Reichspost. Nr. 3, Wien, 04.01.1901.Wien, Freitag Reichspost 4. Jänner 1991 3 [Spaltenumbruch] seine Souveränitätsrechte sicherzustellen. Die schwebende Schuld sei durch die aufeinander folgenden Deficitjahre gestiegen, der Papiergeldumlauf habe die äußerste Grenze erreicht; auch die Pflichten der Gastfreundschaft haben zur Vermehrung der Schuldenlast beigetragen. Die allgemeine wirthschaft- liche Lage der Nation habe sich beständig gehoben, aber das Budget balancire nicht, und zwar noch weniger im laufenden Rechnungsjahre. Der hohe Stand des Goldagios bringe schwere Lasten mit sich. Die Staatsverwaltung dürfe weder Verpflichtungen eingehen noch Ausgaben genehmigen, welche die Hilfsquellen des Staatsschatzes nicht leisten könnten; das ganze Finanzwesen müsse vereinfacht werden. Der bulgarisch-rumänische Conflict. Bukarest, 3. Jänner. Die Kammer hat in ihrer Im Laufe der Debatte hatte der Minister des Die Kammer genehmigte ferner eine Pension Minister des Aeußern Marghiloman er- Cultusminister Arion und Jonesce sprachen Die Corruptions-Wirthschaft in Serbien. Belgrad, 3. Jänner. Der vorgestern wegen Weimar, 3. Jänner. Ueber das Befinden des Rom, 2. Jänner. Der neuernannte serbische Ge- Die Wirren in China. London, 3. Jänner. Die "Times" meldet aus London, 2. Jänner. Anläßlich der Jahresfeier Paris, 3. Jänner. Die "Agence Havas" meldet St. Petersburg, 3. Jänner. Einem General- New-York, 3. Jänner. Li-Hung-Tschang äußerte Römischer Brief. Rom, 31. December 1900. Gestern fand zu Ehren des Welterlösers und Arbeiterbewegung. Versammlung der Nordwestbahn- bediensteten. Vor einiger Zeit sprach eine Deputation bei dem Den Mitgliedern der zwei Deputationen, die eigen- Der Bergarbeiterausstand in Böhmen. Aus Brüx wird unterm 2. d. M. berichtet: Die für Um 13/4 Uhr Nachmittags stellte die Belegschaft Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1991 3 [Spaltenumbruch] ſeine Souveränitätsrechte ſicherzuſtellen. Die ſchwebende Schuld ſei durch die aufeinander folgenden Deficitjahre geſtiegen, der Papiergeldumlauf habe die äußerſte Grenze erreicht; auch die Pflichten der Gaſtfreundſchaft haben zur Vermehrung der Schuldenlaſt beigetragen. Die allgemeine wirthſchaft- liche Lage der Nation habe ſich beſtändig gehoben, aber das Budget balancire nicht, und zwar noch weniger im laufenden Rechnungsjahre. Der hohe Stand des Goldagios bringe ſchwere Laſten mit ſich. Die Staatsverwaltung dürfe weder Verpflichtungen eingehen noch Ausgaben genehmigen, welche die Hilfsquellen des Staatsſchatzes nicht leiſten könnten; das ganze Finanzweſen müſſe vereinfacht werden. Der bulgariſch-rumäniſche Conflict. Bukareſt, 3. Jänner. Die Kammer hat in ihrer Im Laufe der Debatte hatte der Miniſter des Die Kammer genehmigte ferner eine Penſion Miniſter des Aeußern Marghiloman er- Cultusminiſter Arion und Jonesce ſprachen Die Corruptions-Wirthſchaft in Serbien. Belgrad, 3. Jänner. Der vorgeſtern wegen Weimar, 3. Jänner. Ueber das Befinden des Rom, 2. Jänner. Der neuernannte ſerbiſche Ge- Die Wirren in China. London, 3. Jänner. Die „Times“ meldet aus London, 2. Jänner. Anläßlich der Jahresfeier Paris, 3. Jänner. Die „Agence Havas“ meldet St. Petersburg, 3. Jänner. Einem General- New-York, 3. Jänner. Li-Hung-Tſchang äußerte Römiſcher Brief. Rom, 31. December 1900. Geſtern fand zu Ehren des Welterlöſers und Arbeiterbewegung. Verſammlung der Nordweſtbahn- bedienſteten. Vor einiger Zeit ſprach eine Deputation bei dem Den Mitgliedern der zwei Deputationen, die eigen- Der Bergarbeiterausſtand in Böhmen. Aus Brüx wird unterm 2. d. M. berichtet: Die für Um 1¾ Uhr Nachmittags ſtellte die Belegſchaft <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="4"/><fw place="top" type="header">Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1991 3</fw><lb/><cb/><hi rendition="#g">ſeine Souveränitätsrechte ſicherzuſtellen.</hi><lb/> Die ſchwebende Schuld ſei durch die aufeinander<lb/> folgenden Deficitjahre geſtiegen, der Papiergeldumlauf<lb/> habe die äußerſte Grenze erreicht; auch die Pflichten<lb/> der Gaſtfreundſchaft haben zur Vermehrung der<lb/> Schuldenlaſt beigetragen. Die allgemeine wirthſchaft-<lb/> liche Lage der Nation habe ſich beſtändig gehoben,<lb/> aber das Budget balancire nicht, und zwar noch<lb/> weniger im laufenden Rechnungsjahre. Der hohe<lb/> Stand des Goldagios bringe ſchwere Laſten mit ſich.<lb/> Die Staatsverwaltung dürfe weder Verpflichtungen<lb/> eingehen noch Ausgaben genehmigen, welche die<lb/> Hilfsquellen des Staatsſchatzes nicht leiſten könnten;<lb/> das ganze Finanzweſen müſſe vereinfacht werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der bulgariſch-rumäniſche Conflict.