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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 96. Leipzig (Sachsen), 2. November 1854.

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[Beginn Spaltensatz]
Die Waise.
I.

Es war im Spätherbste des Jahres 1803 an einem
Sonnabend, als Jakob Müller, ein böhmischer Fracht-
fuhrmann aus Dittersbach im leitmeritzer Kreise, mit
Retourfracht aus Sachsen auf Prag heimkehrte und
sich, gegen Abend noch zwei Stunden von seiner Hei-
mat entfernt, auf der großen Straße in einem Walde
befand. Die Räder schnitten tief in den Sand ein;
die Gäule schäumten und Jakob hielt oft still, um sie
verschnaufen zu lassen, und betrachtete sinnend die dam-
pfenden Thiere.

Auf sein munteres "Jo Hoh!" und das Schwin-
gen seiner Peitsche zogen sie eben wieder recht wacker
an und schnappten mit angelegten Ohren nach dem
flinken Spitz, der eifrig vor ihnen herbellte, als plötz-
lich die Vordergäule wild aus dem Gleise fuhren und
der träge Wagen zu knarren und zu krachen begann.

Alle Wetter über die Gäule! fluchte Jakob auf und
sprang vor, sie beim Zügel zu fassen und sich zugleich
nach der Ursache ihres Scheuens umzusehen. Wer be-
schreibt aber sein Erstaunen, als er mitten im Fahr-
wege ein in Lumpen gehülltes, sterbendes Mütterchen
gewahrte! Mechanisch ließ er die gehobene Peitsche, mit
welcher er die störrigen Rosse derb um die Ohren hatte
knallen wollen, wieder sinken und blickte eine Weile
voll Mitleid auf die Unglückliche nieder, die soeben,
wie es schien, unter furchtbaren Schmerzen ihren Geist
aushauchte. Dann aber hob er die Leiche vorsichtig auf
seinen Wagen, um für ihre Beerdigung im nächsten
Dorfe Sorge zu tragen, und trieb dazu schon sein
Gespann aufs neue an, als er sich zufällig noch ein-
mal auf dem Platze umschaute und einen etwa zehn-
jährigen Knaben gewahr wurde, der am Rande eines
Grabens aus einem Steine saß und eifrigst damit be-
schäftigt war, eine Wasserrübe zu verzehren. Was
war natürlicher, als daß sich dem braven Jakob die
Vermuthung aufdrängte, der Knabe möchte vielleicht
der eben Verblichenen angehören. Er hielt also noch
mit seinem Fuhrwerk stille und ging näher zu dem
Knaben hin. "Was hockst du da, Biäble?" begann
er freundlich und forschte dann weiter nach der Un-
glücklichen.

Es ist meine Mutter, antwortete der Knabe in
fremder Mundart und aß zugleich mit der größten
Gleichgültigkeit von der Welt und ohne auch nur eine
Miene zu verziehen, ruhig weiter.

Ei du Heidenbub'! fuhr der biedere Jakob in ge-
rechtem Zorne auf und hob drohend seine Peitsche, das
kannst du mir so frech und gottlos ins Angesicht sa-
gen und hockst und käu'st da, derweil deine Mutter
verscheidet ohne Absolution?

Hab' keine gute Zeit bei ihr gehabt, sprach der
Knabe mit Offenheit, sprang rasch auf, schaute sich
schlau um und schlüpfte schnell wie der Blitz in den
Wald, Reißaus vor der Peitsche zu nehmen.

A Wetterbub! brummte Jakob vor sich hin, sah
ihm noch eine Weile nach und ließ dann die Pferde
anziehen, während er nachsinnend über den Vorfall
neben dem Wagen herging. So mochte er wol eine
halbe Stunde lang gefahren sein, als ihn das Gebell
seines Hundes aus seinen Betrachtungen weckte. Er
sah sich um und erblickte den entsprungenen Knaben
unbefangen hinter dem Wagen schlendernd. Jakob
lockte seinen Hund an sich, stellte sich aber gegen den
Burschen ganz gleichgültig. "Hab' ich dich nur erst
[Spaltenumbruch] auf den Räumen", dachte er in seinem Sinne, "so
sollst du mir sicher nicht so leicht wieder entwischen"
und so trieb er anhaltend sein Gespann an, das Ende
des Waldes zu erreichen. Als er sich einige Zeit auf
offener Landstraße befand, drehte er sich mit freundli-
chem Gesicht um und rief den Knaben zu sich. Die-
ser nahte mit schlauem Blick und stand in einiger
Entfernung mistrauisch still, als wenn er sich noch
fürchte. "'s war nicht so arg g'meint, Knabe", ver-
setzte Jakob gutmüthig; "will dich halt mitnehmen, du
Wildfang, wenn du brav bist und Sitte lernst."

