Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 176. Leipzig (Sachsen), 13. August 1836.Das Pfennig=Magazin. [Beginn Spaltensatz]
mannichfachen Wechsel, der es betroffen hat, sein Aus-sehen ändern mußte, braucht kaum bemerkt zu werden. Roch sieht man in seinem Jnnern die Grabkammer, aber verschwunden sind die es schmückenden Marmor- statuen, die man den anstürmenden Gothen auf die Köpfe warf, und statt ihrer thront die kolossale bron- zene Bildsäule des Erzengels Michael auf der Spitze, da, wo dieser einst dem großen Papste Gregor während der Seuche erschienen sein soll. Von ihr schreibt sich der Name der Engelsburg ( Castel S.=Angelo ) her. Gegenwärtig zum Staatsgefängnisse dienend, und ohne Wichtigkeit als militairischer Punkt, war die Engels- burg von um so größerm Belange im Mittelalter, wo die verschiedenen kämpfenden Parteien sie abwechselnd inne hatten. Am berühmtesten wurde sie durch die Ein- schließung 1527, wo Papst Clemens VII. sich mit ge- nauer Noth dahin flüchtete, als die Truppen des Con- netable von Bourbon die Stadt stürmten und auf ent- setzliche Weise plünderten. Manche unserer Leser wer- den diese Geschichte aus der lebendigen Schilderung ken- nen, welche der florentinische Goldarbeiter und Bild- hauer Benvenuto Cellini ( der sich rühmte, den Conne- table durch einen Schuß getödtet zu haben ) in seiner von Göthe übersetzten Selbstbiographie davon entwirft. Schon war die Rede von der frühern Beschaffenheit Schon in den ältesten Zeiten finden sich Zeugnisse, Wenn der vaticanische Palast auch nicht die Wir- Die berühmten Loggien umgeben auf drei Seiten Das Pfennig=Magazin. [Beginn Spaltensatz]
mannichfachen Wechsel, der es betroffen hat, sein Aus-sehen ändern mußte, braucht kaum bemerkt zu werden. Roch sieht man in seinem Jnnern die Grabkammer, aber verschwunden sind die es schmückenden Marmor- statuen, die man den anstürmenden Gothen auf die Köpfe warf, und statt ihrer thront die kolossale bron- zene Bildsäule des Erzengels Michael auf der Spitze, da, wo dieser einst dem großen Papste Gregor während der Seuche erschienen sein soll. Von ihr schreibt sich der Name der Engelsburg ( Castel S.=Angelo ) her. Gegenwärtig zum Staatsgefängnisse dienend, und ohne Wichtigkeit als militairischer Punkt, war die Engels- burg von um so größerm Belange im Mittelalter, wo die verschiedenen kämpfenden Parteien sie abwechselnd inne hatten. Am berühmtesten wurde sie durch die Ein- schließung 1527, wo Papst Clemens VII. sich mit ge- nauer Noth dahin flüchtete, als die Truppen des Con- netable von Bourbon die Stadt stürmten und auf ent- setzliche Weise plünderten. Manche unserer Leser wer- den diese Geschichte aus der lebendigen Schilderung ken- nen, welche der florentinische Goldarbeiter und Bild- hauer Benvenuto Cellini ( der sich rühmte, den Conne- table durch einen Schuß getödtet zu haben ) in seiner von Göthe übersetzten Selbstbiographie davon entwirft. Schon war die Rede von der frühern Beschaffenheit Schon in den ältesten Zeiten finden sich Zeugnisse, Wenn der vaticanische Palast auch nicht die Wir- Die berühmten Loggien umgeben auf drei Seiten <TEI> <text> <body> <div xml:id="Rom1" type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0002" n="258"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Das Pfennig=Magazin.</hi></fw><cb type="start"/> mannichfachen Wechsel, der es betroffen hat, sein Aus-<lb/> sehen ändern mußte, braucht kaum bemerkt zu werden.