Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 100. Leipzig (Sachsen), 30. November 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] Höfelinge gewesen, und uffs Schloß daczumalen allyn
der oldte Eßmus drabandten Dynst, wellicher ast yn-
geschleffert magk werden, der Pforthyner ist lagerich
krank, kann ich uch nicht pergin, in gelubner treuwe
Uch selber gewertiglich zu dynen und ewre Anstaltungk
gewartin. Darnach Jhr Uch zu richten. Datum Alden-
burg, am Samstag nach Unser Frauentage, A. W.

    Hans Schwalbe.

Dieser nach Kohren geschriebene Brief war das
Signal zu dem frevelhaften Raube. Kunz erschien
mit seinen Spießgesellen in Altenburg. Die Räuber
kletterten auf einer von Schwalbe herabgeworfenen
Strickleiter *) am Schlosse hinauf -- es war in der
Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455 --, fesselten den
alten Trabanten, "den oldten Eßmus", und verriegel-
ten die Thüren zu den Gemächern der Kurfürstin Mar-
garetha und ihrer Kammerfrauen. Der 14jährige
Prinz Ernst erkannte beim Nachtlicht den Kunz, da-
her er eine in seinem Gemach mit schlafende Hofdame
weckte; Kunz aber gebot ihm mit entblößtem Schwerte
Stillschweigen und schleppte ihn in den Schloßhof hinab,
während seine Raubgenossen statt des zwölfjährigen
Prinzen Albert den neben diesem ruhenden jungen Gra-
fen Barby hinabgetragen hatten. Den Jrrthum so-
gleich erkennend, eilte Kunz nochmals nach dem Schlosse
und schleppte auch, taub gegen die inständigen Bitten
der indessen erwachten Kurfurstin den zitternden Al-
bert mit fort.

Nach dem wohlüberlegten Plane der Räuber soll-
ten die Prinzen, um Aufsehen zu vermeiden, auf ver-
schiedenen Wegen nach Böhmen gebracht und auf
Kunzens dortigen Gütern so lange gefangen gehalten
werden, bis der Kurfürst Friedrich sich bereiterklärte,
den Anfoderungen des beleidigten Ritters Genüge zu
leisten. Der Plan wurde jedoch zum Glück vereitelt.
Das Sturmläuten im ganzen Lande und die umher-
jagenden Boten und Späher machten die Reise der
Räuber sehr bedenklich. Mosen und Schönfels sollten
mit Ernst über Zwickau durch das Voigt= und Fran-
kenland nach Böhmen gehen, wurden aber schon bei
Hartenstein und Schloß Stein bedenklich und verbar-
gen sich und den Prinzen in einer engen, feuchten
Felshöhle, welche sonst Teufelskluft und später Prin-
zenhöhle genannt wurde. Kunz kam bis in den Wald
zwischen Elterlein und Grünhain, wo sich Prinz Al-
bert dem Kohlenbrenner Georg Schmidt zu erkennen
gab, der mit Kunz und seinem Knappen Schwei-
nitz ins Handgemenge kam und den Ritter "weidlich
trillerte" und gefangen nahm, um ihn dem Abte Li-
borius zu Grünhain zur Haft zu überliefern. Kunz
ward mit Schweinitz unter scharfer Wache an den kur-
fürstlichen Vogt nach Zwickau abgeliefert und Georg
Schmidt führte den Prinzen im Triumphzuge seinen
Ältern zu, welche den Köhler mit dem Freigute Eckarts-
bach, mit einem alljährlichen Getreideschutte sowie mit
dem Rechte, frei Kohlen zu brennen, beschenkten.

Mosen und Schönfels, von der Gefangennehmung
Kunzens durch Landleute in Kenntniß gesetzt, lieferten
den Prinzen Ernst, in der Hoffnung, begnadigt zu
werden, an den Amtshauptmann in Zwickau ab, die-
ser aber brachte den Prinzen sogleich nach Chemnitz,
wo ihn die erfreuten Ältern wieder in Empfang nah-
men. Jm ganzen Lande wurde ein Lob= und Dank-
fest gehalten. Das kurfürstliche Aelternpaar brachte
[Spaltenumbruch] sogleich in der Wallfahrtskirche zu Ebersdorf bei Chem-
nitz dem Höchsten den Dank für die glückliche Erret-
tung der beiden Prinzen dar; auch wurden in dieser
Kirche die Kleider Ernst's und Albert's sowie die des
Köhlers zum Andenken aufgehangen *) und eine Ge-
denktafel gesetzt, welche den Prinzenraub der Nachwelt
erzählen sollte. Folgende Übersetzung der lateinischen Verse
aus der damaligen Zeit ist noch aufbewahrt worden:

Cunz Kauffung der viel wilde Mann,
Wohl auf das Schloß gen Altenborg,
Sehr frech und kühn ohn alle Sorg
Dem Fürsten allda seine Kind
Entführet hat listig und geschwind,
Der Kleider noch hie hängen seht
Ein jeder der fürüber geht,
Die dazumahl bald nach der That
Der Vater hergehänget hat.

