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Reichspost. Nr. 3, Wien, 04.01.1901.

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Wien, Freitag Reichspost 4. Jänner 1991 3

[Spaltenumbruch] seine Souveränitätsrechte sicherzustellen.
Die schwebende Schuld sei durch die aufeinander
folgenden Deficitjahre gestiegen, der Papiergeldumlauf
habe die äußerste Grenze erreicht; auch die Pflichten
der Gastfreundschaft haben zur Vermehrung der
Schuldenlast beigetragen. Die allgemeine wirthschaft-
liche Lage der Nation habe sich beständig gehoben,
aber das Budget balancire nicht, und zwar noch
weniger im laufenden Rechnungsjahre. Der hohe
Stand des Goldagios bringe schwere Lasten mit sich.
Die Staatsverwaltung dürfe weder Verpflichtungen
eingehen noch Ausgaben genehmigen, welche die
Hilfsquellen des Staatsschatzes nicht leisten könnten;
das ganze Finanzwesen müsse vereinfacht werden.

Der bulgarisch-rumänische Conflict.

Die Kammer hat in ihrer
gestern Abends abgehaltenen Sitzung die Handels-
convention
mit Griechenland mit 58 gegen
21 Stimmen angenommen.

Im Laufe der Debatte hatte der Minister des
Aeußern, Marghiloman, das Wort ergriffen, um auf
die Ausführungen mehrerer Redner, darunter der
ehemaligen Minister General Mano und Jonesco,
welche bezüglich des Zusatzprotokolles zur Convention,
wonach sechs griechischen Kirchen in Rumänien die
Eigenschaft einer juristischen Person zuerkannt wird,
Einwendungen gemacht hatten, zu antworten. Der
Minister betonte, daß die Convention für beide
Länder vortheilhaft sei.

Die Kammer genehmigte ferner eine Pension
für die Witwe des ermordeten Professors
Mihaileano. Der Deputirte Raschcano verlangte
bei dieser Gelegenheit Aufklärungen über den
rumänisch-bulgarischen Conflict.

Minister des Aeußern Marghiloman er-
widerte, er hätte nicht erwartet, daß man über die
Politik der Regierung sprechen werde bei Gelegenheit
der Berathung eines Entwurfes, in welchem die Re-
gierung keineswegs eine politische Kund-
gebung gegen den Nachbarstaat,
sondern nur
die Ehrung des Andenkens eines guten Patri-
oten
erblicke. Der Minister bittet die Kammer, die
Presse sowie alle Jene, die eine Feder führen, auch
weiterhin in würdiger Ruhe und Stillschweigen zu
verharren, namentlich in dem Augenblicke, wo die
Acten des großen Processes über die Donau hinüber
gesendet wurden. Die betreffende Angelegenheit
werde eine Jedermann befriedigende Lösung finden.
(Beifall.)

Cultusminister Arion und Jonesce sprachen
im gleichen Sinne.

Die Corruptions-Wirthschaft in Serbien.

Der vorgestern wegen
Veruntreuung von Amtsgeldern verhaftete Oberst
Simonovitsch hat sich heute morgens im Gefäng-
nisse erschossen. Durch die inzwischen eingeleite
Untersuchung wurde festgestellt, daß Oberst Simo-
novitsch
als Leiter der geographische Abtheilung
allerdings einen größeren Betrag veruntreut und
auch sonst mit Amtsgeldern Mißbrauch getrieben,
sich jedoch keinerlei politischen oder hochver-
rätherischen
Vergehens schuldig gemacht hat, wie
dies einzelne auswärtige Blätter behaupteten.




Ueber das Befinden des
Großherzogs wurde heute um acht Uhr Früh
folgendes Bulletin ausgegeben: Die Nacht verlief
gut. Kein Fieber. Die Körperkräfte und die Herz-
thätigkeit heben sich recht langsam. Respiratorium
frei. Die Ernährung läßt sich in ausreichender Weise
durchführen. Neue Complicationen sind nicht ein-
getreten.

Der neuernannte serbische Ge-
sandte Simic ist hier eingetroffen.




Die Wirren in China.

Die "Times" meldet aus
Peking vom 31. v. M., daß zwischen Rußland und
China ein Uebereinkommen bezüglich der
militärischen Besetzung der Provinz Feng-
tien
in der Mandschurei durch die Russen und der
Wiederaufnahme der Civilverwaltung der Provinz
durch die Chinesen unter russischer Oberhoheit zu
Stande gekommen sei.

Anläßlich der Jahresfeier
der Proclamirung der Königin Victoria als Kaiserin
von Indien wurde am 1. d. eine große Truppenschau
in Peking veranstaltet. Feldmarschall Graf Walder-
see,
welcher Kaiser Wilhelm vertrat, übernahm das
Commando der Truppen und brachte auf Königin
Victoria ein Hoch aus. Die Thatsache wird lebhaft
besprochen, daß bei der Truppenschau, zu der alle
Nationen Vertreter entsendet hatten, die Franzosen
nicht vertreten
waren.

Die "Agence Havas" meldet
aus Peking: Der Zwischenfall von Tingbou ist
beendet. Die Chinesen ergriffen die Flucht,
ohne den Kampf aufgenommen zu haben.

