Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 85. Leipzig (Sachsen), 10. August 1854.

Bild:
<< vorherige Seite
[Beginn Spaltensatz]

Johanna erhielt 350 Thaler als erste Aussteuer
von ihrem Vater, welcher ihr zugleich andeutete, daß
er ihr, so lange er lebe, nichts weiter geben könne,
wolle er nicht sich und den übrigen Kindern Schaden
thun. Karl war es nicht in den Sinn gekommen,
außer einer einfachen Ausstattung fürs Haus noch ein
kleines Capital zu erwarten. Darum bat er, als er
von den 350 Thalern hörte, seinen Schwiegervater
Zillmer, sich ja nicht Schaden zu thun, denn er hoffe
auch ohne die Mitgift mit der geschickten und ge-
wandten Johanna vorwärts zu kommen. Zillmer aber
meinte, soviel Geld entbehren zu können und sprach:
"Liebster Karl! Bist ja von Jugend auf so gut wie
mein Sohn gewesen; nun bist du es wirklich, da will
ich nun auch für dich sorgen wie für mein eigenes
Kind!"

Karl durfte kein Wort mehr erwidern und es blieb
bei Zillmer's Willen.

Nach der einfachen Hochzeitsfeier zog Johanna in
die Gärtnerwohnung, welche der Rittergutsbesitzer Karl
aus besonderm Wohlwollen überlassen hatte. Jhr Ge-
schäft erweiterte sich immer mehr und brachte erwünsch-
ten Gewinn. Mit Johanna war doppelter Segen ein-
gezogen. Das junge Ehepaar sputete sich vom Mor-
gen bis zum Abend und Beide thaten es gern, denn
Alles, was sie unternahmen, brachte ihnen Glück ins
Haus. Die alternde Frau Wirker sah mit Freuden
die erfolgreiche Thätigkeit ihrer Kinder, konnte es aber
noch immer nicht lassen, ihren alten Zuruf zu wieder-
holen: "Spute dich!" Auch Karl und Johanna hat-
ten sich das vielsagende Wort angewöhnt und rie-
fen es sich sehr oft in sanftem, wohlmeinenden Tone
zu. Der Zuruf wurde selbst auf ihre Kinder fort-
geerbt, weil er, wohl aufgefaßt und verstanden, einen
großen Einfluß auszuüben vermochte.

Zillmer und sein Haus blieb mit Frau Wirker und
den Kindern in engster Verbindung. Was die Einen
thaten, mußten die Andern wissen; Freud und Leid
theilten sie miteinander, die Liebe und Treue hatte un-
ter ihnen Wohnung genommen. Und Das war es,
was die Familie so sehr glücklich machte.

Drei Jahre waren wieder ins Land gegangen, da
bot sich für Karl eine treffliche Gelegenheit, seine Lieb-
lingsidee, eine Landwirthschaft zu besitzen, auszufüh-
ren, womit seine Johanna vollkommen übereinstimmte.
Es war nämlich ein sogenannter kleiner Bauer gestor-
ben. Derselbe hinterließ viel Kinder, weshalb sein
Gütchen zum Verkauf ausgeboten werden mußte. Va-
ter Zillmer kannte das Besitzthum genau und konnte
es seinen Kindern, als diese ihn um Rath fragten,
getrost empfehlen. Es gehörten zwar nicht viel Grund-
stücke zu dem Gute, aber sie waren in gutem Zu-
stande; sie konnten die Glieder einer Familie, wenn
sie sich sputeten, recht leicht ernähren.

Karl überrechnete nun sein Vermögen, indem er
zugleich überschlug, wie viel er, falls er das Gut an-
kaufen würde, an der Kaufsumme abzahlen und in die
Wirthschaft werde verwenden können. Er kam zu
einem recht erfreulichen Resultate. Ohne Zögern ging
er in Begleitung Zillmer's zu den Erben des verstor-
benen Bauers, denen Käufer sehr willkommen waren,
da sie im Begriff standen, das Gütchen öffentlich aus-
zubieten.

