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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 96. Leipzig (Sachsen), 2. November 1854.

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Mannichfaltiges.
[Beginn Spaltensatz]

Die javanefischen Tänzerinnen ( Bajaderen ) sind
wahre Wunder von Beweglichkeit und Geschmeidigkeit aller
Glieder des Körpers. Sie schweben nicht, wie die Tänze-
rinnen von Profession in Europa, sylphenartig über den
Erdboden dahin. Sie produciren ebenso wenig Kunststücke,
welche in einer außergewöhnlichen Balancirung des Körpers
auf einem Beine oder in schnellem Emporwerfen der Beine
und mächtigen Sprüngen oder einförmigem wirbelnden Um-
hertreiben auf einem Fuße bestehen. Jhre Tänze bestehen
mehr aus graziösen Bewegungen des Körpers, die nach der
ihnen zugrunde liegenden Bedeutung oder dem Jnhalte der
dazu gesungenen Arien bald einen mehr gemessenen, bald
einen tobenden Charakter annehmen, stets aber auf den Zu-
schauer einen lieblichen Eindruck machen. Während nämlich in
Europa alle Tanzkünstler und Tanzkünstlerinnen allen Fleiß
und alles Studium fast ausschließlich der Ausbildung der un-
tern Körpertheile widmen und bei einer ersichtlichen Ver-
nachlässigung des obern Körpertheils ihren Höhepunkt in
einer bewundernswürdigen Gewandtheit der Beine und Füße
zu finden suchen, bemüht sich jene Bajadere allen Gliedern
und Gelenken des Körpers, vom obersten Halswirbel an bis
zum vordersten Zehengelenk, eine wahrhaft beispiellose Be-
weglichkeit zu verleihen. Die Bajadere vermag z. B. das
vorderste Glied eines jeden Fingers, ohne die andern Glie-
der desselben oder eines andern Fingers zu beugen, nach Be-
lieben vor= und rückwärts zu strecken, kann ihre Hand nach au-
ßen oder rückwärts ebenso flach und hohl machen wie wir
nach innen, dem Handteller zu; ja sie kann selbst die ganze
Hand derartig rückwärts beugen, daß der sogenannte Hand-
rücken vollkommen auf den Vorderarm zu liegen kommt.
Jhre Zehen besitzen dieselbe Fertigkeit im Anfassen wie die
Finger; ihre Wirbelsäule ist nach allen Seiten hin biegsam
und gelenkig. Kein Wunder also, wenn jede Bewegung ih-
res ungeschnürten, nicht in steife, enge Mieder gewaltsam
eingepreßten Leibes graziös und für das Auge wohlgefällig
ist. Arme, Hände, Finger, Beine, Füße, Zehen, die obere
und untere Hälfte des Rumpfes sowie der Kopf bewegt sich
[Spaltenumbruch] bei dem Tanze der Bajadere auf eine liebliche, anmuthige
Weise. Ja selbst die Augen und der Mund nehmen lebhaf-
ten Antheil an den Bewegungen des gesammten Körpers,
jedoch nicht um ein erzwungenes widerliches Lächeln oder
nichtssagende Augenverdreherei hervorzurufen, sondern nur
um Geist und Leben, Ausdruck, Anmuth und Zwanglosigkeit
in ihr bezauberndes Geberdenspiel zu bringen.



Der Maikäfer erscheint Vielen als ein plumper, un-
beholfener, träger Bursche, steif und ungelenk; dabei sieht
er so einerlei und brummig aus, daß man ihm fast aus dem
Wege gehen möchte, besonders wenn er durch einen muth-
willigen Buben mitten im besten Fraße vom Pflaumenbaume
herabgeschüttelt worden ist und sich nach langem unwilligen
Zappeln wieder so weit auf die Beine gebracht hat, daß er
seinen Rückweg auf den Baum antreten kann. Aber genau
angesehen ist er doch ein interessantes Geschöpf, ein Thier,
an dem sich ein gutes Stück Naturgeschichte studiren läßt.
Wer dies zu thun Lust hat, wird in den meisten Naturge-
schichten den nöthigen Stoff finden. Wunderbar ist das
Walten der Natur in den verschiedenen Phasen, die der
Maikäfer 3--4 Jahre im Jnnern der Erde als Engerling
durchzumachen hat. Klafterntief wühlen sie sich in die Erde
hinein und je näher sie ihrer Verkäferung, so zu sagen, kom-
men, desto mehr nähern sie sich wieder der Erdoberfläche;
aber sie kommen nicht eher zum Vorschein, als bis Ende
April oder Anfangs Mai der Tisch für sie gedeckt ist.