Kunz von Kaufungen wurde durch 24 Geschwo-
rene zum Tode verurtheilt und, da seine Begnadigung
zu spät ankam, am 14. Juli 1455 auf dem Ober-
markte in Freiberg, wo noch ein viereckiger Stein im
Pflaster an die Hinrichtung erinnert, enthauptet. Ein
Gleiches geschah dem Bruder Kunzens, Namens Die-
trich, sowie dem Knappen Schweinitz und dem Küchen-
knecht Schwalbe, welcher durch glühende Zangen und
durch Viertheilung noch viele Qualen zu ertragen hatte.

Ein Volksdichter des 15. Jahrhunderts fertigte
über den Prinzenraub ein Lied, welches lange Zeit
hindurch Volkslied blieb und besonders von den Berg-
leuten gern gesungen wurde. Wir theilen dasselbe als
ein interessantes Vermächtniß vergangener Jahrhun-
derte unsern Lesern zum Schlusse gern mit:

Wir wollen ein Liedel heben an
Was sich hot angespunnen,
Wie's in dem Pleißnerland gar schlecht war bestallt,
Als sein Jungen Fürsten geschah groß Gewalt
Durch den Kunzen von Kauffungen, ja Kauffungen.
Der Adler hat uff den Fels gebaut
Ein schönes Nest mit Jungen
Und wie er einst ware geflogen aus,
Holte ein Geyer die jungen Vögel raus
Drauf ward's Nest leer gefungen, ja gefungen.
Wo der Geyer uff dem Dache sitzt
Da trugen die Küchlein selten,
Es war mein werle ein seltzam Narrenspiel,
Welcher Fürst sein Räthen getraut so viel,
Muß oft der Herr selbst entgelten, ja entgelten.
Altenborg, du bist zwar eine feine Stadt,
Dich thät er mit Untreu meinen,
Da in dir waren alle Hoflüt rauschend voll
Qvam ( kam ) Cuntze mit Lytern und Buben toll
Und holte die Försten so kleine, ja so kleine.
Was blast dich Cuntz för Unlust an,
Daß du ins Schloß nein steigest,
Du stylst die zarten Herren raus
Als der Churförst eben war nit zu Hauß,
Die zarten Försten=Zweige, ja Försten=Zweige.
Es war wohl als ein Wunderding,
Wie sich das Land beweget.
Was da uff allen Straßen waren för Leut,
Die den Räubern nachfolgeten in Zeyt,
Alls wibbelt, kiribbelt, sich bereget, ja bereget.
Jm Walde dort ward Cuntz ertapt,
Da wolt he Beeren naschen,
[Ende Spaltensatz]
*) Die Leiter war nicht aus Stricken, sondern aus Le-
derriemen gemacht, in welche die Holzsprossen eingezwängt
wurden.
*) Kurfürst Johann Georg II. ließ die ganz veralteten
Kleider nach ihrer ursprünglichen Gestalt durch neue ersetzen,
doch auch diese veralteten wieder; mancher Besucher der
Kirche nahm sich von denselben ein Stückchen zum Andenken
mit und endlich sahen sie so zerlumpt aus, daß sie kein Auge
mehr zu ergötzen vermochten. Der Ortspfarrer nahm die
Überbleibsel von den Kleidern weg und bewahrt sie nun in
einem Kästchen in seiner Wohnung auf.

[Beginn Spaltensatz] Höfelinge gewesen, und uffs Schloß daczumalen allyn
der oldte Eßmus drabandten Dynst, wellicher ast yn-
geschleffert magk werden, der Pforthyner ist lagerich
krank, kann ich uch nicht pergin, in gelubner treuwe
Uch selber gewertiglich zu dynen und ewre Anstaltungk
gewartin. Darnach Jhr Uch zu richten. Datum Alden-
burg, am Samstag nach Unser Frauentage, A. W.

    Hans Schwalbe.