Der Handel war bald abgeschlossen. Karl zahlte
vor Gericht einen Theil der Kaufsumme und das Gut
wurde ihm verschrieben. Vater Zillmer war als Ge-
richtsschöppe dabei. Nach dem Schlusse des Termins
ging er auf seinen Schwiegersohn Karl zu, drückte ihm
[Spaltenumbruch] freundlich die Hand und sprach: "Mein Karl! Viele
hundert mal war ich als Schöppe in der Gerichtsstube
als Zeuge der Verhandlungen zugegen, aber kein ein-
ziges mal stand ich mit so großer Freude dabei. Segne
euch Gott im neuen Besitze und sputet euch, wie die
Mutter sagt, um vorwärts zu kommen! Lange Er-
mahnungen halte ich für unnöthig; ihr habt euch ja
bisher wacker gesputet!"

Eben wollten Käufer und Verkäufer die Gerichts-
stube verlassen, da trat der Gerichtsherr, ein alter er-
grauter Major, in dieselbe ein. Alle standen ehrerbie-
tig auf, als das greise Haupt erschien. Der Major
[unleserliches Material - 7 Zeichen fehlen]wendete sich an Karl, drückte ihm die Hand und
sprach: "Höre, Freund, du hast dich durch eigene
Kraft und eigenen Fleiß aus den dürftigsten Verhält-
nissen emporgearbeitet; du bist ein treuer Sohn und
ein ehrenwerther Dorfbewohner gewesen; in deinem
Hause herrscht Liebe und Freude, die du dir selbst ge-
schaffen; das Alles hat mir Freude gemacht, wenn ich
es so still beobachtet habe. Jch komme deshalb heute
selbst in die Gerichtsstube, um dir meine Anerkennung
auszusprechen und zu deinem Gutskaufe Glück zu wün-
schen. Du hast hier" -- sein Blick fiel auf die ge-
zahlte Geldsumme, welche noch auf dem Tische lag --
"Richtigkeit gemacht, wobei jedenfalls auch das mir
zukommende Lehngeld bezahlt worden ist. Jch will
aber von dir kein Lehngeld nehmen; ich schenke es dir
als Beihülfe zum Anfange in der neuen Wirthschaft.
Du wirst auch gern in dein Eigenthum einziehen
wollen, darum glaube nicht, daß ich dich wegen des
Pachtjahrs, das du in meinem Gartengrundstücke noch
auszuhalten hast, halten werde. Hebe den Pacht auf,
wenn es dir beliebt!"

Karl wollte dem edlen Herrn danken, aber dieser
empfahl sich schnell und rief freundlich, indem er den
Kopf durch die Thür steckte: "Schon gut; 's ist gern
geschehen! Spute dich nur ferner auch, wie deine Mut-
ler sagt!"

Als der Major weg war, strich der Gerichtsdirector
das Lehngeld weg und übergab es Karl, dann zog
er noch ein kleines Häuflein Thaler bei Seite, drückte
sie dem Käufer in die Hand und sprach: "Da Sie,
lieber Mann, ein so achtungswerthes Vorbild der Ge-
meinde sind, so gebe ich Jhnen hiermit auch einen
kleinen Beitrag zum Anfange Jhrer Wirthschaft; es
sind die mir zukommenden Gerichtskosten, die ich Jh-
nen mit Vergnügen schenke."

Zillmer und Wirker waren aufs herzlichste bewegt
und verließen mit innigen Dankgefühlen die für Viele
so ernste und furchterweckende Gerichtsstube.

Der Richter und der zweite Schöppe erzählten noch
an demselben Tage in dem Dorfe, wie der alte Herr
und sein Gerichtsdirector Karl Wirker so sehr ausge-
zeichnet hatten. Dies machte großen Eindruck auf die
Dorfbewohner. Die Guten unter ihnen nahmen an
dem Glück Karl's den frohesten Antheil und die Übel-
gesinnten, welche Karl mit Ungunst und Neid behan-
delt hatten, schienen sich ihm mehr zu nähern, da sie
wohl erwarteten, daß Karl bald zu den angesehensten,
wenn auch nicht zu den reichsten Bauern des Dorfs
gehören und sich, wie bisher, auch ferner wenig um
sie kümmern werde, wenn sie seine Gunst nicht selbst
zu erstreben versuchen würden.