Einem General-
stabsberichte ist zu entnehmen, daß Ende November
und Anfangs December die Säuberung der
Mandschurei von chinesischen Banden und
[Spaltenumbruch] Flüchtlingen fortgesetzt wurde. Mit der Rückkehr des
Generals Fock ist die Expedition an die Quellen
des Ssungari als beendet zu betrachten; nachdem
zwei größere Banden, die einige tausend Mann stark
waren, auseinandergetrieben worden sind, ist innerhalb
des durch die Orte Girin, Itundshou und
Tschapitshou gebildeten Dreieckes ein ernstlicher
Widerstand nicht mehr zu erwarten. Zum Widerstande
sind nur einzelne Anführer geneigt, die den Chinesen
das Berauben und Bestehlen der ruhigen Be-
völkerung erlauben, was aber nur wenige Chinesen
verlockt, sich ihnen anzuschließen.

Li-Hung-Tschang äußerte
in einem Interview, Kaiser Kwang-sü sei durchaus
gewillt, den Forderungen der Mächte zu entsprechen,
er sei aber der Ansicht, daß die zahlreichen Erregung
hervorrufenden Expeditionen unnöthig seien
und beträchtlichen Schaden anrichten.




Römischer Brief.


Gestern fand zu Ehren des Welterlösers und
gelegentlich des zur Neige gehenden Jahrhunderts
bei den berühmten Katakomben der hl. Domitilla
eine großartige Feier statt. Das unter der Leitung
unseres berühmten Landsmannes Dr. Anton de
Waal, Rectors des deutschen Campo Santo, stehende
Collegium Cultorum Martyrum, hatte das Arrange-
ment der Festlichkeit in die Hand genommen. Am
Vormittage celebrirte Monsignor de Waal ein Hoch-
amt, bei welchem die alten gregorianischen Gesänge
zum Vortrage kamen. Die alte über den Katakomben,
aber selbst unterirdisch gelegene Basilika der hl.
Petronilla war mit Guirlanden und sonstigem Blumen-
schmuck geziert und stilvolle Kronleuchter, Candelaber
und Kerzen vervollständigten die Ausschmückung.
Viele der Theilnehmer nahmen ihr Mittagsmahl
in der ländlichen Osteria ein, welche sich in
der Nähe befindet. Am Nachmittage war die
alte Via Appia ungemein belebt. Zu Wagen, zu
Fuß und auf dem Velociped strömten die Festtheil-
nehmer zu den Katakomben und in die genannte
Basilika. Es formirte sich eine großartige Procession,
an welcher Zöglinge sämmtlicher Collegien und
Seminarien, Abordnungen der hiesigen katholischen
Vereine etc. theilnahmen. Der Cardinalvicar Respighi
trug das Allerheiligste, welches vom Cardinal
Mathien sowie vielen Bischöfen und Prälaten be-
gleitet wurde. Die Procession nahm ihren Weg über
die benachbarten Felder zu einem eigens errichteten
Pavillon, wo Halt gemacht wurde. Ein Musikcorps
begleitete den Zug und die hier üblichen Böllerschüsse
wurden abgefeuert. Der Cardinalvicar spendete darauf
den Segen. Nach Rückkehr in die Basilika wurde das
Tedeum angestimmt, womit die großartige Feier ihr
Ende erreichte. Unter den Festgästen befand sich auch
Prinz Max von Sachsen, der Propst Prinz Hohen-
lohe sowie der apostolische Protonotar, Domherr
Doctor Fischer-Colbrie. Groß war die Zahl
der deutschen und österreichischen Prälaten, Geistlichen,
Ordensleuten und Touristen. Die heutige Mitter-
nacht
der Jahrhundertswende wird überall
feierlich begangen werden. Von der Engelsburg wird
eine Artilleriesalve gelöst und die große Glocke des
Capitols wird geläutet werden. Leo XIII. beab-
sichtigte selbst in der Peterskirche eine Mitternachts-
messe zu celebriren, nahm aber auf den dringenden
Rath seines Leibarztes davon Abstand und wird in
der Hauscapelle eine Messe lesen. An seiner Stelle
wird der vaticanische Erzpriester Cardinal Rampolla
in St. Peter pontificiren. Die deutschen Katholiken
haben gegen 11 Uhr Gottesdienst im deutschen Campo
Santo und ziehen sodann unter Führung des
Rectors de Waal gemeinsam in die gegenüberliegende
Peterskirche. Am königlichen Hofe fällt -- der
Trauer wegen -- jede Neujahrsgratulation aus. --
Unter allen Nationen, welche während des nun-
mehr beendeten Jubiläumsjahres Pilgerzüge nach
Rom gesandt haben, nimmt selbstverständlich die
italienische den ersten Platz ein. Von den 223
großen und größeren Pilgerschaften, welche in der
Zeit vom 24. December 1899 bis ebendahin 1900
hier waren, entfallen allein 152 auf Italien. Was
die nicht-italienischen Nationen betrifft, so sandten
diese 71 Pilgerzüge nach Rom, unter welchen 10 auf
Frankreich, 5 auf Spanien, 6 auf Amerika, 2 auf
Belgien und je 1 auf Portugal und die übrigen
kleineren oder entlegenen Länder fallen. Der ge-
sammte Rest von 43 Pilgerzügen (wobei die kleineren
Gruppen und die unzähligen Einzelpilger selbst-
verständlich nicht mitgezählt sind) entfällt aber auf
das deutsche Element, d. h. auf das Deutsche
Reich, die österreichische Monarchie und die
Schweiz, sodaß dasselbe also -- wie in früheren
Jubiläen -- so auch diesmal in jeder Be-
ziehung obenan steht! Von diesen 43 deutschen Pilger-
schaften kommen nun 23 auf die Oesterreichische
Monarchie, 18 auf das Deutsche Reich und 2 auf die
Schweiz. Die Pilgerfrequenz war in den einzelnen
Monaten selbstverständlich sehr verschieden. Obenan
steht der September mit 49 Pilgerzügen. Es folgen
die Monate October mit 38, Mai mit 35, November
mit 31, Februar und April mit 20, März mit 12,
December mit 9, August mit 8, Juni mit 7, Juli
mit 3 und endlich der Jänner mit 1 Zug. Das
[Spaltenumbruch] deutsche Element war am zahlreichsten in den Mo-
naten März, April, Mai, sowie im September und
October vertreten. Auffällig war die verhältnißmäßig
geringe Betheiligung von Seiten Frankreichs, von
den fehlenden Engländern gar nicht zu reden. Beiden
fehlte es leider nicht an einem gewissen Grund,
welcher jedoch rein politischen Charakters war. Bei
den Franzosen war es der in gewissen hiesigen Kreisen
als zu demokratisch angesehe Anstrich der geplanten
sogenannten Arbeiterpilgerzüge, und die Engländer
fühlten sich verschnupft in Folge des feindseligen Ver-
haltens eines Theils der vaticanischen Presse in Bezug
auf die Transvaalfrage. Mit Mühe und Noth ist es
erst kürzlich dem Cardinal Rampolla gelungen, eine
Versöhnung zu Stande zu bringen, was am besten
durch die gestern erfolgte Ankunft von etwa 180
Engländern bewiesen wird. Diese Zahl ist allerdings
nur sehr klein; die Pilgerschaft erhält aber ihren
Werth durch die Anwesenheit des Führers der
Katholiken Englands, des steinreichen und generösen
Herzogs von Norfolk sowie des Erzbischofs von West-
minster (London) Cardinal Vaughan.