Das Baden und Waschen der Türken kann ge-
wissermaßen als ein Jnstitut des Korans, nach unserer Rede-
weise als ein Sacrament betrachtet werden. Daher kommt
es, daß noch immer reiche Türken aus Religion Bäder er-
richten lassen und Unzählige ihr Geld testamentarisch zu die-
sem Zwecke bestimmen. Etwas Ahnliches spricht das engli-
sche Sprüchwort: Cleantliness is next to godliness ( Rein-
lichkeit kommt gleich nach Religion ) aus.

[Ende Spaltensatz]

Ankündigungen.
Soeben erschien und ist in allen Kunst= und Buchhandlungen zu haben:
Die Kunstschätze Wiens.

Jn Stahlstich, nebst erläuterndem Texte, von A. R. v. Perger. Herausgegeben vom Oesterreich.
Lloyd. Erstes bis drittes Heft. Jedes Heft, mit drei großen Stahlstichen und ein bis zwei
Bogen Text, kostet: in klein Quart 10 Sgr.; feine Ausgabe in groß Quart 16 Sgr.; Prachtausgabe in
Folio 24 Sgr.

Die weltberühmte kaiserliche Gemäldegalerie im Belvedere, die Galerien Liechtenstein, Esterhazy,
Schönborn, Czernin, Harrach, Arthaber, Beroldingen, Fellner, Heckeren, Renieri
u. A. enthalten be-
kanntermaßen an Kunstwerken ersten Ranges ( Rafael's, Tizian's, Correggio's, Rubens' sowie neuerer Mei-
ster ) insgesammt einen Reichthum, der den Sammlungen Münchens und Dresdens sich an die Seite stellen darf. Die
Aufgabe unsers Unternehmens ist nun, die Hauptbilder aus allen Wiener Galerien, um sie zum Gemeingut der
Nation zu machen, durch den Grabstichel treu wiederzugeben, begleitet von einem Texte, welcher die künstlerische und die
geschichtliche Seite der Gemälde behandelt. Auch außer Oesterreich dürften unsere "Kunstschätze Wiens" um so
allgemeinern Anklang finden, als gerade hier die Originale räumlich so fern sind. Der Preis wurde so niedrig gestellt,
um die Anschaffung zu erleichtern, und die innere Einrichtung so getroffen, daß jeder Stahlstich mit dem ihn begleitenden
Texte ein für sich bestehendes Ganze bildet; der Besitzer des Werks kann sich somit die einzelnen Blätter seiner Zeit nach
Schulen, Meistern, Galerien oder in sonst beliebige Gruppen ordnen. Jn 30--36 Heften hoffen wir die "Kunstschätze
Wiens" würdig repräsentiren zu können. Das vierte Heft wird im October ausgegeben, sodann alle zwei bis drei Wo-
chen ein Heft.

    Die Direction der lit.= artist. Abtheilung des Oesterreich. Lloyd in Triest.



Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. -- Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.


