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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 96. Leipzig (Sachsen), 2. November 1854.

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[Beginn Spaltensatz]

Nun durchsuchten die beiden Männer die Leiche
hin und her und fanden zunächst in einem Bettelsacke
etwas Brot und einige Waldwurzeln, dann aber in
einer Tasche, welche die Todte am Leibe trug, auch
einen beschmuzten und verwischten Brief. Sonst hatte
die Alte nichts um und an sich als elende Lumpen.
Der Meßner des Dorfs, der mit einigen Neugierigen
soeben in das Gasthaus trat, erbot sich, den Brief zu
entziffern und las Folgendes heraus:

Liebes Heideliesel!

"Es wird wol aus sein mit uns, denn ich sitze zu
Kamnitz als Maleficant und werde wol das Beil be-
kommen. Sie haben uns gefaßt beim Einbruch zu
Wodschau und ich muß den Hals lassen. Der Hölzer-
lips blieb auf der That; Kochnassel ist entwischt und
mich hielten sie beim Schlips. Dich und den Buben
säh ich gern vor meinem End'; aber sie sind hier
schlimme Gesellen und treiben G'späß, drum wag's
nicht mit ihnen und bleib fein im G'birg. Halt dich
im Teufelsgrund am Lindteich oder im Rollbusch und
in der Wolfsschlucht, da werden sie dich nicht wittern
und schau bei der Katzenkirche und am Schusterhorn
nach unserm Moog. *) Der Kochnassel hat am Hüh-
nerkropf oder am Triffpartel noch mehr eingescharrt;
er soll mit dir theilen, das sag ihm. Jch will mich
zum Herrn bekehren!"

Da hätten wir die B'scherung! platzte Jakob her-
aus. Ein Teufelskind, eine Wetterhexe und ein Male-
ficant, der auf den Hals sitzt!

Dem der Kopf nicht mehr wehe thut, bemerkte der
Meßner spöttisch bei Seite und deutete auf den ver-
witterten Brief.

Sei der Herr ihm gnädig in seinem letzten Stünd-
lein! fuhr Jakob andächtig fort, ohne des Meßners
Wort zu beachten. Muß den Buben da nun schon be-
halten, hätt' ihn sonst auf dem Gewissen.

Der Knabe saß während dieser Scene unter dem
Schenktisch, spielte wieder mit dem Spitz und schien
wenig von Dem zu verstehen, was um ihn her vor-
ging. Dann und wann sah er jedoch die Sprecher
forschend an und faßte die Thür ins Auge. Der treu-
herzige Jakob faßte nun besondere Neigung zu dem
Knaben, sprach ihm Muth ein und reichte ihm Käse
und Brot aus seinem Fuhrmannskober, was dieser
aber gleichgültig dem Hunde gab.

Seh' mir einer den Wetterbuben, schmollte Tho-
mas. Jakob aber winkte ihm, zu schweigen, bezahlte
seine Zeche und knallte zur Abfahrt; der Knabe folgte
mit dem Hunde, welcher ihm sehr zugethan zu sein
schien.

Darfst di auf 'n Wagen hocken, Alb'rt, rief er
dem Knaben zu, als sie eine Weile gefahren waren,
wirscht halt müde sein!

Jakob, dem es nunmehr ernstlich darum zu thun
war, den Knaben zu behalten, fürchtete sein Entsprin-
gen in der bald zu erwartenden Dunkelheit und sann
auf ein Mittel, wodurch er ihn auf den Wagen
brächte. Albert schien indeß wenig Lust zu haben, das
Gefähr zu besteigen.

Wie wär's, hob nun Jakob nach einer Weile wie-
der an, sich zu seinem Findling wendend, wenn ich
dir den Spitz mit auf 'n Wagen gäbe, da hättest du
Kurzweil?

Albert nickte; Jakob hielt an, hob ihn mit dem
Hunde hinauf und bald schliefen beide traulich im
Stroh.

[Spaltenumbruch]

Etwas spät erreichte der biedere Fuhrmann sein
heimatliches Dorf und mußte lange vor seiner schon
verschlossenen Behausung klopfen, die von seinem Schwie-
gersohne mit bewohnt wurde, der in Jakob's Abwe-
senheit die Ackerwirthschaft betrieb. Der Hund wit-
terte kaum die bekannte Hofstelle, als er auch schon
aus dem Stroh hervorkroch und vom Wagen sprang.
Darüber erwachte auch Albert, er blieb aber lauschend
auf seinem Lager.