Dieser nach Kohren geschriebene Brief war das
Signal zu dem frevelhaften Raube. Kunz erschien
mit seinen Spießgesellen in Altenburg. Die Räuber
kletterten auf einer von Schwalbe herabgeworfenen
Strickleiter *) am Schlosse hinauf — es war in der
Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455 —, fesselten den
alten Trabanten, „den oldten Eßmus“, und verriegel-
ten die Thüren zu den Gemächern der Kurfürstin Mar-
garetha und ihrer Kammerfrauen. Der 14jährige
Prinz Ernst erkannte beim Nachtlicht den Kunz, da-
her er eine in seinem Gemach mit schlafende Hofdame
weckte; Kunz aber gebot ihm mit entblößtem Schwerte
Stillschweigen und schleppte ihn in den Schloßhof hinab,
während seine Raubgenossen statt des zwölfjährigen
Prinzen Albert den neben diesem ruhenden jungen Gra-
fen Barby hinabgetragen hatten. Den Jrrthum so-
gleich erkennend, eilte Kunz nochmals nach dem Schlosse
und schleppte auch, taub gegen die inständigen Bitten
der indessen erwachten Kurfurstin den zitternden Al-
bert mit fort.

Nach dem wohlüberlegten Plane der Räuber soll-
ten die Prinzen, um Aufsehen zu vermeiden, auf ver-
schiedenen Wegen nach Böhmen gebracht und auf
Kunzens dortigen Gütern so lange gefangen gehalten
werden, bis der Kurfürst Friedrich sich bereiterklärte,
den Anfoderungen des beleidigten Ritters Genüge zu
leisten. Der Plan wurde jedoch zum Glück vereitelt.
Das Sturmläuten im ganzen Lande und die umher-
jagenden Boten und Späher machten die Reise der
Räuber sehr bedenklich. Mosen und Schönfels sollten
mit Ernst über Zwickau durch das Voigt= und Fran-
kenland nach Böhmen gehen, wurden aber schon bei
Hartenstein und Schloß Stein bedenklich und verbar-
gen sich und den Prinzen in einer engen, feuchten
Felshöhle, welche sonst Teufelskluft und später Prin-
zenhöhle genannt wurde. Kunz kam bis in den Wald
zwischen Elterlein und Grünhain, wo sich Prinz Al-
bert dem Kohlenbrenner Georg Schmidt zu erkennen
gab, der mit Kunz und seinem Knappen Schwei-
nitz ins Handgemenge kam und den Ritter „weidlich
trillerte“ und gefangen nahm, um ihn dem Abte Li-
borius zu Grünhain zur Haft zu überliefern. Kunz
ward mit Schweinitz unter scharfer Wache an den kur-
fürstlichen Vogt nach Zwickau abgeliefert und Georg
Schmidt führte den Prinzen im Triumphzuge seinen
Ältern zu, welche den Köhler mit dem Freigute Eckarts-
bach, mit einem alljährlichen Getreideschutte sowie mit
dem Rechte, frei Kohlen zu brennen, beschenkten.

Mosen und Schönfels, von der Gefangennehmung
Kunzens durch Landleute in Kenntniß gesetzt, lieferten
den Prinzen Ernst, in der Hoffnung, begnadigt zu
werden, an den Amtshauptmann in Zwickau ab, die-
ser aber brachte den Prinzen sogleich nach Chemnitz,
wo ihn die erfreuten Ältern wieder in Empfang nah-
men. Jm ganzen Lande wurde ein Lob= und Dank-
fest gehalten. Das kurfürstliche Aelternpaar brachte
[Spaltenumbruch] sogleich in der Wallfahrtskirche zu Ebersdorf bei Chem-
nitz dem Höchsten den Dank für die glückliche Erret-
tung der beiden Prinzen dar; auch wurden in dieser
Kirche die Kleider Ernst's und Albert's sowie die des
Köhlers zum Andenken aufgehangen *) und eine Ge-
denktafel gesetzt, welche den Prinzenraub der Nachwelt
erzählen sollte. Folgende Übersetzung der lateinischen Verse
aus der damaligen Zeit ist noch aufbewahrt worden:

Cunz Kauffung der viel wilde Mann,
Wohl auf das Schloß gen Altenborg,
Sehr frech und kühn ohn alle Sorg
Dem Fürsten allda seine Kind
Entführet hat listig und geschwind,
Der Kleider noch hie hängen seht
Ein jeder der fürüber geht,
Die dazumahl bald nach der That
Der Vater hergehänget hat.

