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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 117. Leipzig (Sachsen), 29. März 1855.

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[Beginn Spaltensatz] der Kaiser dem Volke, daß jede Hand ihn berühren
konnte.

Die Feier des 15. August 1854, obschon ebenfalls
glänzend und glücklich, doch minder reich als die des
vorhergegangenen Jahres, entbehrte die Gegenwart des
Kaisers, welchen die damaligen Ereignisse in Spanien
zu einer Reise in die angrenzenden Provinzen bewogen
hatten. Er fehlte dem Feste, aber die Erinnerung an
ihn fehlte nicht, und je lauter das Bedauern seiner
Abwesenheit sich äußerte, desto weniger konnte ein
Zweifel bleiben, daß eine in den Herzen der Pariser
fester gewurzelte Liebe ihn mit gesteigerter Huldigung
begrüßt haben würde.

Zwei Monate vorher hatte auf dem Marsfelde eine
Ausstellung landwirthschaftlicher Gegenstände stattge-
funden. Am letzten Tage unmittelbar nach Verthei-
lung der Preise fuhren der Kaiser und die Kaiserin
vor. Keine Empfangsvorbereitung hatte ihr Kommen
erwarten lassen und die Anwesenden gehörten meist
andern Ständen an als Diejenigen waren, welche hier
am 15. August 1853 den Herrscher mit Jubel be-
grüßt hatten. Doch übte das Erscheinen der Majestä-
ten gleiche Wirkung, nur daß häufiger als damals
dem " Vive l'Empereur!" ein " Vive l'Imperatrice!"
sich anschloß.

Begleitet vom Minister für Ackerbau, welcher die
Preise vertheilt hatte, und von den Geschworenen,
welche sie zuerkannt, gingen Kaiser und Kaiserin die
Verschläge hinab, in denen erst das Geflügel, dann
die Schafe, dann das Borsten=, dann das Klauen-
vieh eingepfercht waren, und kehrten längs der Reihen
zurück, welche Agriculturgeräthe und landwirthschaft-
liche Erzeugnisse bildeten. Alle Departements Frank-
reichs waren durch Landwirthe vertreten und Jeder
hatte sich eiligst an den seinen Producten angewiesenen
Platz begeben. Welcher Ausdruck innigster Befriedi-
gung auf diesen ehrlichen Gesichtern, daß Kaiser und
Kaiserin zu ihnen kamen! Wie hell und glücklich strahl-
ten die Augen, wenn Kaiser und Kaiserin ihren Gruß
erwiderten, und mit welch verdoppeltem Stolze blickte
der Eine auf sein blütenweißes Schäfchen, das die
Kaiserin gestreichelt, ein Anderer auf seinen Stier,
dem der Kaiser den sehnigen Hals geklopft hatte! Sie
Alle kannten wol schon den Kaiser, mochten ihn im
Bilde oder bereits von Person gesehen haben. Doch
jetzt stand er vor ihnen, neben ihnen, zu seiner Seite
die Kaiserin, und Jeder schien die Züge sich einprä-
gen, sie für Weib und Kind mit nach Hause nehmen
zu wollen. Ein Bretagner, dem der Kaiser zu dem
erhaltenen Preise Glück gewünscht und die Hand ge-
drückt hatte, hob seinen Knaben, der sich an ihn ge-
schmiegt, hoch empor, zeigte ihm den Kaiser und
sagte: "Schau den Mann, der uns und Frankreich
gerettet!"



Ein Opfer falschen Verdachts.

Vor etwa zehn Jahren traf ein Viehhändler aus
Prag in einem bekannten Gasthause zu Chl-- gerade
zu einer Zeit ein, als daselbst die Hochzeit der Wirths-
tochter gefeiert wurde. Aufgefodert, ein Ehrentänz-
chen mitzumachen, übergab er seinen mit 4000 Fl.
C.=M. gefüllten Leibledergurt einem neben ihm ste-
[Spaltenumbruch] henden Fleischer des Orts zur Aufbewahrung. Nach
einigen Stunden übernahm er den Gurt, begab sich
in sein Schlafgemach, legte den Gurt, ohne den Jn-
halt weiter zu prüfen, neben sich auf einen Stuhl,
sperrte die Thür ab und schlief bald fest ein. Zeitig
Morgens schnallte er den Gurt um und reiste nach
P. auf den Markt. Nach gemachten Einkäufen wollte
er zahlen, doch wer malt seinen Schrecken, als er in
dem Gurte statt 4000 Fl. C.=M. -- ein Packet Ci-
garren sindet!