Da han i Eu a Buben heimg'bracht, begann Ja-
kob, als er endlich bis zum Abspannen der Pferde ge-
kommen war, zu seinem Schwiegersohne, der, ziemlich
schlaftrunken zwar, ihm dabei hülfreiche Hand leistete.
Er ischt zwar von böser Abkunft, aber i denk's gut
zu machen. Fand halt eine sterbende Wetterhexe und
den Blitzbuben dazu. Die Alte mußte ich aufladen
bis Schammel und an dem Teufelskind denk ich ä
Gott'slohn zu verdienen!

Wenn's nur kein unehrlicher Bursch ischt, brummte
hämisch und nicht ohne damit auf Jakob sticheln zu
wollen, der Mürrische, der uns Unheil ins Haus
bringt. Jch für mein Theil hätte mich mit fremden
G'sindel nit b'faßt und weiß es Euch keinen Dank für
den unnützen Fresser.

Du bischt ä grober G'sell, ä mistrau'scher Bursch
und sollt'st di in deine Seele hineinschämen.

Na i sag' so viel, kommt mir der Bub' in die
Quer, gibt's noch Gerten am Haselzaun oder Seile an
den Kummeten, ihn zu gerben; ich werd kain G'späß
mit dem Buben treiben, den Jhr Euch zur Kurzweil
heimg'bracht.

Dem lauschenden Albert entging kein Wort dieses
Zwistes. Er fürchtete eine harte Behandlung erdulden
zu müssen, sprang vom Wagen und entlief in dem
Augenblicke, als die Beiden die Pferde in den Stall
brachten. Bald fand er einen trockenen Graben, wie
er ihm in der Regel zu Schlafstellen diente, legte sich
nieder und entschlief sanft, ohne weiter an sein Schick-
sal zu denken.

II.

Vom Lerchengesang im sanften Lichte der Morgen-
röthe geweckt, verließ Albert am andern Morgen sein
dürftiges Lager, stillte auf dem nächstgelegenen Rüben-
felde seinen Hunger mit der gewohnten Speise und
durchstrich dann, frei wie der Vogel in der Luft, die
wildromantische Umgegend von Dittersbach, die ihm
keineswegs unbekannt war. Zu gesicherterm Aufent-
halte wählte er sich den Wolfshälter, eine düstere Fel-
senschlucht, und richtete sich, indem er Moos und
Waldgras dorthin zusammentrug, eine Lagerstatt in
diesem wenig besuchten, durch allerlei Sagen arg ver-
rufenen Thale ein. Ein klarer Bach, der lieblich durch
das Thal hinfloß, tränkte ihn, und wilde Beeren, die
ziemlich häufig an seinen Ufern wuchsen, dienten ihm
zur Nahrung. So verlebte der Knabe einige Tage in
ungestörter Einsamkeit, spürte wol hier und da Vogel-
nestern nach, spielte aber auch stundenlang mit den
bunten Steinen, die am Rande des Bachs lagen und
ihm eine kindische Freude zu gewähren schienen. Sehr
bald indeß genügten ihm diese Unterhaltungen nicht
mehr, denn in seinem Herzen regte sich plötzlich die
heftigste Sehnsucht nach dem schönen flinken Spitz, mit
dem er so bald Bekanntschaft gemacht hatte und der
ihm als Gesellschafter in seiner Waldeinsamkeit über-
aus willkommen gewesen wäre.

Am dritten Abend seines Einsiedlerlebens, als der
Mond hoch über dem Gebirge stand und das wilde
[Ende Spaltensatz]

*) Spitzbubenausdruck für Geld.
[Beginn Spaltensatz]

Nun durchsuchten die beiden Männer die Leiche
hin und her und fanden zunächst in einem Bettelsacke
etwas Brot und einige Waldwurzeln, dann aber in
einer Tasche, welche die Todte am Leibe trug, auch
einen beschmuzten und verwischten Brief. Sonst hatte
die Alte nichts um und an sich als elende Lumpen.
Der Meßner des Dorfs, der mit einigen Neugierigen
soeben in das Gasthaus trat, erbot sich, den Brief zu
entziffern und las Folgendes heraus:

Liebes Heideliesel!

