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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 86. Leipzig (Sachsen), 17. August.

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Mannichfaltiges. [Beginn Spaltensatz]

Eine indianische Lorelei. Ockwallee, der junge Häupt-
ling der kriegerischen Muscogees am French Broad River
liebt die schönste Tochter des feindlichen Stammes der Che-
rokees. Vor den Späheraugen erbitterter Verwandten zog
sich das junge Paar in eine einsame Hütte zurück. Eines
Morgens ging der junge Krieger der Jagd nach, und wäh-
rend seine Geliebte, an ihn denkend, eine kunstvolle Weber-
arbeit zum Schmncke des Abwesenden fertigt, begegnet dieser
zornigen Gesichtern seiner unbarmherzigen Feinde. Nach
längerm Kampfe erliegt er der Uebermacht und wird erschla-
gen. Tselika hört es und holt den noch blutenden Leichnam
in einem Kahne nach ihrer Hütte. Mit wildrollenden Augen,
Eis im Herzen, sitzt sie am Steuer; überwältigt von ihrem
Schmerze lenkt sie minder geschickt als sonst den Kahn, die
Stromschnelle ergreift ihn und begräbt sie mit dem Todten
unter den Wellen. Aber sie lebt fort als Geist des Wassers.
Wehe Dem, der in ihre Arme geräth! Sie hält ihn für
ihren Geliebten und zieht ihn sehnsüchtig mit der Liebe All-
gewalt hinab und wirft ihn enttäuscht, mit wildem Lachen,
zu den bereits aufgehäuften Opfern.



Die Mungi=Mungii ( Simiae sciureae ) trifft man
auf den Bäumen herumgaukelnd und tausenderlei Possen
machend und Fratzen ziehend in den Wäldern von Surinam.
Sie sind die niedlichsten Affen, nicht viel größer als Eich-
hörnchen, grünlich grau, mit weißen Bäuchen und orange-
gelben Händen. Jhr rundes Köpfchen hat ein weißes Ge-
sicht, einen schwarzen Mund und große, dunkelbraune, fried-
liche Augen. Der kurzhaarige Schwanz, dessen Ende schwarz
ist, ist länger als der Leib. Sitzt das Thierchen, so hältes
ihn über den Rücken geschlagen. Diese zärtlichen Thierchen
leben von Früchten und Jnsekten und sind schwer nach Eu-
ropa zu bringen.



Nordfriesische Sprüchwörter. Kein Gold so roth --
's muß weg für Brot. -- Was das Auge nicht sieht, thut
dem Herzen nicht weh. -- Kröten brüten keine Singvögel
aus. -- Wenn die Krippe leer ist, beißen die Pferde einan-
der. -- Besser mit Faulen arbeiten als mit Dummen. --
Kuh will nicht wissen, daß sie Kalb gewesen ist. -- Mor-
genmann hat's, Abendmann bekommt's. -- Wer Vater und
Mutter nicht gehorchen will, soll dem Kalbfell gehorchen. --
Eine Schwalbe ausfliegen lassen und eine Gans wieder ha-
ben wollen. -- Zu bösem Maul gehört ein starker Rücken.
-- Ei ist Ei, sagte der Bauer -- griff aber nach dem größ-
ten. -- Arge Hunde, zerrissenes Fell. -- Das Fett will oben
sein -- und wäre es von einem alten Hunde.



Wohlberechnet. Als unter Wellington's Oberbefehl
die britische Armee gegen Napoleon in Spanien auf dem
[Spaltenumbruch] Marsche war, ließ der Generalissimus zuweilen die geistli-
chen Behörden zu sich kommen und von ihnen sich durch ihre
Kirchen führen. "Es ist ein edles Gebäude", sagte einmal
Lord Wellington bei einer solchen Gelegenheit. "Welche hohe
Fenster! Wie können Sie diese rein erhalten?" -- "O, wir
haben Leitern!" -- "So? Aber wo können Sie so lange
Leitern aufbewahren?" -- Die Auskunft ward bereitwilligst
gegeben und am nächsten Morgen bildeten diese langen Lei-
tern einen Theil des britischen Gepäcks, um bei der nächsten
Belagerung verwendet zu werden.



Die englischen Banknoten haben, wie Menschen, ihre
verschiedenen Schicksale und Lebensläufe. Die englische Bank
gibt jede Banknote nur einmal aus; wenn sie wieder an
die Bank zurückkommt, ist sie Maculatur; die wiedereinge-
laufenen Banknoten kommen in ein besonderes Lokal, die
Bankbibliothek, werden noch eine Zeitlang aufbewahrt und
dann verbrannt. Manche Banknote lebt lange in Ehren; sie
macht ihren Weg nach dem Continent oder nach Jndien oder
nach Adelaide und kommt abgerieben und altersschwach wie-
der an ihrem Geburtsorte an. Andere leben wieder kaum
einen Tag in der Welt, werden heute aus der Bank ge-
holt und laufen noch spiegelblank morgen da wieder ein. Es
geht den Banknoten gerade wie den Menschen.