( Fortsetzung folgt. )



[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]

Johanna erhielt 350 Thaler als erste Aussteuer
von ihrem Vater, welcher ihr zugleich andeutete, daß
er ihr, so lange er lebe, nichts weiter geben könne,
wolle er nicht sich und den übrigen Kindern Schaden
thun. Karl war es nicht in den Sinn gekommen,
außer einer einfachen Ausstattung fürs Haus noch ein
kleines Capital zu erwarten. Darum bat er, als er
von den 350 Thalern hörte, seinen Schwiegervater
Zillmer, sich ja nicht Schaden zu thun, denn er hoffe
auch ohne die Mitgift mit der geschickten und ge-
wandten Johanna vorwärts zu kommen. Zillmer aber
meinte, soviel Geld entbehren zu können und sprach:
„Liebster Karl! Bist ja von Jugend auf so gut wie
mein Sohn gewesen; nun bist du es wirklich, da will
ich nun auch für dich sorgen wie für mein eigenes
Kind!“

Karl durfte kein Wort mehr erwidern und es blieb
bei Zillmer's Willen.

Nach der einfachen Hochzeitsfeier zog Johanna in
die Gärtnerwohnung, welche der Rittergutsbesitzer Karl
aus besonderm Wohlwollen überlassen hatte. Jhr Ge-
schäft erweiterte sich immer mehr und brachte erwünsch-
ten Gewinn. Mit Johanna war doppelter Segen ein-
gezogen. Das junge Ehepaar sputete sich vom Mor-
gen bis zum Abend und Beide thaten es gern, denn
Alles, was sie unternahmen, brachte ihnen Glück ins
Haus. Die alternde Frau Wirker sah mit Freuden
die erfolgreiche Thätigkeit ihrer Kinder, konnte es aber
noch immer nicht lassen, ihren alten Zuruf zu wieder-
holen: „Spute dich!“ Auch Karl und Johanna hat-
ten sich das vielsagende Wort angewöhnt und rie-
fen es sich sehr oft in sanftem, wohlmeinenden Tone
zu. Der Zuruf wurde selbst auf ihre Kinder fort-
geerbt, weil er, wohl aufgefaßt und verstanden, einen
großen Einfluß auszuüben vermochte.

Zillmer und sein Haus blieb mit Frau Wirker und
den Kindern in engster Verbindung. Was die Einen
thaten, mußten die Andern wissen; Freud und Leid
theilten sie miteinander, die Liebe und Treue hatte un-
ter ihnen Wohnung genommen. Und Das war es,
was die Familie so sehr glücklich machte.

Drei Jahre waren wieder ins Land gegangen, da
bot sich für Karl eine treffliche Gelegenheit, seine Lieb-
lingsidee, eine Landwirthschaft zu besitzen, auszufüh-
ren, womit seine Johanna vollkommen übereinstimmte.
Es war nämlich ein sogenannter kleiner Bauer gestor-
ben. Derselbe hinterließ viel Kinder, weshalb sein
Gütchen zum Verkauf ausgeboten werden mußte. Va-
ter Zillmer kannte das Besitzthum genau und konnte
es seinen Kindern, als diese ihn um Rath fragten,
getrost empfehlen. Es gehörten zwar nicht viel Grund-
stücke zu dem Gute, aber sie waren in gutem Zu-
stande; sie konnten die Glieder einer Familie, wenn
sie sich sputeten, recht leicht ernähren.

Karl überrechnete nun sein Vermögen, indem er
zugleich überschlug, wie viel er, falls er das Gut an-
kaufen würde, an der Kaufsumme abzahlen und in die
Wirthschaft werde verwenden können. Er kam zu
einem recht erfreulichen Resultate. Ohne Zögern ging
er in Begleitung Zillmer's zu den Erben des verstor-
benen Bauers, denen Käufer sehr willkommen waren,
da sie im Begriff standen, das Gütchen öffentlich aus-
zubieten.

Der Handel war bald abgeschlossen. Karl zahlte
vor Gericht einen Theil der Kaufsumme und das Gut
wurde ihm verschrieben. Vater Zillmer war als Ge-
richtsschöppe dabei. Nach dem Schlusse des Termins
ging er auf seinen Schwiegersohn Karl zu, drückte ihm
[Spaltenumbruch] freundlich die Hand und sprach: „Mein Karl! Viele
hundert mal war ich als Schöppe in der Gerichtsstube
als Zeuge der Verhandlungen zugegen, aber kein ein-
ziges mal stand ich mit so großer Freude dabei. Segne
euch Gott im neuen Besitze und sputet euch, wie die
Mutter sagt, um vorwärts zu kommen! Lange Er-
mahnungen halte ich für unnöthig; ihr habt euch ja
bisher wacker gesputet!“