„Es wird wol aus sein mit uns, denn ich sitze zu
Kamnitz als Maleficant und werde wol das Beil be-
kommen. Sie haben uns gefaßt beim Einbruch zu
Wodschau und ich muß den Hals lassen. Der Hölzer-
lips blieb auf der That; Kochnassel ist entwischt und
mich hielten sie beim Schlips. Dich und den Buben
säh ich gern vor meinem End'; aber sie sind hier
schlimme Gesellen und treiben G'späß, drum wag's
nicht mit ihnen und bleib fein im G'birg. Halt dich
im Teufelsgrund am Lindteich oder im Rollbusch und
in der Wolfsschlucht, da werden sie dich nicht wittern
und schau bei der Katzenkirche und am Schusterhorn
nach unserm Moog. *) Der Kochnassel hat am Hüh-
nerkropf oder am Triffpartel noch mehr eingescharrt;
er soll mit dir theilen, das sag ihm. Jch will mich
zum Herrn bekehren!“

Da hätten wir die B'scherung! platzte Jakob her-
aus. Ein Teufelskind, eine Wetterhexe und ein Male-
ficant, der auf den Hals sitzt!

Dem der Kopf nicht mehr wehe thut, bemerkte der
Meßner spöttisch bei Seite und deutete auf den ver-
witterten Brief.

Sei der Herr ihm gnädig in seinem letzten Stünd-
lein! fuhr Jakob andächtig fort, ohne des Meßners
Wort zu beachten. Muß den Buben da nun schon be-
halten, hätt' ihn sonst auf dem Gewissen.

Der Knabe saß während dieser Scene unter dem
Schenktisch, spielte wieder mit dem Spitz und schien
wenig von Dem zu verstehen, was um ihn her vor-
ging. Dann und wann sah er jedoch die Sprecher
forschend an und faßte die Thür ins Auge. Der treu-
herzige Jakob faßte nun besondere Neigung zu dem
Knaben, sprach ihm Muth ein und reichte ihm Käse
und Brot aus seinem Fuhrmannskober, was dieser
aber gleichgültig dem Hunde gab.

Seh' mir einer den Wetterbuben, schmollte Tho-
mas. Jakob aber winkte ihm, zu schweigen, bezahlte
seine Zeche und knallte zur Abfahrt; der Knabe folgte
mit dem Hunde, welcher ihm sehr zugethan zu sein
schien.

Darfst di auf 'n Wagen hocken, Alb'rt, rief er
dem Knaben zu, als sie eine Weile gefahren waren,
wirscht halt müde sein!

Jakob, dem es nunmehr ernstlich darum zu thun
war, den Knaben zu behalten, fürchtete sein Entsprin-
gen in der bald zu erwartenden Dunkelheit und sann
auf ein Mittel, wodurch er ihn auf den Wagen
brächte. Albert schien indeß wenig Lust zu haben, das
Gefähr zu besteigen.

Wie wär's, hob nun Jakob nach einer Weile wie-
der an, sich zu seinem Findling wendend, wenn ich
dir den Spitz mit auf 'n Wagen gäbe, da hättest du
Kurzweil?

Albert nickte; Jakob hielt an, hob ihn mit dem
Hunde hinauf und bald schliefen beide traulich im
Stroh.

[Spaltenumbruch]

Etwas spät erreichte der biedere Fuhrmann sein
heimatliches Dorf und mußte lange vor seiner schon
verschlossenen Behausung klopfen, die von seinem Schwie-
gersohne mit bewohnt wurde, der in Jakob's Abwe-
senheit die Ackerwirthschaft betrieb. Der Hund wit-
terte kaum die bekannte Hofstelle, als er auch schon
aus dem Stroh hervorkroch und vom Wagen sprang.
Darüber erwachte auch Albert, er blieb aber lauschend
auf seinem Lager.

Da han i Eu a Buben heimg'bracht, begann Ja-
kob, als er endlich bis zum Abspannen der Pferde ge-
kommen war, zu seinem Schwiegersohne, der, ziemlich
schlaftrunken zwar, ihm dabei hülfreiche Hand leistete.
Er ischt zwar von böser Abkunft, aber i denk's gut
zu machen. Fand halt eine sterbende Wetterhexe und
den Blitzbuben dazu. Die Alte mußte ich aufladen
bis Schammel und an dem Teufelskind denk ich ä
Gott'slohn zu verdienen!

Wenn's nur kein unehrlicher Bursch ischt, brummte
hämisch und nicht ohne damit auf Jakob sticheln zu
wollen, der Mürrische, der uns Unheil ins Haus
bringt. Jch für mein Theil hätte mich mit fremden
G'sindel nit b'faßt und weiß es Euch keinen Dank für
den unnützen Fresser.

Du bischt ä grober G'sell, ä mistrau'scher Bursch
und sollt'st di in deine Seele hineinschämen.

