Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 110. Leipzig (Sachsen), 8. Frebruar 1855.

Bild:
erste Seite
Das Pfennig=Magazin
für
Belehrung und Unterhaltung.


Nr. 110. ] Dritte Folge. Dritter Jahrgang. [ 8. Februar 1855.


Das Zwingli=Denkmal bei Cappel.
[Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]

Unweit Cappel ist eine stille, einsame Stelle, welche
durch die Erinnerungen, die an ihr haften, classisch
geworden ist, ein heiliger Boden, dem die schweigende
Umgebung den Charakter des Ernstes aufdrückt. Hier
fiel Ulrich Zwingli, unter den Reformatoren einer der
mildesten in der traurigen Religionsfehde, die auch in
der Schweiz sich an den Kampf der Geister knüpfte.
Jm Jahre 1529 schon standen sich hier die Kriegs-
scharen beider Religionsparteien gegenüber; noch ein-
mal kam es zu einem Vergleiche. Aber der Unfrieden
glimmte fort. Die fünf katholischen Cantone waren
wohl vorbereitet; Zürich und Bern hatten alle Gegen-
anstalten vernachlässigt. Am 11. October 1531 kam
es zur Schlacht. Ein Theil der Züricher war erst am
Tage der Schlacht aus der Stadt herbeigeeilt, unter
ihnen Zwingli, der auf Befehl des Raths mitziehen
mußte und während der Schlacht in den vordersten
Reihen stand. Die Berner waren zurückgeblieben; 1500
zum Theil ermüdete Züricher hatten den Angriff der
fünffach überlegenen Gegner zu ertragen. Von einem
Speere getroffen und nicht im Stande, fortzukommen,
rief Zwingli: "Welch ein Unglück ist denn das? Den
Leib können sie wol tödten, aber die Seele nicht!" Er
blieb betend unter den Erschlagenen liegen; plündernde
[Spaltenumbruch] Feinde erstachen ihn auf seine stumme Weigerung, die
Mutter Gottes und die Heiligen um Gnade bei Gott
zu bitten. Erst am folgenden Tage ward Zwingli's
Leichnam erkannt; der siegende Haufe verlangte noch
an dem Todten Rache und der Scharfrichter von Lu-
zern mußte seinen Leib viertheilen und verbrennen; selbst
die Asche wurde noch verunreinigt. Bis zum Jahre
1838 bezeichnete ein Baum, aber nicht mehr der ur-
sprüngliche Zwinglibaum die Stelle, wo der große Re-
formator den Tod gefunden; in genanntem Jahre aber
wurde auf ihr ein Denkmal errichtet, aus zwei schwe-
ren Granitstücken auf einem halbmondförmigen etwas
erhöhten Platze. Von zwei in den Stein eingelassenen
eisernen Tafeln trägt die eine folgende Jnschrift: " Hic
Udalricus Zwinglius, post sedecim a Christo nato
saecula liberae ecclesiae Christianae una cum Mar-
tino Luthero conditor, pro vero et pro patria etiam
cum fratribus fortiter pugnans, immortalitatis certus,
occidit die XI. M. Octobris MDXXXI
." Die Jn-
schrift der andern Seite lautet: "Den Leib können sie
tödten, nicht aber die Seele." So sprach an dieser
Stätte Ulrich Zwingli, für Wahrheit und der christli-
chen Kirche Freiheit den Heldentod sterbend, den
11. October 1531.

[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin
für
Belehrung und Unterhaltung.


Nr. 110. ] Dritte Folge. Dritter Jahrgang. [ 8. Februar 1855.


Das Zwingli=Denkmal bei Cappel.
[Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]

