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Das Pfennig-Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 33. Leipzig, 19. August 1843.

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[Beginn Spaltensatz]

Napoleon erkannte Montenegros Wichtigkeit; er
schickte den Obersten Vialla de Sommieres zu ihnen,
aber ohne Erfolg. "Es ist überraschend, sagt dieser an
einer Stelle seines Berichts, daß eine Handvoll armer
Bergbewohner, ohne Gewerb, ohne Bundesgenossen, sich
jedem Eroberer siegreich entgegensetzen konnte, einzig den
frei angenommenen Gesetzen gehorchend."

Der Montenegriner antwortet auf die Frage, wie
groß sein Land sei, daß man es in drei Tagen fast
durchreisen könne. Eben so ungewiß, wie diese Angabe
ist die über die Bevölkerung, denn die Montenegriner
kümmern sich wenig um Weiber und Schwache und zäh-
len die Anzahl ihrer Leute nur nach den Gewehren. Nach
venetianischen Angaben zählten sie im 17. Jahrhundert
30,000 Seelen; in ihren Kämpfen gegen die Franzosen
50,000; zwanzig Jahre später wuchs die Zahl bereits
auf 75,000; im Jahre 1835, nach dem Journal von
Cetinje, auf 100,000, und gegenwärtig kann man sie
annähernd auf 120,000 annehmen.

Näher bestimmen läßt sich die Zahl der Streitbaren,
deren es insgesammt gegen 20,000 geben mag. Jn den
vier Districten ( Nahien ) gibt es 9000. Die Namen der
Nahien sind: Katunska, Rieczka, Ciernika, Ljecanska.
Hieher gehören noch die sieben Berda ( die Montenegro
umgebenden Berge, die zwar nicht eigentlich zu Monte-
negro zählen, aber deren Bewohner die Bundesgenossen
dieser Republik sind ) , deren Streitmacht der der vier Na-
hien gleichkommt. Wie gering auch diese Zahl zur Ver-
theidigung eines Landes erscheinen mag, so findet es er-
stens in seiner Lage einen wesentlichen Schutz und mehr
noch in dem kriegerischen Sinne seiner Bewohner, die
beim ersten feindlichen Schuß sich in Masse erheben und
dessen Greise, Weiber und Kinder zu wüthenden Fein-
den werden.

Das Volk Montenegros ist nicht geordnet, es bildet
ein stetes Lager, dessen Leben Kampf, dessen Freude
Rache ist. Die Religionsfreiheit herrscht unbeschränkt.
Von den westlichen Nachbarn werden die Montenegriner
des Aberglaubens beschuldigt, von den orientalischen Chri-
sten des Unglaubens, und dies mit mehr Recht; denn
beschäftigt mit fortwährenden Kämpfen, wenden die Mon-
tenegriner dem Himmel wenig Sorgfalt zu. Während
die Christen in der Türkei jährlich wenigstens einmal
beichten, ist dies bei den Montenegrinern eine Seltenheit,
findet aber seinen Grund darin, daß ihre Kirche Jedem,
den das Gefühl der Rache beherrscht, die Theilnahme
an einem Sacrament verbietet; und zur öffentlichen Süh-
nung eines Mordes darf der Mörder sich 20 Jahre lang
dem Tische des Herrn nicht nähern. Diese kampfgierigen
Menschen vergessen am Ende Alles, sogar das Vater-
Unser, und wissen von den Pflichten eines Christen
kaum mehr als das Kreuzmachen und das Fasten. Jm
ganzen Lande gibt es kaum 20 Mönche und ungefähr
200 Popen. Die Mönche führen eine sehr strenge Le-
bensweise. Der Vladika selbst, das kirchliche und poli-
tische Oberhaupt des Landes, trägt ein einfaches Kleid,
gleich den übrigen Mönchen.

