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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 31. Leipzig (Sachsen). 5. August 1843.

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[Beginn Spaltensatz] rige Botschaft von der Gefangennehmung ihres Führers
brachte.

Mit der Abtheilung Dragoner, welche die Gefangen-
nehmung des Marquinez bewerkstelligt hatte, waren zwei
Bataillone Jnfanterie und eine Escadron Cavalerie aus-
gerückt und hatten sich einige Meilen von dem Stand-
quartiere des Marquinez aufgestellt. Dieses Corps er-
reichte die Dragoner mit ihren Gefangenen gegen 11 Uhr.
Jhre Pferde waren außer Stande, weiter zu gehen und
mußten durchaus einige Stunden ausruhen. Eine Stunde
vor Sonnenaufgang sollte es wieder weiter gehen. Jn der
Zwischenzeit wurden die beiden Gefangenen in ein Par-
terrezimmer des Hauses eingeschlossen, wo der commandi-
rende Oberst wohnte. Die Thür des Zimmers ging auf
einen weiten Gang, welcher der Wache zum Aufenthalte
diente; das kleine scheibenlose Fenster war mit drei pa-
rallel laufenden Eisenstäben verwahrt, welche fest in der
Steinmauer eingekittet waren. Vor dem Fenster schritt
eine Wache auf und ab und machte jeden Versuch zur
Flucht unmöglich.

Der junge Adjutant des Marquinez schlief auf einem
der drei Stühle, welche in dem Zimmer waren, aus
übergroßer Müdigkeit bald ein. Marquinez aber durch-
schritt in allen Richtungen das Zimmer und dachte
an sein trauriges Schicksal. Eine Stunde mochte er
so einhergeschritten sein, als er eine bekannte Stimme
vernahm. Er horchte auf, um sich zu überzeugen, ob
er sich getäuscht habe, aber er vernahm nichts als
das Geräusch der vor seinem Fenster auf= und abschrei-
tenden Schildwache und die Töne eines alten Trinkliedes,
welches einer der Wache habenden Soldaten mit einer
wahren Stentorstimme in die Luft heulte. Als er sich
überzeugt hatte, daß er sich von seiner durch die Ereig-
nisse des Tages überreizten Phantasie hatte irreführen
lassen, warf er sich auf einen Stuhl und wollte, wie
sein Adjutant, bei dem Schlafe Vergessenheit seines Un-
glücks suchen. Seine Augen fingen schon an sich zu
schließen, als sein Name abermals genannt wurde, zu
gleicher Zeit ließ sich ein Geräusch vernehmen, wie wenn
Jemand mit einem Stück Eisen auf ein anderes schlägt.
Diesmal konnte es keine Täuschung sein. Marquinez
eilte zum Fenster und sah hinaus, so weit es ihm die
Eisenstäbe erlaubten. Überall herrschte eine tiefe Stille.
Die Nacht war kalt und feucht und nur selten drangen
die Strahlen durch den dichten Wolkenmantel, der über
dem Himmel weghing. Da schlug die Schildwache mit
dem Bayonnet leise an die Fensterstäbe und fragte auf
spanisch: "Bist du allein?" -- Villaverde ist bei mir, aber
er schläft. -- "Nimm mein Bayonnet, es ist nicht fest,
und entferne die Eisenstäbe."

Marquinez ergriff das Bayonnet, welches sich ohne
Mühe von dem Laufe abziehen ließ. Er machte sich so-
gleich ans Werk, die Eisenstäbe wegzubringen, aber sie
waren zu fest eingekittet und eingekeilt, doch es galt das
Leben, und die Kräfte verzehnfachten sich bei dem Ge-
danken, es zu retten. Jn weniger als einer halben
Stunde hatte er zwei von den drei Stäben bewältigt
und arbeitete schon an dem dritten, da nahte eine Pa-
trouille, welche die Runde um das Haus machte. Mar-
quinez fühlte kalte Schweißtropfen über seine Stirn rin-
nen; wenn einer nach dem Fenster sah, so war er ver-
loren, aber die Patrouille ging vorüber, ohne daß Je-
mand hinaufsah. Jetzt arbeitete er mit neuer Zuversicht
und erhöhter Kraft, aber mit weniger Vorsicht; denn als
er die letzte Eisenstange mit aller Gewalt heben wollte,
zerbrach ihm das Bayonnet mit solchem Geräusch, daß
der junge Adjutant erwachte und mit einem Satze auf
den Füßen war. Glücklicherweise hatten die Soldaten
[Spaltenumbruch] der Wache nichts gehört, weil sie durch den schon ge-
nannten Gesang eines Kameraden betäubt waren. Villa-
verde half nun seinem Chef, aber auch den vereinigten
Kräften wollte es nicht gelingen, die letzte Schranke zu
entfernen. Schon hörten sie wieder die Schritte der die
Runde machenden Patrouille, da nahmen sie ihre letzte
Kraft zusammen und die Eisenstange ging aus ihren Fu-
gen und zwar so plötzlich, daß sie mitten in ihr Zim-
mer flog. Einige Secunden später waren sie im Freien
an der Seite ihres Befreiers, der jetzt seine Flinte weit
von sich warf. Es war das muthige Stiftsfräulein. Sie
war leichenblaß, hatte aber nichts von ihrer Geistesgegen-
wart verloren.