Eben wollten Käufer und Verkäufer die Gerichts-
stube verlassen, da trat der Gerichtsherr, ein alter er-
grauter Major, in dieselbe ein. Alle standen ehrerbie-
tig auf, als das greise Haupt erschien. Der Major
[unleserliches Material – 7 Zeichen fehlen]wendete sich an Karl, drückte ihm die Hand und
sprach: „Höre, Freund, du hast dich durch eigene
Kraft und eigenen Fleiß aus den dürftigsten Verhält-
nissen emporgearbeitet; du bist ein treuer Sohn und
ein ehrenwerther Dorfbewohner gewesen; in deinem
Hause herrscht Liebe und Freude, die du dir selbst ge-
schaffen; das Alles hat mir Freude gemacht, wenn ich
es so still beobachtet habe. Jch komme deshalb heute
selbst in die Gerichtsstube, um dir meine Anerkennung
auszusprechen und zu deinem Gutskaufe Glück zu wün-
schen. Du hast hier“ — sein Blick fiel auf die ge-
zahlte Geldsumme, welche noch auf dem Tische lag —
„Richtigkeit gemacht, wobei jedenfalls auch das mir
zukommende Lehngeld bezahlt worden ist. Jch will
aber von dir kein Lehngeld nehmen; ich schenke es dir
als Beihülfe zum Anfange in der neuen Wirthschaft.
Du wirst auch gern in dein Eigenthum einziehen
wollen, darum glaube nicht, daß ich dich wegen des
Pachtjahrs, das du in meinem Gartengrundstücke noch
auszuhalten hast, halten werde. Hebe den Pacht auf,
wenn es dir beliebt!“

Karl wollte dem edlen Herrn danken, aber dieser
empfahl sich schnell und rief freundlich, indem er den
Kopf durch die Thür steckte: „Schon gut; 's ist gern
geschehen! Spute dich nur ferner auch, wie deine Mut-
ler sagt!“

Als der Major weg war, strich der Gerichtsdirector
das Lehngeld weg und übergab es Karl, dann zog
er noch ein kleines Häuflein Thaler bei Seite, drückte
sie dem Käufer in die Hand und sprach: „Da Sie,
lieber Mann, ein so achtungswerthes Vorbild der Ge-
meinde sind, so gebe ich Jhnen hiermit auch einen
kleinen Beitrag zum Anfange Jhrer Wirthschaft; es
sind die mir zukommenden Gerichtskosten, die ich Jh-
nen mit Vergnügen schenke.“

Zillmer und Wirker waren aufs herzlichste bewegt
und verließen mit innigen Dankgefühlen die für Viele
so ernste und furchterweckende Gerichtsstube.

Der Richter und der zweite Schöppe erzählten noch
an demselben Tage in dem Dorfe, wie der alte Herr
und sein Gerichtsdirector Karl Wirker so sehr ausge-
zeichnet hatten. Dies machte großen Eindruck auf die
Dorfbewohner. Die Guten unter ihnen nahmen an
dem Glück Karl's den frohesten Antheil und die Übel-
gesinnten, welche Karl mit Ungunst und Neid behan-
delt hatten, schienen sich ihm mehr zu nähern, da sie
wohl erwarteten, daß Karl bald zu den angesehensten,
wenn auch nicht zu den reichsten Bauern des Dorfs
gehören und sich, wie bisher, auch ferner wenig um
sie kümmern werde, wenn sie seine Gunst nicht selbst
zu erstreben versuchen würden.

( Fortsetzung folgt. )