Kunz von Kaufungen wurde durch 24 Geschwo-
rene zum Tode verurtheilt und, da seine Begnadigung
zu spät ankam, am 14. Juli 1455 auf dem Ober-
markte in Freiberg, wo noch ein viereckiger Stein im
Pflaster an die Hinrichtung erinnert, enthauptet. Ein
Gleiches geschah dem Bruder Kunzens, Namens Die-
trich, sowie dem Knappen Schweinitz und dem Küchen-
knecht Schwalbe, welcher durch glühende Zangen und
durch Viertheilung noch viele Qualen zu ertragen hatte.

Ein Volksdichter des 15. Jahrhunderts fertigte
über den Prinzenraub ein Lied, welches lange Zeit
hindurch Volkslied blieb und besonders von den Berg-
leuten gern gesungen wurde. Wir theilen dasselbe als
ein interessantes Vermächtniß vergangener Jahrhun-
derte unsern Lesern zum Schlusse gern mit:

Wir wollen ein Liedel heben an
Was sich hot angespunnen,
Wie's in dem Pleißnerland gar schlecht war bestallt,
Als sein Jungen Fürsten geschah groß Gewalt
Durch den Kunzen von Kauffungen, ja Kauffungen.
Der Adler hat uff den Fels gebaut
Ein schönes Nest mit Jungen
Und wie er einst ware geflogen aus,
Holte ein Geyer die jungen Vögel raus
Drauf ward's Nest leer gefungen, ja gefungen.
Wo der Geyer uff dem Dache sitzt
Da trugen die Küchlein selten,
Es war mein werle ein seltzam Narrenspiel,
Welcher Fürst sein Räthen getraut so viel,
Muß oft der Herr selbst entgelten, ja entgelten.
Altenborg, du bist zwar eine feine Stadt,
Dich thät er mit Untreu meinen,
Da in dir waren alle Hoflüt rauschend voll
Qvam ( kam ) Cuntze mit Lytern und Buben toll
Und holte die Försten so kleine, ja so kleine.
Was blast dich Cuntz för Unlust an,
Daß du ins Schloß nein steigest,
Du stylst die zarten Herren raus
Als der Churförst eben war nit zu Hauß,
Die zarten Försten=Zweige, ja Försten=Zweige.
Es war wohl als ein Wunderding,
Wie sich das Land beweget.
Was da uff allen Straßen waren för Leut,
Die den Räubern nachfolgeten in Zeyt,
Alls wibbelt, kiribbelt, sich bereget, ja bereget.
Jm Walde dort ward Cuntz ertapt,
Da wolt he Beeren naschen,
[Ende Spaltensatz]
*) Die Leiter war nicht aus Stricken, sondern aus Le-
derriemen gemacht, in welche die Holzsprossen eingezwängt
wurden.
*) Kurfürst Johann Georg II. ließ die ganz veralteten
Kleider nach ihrer ursprünglichen Gestalt durch neue ersetzen,
doch auch diese veralteten wieder; mancher Besucher der
Kirche nahm sich von denselben ein Stückchen zum Andenken
mit und endlich sahen sie so zerlumpt aus, daß sie kein Auge
mehr zu ergötzen vermochten. Der Ortspfarrer nahm die
Überbleibsel von den Kleidern weg und bewahrt sie nun in
einem Kästchen in seiner Wohnung auf.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0006" n="382"/><fw type="pageNum" place="top">382</fw><cb type="start"/>
Höfelinge gewesen, und uffs Schloß daczumalen allyn<lb/>
der oldte Eßmus drabandten Dynst, wellicher ast yn-<lb/>
geschleffert magk werden, der Pforthyner ist lagerich<lb/>
krank, kann ich uch nicht pergin, in gelubner treuwe<lb/>
Uch selber gewertiglich zu dynen und ewre Anstaltungk<lb/>
gewartin. Darnach Jhr Uch zu richten. Datum Alden-<lb/>
burg, am Samstag nach Unser Frauentage, A. W.</p><lb/>
        <p>
          <space dim="horizontal"/> <hi rendition="#g">Hans Schwalbe.</hi> </p><lb/>
        <p>Dieser nach Kohren geschriebene Brief war das<lb/>
Signal zu dem frevelhaften Raube. Kunz erschien<lb/>
mit seinen Spießgesellen in Altenburg. Die Räuber<lb/>
kletterten auf einer von Schwalbe herabgeworfenen<lb/>
Strickleiter <note place="foot" n="*)">Die Leiter war nicht aus Stricken, sondern aus Le-<lb/>
derriemen gemacht, in welche die Holzsprossen eingezwängt<lb/>
wurden.</note> am Schlosse hinauf &#x2014; es war in der<lb/>
Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455 &#x2014;, fesselten den<lb/>
alten Trabanten, &#x201E;den oldten Eßmus&#x201C;, und verriegel-<lb/>
ten die Thüren zu den Gemächern der Kurfürstin Mar-<lb/>
garetha und ihrer Kammerfrauen. Der 14jährige<lb/>
Prinz Ernst erkannte beim Nachtlicht den Kunz, da-<lb/>
her er eine in seinem Gemach mit schlafende Hofdame<lb/>
weckte; Kunz aber gebot ihm mit entblößtem Schwerte<lb/>
Stillschweigen und schleppte ihn in den Schloßhof hinab,<lb/>
während seine Raubgenossen statt des zwölfjährigen<lb/>
Prinzen Albert den neben diesem ruhenden jungen Gra-<lb/>
fen Barby hinabgetragen hatten. Den Jrrthum so-<lb/>
gleich erkennend, eilte Kunz nochmals nach dem Schlosse<lb/>
und schleppte auch, taub gegen die inständigen Bitten<lb/>
der indessen erwachten Kurfurstin den zitternden Al-<lb/>
bert mit fort.</p><lb/>
        <p>Nach dem wohlüberlegten Plane der Räuber soll-<lb/>
ten die Prinzen, um Aufsehen zu vermeiden, auf ver-<lb/>
schiedenen Wegen nach Böhmen gebracht und auf<lb/>
Kunzens dortigen Gütern so lange gefangen gehalten<lb/>
werden, bis der Kurfürst Friedrich sich bereiterklärte,<lb/>
den Anfoderungen des beleidigten Ritters Genüge zu<lb/>
leisten. Der Plan wurde jedoch zum Glück vereitelt.<lb/>
Das Sturmläuten im ganzen Lande und die umher-<lb/>
jagenden Boten und Späher machten die Reise der<lb/>
Räuber sehr bedenklich. Mosen und Schönfels sollten<lb/>
mit Ernst über Zwickau durch das Voigt= und Fran-<lb/>
kenland nach Böhmen gehen, wurden aber schon bei<lb/>
Hartenstein und Schloß Stein bedenklich und verbar-<lb/>
gen sich und den Prinzen in einer engen, feuchten<lb/>
Felshöhle, welche sonst Teufelskluft und später Prin-<lb/>
zenhöhle genannt wurde. Kunz kam bis in den Wald<lb/>
zwischen Elterlein und Grünhain, wo sich Prinz Al-<lb/>
bert dem Kohlenbrenner Georg Schmidt zu erkennen<lb/>
gab, der mit Kunz und seinem Knappen Schwei-<lb/>
nitz ins Handgemenge kam und den Ritter &#x201E;weidlich<lb/>
trillerte&#x201C; und gefangen nahm, um ihn dem Abte Li-<lb/>
borius zu Grünhain zur Haft zu überliefern. Kunz<lb/>
ward mit Schweinitz unter scharfer Wache an den kur-<lb/>
fürstlichen Vogt nach Zwickau abgeliefert und Georg<lb/>
Schmidt führte den Prinzen im Triumphzuge seinen<lb/>
Ältern zu, welche den Köhler mit dem Freigute Eckarts-<lb/>
bach, mit einem alljährlichen Getreideschutte sowie mit<lb/>
dem Rechte, frei Kohlen zu brennen, beschenkten.</p><lb/>
        <p>Mosen und Schönfels, von der Gefangennehmung<lb/>
Kunzens durch Landleute in Kenntniß gesetzt, lieferten<lb/>
den Prinzen Ernst, in der Hoffnung, begnadigt zu<lb/>
werden, an den Amtshauptmann in Zwickau ab, die-<lb/>
ser aber brachte den Prinzen sogleich nach Chemnitz,<lb/>
wo ihn die erfreuten Ältern wieder in Empfang nah-<lb/>
men. Jm ganzen Lande wurde ein Lob= und Dank-<lb/>
fest gehalten. Das kurfürstliche Aelternpaar brachte<lb/><cb n="2"/>
sogleich in der Wallfahrtskirche zu Ebersdorf bei Chem-<lb/>
nitz dem Höchsten den Dank für die glückliche Erret-<lb/>
tung der beiden Prinzen dar; auch wurden in dieser<lb/>
Kirche die Kleider Ernst's und Albert's sowie die des<lb/>
Köhlers zum Andenken aufgehangen <note place="foot" n="*)"> Kurfürst Johann Georg <hi rendition="#aq">II</hi>. ließ die ganz veralteten<lb/>
Kleider nach ihrer ursprünglichen Gestalt durch neue ersetzen,<lb/>
doch auch diese veralteten wieder; mancher Besucher der<lb/>
Kirche nahm sich von denselben ein Stückchen zum Andenken<lb/>
mit und endlich sahen sie so zerlumpt aus, daß sie kein Auge<lb/>
mehr zu ergötzen vermochten. Der Ortspfarrer nahm die<lb/>
