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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 95. Leipzig (Sachsen), 26. Oktober 1854.

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[Abbildung] Das Kameel.


Friedrich der Große und sein Justizminister.
[Beginn Spaltensatz]

Der Graf von F., dem der große König besonders
wohl wollte, wurde mit Wechselexecution verfolgt und
erhielt von dem Monarchen eine schriftliche Ordre an
den damaligen Justizminister von Münchhausen, daß
das Executionsverfahren gegen den persönlich Verfolg-
ten eingestellt werden sollte.

Diesen Befehl überreichte Letzterer dem Minister
persönlich und zu eigenen Händen; Münchhausen ließ
jedoch den Grafen auf der Stelle festnehmen. Auf
eine in Entrüstung an den Chef der Justiz, mit dem
Befehle, sich zu vertheidigen, gerichtete Anfrage: Wie
er es hätte wagen können, dem königlichen Willen ent-
gegen zu verfahren? erwiderte der für das Recht un-
erschütterliche Mann in einer ehrfurchtsvollen, gedrun-
genen Vorstellung: "Se. Majestät hätten ihn zur Hut
der Gesetze verpflichtet; was er gethan, sei infolge
dessen geschehen. Sein Kopf stehe Sr. Majestät jeden
Augenblick zu Befehl, sein Gewissen aber habe nur
Gott Rechenschaft zu geben!"

Und wirklich wurde Graf F. nur dadurch frei, daß
der König die verfallenen Wechsel desselben selbst
auslöste.

Ein Herr von *** aus einer alten, sehr angesehe-
nen adeligen Familie war durch Verschwendung in
Concurs versunken. Sein Antrag auf die bei unver-
schuldeter Vermögensinsufficienz dem Concursverfalle-
nen gesetzlich gestattete Rechtswohlthat einer Unterhal-
tungssumme aus den Revenüen der Concursmasse ( be-
neficium competentiae
) wurde durch gleichlautende Er-
kenntnisse in den Rechtsinstanzen zurückgewiesen. Er
wandte sich hierauf an den König, der, vielleicht aus
[Spaltenumbruch] Rücksicht auf die sehr achtbare Familie des Verschul-
deten dem Justizminister von Münchhausen Befehl er-
theilte, dem Kammergericht die Feststellung einer jähr-
lichen Competenz von 1500 Thalern für den Bitt-
steller aufzutragen. Münchhausen indessen gab dem
Kammergericht auf, die Concursgläubiger zu befragen,
ob sie die erbetene Competenz bewilligen wollten?

Dies geschah; wie jedoch vorauszusehen war, fiel
die Erklärung der Betheiligten bei den an sich schon
für Jeden empfindlich gewordenen Verlusten einstim-
mig verneinend aus, worüber Münchhausen unverzüg-
lich Allerhöchsten Orts einberichtete. Der König resol-
virte hierauf, daß das Kammergericht die jährliche Com-
petenz wenigstens auf 1200 Thaler feststellen sollte.
Münchhausen schlug dasselbe Verfahren ein wie zuvor
und es ergab sich ein gleiches Resultat.

Hierauf erfolgte ein in solennester Form erlassener
Cabinetsbefehl an den Minister von Münchhausen:

"Wir, Friedrich befehlen Euch, vermöge Un-
serer Königlichen Gewalt und bei Vermeidung Unserer
Allerhöchsten Ungnade, dem pp. in Sachen pp. eine
jährliche Competenz von 1200 Thalern mittelst Justiz-
Ministerial=Rescripts festzusetzen."

Münchhausen entwarf nun selbst einen Befehl, aber
nicht in der Form eines Justiz=Ministerial=Rescripts,
sondern einer Allerhöchsten Cabinetsbestimmung, zur
unmittelbaren Allerhöchst eigenhändigen Vollziehung und
sprach sich in einem Begleitschreiben dahin aus, daß
von dem Chef der Justiz ein allen gesetzlichen Vorschrif-
ten zuwiderlaufender Befehl nicht ausgehen und die
Verantwortlichkeit dafür nicht übernommen werden könne.