Während die Patrouille um die Ecke des Hauses bog,
schwangen sich die drei Flüchtlinge über eine niedrige
Mauer und verschwanden in der Finsterniß. Die Fran-
zosen wunderten sich, daß der Soldat vor dem Gefäng-
nisse des Marquinez nicht den Ruf hören ließ wie die
übrigen Schildwachen, und näherten sich dem Fenster
mit der Erwartung, ihn eingeschlafen zu finden; doch sie
irrten sich. Von einer Schildwache war keine Spur zu
finden, aber in einiger Entfernung lag ein todter Grena-
dier ohne Mantel und Czako, mit dem Gesicht gegen
die Erde gekehrt. Unter ihm war das Gras mit Blut
bedeckt und man bemerkte bald, daß er einen Säbelstoß
in den Rücken erhalten hatte, der ihm bis ins Herz ge-
drungen war. Die Sache verhielt sich folgendermaßen:

Das Stiftsfräulein hatte sich gleich nach der Ge-
fangennehmung ihres Helden an der Spitze einer Rei-
terschar aufgemacht, um seine Rettung zu versuchen.
Nach der Aussage des Bauers, der Zeuge seiner Aufhe-
bung gewesen, waren die Feinde nicht zahlreich und hat-
ten den Weg nach Valladolid eingeschlagen. Nach Ver-
lauf von fünf Stunden waren die Spanier in der That
den Franzosen bereits sehr nahe, da hörten sie von Maul-
thiertreibern, daß die Verfolgten das Hauptcorps erreicht
haben müßten, dessen Vorposten nicht mehr weit entfernt
wären. Diese Nachricht gab den Hoffnungen des Fräu-
leins einen furchtbaren Stoß, doch wurde sie darum nicht
muthlos, ein Augenblick der Überlegung reichte hin, sie
zu einem neuen Entschlusse zu bestimmen. Sie entfernte
sich mit ihren Reitern von der Hauptstraße und ließ
mitten in den Feldern Halt machen. Hier legte sie ihren
Husarenpelz und Czako ab und legte dafür einen gro-
ben Wollenkittel und schlechten Filzhut an, welchen ihr
einer der Maulthiertreiber abgelassen hatte. Vermöge
der Dunkelheit der Nacht kam sie trotz der allenthalben
vorgerückten Schildwachen in das Standquartier des fran-
zösischen Obersten und schlich sich hier in den Garten
des von ihm bewohnten Hauses, in welchen das Fenster
des Kerkers ging, wo Marquinez gefangen war. Ein
gewisses unerklärliches Gefühl und der Anblick der Eisen-
stäbe vor dem Fenster sagte ihr, daß ihr Geliebter darin
sei. Aber wie ihn retten? Das wußte sie noch nicht,
aber sie hoffte auf die Umstände, die so Manches mög-
lich machen, was auf den ersten Anblick unmöglich er-
scheint. Jn dieser Erwartung kauerte sie sich in einem
dichten Gesträuche nieder und hörte hier die Parole, die
man einem Soldaten gab, der als Schildwache vor das
Fenster gestellt wurde. Jetzt war sie ihrer Sache gewiß
und die Befreiung des geliebten Führers schien ihr nicht
mehr unmöglich. Sie tödtete die Schildwache und nahm
ihre Stelle ein, indem sie sich mit dem Mantel und
Czako derselben bekleidete.

Die Flüchtigen waren indeß kaum 200 Schritte von
dem Dorfe, als sich alle Trommeln darin in Bewegung
setzten. Jn einem Augenblicke waren die sämmtlichen Trup-
pen vereinigt und marschfertig. Ein Cavaleriecorps er-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] rige Botschaft von der Gefangennehmung ihres Führers
brachte.