Überbleibsel von den Kleidern weg und bewahrt sie nun in<lb/>
einem Kästchen in seiner Wohnung auf.</note> und eine Ge-<lb/>
denktafel gesetzt, welche den Prinzenraub der Nachwelt<lb/>
erzählen sollte. Folgende Übersetzung der lateinischen Verse<lb/>
aus der damaligen Zeit ist noch aufbewahrt worden:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Cunz Kauffung der viel wilde Mann,</l><lb/>
          <l>Wohl auf das Schloß gen Altenborg,</l><lb/>
          <l>Sehr frech und kühn ohn alle Sorg</l><lb/>
          <l>Dem Fürsten allda seine Kind</l><lb/>
          <l>Entführet hat listig und geschwind,</l><lb/>
          <l>Der Kleider noch hie hängen seht</l><lb/>
          <l>Ein jeder der fürüber geht,</l><lb/>
          <l>Die dazumahl bald nach der That</l><lb/>
          <l>Der Vater hergehänget hat.</l>
        </lg><lb/>
        <p>Kunz von Kaufungen wurde durch 24 Geschwo-<lb/>
rene zum Tode verurtheilt und, da seine Begnadigung<lb/>
zu spät ankam, am 14. Juli 1455 auf dem Ober-<lb/>
markte in Freiberg, wo noch ein viereckiger Stein im<lb/>
Pflaster an die Hinrichtung erinnert, enthauptet. Ein<lb/>
Gleiches geschah dem Bruder Kunzens, Namens Die-<lb/>
trich, sowie dem Knappen Schweinitz und dem Küchen-<lb/>
knecht Schwalbe, welcher durch glühende Zangen und<lb/>
durch Viertheilung noch viele Qualen zu ertragen hatte.</p><lb/>
        <p>Ein Volksdichter des 15. Jahrhunderts fertigte<lb/>
über den Prinzenraub ein Lied, welches lange Zeit<lb/>
hindurch Volkslied blieb und besonders von den Berg-<lb/>
leuten gern gesungen wurde. Wir theilen dasselbe als<lb/>
ein interessantes Vermächtniß vergangener Jahrhun-<lb/>
derte unsern Lesern zum Schlusse gern mit:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Wir wollen ein Liedel heben an</l><lb/>
            <l>Was sich hot angespunnen,</l><lb/>
            <l>Wie's in dem Pleißnerland gar schlecht war bestallt,</l><lb/>
            <l>Als sein Jungen Fürsten geschah groß Gewalt</l><lb/>
            <l>Durch den Kunzen von Kauffungen, ja Kauffungen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Der Adler hat uff den Fels gebaut</l><lb/>
            <l>Ein schönes Nest mit Jungen</l><lb/>
            <l>Und wie er einst ware geflogen aus,</l><lb/>
            <l>Holte ein Geyer die jungen Vögel raus</l><lb/>
            <l>Drauf ward's Nest leer gefungen, ja gefungen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Wo der Geyer uff dem Dache sitzt</l><lb/>
            <l>Da trugen die Küchlein selten,</l><lb/>
            <l>Es war mein werle ein seltzam Narrenspiel,</l><lb/>
            <l>Welcher Fürst sein Räthen getraut so viel,</l><lb/>
            <l>Muß oft der Herr selbst entgelten, ja entgelten.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Altenborg, du bist zwar eine feine Stadt,</l><lb/>
            <l>Dich thät er mit Untreu meinen,</l><lb/>
            <l>Da in dir waren alle Hoflüt rauschend voll</l><lb/>
            <l>Qvam ( kam ) Cuntze mit Lytern und Buben toll</l><lb/>
            <l>Und holte die Försten so kleine, ja so kleine.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Was blast dich Cuntz för Unlust an,</l><lb/>
            <l>Daß du ins Schloß nein steigest,</l><lb/>
            <l>Du stylst die zarten Herren raus</l><lb/>
            <l>Als der Churförst eben war nit zu Hauß,</l><lb/>
            <l>Die zarten Försten=Zweige, ja Försten=Zweige.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="6">
            <l>Es war wohl als ein Wunderding,</l><lb/>
            <l>Wie sich das Land beweget.</l><lb/>