<lb/> Roch sieht man in seinem Jnnern die Grabkammer,<lb/> aber verschwunden sind die es schmückenden Marmor-<lb/> statuen, die man den anstürmenden Gothen auf die<lb/> Köpfe warf, und statt ihrer thront die kolossale bron-<lb/> zene Bildsäule des Erzengels Michael auf der Spitze,<lb/> da, wo dieser einst dem großen Papste Gregor während<lb/> der Seuche erschienen sein soll. 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Schritt für Schritt kann man die nach-<lb/> malige Umgestaltung des vaticanischen Hügels unter den<lb/> christlichen Kaisern und unter der Herrschaft der Päpste<lb/> verfolgen, von der Erbauung der ältesten Peterskirche<lb/> durch Kaiser Konstantin den Großen an, wobei ein be-<lb/> deckter Säulengang die Kirche mit dem Mausoleum Ha-<lb/> drian 's verband, bis zum Beginne des Baues der neuen<lb/> Kirche unter Nikolaus <hi rendition="#aq">V</hi>. um die Mitte des 15. Jahr-<lb/> hunderts und den großartigen Werken, welche Julius <hi rendition="#aq">II.,</hi><lb/> Leo <hi rendition="#aq">X</hi>. und ihren Nachfolgern das Dasein verdanken.</p><lb/> <p>Schon in den ältesten Zeiten finden sich Zeugnisse,<lb/> daß die Statthalter Christi neben der Basilika eine Woh-<lb/> nung gründeten, wo sie einen Theil des Jahres, wahr-<lb/> scheinlich die Wintermonate, zubrachten. Die eigent-<lb/> liche Bedeutung des vaticanischen Palastes beginnt aber<lb/> erst, nachdem 1376 das sogenannte babylonische Exil<lb/> der Kirche beendigt war und das lange verlassene Rom<lb/> seine Beherrscher wieder sah. Nikolaus <hi rendition="#aq">V</hi>. wollte auch den<lb/> Palast nach einem riesenhaften Plane bauen, wurde aber<lb/> durch den Tod von der Ausführung abgerufen. Seit-<lb/> dem ward nun unter fast allen Päpsten an dieser Re-<lb/> sidenz gebaut, verändert, zugefügt, erneuert. Der Um-<lb/> fang des ganzen Gebäudes, oder vielmehr der Gebäude-<lb/> masse, kommt dem einer bedeutenden Stadt gleich; die<lb/> Zahl der Säle und Gemächer soll sich auf 11,000 be-<lb/> laufen, welche Menge von einigen Schriftstellern indeß<lb/> auf 1800 und selbst auf 1100 herabgesetzt wird.</p><lb/> <p>Wenn der vaticanische Palast auch nicht die Wir-<lb/> kung eines architektonischen Ganzen gewährt, und, ver-<lb/> möge seines allmäligen Entstehens und seiner zahlreichen<lb/> Umgestaltungen, eine solche nicht gewähren kann, so im-<lb/> ponirt er doch durch seine gewaltigen Massen und entspricht<lb/> dem Begriffe von der Würde und Macht seiner Erbauer<lb/> und Bewohner. Auf der rechten Seite des Peters-<lb/> platzes, bei der Bildsäule Konstantin's des Großen, be-<lb/> ginnt die prächtige Marmortreppe, welche mit ionischen<lb/> Säulen geziert, und in ihrer gegenwärtigen Gestalt ein<lb/> Werk Bernini's, unter dem Namen der Scala regia<lb/> bekannt ist. Sie führt zu der Vorhalle oder Sala regia,<lb/><cb n="2"/> die mit einer Menge von Verzierungen und Fresco-<lb/> gemälden prangt, welche zum Theil Scenen des Glan-<lb/> zes und der Macht der Päpste darstellen, und gut ge-<lb/> eignet sind, schon gleich beim Eintritte in die Residenz<lb/> der Kirchenfürsten das Bewußtsein recht deutlich werden<lb/> zu lassen, daß Petri Nachfolger nicht geringe Ansprüche<lb/> zu machen gewohnt sind. Von der Vorhalle aus ge-<lb/> langt man in die beiden Kapellen, die Paulinische, wo<lb/> man Petri Kreuzigung und Pauli Bekehrung von<lb/> Michel Angelo Buonaroti sieht, und die Sixtinische,<lb/> welche mit Recht die berühmteste der Christenheit ge-<lb/> nannt werden kann. Hier finden die großen, weltbe-<lb/> kannten Feierlichkeiten während der heiligen Woche