Arbeiterbewegung.
Versammlung der Nordwestbahn-
bediensteten.

Vor einiger Zeit sprach eine Deputation bei dem
Generaldirector der Nordwestbahn, Sectionschef
Dr. Zehetner vor, um ihm die Forderungen der
Bediensteten-Kategorien vorzubringen. Dieser Herr hat
die Deputation einfach nicht vorgelassen, und so ist
über die berechtigten Wünsche von Bediensteten und
Beamten zur Tagesordnung übergegangen worden.
Die richtige Antwort haben ihm nun Bedienstete und
Beamte damit gegeben, daß sie sich solidarisch er-
klärten in der Erkämpfung ihres guten Rechtes und
diese Solidarität auch in der Versammlung vom
1. Jänner, die im Saale "zum goldenen Widder"
abgehalten wurde, manifestirten. Es sprachen in dieser
Versammlung von socialdemokratischer Seite die
Herren Taub und Grüll, von christlich-socialer
Seite Oberrevident Czermak. Schließlich wurde
folgende Resolution angenommen:

Den Mitgliedern der zwei Deputationen, die eigen-
mächtig und ohne die Meinung der angeblich von
ihnen vertretenen Gruppen eingeholt zu haben, beim
Sectionschef Dr. Zehetner vorsprachen, spricht die
Versammlung die tiefste Entrüstung und
schärfste Mißbilligung aus.
Damit endlich
die so nothwendige Verbesserung der Lage aller
Bediensteten
in kürzester Zeit erfolge und docu-
mentirt werde, daß thatsächlich das Memorandum der
Ausdruck des Gesammtwillens des Personals ist und
daß die 18gliedrige Deputation berechtigt war, in
Vertretung der Gesammtheit des Personals zu
sprechen, beauftragt die heutige Versammlung die
Executive der organisirten Eisenbahner Oester-
reichs, sofort an sämmtliche von Eisenbahnern
gebildete Organisationen mit der Aufforderung,
sich an diese Bewegung anzuschließen,
heranzutreten. Sodann sind von den gesammten
Organisationen gemeinsam mit den Vertrauens-
männern der Nordwestbahn die weiteren Schritte zur
endlichen Verwirklichung der in dem Memorandum
enthaltenen Wünsche einzuleiten. Schließlich spricht
die Versammlung die Hoffnung aus, daß die
Direction der österreichischen Nordwestbahn, ohne
weiteres Vorsprechen der Vertreter der Organisationen
und Vertrauensmänner der österreichischen Nordwest-
bahn abzuwarten, die auf eine Verbesserung der Lage
des Gesammtpersonals abzielenden Reformen schleunigst
durchführen werde, da die Noth und das Elend des
Gesammtpersonals in Folge der stetig fortschreitenden
Theuerung sich bereits bis zur Unerträglichkeit ge-
steigert haben.

Der Bergarbeiterausstand in Böhmen.

