körper in einer gewissen Zeiteintheilung zurücklegt, aufs genauste bestimmen läßt. Diese Uhr ist angewendet worden, um den Flug der Kanonenkugeln in der Secunde zu ermitteln. Durch eine sinnreiche Vorrichtung bewegt sich der Pendel, so- bald das Geschütz abgebrannt wird; sobald die Kugel in die Scheibe schlägt, leitet ein Draht einen elektrogalvanischen Fun- ken zurück, welcher die Uhr zum Stehen bringt. Jn Amsterdam, einer Stadt von 200,000 Einwohnern, wurden im Laufe des vorigen Jahres 1723 Paare getraut und 17 Ehen durch richterliches Erkenntniß getrennt. Die Anzahl der Geburten belief sich auf 7681, worunter 778 Un- eheliche, die der Todesfälle auf 7768, worunter 487 Todtge- borene; 248 Personen hatten ein Alter von 81—90, 41 von 91—100 Jahren erreicht. Berlin hatte im J. 1560 gegen 12,000 Einwohner, im J. 1618 ( zu Anfange des dreißigjährigen Kriegs ) ebenso viel, zu Ende desselben nur 6000, im J. 1700 bereits 29,000 und 12 Jahre darauf 61,000, bei der Thronbesteigung Friedrich's des Großen schon 90,000 und beim Tode desselben gegen 148,000, im J. 1797 gegen 166,000 und 7 Jahre darauf über 182,000, im J. 1811 nur noch gegen 170,000, gegen- wärtig über 330,000 Einwohner. Nach der am 1. Juli 1842 vorgenommenen Zählung der Wohnungen und Einwohner im Königreiche Hanover beläuft sich die Zahl der Wohnungen im ganzen Königreiche auf 250,054, die der Einwohner auf 1,755,592. Jn Neuß in Rheinpreußen ereignete sich am 10. Januar ein großes Unglück. Ein Mädchen von 19 Jahren brachte Abends ihrem Vater, welcher in der Fabrik des Herrn Thywis- sen arbeitete, das Essen und wollte es daselbst so stellen, daß es warm bleiben sollte. Dabei kam sie mit dem Mantel den Rädern der Maschine zu nahe und wurde von ihnen ergriffen und gänzlich zermalmt. Man mußte die Maschine auseinan- der nehmen, um die zermalmten Glieder herauszubringen. Literarische Anzeige. Schriften von H. Koenig. Neu erscheint soeben bei mir und ist in allen Buchhand- lungen zu erhalten: Regina. Eine Herzensgeschichte von H. Koenig. Gr. 12. Geh. 1 Thlr. 6 Ngr. Diese Erzählung bildet das erste Bändchen einer Samm- lung unter dem Titel: „Deutsches Leben in deutschen Novellen.“ Früher erschienen von H. Koenig in meinem Verlage: Die hohe Braut. Ein Roman. Zwei Theile. 8. 1833. Geh. 4 Thlr. Die Waldenser. Ein Roman. Zwei Theile. 1836. 8. Geh. 4 Thlr. Die Bußfahrt. Trauerspiel in fünf Aufzügen. 1836. 8. Geh. 20 Ngr. Leipzig, im März 1843. F. A. Brockhaus. Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung F. A. Brockhaus in Leipzig.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 10. Leipzig (Sachsen), 11. März 1843, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig010_1843/8>, abgerufen am 21.11.2024.