Der Knabe schien den Sinn der Rede nicht ganz
zu fassen, doch schwand in etwas sein scheues Wesen,
da er sich freundlich behandelt sah. Bald hielt der
Wagen vor einer Dorfschenke und Jakob ging hinein,
indeß der Knabe draußen blieb.

Da han i halt ä schönen Fund g'than! rief er
beim Eintritt in die Schenkstube dem ihn mit einem
"Grüß Gott!" bewillkommnenden Wirthe zu, ä nets
Waib, das verscheidend in der Straße lag, und einen
Blitzbuben!" Er erzählte nun die kurze Geschichte und
sprach als guter Christ den Wirth darum an, auf
seine Kosten für die Beerdigung der Leiche zu sorgen.
"Die halbe Fracht wird freilich wol darauf gehen",
brummte er nicht eben ganz freundlich und schob dabei
das schwarze Fuhrmannskäppel aufs linke Ohr, "aber
wer weiß 's halt, wer mir's Kissen in der letzten Stunde
auflockert, und 's ist doch ach ä christlich Werk, das
der Herr segnet!" Er zog hierauf aus seinem Leib-
gurt eine Tasche mit Kassenscheinen, und zählte bedäch-
tig 40 Gulden Wiener Währung auf.

Woll'n doch die Alte was näher b'schaun, meinte
hierauf der Wirth; kann ja noch Bettelkreuzer bei sich
haben und selbst zahlen können.

Wird sich nicht der Mühe lohnen, versetzte Jakob,
und was sie halt dennoch an sich hätte, schenk i glaich
dem Buben. S'ischt ä schmuck's Bürschel, und ihm
wird's mangeln, wenn sich halt keiner über ihn er-
barmt. Möcht' ihn mitnehmen, den Wetterbuben,
ischt er gleich so unwirsch als ä Buschkläpper!

Da ischt Rath vor, meinte Thomas, der Wirth,
mußt ihm halt's Fell gerben!

Du schwätzest was, Thoms! Da müßt i halt flinke
Bain haaben, wollt ich ihn straichen; er ging schon
feldeinwärts, als ich ihm harte Worte gab. Schau'n
wir halt ohne Wail nach der Alten; 's wird sonst
Nacht und i hab noch zwei Blitzberge auf Dittersbach.

Sie gingen hinaus, hoben die Leiche ab, die noch
warm war und legten sie auf der Hausflur nieder,
um sie zu besichtigen. Der Knabe sah diesen Vorgän-
gen gleichgültig zu, spielte mit dem Spitz und kam
endlich auf Jakob's Zureden in das Haus. Alle Fra-
gen über seine Mutter beantwortete er unvollkommen.
Sie wären beständig umhergestrichen, hätten stets im
Freien übernachtet und von Bettelbrot und Waldwur-
zeln gelebt. Das waren seine trockenen Antworten.

Bischt du denn g'tauft, Bube? fragte Thomas et-
was barsch.

Der Knabe sah ihn auf diese Worte einen Augen-
blick verlegen an, dann wurde sein Blick wild und er
machte Miene, zu entlaufen.

Wie haischt du? fragte Jakob sanft und winkte
ihm freundlich mit den Augen, zu bleiben.

Albert, antwortete der Knabe rasch und blickte da-
bei fragend auf ihn, ob er dem Frieden trauen solle.

Das ischt noch a Wort, brummte er vor sich hin.
s' soll dir nichts Arges g'schehen, du Wildfang; der
Thoms ist nur ein etwas rauher G'sell.

[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]
Die Waise.
I.