Er fuhr sogleich nach Chl-- zurück, stellte den
Fleischer zur Rede, welcher trotz alles Leugnens, den
Gurt geöffnet und auch nur seinen Jnhalt gekannt zu
haben, dem Gericht übergeben wurde. Nach 18monat-
licher Haft mußte man ihn wegen Mangels an Be-
weisen wieder entlassen; er starb aber bald darauf,
eine arme Witwe mit unversorgten Kindern hinter-
lassend. Vor einigen Wochen wurde der Viehhändler
zum Gerichte in Chl-- vorgeladen und demselben er-
öffnet, daß der Dieb jener 4000 Fl. ermittelt sei und
ihm dieser Betrag ausgefolgt werden könne. Voll
Erstaunen vernahm er, daß der Hausknecht in dem
Gasthofe zu Chl-- damals den Diebstahl verübt habe,
indem von diesem das Gemach des fest Schlafenden
mit einem Nachschlüssel geöffnet, der Jnhalt des Gurts
herausgenommen und an dessen Stelle die Cigarren
hineingesteckt worden seien.

Erst nach einem so langen Zeitraume wurde diese
That gelegentlich eines neuen Diebstahls in Mähren
entdeckt, wo der Thäter ein ansehnliches Wirthshaus
besaß. Der Viehhändler, der seinen Verlust längst
verschmerzt hatte, übergab den ganzen Betrag der
Witwe jenes unglücklichen Fleischers.



Naturanschauungen australischer Eingeborener.

Auch der schwarze Mensch Australiens betrachtet die
Sterne vermenschlicht. Die Sonne ist ihm eine Frau,
die, wenn sie untergeht, die Wohnplätze der Todten
passirt; so ist die Nacht durch das dunkle Grab er-
klärt. Nähert sich aber die Sonne wieder, so versam-
meln sich die Männer bei den Todten und theilen sich
in zwei Massen -- Morgen und Abend --, um durch
sie hindurchzugehen. Von den Männern eingeladen,
bei ihnen zu bleiben, nimmt es die Sonne nur auf
kurze Zeit an, da sie sich sofort zu ihrer Weiterreise
zu rüsten hat. Die Männer sind nicht undankbar; die
Sonne erhält von ihnen ein rothes Känguruhfell ( Mor-
gen- und Abendröthe ) . Auch der Mond ist eine
Frau. Von den Männern aufgehalten, wird sie im-
mer magerer, zuletzt wie ein Skelett. Sie verbirgt
sich für einige Zeit, um in der Einsamkeit durch den
Genuß von Wurzeln wieder zuzunehmen; so ist der
Mondwechsel erklärt. Die Sterne waren früher Men-
schen; sie verlassen ihre Hütten nur des Abends, neh-
men aber in ihren Wohnungen dieselben Verrichtun-
gen wieder vor, die sie auf Erden hatten. So lassen
sie die Milchstraße aus einer Reihe von Hütten beste-
hen, deren Rauch das Nebelhafte dieser Straße bildet.



[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] der Kaiser dem Volke, daß jede Hand ihn berühren
konnte.

Die Feier des 15. August 1854, obschon ebenfalls
glänzend und glücklich, doch minder reich als die des
vorhergegangenen Jahres, entbehrte die Gegenwart des
Kaisers, welchen die damaligen Ereignisse in Spanien
zu einer Reise in die angrenzenden Provinzen bewogen
hatten. Er fehlte dem Feste, aber die Erinnerung an
ihn fehlte nicht, und je lauter das Bedauern seiner
Abwesenheit sich äußerte, desto weniger konnte ein
Zweifel bleiben, daß eine in den Herzen der Pariser
fester gewurzelte Liebe ihn mit gesteigerter Huldigung
begrüßt haben würde.