[Ende Spaltensatz]


[Abbildung] Das Kameel.


Friedrich der Große und sein Justizminister.
[Beginn Spaltensatz]

Der Graf von F., dem der große König besonders
wohl wollte, wurde mit Wechselexecution verfolgt und
erhielt von dem Monarchen eine schriftliche Ordre an
den damaligen Justizminister von Münchhausen, daß
das Executionsverfahren gegen den persönlich Verfolg-
ten eingestellt werden sollte.

Diesen Befehl überreichte Letzterer dem Minister
persönlich und zu eigenen Händen; Münchhausen ließ
jedoch den Grafen auf der Stelle festnehmen. Auf
eine in Entrüstung an den Chef der Justiz, mit dem
Befehle, sich zu vertheidigen, gerichtete Anfrage: Wie
er es hätte wagen können, dem königlichen Willen ent-
gegen zu verfahren? erwiderte der für das Recht un-
erschütterliche Mann in einer ehrfurchtsvollen, gedrun-
genen Vorstellung: „Se. Majestät hätten ihn zur Hut
der Gesetze verpflichtet; was er gethan, sei infolge
dessen geschehen. Sein Kopf stehe Sr. Majestät jeden
Augenblick zu Befehl, sein Gewissen aber habe nur
Gott Rechenschaft zu geben!“

Und wirklich wurde Graf F. nur dadurch frei, daß
der König die verfallenen Wechsel desselben selbst
auslöste.

Ein Herr von *** aus einer alten, sehr angesehe-
nen adeligen Familie war durch Verschwendung in
Concurs versunken. Sein Antrag auf die bei unver-
schuldeter Vermögensinsufficienz dem Concursverfalle-
nen gesetzlich gestattete Rechtswohlthat einer Unterhal-
tungssumme aus den Revenüen der Concursmasse ( be-
neficium competentiae
) wurde durch gleichlautende Er-
kenntnisse in den Rechtsinstanzen zurückgewiesen. Er
wandte sich hierauf an den König, der, vielleicht aus
[Spaltenumbruch] Rücksicht auf die sehr achtbare Familie des Verschul-
deten dem Justizminister von Münchhausen Befehl er-
theilte, dem Kammergericht die Feststellung einer jähr-
lichen Competenz von 1500 Thalern für den Bitt-
steller aufzutragen. Münchhausen indessen gab dem
Kammergericht auf, die Concursgläubiger zu befragen,
ob sie die erbetene Competenz bewilligen wollten?

Dies geschah; wie jedoch vorauszusehen war, fiel
die Erklärung der Betheiligten bei den an sich schon
für Jeden empfindlich gewordenen Verlusten einstim-
mig verneinend aus, worüber Münchhausen unverzüg-
lich Allerhöchsten Orts einberichtete. Der König resol-
virte hierauf, daß das Kammergericht die jährliche Com-
petenz wenigstens auf 1200 Thaler feststellen sollte.
Münchhausen schlug dasselbe Verfahren ein wie zuvor
und es ergab sich ein gleiches Resultat.

Hierauf erfolgte ein in solennester Form erlassener
Cabinetsbefehl an den Minister von Münchhausen:

„Wir, Friedrich befehlen Euch, vermöge Un-
serer Königlichen Gewalt und bei Vermeidung Unserer
Allerhöchsten Ungnade, dem pp. in Sachen pp. eine
jährliche Competenz von 1200 Thalern mittelst Justiz-
Ministerial=Rescripts festzusetzen.“

Münchhausen entwarf nun selbst einen Befehl, aber
nicht in der Form eines Justiz=Ministerial=Rescripts,
sondern einer Allerhöchsten Cabinetsbestimmung, zur
unmittelbaren Allerhöchst eigenhändigen Vollziehung und
sprach sich in einem Begleitschreiben dahin aus, daß
von dem Chef der Justiz ein allen gesetzlichen Vorschrif-
ten zuwiderlaufender Befehl nicht ausgehen und die
Verantwortlichkeit dafür nicht übernommen werden könne.