Unweit Cappel ist eine stille, einsame Stelle, welche
durch die Erinnerungen, die an ihr haften, classisch
geworden ist, ein heiliger Boden, dem die schweigende
Umgebung den Charakter des Ernstes aufdrückt. Hier
fiel Ulrich Zwingli, unter den Reformatoren einer der
mildesten in der traurigen Religionsfehde, die auch in
der Schweiz sich an den Kampf der Geister knüpfte.
Jm Jahre 1529 schon standen sich hier die Kriegs-
scharen beider Religionsparteien gegenüber; noch ein-
mal kam es zu einem Vergleiche. Aber der Unfrieden
glimmte fort. Die fünf katholischen Cantone waren
wohl vorbereitet; Zürich und Bern hatten alle Gegen-
anstalten vernachlässigt. Am 11. October 1531 kam
es zur Schlacht. Ein Theil der Züricher war erst am
Tage der Schlacht aus der Stadt herbeigeeilt, unter
ihnen Zwingli, der auf Befehl des Raths mitziehen
mußte und während der Schlacht in den vordersten
Reihen stand. Die Berner waren zurückgeblieben; 1500
zum Theil ermüdete Züricher hatten den Angriff der
fünffach überlegenen Gegner zu ertragen. Von einem
Speere getroffen und nicht im Stande, fortzukommen,
rief Zwingli: „Welch ein Unglück ist denn das? Den
Leib können sie wol tödten, aber die Seele nicht!“ Er
blieb betend unter den Erschlagenen liegen; plündernde
[Spaltenumbruch] Feinde erstachen ihn auf seine stumme Weigerung, die
Mutter Gottes und die Heiligen um Gnade bei Gott
zu bitten. Erst am folgenden Tage ward Zwingli's
Leichnam erkannt; der siegende Haufe verlangte noch
an dem Todten Rache und der Scharfrichter von Lu-
zern mußte seinen Leib viertheilen und verbrennen; selbst
die Asche wurde noch verunreinigt. Bis zum Jahre
1838 bezeichnete ein Baum, aber nicht mehr der ur-
sprüngliche Zwinglibaum die Stelle, wo der große Re-
formator den Tod gefunden; in genanntem Jahre aber
wurde auf ihr ein Denkmal errichtet, aus zwei schwe-
ren Granitstücken auf einem halbmondförmigen etwas
erhöhten Platze. Von zwei in den Stein eingelassenen
eisernen Tafeln trägt die eine folgende Jnschrift: „ Hic
Udalricus Zwinglius, post sedecim a Christo nato
saecula liberae ecclesiae Christianae una cum Mar-
tino Luthero conditor, pro vero et pro patria etiam
cum fratribus fortiter pugnans, immortalitatis certus,
occidit die XI. M. Octobris MDXXXI
.“ Die Jn-
schrift der andern Seite lautet: „Den Leib können sie
tödten, nicht aber die Seele.“ So sprach an dieser
Stätte Ulrich Zwingli, für Wahrheit und der christli-
chen Kirche Freiheit den Heldentod sterbend, den
11. October 1531.