Zwei Monate vorher hatte auf dem Marsfelde eine
Ausstellung landwirthschaftlicher Gegenstände stattge-
funden. Am letzten Tage unmittelbar nach Verthei-
lung der Preise fuhren der Kaiser und die Kaiserin
vor. Keine Empfangsvorbereitung hatte ihr Kommen
erwarten lassen und die Anwesenden gehörten meist
andern Ständen an als Diejenigen waren, welche hier
am 15. August 1853 den Herrscher mit Jubel be-
grüßt hatten. Doch übte das Erscheinen der Majestä-
ten gleiche Wirkung, nur daß häufiger als damals
dem „ Vive l'Empereur!“ ein „ Vive l'Impératrice!“
sich anschloß.

Begleitet vom Minister für Ackerbau, welcher die
Preise vertheilt hatte, und von den Geschworenen,
welche sie zuerkannt, gingen Kaiser und Kaiserin die
Verschläge hinab, in denen erst das Geflügel, dann
die Schafe, dann das Borsten=, dann das Klauen-
vieh eingepfercht waren, und kehrten längs der Reihen
zurück, welche Agriculturgeräthe und landwirthschaft-
liche Erzeugnisse bildeten. Alle Departements Frank-
reichs waren durch Landwirthe vertreten und Jeder
hatte sich eiligst an den seinen Producten angewiesenen
Platz begeben. Welcher Ausdruck innigster Befriedi-
gung auf diesen ehrlichen Gesichtern, daß Kaiser und
Kaiserin zu ihnen kamen! Wie hell und glücklich strahl-
ten die Augen, wenn Kaiser und Kaiserin ihren Gruß
erwiderten, und mit welch verdoppeltem Stolze blickte
der Eine auf sein blütenweißes Schäfchen, das die
Kaiserin gestreichelt, ein Anderer auf seinen Stier,
dem der Kaiser den sehnigen Hals geklopft hatte! Sie
Alle kannten wol schon den Kaiser, mochten ihn im
Bilde oder bereits von Person gesehen haben. Doch
jetzt stand er vor ihnen, neben ihnen, zu seiner Seite
die Kaiserin, und Jeder schien die Züge sich einprä-
gen, sie für Weib und Kind mit nach Hause nehmen
zu wollen. Ein Bretagner, dem der Kaiser zu dem
erhaltenen Preise Glück gewünscht und die Hand ge-
drückt hatte, hob seinen Knaben, der sich an ihn ge-
schmiegt, hoch empor, zeigte ihm den Kaiser und
sagte: „Schau den Mann, der uns und Frankreich
gerettet!“



Ein Opfer falschen Verdachts.

Vor etwa zehn Jahren traf ein Viehhändler aus
Prag in einem bekannten Gasthause zu Chl— gerade
zu einer Zeit ein, als daselbst die Hochzeit der Wirths-
tochter gefeiert wurde. Aufgefodert, ein Ehrentänz-
chen mitzumachen, übergab er seinen mit 4000 Fl.
C.=M. gefüllten Leibledergurt einem neben ihm ste-
[Spaltenumbruch] henden Fleischer des Orts zur Aufbewahrung. Nach
einigen Stunden übernahm er den Gurt, begab sich
in sein Schlafgemach, legte den Gurt, ohne den Jn-
halt weiter zu prüfen, neben sich auf einen Stuhl,
sperrte die Thür ab und schlief bald fest ein. Zeitig
Morgens schnallte er den Gurt um und reiste nach
P. auf den Markt. Nach gemachten Einkäufen wollte
er zahlen, doch wer malt seinen Schrecken, als er in
dem Gurte statt 4000 Fl. C.=M. — ein Packet Ci-
garren sindet!