Aus Brüx wird unterm 2. d. M. berichtet: Die für
heute angekündigte Action der Bergarbeiter zur Durch-
setzung der Achtstundenschicht machte sich nur in
geringem Umfange und nur insoweit geltend, als in
den politischen Bezirken Dux, Brüx und Komotau auf
einigen Schächten die Belegschaften um 2 Uhr Nach-
mittags, als vorzeitig, die Arbeit theilweise oder ganz
einstellten. Dort, wo die Schächte seicht sind, fuhren
sie auf den Fahrten aus. In den tiefen Schächten
warteten sie am Füllorte die regelmäßige Ausfahrts-
zeit um 4 Uhr Nachmittags ab, um mit der Schale
auszufahren. Auf einzelnen Schächten des Duxer
Reviers wurde deshalb mit Disciplinarstrafen vorge-
gangen. Die Ruhe wurde jedoch bisher nirgends gestört.

Um 13/4 Uhr Nachmittags stellte die Belegschaft
des Victoria-Tiefbaues, und zwar 177 Häuer
und 30 Förderer, die Arbeit ein und begab sich vom
Arbeitsorte zum Füllorte; dasselbe that die Beleg-
schaft des Habsburg-Schachtes, bestehend aus
197 Häuern und 30 Förderern. Da die Werkleitungen
die Belegschaften nicht ausfahren ließen, verweilten
diese bis 33/4 Uhr Nachmittags unthätig in der
Grube, worauf sie erst zur normalen Zeit ausfuhren.
Auf dem Theresien-Tiefbau sind gegen
3 Uhr Nachmittags 57 Häuer, 14 Förderer
und 37 Schichtlöhner vorzeitig von der
Arbeit abgestanden, sind aber erst um 4 Uhr normal-

Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1991 3

[Spaltenumbruch] ſeine Souveränitätsrechte ſicherzuſtellen.
Die ſchwebende Schuld ſei durch die aufeinander
folgenden Deficitjahre geſtiegen, der Papiergeldumlauf
habe die äußerſte Grenze erreicht; auch die Pflichten
der Gaſtfreundſchaft haben zur Vermehrung der
Schuldenlaſt beigetragen. Die allgemeine wirthſchaft-
liche Lage der Nation habe ſich beſtändig gehoben,
aber das Budget balancire nicht, und zwar noch
weniger im laufenden Rechnungsjahre. Der hohe
Stand des Goldagios bringe ſchwere Laſten mit ſich.
Die Staatsverwaltung dürfe weder Verpflichtungen
eingehen noch Ausgaben genehmigen, welche die
Hilfsquellen des Staatsſchatzes nicht leiſten könnten;
das ganze Finanzweſen müſſe vereinfacht werden.

Der bulgariſch-rumäniſche Conflict.

Die Kammer hat in ihrer
geſtern Abends abgehaltenen Sitzung die Handels-
convention
mit Griechenland mit 58 gegen
21 Stimmen angenommen.

Im Laufe der Debatte hatte der Miniſter des
Aeußern, Marghiloman, das Wort ergriffen, um auf
die Ausführungen mehrerer Redner, darunter der
ehemaligen Miniſter General Mano und Jonesco,
welche bezüglich des Zuſatzprotokolles zur Convention,
wonach ſechs griechiſchen Kirchen in Rumänien die
Eigenſchaft einer juriſtiſchen Perſon zuerkannt wird,
Einwendungen gemacht hatten, zu antworten. Der
Miniſter betonte, daß die Convention für beide
Länder vortheilhaft ſei.

Die Kammer genehmigte ferner eine Penſion
für die Witwe des ermordeten Profeſſors
Mihaileano. Der Deputirte Raſchcano verlangte
bei dieſer Gelegenheit Aufklärungen über den
rumäniſch-bulgariſchen Conflict.

Miniſter des Aeußern Marghiloman er-
widerte, er hätte nicht erwartet, daß man über die
Politik der Regierung ſprechen werde bei Gelegenheit
der Berathung eines Entwurfes, in welchem die Re-
gierung keineswegs eine politiſche Kund-
gebung gegen den Nachbarſtaat,
ſondern nur
die Ehrung des Andenkens eines guten Patri-
oten
erblicke. Der Miniſter bittet die Kammer, die
Preſſe ſowie alle Jene, die eine Feder führen, auch
weiterhin in würdiger Ruhe und Stillſchweigen zu
verharren, namentlich in dem Augenblicke, wo die
Acten des großen Proceſſes über die Donau hinüber
geſendet wurden. Die betreffende Angelegenheit
werde eine Jedermann befriedigende Löſung finden.
(Beifall.)

Cultusminiſter Arion und Jonesce ſprachen
im gleichen Sinne.

Die Corruptions-Wirthſchaft in Serbien.

Der vorgeſtern wegen
Veruntreuung von Amtsgeldern verhaftete Oberſt
Simonovitſch hat ſich heute morgens im Gefäng-
niſſe erſchoſſen. Durch die inzwiſchen eingeleite
Unterſuchung wurde feſtgeſtellt, daß Oberſt Simo-
novitſch
als Leiter der geographiſche Abtheilung
allerdings einen größeren Betrag veruntreut und
auch ſonſt mit Amtsgeldern Mißbrauch getrieben,
ſich jedoch keinerlei politiſchen oder hochver-
rätheriſchen
Vergehens ſchuldig gemacht hat, wie
dies einzelne auswärtige Blätter behaupteten.




Ueber das Befinden des
Großherzogs wurde heute um acht Uhr Früh
folgendes Bulletin ausgegeben: Die Nacht verlief
gut. Kein Fieber. Die Körperkräfte und die Herz-
thätigkeit heben ſich recht langſam. Reſpiratorium
frei. Die Ernährung läßt ſich in ausreichender Weiſe
durchführen. Neue Complicationen ſind nicht ein-
getreten.