Wiedo, Bogu! == Komm heraus, Gott! ist der
Name eines Klosters am Dniepr unweit Kiew. Christliche
Missionare hatten dort ein Götzenbild, das lange das Ziel
von Wallfahrten gewesen war, in den Strom gestürzt. Da
versammelten sich die Heiden in hellen Haufen, um mit ih-
rem: Wiedo, Bogu! ihren vermeintlich mächtigen Götzen
heraufzubeschwören. Aber der Bogu blieb taub und kam
nicht herauf. Einer der Missionare sagte mit den Worten
des Propheten Elias in ähnlichem Falle: "Rufet nur noch
lauter! Er schläft vielleicht tief da unten." Die Ruffen
brüllten im Chor: "Wiedo, Bogu!" Aber Bogu kam nicht.
Das ärgerte sie, sie wurden und blieben Christen.



Heustöcke. Jn Steiermark hängt man auf frisch ge-
mähten Wiesen das Gras zum Trocknen an hohe, mit höl-
zernen Ärmen versehene Pfähle ( Heustöcke ) auf. Der Phan-
tasie des Reisenden, namentlich auf der Eisenbahn, bieten
die unabsehbaren Reihen dieser Stöcke ein reiches Spiel.
Bald sieht es aus, als wenn Grenadiercolonnen aufmarschir-
ten oder als ob Processionen dahinzögen, bald wieder, als
ob sich Paare zur Galoppade engagirten, bald als ob ganze
Reihen vor der vorüberfliegenden Locomotive und ihrem lan-
gen Wagentrain verwunderungsvoll stillständen und in Masse
ein tiefes Compliment herübermachten.

[Ende Spaltensatz]

Ankündigungen.
[Beginn Spaltensatz]

[Abbildung]
[Spaltenumbruch]

Diese rühmlichst bekannten Pates Pectorales,
ein bewährtes Linderungsmittel bei Brustleiden aller
Art, Husten, Schnupfen, Katarrh , werden verkauft
in Leipzig bei

    L. Tilebein,
    Conditor in der Centralhalle.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. -- Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.


Mannichfaltiges. [Beginn Spaltensatz]

Eine indianische Lorelei. Ockwallee, der junge Häupt-
ling der kriegerischen Muscogees am French Broad River
liebt die schönste Tochter des feindlichen Stammes der Che-
rokees. Vor den Späheraugen erbitterter Verwandten zog
sich das junge Paar in eine einsame Hütte zurück. Eines
Morgens ging der junge Krieger der Jagd nach, und wäh-
rend seine Geliebte, an ihn denkend, eine kunstvolle Weber-
arbeit zum Schmncke des Abwesenden fertigt, begegnet dieser
zornigen Gesichtern seiner unbarmherzigen Feinde. Nach
längerm Kampfe erliegt er der Uebermacht und wird erschla-
gen. Tselika hört es und holt den noch blutenden Leichnam
in einem Kahne nach ihrer Hütte. Mit wildrollenden Augen,
Eis im Herzen, sitzt sie am Steuer; überwältigt von ihrem
Schmerze lenkt sie minder geschickt als sonst den Kahn, die
Stromschnelle ergreift ihn und begräbt sie mit dem Todten
unter den Wellen. Aber sie lebt fort als Geist des Wassers.
Wehe Dem, der in ihre Arme geräth! Sie hält ihn für
ihren Geliebten und zieht ihn sehnsüchtig mit der Liebe All-
gewalt hinab und wirft ihn enttäuscht, mit wildem Lachen,
zu den bereits aufgehäuften Opfern.



Die Mungi=Mungii ( Simiae sciureae ) trifft man
auf den Bäumen herumgaukelnd und tausenderlei Possen
machend und Fratzen ziehend in den Wäldern von Surinam.
Sie sind die niedlichsten Affen, nicht viel größer als Eich-
hörnchen, grünlich grau, mit weißen Bäuchen und orange-
gelben Händen. Jhr rundes Köpfchen hat ein weißes Ge-
sicht, einen schwarzen Mund und große, dunkelbraune, fried-
liche Augen. Der kurzhaarige Schwanz, dessen Ende schwarz
ist, ist länger als der Leib. Sitzt das Thierchen, so hältes
ihn über den Rücken geschlagen. Diese zärtlichen Thierchen
leben von Früchten und Jnsekten und sind schwer nach Eu-
ropa zu bringen.



