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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 175. Leipzig (Sachsen), 6. August 1836.

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Das Pfennig=Magazin
der
Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse.


Nr. 175. ] Erscheint jeden Sonnabend. [August 6, 1836.


Evora. [Abbildung] Der Dianentempel in Evora.
[Beginn Spaltensatz]

Evora ist die Hauptstadt der schönen portugiesischen
Provinz Alemtejo. Die alte Stadt stand wahrscheinlich
schon zu der Zeit, wo die Phönizier auf der pyrenäischen
Halbinsel angesiedelt waren, und als 80 Jahre v. Chr. der
Römer Quintus Sertorius, welcher vor dem in Rom all-
mächtigen Sylla fliehen mußte, in Spanien und Portugal
eine unabhängige Herrschaft zu gründen suchte, befestigte er
Evora und zierte es mit mehren öffentlichen Gebäuden.
Julius Cäsar vergrößerte die Stadt, die den Namen Libe-
ralitas Julia erhielt, gewöhnlich aber von den Römern
Ebura genannt wurde. Sie wurde 715 von den Ara-
bern, den Eroberern der pyrenäischen Halbinsel, unter-
worfen, 1166 von den Christen unter Giraldo, dem
Ritter ohne Furcht, wiedergenommen, dessen Bild, zu
Pferde mit dem Schwerte in einer und zwei Mauren-
köpfen in der andern Hand, noch das Stadtwappen ist.

Die Stadt liegt 15 Meilen von Lissabon reizend
an einer Anhöhe, die fast ganz mit Orangenbäumen,
Ölbäumen, Reben und Obstbäumen bedeckt ist, während
am Fuße des Hügels lachende Getreidefelder sich aus-
breiten, die in der Ferne von alten Korkeichen begrenzt
werden. Sie hat gegen 10,000 Einwohner und ist der
Sitz eines Erzbischofs. Merkwürdig sind besonders ihre
[Spaltenumbruch] Denkmale aus der Römerzeit. Zuerst zieht unsere Blicke
bei dem Eintritte in die Stadt der Dianentempel an.
Die sechs Säulen der Vorderseite von korinthischer Ord-
nung haben nur wenig von der Zeit und von Men-
schenhänden gelitten. Das Gebälke aber ist fast ganz
zerstört. Die spitzigen Zinnen am obern Theile des Ge-
bäudes, wie wir auf vorstehender Abbildung sehen, wur-
den von den Mauren hinzugefügt, die es nie verstan-
den, ihren schönen, aber ganz verschiedenartigen Bauge-
schmack dem Style der Griechen und Römer anzupassen.
Die übrigen Theile des Bauwerkes, das aus feinkörni-
gem harten Granit besteht, haben sich ebenfalls trefflich
erhalten, obgleich wahrscheinlich 18 Jahrhunderte ver-
flossen sind, seit es errichtet wurde. Die Einwohner
haben jedoch das Jnnere des schönen Tempels entweiht,
indem sie es in ein Schlachthaus verwandelten.

Noch großartiger aber ist die römische Wasserleitung
unweit der Stadt, von welcher unsere Abbildung ( S. 256 )
den Theil darstellt, der nach der Stadt hin sich mit einem
runden Castell endigt. Solche Castelle hatten verschie-
dene Zwecke. Sie waren bei langen Wasserleitungen
an verschiedenen Stellen errichtet und mehre derselben
enthielten Quartiere für Soldaten, die zur Beschützung
[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin
der
Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse.


Nr. 175. ] Erscheint jeden Sonnabend. [August 6, 1836.


Evora. [Abbildung] Der Dianentempel in Evora.
[Beginn Spaltensatz]

Evora ist die Hauptstadt der schönen portugiesischen
Provinz Alemtejo. Die alte Stadt stand wahrscheinlich
schon zu der Zeit, wo die Phönizier auf der pyrenäischen
Halbinsel angesiedelt waren, und als 80 Jahre v. Chr. der
Römer Quintus Sertorius, welcher vor dem in Rom all-
mächtigen Sylla fliehen mußte, in Spanien und Portugal
eine unabhängige Herrschaft zu gründen suchte, befestigte er
Evora und zierte es mit mehren öffentlichen Gebäuden.
Julius Cäsar vergrößerte die Stadt, die den Namen Libe-
ralitas Julia erhielt, gewöhnlich aber von den Römern
Ebura genannt wurde. Sie wurde 715 von den Ara-
bern, den Eroberern der pyrenäischen Halbinsel, unter-
worfen, 1166 von den Christen unter Giraldo, dem
Ritter ohne Furcht, wiedergenommen, dessen Bild, zu
Pferde mit dem Schwerte in einer und zwei Mauren-
köpfen in der andern Hand, noch das Stadtwappen ist.

Die Stadt liegt 15 Meilen von Lissabon reizend
an einer Anhöhe, die fast ganz mit Orangenbäumen,
Ölbäumen, Reben und Obstbäumen bedeckt ist, während
am Fuße des Hügels lachende Getreidefelder sich aus-
breiten, die in der Ferne von alten Korkeichen begrenzt
werden. Sie hat gegen 10,000 Einwohner und ist der
Sitz eines Erzbischofs. Merkwürdig sind besonders ihre
[Spaltenumbruch] Denkmale aus der Römerzeit. Zuerst zieht unsere Blicke
bei dem Eintritte in die Stadt der Dianentempel an.
Die sechs Säulen der Vorderseite von korinthischer Ord-
nung haben nur wenig von der Zeit und von Men-
schenhänden gelitten. Das Gebälke aber ist fast ganz
zerstört. Die spitzigen Zinnen am obern Theile des Ge-
bäudes, wie wir auf vorstehender Abbildung sehen, wur-
den von den Mauren hinzugefügt, die es nie verstan-
den, ihren schönen, aber ganz verschiedenartigen Bauge-
schmack dem Style der Griechen und Römer anzupassen.
Die übrigen Theile des Bauwerkes, das aus feinkörni-
gem harten Granit besteht, haben sich ebenfalls trefflich
erhalten, obgleich wahrscheinlich 18 Jahrhunderte ver-
flossen sind, seit es errichtet wurde. Die Einwohner
haben jedoch das Jnnere des schönen Tempels entweiht,
indem sie es in ein Schlachthaus verwandelten.

Noch großartiger aber ist die römische Wasserleitung
unweit der Stadt, von welcher unsere Abbildung ( S. 256 )
den Theil darstellt, der nach der Stadt hin sich mit einem
runden Castell endigt. Solche Castelle hatten verschie-
dene Zwecke. Sie waren bei langen Wasserleitungen
an verschiedenen Stellen errichtet und mehre derselben
enthielten Quartiere für Soldaten, die zur Beschützung
[Ende Spaltensatz]

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 175. Leipzig (Sachsen), 6. August 1836, S. [249]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig175_1836/1>, abgerufen am 17.05.2024.