Der neuernannte ſerbiſche Ge-
ſandte Simic iſt hier eingetroffen.




Die Wirren in China.

Die „Times“ meldet aus
Peking vom 31. v. M., daß zwiſchen Rußland und
China ein Uebereinkommen bezüglich der
militäriſchen Beſetzung der Provinz Feng-
tien
in der Mandſchurei durch die Ruſſen und der
Wiederaufnahme der Civilverwaltung der Provinz
durch die Chineſen unter ruſſiſcher Oberhoheit zu
Stande gekommen ſei.

Anläßlich der Jahresfeier
der Proclamirung der Königin Victoria als Kaiſerin
von Indien wurde am 1. d. eine große Truppenſchau
in Peking veranſtaltet. Feldmarſchall Graf Walder-
ſee,
welcher Kaiſer Wilhelm vertrat, übernahm das
Commando der Truppen und brachte auf Königin
Victoria ein Hoch aus. Die Thatſache wird lebhaft
beſprochen, daß bei der Truppenſchau, zu der alle
Nationen Vertreter entſendet hatten, die Franzoſen
nicht vertreten
waren.

Die „Agence Havas“ meldet
aus Peking: Der Zwiſchenfall von Tingbou iſt
beendet. Die Chineſen ergriffen die Flucht,
ohne den Kampf aufgenommen zu haben.

Einem General-
ſtabsberichte iſt zu entnehmen, daß Ende November
und Anfangs December die Säuberung der
Mandſchurei von chineſiſchen Banden und
[Spaltenumbruch] Flüchtlingen fortgeſetzt wurde. Mit der Rückkehr des
Generals Fock iſt die Expedition an die Quellen
des Sſungari als beendet zu betrachten; nachdem
zwei größere Banden, die einige tauſend Mann ſtark
waren, auseinandergetrieben worden ſind, iſt innerhalb
des durch die Orte Girin, Itundshou und
Tſchapitshou gebildeten Dreieckes ein ernſtlicher
Widerſtand nicht mehr zu erwarten. Zum Widerſtande
ſind nur einzelne Anführer geneigt, die den Chineſen
das Berauben und Beſtehlen der ruhigen Be-
völkerung erlauben, was aber nur wenige Chineſen
verlockt, ſich ihnen anzuſchließen.

Li-Hung-Tſchang äußerte
in einem Interview, Kaiſer Kwang-ſü ſei durchaus
gewillt, den Forderungen der Mächte zu entſprechen,
er ſei aber der Anſicht, daß die zahlreichen Erregung
hervorrufenden Expeditionen unnöthig ſeien
und beträchtlichen Schaden anrichten.




Römiſcher Brief.


