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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 96. Leipzig (Sachsen), 2. November 1854.

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[Beginn Spaltensatz] unter Anderm auch jener denkwürdige Fastnachtsball
einen schlagenden Beweis, welchen Erzbischof Ludwig
von Magdeburg, ein geborener Markgraf von Meißen,
im Jahre 1382 zu Kalbe an der Saale veranstaltete,
nicht ahnend, daß mitten unter den tollsten Carnevals-
lustbarkeiten sein letztes Stündlein schlagen sollte!

Außer seinen Brüdern, den Markgrafen von Mei-
ßen, hatte derselbe auch den Bischof genannter Graf-
schaft, Nikolaus Ziegenbock, desgleichen viele andere
Fürsten, Ritter und Herren mit ihren Frauen und
Töchtern, und ebenso endlich auch den Rath von Mag-
deburg, "so aber nicht erschienen", als Gäste eingela-
den. Es herrschte bei dem Feste der größte Überfluß
an Speisen und Wein; Turniere und andere öffent-
liche Spiele, eins unterhaltender als das andere, wur-
den in Menge angestellt und Alles gab sich der aus-
gelassensten Lustigkeit hin.

Da man nun aber, erzählt die Sachsenchronik,
Montags vor der Fasten, den 17. Februarii im Rath-
hause, so noch jetzt der Tanzboden heißet, mit Tanzen
und Springen am lustigsten war -- es mochte ohn-
gefähr des Abends nach 9 Uhr sein, eben als der Herr
Erzbischof mit einer adeligen Dame vortantzete -- da
entstand unvermuthet ein Geschrei, es sei Feuer vor-
handen. Und so war es in der That. Die Bedien-
ten, welche unten im Rathhause mit brennenden La-
ternen und mit Fackeln auf ihre Herren warteten, sich
betrunken hatten und wild durcheinander wirthschafte-
ten, waren unvorsichtigerweise einer in des Stadtschrei-
bers Kammer unter dem Rathhaussaale stehenden, mit
Stroh angefüllten Bettspinde zu nahe gekommen und
hatten eine brennende Schnuppe ins Stroh fallen
lassen. Letzteres gerieth dadurch in Brand und verur-
sachte zunächst einen undurchdringlichen Qualm; das
Feuer aber griff inzwischen immer weiter um sich und
brannte sehr bald auch durch den Boden des Saals.

Dies war der Augenblick, in welchem die Tanzen-
den das Feuer zuerst bemerkten, und Aller bemächtigte
sich ein panischer Schrecken, indem sie glaubten, das
ganze Rathhaus stände bereits in Flammen. Alles
eilte, sich zu retten und stürzte mit lautem Geschrei
der Treppe zu. Der Erzbischof, seine Dame am Arme,
wollte den Uebrigen zuvorkommen und dadurch nicht
nur sich und seine Tänzerin retten, sondern zugleich
auch dem unvernünftigen Gedränge Einhalt thun.
Allein vergebens! Jn ihrer Todesangst drängte die
Menge ihn unaufhaltsam fort und der Treppe zu und
schon im nächsten Augenblick konnte Niemand weder
vor= noch rückwärts von der Stelle. Ein dichter
Knäuel hielten die Flüchtigen minutenlang die obern
Stufen der hölzernen Treppe besetzt, bis endlich der
Träger derselben brach und die ganze Treppe mit Allen,
die darauf waren -- nach Einigen sollen es nahezu
300 Personen gewesen sein -- zusammenstürzte.

Wunderbarerweise büßten dabei nur Drei ihr Leben
ein, unter denen sich jedoch auch der Erzbischof selbst
befand, der von Denen, so ihm auf den Hals ge-
fallen, erdrückt und erstickt worden. *) Die Übrigen
kamen mit verschiedenen, mehr oder minder erheblichern
[Spaltenumbruch] Verletzungen davon; Einzelne blieben auch gänzlich un-
beschädigt. Gleichzeitig indeß waren auch Mehre aus
den Fenstern hinab auf die Straße gesprungen und
hatten dabei Arme und Beine gebrochen oder sonst
Schaden am Körper genommen, sodaß überall nichts
als Jammern und Wehklagen ertönte. Der Mark-
graf Wilhelm von Meißen rettete sich mit Hülfe einer
Leiter durch das Fenster, verließ aber nebst den übri-
gen Gästen voller Schrecken und Bestürzung eiligst
den Ort des Unglücks.