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Bukareſt,</hi> 3. Jänner.</dateline> <p>Die Kammer hat in ihrer<lb/> geſtern Abends abgehaltenen Sitzung die <hi rendition="#g">Handels-<lb/> convention</hi> mit <hi rendition="#g">Griechenland</hi> mit 58 gegen<lb/> 21 Stimmen <hi rendition="#g">angenommen.</hi> </p><lb/> <p>Im Laufe der Debatte hatte der Miniſter des<lb/> Aeußern, Marghiloman, das Wort ergriffen, um auf<lb/> die Ausführungen mehrerer Redner, darunter der<lb/> ehemaligen Miniſter General Mano und Jonesco,<lb/> welche bezüglich des Zuſatzprotokolles zur Convention,<lb/> wonach ſechs griechiſchen Kirchen in Rumänien die<lb/> Eigenſchaft einer juriſtiſchen Perſon zuerkannt wird,<lb/> Einwendungen gemacht hatten, zu antworten. Der<lb/> Miniſter betonte, daß die Convention für beide<lb/> Länder vortheilhaft ſei.</p><lb/> <p>Die Kammer genehmigte ferner eine <hi rendition="#g">Penſion</hi><lb/> für die <hi rendition="#g">Witwe</hi> des ermordeten Profeſſors<lb/><hi rendition="#g">Mihaileano.</hi> Der Deputirte Raſchcano verlangte<lb/> bei dieſer Gelegenheit <hi rendition="#g">Aufklärungen über den<lb/> rumäniſch-bulgariſchen Conflict.</hi> </p><lb/> <p>Miniſter des Aeußern <hi rendition="#g">Marghiloman</hi> er-<lb/> widerte, er hätte nicht erwartet, daß man über die<lb/> Politik der Regierung ſprechen werde bei Gelegenheit<lb/> der Berathung eines Entwurfes, in welchem die Re-<lb/> gierung <hi rendition="#g">keineswegs</hi> eine <hi rendition="#g">politiſche Kund-<lb/> gebung gegen den Nachbarſtaat,</hi> ſondern <hi rendition="#g">nur</hi><lb/> die <hi rendition="#g">Ehrung</hi> des Andenkens eines guten <hi rendition="#g">Patri-<lb/> oten</hi> erblicke. Der Miniſter bittet die Kammer, die<lb/> Preſſe ſowie alle Jene, die eine Feder führen, auch<lb/> weiterhin in würdiger Ruhe und Stillſchweigen zu<lb/> verharren, namentlich in dem Augenblicke, wo die<lb/> Acten des großen Proceſſes über die Donau hinüber<lb/> geſendet wurden. Die betreffende Angelegenheit<lb/> werde eine Jedermann befriedigende Löſung finden.<lb/> (Beifall.)</p><lb/> <p>Cultusminiſter <hi rendition="#g">Arion</hi> und <hi rendition="#g">Jonesce</hi> ſprachen<lb/> im gleichen Sinne.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Corruptions-Wirthſchaft in Serbien.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Belgrad,</hi> 3. Jänner.</dateline> <p>Der vorgeſtern wegen<lb/> Veruntreuung von Amtsgeldern verhaftete Oberſt<lb/><hi rendition="#g">Simonovitſch</hi> hat ſich heute morgens im Gefäng-<lb/> niſſe <hi rendition="#g">erſchoſſen.</hi> Durch die inzwiſchen eingeleite<lb/> Unterſuchung wurde feſtgeſtellt, daß Oberſt <hi rendition="#g">Simo-<lb/> novitſch</hi> als Leiter der geographiſche Abtheilung<lb/> allerdings einen größeren Betrag <hi rendition="#g">veruntreut</hi> und<lb/> auch ſonſt mit Amtsgeldern <hi rendition="#g">Mißbrauch</hi> getrieben,<lb/> ſich jedoch <hi rendition="#g">keinerlei politiſchen</hi> oder <hi rendition="#g">hochver-<lb/> rätheriſchen</hi> Vergehens ſchuldig gemacht hat, wie<lb/> dies einzelne auswärtige Blätter behaupteten.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Weimar,</hi> 3. Jänner.</dateline> <p>Ueber das Befinden des<lb/><hi rendition="#g">Großherzogs</hi> wurde heute um acht Uhr Früh<lb/> folgendes Bulletin ausgegeben: Die Nacht verlief<lb/> gut. Kein Fieber. Die Körperkräfte und die Herz-<lb/> thätigkeit heben ſich recht langſam. Reſpiratorium<lb/> frei. Die Ernährung läßt ſich in ausreichender Weiſe<lb/> durchführen. Neue Complicationen ſind nicht ein-<lb/> getreten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Rom,</hi> 2. Jänner.</dateline> <p>Der neuernannte ſerbiſche Ge-<lb/> ſandte <hi rendition="#g">Simic</hi> iſt hier eingetroffen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Die Wirren in China.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 3. Jänner.</dateline> <p>Die „Times“ meldet aus<lb/> Peking vom 31. v. M., daß zwiſchen Rußland und<lb/> China ein <hi rendition="#g">Uebereinkommen</hi> bezüglich der<lb/><hi rendition="#g">militäriſchen Beſetzung</hi> der Provinz <hi rendition="#g">Feng-<lb/> tien</hi> in der Mandſchurei durch die Ruſſen und der<lb/> Wiederaufnahme der Civilverwaltung der Provinz<lb/> durch die Chineſen unter ruſſiſcher Oberhoheit zu<lb/> Stande gekommen ſei.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 2. Jänner.