Mannichfaltiges.
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Die javanefischen Tänzerinnen ( Bajaderen ) sind
wahre Wunder von Beweglichkeit und Geschmeidigkeit aller
Glieder des Körpers. Sie schweben nicht, wie die Tänze-
rinnen von Profession in Europa, sylphenartig über den
Erdboden dahin. Sie produciren ebenso wenig Kunststücke,
welche in einer außergewöhnlichen Balancirung des Körpers
auf einem Beine oder in schnellem Emporwerfen der Beine
und mächtigen Sprüngen oder einförmigem wirbelnden Um-
hertreiben auf einem Fuße bestehen. Jhre Tänze bestehen
mehr aus graziösen Bewegungen des Körpers, die nach der
ihnen zugrunde liegenden Bedeutung oder dem Jnhalte der
dazu gesungenen Arien bald einen mehr gemessenen, bald
einen tobenden Charakter annehmen, stets aber auf den Zu-
schauer einen lieblichen Eindruck machen. Während nämlich in
Europa alle Tanzkünstler und Tanzkünstlerinnen allen Fleiß
und alles Studium fast ausschließlich der Ausbildung der un-
tern Körpertheile widmen und bei einer ersichtlichen Ver-
nachlässigung des obern Körpertheils ihren Höhepunkt in
einer bewundernswürdigen Gewandtheit der Beine und Füße
zu finden suchen, bemüht sich jene Bajadere allen Gliedern
und Gelenken des Körpers, vom obersten Halswirbel an bis
zum vordersten Zehengelenk, eine wahrhaft beispiellose Be-
weglichkeit zu verleihen. Die Bajadere vermag z. B. das
vorderste Glied eines jeden Fingers, ohne die andern Glie-
der desselben oder eines andern Fingers zu beugen, nach Be-
lieben vor= und rückwärts zu strecken, kann ihre Hand nach au-
ßen oder rückwärts ebenso flach und hohl machen wie wir
nach innen, dem Handteller zu; ja sie kann selbst die ganze
Hand derartig rückwärts beugen, daß der sogenannte Hand-
rücken vollkommen auf den Vorderarm zu liegen kommt.
Jhre Zehen besitzen dieselbe Fertigkeit im Anfassen wie die
Finger; ihre Wirbelsäule ist nach allen Seiten hin biegsam
und gelenkig. Kein Wunder also, wenn jede Bewegung ih-
res ungeschnürten, nicht in steife, enge Mieder gewaltsam
eingepreßten Leibes graziös und für das Auge wohlgefällig
ist. Arme, Hände, Finger, Beine, Füße, Zehen, die obere
und untere Hälfte des Rumpfes sowie der Kopf bewegt sich
[Spaltenumbruch] bei dem Tanze der Bajadere auf eine liebliche, anmuthige
Weise. Ja selbst die Augen und der Mund nehmen lebhaf-
ten Antheil an den Bewegungen des gesammten Körpers,
jedoch nicht um ein erzwungenes widerliches Lächeln oder
nichtssagende Augenverdreherei hervorzurufen, sondern nur
um Geist und Leben, Ausdruck, Anmuth und Zwanglosigkeit
in ihr bezauberndes Geberdenspiel zu bringen.



Der Maikäfer erscheint Vielen als ein plumper, un-
beholfener, träger Bursche, steif und ungelenk; dabei sieht
er so einerlei und brummig aus, daß man ihm fast aus dem
Wege gehen möchte, besonders wenn er durch einen muth-
willigen Buben mitten im besten Fraße vom Pflaumenbaume
herabgeschüttelt worden ist und sich nach langem unwilligen
Zappeln wieder so weit auf die Beine gebracht hat, daß er
seinen Rückweg auf den Baum antreten kann. Aber genau
angesehen ist er doch ein interessantes Geschöpf, ein Thier,
an dem sich ein gutes Stück Naturgeschichte studiren läßt.
Wer dies zu thun Lust hat, wird in den meisten Naturge-
schichten den nöthigen Stoff finden. Wunderbar ist das
Walten der Natur in den verschiedenen Phasen, die der
Maikäfer 3—4 Jahre im Jnnern der Erde als Engerling
durchzumachen hat. Klafterntief wühlen sie sich in die Erde
hinein und je näher sie ihrer Verkäferung, so zu sagen, kom-
men, desto mehr nähern sie sich wieder der Erdoberfläche;
aber sie kommen nicht eher zum Vorschein, als bis Ende
April oder Anfangs Mai der Tisch für sie gedeckt ist.