[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0001" n="[41]"/>
      <titlePage type="heading">
        <docTitle>
          <titlePart type="main"> <hi rendition="#c #fr">Das Pfennig=Magazin<lb/>
für<lb/><hi rendition="#g">Belehrung und Unterhaltung</hi>.</hi> </titlePart>
        </docTitle><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <docImprint><hi rendition="#fr">Nr</hi>. 110. ] <hi rendition="#c">Dritte Folge. Dritter Jahrgang.</hi><docDate><hi rendition="#right">[ 8. <hi rendition="#g">Februar</hi> 1855.</hi></docDate></docImprint>
      </titlePage><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </front>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Das Zwingli=Denkmal bei Cappel.</hi> </head><lb/>
        <figure/><lb/>
        <cb type="start"/>
        <p><hi rendition="#in">U</hi>nweit Cappel ist eine stille, einsame Stelle, welche<lb/>
durch die Erinnerungen, die an ihr haften, classisch<lb/>
geworden ist, ein heiliger Boden, dem die schweigende<lb/>
Umgebung den Charakter des Ernstes aufdrückt. Hier<lb/>
fiel Ulrich Zwingli, unter den Reformatoren einer der<lb/>
mildesten in der traurigen Religionsfehde, die auch in<lb/>
der Schweiz sich an den Kampf der Geister knüpfte.<lb/>
Jm Jahre 1529 schon standen sich hier die Kriegs-<lb/>
scharen beider Religionsparteien gegenüber; noch ein-<lb/>
mal kam es zu einem Vergleiche. Aber der Unfrieden<lb/>
glimmte fort. Die fünf katholischen Cantone waren<lb/>
wohl vorbereitet; Zürich und Bern hatten alle Gegen-<lb/>
anstalten vernachlässigt. Am 11. October 1531 kam<lb/>
es zur Schlacht. Ein Theil der Züricher war erst am<lb/>
Tage der Schlacht aus der Stadt herbeigeeilt, unter<lb/>
ihnen Zwingli, der auf Befehl des Raths mitziehen<lb/>
mußte und während der Schlacht in den vordersten<lb/>
Reihen stand. Die Berner waren zurückgeblieben; 1500<lb/>
zum Theil ermüdete Züricher hatten den Angriff der<lb/>
fünffach überlegenen Gegner zu ertragen. Von einem<lb/>
Speere getroffen und nicht im Stande, fortzukommen,<lb/>
rief Zwingli: &#x201E;Welch ein Unglück ist denn das? Den<lb/>
Leib können sie wol tödten, aber die Seele nicht!&#x201C; Er<lb/>
blieb betend unter den Erschlagenen liegen; plündernde<lb/><cb n="2"/>
Feinde erstachen ihn auf seine stumme Weigerung, die<lb/>
Mutter Gottes und die Heiligen um Gnade bei Gott<lb/>
zu bitten. Erst am folgenden Tage ward Zwingli's<lb/>
Leichnam erkannt; der siegende Haufe verlangte noch<lb/>
an dem Todten Rache und der Scharfrichter von Lu-<lb/>
zern mußte seinen Leib viertheilen und verbrennen; selbst<lb/>
die Asche wurde noch verunreinigt. Bis zum Jahre<lb/>
1838 bezeichnete ein Baum, aber nicht mehr der ur-<lb/>
sprüngliche Zwinglibaum die Stelle, wo der große Re-<lb/>
formator den Tod gefunden; in genanntem Jahre aber<lb/>
wurde auf ihr ein Denkmal errichtet, aus zwei schwe-<lb/>
ren Granitstücken auf einem halbmondförmigen etwas<lb/>
erhöhten Platze. Von zwei in den Stein eingelassenen<lb/>
eisernen Tafeln trägt die eine folgende Jnschrift: &#x201E; <hi rendition="#aq">Hic<lb/>
Udalricus Zwinglius, post sedecim a Christo nato<lb/>
saecula liberae ecclesiae Christianae una cum Mar-<lb/>
tino Luthero conditor, pro vero et pro patria etiam<lb/>
cum fratribus fortiter pugnans, immortalitatis certus,<lb/>
occidit die XI. M. Octobris MDXXXI</hi>.&#x201C; Die Jn-<lb/>
schrift der andern Seite lautet: &#x201E;Den Leib können sie<lb/>
tödten, nicht aber die Seele.&#x201C; So sprach an dieser<lb/>
Stätte Ulrich Zwingli, für Wahrheit und der christli-<lb/>
chen Kirche Freiheit den Heldentod sterbend, den<lb/>
11. October 1531.</p>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[41]/0001] Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Nr. 110. ] Dritte Folge. Dritter Jahrgang. [ 8. Februar 1855. Das Zwingli=Denkmal bei Cappel. [Abbildung] Unweit Cappel ist eine stille, einsame Stelle, welche durch die Erinnerungen, die an ihr haften, classisch geworden ist, ein heiliger Boden, dem die schweigende Umgebung den Charakter des Ernstes aufdrückt. Hier fiel Ulrich Zwingli, unter den Reformatoren einer der mildesten in der traurigen Religionsfehde, die auch in der Schweiz sich an den Kampf der Geister knüpfte. Jm Jahre 1529 schon standen sich hier die Kriegs- scharen beider Religionsparteien gegenüber; noch ein- mal kam es zu einem Vergleiche. Aber der Unfrieden glimmte fort. Die fünf katholischen Cantone waren wohl vorbereitet; Zürich und Bern hatten alle Gegen- anstalten vernachlässigt. Am 11. October 1531 kam es zur Schlacht. Ein Theil der Züricher war erst am Tage der Schlacht aus der Stadt herbeigeeilt, unter ihnen Zwingli, der auf Befehl des Raths mitziehen mußte und während der Schlacht in den vordersten Reihen stand. Die Berner waren zurückgeblieben; 1500 zum Theil ermüdete Züricher hatten den Angriff der fünffach überlegenen Gegner zu ertragen. Von einem Speere getroffen und nicht im Stande, fortzukommen, rief Zwingli: „Welch ein Unglück ist denn das? Den Leib können sie wol tödten, aber die Seele nicht!“ Er blieb betend unter den Erschlagenen liegen; plündernde Feinde erstachen ihn auf seine stumme Weigerung, die Mutter Gottes und die Heiligen um Gnade bei Gott zu bitten. Erst am folgenden Tage ward Zwingli's Leichnam erkannt; der siegende Haufe verlangte noch an dem Todten Rache und der Scharfrichter von Lu- zern mußte seinen Leib viertheilen und verbrennen; selbst die Asche wurde noch verunreinigt. Bis zum Jahre 1838 bezeichnete ein Baum, aber nicht mehr der ur- sprüngliche Zwinglibaum die Stelle, wo der große Re- formator den Tod gefunden; in genanntem Jahre aber wurde auf ihr ein Denkmal errichtet, aus zwei schwe- ren Granitstücken auf einem halbmondförmigen etwas erhöhten Platze. Von zwei in den Stein eingelassenen eisernen Tafeln trägt die eine folgende Jnschrift: „ Hic Udalricus Zwinglius, post sedecim a Christo nato saecula liberae ecclesiae Christianae una cum Mar- tino Luthero conditor, pro vero et pro patria etiam cum fratribus fortiter pugnans, immortalitatis certus, occidit die XI. M. Octobris MDXXXI.“ Die Jn- schrift der andern Seite lautet: „Den Leib können sie tödten, nicht aber die Seele.“ So sprach an dieser Stätte Ulrich Zwingli, für Wahrheit und der christli- chen Kirche Freiheit den Heldentod sterbend, den 11. October 1531.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig110_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig110_1855/1
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 110. Leipzig (Sachsen), 8. Frebruar 1855, S. [41]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig110_1855/1>, abgerufen am 21.11.2024.