</dateline> <p>Anläßlich der Jahresfeier<lb/> der Proclamirung der Königin Victoria als Kaiſerin<lb/> von Indien wurde am 1. d. eine große Truppenſchau<lb/> in Peking veranſtaltet. Feldmarſchall Graf <hi rendition="#g">Walder-<lb/> ſee,</hi> welcher Kaiſer Wilhelm vertrat, übernahm das<lb/> Commando der Truppen und brachte auf Königin<lb/> Victoria ein Hoch aus. Die Thatſache wird lebhaft<lb/> beſprochen, daß bei der Truppenſchau, zu der alle<lb/> Nationen Vertreter entſendet hatten, die <hi rendition="#g">Franzoſen<lb/> nicht vertreten</hi> waren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 3. Jänner.</dateline> <p>Die „Agence Havas“ meldet<lb/> aus Peking: Der Zwiſchenfall von <hi rendition="#g">Tingbou</hi> iſt<lb/><hi rendition="#g">beendet.</hi> Die <hi rendition="#g">Chineſen</hi> ergriffen die <hi rendition="#g">Flucht,</hi><lb/> ohne den Kampf aufgenommen zu haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">St. Petersburg,</hi> 3. Jänner.</dateline> <p>Einem General-<lb/> ſtabsberichte iſt zu entnehmen, daß Ende November<lb/> und Anfangs December die <hi rendition="#g">Säuberung</hi> der<lb/><hi rendition="#g">Mandſchurei</hi> von chineſiſchen Banden und<lb/><cb/> Flüchtlingen fortgeſetzt wurde. Mit der Rückkehr des<lb/> Generals Fock iſt die <hi rendition="#g">Expedition</hi> an die Quellen<lb/> des <hi rendition="#g">Sſungari</hi> als <hi rendition="#g">beendet</hi> zu betrachten; nachdem<lb/> zwei größere Banden, die einige tauſend Mann ſtark<lb/> waren, auseinandergetrieben worden ſind, iſt innerhalb<lb/> des durch die Orte Girin, Itundshou und<lb/> Tſchapitshou gebildeten Dreieckes ein ernſtlicher<lb/> Widerſtand nicht mehr zu erwarten. Zum Widerſtande<lb/> ſind nur einzelne Anführer geneigt, die den Chineſen<lb/> das Berauben und Beſtehlen der ruhigen Be-<lb/> völkerung erlauben, was aber nur wenige Chineſen<lb/> verlockt, ſich ihnen anzuſchließen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">New-York,</hi> 3. Jänner.</dateline> <p>Li-Hung-Tſchang äußerte<lb/> in einem Interview, Kaiſer Kwang-ſü ſei durchaus<lb/> gewillt, den Forderungen der Mächte zu entſprechen,<lb/> er ſei aber der Anſicht, daß die zahlreichen Erregung<lb/> hervorrufenden <hi rendition="#g">Expeditionen unnöthig</hi> ſeien<lb/> und beträchtlichen Schaden anrichten.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Römiſcher Brief.</hi> </head><lb/> <dateline>Rom, 31. December 1900.</dateline><lb/> <p>Geſtern fand zu Ehren des Welterlöſers und<lb/> gelegentlich des zur Neige gehenden Jahrhunderts<lb/> bei den berühmten <hi rendition="#g">Katakomben</hi> der hl. Domitilla<lb/> eine großartige Feier ſtatt. Das unter der Leitung<lb/> unſeres berühmten Landsmannes Dr. Anton de<lb/> Waal, Rectors des deutſchen Campo Santo, ſtehende<lb/> Collegium <hi rendition="#aq">Cultorum Martyrum,</hi> hatte das Arrange-<lb/> ment der Feſtlichkeit in die Hand genommen. Am<lb/> Vormittage celebrirte Monſignor de Waal ein Hoch-<lb/> amt, bei welchem die alten gregorianiſchen Geſänge<lb/> zum Vortrage kamen. Die alte über den Katakomben,<lb/> aber ſelbſt unterirdiſch gelegene Baſilika der hl.<lb/> Petronilla war mit Guirlanden und ſonſtigem Blumen-<lb/> ſchmuck geziert und ſtilvolle Kronleuchter, Candelaber<lb/> und Kerzen vervollſtändigten die Ausſchmückung.<lb/> Viele der Theilnehmer nahmen ihr Mittagsmahl<lb/> in der ländlichen Oſteria ein, welche ſich in<lb/> der Nähe befindet. Am Nachmittage war die<lb/> alte Via Appia ungemein belebt. Zu Wagen, zu<lb/> Fuß und auf dem Velociped ſtrömten die Feſttheil-<lb/> nehmer zu den Katakomben und in die genannte<lb/> Baſilika. Es formirte ſich eine großartige Proceſſion,<lb/> an welcher Zöglinge ſämmtlicher Collegien und<lb/> Seminarien, Abordnungen der hieſigen katholiſchen<lb/> Vereine ꝛc. theilnahmen. Der Cardinalvicar Reſpighi<lb/> trug das Allerheiligſte, welches vom Cardinal<lb/> Mathien ſowie vielen Biſchöfen und Prälaten be-<lb/> gleitet wurde. Die Proceſſion nahm ihren Weg über<lb/> die benachbarten Felder zu einem eigens errichteten<lb/> Pavillon, wo Halt gemacht wurde. Ein Muſikcorps<lb/> begleitete den Zug und die hier üblichen Böllerſchüſſe<lb/> wurden abgefeuert. Der Cardinalvicar ſpendete darauf<lb/> den Segen. Nach Rückkehr in die Baſilika wurde das<lb/><hi rendition="#aq">Tedeum</hi> angeſtimmt, womit die großartige Feier ihr<lb/> Ende erreichte. Unter den Feſtgäſten befand ſich auch<lb/> Prinz Max von Sachſen, der Propſt Prinz Hohen-<lb/> lohe ſowie der apoſtoliſche Protonotar, Domherr<lb/> Doctor Fiſcher-Colbrie. Groß war die Zahl<lb/> der deutſchen und öſterreichiſchen Prälaten, Geiſtlichen,<lb/> Ordensleuten und Touriſten. Die heutige <hi rendition="#g">Mitter-<lb/> nacht</hi> der <hi rendition="#g">Jahrhundertswende</hi> wird überall<lb/> feierlich begangen werden. Von der Engelsburg wird<lb/> eine Artillerieſalve gelöſt und die große Glocke des<lb/> Capitols wird geläutet werden. Leo <hi rendition="#aq">XIII.