[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Spute3" type="jArticle" n="1">
        <pb facs="#f0003" n="259"/>
        <fw type="pageNum" place="top">259</fw>
        <cb type="start"/>
        <p>Johanna erhielt 350 Thaler als erste Aussteuer<lb/>
von ihrem Vater, welcher ihr zugleich andeutete, daß<lb/>
er ihr, so lange er lebe, nichts weiter geben könne,<lb/>
wolle er nicht sich und den übrigen Kindern Schaden<lb/>
thun. Karl war es nicht in den Sinn gekommen,<lb/>
außer einer einfachen Ausstattung fürs Haus noch ein<lb/>
kleines Capital zu erwarten. Darum bat er, als er<lb/>
von den 350 Thalern hörte, seinen Schwiegervater<lb/>
Zillmer, sich ja nicht Schaden zu thun, denn er hoffe<lb/>
auch ohne die Mitgift mit der geschickten und ge-<lb/>
wandten Johanna vorwärts zu kommen. Zillmer aber<lb/>
meinte, soviel Geld entbehren zu können und sprach:<lb/>
&#x201E;Liebster Karl! Bist ja von Jugend auf so gut wie<lb/>
mein Sohn gewesen; nun bist du es wirklich, da will<lb/>
ich nun auch für dich sorgen wie für mein eigenes<lb/>
Kind!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Karl durfte kein Wort mehr erwidern und es blieb<lb/>
bei Zillmer's Willen.</p><lb/>
        <p>Nach der einfachen Hochzeitsfeier zog Johanna in<lb/>
die Gärtnerwohnung, welche der Rittergutsbesitzer Karl<lb/>
aus besonderm Wohlwollen überlassen hatte. Jhr Ge-<lb/>
schäft erweiterte sich immer mehr und brachte erwünsch-<lb/>
ten Gewinn. Mit Johanna war doppelter Segen ein-<lb/>
gezogen. Das junge Ehepaar sputete sich vom Mor-<lb/>
gen bis zum Abend und Beide thaten es gern, denn<lb/>
Alles, was sie unternahmen, brachte ihnen Glück ins<lb/>
Haus. Die alternde Frau Wirker sah mit Freuden<lb/>
die erfolgreiche Thätigkeit ihrer Kinder, konnte es aber<lb/>
noch immer nicht lassen, ihren alten Zuruf zu wieder-<lb/>
holen: &#x201E;Spute dich!&#x201C; Auch Karl und Johanna hat-<lb/>
ten sich das vielsagende Wort angewöhnt und rie-<lb/>
fen es sich sehr oft in sanftem, wohlmeinenden Tone<lb/>
zu. Der Zuruf wurde selbst auf ihre Kinder fort-<lb/>
geerbt, weil er, wohl aufgefaßt und verstanden, einen<lb/>
großen Einfluß auszuüben vermochte.</p><lb/>
        <p>Zillmer und sein Haus blieb mit Frau Wirker und<lb/>
den Kindern in engster Verbindung. Was die Einen<lb/>
thaten, mußten die Andern wissen; Freud und Leid<lb/>
theilten sie miteinander, die Liebe und Treue hatte un-<lb/>
ter ihnen Wohnung genommen. Und Das war es,<lb/>
was die Familie so sehr glücklich machte.</p><lb/>
        <p>Drei Jahre waren wieder ins Land gegangen, da<lb/>
bot sich für Karl eine treffliche Gelegenheit, seine Lieb-<lb/>
lingsidee, eine Landwirthschaft zu besitzen, auszufüh-<lb/>
ren, womit seine Johanna vollkommen übereinstimmte.<lb/>
Es war nämlich ein sogenannter kleiner Bauer gestor-<lb/>
ben. Derselbe hinterließ viel Kinder, weshalb sein<lb/>
Gütchen zum Verkauf ausgeboten werden mußte. Va-<lb/>
ter Zillmer kannte das Besitzthum genau und konnte<lb/>
es seinen Kindern, als diese ihn um Rath fragten,<lb/>
getrost empfehlen. Es gehörten zwar nicht viel Grund-<lb/>
stücke zu dem Gute, aber sie waren in gutem Zu-<lb/>
stande; sie konnten die Glieder einer Familie, wenn<lb/>
sie sich sputeten, recht leicht ernähren.</p><lb/>
        <p>Karl überrechnete nun sein Vermögen, indem er<lb/>
zugleich überschlug, wie viel er, falls er das Gut an-<lb/>
kaufen würde, an der Kaufsumme abzahlen und in die<lb/>
Wirthschaft werde verwenden können. Er kam zu<lb/>
einem recht erfreulichen Resultate. Ohne Zögern ging<lb/>
er in Begleitung Zillmer's zu den Erben des verstor-<lb/>
benen Bauers, denen Käufer sehr willkommen waren,<lb/>
da sie im Begriff standen, das Gütchen öffentlich aus-<lb/>