Jeder Montenegriner huldigt, seine eigene Unabhän-
gigkeit genießend, den Jnteressen des Ganzen und trennt
sich selten von seinen Verwandten. Deshalb sind die Fami-
lien so zahlreich, daß oft eine einzige ein ganzes Dorf
bildet, das aus mehren hundert Häusern besteht, deren
Jnwohner, da sie sämmtlich einen und denselben Zunamen
führen, sich von einander nur durch die Taufnamen un-
terscheiden.

Die persönliche Würde steht in großem Ansehen,
und so kampfgierig der Montenegriner gegen den Feind
ist, so hält er doch die Streitigkeiten unter Blutsver-
[Spaltenumbruch] wandten für das größte Unglück. Jn dieser Beziehung be-
steht ein Gesetz, nach welchem Jeder, der einen seiner
Miteinwohner in demselben Orte mit dem Fuße stößt,
von diesem umgebracht werden kann, und die That des
Letztern wird so betrachtet, als hätte er einen auf der
That ertappten Dieb erschlagen.

Jn Montenegro gibt es keine Bettler. Jm Fall
der Noth geht der Darbende stolz zu dem Bemittelten
und macht eine Anleihe auf eine bestimmte Zeit oder ver-
pfändet seine Waffen.

Der Krieg gegen die Türken gehört für die Monte-
negriner zur täglichen Arbeit und Alles nimmt Theil
daran, sogar die Gebrechlichen lassen sich zum Kampfplatz
tragen und feuern, hinter einem Felsen verborgen, auf
den Feind. Nur der Tod auf dem Kampfplatze gilt für
ruhmvoll, und keine größere Beschimpfung gibt es, als
wenn man von Jemandem sagt: ich kenne deine Familie
gut, alle deine Vorfahren sind im Bette gestorben. So-
gar die Mönche waffnen sich und kämpfen gegen die
Türken.

Der Charakter der Frauen ist ebenfalls kriegerisch
und entschlossen. Jhre körperlichen Kräfte sind bedeutend
und sie werden daher von ihren Männern mit schwerer
Arbeit überhäuft. Mit der größten Last schreiten sie leicht
an dem Rand der tiefsten Schlucht einher und schwatzen
mit einander, als ob sie die Last gar nicht fühlten. Be-
gegnet ihnen eine vornehmere Frau, so küssen sie ihr in
größter Demuth die Hände. Trotz dieser untergeordne-
ten, ja demüthigen Stellung dient doch das montenegri-
nische Weib in moralischer Beziehung ihrem Mann nicht
zum Spiel. Sie ist unverletzbar und furchtlos vertraut
sie sich auch dem Unbekannten, denn jede Verletzung ei-
ner Frau findet unabänderlich den Tod. Die eheliche
Treue ist unverletzt in diesem Lande.

Der Montenegriner ist ebenso tapfer im Kriege als ge-
wandt in der Unterhandlung. Er treibt kein Gewerbe, sein
Hausgeräth, seine Pfeifen und sauber geschnitzten Dosen
verfertigt er sich zum Vergnügen. Jagd und Fischerei
treibt er mit Leidenschaft, und so sehr liebt er sein Va-
terland, daß er die kahlen Felsen und Wildnisse desselben
für die schönsten Gegenden der Welt erklärt.

Der Typus des Montenegriners ist echt ritterlich. Noch
im 17. Jahrhundert focht er mit Schild und Lanze; seine
Lieblingsübungen gleichen den ritterlichen Turnieren und
seine Gewehre, Pistolen und Dolche gleichen noch denen,
die man als Überreste der letzten Ritterzeit in den Zeug-
häusern findet.

Jhre Tracht ist ein weiter, kurzer und an den Schul-
tern hängender Mantel, Struka genannt, und die leich-
ten zum Ersteigen der Felsen gefertigten Schuhe, Opan-
ken. Das Antlitz der Montenegriner hat einen kraftvol-
len Ausdruck und ist oft überraschend schön.