Das Baden und Waschen der Türken kann ge-
wissermaßen als ein Jnstitut des Korans, nach unserer Rede-
weise als ein Sacrament betrachtet werden. Daher kommt
es, daß noch immer reiche Türken aus Religion Bäder er-
richten lassen und Unzählige ihr Geld testamentarisch zu die-
sem Zwecke bestimmen. Etwas Ahnliches spricht das engli-
sche Sprüchwort: Cleantliness is next to godliness ( Rein-
lichkeit kommt gleich nach Religion ) aus.

[Ende Spaltensatz]

Ankündigungen.
Soeben erschien und ist in allen Kunst= und Buchhandlungen zu haben:
Die Kunstschätze Wiens.

Jn Stahlstich, nebst erläuterndem Texte, von A. R. v. Perger. Herausgegeben vom Oesterreich.
Lloyd. Erstes bis drittes Heft. Jedes Heft, mit drei großen Stahlstichen und ein bis zwei
Bogen Text, kostet: in klein Quart 10 Sgr.; feine Ausgabe in groß Quart 16 Sgr.; Prachtausgabe in
Folio 24 Sgr.

Die weltberühmte kaiserliche Gemäldegalerie im Belvedere, die Galerien Liechtenstein, Esterhazy,
Schönborn, Czernin, Harrach, Arthaber, Beroldingen, Fellner, Heckeren, Renieri
u. A. enthalten be-
kanntermaßen an Kunstwerken ersten Ranges ( Rafael's, Tizian's, Correggio's, Rubens' sowie neuerer Mei-
ster ) insgesammt einen Reichthum, der den Sammlungen Münchens und Dresdens sich an die Seite stellen darf. Die
Aufgabe unsers Unternehmens ist nun, die Hauptbilder aus allen Wiener Galerien, um sie zum Gemeingut der
Nation zu machen, durch den Grabstichel treu wiederzugeben, begleitet von einem Texte, welcher die künstlerische und die
geschichtliche Seite der Gemälde behandelt. Auch außer Oesterreich dürften unsere „Kunstschätze Wiens“ um so
allgemeinern Anklang finden, als gerade hier die Originale räumlich so fern sind. Der Preis wurde so niedrig gestellt,
um die Anschaffung zu erleichtern, und die innere Einrichtung so getroffen, daß jeder Stahlstich mit dem ihn begleitenden
Texte ein für sich bestehendes Ganze bildet; der Besitzer des Werks kann sich somit die einzelnen Blätter seiner Zeit nach
Schulen, Meistern, Galerien oder in sonst beliebige Gruppen ordnen. Jn 30—36 Heften hoffen wir die „Kunstschätze
Wiens“ würdig repräsentiren zu können. Das vierte Heft wird im October ausgegeben, sodann alle zwei bis drei Wo-
chen ein Heft.

    Die Direction der lit.= artist. Abtheilung des Oesterreich. Lloyd in Triest.



Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.