</hi> beab-<lb/> ſichtigte ſelbſt in der Peterskirche eine Mitternachts-<lb/> meſſe zu celebriren, nahm aber auf den dringenden<lb/> Rath ſeines Leibarztes davon Abſtand und wird in<lb/> der Hauscapelle eine Meſſe leſen. An ſeiner Stelle<lb/> wird der vaticaniſche Erzprieſter Cardinal Rampolla<lb/> in St. Peter pontificiren. Die deutſchen Katholiken<lb/> haben gegen 11 Uhr Gottesdienſt im deutſchen Campo<lb/> Santo und ziehen ſodann unter Führung des<lb/> Rectors de Waal gemeinſam in die gegenüberliegende<lb/> Peterskirche. Am königlichen Hofe fällt — der<lb/> Trauer wegen — jede Neujahrsgratulation aus. —<lb/> Unter allen Nationen, welche während des nun-<lb/> mehr beendeten Jubiläumsjahres <hi rendition="#g">Pilgerzüge</hi> nach<lb/> Rom geſandt haben, nimmt ſelbſtverſtändlich die<lb/><hi rendition="#g">italieniſche</hi> den erſten Platz ein. Von den 223<lb/> großen und größeren Pilgerſchaften, welche in der<lb/> Zeit vom 24. December 1899 bis ebendahin 1900<lb/> hier waren, entfallen allein 152 auf Italien. Was<lb/> die nicht-italieniſchen Nationen betrifft, ſo ſandten<lb/> dieſe 71 Pilgerzüge nach Rom, unter welchen 10 auf<lb/> Frankreich, 5 auf Spanien, 6 auf Amerika, 2 auf<lb/> Belgien und je 1 auf Portugal und die übrigen<lb/> kleineren oder entlegenen Länder fallen. Der ge-<lb/> ſammte Reſt von 43 Pilgerzügen (wobei die kleineren<lb/> Gruppen und die unzähligen Einzelpilger ſelbſt-<lb/> verſtändlich nicht mitgezählt ſind) entfällt aber auf<lb/> das <hi rendition="#g">deutſche Element,</hi> d. h. auf das Deutſche<lb/> Reich, die öſterreichiſche Monarchie und die<lb/> Schweiz, ſodaß dasſelbe alſo — wie in früheren<lb/> Jubiläen — ſo auch diesmal in jeder Be-<lb/> ziehung obenan ſteht! Von dieſen 43 deutſchen Pilger-<lb/> ſchaften kommen nun 23 auf die <hi rendition="#g">Oeſterreichiſche</hi><lb/> Monarchie, 18 auf das Deutſche Reich und 2 auf die<lb/> Schweiz. Die Pilgerfrequenz war in den einzelnen<lb/> Monaten ſelbſtverſtändlich ſehr verſchieden. Obenan<lb/> ſteht der September mit 49 Pilgerzügen. Es folgen<lb/> die Monate October mit 38, Mai mit 35, November<lb/> mit 31, Februar und April mit 20, März mit 12,<lb/> December mit 9, Auguſt mit 8, Juni mit 7, Juli<lb/> mit 3 und endlich der Jänner mit 1 Zug. Das<lb/><cb/> deutſche Element war am zahlreichſten in den Mo-<lb/> naten März, April, Mai, ſowie im September und<lb/> October vertreten. Auffällig war die verhältnißmäßig<lb/> geringe Betheiligung von Seiten <hi rendition="#g">Frankreichs,</hi> von<lb/> den fehlenden Engländern gar nicht zu reden. Beiden<lb/> fehlte es leider nicht an einem gewiſſen Grund,<lb/> welcher jedoch rein politiſchen Charakters war. Bei<lb/> den Franzoſen war es der in gewiſſen hieſigen Kreiſen<lb/> als zu demokratiſch angeſehe Anſtrich der geplanten<lb/> ſogenannten Arbeiterpilgerzüge, und die Engländer<lb/> fühlten ſich verſchnupft in Folge des feindſeligen Ver-<lb/> haltens eines Theils der vaticaniſchen Preſſe in Bezug<lb/> auf die Transvaalfrage. Mit Mühe und Noth iſt es<lb/> erſt kürzlich dem Cardinal Rampolla gelungen, eine<lb/> Verſöhnung zu Stande zu bringen, was am beſten<lb/> durch die geſtern erfolgte Ankunft von etwa 180<lb/> Engländern bewieſen wird. Dieſe Zahl iſt allerdings<lb/> nur ſehr klein; die Pilgerſchaft erhält aber ihren<lb/> Werth durch die Anweſenheit des Führers der<lb/> Katholiken Englands, des ſteinreichen und generöſen<lb/> Herzogs von Norfolk ſowie des Erzbiſchofs von Weſt-<lb/> minſter (London) Cardinal Vaughan.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Arbeiterbewegung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Verſammlung der Nordweſtbahn-<lb/> bedienſteten.</hi> </head><lb/> <p>Vor einiger Zeit ſprach eine Deputation bei dem<lb/> Generaldirector der Nordweſtbahn, Sectionschef<lb/> Dr. <hi rendition="#g">Zehetner</hi> vor, um ihm die Forderungen der<lb/> Bedienſteten-Kategorien vorzubringen. Dieſer Herr hat<lb/> die Deputation einfach nicht vorgelaſſen, und ſo iſt<lb/> über die berechtigten Wünſche von Bedienſteten und<lb/> Beamten zur Tagesordnung übergegangen worden.<lb/> Die richtige Antwort haben ihm nun Bedienſtete und<lb/> Beamte damit gegeben, daß ſie ſich ſolidariſch er-<lb/> klärten in der Erkämpfung ihres guten Rechtes und<lb/> dieſe Solidarität auch in der Verſammlung vom<lb/> 1. Jänner, die im Saale „zum goldenen Widder“<lb/> abgehalten wurde, manifeſtirten. Es ſprachen in dieſer<lb/> Verſammlung von ſocialdemokratiſcher Seite die<lb/> Herren <hi rendition="#g">Taub</hi> und <hi rendition="#g">Grüll,</hi> von chriſtlich-ſocialer<lb/> Seite Oberrevident <hi rendition="#g">Czermak.