Na i sag' so viel, kommt mir der Bub' in die
Quer, gibt's noch Gerten am Haselzaun oder Seile an
den Kummeten, ihn zu gerben; ich werd kain G'späß
mit dem Buben treiben, den Jhr Euch zur Kurzweil
heimg'bracht.

Dem lauschenden Albert entging kein Wort dieses
Zwistes. Er fürchtete eine harte Behandlung erdulden
zu müssen, sprang vom Wagen und entlief in dem
Augenblicke, als die Beiden die Pferde in den Stall
brachten. Bald fand er einen trockenen Graben, wie
er ihm in der Regel zu Schlafstellen diente, legte sich
nieder und entschlief sanft, ohne weiter an sein Schick-
sal zu denken.

II.

Vom Lerchengesang im sanften Lichte der Morgen-
röthe geweckt, verließ Albert am andern Morgen sein
dürftiges Lager, stillte auf dem nächstgelegenen Rüben-
felde seinen Hunger mit der gewohnten Speise und
durchstrich dann, frei wie der Vogel in der Luft, die
wildromantische Umgegend von Dittersbach, die ihm
keineswegs unbekannt war. Zu gesicherterm Aufent-
halte wählte er sich den Wolfshälter, eine düstere Fel-
senschlucht, und richtete sich, indem er Moos und
Waldgras dorthin zusammentrug, eine Lagerstatt in
diesem wenig besuchten, durch allerlei Sagen arg ver-
rufenen Thale ein. Ein klarer Bach, der lieblich durch
das Thal hinfloß, tränkte ihn, und wilde Beeren, die
ziemlich häufig an seinen Ufern wuchsen, dienten ihm
zur Nahrung. So verlebte der Knabe einige Tage in
ungestörter Einsamkeit, spürte wol hier und da Vogel-
nestern nach, spielte aber auch stundenlang mit den
bunten Steinen, die am Rande des Bachs lagen und
ihm eine kindische Freude zu gewähren schienen. Sehr
bald indeß genügten ihm diese Unterhaltungen nicht
mehr, denn in seinem Herzen regte sich plötzlich die
heftigste Sehnsucht nach dem schönen flinken Spitz, mit
dem er so bald Bekanntschaft gemacht hatte und der
ihm als Gesellschafter in seiner Waldeinsamkeit über-
aus willkommen gewesen wäre.