Geſtern fand zu Ehren des Welterlöſers und
gelegentlich des zur Neige gehenden Jahrhunderts
bei den berühmten Katakomben der hl. Domitilla
eine großartige Feier ſtatt. Das unter der Leitung
unſeres berühmten Landsmannes Dr. Anton de
Waal, Rectors des deutſchen Campo Santo, ſtehende
Collegium Cultorum Martyrum, hatte das Arrange-
ment der Feſtlichkeit in die Hand genommen. Am
Vormittage celebrirte Monſignor de Waal ein Hoch-
amt, bei welchem die alten gregorianiſchen Geſänge
zum Vortrage kamen. Die alte über den Katakomben,
aber ſelbſt unterirdiſch gelegene Baſilika der hl.
Petronilla war mit Guirlanden und ſonſtigem Blumen-
ſchmuck geziert und ſtilvolle Kronleuchter, Candelaber
und Kerzen vervollſtändigten die Ausſchmückung.
Viele der Theilnehmer nahmen ihr Mittagsmahl
in der ländlichen Oſteria ein, welche ſich in
der Nähe befindet. Am Nachmittage war die
alte Via Appia ungemein belebt. Zu Wagen, zu
Fuß und auf dem Velociped ſtrömten die Feſttheil-
nehmer zu den Katakomben und in die genannte
Baſilika. Es formirte ſich eine großartige Proceſſion,
an welcher Zöglinge ſämmtlicher Collegien und
Seminarien, Abordnungen der hieſigen katholiſchen
Vereine ꝛc. theilnahmen. Der Cardinalvicar Reſpighi
trug das Allerheiligſte, welches vom Cardinal
Mathien ſowie vielen Biſchöfen und Prälaten be-
gleitet wurde. Die Proceſſion nahm ihren Weg über
die benachbarten Felder zu einem eigens errichteten
Pavillon, wo Halt gemacht wurde. Ein Muſikcorps
begleitete den Zug und die hier üblichen Böllerſchüſſe
wurden abgefeuert. Der Cardinalvicar ſpendete darauf
den Segen. Nach Rückkehr in die Baſilika wurde das
Tedeum angeſtimmt, womit die großartige Feier ihr
Ende erreichte. Unter den Feſtgäſten befand ſich auch
Prinz Max von Sachſen, der Propſt Prinz Hohen-
lohe ſowie der apoſtoliſche Protonotar, Domherr
Doctor Fiſcher-Colbrie. Groß war die Zahl
der deutſchen und öſterreichiſchen Prälaten, Geiſtlichen,
Ordensleuten und Touriſten. Die heutige Mitter-
nacht
der Jahrhundertswende wird überall
feierlich begangen werden. Von der Engelsburg wird
eine Artillerieſalve gelöſt und die große Glocke des
Capitols wird geläutet werden. Leo XIII. beab-
ſichtigte ſelbſt in der Peterskirche eine Mitternachts-
meſſe zu celebriren, nahm aber auf den dringenden
Rath ſeines Leibarztes davon Abſtand und wird in
der Hauscapelle eine Meſſe leſen. An ſeiner Stelle
wird der vaticaniſche Erzprieſter Cardinal Rampolla
in St. Peter pontificiren. Die deutſchen Katholiken
haben gegen 11 Uhr Gottesdienſt im deutſchen Campo
Santo und ziehen ſodann unter Führung des
Rectors de Waal gemeinſam in die gegenüberliegende
Peterskirche. Am königlichen Hofe fällt — der
Trauer wegen — jede Neujahrsgratulation aus. —
Unter allen Nationen, welche während des nun-
mehr beendeten Jubiläumsjahres Pilgerzüge nach
Rom geſandt haben, nimmt ſelbſtverſtändlich die
italieniſche den erſten Platz ein. Von den 223
großen und größeren Pilgerſchaften, welche in der
Zeit vom 24. December 1899 bis ebendahin 1900
hier waren, entfallen allein 152 auf Italien. Was
die nicht-italieniſchen Nationen betrifft, ſo ſandten
dieſe 71 Pilgerzüge nach Rom, unter welchen 10 auf
Frankreich, 5 auf Spanien, 6 auf Amerika, 2 auf
Belgien und je 1 auf Portugal und die übrigen
kleineren oder entlegenen Länder fallen. Der ge-
ſammte Reſt von 43 Pilgerzügen (wobei die kleineren
Gruppen und die unzähligen Einzelpilger ſelbſt-
verſtändlich nicht mitgezählt ſind) entfällt aber auf
das deutſche Element, d. h. auf das Deutſche
Reich, die öſterreichiſche Monarchie und die
Schweiz, ſodaß dasſelbe alſo — wie in früheren
Jubiläen — ſo auch diesmal in jeder Be-
ziehung obenan ſteht! Von dieſen 43 deutſchen Pilger-
ſchaften kommen nun 23 auf die Oeſterreichiſche
Monarchie, 18 auf das Deutſche Reich und 2 auf die
Schweiz. Die Pilgerfrequenz war in den einzelnen
Monaten ſelbſtverſtändlich ſehr verſchieden. Obenan
ſteht der September mit 49 Pilgerzügen. Es folgen
die Monate October mit 38, Mai mit 35, November
mit 31, Februar und April mit 20, März mit 12,
December mit 9, Auguſt mit 8, Juni mit 7, Juli
mit 3 und endlich der Jänner mit 1 Zug. Das
[Spaltenumbruch] deutſche Element war am zahlreichſten in den Mo-
naten März, April, Mai, ſowie im September und
October vertreten. Auffällig war die verhältnißmäßig
geringe Betheiligung von Seiten Frankreichs, von
den fehlenden Engländern gar nicht zu reden. Beiden
fehlte es leider nicht an einem gewiſſen Grund,
welcher jedoch rein politiſchen Charakters war. Bei
den Franzoſen war es der in gewiſſen hieſigen Kreiſen
als zu demokratiſch angeſehe Anſtrich der geplanten
ſogenannten Arbeiterpilgerzüge, und die Engländer
fühlten ſich verſchnupft in Folge des feindſeligen Ver-
haltens eines Theils der vaticaniſchen Preſſe in Bezug
auf die Transvaalfrage. Mit Mühe und Noth iſt es
erſt kürzlich dem Cardinal Rampolla gelungen, eine
Verſöhnung zu Stande zu bringen, was am beſten
durch die geſtern erfolgte Ankunft von etwa 180
Engländern bewieſen wird. Dieſe Zahl iſt allerdings
nur ſehr klein; die Pilgerſchaft erhält aber ihren
Werth durch die Anweſenheit des Führers der
Katholiken Englands, des ſteinreichen und generöſen
Herzogs von Norfolk ſowie des Erzbiſchofs von Weſt-
minſter (London) Cardinal Vaughan.




Arbeiterbewegung.
Verſammlung der Nordweſtbahn-
bedienſteten.

Vor einiger Zeit ſprach eine Deputation bei dem
Generaldirector der Nordweſtbahn, Sectionschef
Dr. Zehetner vor, um ihm die Forderungen der
Bedienſteten-Kategorien vorzubringen. Dieſer Herr hat
die Deputation einfach nicht vorgelaſſen, und ſo iſt
über die berechtigten Wünſche von Bedienſteten und
Beamten zur Tagesordnung übergegangen worden.
Die richtige Antwort haben ihm nun Bedienſtete und
Beamte damit gegeben, daß ſie ſich ſolidariſch er-
klärten in der Erkämpfung ihres guten Rechtes und
dieſe Solidarität auch in der Verſammlung vom
1. Jänner, die im Saale „zum goldenen Widder“
abgehalten wurde, manifeſtirten. Es ſprachen in dieſer
Verſammlung von ſocialdemokratiſcher Seite die
Herren Taub und Grüll, von chriſtlich-ſocialer
Seite Oberrevident Czermak. Schließlich wurde
folgende Reſolution angenommen:

Den Mitgliedern der zwei Deputationen, die eigen-
mächtig und ohne die Meinung der angeblich von
ihnen vertretenen Gruppen eingeholt zu haben, beim
Sectionschef Dr. Zehetner vorſprachen, ſpricht die
Verſammlung die tiefſte Entrüſtung und
ſchärfſte Mißbilligung aus.
Damit endlich
die ſo nothwendige Verbeſſerung der Lage aller
Bedienſteten
in kürzeſter Zeit erfolge und docu-
mentirt werde, daß thatſächlich das Memorandum der
Ausdruck des Geſammtwillens des Perſonals iſt und
daß die 18gliedrige Deputation berechtigt war, in
Vertretung der Geſammtheit des Perſonals zu
ſprechen, beauftragt die heutige Verſammlung die
Executive der organiſirten Eiſenbahner Oeſter-
reichs, ſofort an ſämmtliche von Eiſenbahnern
gebildete Organiſationen mit der Aufforderung,
ſich an dieſe Bewegung anzuſchließen,
heranzutreten. Sodann ſind von den geſammten
Organiſationen gemeinſam mit den Vertrauens-
männern der Nordweſtbahn die weiteren Schritte zur
endlichen Verwirklichung der in dem Memorandum
enthaltenen Wünſche einzuleiten. Schließlich ſpricht
die Verſammlung die Hoffnung aus, daß die
Direction der öſterreichiſchen Nordweſtbahn, ohne
weiteres Vorſprechen der Vertreter der Organiſationen
und Vertrauensmänner der öſterreichiſchen Nordweſt-
bahn abzuwarten, die auf eine Verbeſſerung der Lage
des Geſammtperſonals abzielenden Reformen ſchleunigſt
durchführen werde, da die Noth und das Elend des
Geſammtperſonals in Folge der ſtetig fortſchreitenden
Theuerung ſich bereits bis zur Unerträglichkeit ge-
ſteigert haben.

Der Bergarbeiterausſtand in Böhmen.

Aus Brüx wird unterm 2. d. M. berichtet: Die für
heute angekündigte Action der Bergarbeiter zur Durch-
ſetzung der Achtſtundenſchicht machte ſich nur in
geringem Umfange und nur inſoweit geltend, als in
den politiſchen Bezirken Dux, Brüx und Komotau auf
einigen Schächten die Belegſchaften um 2 Uhr Nach-
mittags, als vorzeitig, die Arbeit theilweiſe oder ganz
einſtellten. Dort, wo die Schächte ſeicht ſind, fuhren
ſie auf den Fahrten aus. In den tiefen Schächten
warteten ſie am Füllorte die regelmäßige Ausfahrts-
zeit um 4 Uhr Nachmittags ab, um mit der Schale
auszufahren. Auf einzelnen Schächten des Duxer
Reviers wurde deshalb mit Disciplinarſtrafen vorge-
gangen. Die Ruhe wurde jedoch bisher nirgends geſtört.

Um 1¾ Uhr Nachmittags ſtellte die Belegſchaft
des Victoria-Tiefbaues, und zwar 177 Häuer
und 30 Förderer, die Arbeit ein und begab ſich vom
Arbeitsorte zum Füllorte; dasſelbe that die Beleg-
ſchaft des Habsburg-Schachtes, beſtehend aus
197 Häuern und 30 Förderern. Da die Werkleitungen
die Belegſchaften nicht ausfahren ließen, verweilten
dieſe bis 3¾ Uhr Nachmittags unthätig in der
Grube, worauf ſie erſt zur normalen Zeit ausfuhren.
Auf dem Thereſien-Tiefbau ſind gegen
3 Uhr Nachmittags 57 Häuer, 14 Förderer
und 37 Schichtlöhner vorzeitig von der
Arbeit abgeſtanden, ſind aber erſt um 4 Uhr normal-