Es war im Spätherbste des Jahres 1803 an einem
Sonnabend, als Jakob Müller, ein böhmischer Fracht-
fuhrmann aus Dittersbach im leitmeritzer Kreise, mit
Retourfracht aus Sachsen auf Prag heimkehrte und
sich, gegen Abend noch zwei Stunden von seiner Hei-
mat entfernt, auf der großen Straße in einem Walde
befand. Die Räder schnitten tief in den Sand ein;
die Gäule schäumten und Jakob hielt oft still, um sie
verschnaufen zu lassen, und betrachtete sinnend die dam-
pfenden Thiere.

Auf sein munteres „Jo Hoh!“ und das Schwin-
gen seiner Peitsche zogen sie eben wieder recht wacker
an und schnappten mit angelegten Ohren nach dem
flinken Spitz, der eifrig vor ihnen herbellte, als plötz-
lich die Vordergäule wild aus dem Gleise fuhren und
der träge Wagen zu knarren und zu krachen begann.

Alle Wetter über die Gäule! fluchte Jakob auf und
sprang vor, sie beim Zügel zu fassen und sich zugleich
nach der Ursache ihres Scheuens umzusehen. Wer be-
schreibt aber sein Erstaunen, als er mitten im Fahr-
wege ein in Lumpen gehülltes, sterbendes Mütterchen
gewahrte! Mechanisch ließ er die gehobene Peitsche, mit
welcher er die störrigen Rosse derb um die Ohren hatte
knallen wollen, wieder sinken und blickte eine Weile
voll Mitleid auf die Unglückliche nieder, die soeben,
wie es schien, unter furchtbaren Schmerzen ihren Geist
aushauchte. Dann aber hob er die Leiche vorsichtig auf
seinen Wagen, um für ihre Beerdigung im nächsten
Dorfe Sorge zu tragen, und trieb dazu schon sein
Gespann aufs neue an, als er sich zufällig noch ein-
mal auf dem Platze umschaute und einen etwa zehn-
jährigen Knaben gewahr wurde, der am Rande eines
Grabens aus einem Steine saß und eifrigst damit be-
schäftigt war, eine Wasserrübe zu verzehren. Was
war natürlicher, als daß sich dem braven Jakob die
Vermuthung aufdrängte, der Knabe möchte vielleicht
der eben Verblichenen angehören. Er hielt also noch
mit seinem Fuhrwerk stille und ging näher zu dem
Knaben hin. „Was hockst du da, Biäble?“ begann
er freundlich und forschte dann weiter nach der Un-
glücklichen.

Es ist meine Mutter, antwortete der Knabe in
fremder Mundart und aß zugleich mit der größten
Gleichgültigkeit von der Welt und ohne auch nur eine
Miene zu verziehen, ruhig weiter.

Ei du Heidenbub'! fuhr der biedere Jakob in ge-
rechtem Zorne auf und hob drohend seine Peitsche, das
kannst du mir so frech und gottlos ins Angesicht sa-
gen und hockst und käu'st da, derweil deine Mutter
verscheidet ohne Absolution?

Hab' keine gute Zeit bei ihr gehabt, sprach der
Knabe mit Offenheit, sprang rasch auf, schaute sich
schlau um und schlüpfte schnell wie der Blitz in den
Wald, Reißaus vor der Peitsche zu nehmen.

A Wetterbub! brummte Jakob vor sich hin, sah
ihm noch eine Weile nach und ließ dann die Pferde
anziehen, während er nachsinnend über den Vorfall
neben dem Wagen herging. So mochte er wol eine
halbe Stunde lang gefahren sein, als ihn das Gebell
seines Hundes aus seinen Betrachtungen weckte. Er
sah sich um und erblickte den entsprungenen Knaben
unbefangen hinter dem Wagen schlendernd. Jakob
lockte seinen Hund an sich, stellte sich aber gegen den
Burschen ganz gleichgültig. „Hab' ich dich nur erst
[Spaltenumbruch] auf den Räumen“, dachte er in seinem Sinne, „so
sollst du mir sicher nicht so leicht wieder entwischen“
und so trieb er anhaltend sein Gespann an, das Ende
des Waldes zu erreichen. Als er sich einige Zeit auf
offener Landstraße befand, drehte er sich mit freundli-
chem Gesicht um und rief den Knaben zu sich. Die-
ser nahte mit schlauem Blick und stand in einiger
Entfernung mistrauisch still, als wenn er sich noch
fürchte. „'s war nicht so arg g'meint, Knabe“, ver-
setzte Jakob gutmüthig; „will dich halt mitnehmen, du
Wildfang, wenn du brav bist und Sitte lernst.“