statt,<lb/> die in jedem Jahre einen ungeheuern Zulauf von Men-<lb/> schen aus allen Gegenden und den fernsten Ländern ver-<lb/> anlassen, und wobei die römische Kirche alle ihre groß-<lb/> artige Pracht entfaltet. Man weiß, daß die geistliche<lb/> Musik bei dieser Gelegenheit noch immer ihren Triumph<lb/> feiert: wer das Miserere des Allegri, und Pergolese's<lb/> Stabat mater nicht von der päpstlichen Kapelle vortragen<lb/> hörte, umgeben von feierlicher Stille, das Auge wechsel-<lb/> weise angezogen von den reichen Gewändern, von den Tau-<lb/> senden flimmernder Kerzen, von den fast geisterhaft von<lb/> Wand und Decke herabschauenden Gestalten der Bilder,<lb/> kann sich von dem Ergreifenden dieser Eindrücke keinen Be-<lb/> griff machen. Jn der Sistina sieht man neben den Arbeiten<lb/> der berühmtesten Meister des 15. Jahrhunderts die Riesen-<lb/> werke Michel Angelo's, die Bilder aus der Genesis,<lb/> die Propheten und Sibyllen und das jüngste Gericht.</p><lb/> <p>Die berühmten Loggien umgeben auf drei Seiten<lb/> einen Hof, den man Cortile di S.=Damaso nennt. Das<lb/> erste der drei Stockwerke, aus welchem diese Arcaden<lb/> bestehen, führt zu dem Appartamento Borgia, so ge-<lb/> nannt, weil Alexander <hi rendition="#aq">VI</hi>. ( Roderich Borgia ) dort<lb/> wohnte. Auch dies ist mit schönen Frescogemälden<lb/> geziert. Die untern Loggien wurden von Johann<lb/> von Udine ausgeschmückt; zu den Gemälden der zwei-<lb/> ten Reihe lieferte Rafael selbst die Zeichnungen. Man<lb/> findet hier neben einer Menge äußerst geschmackvoller<lb/> Verzierungen jene Darstellungen, welche die sogenannte<lb/> Bibel bilden, 52 Bilder in 13 Arcaden. Von hier<lb/> gelangt man in die Stanze, die ehemalige Wohnung<lb/> Leo <hi rendition="#aq">X</hi>. Sie enthalten des unsterblichen Rafael's<lb/> größte Meisterwerke. Jn dem Saal, den man gewöhn-<lb/> lich Stanza della Segnatura nennt, und mit dem wir<lb/> beginnen, weil hier die frühern Arbeiten sich befinden,<lb/> bewundert man die vier großen Wandgemälde, welche<lb/> die Theologie, Philosophie, Poesie und Rechtswissen-<lb/> schaft darstellen, und deren drei erstere unter dem Na-<lb/> men der Disputa, der Schule von Athen, des Par-<lb/> nasses bekannt sind. Rafael's künstlerischer Charakter<lb/> spricht sich hier vielleicht in seiner größten Reinheit und<lb/> Eigenthümlichkeit aus. Die übrigen Gemächer enthal-<lb/> ten Scenen aus der alten wie aus der Papstgeschichte,<lb/> meist mit Anspielungen auf die Lebensereignisse Julius <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> und Leo <hi rendition="#aq">X</hi>., unter deren Regierung die Zimmer ge-<lb/> malt wurden. Man nennt sie den Saal des Heliodor,<lb/> des Jncendio del Borgo und des Konstantin. Zu letz-<lb/> term lieferte Rafael nur die Zeichnungen: die Gemälde<lb/> wurden, ebenso wie die der Loggie, ganz von seinen<lb/> Schülern ausgeführt. Außer den vier großen Wand-<lb/> gemälden, welche jedes Gemach schmücken, finden sich<lb/> darin noch Decken= und Sockelbilder und allegorische<lb/> Figuren. Rafael begann diese wundervollen Werke,<lb/> welche leider sehr gelitten haben, der gewöhnlichen An-<lb/> nahme gemäß, 1508 in einem Alter von 25 Jahren,<lb/> und arbeitete daran, freilich mit vielen Unterbrechungen,<lb/> bis zu seinem 1520 erfolgten Tode.</p><lb/> <cb type="end"/> </div> </body> </text> </TEI> [258/0002]
Das Pfennig=Magazin.
mannichfachen Wechsel, der es betroffen hat, sein Aus-
sehen ändern mußte, braucht kaum bemerkt zu werden.