</hi> Schließlich wurde<lb/> folgende Reſolution angenommen:</p><lb/> <p>Den Mitgliedern der zwei Deputationen, die eigen-<lb/> mächtig und ohne die Meinung der angeblich von<lb/> ihnen vertretenen Gruppen eingeholt zu haben, beim<lb/> Sectionschef Dr. <hi rendition="#g">Zehetner</hi> vorſprachen, ſpricht die<lb/> Verſammlung die <hi rendition="#g">tiefſte Entrüſtung und<lb/> ſchärfſte Mißbilligung aus.</hi> Damit endlich<lb/> die ſo nothwendige Verbeſſerung der Lage <hi rendition="#g">aller<lb/> Bedienſteten</hi> in kürzeſter Zeit erfolge und docu-<lb/> mentirt werde, daß thatſächlich das Memorandum der<lb/> Ausdruck des Geſammtwillens des Perſonals iſt und<lb/> daß die 18gliedrige Deputation berechtigt war, in<lb/> Vertretung der Geſammtheit des Perſonals zu<lb/> ſprechen, beauftragt die heutige Verſammlung die<lb/> Executive der organiſirten Eiſenbahner Oeſter-<lb/> reichs, ſofort an ſämmtliche von Eiſenbahnern<lb/> gebildete Organiſationen mit der Aufforderung,<lb/> ſich <hi rendition="#g">an dieſe Bewegung anzuſchließen,</hi><lb/> heranzutreten. Sodann ſind von den geſammten<lb/> Organiſationen gemeinſam mit den Vertrauens-<lb/> männern der Nordweſtbahn die weiteren Schritte zur<lb/> endlichen Verwirklichung der in dem Memorandum<lb/> enthaltenen Wünſche einzuleiten. Schließlich ſpricht<lb/> die Verſammlung die Hoffnung aus, daß die<lb/> Direction der öſterreichiſchen Nordweſtbahn, ohne<lb/> weiteres Vorſprechen der Vertreter der Organiſationen<lb/> und Vertrauensmänner der öſterreichiſchen Nordweſt-<lb/> bahn abzuwarten, die auf eine Verbeſſerung der Lage<lb/> des Geſammtperſonals abzielenden Reformen ſchleunigſt<lb/> durchführen werde, da die Noth und das Elend des<lb/> Geſammtperſonals in Folge der ſtetig fortſchreitenden<lb/> Theuerung ſich bereits bis zur Unerträglichkeit ge-<lb/> ſteigert haben.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Bergarbeiterausſtand in Böhmen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Aus <hi rendition="#g">Brüx</hi> wird unterm 2. d. M. berichtet: Die für<lb/> heute angekündigte Action der Bergarbeiter zur Durch-<lb/> ſetzung der Achtſtundenſchicht machte ſich nur in<lb/> geringem Umfange und nur inſoweit geltend, als in<lb/> den politiſchen Bezirken Dux, Brüx und Komotau auf<lb/> einigen Schächten die Belegſchaften um 2 Uhr Nach-<lb/> mittags, als vorzeitig, die Arbeit theilweiſe oder ganz<lb/> einſtellten. Dort, wo die Schächte ſeicht ſind, fuhren<lb/> ſie auf den Fahrten aus. In den tiefen Schächten<lb/> warteten ſie am Füllorte die regelmäßige Ausfahrts-<lb/> zeit um 4 Uhr Nachmittags ab, um mit der Schale<lb/> auszufahren. Auf einzelnen Schächten des Duxer<lb/> Reviers wurde deshalb mit Disciplinarſtrafen vorge-<lb/> gangen. Die Ruhe wurde jedoch bisher nirgends geſtört.</p><lb/> <p>Um 1¾ Uhr Nachmittags ſtellte die Belegſchaft<lb/> des <hi rendition="#g">Victoria-Tiefbaues,</hi> und zwar 177 Häuer<lb/> und 30 Förderer, die Arbeit ein und begab ſich vom<lb/> Arbeitsorte zum Füllorte; dasſelbe that die Beleg-<lb/> ſchaft des <hi rendition="#g">Habsburg-Schachtes,</hi> beſtehend aus<lb/> 197 Häuern und 30 Förderern. Da die Werkleitungen<lb/> die Belegſchaften nicht ausfahren ließen, verweilten<lb/> dieſe bis 3¾ Uhr Nachmittags unthätig in der<lb/> Grube, worauf ſie erſt zur normalen Zeit ausfuhren.<lb/> Auf dem <hi rendition="#g">Thereſien-Tiefbau</hi> ſind gegen<lb/> 3 Uhr Nachmittags 57 Häuer, 14 Förderer<lb/> und 37 Schichtlöhner vorzeitig von der<lb/> Arbeit abgeſtanden, ſind aber erſt um 4 Uhr normal-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0004]
Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1991 3
ſeine Souveränitätsrechte ſicherzuſtellen.
Die ſchwebende Schuld ſei durch die aufeinander
folgenden Deficitjahre geſtiegen, der Papiergeldumlauf
habe die äußerſte Grenze erreicht; auch die Pflichten
der Gaſtfreundſchaft haben zur Vermehrung der
Schuldenlaſt beigetragen. Die allgemeine wirthſchaft-
liche Lage der Nation habe ſich beſtändig gehoben,
aber das Budget balancire nicht, und zwar noch
weniger im laufenden Rechnungsjahre. Der hohe
Stand des Goldagios bringe ſchwere Laſten mit ſich.
Die Staatsverwaltung dürfe weder Verpflichtungen
eingehen noch Ausgaben genehmigen, welche die
Hilfsquellen des Staatsſchatzes nicht leiſten könnten;
das ganze Finanzweſen müſſe vereinfacht werden.