Der Knabe schien den Sinn der Rede nicht ganz
zu fassen, doch schwand in etwas sein scheues Wesen,
da er sich freundlich behandelt sah. Bald hielt der
Wagen vor einer Dorfschenke und Jakob ging hinein,
indeß der Knabe draußen blieb.

Da han i halt ä schönen Fund g'than! rief er
beim Eintritt in die Schenkstube dem ihn mit einem
„Grüß Gott!“ bewillkommnenden Wirthe zu, ä nets
Waib, das verscheidend in der Straße lag, und einen
Blitzbuben!“ Er erzählte nun die kurze Geschichte und
sprach als guter Christ den Wirth darum an, auf
seine Kosten für die Beerdigung der Leiche zu sorgen.
„Die halbe Fracht wird freilich wol darauf gehen“,
brummte er nicht eben ganz freundlich und schob dabei
das schwarze Fuhrmannskäppel aufs linke Ohr, „aber
wer weiß 's halt, wer mir's Kissen in der letzten Stunde
auflockert, und 's ist doch ach ä christlich Werk, das
der Herr segnet!“ Er zog hierauf aus seinem Leib-
gurt eine Tasche mit Kassenscheinen, und zählte bedäch-
tig 40 Gulden Wiener Währung auf.

Woll'n doch die Alte was näher b'schaun, meinte
hierauf der Wirth; kann ja noch Bettelkreuzer bei sich
haben und selbst zahlen können.

Wird sich nicht der Mühe lohnen, versetzte Jakob,
und was sie halt dennoch an sich hätte, schenk i glaich
dem Buben. S'ischt ä schmuck's Bürschel, und ihm
wird's mangeln, wenn sich halt keiner über ihn er-
barmt. Möcht' ihn mitnehmen, den Wetterbuben,
ischt er gleich so unwirsch als ä Buschkläpper!

Da ischt Rath vor, meinte Thomas, der Wirth,
mußt ihm halt's Fell gerben!

Du schwätzest was, Thoms! Da müßt i halt flinke
Bain haaben, wollt ich ihn straichen; er ging schon
feldeinwärts, als ich ihm harte Worte gab. Schau'n
wir halt ohne Wail nach der Alten; 's wird sonst
Nacht und i hab noch zwei Blitzberge auf Dittersbach.

Sie gingen hinaus, hoben die Leiche ab, die noch
warm war und legten sie auf der Hausflur nieder,
um sie zu besichtigen. Der Knabe sah diesen Vorgän-
gen gleichgültig zu, spielte mit dem Spitz und kam
endlich auf Jakob's Zureden in das Haus. Alle Fra-
gen über seine Mutter beantwortete er unvollkommen.
Sie wären beständig umhergestrichen, hätten stets im
Freien übernachtet und von Bettelbrot und Waldwur-
zeln gelebt. Das waren seine trockenen Antworten.

Bischt du denn g'tauft, Bube? fragte Thomas et-
was barsch.

Der Knabe sah ihn auf diese Worte einen Augen-
blick verlegen an, dann wurde sein Blick wild und er
machte Miene, zu entlaufen.

Wie haischt du? fragte Jakob sanft und winkte
ihm freundlich mit den Augen, zu bleiben.

Albert, antwortete der Knabe rasch und blickte da-
bei fragend auf ihn, ob er dem Frieden trauen solle.