Mit der Abtheilung Dragoner, welche die Gefangen-
nehmung des Marquinez bewerkstelligt hatte, waren zwei
Bataillone Jnfanterie und eine Escadron Cavalerie aus-
gerückt und hatten sich einige Meilen von dem Stand-
quartiere des Marquinez aufgestellt. Dieses Corps er-
reichte die Dragoner mit ihren Gefangenen gegen 11 Uhr.
Jhre Pferde waren außer Stande, weiter zu gehen und
mußten durchaus einige Stunden ausruhen. Eine Stunde
vor Sonnenaufgang sollte es wieder weiter gehen. Jn der
Zwischenzeit wurden die beiden Gefangenen in ein Par-
terrezimmer des Hauses eingeschlossen, wo der commandi-
rende Oberst wohnte. Die Thür des Zimmers ging auf
einen weiten Gang, welcher der Wache zum Aufenthalte
diente; das kleine scheibenlose Fenster war mit drei pa-
rallel laufenden Eisenstäben verwahrt, welche fest in der
Steinmauer eingekittet waren. Vor dem Fenster schritt
eine Wache auf und ab und machte jeden Versuch zur
Flucht unmöglich.

Der junge Adjutant des Marquinez schlief auf einem
der drei Stühle, welche in dem Zimmer waren, aus
übergroßer Müdigkeit bald ein. Marquinez aber durch-
schritt in allen Richtungen das Zimmer und dachte
an sein trauriges Schicksal. Eine Stunde mochte er
so einhergeschritten sein, als er eine bekannte Stimme
vernahm. Er horchte auf, um sich zu überzeugen, ob
er sich getäuscht habe, aber er vernahm nichts als
das Geräusch der vor seinem Fenster auf= und abschrei-
tenden Schildwache und die Töne eines alten Trinkliedes,
welches einer der Wache habenden Soldaten mit einer
wahren Stentorstimme in die Luft heulte. Als er sich
überzeugt hatte, daß er sich von seiner durch die Ereig-
nisse des Tages überreizten Phantasie hatte irreführen
lassen, warf er sich auf einen Stuhl und wollte, wie
sein Adjutant, bei dem Schlafe Vergessenheit seines Un-
glücks suchen. Seine Augen fingen schon an sich zu
schließen, als sein Name abermals genannt wurde, zu
gleicher Zeit ließ sich ein Geräusch vernehmen, wie wenn
Jemand mit einem Stück Eisen auf ein anderes schlägt.
Diesmal konnte es keine Täuschung sein. Marquinez
eilte zum Fenster und sah hinaus, so weit es ihm die
Eisenstäbe erlaubten. Überall herrschte eine tiefe Stille.
Die Nacht war kalt und feucht und nur selten drangen
die Strahlen durch den dichten Wolkenmantel, der über
dem Himmel weghing. Da schlug die Schildwache mit
dem Bayonnet leise an die Fensterstäbe und fragte auf
spanisch: „Bist du allein?“ — Villaverde ist bei mir, aber
er schläft. — „Nimm mein Bayonnet, es ist nicht fest,
und entferne die Eisenstäbe.“

Marquinez ergriff das Bayonnet, welches sich ohne
Mühe von dem Laufe abziehen ließ. Er machte sich so-
gleich ans Werk, die Eisenstäbe wegzubringen, aber sie
waren zu fest eingekittet und eingekeilt, doch es galt das
Leben, und die Kräfte verzehnfachten sich bei dem Ge-
danken, es zu retten. Jn weniger als einer halben
Stunde hatte er zwei von den drei Stäben bewältigt
und arbeitete schon an dem dritten, da nahte eine Pa-
trouille, welche die Runde um das Haus machte. Mar-
quinez fühlte kalte Schweißtropfen über seine Stirn rin-
nen; wenn einer nach dem Fenster sah, so war er ver-
loren, aber die Patrouille ging vorüber, ohne daß Je-
mand hinaufsah. Jetzt arbeitete er mit neuer Zuversicht
und erhöhter Kraft, aber mit weniger Vorsicht; denn als
er die letzte Eisenstange mit aller Gewalt heben wollte,
zerbrach ihm das Bayonnet mit solchem Geräusch, daß
der junge Adjutant erwachte und mit einem Satze auf
den Füßen war. Glücklicherweise hatten die Soldaten
[Spaltenumbruch] der Wache nichts gehört, weil sie durch den schon ge-
nannten Gesang eines Kameraden betäubt waren. Villa-
verde half nun seinem Chef, aber auch den vereinigten
Kräften wollte es nicht gelingen, die letzte Schranke zu
entfernen. Schon hörten sie wieder die Schritte der die
Runde machenden Patrouille, da nahmen sie ihre letzte
Kraft zusammen und die Eisenstange ging aus ihren Fu-
gen und zwar so plötzlich, daß sie mitten in ihr Zim-
mer flog. Einige Secunden später waren sie im Freien
an der Seite ihres Befreiers, der jetzt seine Flinte weit
von sich warf. Es war das muthige Stiftsfräulein. Sie
war leichenblaß, hatte aber nichts von ihrer Geistesgegen-
wart verloren.