Roch sieht man in seinem Jnnern die Grabkammer,
aber verschwunden sind die es schmückenden Marmor-
statuen, die man den anstürmenden Gothen auf die
Köpfe warf, und statt ihrer thront die kolossale bron-
zene Bildsäule des Erzengels Michael auf der Spitze,
da, wo dieser einst dem großen Papste Gregor während
der Seuche erschienen sein soll. Von ihr schreibt sich
der Name der Engelsburg ( Castel S.=Angelo ) her.
Gegenwärtig zum Staatsgefängnisse dienend, und ohne
Wichtigkeit als militairischer Punkt, war die Engels-
burg von um so größerm Belange im Mittelalter, wo
die verschiedenen kämpfenden Parteien sie abwechselnd
inne hatten. Am berühmtesten wurde sie durch die Ein-
schließung 1527, wo Papst Clemens VII. sich mit ge-
nauer Noth dahin flüchtete, als die Truppen des Con-
netable von Bourbon die Stadt stürmten und auf ent-
setzliche Weise plünderten. Manche unserer Leser wer-
den diese Geschichte aus der lebendigen Schilderung ken-
nen, welche der florentinische Goldarbeiter und Bild-
hauer Benvenuto Cellini ( der sich rühmte, den Conne-
table durch einen Schuß getödtet zu haben ) in seiner
von Göthe übersetzten Selbstbiographie davon entwirft.
Schon war die Rede von der frühern Beschaffenheit
des wegen seiner ungesunden Luft lange nicht zum An-
bau benutzten vaticanischen Gebiets, wo einst Cincin-
natus seine kleine Besitzung hatte, und wo zur Zeit
des höchsten Glanzes Nero's Gärten und die beiden
Circus lagen. Schritt für Schritt kann man die nach-
malige Umgestaltung des vaticanischen Hügels unter den
christlichen Kaisern und unter der Herrschaft der Päpste
verfolgen, von der Erbauung der ältesten Peterskirche
durch Kaiser Konstantin den Großen an, wobei ein be-
deckter Säulengang die Kirche mit dem Mausoleum Ha-
drian 's verband, bis zum Beginne des Baues der neuen
Kirche unter Nikolaus V. um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts und den großartigen Werken, welche Julius II.,
Leo X. und ihren Nachfolgern das Dasein verdanken.
Schon in den ältesten Zeiten finden sich Zeugnisse,
daß die Statthalter Christi neben der Basilika eine Woh-
nung gründeten, wo sie einen Theil des Jahres, wahr-
scheinlich die Wintermonate, zubrachten. Die eigent-
liche Bedeutung des vaticanischen Palastes beginnt aber
erst, nachdem 1376 das sogenannte babylonische Exil
der Kirche beendigt war und das lange verlassene Rom
seine Beherrscher wieder sah. Nikolaus V. wollte auch den
Palast nach einem riesenhaften Plane bauen, wurde aber
durch den Tod von der Ausführung abgerufen. Seit-
dem ward nun unter fast allen Päpsten an dieser Re-
sidenz gebaut, verändert, zugefügt, erneuert. Der Um-
fang des ganzen Gebäudes, oder vielmehr der Gebäude-
masse, kommt dem einer bedeutenden Stadt gleich; die
Zahl der Säle und Gemächer soll sich auf 11,000 be-
laufen, welche Menge von einigen Schriftstellern indeß
auf 1800 und selbst auf 1100 herabgesetzt wird.
