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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 85. Leipzig (Sachsen), 10. August 1854.

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Die Handeck.
[Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]

Diesen Namen trägt ein Gebirgszug in der Schweiz,
welcher sich etwa auf dem halben Wege nach dem
Grimselhospiz abzweigt und abwechselnd durch seine
Wildheit und Lieblichkeit den Wanderer schreckt und
erfreut. Der berühmte Wassersturz der Handeck hat
das Eigenthümliche, daß man ihn von oben her zu
betrachten pflegt. Ein schwach=zerbrechlicher Steg er-
scheint wie hinübergeworfen über den tosenden Schlund.
Von diesem Stege aus sieht man zwei stolze Alpen-
ströme mit weißer Mähne von Schaum sich jäh von
der Bergeshöhe herabstürzen; wo der Fall entsteht,
vereinigen sie sich und verbunden stürzen sie sich wü-
thend in das hochaufschäumende Becken. Während das
Auge sich mit Schrecken in das Chaos dieser sich bre-
[Spaltenumbruch] chenden, brandenden, Wogen= und Wassergarben und
Schaum aufstrudelnden Gewässer versenkt, erhebt sich
aus diesen Tiefen ein dumpfer, majestätischer Tumult;
feuchte Dünste steigen empor zum Licht, funkeln und
glitzern in den Strahlen der Sonne und spenden der
ringsum üppig sprossenden Pflanzenwelt die Wohlthat
eines ewigen Thaus. Unbewegt kann Niemand diesem
Schauspiele beiwohnen; ja ein Mensch, in dessen Seele
nie der Begriff des Erhabenen gekommen war -- hier
könnte er ihn zuerst empfinden. Übrigens ist der
Standpunkt so schwindelerregend, der Steg ist so
schmal und wackelig, daß man das geringste Ungeschick
oder noch mehr die geringste Verwegenheit leicht mit
seinem Leben bezahlen kann.

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Wellingtonia gigantea aus Californien.
[Beginn Spaltensatz]

Douglas berichtete in einem Briefe an William Hoo-
ker von diesem riesengroßen Taxodium, dem König der
californischen Wälder, der sich 270 Fuß hoch und bei
3 Fuß Abstand vom Boden 32 Fuß im Umfange hal-
tend in einem einsamen District an den Quellen des
S.=Antonioflusses im 38. Grade nördlicher Breite und
120. Grade westlicher Länge auf Bergabhängen der
Sierra Nevada fand. Der Botaniker Lobb fand dort
80--90 Stämme, alle im Umkreis einer ( englischen )
Meile und 250--320 Fuß hoch und 10--20 Fuß im
[Spaltenumbruch] Durchmesser. Jhr Wuchs ähnelt der Scquoia ( Taxo-
dium ) sempervirens
. Manche standen einzeln, andere
paarweise, manche auch, und das nicht selten, standen
zu drei und vier zusammen. Ein frisch gefällter Baum
maß etwa 300 Fuß Länge bei einem Durchmesser ( die
Rinde mitgerechnet ) von 29 Fuß 2 Zoll über dem
Grunde. Bei 18 Fuß Abstand vom Erdboden betrug
der Durchmesser noch 14 Fuß 6 Zoll und bei 200
Fuß 5 Fuß 5 Zoll. Die Rinde ist blaß zimmetbraun
und 12--15 Zoll dick. Die Aeste sind rund, zum
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Die Handeck.
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Diesen Namen trägt ein Gebirgszug in der Schweiz,
welcher sich etwa auf dem halben Wege nach dem
Grimselhospiz abzweigt und abwechselnd durch seine
Wildheit und Lieblichkeit den Wanderer schreckt und
erfreut. Der berühmte Wassersturz der Handeck hat
das Eigenthümliche, daß man ihn von oben her zu
betrachten pflegt. Ein schwach=zerbrechlicher Steg er-
scheint wie hinübergeworfen über den tosenden Schlund.
Von diesem Stege aus sieht man zwei stolze Alpen-
ströme mit weißer Mähne von Schaum sich jäh von
der Bergeshöhe herabstürzen; wo der Fall entsteht,
vereinigen sie sich und verbunden stürzen sie sich wü-
thend in das hochaufschäumende Becken. Während das
Auge sich mit Schrecken in das Chaos dieser sich bre-
[Spaltenumbruch] chenden, brandenden, Wogen= und Wassergarben und
Schaum aufstrudelnden Gewässer versenkt, erhebt sich
aus diesen Tiefen ein dumpfer, majestätischer Tumult;
feuchte Dünste steigen empor zum Licht, funkeln und
glitzern in den Strahlen der Sonne und spenden der
ringsum üppig sprossenden Pflanzenwelt die Wohlthat
eines ewigen Thaus. Unbewegt kann Niemand diesem
Schauspiele beiwohnen; ja ein Mensch, in dessen Seele
nie der Begriff des Erhabenen gekommen war — hier
könnte er ihn zuerst empfinden. Übrigens ist der
Standpunkt so schwindelerregend, der Steg ist so
schmal und wackelig, daß man das geringste Ungeschick
oder noch mehr die geringste Verwegenheit leicht mit
seinem Leben bezahlen kann.