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[352/0008] 352 Mannichfaltiges. Die javanefischen Tänzerinnen ( Bajaderen ) sind wahre Wunder von Beweglichkeit und Geschmeidigkeit aller Glieder des Körpers. Sie schweben nicht, wie die Tänze- rinnen von Profession in Europa, sylphenartig über den Erdboden dahin. Sie produciren ebenso wenig Kunststücke, welche in einer außergewöhnlichen Balancirung des Körpers auf einem Beine oder in schnellem Emporwerfen der Beine und mächtigen Sprüngen oder einförmigem wirbelnden Um- hertreiben auf einem Fuße bestehen. Jhre Tänze bestehen mehr aus graziösen Bewegungen des Körpers, die nach der ihnen zugrunde liegenden Bedeutung oder dem Jnhalte der dazu gesungenen Arien bald einen mehr gemessenen, bald einen tobenden Charakter annehmen, stets aber auf den Zu- schauer einen lieblichen Eindruck machen. 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Der Maikäfer erscheint Vielen als ein plumper, un- beholfener, träger Bursche, steif und ungelenk; dabei sieht er so einerlei und brummig aus, daß man ihm fast aus dem Wege gehen möchte, besonders wenn er durch einen muth- willigen Buben mitten im besten Fraße vom Pflaumenbaume herabgeschüttelt worden ist und sich nach langem unwilligen Zappeln wieder so weit auf die Beine gebracht hat, daß er seinen Rückweg auf den Baum antreten kann. Aber genau angesehen ist er doch ein interessantes Geschöpf, ein Thier, an dem sich ein gutes Stück Naturgeschichte studiren läßt. Wer dies zu thun Lust hat, wird in den meisten Naturge- schichten den nöthigen Stoff finden. Wunderbar ist das Walten der Natur in den verschiedenen Phasen, die der Maikäfer 3—4 Jahre im Jnnern der Erde als Engerling durchzumachen hat. Klafterntief wühlen sie sich in die Erde hinein und je näher sie ihrer Verkäferung, so zu sagen, kom- men, desto mehr nähern sie sich wieder der Erdoberfläche; aber sie kommen nicht eher zum Vorschein, als bis Ende April oder Anfangs Mai der Tisch für sie gedeckt ist. Das Baden und Waschen der Türken kann ge- wissermaßen als ein Jnstitut des Korans, nach unserer Rede- weise als ein Sacrament betrachtet werden. Daher kommt es, daß noch immer reiche Türken aus Religion Bäder er- richten lassen und Unzählige ihr Geld testamentarisch zu die- sem Zwecke bestimmen. Etwas Ahnliches spricht das engli- sche Sprüchwort: Cleantliness is next to godliness ( Rein- lichkeit kommt gleich nach Religion ) aus. Ankündigungen. Soeben erschien und ist in allen Kunst= und Buchhandlungen zu haben: Die Kunstschätze Wiens. Jn Stahlstich, nebst erläuterndem Texte, von A. R. v. Perger. Herausgegeben vom Oesterreich. Lloyd. Erstes bis drittes Heft. Jedes Heft, mit drei großen Stahlstichen und ein bis zwei Bogen Text, kostet: in klein Quart 10 Sgr.; feine Ausgabe in groß Quart 16 Sgr.; Prachtausgabe in Folio 24 Sgr. Die weltberühmte kaiserliche Gemäldegalerie im Belvedere, die Galerien Liechtenstein, Esterhazy, Schönborn, Czernin, Harrach, Arthaber, Beroldingen, Fellner, Heckeren, Renieri u. A. enthalten be- kanntermaßen an Kunstwerken ersten Ranges ( Rafael's, Tizian's, Correggio's, Rubens' sowie neuerer Mei- ster ) insgesammt einen Reichthum, der den Sammlungen Münchens und Dresdens sich an die Seite stellen darf. Die Aufgabe unsers Unternehmens ist nun, die Hauptbilder aus allen Wiener Galerien, um sie zum Gemeingut der Nation zu machen, durch den Grabstichel treu wiederzugeben, begleitet von einem Texte, welcher die künstlerische und die geschichtliche Seite der Gemälde behandelt. Auch außer Oesterreich dürften unsere „Kunstschätze Wiens“ um so allgemeinern Anklang finden, als gerade hier die Originale räumlich so fern sind. Der Preis wurde so niedrig gestellt, um die Anschaffung zu erleichtern, und die innere Einrichtung so getroffen, daß jeder Stahlstich mit dem ihn begleitenden Texte ein für sich bestehendes Ganze bildet; der Besitzer des Werks kann sich somit die einzelnen Blätter seiner Zeit nach Schulen, Meistern, Galerien oder in sonst beliebige Gruppen ordnen. Jn 30—36 Heften hoffen wir die „Kunstschätze Wiens“ würdig repräsentiren zu können. Das vierte Heft wird im October ausgegeben, sodann alle zwei bis drei Wo- chen ein Heft. Die Direction der lit.= artist. Abtheilung des Oesterreich. Lloyd in Triest. Verantwortlicher Redacteur: M. J. E. Volbeding. — Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 96. Leipzig (Sachsen), 2. November 1854, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig096_1854/8>, abgerufen am 01.06.2024.