zubieten.</p><lb/>
        <p>Der Handel war bald abgeschlossen. Karl zahlte<lb/>
vor Gericht einen Theil der Kaufsumme und das Gut<lb/>
wurde ihm verschrieben. Vater Zillmer war als Ge-<lb/>
richtsschöppe dabei. Nach dem Schlusse des Termins<lb/>
ging er auf seinen Schwiegersohn Karl zu, drückte ihm<lb/><cb n="2"/>
freundlich die Hand und sprach: &#x201E;Mein Karl! Viele<lb/>
hundert mal war ich als Schöppe in der Gerichtsstube<lb/>
als Zeuge der Verhandlungen zugegen, aber kein ein-<lb/>
ziges mal stand ich mit so großer Freude dabei. Segne<lb/>
euch Gott im neuen Besitze und sputet euch, wie die<lb/>
Mutter sagt, um vorwärts zu kommen! Lange Er-<lb/>
mahnungen halte ich für unnöthig; ihr habt euch ja<lb/>
bisher wacker gesputet!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Eben wollten Käufer und Verkäufer die Gerichts-<lb/>
stube verlassen, da trat der Gerichtsherr, ein alter er-<lb/>
grauter Major, in dieselbe ein. Alle standen ehrerbie-<lb/>
tig auf, als das greise Haupt erschien. Der Major<lb/><gap reason="illegible" unit="chars" quantity="7"/>wendete sich an Karl, drückte ihm die Hand und<lb/>
sprach: &#x201E;Höre, Freund, du hast dich durch eigene<lb/>
Kraft und eigenen Fleiß aus den dürftigsten Verhält-<lb/>
nissen emporgearbeitet; du bist ein treuer Sohn und<lb/>
ein ehrenwerther Dorfbewohner gewesen; in deinem<lb/>
Hause herrscht Liebe und Freude, die du dir selbst ge-<lb/>
schaffen; das Alles hat mir Freude gemacht, wenn ich<lb/>
es so still beobachtet habe. Jch komme deshalb heute<lb/>
selbst in die Gerichtsstube, um dir meine Anerkennung<lb/>
auszusprechen und zu deinem Gutskaufe Glück zu wün-<lb/>
schen. Du hast hier&#x201C; &#x2014; sein Blick fiel auf die ge-<lb/>
zahlte Geldsumme, welche noch auf dem Tische lag &#x2014;<lb/>
&#x201E;Richtigkeit gemacht, wobei jedenfalls auch das mir<lb/>
zukommende Lehngeld bezahlt worden ist. Jch will<lb/>
aber von dir kein Lehngeld nehmen; ich schenke es dir<lb/>
als Beihülfe zum Anfange in der neuen Wirthschaft.<lb/>
Du wirst auch gern in dein Eigenthum einziehen<lb/>
wollen, darum glaube nicht, daß ich dich wegen des<lb/>
Pachtjahrs, das du in meinem Gartengrundstücke noch<lb/>
auszuhalten hast, halten werde. Hebe den Pacht auf,<lb/>
wenn es dir beliebt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Karl wollte dem edlen Herrn danken, aber dieser<lb/>
empfahl sich schnell und rief freundlich, indem er den<lb/>
Kopf durch die Thür steckte: &#x201E;Schon gut; 's ist gern<lb/>
geschehen! Spute dich nur ferner auch, wie deine Mut-<lb/>
ler sagt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Als der Major weg war, strich der Gerichtsdirector<lb/>
das Lehngeld weg und übergab es Karl, dann zog<lb/>
er noch ein kleines Häuflein Thaler bei Seite, drückte<lb/>
sie dem Käufer in die Hand und sprach: &#x201E;Da Sie,<lb/>
lieber Mann, ein so achtungswerthes Vorbild der Ge-<lb/>
meinde sind, so gebe ich Jhnen hiermit auch einen<lb/>
kleinen Beitrag zum Anfange Jhrer Wirthschaft; es<lb/>
sind die mir zukommenden Gerichtskosten, die ich Jh-<lb/>
nen mit Vergnügen schenke.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Zillmer und Wirker waren aufs herzlichste bewegt<lb/>
und verließen mit innigen Dankgefühlen die für Viele<lb/>
so ernste und furchterweckende Gerichtsstube.</p><lb/>
        <p>Der Richter und der zweite Schöppe erzählten noch<lb/>
an demselben Tage in dem Dorfe, wie der alte Herr<lb/>
und sein Gerichtsdirector Karl Wirker so sehr ausge-<lb/>
zeichnet hatten. Dies machte großen Eindruck auf die<lb/>
Dorfbewohner. Die Guten unter ihnen nahmen an<lb/>
dem Glück Karl's den frohesten Antheil und die Übel-<lb/>