[Ende Spaltensatz]
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[341/0006] 341 [Abbildung Das Kameel.] Friedrich der Große und sein Justizminister. Der Graf von F., dem der große König besonders wohl wollte, wurde mit Wechselexecution verfolgt und erhielt von dem Monarchen eine schriftliche Ordre an den damaligen Justizminister von Münchhausen, daß das Executionsverfahren gegen den persönlich Verfolg- ten eingestellt werden sollte. Diesen Befehl überreichte Letzterer dem Minister persönlich und zu eigenen Händen; Münchhausen ließ jedoch den Grafen auf der Stelle festnehmen. Auf eine in Entrüstung an den Chef der Justiz, mit dem Befehle, sich zu vertheidigen, gerichtete Anfrage: Wie er es hätte wagen können, dem königlichen Willen ent- gegen zu verfahren? erwiderte der für das Recht un- erschütterliche Mann in einer ehrfurchtsvollen, gedrun- genen Vorstellung: „Se. Majestät hätten ihn zur Hut der Gesetze verpflichtet; was er gethan, sei infolge dessen geschehen. Sein Kopf stehe Sr. Majestät jeden Augenblick zu Befehl, sein Gewissen aber habe nur Gott Rechenschaft zu geben!“ Und wirklich wurde Graf F. nur dadurch frei, daß der König die verfallenen Wechsel desselben selbst auslöste. Ein Herr von *** aus einer alten, sehr angesehe- nen adeligen Familie war durch Verschwendung in Concurs versunken. Sein Antrag auf die bei unver- schuldeter Vermögensinsufficienz dem Concursverfalle- nen gesetzlich gestattete Rechtswohlthat einer Unterhal- tungssumme aus den Revenüen der Concursmasse ( be- neficium competentiae ) wurde durch gleichlautende Er- kenntnisse in den Rechtsinstanzen zurückgewiesen. Er wandte sich hierauf an den König, der, vielleicht aus Rücksicht auf die sehr achtbare Familie des Verschul- deten dem Justizminister von Münchhausen Befehl er- theilte, dem Kammergericht die Feststellung einer jähr- lichen Competenz von 1500 Thalern für den Bitt- steller aufzutragen. Münchhausen indessen gab dem Kammergericht auf, die Concursgläubiger zu befragen, ob sie die erbetene Competenz bewilligen wollten? Dies geschah; wie jedoch vorauszusehen war, fiel die Erklärung der Betheiligten bei den an sich schon für Jeden empfindlich gewordenen Verlusten einstim- mig verneinend aus, worüber Münchhausen unverzüg- lich Allerhöchsten Orts einberichtete. Der König resol- virte hierauf, daß das Kammergericht die jährliche Com- petenz wenigstens auf 1200 Thaler feststellen sollte. Münchhausen schlug dasselbe Verfahren ein wie zuvor und es ergab sich ein gleiches Resultat. Hierauf erfolgte ein in solennester Form erlassener Cabinetsbefehl an den Minister von Münchhausen: „Wir, Friedrich befehlen Euch, vermöge Un- serer Königlichen Gewalt und bei Vermeidung Unserer Allerhöchsten Ungnade, dem pp. in Sachen pp. eine jährliche Competenz von 1200 Thalern mittelst Justiz- Ministerial=Rescripts festzusetzen.“ Münchhausen entwarf nun selbst einen Befehl, aber nicht in der Form eines Justiz=Ministerial=Rescripts, sondern einer Allerhöchsten Cabinetsbestimmung, zur unmittelbaren Allerhöchst eigenhändigen Vollziehung und sprach sich in einem Begleitschreiben dahin aus, daß von dem Chef der Justiz ein allen gesetzlichen Vorschrif- ten zuwiderlaufender Befehl nicht ausgehen und die Verantwortlichkeit dafür nicht übernommen werden könne.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 95. Leipzig (Sachsen), 26. Oktober 1854, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig095_1854/6>, abgerufen am 21.11.2024.