Nordfriesische Sprüchwörter. Kein Gold so roth —
's muß weg für Brot. — Was das Auge nicht sieht, thut
dem Herzen nicht weh. — Kröten brüten keine Singvögel
aus. — Wenn die Krippe leer ist, beißen die Pferde einan-
der. — Besser mit Faulen arbeiten als mit Dummen. —
Kuh will nicht wissen, daß sie Kalb gewesen ist. — Mor-
genmann hat's, Abendmann bekommt's. — Wer Vater und
Mutter nicht gehorchen will, soll dem Kalbfell gehorchen. —
Eine Schwalbe ausfliegen lassen und eine Gans wieder ha-
ben wollen. — Zu bösem Maul gehört ein starker Rücken.
— Ei ist Ei, sagte der Bauer — griff aber nach dem größ-
ten. — Arge Hunde, zerrissenes Fell. — Das Fett will oben
sein — und wäre es von einem alten Hunde.



Wohlberechnet. Als unter Wellington's Oberbefehl
die britische Armee gegen Napoleon in Spanien auf dem
[Spaltenumbruch] Marsche war, ließ der Generalissimus zuweilen die geistli-
chen Behörden zu sich kommen und von ihnen sich durch ihre
Kirchen führen. „Es ist ein edles Gebäude“, sagte einmal
Lord Wellington bei einer solchen Gelegenheit. „Welche hohe
Fenster! Wie können Sie diese rein erhalten?“ — „O, wir
haben Leitern!“ — „So? Aber wo können Sie so lange
Leitern aufbewahren?“ — Die Auskunft ward bereitwilligst
gegeben und am nächsten Morgen bildeten diese langen Lei-
tern einen Theil des britischen Gepäcks, um bei der nächsten
Belagerung verwendet zu werden.



Die englischen Banknoten haben, wie Menschen, ihre
verschiedenen Schicksale und Lebensläufe. Die englische Bank
gibt jede Banknote nur einmal aus; wenn sie wieder an
die Bank zurückkommt, ist sie Maculatur; die wiedereinge-
laufenen Banknoten kommen in ein besonderes Lokal, die
Bankbibliothek, werden noch eine Zeitlang aufbewahrt und
dann verbrannt. Manche Banknote lebt lange in Ehren; sie
macht ihren Weg nach dem Continent oder nach Jndien oder
nach Adelaide und kommt abgerieben und altersschwach wie-
der an ihrem Geburtsorte an. Andere leben wieder kaum
einen Tag in der Welt, werden heute aus der Bank ge-
holt und laufen noch spiegelblank morgen da wieder ein. Es
geht den Banknoten gerade wie den Menschen.



Wiedo, Bogu! == Komm heraus, Gott! ist der
Name eines Klosters am Dniepr unweit Kiew. Christliche
Missionare hatten dort ein Götzenbild, das lange das Ziel
von Wallfahrten gewesen war, in den Strom gestürzt. Da
versammelten sich die Heiden in hellen Haufen, um mit ih-
rem: Wiedo, Bogu! ihren vermeintlich mächtigen Götzen
heraufzubeschwören. Aber der Bogu blieb taub und kam
nicht herauf. Einer der Missionare sagte mit den Worten
des Propheten Elias in ähnlichem Falle: „Rufet nur noch
lauter! Er schläft vielleicht tief da unten.“ Die Ruffen
brüllten im Chor: „Wiedo, Bogu!“ Aber Bogu kam nicht.
Das ärgerte sie, sie wurden und blieben Christen.



Heustöcke. Jn Steiermark hängt man auf frisch ge-
mähten Wiesen das Gras zum Trocknen an hohe, mit höl-
zernen Ärmen versehene Pfähle ( Heustöcke ) auf. Der Phan-
tasie des Reisenden, namentlich auf der Eisenbahn, bieten
die unabsehbaren Reihen dieser Stöcke ein reiches Spiel.
Bald sieht es aus, als wenn Grenadiercolonnen aufmarschir-
ten oder als ob Processionen dahinzögen, bald wieder, als
ob sich Paare zur Galoppade engagirten, bald als ob ganze
Reihen vor der vorüberfliegenden Locomotive und ihrem lan-
gen Wagentrain verwunderungsvoll stillständen und in Masse
ein tiefes Compliment herübermachten.