            <l>Was da uff allen Straßen waren för Leut,</l><lb/>
            <l>Die den Räubern nachfolgeten in Zeyt,</l><lb/>
            <l>Alls wibbelt, kiribbelt, sich bereget, ja bereget.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="7">
            <l>Jm Walde dort ward Cuntz ertapt,</l><lb/>
            <l>Da wolt he Beeren naschen,</l><lb/>
            <cb type="end"/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0006] 382 Höfelinge gewesen, und uffs Schloß daczumalen allyn der oldte Eßmus drabandten Dynst, wellicher ast yn- geschleffert magk werden, der Pforthyner ist lagerich krank, kann ich uch nicht pergin, in gelubner treuwe Uch selber gewertiglich zu dynen und ewre Anstaltungk gewartin. Darnach Jhr Uch zu richten. Datum Alden- burg, am Samstag nach Unser Frauentage, A. W. Hans Schwalbe. Dieser nach Kohren geschriebene Brief war das Signal zu dem frevelhaften Raube. Kunz erschien mit seinen Spießgesellen in Altenburg. Die Räuber kletterten auf einer von Schwalbe herabgeworfenen Strickleiter *) am Schlosse hinauf — es war in der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455 —, fesselten den alten Trabanten, „den oldten Eßmus“, und verriegel- ten die Thüren zu den Gemächern der Kurfürstin Mar- garetha und ihrer Kammerfrauen. Der 14jährige Prinz Ernst erkannte beim Nachtlicht den Kunz, da- her er eine in seinem Gemach mit schlafende Hofdame weckte; Kunz aber gebot ihm mit entblößtem Schwerte Stillschweigen und schleppte ihn in den Schloßhof hinab, während seine Raubgenossen statt des zwölfjährigen Prinzen Albert den neben diesem ruhenden jungen Gra- fen Barby hinabgetragen hatten. Den Jrrthum so- gleich erkennend, eilte Kunz nochmals nach dem Schlosse und schleppte auch, taub gegen die inständigen Bitten der indessen erwachten Kurfurstin den zitternden Al- bert mit fort. Nach dem wohlüberlegten Plane der Räuber soll- ten die Prinzen, um Aufsehen zu vermeiden, auf ver- schiedenen Wegen nach Böhmen gebracht und auf Kunzens dortigen Gütern so lange gefangen gehalten werden, bis der Kurfürst Friedrich sich bereiterklärte, den Anfoderungen des beleidigten Ritters Genüge zu leisten. Der Plan wurde jedoch zum Glück vereitelt. Das Sturmläuten im ganzen Lande und die umher- jagenden Boten und Späher machten die Reise der Räuber sehr bedenklich. Mosen und Schönfels sollten mit Ernst über Zwickau durch das Voigt= und Fran- kenland nach Böhmen gehen, wurden aber schon bei Hartenstein und Schloß Stein bedenklich und verbar- gen sich und den Prinzen in einer engen, feuchten Felshöhle, welche sonst Teufelskluft und später Prin- zenhöhle genannt wurde. Kunz kam bis in den Wald zwischen Elterlein und Grünhain, wo sich Prinz Al- bert dem Kohlenbrenner Georg Schmidt zu erkennen gab, der mit Kunz und seinem Knappen Schwei- nitz ins Handgemenge kam und den Ritter „weidlich trillerte“ und gefangen nahm, um ihn dem Abte Li- borius zu Grünhain zur Haft zu überliefern. Kunz ward mit Schweinitz unter scharfer Wache an den kur- fürstlichen Vogt nach Zwickau abgeliefert und Georg Schmidt führte den Prinzen im Triumphzuge seinen Ältern zu, welche den Köhler mit dem Freigute Eckarts- bach, mit einem alljährlichen Getreideschutte sowie mit dem Rechte, frei Kohlen zu brennen, beschenkten. Mosen und Schönfels, von der Gefangennehmung Kunzens durch Landleute in Kenntniß gesetzt, lieferten den Prinzen Ernst, in der Hoffnung, begnadigt zu werden, an den Amtshauptmann in Zwickau ab, die- ser aber brachte den Prinzen sogleich nach Chemnitz, wo ihn die erfreuten Ältern wieder in Empfang nah- men. Jm ganzen Lande wurde ein Lob= und Dank- fest gehalten. Das