Der bulgariſch-rumäniſche Conflict.
Bukareſt, 3. Jänner. Die Kammer hat in ihrer
geſtern Abends abgehaltenen Sitzung die Handels-
convention mit Griechenland mit 58 gegen
21 Stimmen angenommen.
Im Laufe der Debatte hatte der Miniſter des
Aeußern, Marghiloman, das Wort ergriffen, um auf
die Ausführungen mehrerer Redner, darunter der
ehemaligen Miniſter General Mano und Jonesco,
welche bezüglich des Zuſatzprotokolles zur Convention,
wonach ſechs griechiſchen Kirchen in Rumänien die
Eigenſchaft einer juriſtiſchen Perſon zuerkannt wird,
Einwendungen gemacht hatten, zu antworten. Der
Miniſter betonte, daß die Convention für beide
Länder vortheilhaft ſei.
Die Kammer genehmigte ferner eine Penſion
für die Witwe des ermordeten Profeſſors
Mihaileano. Der Deputirte Raſchcano verlangte
bei dieſer Gelegenheit Aufklärungen über den
rumäniſch-bulgariſchen Conflict.
Miniſter des Aeußern Marghiloman er-
widerte, er hätte nicht erwartet, daß man über die
Politik der Regierung ſprechen werde bei Gelegenheit
der Berathung eines Entwurfes, in welchem die Re-
gierung keineswegs eine politiſche Kund-
gebung gegen den Nachbarſtaat, ſondern nur
die Ehrung des Andenkens eines guten Patri-
oten erblicke. Der Miniſter bittet die Kammer, die
Preſſe ſowie alle Jene, die eine Feder führen, auch
weiterhin in würdiger Ruhe und Stillſchweigen zu
verharren, namentlich in dem Augenblicke, wo die
Acten des großen Proceſſes über die Donau hinüber
geſendet wurden. Die betreffende Angelegenheit
werde eine Jedermann befriedigende Löſung finden.
(Beifall.)
Cultusminiſter Arion und Jonesce ſprachen
im gleichen Sinne.
Die Corruptions-Wirthſchaft in Serbien.
Belgrad, 3. Jänner. Der vorgeſtern wegen
Veruntreuung von Amtsgeldern verhaftete Oberſt
Simonovitſch hat ſich heute morgens im Gefäng-
niſſe erſchoſſen. Durch die inzwiſchen eingeleite
Unterſuchung wurde feſtgeſtellt, daß Oberſt Simo-
novitſch als Leiter der geographiſche Abtheilung
allerdings einen größeren Betrag veruntreut und
auch ſonſt mit Amtsgeldern Mißbrauch getrieben,
ſich jedoch keinerlei politiſchen oder hochver-
rätheriſchen Vergehens ſchuldig gemacht hat, wie
dies einzelne auswärtige Blätter behaupteten.
Weimar, 3. Jänner. Ueber das Befinden des
Großherzogs wurde heute um acht Uhr Früh
folgendes Bulletin ausgegeben: Die Nacht verlief
gut. Kein Fieber. Die Körperkräfte und die Herz-
thätigkeit heben ſich recht langſam. Reſpiratorium
frei. Die Ernährung läßt ſich in ausreichender Weiſe
durchführen. Neue Complicationen ſind nicht ein-
getreten.
Rom, 2. Jänner. Der neuernannte ſerbiſche Ge-
ſandte Simic iſt hier eingetroffen.
Die Wirren in China.
London, 3. Jänner. Die „Times“ meldet aus
Peking vom 31. v. M., daß zwiſchen Rußland und
China ein Uebereinkommen bezüglich der
militäriſchen Beſetzung der Provinz Feng-
tien in der Mandſchurei durch die Ruſſen und der
Wiederaufnahme der Civilverwaltung der Provinz
durch die Chineſen unter ruſſiſcher Oberhoheit zu
Stande gekommen ſei.
London, 2. Jänner. Anläßlich der Jahresfeier
der Proclamirung der Königin Victoria als Kaiſerin
von Indien wurde am 1. d. eine große Truppenſchau
in Peking veranſtaltet. Feldmarſchall Graf Walder-
ſee, welcher Kaiſer Wilhelm vertrat, übernahm das
Commando der Truppen und brachte auf Königin
Victoria ein Hoch aus. Die Thatſache wird lebhaft
beſprochen, daß bei der Truppenſchau, zu der alle
Nationen Vertreter entſendet hatten, die Franzoſen
nicht vertreten waren.
Paris, 3. Jänner. Die „Agence Havas“ meldet
aus Peking: Der Zwiſchenfall von Tingbou iſt
beendet. Die Chineſen ergriffen die Flucht,
ohne den Kampf aufgenommen zu haben.
St. Petersburg, 3. Jänner. Einem General-
ſtabsberichte iſt zu entnehmen, daß Ende November
und Anfangs December die Säuberung der
Mandſchurei von chineſiſchen Banden und
Flüchtlingen fortgeſetzt wurde. Mit der Rückkehr des
Generals Fock iſt die Expedition an die Quellen
des Sſungari als beendet zu betrachten; nachdem
zwei größere Banden, die einige tauſend Mann ſtark
waren, auseinandergetrieben worden ſind, iſt innerhalb
des durch die Orte Girin, Itundshou und
Tſchapitshou gebildeten Dreieckes ein ernſtlicher
Widerſtand nicht mehr zu erwarten. Zum Widerſtande
ſind nur einzelne Anführer geneigt, die den Chineſen
das Berauben und Beſtehlen der ruhigen Be-
völkerung erlauben, was aber nur wenige Chineſen
verlockt, ſich ihnen anzuſchließen.
New-York, 3. Jänner. Li-Hung-Tſchang äußerte
in einem Interview, Kaiſer Kwang-ſü ſei durchaus
gewillt, den Forderungen der Mächte zu entſprechen,
er ſei aber der Anſicht, daß die zahlreichen Erregung
hervorrufenden Expeditionen unnöthig ſeien
und beträchtlichen Schaden anrichten.