[Ende Spaltensatz]

Ankündigungen.
[Beginn Spaltensatz]

[Abbildung]
[Spaltenumbruch]

Diese rühmlichst bekannten Pates Pectorales,
ein bewährtes Linderungsmittel bei Brustleiden aller
Art, Husten, Schnupfen, Katarrh , werden verkauft
in Leipzig bei

    L. Tilebein,
    Conditor in der Centralhalle.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.

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[272/0008] 272 Mannichfaltiges. Eine indianische Lorelei. Ockwallee, der junge Häupt- ling der kriegerischen Muscogees am French Broad River liebt die schönste Tochter des feindlichen Stammes der Che- rokees. Vor den Späheraugen erbitterter Verwandten zog sich das junge Paar in eine einsame Hütte zurück. Eines Morgens ging der junge Krieger der Jagd nach, und wäh- rend seine Geliebte, an ihn denkend, eine kunstvolle Weber- arbeit zum Schmncke des Abwesenden fertigt, begegnet dieser zornigen Gesichtern seiner unbarmherzigen Feinde. Nach längerm Kampfe erliegt er der Uebermacht und wird erschla- gen. Tselika hört es und holt den noch blutenden Leichnam in einem Kahne nach ihrer Hütte. Mit wildrollenden Augen, Eis im Herzen, sitzt sie am Steuer; überwältigt von ihrem Schmerze lenkt sie minder geschickt als sonst den Kahn, die Stromschnelle ergreift ihn und begräbt sie mit dem Todten unter den Wellen. Aber sie lebt fort als Geist des Wassers. Wehe Dem, der in ihre Arme geräth! 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Kein Gold so roth — 's muß weg für Brot. — Was das Auge nicht sieht, thut dem Herzen nicht weh. — Kröten brüten keine Singvögel aus. — Wenn die Krippe leer ist, beißen die Pferde einan- der. — Besser mit Faulen arbeiten als mit Dummen. — Kuh will nicht wissen, daß sie Kalb gewesen ist. — Mor- genmann hat's, Abendmann bekommt's. — Wer Vater und Mutter nicht gehorchen will, soll dem Kalbfell gehorchen. — Eine Schwalbe ausfliegen lassen und eine Gans wieder ha- ben wollen. — Zu bösem Maul gehört ein starker Rücken. — Ei ist Ei, sagte der Bauer — griff aber nach dem größ- ten. — Arge Hunde, zerrissenes Fell. — Das Fett will oben sein — und wäre es von einem alten Hunde. Wohlberechnet. Als unter Wellington's Oberbefehl die britische Armee gegen Napoleon in Spanien auf dem Marsche war, ließ der Generalissimus zuweilen die geistli- chen Behörden zu sich kommen und von ihnen sich durch ihre Kirchen führen. „Es ist ein edles Gebäude“, sagte einmal Lord Wellington bei einer solchen Gelegenheit. „Welche hohe Fenster! Wie können Sie diese rein erhalten?“ — „O, wir haben Leitern!“ — „So? Aber wo können Sie so lange Leitern aufbewahren?“ — Die Auskunft ward bereitwilligst gegeben und am nächsten Morgen bildeten diese langen Lei- tern einen Theil des britischen Gepäcks, um bei der nächsten Belagerung verwendet zu werden. Die englischen Banknoten haben, wie Menschen, ihre verschiedenen Schicksale und Lebensläufe. Die englische Bank gibt jede Banknote nur einmal aus; wenn sie wieder an die Bank zurückkommt, ist sie Maculatur; die wiedereinge- laufenen Banknoten kommen in ein besonderes Lokal, die Bankbibliothek, werden noch eine Zeitlang aufbewahrt und dann verbrannt. 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Das ärgerte sie, sie wurden und blieben Christen. Heustöcke. Jn Steiermark hängt man auf frisch ge- mähten Wiesen das Gras zum Trocknen an hohe, mit höl- zernen Ärmen versehene Pfähle ( Heustöcke ) auf. Der Phan- tasie des Reisenden, namentlich auf der Eisenbahn, bieten die unabsehbaren Reihen dieser Stöcke ein reiches Spiel. Bald sieht es aus, als wenn Grenadiercolonnen aufmarschir- ten oder als ob Processionen dahinzögen, bald wieder, als ob sich Paare zur Galoppade engagirten, bald als ob ganze Reihen vor der vorüberfliegenden Locomotive und ihrem lan- gen Wagentrain verwunderungsvoll stillständen und in Masse ein tiefes Compliment herübermachten. Ankündigungen. [Abbildung] Diese rühmlichst bekannten Pates Pectorales, ein bewährtes Linderungsmittel bei Brustleiden aller Art, Husten, Schnupfen, Katarrh , werden verkauft in Leipzig bei L. Tilebein, Conditor in der Centralhalle. Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 86. Leipzig (Sachsen), 17. August, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig086_1854/8>, abgerufen am 23.11.2024.