kurfürstliche Aelternpaar brachte sogleich in der Wallfahrtskirche zu Ebersdorf bei Chem- nitz dem Höchsten den Dank für die glückliche Erret- tung der beiden Prinzen dar; auch wurden in dieser Kirche die Kleider Ernst's und Albert's sowie die des Köhlers zum Andenken aufgehangen *) und eine Ge- denktafel gesetzt, welche den Prinzenraub der Nachwelt erzählen sollte. Folgende Übersetzung der lateinischen Verse aus der damaligen Zeit ist noch aufbewahrt worden: Cunz Kauffung der viel wilde Mann, Wohl auf das Schloß gen Altenborg, Sehr frech und kühn ohn alle Sorg Dem Fürsten allda seine Kind Entführet hat listig und geschwind, Der Kleider noch hie hängen seht Ein jeder der fürüber geht, Die dazumahl bald nach der That Der Vater hergehänget hat. Kunz von Kaufungen wurde durch 24 Geschwo- rene zum Tode verurtheilt und, da seine Begnadigung zu spät ankam, am 14. Juli 1455 auf dem Ober- markte in Freiberg, wo noch ein viereckiger Stein im Pflaster an die Hinrichtung erinnert, enthauptet. Ein Gleiches geschah dem Bruder Kunzens, Namens Die- trich, sowie dem Knappen Schweinitz und dem Küchen- knecht Schwalbe, welcher durch glühende Zangen und durch Viertheilung noch viele Qualen zu ertragen hatte. Ein Volksdichter des 15. Jahrhunderts fertigte über den Prinzenraub ein Lied, welches lange Zeit hindurch Volkslied blieb und besonders von den Berg- leuten gern gesungen wurde. Wir theilen dasselbe als ein interessantes Vermächtniß vergangener Jahrhun- derte unsern Lesern zum Schlusse gern mit: Wir wollen ein Liedel heben an Was sich hot angespunnen, Wie's in dem Pleißnerland gar schlecht war bestallt, Als sein Jungen Fürsten geschah groß Gewalt Durch den Kunzen von Kauffungen, ja Kauffungen. Der Adler hat uff den Fels gebaut Ein schönes Nest mit Jungen Und wie er einst ware geflogen aus, Holte ein Geyer die jungen Vögel raus Drauf ward's Nest leer gefungen, ja gefungen. Wo der Geyer uff dem Dache sitzt Da trugen die Küchlein selten, Es war mein werle ein seltzam Narrenspiel, Welcher Fürst sein Räthen getraut so viel, Muß oft der Herr selbst entgelten, ja entgelten. Altenborg, du bist zwar eine feine Stadt, Dich thät er mit Untreu meinen, Da in dir waren alle Hoflüt rauschend voll Qvam ( kam ) Cuntze mit Lytern und Buben toll Und holte die Försten so kleine, ja so kleine. Was blast dich Cuntz för Unlust an, Daß du ins Schloß nein steigest, Du stylst die zarten Herren raus Als der Churförst eben war nit zu Hauß, Die zarten Försten=Zweige, ja Försten=Zweige. Es war wohl als ein Wunderding, Wie sich das Land beweget. Was da uff allen Straßen waren för Leut, Die den Räubern nachfolgeten in Zeyt, Alls wibbelt, kiribbelt, sich bereget, ja bereget. Jm Walde dort ward Cuntz ertapt, Da wolt he Beeren naschen, *) Die Leiter war nicht aus Stricken, sondern aus Le- derriemen gemacht, in welche die Holzsprossen eingezwängt wurden. *) Kurfürst Johann Georg II. ließ die ganz veralteten Kleider nach ihrer ursprünglichen Gestalt durch neue ersetzen, doch auch diese veralteten wieder; mancher Besucher der Kirche nahm sich von denselben ein Stückchen zum Andenken mit und endlich sahen sie so zerlumpt aus, daß sie kein Auge mehr zu ergötzen vermochten. Der Ortspfarrer nahm die Überbleibsel von den Kleidern weg und bewahrt sie nun in einem Kästchen in seiner Wohnung auf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig100_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig100_1854/6
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 100. Leipzig (Sachsen), 30. November 1854, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig100_1854/6>, abgerufen am 16.07.2024.