gesinnten, welche Karl mit Ungunst und Neid behan-<lb/>
delt hatten, schienen sich ihm mehr zu nähern, da sie<lb/>
wohl erwarteten, daß Karl bald zu den angesehensten,<lb/>
wenn auch nicht zu den reichsten Bauern des Dorfs<lb/>
gehören und sich, wie bisher, auch ferner wenig um<lb/>
sie kümmern werde, wenn sie seine Gunst nicht selbst<lb/>
zu erstreben versuchen würden.</p><lb/>
        <p>
          <ref target="nn_pfennig086_1854#Spute4">( Fortsetzung folgt. )</ref>
        </p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb type="end"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0003] 259 Johanna erhielt 350 Thaler als erste Aussteuer von ihrem Vater, welcher ihr zugleich andeutete, daß er ihr, so lange er lebe, nichts weiter geben könne, wolle er nicht sich und den übrigen Kindern Schaden thun. Karl war es nicht in den Sinn gekommen, außer einer einfachen Ausstattung fürs Haus noch ein kleines Capital zu erwarten. Darum bat er, als er von den 350 Thalern hörte, seinen Schwiegervater Zillmer, sich ja nicht Schaden zu thun, denn er hoffe auch ohne die Mitgift mit der geschickten und ge- wandten Johanna vorwärts zu kommen. Zillmer aber meinte, soviel Geld entbehren zu können und sprach: „Liebster Karl! Bist ja von Jugend auf so gut wie mein Sohn gewesen; nun bist du es wirklich, da will ich nun auch für dich sorgen wie für mein eigenes Kind!“ Karl durfte kein Wort mehr erwidern und es blieb bei Zillmer's Willen. Nach der einfachen Hochzeitsfeier zog Johanna in die Gärtnerwohnung, welche der Rittergutsbesitzer Karl aus besonderm Wohlwollen überlassen hatte. Jhr Ge- schäft erweiterte sich immer mehr und brachte erwünsch- ten Gewinn. Mit Johanna war doppelter Segen ein- gezogen. Das junge Ehepaar sputete sich vom Mor- gen bis zum Abend und Beide thaten es gern, denn Alles, was sie unternahmen, brachte ihnen Glück ins Haus. Die alternde Frau Wirker sah mit Freuden die erfolgreiche Thätigkeit ihrer Kinder, konnte es aber noch immer nicht lassen, ihren alten Zuruf zu wieder- holen: „Spute dich!“ Auch Karl und Johanna hat- ten sich das vielsagende Wort angewöhnt und rie- fen es sich sehr oft in sanftem, wohlmeinenden Tone zu. Der Zuruf wurde selbst auf ihre Kinder fort- geerbt, weil er, wohl aufgefaßt und verstanden, einen großen Einfluß auszuüben vermochte. Zillmer und sein Haus blieb mit Frau Wirker und den Kindern in engster Verbindung. Was die Einen thaten, mußten die Andern wissen; Freud und Leid theilten sie miteinander, die Liebe und Treue hatte un- ter ihnen Wohnung genommen. Und Das war es, was die Familie so sehr glücklich machte. Drei Jahre waren wieder ins Land gegangen, da bot sich für Karl eine treffliche Gelegenheit, seine Lieb- lingsidee, eine Landwirthschaft zu besitzen, auszufüh- ren, womit seine Johanna vollkommen übereinstimmte. Es war nämlich ein sogenannter kleiner Bauer gestor- ben. Derselbe hinterließ viel Kinder, weshalb sein Gütchen zum Verkauf ausgeboten werden mußte. Va- ter Zillmer kannte das Besitzthum genau und konnte es seinen Kindern, als diese ihn um Rath fragten, getrost empfehlen. Es gehörten zwar nicht viel Grund- stücke zu dem Gute, aber sie waren in gutem Zu- stande; sie konnten die Glieder einer Familie, wenn sie sich sputeten, recht leicht ernähren. Karl überrechnete nun sein Vermögen, indem er zugleich überschlug, wie viel er, falls er das Gut an- kaufen würde, an der Kaufsumme abzahlen und in die Wirthschaft werde verwenden können. Er kam zu einem recht erfreulichen Resultate. Ohne Zögern ging er in Begleitung Zillmer's zu den Erben des verstor- benen Bauers, denen Käufer sehr willkommen waren, da sie im Begriff standen, das Gütchen öffentlich aus- zubieten. Der Handel