Von Westen, von Cattaro, herkommend, sieht man
nur Einöden, Felsen, Schluchten und Steinhaufen. Al-
les ist traurig, nur der Mensch nicht. Von Osten her
gelangt der Reisende durch die schönsten Gegenden in
die Gebirge; tausend Bäche und prächtige Waldungen
erfreuen das Auge. Wenn ein Eingeborener den Frem-
den als Wegweiser begleitet, so kann er Tag und Nacht
mit der größten Sicherheit reisen, sei sein Führer nun
ein starker Mann, oder ein schwaches Mädchen; aber
wehe ihm, wenn er nicht die engsten Grenzen des An-
standes gegen diese bewahrt.

Die natürlichen Basteien des Landes, das zwischen
Albanien, Bosnien, der Herzegowina und dem östreichi-
schen Dalmatien liegt, sind: im Westen die 5--600
Fuß hohe Sellagora, im Norden und Osten die Kette
der Ostroga, im Süden die Sutormangebirge. Von die-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

Napoleon erkannte Montenegros Wichtigkeit; er
schickte den Obersten Vialla de Sommières zu ihnen,
aber ohne Erfolg. „Es ist überraschend, sagt dieser an
einer Stelle seines Berichts, daß eine Handvoll armer
Bergbewohner, ohne Gewerb, ohne Bundesgenossen, sich
jedem Eroberer siegreich entgegensetzen konnte, einzig den
frei angenommenen Gesetzen gehorchend.“

Der Montenegriner antwortet auf die Frage, wie
groß sein Land sei, daß man es in drei Tagen fast
durchreisen könne. Eben so ungewiß, wie diese Angabe
ist die über die Bevölkerung, denn die Montenegriner
kümmern sich wenig um Weiber und Schwache und zäh-
len die Anzahl ihrer Leute nur nach den Gewehren. Nach
venetianischen Angaben zählten sie im 17. Jahrhundert
30,000 Seelen; in ihren Kämpfen gegen die Franzosen
50,000; zwanzig Jahre später wuchs die Zahl bereits
auf 75,000; im Jahre 1835, nach dem Journal von
Cetinje, auf 100,000, und gegenwärtig kann man sie
annähernd auf 120,000 annehmen.

Näher bestimmen läßt sich die Zahl der Streitbaren,
deren es insgesammt gegen 20,000 geben mag. Jn den
vier Districten ( Nahien ) gibt es 9000. Die Namen der
Nahien sind: Katunska, Rieczka, Ciernika, Ljecanska.
Hieher gehören noch die sieben Berda ( die Montenegro
umgebenden Berge, die zwar nicht eigentlich zu Monte-
negro zählen, aber deren Bewohner die Bundesgenossen
dieser Republik sind ) , deren Streitmacht der der vier Na-
hien gleichkommt. Wie gering auch diese Zahl zur Ver-
theidigung eines Landes erscheinen mag, so findet es er-
stens in seiner Lage einen wesentlichen Schutz und mehr
noch in dem kriegerischen Sinne seiner Bewohner, die
beim ersten feindlichen Schuß sich in Masse erheben und
dessen Greise, Weiber und Kinder zu wüthenden Fein-
den werden.

Das Volk Montenegros ist nicht geordnet, es bildet
ein stetes Lager, dessen Leben Kampf, dessen Freude
Rache ist. Die Religionsfreiheit herrscht unbeschränkt.
Von den westlichen Nachbarn werden die Montenegriner
des Aberglaubens beschuldigt, von den orientalischen Chri-
sten des Unglaubens, und dies mit mehr Recht; denn
beschäftigt mit fortwährenden Kämpfen, wenden die Mon-
tenegriner dem Himmel wenig Sorgfalt zu. Während
die Christen in der Türkei jährlich wenigstens einmal
beichten, ist dies bei den Montenegrinern eine Seltenheit,
findet aber seinen Grund darin, daß ihre Kirche Jedem,
den das Gefühl der Rache beherrscht, die Theilnahme
an einem Sacrament verbietet; und zur öffentlichen Süh-
nung eines Mordes darf der Mörder sich 20 Jahre lang
dem Tische des Herrn nicht nähern. Diese kampfgierigen
Menschen vergessen am Ende Alles, sogar das Vater-
Unser, und wissen von den Pflichten eines Christen
kaum mehr als das Kreuzmachen und das Fasten. Jm
ganzen Lande gibt es kaum 20 Mönche und ungefähr
200 Popen. Die Mönche führen eine sehr strenge Le-
bensweise. Der Vladika selbst, das kirchliche und poli-
tische Oberhaupt des Landes, trägt ein einfaches Kleid,
gleich den übrigen Mönchen.