Während die Patrouille um die Ecke des Hauses bog,
schwangen sich die drei Flüchtlinge über eine niedrige
Mauer und verschwanden in der Finsterniß. Die Fran-
zosen wunderten sich, daß der Soldat vor dem Gefäng-
nisse des Marquinez nicht den Ruf hören ließ wie die
übrigen Schildwachen, und näherten sich dem Fenster
mit der Erwartung, ihn eingeschlafen zu finden; doch sie
irrten sich. Von einer Schildwache war keine Spur zu
finden, aber in einiger Entfernung lag ein todter Grena-
dier ohne Mantel und Czako, mit dem Gesicht gegen
die Erde gekehrt. Unter ihm war das Gras mit Blut
bedeckt und man bemerkte bald, daß er einen Säbelstoß
in den Rücken erhalten hatte, der ihm bis ins Herz ge-
drungen war. Die Sache verhielt sich folgendermaßen:

Das Stiftsfräulein hatte sich gleich nach der Ge-
fangennehmung ihres Helden an der Spitze einer Rei-
terschar aufgemacht, um seine Rettung zu versuchen.
Nach der Aussage des Bauers, der Zeuge seiner Aufhe-
bung gewesen, waren die Feinde nicht zahlreich und hat-
ten den Weg nach Valladolid eingeschlagen. Nach Ver-
lauf von fünf Stunden waren die Spanier in der That
den Franzosen bereits sehr nahe, da hörten sie von Maul-
thiertreibern, daß die Verfolgten das Hauptcorps erreicht
haben müßten, dessen Vorposten nicht mehr weit entfernt
wären. Diese Nachricht gab den Hoffnungen des Fräu-
leins einen furchtbaren Stoß, doch wurde sie darum nicht
muthlos, ein Augenblick der Überlegung reichte hin, sie
zu einem neuen Entschlusse zu bestimmen. Sie entfernte
sich mit ihren Reitern von der Hauptstraße und ließ
mitten in den Feldern Halt machen. Hier legte sie ihren
Husarenpelz und Czako ab und legte dafür einen gro-
ben Wollenkittel und schlechten Filzhut an, welchen ihr
einer der Maulthiertreiber abgelassen hatte. Vermöge
der Dunkelheit der Nacht kam sie trotz der allenthalben
vorgerückten Schildwachen in das Standquartier des fran-
zösischen Obersten und schlich sich hier in den Garten
des von ihm bewohnten Hauses, in welchen das Fenster
des Kerkers ging, wo Marquinez gefangen war. Ein
gewisses unerklärliches Gefühl und der Anblick der Eisen-
stäbe vor dem Fenster sagte ihr, daß ihr Geliebter darin
sei. Aber wie ihn retten? Das wußte sie noch nicht,
aber sie hoffte auf die Umstände, die so Manches mög-
lich machen, was auf den ersten Anblick unmöglich er-
scheint. Jn dieser Erwartung kauerte sie sich in einem
dichten Gesträuche nieder und hörte hier die Parole, die
man einem Soldaten gab, der als Schildwache vor das
Fenster gestellt wurde. Jetzt war sie ihrer Sache gewiß
und die Befreiung des geliebten Führers schien ihr nicht
mehr unmöglich. Sie tödtete die Schildwache und nahm
ihre Stelle ein, indem sie sich mit dem Mantel und
Czako derselben bekleidete.