war bald abgeschlossen. Karl zahlte vor Gericht einen Theil der Kaufsumme und das Gut wurde ihm verschrieben. Vater Zillmer war als Ge- richtsschöppe dabei. Nach dem Schlusse des Termins ging er auf seinen Schwiegersohn Karl zu, drückte ihm freundlich die Hand und sprach: „Mein Karl! Viele hundert mal war ich als Schöppe in der Gerichtsstube als Zeuge der Verhandlungen zugegen, aber kein ein- ziges mal stand ich mit so großer Freude dabei. Segne euch Gott im neuen Besitze und sputet euch, wie die Mutter sagt, um vorwärts zu kommen! Lange Er- mahnungen halte ich für unnöthig; ihr habt euch ja bisher wacker gesputet!“ Eben wollten Käufer und Verkäufer die Gerichts- stube verlassen, da trat der Gerichtsherr, ein alter er- grauter Major, in dieselbe ein. Alle standen ehrerbie- tig auf, als das greise Haupt erschien. Der Major _______wendete sich an Karl, drückte ihm die Hand und sprach: „Höre, Freund, du hast dich durch eigene Kraft und eigenen Fleiß aus den dürftigsten Verhält- nissen emporgearbeitet; du bist ein treuer Sohn und ein ehrenwerther Dorfbewohner gewesen; in deinem Hause herrscht Liebe und Freude, die du dir selbst ge- schaffen; das Alles hat mir Freude gemacht, wenn ich es so still beobachtet habe. Jch komme deshalb heute selbst in die Gerichtsstube, um dir meine Anerkennung auszusprechen und zu deinem Gutskaufe Glück zu wün- schen. Du hast hier“ — sein Blick fiel auf die ge- zahlte Geldsumme, welche noch auf dem Tische lag — „Richtigkeit gemacht, wobei jedenfalls auch das mir zukommende Lehngeld bezahlt worden ist. Jch will aber von dir kein Lehngeld nehmen; ich schenke es dir als Beihülfe zum Anfange in der neuen Wirthschaft. Du wirst auch gern in dein Eigenthum einziehen wollen, darum glaube nicht, daß ich dich wegen des Pachtjahrs, das du in meinem Gartengrundstücke noch auszuhalten hast, halten werde. Hebe den Pacht auf, wenn es dir beliebt!“ Karl wollte dem edlen Herrn danken, aber dieser empfahl sich schnell und rief freundlich, indem er den Kopf durch die Thür steckte: „Schon gut; 's ist gern geschehen! Spute dich nur ferner auch, wie deine Mut- ler sagt!“ Als der Major weg war, strich der Gerichtsdirector das Lehngeld weg und übergab es Karl, dann zog er noch ein kleines Häuflein Thaler bei Seite, drückte sie dem Käufer in die Hand und sprach: „Da Sie, lieber Mann, ein so achtungswerthes Vorbild der Ge- meinde sind, so gebe ich Jhnen hiermit auch einen kleinen Beitrag zum Anfange Jhrer Wirthschaft; es sind die mir zukommenden Gerichtskosten, die ich Jh- nen mit Vergnügen schenke.“ Zillmer und Wirker waren aufs herzlichste bewegt und verließen mit innigen Dankgefühlen die für Viele so ernste und furchterweckende Gerichtsstube. Der Richter und der zweite Schöppe erzählten noch an demselben Tage in dem Dorfe, wie der alte Herr und sein Gerichtsdirector Karl Wirker so sehr ausge- zeichnet hatten. Dies machte großen Eindruck auf die Dorfbewohner. Die Guten unter ihnen nahmen an dem Glück Karl's den frohesten Antheil und die Übel- gesinnten, welche Karl mit Ungunst und Neid behan- delt hatten, schienen sich ihm mehr zu nähern, da sie wohl erwarteten, daß Karl bald zu den angesehensten, wenn auch nicht zu den reichsten Bauern des Dorfs gehören und sich, wie bisher, auch ferner wenig um sie kümmern werde, wenn sie seine Gunst nicht selbst zu erstreben versuchen würden. ( Fortsetzung folgt. )

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig085_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig085_1854/3
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 85. Leipzig (Sachsen), 10. August 1854, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig085_1854/3>, abgerufen am 21.11.2024.