Jeder Montenegriner huldigt, seine eigene Unabhän-
gigkeit genießend, den Jnteressen des Ganzen und trennt
sich selten von seinen Verwandten. Deshalb sind die Fami-
lien so zahlreich, daß oft eine einzige ein ganzes Dorf
bildet, das aus mehren hundert Häusern besteht, deren
Jnwohner, da sie sämmtlich einen und denselben Zunamen
führen, sich von einander nur durch die Taufnamen un-
terscheiden.

Die persönliche Würde steht in großem Ansehen,
und so kampfgierig der Montenegriner gegen den Feind
ist, so hält er doch die Streitigkeiten unter Blutsver-
[Spaltenumbruch] wandten für das größte Unglück. Jn dieser Beziehung be-
steht ein Gesetz, nach welchem Jeder, der einen seiner
Miteinwohner in demselben Orte mit dem Fuße stößt,
von diesem umgebracht werden kann, und die That des
Letztern wird so betrachtet, als hätte er einen auf der
That ertappten Dieb erschlagen.

Jn Montenegro gibt es keine Bettler. Jm Fall
der Noth geht der Darbende stolz zu dem Bemittelten
und macht eine Anleihe auf eine bestimmte Zeit oder ver-
pfändet seine Waffen.

Der Krieg gegen die Türken gehört für die Monte-
negriner zur täglichen Arbeit und Alles nimmt Theil
daran, sogar die Gebrechlichen lassen sich zum Kampfplatz
tragen und feuern, hinter einem Felsen verborgen, auf
den Feind. Nur der Tod auf dem Kampfplatze gilt für
ruhmvoll, und keine größere Beschimpfung gibt es, als
wenn man von Jemandem sagt: ich kenne deine Familie
gut, alle deine Vorfahren sind im Bette gestorben. So-
gar die Mönche waffnen sich und kämpfen gegen die
Türken.

Der Charakter der Frauen ist ebenfalls kriegerisch
und entschlossen. Jhre körperlichen Kräfte sind bedeutend
und sie werden daher von ihren Männern mit schwerer
Arbeit überhäuft. Mit der größten Last schreiten sie leicht
an dem Rand der tiefsten Schlucht einher und schwatzen
mit einander, als ob sie die Last gar nicht fühlten. Be-
gegnet ihnen eine vornehmere Frau, so küssen sie ihr in
größter Demuth die Hände. Trotz dieser untergeordne-
ten, ja demüthigen Stellung dient doch das montenegri-
nische Weib in moralischer Beziehung ihrem Mann nicht
zum Spiel. Sie ist unverletzbar und furchtlos vertraut
sie sich auch dem Unbekannten, denn jede Verletzung ei-
ner Frau findet unabänderlich den Tod. Die eheliche
Treue ist unverletzt in diesem Lande.

Der Montenegriner ist ebenso tapfer im Kriege als ge-
wandt in der Unterhandlung. Er treibt kein Gewerbe, sein
Hausgeräth, seine Pfeifen und sauber geschnitzten Dosen
verfertigt er sich zum Vergnügen. Jagd und Fischerei
treibt er mit Leidenschaft, und so sehr liebt er sein Va-
terland, daß er die kahlen Felsen und Wildnisse desselben
für die schönsten Gegenden der Welt erklärt.