[Ende Spaltensatz]

Wellingtonia gigantea aus Californien.
[Beginn Spaltensatz]

Douglas berichtete in einem Briefe an William Hoo-
ker von diesem riesengroßen Taxodium, dem König der
californischen Wälder, der sich 270 Fuß hoch und bei
3 Fuß Abstand vom Boden 32 Fuß im Umfange hal-
tend in einem einsamen District an den Quellen des
S.=Antonioflusses im 38. Grade nördlicher Breite und
120. Grade westlicher Länge auf Bergabhängen der
Sierra Nevada fand. Der Botaniker Lobb fand dort
80—90 Stämme, alle im Umkreis einer ( englischen )
Meile und 250—320 Fuß hoch und 10—20 Fuß im
[Spaltenumbruch] Durchmesser. Jhr Wuchs ähnelt der Scquoia ( Taxo-
dium ) sempervirens
. Manche standen einzeln, andere
paarweise, manche auch, und das nicht selten, standen
zu drei und vier zusammen. Ein frisch gefällter Baum
maß etwa 300 Fuß Länge bei einem Durchmesser ( die
Rinde mitgerechnet ) von 29 Fuß 2 Zoll über dem
Grunde. Bei 18 Fuß Abstand vom Erdboden betrug
der Durchmesser noch 14 Fuß 6 Zoll und bei 200
Fuß 5 Fuß 5 Zoll. Die Rinde ist blaß zimmetbraun
und 12—15 Zoll dick. Die Aeste sind rund, zum
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[260/0004] 260 Die Handeck. [Abbildung] Diesen Namen trägt ein Gebirgszug in der Schweiz, welcher sich etwa auf dem halben Wege nach dem Grimselhospiz abzweigt und abwechselnd durch seine Wildheit und Lieblichkeit den Wanderer schreckt und erfreut. Der berühmte Wassersturz der Handeck hat das Eigenthümliche, daß man ihn von oben her zu betrachten pflegt. Ein schwach=zerbrechlicher Steg er- scheint wie hinübergeworfen über den tosenden Schlund. Von diesem Stege aus sieht man zwei stolze Alpen- ströme mit weißer Mähne von Schaum sich jäh von der Bergeshöhe herabstürzen; wo der Fall entsteht, vereinigen sie sich und verbunden stürzen sie sich wü- thend in das hochaufschäumende Becken. Während das Auge sich mit Schrecken in das Chaos dieser sich bre- chenden, brandenden, Wogen= und Wassergarben und Schaum aufstrudelnden Gewässer versenkt, erhebt sich aus diesen Tiefen ein dumpfer, majestätischer Tumult; feuchte Dünste steigen empor zum Licht, funkeln und glitzern in den Strahlen der Sonne und spenden der ringsum üppig sprossenden Pflanzenwelt die Wohlthat eines ewigen Thaus. Unbewegt kann Niemand diesem Schauspiele beiwohnen; ja ein Mensch, in dessen Seele nie der Begriff des Erhabenen gekommen war — hier könnte er ihn zuerst empfinden. Übrigens ist der Standpunkt so schwindelerregend, der Steg ist so schmal und wackelig, daß man das geringste Ungeschick oder noch mehr die geringste Verwegenheit leicht mit seinem Leben bezahlen kann. Wellingtonia gigantea aus Californien. Douglas berichtete in einem Briefe an William Hoo- ker von diesem riesengroßen Taxodium, dem König der californischen Wälder, der sich 270 Fuß hoch und bei 3 Fuß Abstand vom Boden 32 Fuß im Umfange hal- tend in einem einsamen District an den Quellen des S.=Antonioflusses im 38. Grade nördlicher Breite und 120. Grade westlicher Länge auf Bergabhängen der Sierra Nevada fand. Der Botaniker Lobb fand dort 80—90 Stämme, alle im Umkreis einer ( englischen ) Meile und 250—320 Fuß hoch und 10—20 Fuß im Durchmesser. Jhr Wuchs ähnelt der Scquoia ( Taxo- dium ) sempervirens. Manche standen einzeln, andere paarweise, manche auch, und das nicht selten, standen zu drei und vier zusammen. Ein frisch gefällter Baum maß etwa 300 Fuß Länge bei einem Durchmesser ( die Rinde mitgerechnet ) von 29 Fuß 2 Zoll über dem Grunde. Bei 18 Fuß Abstand vom Erdboden betrug der Durchmesser noch 14 Fuß 6 Zoll und bei 200 Fuß 5 Fuß 5 Zoll. Die Rinde ist blaß zimmetbraun und 12—15 Zoll dick. Die Aeste sind rund, zum

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 85. Leipzig (Sachsen), 10. August 1854, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig085_1854/4>, abgerufen am 14.08.2024.