Er fuhr sogleich nach Chl— zurück, stellte den
Fleischer zur Rede, welcher trotz alles Leugnens, den
Gurt geöffnet und auch nur seinen Jnhalt gekannt zu
haben, dem Gericht übergeben wurde. Nach 18monat-
licher Haft mußte man ihn wegen Mangels an Be-
weisen wieder entlassen; er starb aber bald darauf,
eine arme Witwe mit unversorgten Kindern hinter-
lassend. Vor einigen Wochen wurde der Viehhändler
zum Gerichte in Chl— vorgeladen und demselben er-
öffnet, daß der Dieb jener 4000 Fl. ermittelt sei und
ihm dieser Betrag ausgefolgt werden könne. Voll
Erstaunen vernahm er, daß der Hausknecht in dem
Gasthofe zu Chl— damals den Diebstahl verübt habe,
indem von diesem das Gemach des fest Schlafenden
mit einem Nachschlüssel geöffnet, der Jnhalt des Gurts
herausgenommen und an dessen Stelle die Cigarren
hineingesteckt worden seien.

Erst nach einem so langen Zeitraume wurde diese
That gelegentlich eines neuen Diebstahls in Mähren
entdeckt, wo der Thäter ein ansehnliches Wirthshaus
besaß. Der Viehhändler, der seinen Verlust längst
verschmerzt hatte, übergab den ganzen Betrag der
Witwe jenes unglücklichen Fleischers.



Naturanschauungen australischer Eingeborener.

Auch der schwarze Mensch Australiens betrachtet die
Sterne vermenschlicht. Die Sonne ist ihm eine Frau,
die, wenn sie untergeht, die Wohnplätze der Todten
passirt; so ist die Nacht durch das dunkle Grab er-
klärt. Nähert sich aber die Sonne wieder, so versam-
meln sich die Männer bei den Todten und theilen sich
in zwei Massen — Morgen und Abend —, um durch
sie hindurchzugehen. Von den Männern eingeladen,
bei ihnen zu bleiben, nimmt es die Sonne nur auf
kurze Zeit an, da sie sich sofort zu ihrer Weiterreise
zu rüsten hat. Die Männer sind nicht undankbar; die
Sonne erhält von ihnen ein rothes Känguruhfell ( Mor-
gen- und Abendröthe ) . Auch der Mond ist eine
Frau. Von den Männern aufgehalten, wird sie im-
mer magerer, zuletzt wie ein Skelett. Sie verbirgt
sich für einige Zeit, um in der Einsamkeit durch den
Genuß von Wurzeln wieder zuzunehmen; so ist der
Mondwechsel erklärt. Die Sterne waren früher Men-
schen; sie verlassen ihre Hütten nur des Abends, neh-
men aber in ihren Wohnungen dieselben Verrichtun-
gen wieder vor, die sie auf Erden hatten. So lassen
sie die Milchstraße aus einer Reihe von Hütten beste-
hen, deren Rauch das Nebelhafte dieser Straße bildet.



[Ende Spaltensatz]
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Auch der schwarze Mensch Australiens betrachtet die Sterne vermenschlicht. Die Sonne ist ihm eine Frau, die, wenn sie untergeht, die Wohnplätze der Todten passirt; so ist die Nacht durch das dunkle Grab er- klärt. Nähert sich aber die Sonne wieder, so versam- meln sich die Männer bei den Todten und theilen sich in zwei Massen — Morgen und Abend —, um durch sie hindurchzugehen. Von den Männern eingeladen, bei ihnen zu bleiben, nimmt es die Sonne nur auf kurze Zeit an, da sie sich sofort zu ihrer Weiterreise zu rüsten hat. Die Männer sind nicht undankbar; die Sonne erhält von ihnen ein rothes Känguruhfell ( Mor- gen- und Abendröthe ) . Auch der Mond ist eine Frau. Von den Männern aufgehalten, wird sie im- mer magerer, zuletzt wie ein Skelett. Sie verbirgt sich für einige Zeit, um in der Einsamkeit durch den Genuß von Wurzeln wieder zuzunehmen; so ist der Mondwechsel erklärt. Die Sterne waren früher Men- schen; sie verlassen ihre Hütten nur des Abends, neh- men aber in ihren Wohnungen dieselben Verrichtun- gen wieder vor, die sie auf Erden hatten. So lassen sie die Milchstraße aus einer Reihe von Hütten beste- hen, deren Rauch das Nebelhafte dieser Straße bildet.

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 117. Leipzig (Sachsen), 29. März 1855, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig117_1855/3>, abgerufen am 21.11.2024.