Der Typus des Montenegriners ist echt ritterlich. Noch
im 17. Jahrhundert focht er mit Schild und Lanze; seine
Lieblingsübungen gleichen den ritterlichen Turnieren und
seine Gewehre, Pistolen und Dolche gleichen noch denen,
die man als Überreste der letzten Ritterzeit in den Zeug-
häusern findet.

Jhre Tracht ist ein weiter, kurzer und an den Schul-
tern hängender Mantel, Struka genannt, und die leich-
ten zum Ersteigen der Felsen gefertigten Schuhe, Opan-
ken. Das Antlitz der Montenegriner hat einen kraftvol-
len Ausdruck und ist oft überraschend schön.

Von Westen, von Cattaro, herkommend, sieht man
nur Einöden, Felsen, Schluchten und Steinhaufen. Al-
les ist traurig, nur der Mensch nicht. Von Osten her
gelangt der Reisende durch die schönsten Gegenden in
die Gebirge; tausend Bäche und prächtige Waldungen
erfreuen das Auge. Wenn ein Eingeborener den Frem-
den als Wegweiser begleitet, so kann er Tag und Nacht
mit der größten Sicherheit reisen, sei sein Führer nun
ein starker Mann, oder ein schwaches Mädchen; aber
wehe ihm, wenn er nicht die engsten Grenzen des An-
standes gegen diese bewahrt.