Des Feuers war man inzwischen sehr bald Herr
geworden; hatte dasselbe doch auch nur ein Loch von
der Größe eines Scheffels in den Boden des Rath-
haussaals gebrannt, sodaß die Festgenossen, wären sie
rechtzeitig von der wahren Beschaffenheit des Brandes
unterrichtet worden, ohne alle Gefahr auf dem Saale
hätten versammelt bleiben können.

Die Leiche des Erzbischofs wurde von seinen Brü-
dern nach Magdeburg gebracht und daselbst ohne einige
Solennität und Gepränge in der Domkirche ( nach An-
dern in der Gangolphikapelle ) beigesetzt.




[Abbildung] Zweig des Kaffeebaums.

Ueber den Kaffee vergleiche Pfennig=Magazin, Jahrgang
1833, Nr. 10; Jahrgang 1852, Nr. 484.



[Ende Spaltensatz]
mit ihr im Gedrenge die Treppe hinab; und als er meinte,
er trette ihr auf den Rock, da bequemte er zu schlippern,
und schoß mit ihr die Treppen hinab, kam auf seinen Kopf
zu stürtzen, und fiel sich zu tode, die Frau aber bliebe le-
bendig."
*) Eine handschriftliche thüringische Chronik beschreibt
den Hergang folgendermaßen: "Als auf dem Rathhause zu
Kalbe man des Abends tantzete, und die Knechte mit bren-
nenden Wischen auf den Saal leuchteten, die Wische aber
von der Treppen unter sich warffen, da lagen leere Fasse,
darein kamen die brennenden Wische, und die Fässer ent-
brandten. Damit ward das Feuer also groß, daß die Leute
eilends von dem Tantz=Boden herunter mußten. Da ergriff
der Ertz=Bischoff eine ehrbare Frau in seine Arme, und lieff

[Beginn Spaltensatz] unter Anderm auch jener denkwürdige Fastnachtsball
einen schlagenden Beweis, welchen Erzbischof Ludwig
von Magdeburg, ein geborener Markgraf von Meißen,
im Jahre 1382 zu Kalbe an der Saale veranstaltete,
nicht ahnend, daß mitten unter den tollsten Carnevals-
lustbarkeiten sein letztes Stündlein schlagen sollte!

Außer seinen Brüdern, den Markgrafen von Mei-
ßen, hatte derselbe auch den Bischof genannter Graf-
schaft, Nikolaus Ziegenbock, desgleichen viele andere
Fürsten, Ritter und Herren mit ihren Frauen und
Töchtern, und ebenso endlich auch den Rath von Mag-
deburg, „so aber nicht erschienen“, als Gäste eingela-
den. Es herrschte bei dem Feste der größte Überfluß
an Speisen und Wein; Turniere und andere öffent-
liche Spiele, eins unterhaltender als das andere, wur-
den in Menge angestellt und Alles gab sich der aus-
gelassensten Lustigkeit hin.

Da man nun aber, erzählt die Sachsenchronik,
Montags vor der Fasten, den 17. Februarii im Rath-
hause, so noch jetzt der Tanzboden heißet, mit Tanzen
und Springen am lustigsten war — es mochte ohn-
gefähr des Abends nach 9 Uhr sein, eben als der Herr
Erzbischof mit einer adeligen Dame vortantzete — da
entstand unvermuthet ein Geschrei, es sei Feuer vor-
handen. Und so war es in der That. Die Bedien-
ten, welche unten im Rathhause mit brennenden La-
ternen und mit Fackeln auf ihre Herren warteten, sich
betrunken hatten und wild durcheinander wirthschafte-
ten, waren unvorsichtigerweise einer in des Stadtschrei-
bers Kammer unter dem Rathhaussaale stehenden, mit
Stroh angefüllten Bettspinde zu nahe gekommen und
hatten eine brennende Schnuppe ins Stroh fallen
lassen. Letzteres gerieth dadurch in Brand und verur-
sachte zunächst einen undurchdringlichen Qualm; das
Feuer aber griff inzwischen immer weiter um sich und
brannte sehr bald auch durch den Boden des Saals.