Wenn der vaticanische Palast auch nicht die Wir-
kung eines architektonischen Ganzen gewährt, und, ver-
möge seines allmäligen Entstehens und seiner zahlreichen
Umgestaltungen, eine solche nicht gewähren kann, so im-
ponirt er doch durch seine gewaltigen Massen und entspricht
dem Begriffe von der Würde und Macht seiner Erbauer
und Bewohner. Auf der rechten Seite des Peters-
platzes, bei der Bildsäule Konstantin's des Großen, be-
ginnt die prächtige Marmortreppe, welche mit ionischen
Säulen geziert, und in ihrer gegenwärtigen Gestalt ein
Werk Bernini's, unter dem Namen der Scala regia
bekannt ist. Sie führt zu der Vorhalle oder Sala regia,
die mit einer Menge von Verzierungen und Fresco-
gemälden prangt, welche zum Theil Scenen des Glan-
zes und der Macht der Päpste darstellen, und gut ge-
eignet sind, schon gleich beim Eintritte in die Residenz
der Kirchenfürsten das Bewußtsein recht deutlich werden
zu lassen, daß Petri Nachfolger nicht geringe Ansprüche
zu machen gewohnt sind. Von der Vorhalle aus ge-
langt man in die beiden Kapellen, die Paulinische, wo
man Petri Kreuzigung und Pauli Bekehrung von
Michel Angelo Buonaroti sieht, und die Sixtinische,
welche mit Recht die berühmteste der Christenheit ge-
nannt werden kann. Hier finden die großen, weltbe-
kannten Feierlichkeiten während der heiligen Woche statt,
die in jedem Jahre einen ungeheuern Zulauf von Men-
schen aus allen Gegenden und den fernsten Ländern ver-
anlassen, und wobei die römische Kirche alle ihre groß-
artige Pracht entfaltet. Man weiß, daß die geistliche
Musik bei dieser Gelegenheit noch immer ihren Triumph
feiert: wer das Miserere des Allegri, und Pergolese's
Stabat mater nicht von der päpstlichen Kapelle vortragen
hörte, umgeben von feierlicher Stille, das Auge wechsel-
weise angezogen von den reichen Gewändern, von den Tau-
senden flimmernder Kerzen, von den fast geisterhaft von
Wand und Decke herabschauenden Gestalten der Bilder,
kann sich von dem Ergreifenden dieser Eindrücke keinen Be-
griff machen. Jn der Sistina sieht man neben den Arbeiten
der berühmtesten Meister des 15. Jahrhunderts die Riesen-
werke Michel Angelo's, die Bilder aus der Genesis,
die Propheten und Sibyllen und das jüngste Gericht.
Die berühmten Loggien umgeben auf drei Seiten
einen Hof, den man Cortile di S.=Damaso nennt. Das
erste der drei Stockwerke, aus welchem diese Arcaden
bestehen, führt zu dem Appartamento Borgia, so ge-
nannt, weil Alexander VI. ( Roderich Borgia ) dort
wohnte. Auch dies ist mit schönen Frescogemälden
geziert. Die untern Loggien wurden von Johann
von Udine ausgeschmückt; zu den Gemälden der zwei-
ten Reihe lieferte Rafael selbst die Zeichnungen. Man
findet hier neben einer Menge äußerst geschmackvoller
Verzierungen jene Darstellungen, welche die sogenannte
Bibel bilden, 52 Bilder in 13 Arcaden. Von hier
gelangt man in die Stanze, die ehemalige Wohnung
Leo X. Sie enthalten des unsterblichen Rafael's
größte Meisterwerke. Jn dem Saal, den man gewöhn-
lich Stanza della Segnatura nennt, und mit dem wir
beginnen, weil hier die frühern Arbeiten sich befinden,
bewundert man die vier großen Wandgemälde, welche
die Theologie, Philosophie, Poesie und Rechtswissen-
schaft darstellen, und deren drei erstere unter dem Na-
men der Disputa, der Schule von Athen, des Par-
nasses bekannt sind. Rafael's künstlerischer Charakter
spricht sich hier vielleicht in seiner größten Reinheit und
Eigenthümlichkeit aus. Die übrigen Gemächer enthal-
ten Scenen aus der alten wie aus der Papstgeschichte,
meist mit Anspielungen auf die Lebensereignisse Julius II.
und Leo X., unter deren Regierung die Zimmer ge-
malt wurden. Man nennt sie den Saal des Heliodor,
des Jncendio del Borgo und des Konstantin. Zu letz-
term lieferte Rafael nur die Zeichnungen: die Gemälde
wurden, ebenso wie die der Loggie, ganz von seinen
Schülern ausgeführt. Außer den vier großen Wand-
gemälden, welche jedes Gemach schmücken, finden sich
darin noch Decken= und Sockelbilder und allegorische
Figuren. Rafael begann diese wundervollen Werke,
welche leider sehr gelitten haben, der gewöhnlichen An-
nahme gemäß, 1508 in einem Alter von 25 Jahren,
und arbeitete daran, freilich mit vielen Unterbrechungen,
bis zu seinem 1520 erfolgten Tode.
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Peter Fankhauser:
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