Die natürlichen Basteien des Landes, das zwischen
Albanien, Bosnien, der Herzegowina und dem östreichi-
schen Dalmatien liegt, sind: im Westen die 5—600
Fuß hohe Sellagora, im Norden und Osten die Kette
der Ostroga, im Süden die Sutormangebirge. Von die-
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Näher bestimmen läßt sich die Zahl der Streitbaren, deren es insgesammt gegen 20,000 geben mag. Jn den vier Districten ( Nahien ) gibt es 9000. Die Namen der Nahien sind: Katunska, Rieczka, Ciernika, Ljecanska. Hieher gehören noch die sieben Berda ( die Montenegro umgebenden Berge, die zwar nicht eigentlich zu Monte- negro zählen, aber deren Bewohner die Bundesgenossen dieser Republik sind ) , deren Streitmacht der der vier Na- hien gleichkommt. Wie gering auch diese Zahl zur Ver- theidigung eines Landes erscheinen mag, so findet es er- stens in seiner Lage einen wesentlichen Schutz und mehr noch in dem kriegerischen Sinne seiner Bewohner, die beim ersten feindlichen Schuß sich in Masse erheben und dessen Greise, Weiber und Kinder zu wüthenden Fein- den werden. Das Volk Montenegros ist nicht geordnet, es bildet ein stetes Lager, dessen Leben Kampf, dessen Freude Rache ist. Die Religionsfreiheit herrscht unbeschränkt. 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Der Vladika selbst, das kirchliche und poli- tische Oberhaupt des Landes, trägt ein einfaches Kleid, gleich den übrigen Mönchen. Jeder Montenegriner huldigt, seine eigene Unabhän- gigkeit genießend, den Jnteressen des Ganzen und trennt sich selten von seinen Verwandten. Deshalb sind die Fami- lien so zahlreich, daß oft eine einzige ein ganzes Dorf bildet, das aus mehren hundert Häusern besteht, deren Jnwohner, da sie sämmtlich einen und denselben Zunamen führen, sich von einander nur durch die Taufnamen un- terscheiden. Die persönliche Würde steht in großem Ansehen, und so kampfgierig der Montenegriner gegen den Feind ist, so hält er doch die Streitigkeiten unter Blutsver- wandten für das größte Unglück. Jn dieser Beziehung be- steht ein Gesetz, nach welchem Jeder, der einen seiner Miteinwohner in demselben Orte mit dem Fuße stößt, von diesem umgebracht werden kann, und die That des Letztern wird so betrachtet, als hätte er einen auf der That ertappten Dieb erschlagen. Jn Montenegro gibt es keine Bettler. Jm Fall der Noth geht der Darbende stolz zu dem Bemittelten und macht eine Anleihe auf eine bestimmte Zeit oder ver- pfändet seine Waffen. Der Krieg gegen die Türken gehört für die Monte- negriner zur täglichen Arbeit und Alles nimmt Theil daran, sogar die Gebrechlichen lassen sich zum Kampfplatz tragen und feuern, hinter einem Felsen verborgen, auf den Feind. Nur der Tod auf dem Kampfplatze gilt für ruhmvoll, und keine größere Beschimpfung gibt es, als wenn man von Jemandem sagt: ich kenne deine Familie gut, alle deine Vorfahren sind im Bette gestorben. So- gar die Mönche waffnen sich und kämpfen gegen die Türken. Der Charakter der Frauen ist ebenfalls kriegerisch und entschlossen. Jhre körperlichen Kräfte sind bedeutend und sie werden daher von ihren Männern mit schwerer Arbeit überhäuft. Mit der größten Last schreiten sie leicht an dem Rand der tiefsten Schlucht einher und schwatzen mit einander, als ob sie die Last gar nicht fühlten. Be- gegnet ihnen eine vornehmere Frau, so küssen sie ihr in größter Demuth die Hände. Trotz dieser untergeordne- ten, ja demüthigen Stellung dient doch das montenegri- nische Weib in moralischer Beziehung ihrem Mann nicht zum Spiel. Sie ist unverletzbar und furchtlos vertraut sie sich auch dem Unbekannten, denn jede Verletzung ei- ner Frau findet unabänderlich den Tod. Die eheliche Treue ist unverletzt in diesem Lande. Der Montenegriner ist ebenso tapfer im Kriege als ge- wandt in der Unterhandlung. Er treibt kein Gewerbe, sein Hausgeräth, seine Pfeifen und sauber geschnitzten Dosen verfertigt er sich zum Vergnügen. Jagd und Fischerei treibt er mit Leidenschaft, und so sehr liebt er sein Va- terland, daß er die kahlen Felsen und Wildnisse desselben für die schönsten Gegenden der Welt erklärt. Der Typus des Montenegriners ist echt ritterlich. Noch im 17. Jahrhundert focht er mit Schild und Lanze; seine Lieblingsübungen gleichen den ritterlichen Turnieren und seine Gewehre, Pistolen und Dolche gleichen noch denen, die man als Überreste der letzten Ritterzeit in den Zeug- häusern findet. Jhre Tracht ist ein weiter, kurzer und an den Schul- tern hängender Mantel, Struka genannt, und die leich- ten zum Ersteigen der Felsen gefertigten Schuhe, Opan- ken. Das Antlitz der Montenegriner hat einen kraftvol- len Ausdruck und ist oft überraschend schön. Von Westen, von Cattaro, herkommend, sieht man nur Einöden, Felsen, Schluchten und Steinhaufen. Al- les ist traurig, nur der Mensch nicht. Von Osten her gelangt der Reisende durch die schönsten Gegenden in die Gebirge; tausend Bäche und prächtige Waldungen erfreuen das Auge. Wenn ein Eingeborener den Frem- den als Wegweiser begleitet, so kann er Tag und Nacht mit der größten Sicherheit reisen, sei sein Führer nun ein starker Mann, oder ein schwaches Mädchen; aber wehe ihm, wenn er nicht die engsten Grenzen des An- standes gegen diese bewahrt. Die natürlichen Basteien des Landes, das zwischen Albanien, Bosnien, der Herzegowina und dem östreichi- schen Dalmatien liegt, sind: im Westen die 5—600 Fuß hohe Sellagora, im Norden und Osten die Kette der Ostroga, im Süden die Sutormangebirge. Von die-

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Zitationshilfe: Das Pfennig-Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 33. Leipzig, 19. August 1843, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig033_1843/6>, abgerufen am 21.11.2024.