Die Flüchtigen waren indeß kaum 200 Schritte von
dem Dorfe, als sich alle Trommeln darin in Bewegung
setzten. Jn einem Augenblicke waren die sämmtlichen Trup-
pen vereinigt und marschfertig. Ein Cavaleriecorps er-
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Vor dem Fenster schritt eine Wache auf und ab und machte jeden Versuch zur Flucht unmöglich. Der junge Adjutant des Marquinez schlief auf einem der drei Stühle, welche in dem Zimmer waren, aus übergroßer Müdigkeit bald ein. Marquinez aber durch- schritt in allen Richtungen das Zimmer und dachte an sein trauriges Schicksal. Eine Stunde mochte er so einhergeschritten sein, als er eine bekannte Stimme vernahm. Er horchte auf, um sich zu überzeugen, ob er sich getäuscht habe, aber er vernahm nichts als das Geräusch der vor seinem Fenster auf= und abschrei- tenden Schildwache und die Töne eines alten Trinkliedes, welches einer der Wache habenden Soldaten mit einer wahren Stentorstimme in die Luft heulte. Als er sich überzeugt hatte, daß er sich von seiner durch die Ereig- nisse des Tages überreizten Phantasie hatte irreführen lassen, warf er sich auf einen Stuhl und wollte, wie sein Adjutant, bei dem Schlafe Vergessenheit seines Un- glücks suchen. Seine Augen fingen schon an sich zu schließen, als sein Name abermals genannt wurde, zu gleicher Zeit ließ sich ein Geräusch vernehmen, wie wenn Jemand mit einem Stück Eisen auf ein anderes schlägt. Diesmal konnte es keine Täuschung sein. Marquinez eilte zum Fenster und sah hinaus, so weit es ihm die Eisenstäbe erlaubten. Überall herrschte eine tiefe Stille. Die Nacht war kalt und feucht und nur selten drangen die Strahlen durch den dichten Wolkenmantel, der über dem Himmel weghing. Da schlug die Schildwache mit dem Bayonnet leise an die Fensterstäbe und fragte auf spanisch: „Bist du allein?“ — Villaverde ist bei mir, aber er schläft. — „Nimm mein Bayonnet, es ist nicht fest, und entferne die Eisenstäbe.“ Marquinez ergriff das Bayonnet, welches sich ohne Mühe von dem Laufe abziehen ließ. 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Von einer Schildwache war keine Spur zu finden, aber in einiger Entfernung lag ein todter Grena- dier ohne Mantel und Czako, mit dem Gesicht gegen die Erde gekehrt. Unter ihm war das Gras mit Blut bedeckt und man bemerkte bald, daß er einen Säbelstoß in den Rücken erhalten hatte, der ihm bis ins Herz ge- drungen war. Die Sache verhielt sich folgendermaßen: Das Stiftsfräulein hatte sich gleich nach der Ge- fangennehmung ihres Helden an der Spitze einer Rei- terschar aufgemacht, um seine Rettung zu versuchen. Nach der Aussage des Bauers, der Zeuge seiner Aufhe- bung gewesen, waren die Feinde nicht zahlreich und hat- ten den Weg nach Valladolid eingeschlagen. Nach Ver- lauf von fünf Stunden waren die Spanier in der That den Franzosen bereits sehr nahe, da hörten sie von Maul- thiertreibern, daß die Verfolgten das Hauptcorps erreicht haben müßten, dessen Vorposten nicht mehr weit entfernt wären. Diese Nachricht gab den Hoffnungen des Fräu- leins einen furchtbaren Stoß, doch wurde sie darum nicht muthlos, ein Augenblick der Überlegung reichte hin, sie zu einem neuen Entschlusse zu bestimmen. Sie entfernte sich mit ihren Reitern von der Hauptstraße und ließ mitten in den Feldern Halt machen. Hier legte sie ihren Husarenpelz und Czako ab und legte dafür einen gro- ben Wollenkittel und schlechten Filzhut an, welchen ihr einer der Maulthiertreiber abgelassen hatte. Vermöge der Dunkelheit der Nacht kam sie trotz der allenthalben vorgerückten Schildwachen in das Standquartier des fran- zösischen Obersten und schlich sich hier in den Garten des von ihm bewohnten Hauses, in welchen das Fenster des Kerkers ging, wo Marquinez gefangen war. Ein gewisses unerklärliches Gefühl und der Anblick der Eisen- stäbe vor dem Fenster sagte ihr, daß ihr Geliebter darin sei. Aber wie ihn retten? Das wußte sie noch nicht, aber sie hoffte auf die Umstände, die so Manches mög- lich machen, was auf den ersten Anblick unmöglich er- scheint. Jn dieser Erwartung kauerte sie sich in einem dichten Gesträuche nieder und hörte hier die Parole, die man einem Soldaten gab, der als Schildwache vor das Fenster gestellt wurde. Jetzt war sie ihrer Sache gewiß und die Befreiung des geliebten Führers schien ihr nicht mehr unmöglich. Sie tödtete die Schildwache und nahm ihre Stelle ein, indem sie sich mit dem Mantel und Czako derselben bekleidete. Die Flüchtigen waren indeß kaum 200 Schritte von dem Dorfe, als sich alle Trommeln darin in Bewegung setzten. Jn einem Augenblicke waren die sämmtlichen Trup- pen vereinigt und marschfertig. Ein Cavaleriecorps er-

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 31. Leipzig (Sachsen). 5. August 1843, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig031_1843/7>, abgerufen am 21.11.2024.