Römiſcher Brief.
Rom, 31. December 1900.
Geſtern fand zu Ehren des Welterlöſers und
gelegentlich des zur Neige gehenden Jahrhunderts
bei den berühmten Katakomben der hl. Domitilla
eine großartige Feier ſtatt. Das unter der Leitung
unſeres berühmten Landsmannes Dr. Anton de
Waal, Rectors des deutſchen Campo Santo, ſtehende
Collegium Cultorum Martyrum, hatte das Arrange-
ment der Feſtlichkeit in die Hand genommen. Am
Vormittage celebrirte Monſignor de Waal ein Hoch-
amt, bei welchem die alten gregorianiſchen Geſänge
zum Vortrage kamen. Die alte über den Katakomben,
aber ſelbſt unterirdiſch gelegene Baſilika der hl.
Petronilla war mit Guirlanden und ſonſtigem Blumen-
ſchmuck geziert und ſtilvolle Kronleuchter, Candelaber
und Kerzen vervollſtändigten die Ausſchmückung.
Viele der Theilnehmer nahmen ihr Mittagsmahl
in der ländlichen Oſteria ein, welche ſich in
der Nähe befindet. Am Nachmittage war die
alte Via Appia ungemein belebt. Zu Wagen, zu
Fuß und auf dem Velociped ſtrömten die Feſttheil-
nehmer zu den Katakomben und in die genannte
Baſilika. Es formirte ſich eine großartige Proceſſion,
an welcher Zöglinge ſämmtlicher Collegien und
Seminarien, Abordnungen der hieſigen katholiſchen
Vereine ꝛc. theilnahmen. Der Cardinalvicar Reſpighi
trug das Allerheiligſte, welches vom Cardinal
Mathien ſowie vielen Biſchöfen und Prälaten be-
gleitet wurde. Die Proceſſion nahm ihren Weg über
die benachbarten Felder zu einem eigens errichteten
Pavillon, wo Halt gemacht wurde. Ein Muſikcorps
begleitete den Zug und die hier üblichen Böllerſchüſſe
wurden abgefeuert. Der Cardinalvicar ſpendete darauf
den Segen. Nach Rückkehr in die Baſilika wurde das
Tedeum angeſtimmt, womit die großartige Feier ihr
Ende erreichte. Unter den Feſtgäſten befand ſich auch
Prinz Max von Sachſen, der Propſt Prinz Hohen-
lohe ſowie der apoſtoliſche Protonotar, Domherr
Doctor Fiſcher-Colbrie. Groß war die Zahl
der deutſchen und öſterreichiſchen Prälaten, Geiſtlichen,
Ordensleuten und Touriſten. Die heutige Mitter-
nacht der Jahrhundertswende wird überall
feierlich begangen werden. Von der Engelsburg wird
eine Artillerieſalve gelöſt und die große Glocke des
Capitols wird geläutet werden. Leo XIII. beab-
ſichtigte ſelbſt in der Peterskirche eine Mitternachts-
meſſe zu celebriren, nahm aber auf den dringenden
Rath ſeines Leibarztes davon Abſtand und wird in
der Hauscapelle eine Meſſe leſen. An ſeiner Stelle
wird der vaticaniſche Erzprieſter Cardinal Rampolla
in St. Peter pontificiren. Die deutſchen Katholiken
haben gegen 11 Uhr Gottesdienſt im deutſchen Campo
Santo und ziehen ſodann unter Führung des
Rectors de Waal gemeinſam in die gegenüberliegende
Peterskirche. Am königlichen Hofe fällt — der
Trauer wegen — jede Neujahrsgratulation aus. —
Unter allen Nationen, welche während des nun-
mehr beendeten Jubiläumsjahres Pilgerzüge nach
Rom geſandt haben, nimmt ſelbſtverſtändlich die
italieniſche den erſten Platz ein. Von den 223
großen und größeren Pilgerſchaften, welche in der
Zeit vom 24. December 1899 bis ebendahin 1900
hier waren, entfallen allein 152 auf Italien. Was
die nicht-italieniſchen Nationen betrifft, ſo ſandten
dieſe 71 Pilgerzüge nach Rom, unter welchen 10 auf
Frankreich, 5 auf Spanien, 6 auf Amerika, 2 auf
Belgien und je 1 auf Portugal und die übrigen
kleineren oder entlegenen Länder fallen. Der ge-
ſammte Reſt von 43 Pilgerzügen (wobei die kleineren
Gruppen und die unzähligen Einzelpilger ſelbſt-
verſtändlich nicht mitgezählt ſind) entfällt aber auf
das deutſche Element, d. h. auf das Deutſche
Reich, die öſterreichiſche Monarchie und die
Schweiz, ſodaß dasſelbe alſo — wie in früheren
Jubiläen — ſo auch diesmal in jeder Be-
ziehung obenan ſteht! Von dieſen 43 deutſchen Pilger-
ſchaften kommen nun 23 auf die Oeſterreichiſche
Monarchie, 18 auf das Deutſche Reich und 2 auf die
Schweiz. Die Pilgerfrequenz war in den einzelnen
Monaten ſelbſtverſtändlich ſehr verſchieden. Obenan
ſteht der September mit 49 Pilgerzügen. Es folgen
die Monate October mit 38, Mai mit 35, November
mit 31, Februar und April mit 20, März mit 12,
December mit 9, Auguſt mit 8, Juni mit 7, Juli
mit 3 und endlich der Jänner mit 1 Zug. Das
deutſche Element war am zahlreichſten in den Mo-
naten März, April, Mai, ſowie im September und
October vertreten. Auffällig war die verhältnißmäßig
geringe Betheiligung von Seiten Frankreichs, von
den fehlenden Engländern gar nicht zu reden. Beiden
fehlte es leider nicht an einem gewiſſen Grund,
welcher jedoch rein politiſchen Charakters war. Bei
den Franzoſen war es der in gewiſſen hieſigen Kreiſen
als zu demokratiſch angeſehe Anſtrich der geplanten
ſogenannten Arbeiterpilgerzüge, und die Engländer
fühlten ſich verſchnupft in Folge des feindſeligen Ver-
haltens eines Theils der vaticaniſchen Preſſe in Bezug
auf die Transvaalfrage. Mit Mühe und Noth iſt es
erſt kürzlich dem Cardinal Rampolla gelungen, eine
Verſöhnung zu Stande zu bringen, was am beſten
durch die geſtern erfolgte Ankunft von etwa 180
Engländern bewieſen wird. Dieſe Zahl iſt allerdings
nur ſehr klein; die Pilgerſchaft erhält aber ihren
Werth durch die Anweſenheit des Führers der
Katholiken Englands, des ſteinreichen und generöſen
Herzogs von Norfolk ſowie des Erzbiſchofs von Weſt-
minſter (London) Cardinal Vaughan.