Am dritten Abend seines Einsiedlerlebens, als der
Mond hoch über dem Gebirge stand und das wilde
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*) Spitzbubenausdruck für Geld.
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[347/0003] 347 Nun durchsuchten die beiden Männer die Leiche hin und her und fanden zunächst in einem Bettelsacke etwas Brot und einige Waldwurzeln, dann aber in einer Tasche, welche die Todte am Leibe trug, auch einen beschmuzten und verwischten Brief. Sonst hatte die Alte nichts um und an sich als elende Lumpen. Der Meßner des Dorfs, der mit einigen Neugierigen soeben in das Gasthaus trat, erbot sich, den Brief zu entziffern und las Folgendes heraus: Liebes Heideliesel! „Es wird wol aus sein mit uns, denn ich sitze zu Kamnitz als Maleficant und werde wol das Beil be- kommen. Sie haben uns gefaßt beim Einbruch zu Wodschau und ich muß den Hals lassen. Der Hölzer- lips blieb auf der That; Kochnassel ist entwischt und mich hielten sie beim Schlips. Dich und den Buben säh ich gern vor meinem End'; aber sie sind hier schlimme Gesellen und treiben G'späß, drum wag's nicht mit ihnen und bleib fein im G'birg. Halt dich im Teufelsgrund am Lindteich oder im Rollbusch und in der Wolfsschlucht, da werden sie dich nicht wittern und schau bei der Katzenkirche und am Schusterhorn nach unserm Moog. *) Der Kochnassel hat am Hüh- nerkropf oder am Triffpartel noch mehr eingescharrt; er soll mit dir theilen, das sag ihm. Jch will mich zum Herrn bekehren!“ Da hätten wir die B'scherung! platzte Jakob her- aus. Ein Teufelskind, eine Wetterhexe und ein Male- ficant, der auf den Hals sitzt! Dem der Kopf nicht mehr wehe thut, bemerkte der Meßner spöttisch bei Seite und deutete auf den ver- witterten Brief. Sei der Herr ihm gnädig in seinem letzten Stünd- lein! fuhr Jakob andächtig fort, ohne des Meßners Wort zu beachten. Muß den Buben da nun schon be- halten, hätt' ihn sonst auf dem Gewissen. Der Knabe saß während dieser Scene unter dem Schenktisch, spielte wieder mit dem Spitz und schien wenig von Dem zu verstehen, was um ihn her vor- ging. Dann und wann sah er jedoch die Sprecher forschend an und faßte die Thür ins Auge. Der treu- herzige Jakob faßte nun besondere Neigung zu dem Knaben, sprach ihm Muth ein und reichte ihm Käse und Brot aus seinem Fuhrmannskober, was dieser aber gleichgültig dem Hunde gab. Seh' mir einer den Wetterbuben, schmollte Tho- mas. Jakob aber winkte ihm, zu schweigen, bezahlte seine Zeche und knallte zur Abfahrt; der Knabe folgte mit dem Hunde, welcher ihm sehr zugethan zu sein schien. Darfst di auf 'n Wagen hocken, Alb'rt, rief er dem Knaben zu, als sie eine Weile gefahren waren, wirscht halt müde sein! Jakob, dem es nunmehr ernstlich darum zu thun war, den Knaben zu behalten, fürchtete sein Entsprin- gen in der bald zu erwartenden Dunkelheit und sann auf ein Mittel, wodurch er ihn auf den Wagen brächte. Albert schien indeß wenig Lust zu haben, das Gefähr zu besteigen. 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Fand halt eine sterbende Wetterhexe und den Blitzbuben dazu. Die Alte mußte ich aufladen bis Schammel und an dem Teufelskind denk ich ä Gott'slohn zu verdienen! Wenn's nur kein unehrlicher Bursch ischt, brummte hämisch und nicht ohne damit auf Jakob sticheln zu wollen, der Mürrische, der uns Unheil ins Haus bringt. Jch für mein Theil hätte mich mit fremden G'sindel nit b'faßt und weiß es Euch keinen Dank für den unnützen Fresser. Du bischt ä grober G'sell, ä mistrau'scher Bursch und sollt'st di in deine Seele hineinschämen. Na i sag' so viel, kommt mir der Bub' in die Quer, gibt's noch Gerten am Haselzaun oder Seile an den Kummeten, ihn zu gerben; ich werd kain G'späß mit dem Buben treiben, den Jhr Euch zur Kurzweil heimg'bracht. Dem lauschenden Albert entging kein Wort dieses Zwistes. Er fürchtete eine harte Behandlung erdulden zu müssen, sprang vom Wagen und entlief in dem Augenblicke, als die Beiden die Pferde in den Stall brachten. Bald fand er einen trockenen Graben, wie er ihm in der Regel zu Schlafstellen diente, legte sich nieder und entschlief sanft, ohne weiter an sein Schick- sal zu denken. II. Vom Lerchengesang im sanften Lichte der Morgen- röthe geweckt, verließ Albert am andern Morgen sein dürftiges Lager, stillte auf dem nächstgelegenen Rüben- felde seinen Hunger mit der gewohnten Speise und durchstrich dann, frei wie der Vogel in der Luft, die wildromantische Umgegend von Dittersbach, die ihm keineswegs unbekannt war. Zu gesicherterm Aufent- halte wählte er sich den Wolfshälter, eine düstere Fel- senschlucht, und richtete sich, indem er Moos und Waldgras dorthin zusammentrug, eine Lagerstatt in diesem wenig besuchten, durch allerlei Sagen arg ver- rufenen Thale ein. Ein klarer Bach, der lieblich durch das Thal hinfloß, tränkte ihn, und wilde Beeren, die ziemlich häufig an seinen Ufern wuchsen, dienten ihm zur Nahrung. So verlebte der Knabe einige Tage in ungestörter Einsamkeit, spürte wol hier und da Vogel- nestern nach, spielte aber auch stundenlang mit den bunten Steinen, die am Rande des Bachs lagen und ihm eine kindische Freude zu gewähren schienen. Sehr bald indeß genügten ihm diese Unterhaltungen nicht mehr, denn in seinem Herzen regte sich plötzlich die heftigste Sehnsucht nach dem schönen flinken Spitz, mit dem er so bald Bekanntschaft gemacht hatte und der ihm als Gesellschafter in seiner Waldeinsamkeit über- aus willkommen gewesen wäre. Am dritten Abend seines Einsiedlerlebens, als der Mond hoch über dem Gebirge stand und das wilde *) Spitzbubenausdruck für Geld.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 96. Leipzig (Sachsen), 2. November 1854, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig096_1854/3>, abgerufen am 21.11.2024.