Dies war der Augenblick, in welchem die Tanzen-
den das Feuer zuerst bemerkten, und Aller bemächtigte
sich ein panischer Schrecken, indem sie glaubten, das
ganze Rathhaus stände bereits in Flammen. Alles
eilte, sich zu retten und stürzte mit lautem Geschrei
der Treppe zu. Der Erzbischof, seine Dame am Arme,
wollte den Uebrigen zuvorkommen und dadurch nicht
nur sich und seine Tänzerin retten, sondern zugleich
auch dem unvernünftigen Gedränge Einhalt thun.
Allein vergebens! Jn ihrer Todesangst drängte die
Menge ihn unaufhaltsam fort und der Treppe zu und
schon im nächsten Augenblick konnte Niemand weder
vor= noch rückwärts von der Stelle. Ein dichter
Knäuel hielten die Flüchtigen minutenlang die obern
Stufen der hölzernen Treppe besetzt, bis endlich der
Träger derselben brach und die ganze Treppe mit Allen,
die darauf waren — nach Einigen sollen es nahezu
300 Personen gewesen sein — zusammenstürzte.

Wunderbarerweise büßten dabei nur Drei ihr Leben
ein, unter denen sich jedoch auch der Erzbischof selbst
befand, der von Denen, so ihm auf den Hals ge-
fallen, erdrückt und erstickt worden. *) Die Übrigen
kamen mit verschiedenen, mehr oder minder erheblichern
[Spaltenumbruch] Verletzungen davon; Einzelne blieben auch gänzlich un-
beschädigt. Gleichzeitig indeß waren auch Mehre aus
den Fenstern hinab auf die Straße gesprungen und
hatten dabei Arme und Beine gebrochen oder sonst
Schaden am Körper genommen, sodaß überall nichts
als Jammern und Wehklagen ertönte. Der Mark-
graf Wilhelm von Meißen rettete sich mit Hülfe einer
Leiter durch das Fenster, verließ aber nebst den übri-
gen Gästen voller Schrecken und Bestürzung eiligst
den Ort des Unglücks.

Des Feuers war man inzwischen sehr bald Herr
geworden; hatte dasselbe doch auch nur ein Loch von
der Größe eines Scheffels in den Boden des Rath-
haussaals gebrannt, sodaß die Festgenossen, wären sie
rechtzeitig von der wahren Beschaffenheit des Brandes
unterrichtet worden, ohne alle Gefahr auf dem Saale
hätten versammelt bleiben können.

Die Leiche des Erzbischofs wurde von seinen Brü-
dern nach Magdeburg gebracht und daselbst ohne einige
Solennität und Gepränge in der Domkirche ( nach An-
dern in der Gangolphikapelle ) beigesetzt.




[Abbildung] Zweig des Kaffeebaums.

Ueber den Kaffee vergleiche Pfennig=Magazin, Jahrgang
1833, Nr. 10; Jahrgang 1852, Nr. 484.



[Ende Spaltensatz]
mit ihr im Gedrenge die Treppe hinab; und als er meinte,
er trette ihr auf den Rock, da bequemte er zu schlippern,
und schoß mit ihr die Treppen hinab, kam auf seinen Kopf
zu stürtzen, und fiel sich zu tode, die Frau aber bliebe le-
bendig.“
*) Eine handschriftliche thüringische Chronik beschreibt
den Hergang folgendermaßen: „Als auf dem Rathhause zu
Kalbe man des Abends tantzete, und die Knechte mit bren-
nenden Wischen auf den Saal leuchteten, die Wische aber
von der Treppen unter sich warffen, da lagen leere Fasse,
darein kamen die brennenden Wische, und die Fässer ent-
brandten. Damit ward das Feuer also groß, daß die Leute
eilends von dem Tantz=Boden herunter mußten. Da ergriff
der Ertz=Bischoff eine ehrbare Frau in seine Arme, und lieff
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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 96. Leipzig (Sachsen), 2. November 1854, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig096_1854/7>, abgerufen am 21.11.2024.