Das ischt noch a Wort, brummte er vor sich hin.
s' soll dir nichts Arges g'schehen, du Wildfang; der
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[Ende Spaltensatz]
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So mochte er wol eine halbe Stunde lang gefahren sein, als ihn das Gebell seines Hundes aus seinen Betrachtungen weckte. Er sah sich um und erblickte den entsprungenen Knaben unbefangen hinter dem Wagen schlendernd. Jakob lockte seinen Hund an sich, stellte sich aber gegen den Burschen ganz gleichgültig. „Hab' ich dich nur erst auf den Räumen“, dachte er in seinem Sinne, „so sollst du mir sicher nicht so leicht wieder entwischen“ und so trieb er anhaltend sein Gespann an, das Ende des Waldes zu erreichen. Als er sich einige Zeit auf offener Landstraße befand, drehte er sich mit freundli- chem Gesicht um und rief den Knaben zu sich. Die- ser nahte mit schlauem Blick und stand in einiger Entfernung mistrauisch still, als wenn er sich noch fürchte. „'s war nicht so arg g'meint, Knabe“, ver- setzte Jakob gutmüthig; „will dich halt mitnehmen, du Wildfang, wenn du brav bist und Sitte lernst.“ Der Knabe schien den Sinn der Rede nicht ganz zu fassen, doch schwand in etwas sein scheues Wesen, da er sich freundlich behandelt sah. Bald hielt der Wagen vor einer Dorfschenke und Jakob ging hinein, indeß der Knabe draußen blieb. Da han i halt ä schönen Fund g'than! rief er beim Eintritt in die Schenkstube dem ihn mit einem „Grüß Gott!“ bewillkommnenden Wirthe zu, ä nets Waib, das verscheidend in der Straße lag, und einen Blitzbuben!“ Er erzählte nun die kurze Geschichte und sprach als guter Christ den Wirth darum an, auf seine Kosten für die Beerdigung der Leiche zu sorgen. „Die halbe Fracht wird freilich wol darauf gehen“, brummte er nicht eben ganz freundlich und schob dabei das schwarze Fuhrmannskäppel aufs linke Ohr, „aber wer weiß 's halt, wer mir's Kissen in der letzten Stunde auflockert, und 's ist doch ach ä christlich Werk, das der Herr segnet!“ Er zog hierauf aus seinem Leib- gurt eine Tasche mit Kassenscheinen, und zählte bedäch- tig 40 Gulden Wiener Währung auf. Woll'n doch die Alte was näher b'schaun, meinte hierauf der Wirth; kann ja noch Bettelkreuzer bei sich haben und selbst zahlen können. Wird sich nicht der Mühe lohnen, versetzte Jakob, und was sie halt dennoch an sich hätte, schenk i glaich dem Buben. S'ischt ä schmuck's Bürschel, und ihm wird's mangeln, wenn sich halt keiner über ihn er- barmt. Möcht' ihn mitnehmen, den Wetterbuben, ischt er gleich so unwirsch als ä Buschkläpper! Da ischt Rath vor, meinte Thomas, der Wirth, mußt ihm halt's Fell gerben! Du schwätzest was, Thoms! Da müßt i halt flinke Bain haaben, wollt ich ihn straichen; er ging schon feldeinwärts, als ich ihm harte Worte gab. Schau'n wir halt ohne Wail nach der Alten; 's wird sonst Nacht und i hab noch zwei Blitzberge auf Dittersbach. Sie gingen hinaus, hoben die Leiche ab, die noch warm war und legten sie auf der Hausflur nieder, um sie zu besichtigen. Der Knabe sah diesen Vorgän- gen gleichgültig zu, spielte mit dem Spitz und kam endlich auf Jakob's Zureden in das Haus. Alle Fra- gen über seine Mutter beantwortete er unvollkommen. Sie wären beständig umhergestrichen, hätten stets im Freien übernachtet und von Bettelbrot und Waldwur- zeln gelebt. Das waren seine trockenen Antworten. Bischt du denn g'tauft, Bube? fragte Thomas et- was barsch. Der Knabe sah ihn auf diese Worte einen Augen- blick verlegen an, dann wurde sein Blick wild und er machte Miene, zu entlaufen. Wie haischt du? fragte Jakob sanft und winkte ihm freundlich mit den Augen, zu bleiben. Albert, antwortete der Knabe rasch und blickte da- bei fragend auf ihn, ob er dem Frieden trauen solle. Das ischt noch a Wort, brummte er vor sich hin. s' soll dir nichts Arges g'schehen, du Wildfang; der Thoms ist nur ein etwas rauher G'sell.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 96. Leipzig (Sachsen), 2. November 1854, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig096_1854/2>, abgerufen am 21.11.2024.