Arbeiterbewegung.
Verſammlung der Nordweſtbahn-
bedienſteten.
Vor einiger Zeit ſprach eine Deputation bei dem
Generaldirector der Nordweſtbahn, Sectionschef
Dr. Zehetner vor, um ihm die Forderungen der
Bedienſteten-Kategorien vorzubringen. Dieſer Herr hat
die Deputation einfach nicht vorgelaſſen, und ſo iſt
über die berechtigten Wünſche von Bedienſteten und
Beamten zur Tagesordnung übergegangen worden.
Die richtige Antwort haben ihm nun Bedienſtete und
Beamte damit gegeben, daß ſie ſich ſolidariſch er-
klärten in der Erkämpfung ihres guten Rechtes und
dieſe Solidarität auch in der Verſammlung vom
1. Jänner, die im Saale „zum goldenen Widder“
abgehalten wurde, manifeſtirten. Es ſprachen in dieſer
Verſammlung von ſocialdemokratiſcher Seite die
Herren Taub und Grüll, von chriſtlich-ſocialer
Seite Oberrevident Czermak. Schließlich wurde
folgende Reſolution angenommen:
Den Mitgliedern der zwei Deputationen, die eigen-
mächtig und ohne die Meinung der angeblich von
ihnen vertretenen Gruppen eingeholt zu haben, beim
Sectionschef Dr. Zehetner vorſprachen, ſpricht die
Verſammlung die tiefſte Entrüſtung und
ſchärfſte Mißbilligung aus. Damit endlich
die ſo nothwendige Verbeſſerung der Lage aller
Bedienſteten in kürzeſter Zeit erfolge und docu-
mentirt werde, daß thatſächlich das Memorandum der
Ausdruck des Geſammtwillens des Perſonals iſt und
daß die 18gliedrige Deputation berechtigt war, in
Vertretung der Geſammtheit des Perſonals zu
ſprechen, beauftragt die heutige Verſammlung die
Executive der organiſirten Eiſenbahner Oeſter-
reichs, ſofort an ſämmtliche von Eiſenbahnern
gebildete Organiſationen mit der Aufforderung,
ſich an dieſe Bewegung anzuſchließen,
heranzutreten. Sodann ſind von den geſammten
Organiſationen gemeinſam mit den Vertrauens-
männern der Nordweſtbahn die weiteren Schritte zur
endlichen Verwirklichung der in dem Memorandum
enthaltenen Wünſche einzuleiten. Schließlich ſpricht
die Verſammlung die Hoffnung aus, daß die
Direction der öſterreichiſchen Nordweſtbahn, ohne
weiteres Vorſprechen der Vertreter der Organiſationen
und Vertrauensmänner der öſterreichiſchen Nordweſt-
bahn abzuwarten, die auf eine Verbeſſerung der Lage
des Geſammtperſonals abzielenden Reformen ſchleunigſt
durchführen werde, da die Noth und das Elend des
Geſammtperſonals in Folge der ſtetig fortſchreitenden
Theuerung ſich bereits bis zur Unerträglichkeit ge-
ſteigert haben.
Der Bergarbeiterausſtand in Böhmen.
Aus Brüx wird unterm 2. d. M. berichtet: Die für
heute angekündigte Action der Bergarbeiter zur Durch-
ſetzung der Achtſtundenſchicht machte ſich nur in
geringem Umfange und nur inſoweit geltend, als in
den politiſchen Bezirken Dux, Brüx und Komotau auf
einigen Schächten die Belegſchaften um 2 Uhr Nach-
mittags, als vorzeitig, die Arbeit theilweiſe oder ganz
einſtellten. Dort, wo die Schächte ſeicht ſind, fuhren
ſie auf den Fahrten aus. In den tiefen Schächten
warteten ſie am Füllorte die regelmäßige Ausfahrts-
zeit um 4 Uhr Nachmittags ab, um mit der Schale
auszufahren. Auf einzelnen Schächten des Duxer
Reviers wurde deshalb mit Disciplinarſtrafen vorge-
gangen. Die Ruhe wurde jedoch bisher nirgends geſtört.
Um 1¾ Uhr Nachmittags ſtellte die Belegſchaft
des Victoria-Tiefbaues, und zwar 177 Häuer
und 30 Förderer, die Arbeit ein und begab ſich vom
Arbeitsorte zum Füllorte; dasſelbe that die Beleg-
ſchaft des Habsburg-Schachtes, beſtehend aus
197 Häuern und 30 Förderern. Da die Werkleitungen
die Belegſchaften nicht ausfahren ließen, verweilten
dieſe bis 3¾ Uhr Nachmittags unthätig in der
Grube, worauf ſie erſt zur normalen Zeit ausfuhren.
Auf dem Thereſien-Tiefbau ſind gegen
3 Uhr Nachmittags 57 Häuer, 14 Förderer
und 37 Schichtlöhner vorzeitig von der
Arbeit abgeſtanden, ſind aber erſt um 4 Uhr normal-
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