<TEI>
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Die &#x017F;chwebende Schuld &#x017F;ei durch die aufeinander<lb/>
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Schuldenla&#x017F;t beigetragen. Die allgemeine wirth&#x017F;chaft-<lb/>
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[4/0004] Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1991 3 ſeine Souveränitätsrechte ſicherzuſtellen. Die ſchwebende Schuld ſei durch die aufeinander folgenden Deficitjahre geſtiegen, der Papiergeldumlauf habe die äußerſte Grenze erreicht; auch die Pflichten der Gaſtfreundſchaft haben zur Vermehrung der Schuldenlaſt beigetragen. Die allgemeine wirthſchaft- liche Lage der Nation habe ſich beſtändig gehoben, aber das Budget balancire nicht, und zwar noch weniger im laufenden Rechnungsjahre. Der hohe Stand des Goldagios bringe ſchwere Laſten mit ſich. Die Staatsverwaltung dürfe weder Verpflichtungen eingehen noch Ausgaben genehmigen, welche die Hilfsquellen des Staatsſchatzes nicht leiſten könnten; das ganze Finanzweſen müſſe vereinfacht werden. Der bulgariſch-rumäniſche Conflict. Bukareſt, 3. Jänner. Die Kammer hat in ihrer geſtern Abends abgehaltenen Sitzung die Handels- convention mit Griechenland mit 58 gegen 21 Stimmen angenommen. Im Laufe der Debatte hatte der Miniſter des Aeußern, Marghiloman, das Wort ergriffen, um auf die Ausführungen mehrerer Redner, darunter der ehemaligen Miniſter General Mano und Jonesco, welche bezüglich des Zuſatzprotokolles zur Convention, wonach ſechs griechiſchen Kirchen in Rumänien die Eigenſchaft einer juriſtiſchen Perſon zuerkannt wird, Einwendungen gemacht hatten, zu antworten. Der Miniſter betonte, daß die Convention für beide Länder vortheilhaft ſei. Die Kammer genehmigte ferner eine Penſion für die Witwe des ermordeten Profeſſors Mihaileano. Der Deputirte Raſchcano verlangte bei dieſer Gelegenheit Aufklärungen über den rumäniſch-bulgariſchen Conflict. Miniſter des Aeußern Marghiloman er- widerte, er hätte nicht erwartet, daß man über die Politik der Regierung ſprechen werde bei Gelegenheit der Berathung eines Entwurfes, in welchem die Re- gierung keineswegs eine politiſche Kund- gebung gegen den Nachbarſtaat, ſondern nur die Ehrung des Andenkens eines guten Patri- oten erblicke. Der Miniſter bittet die Kammer, die Preſſe ſowie alle Jene, die eine Feder führen, auch weiterhin in würdiger Ruhe und Stillſchweigen zu verharren, namentlich in dem Augenblicke, wo die Acten des großen Proceſſes über die Donau hinüber geſendet wurden. Die betreffende Angelegenheit werde eine Jedermann befriedigende Löſung finden. (Beifall.) Cultusminiſter Arion und Jonesce ſprachen im gleichen Sinne. Die Corruptions-Wirthſchaft in Serbien. Belgrad, 3. Jänner. Der vorgeſtern wegen Veruntreuung von Amtsgeldern verhaftete Oberſt Simonovitſch hat ſich heute morgens im Gefäng- niſſe erſchoſſen. Durch die inzwiſchen eingeleite Unterſuchung wurde feſtgeſtellt, daß Oberſt Simo- novitſch als Leiter der geographiſche Abtheilung allerdings einen größeren Betrag veruntreut und auch ſonſt mit Amtsgeldern Mißbrauch getrieben, ſich jedoch keinerlei politiſchen oder hochver- rätheriſchen Vergehens ſchuldig gemacht hat, wie dies einzelne auswärtige Blätter behaupteten. Weimar, 3. Jänner. Ueber das Befinden des Großherzogs wurde heute um acht Uhr Früh folgendes Bulletin ausgegeben: Die Nacht verlief gut. Kein Fieber. Die Körperkräfte und die Herz- thätigkeit heben ſich recht langſam. Reſpiratorium frei. Die Ernährung läßt ſich in ausreichender Weiſe durchführen. Neue Complicationen ſind nicht ein- getreten. Rom, 2. Jänner. Der neuernannte ſerbiſche Ge- ſandte Simic iſt hier eingetroffen. Die Wirren in China. London, 3. Jänner. Die „Times“ meldet aus Peking vom 31. v. M., daß zwiſchen Rußland und China ein Uebereinkommen bezüglich der militäriſchen Beſetzung der Provinz Feng- tien in der Mandſchurei durch die Ruſſen und der Wiederaufnahme der Civilverwaltung der Provinz durch die Chineſen unter ruſſiſcher Oberhoheit zu Stande gekommen ſei. London, 2. Jänner. Anläßlich der Jahresfeier der Proclamirung der Königin Victoria als Kaiſerin von Indien wurde am 1. d. eine große Truppenſchau in Peking veranſtaltet. Feldmarſchall Graf Walder- ſee, welcher Kaiſer Wilhelm vertrat, übernahm das Commando der Truppen und brachte auf Königin Victoria ein Hoch aus. Die Thatſache wird lebhaft beſprochen, daß bei der Truppenſchau, zu der alle Nationen Vertreter entſendet hatten, die Franzoſen nicht vertreten waren. Paris, 3. Jänner. Die „Agence Havas“ meldet aus Peking: Der Zwiſchenfall von Tingbou iſt beendet. Die Chineſen ergriffen die Flucht, ohne den Kampf aufgenommen zu haben. St. Petersburg, 3. Jänner. Einem General- ſtabsberichte iſt zu entnehmen, daß Ende November und Anfangs December die Säuberung der Mandſchurei von chineſiſchen Banden und Flüchtlingen fortgeſetzt wurde. Mit der Rückkehr des Generals Fock iſt die Expedition an die Quellen des Sſungari als beendet zu betrachten; nachdem zwei größere Banden, die einige tauſend Mann ſtark waren, auseinandergetrieben worden ſind, iſt innerhalb des durch die Orte Girin, Itundshou und Tſchapitshou gebildeten Dreieckes ein ernſtlicher Widerſtand nicht mehr zu erwarten. Zum Widerſtande ſind nur einzelne Anführer geneigt, die den Chineſen das Berauben und Beſtehlen der ruhigen Be- völkerung erlauben, was aber nur wenige Chineſen verlockt, ſich ihnen anzuſchließen. New-York, 3. Jänner. Li-Hung-Tſchang äußerte in einem Interview, Kaiſer Kwang-ſü ſei durchaus gewillt, den Forderungen der Mächte zu entſprechen, er ſei aber der Anſicht, daß die zahlreichen Erregung hervorrufenden Expeditionen unnöthig ſeien und beträchtlichen Schaden anrichten. Römiſcher Brief. Rom, 31. December 1900. Geſtern fand zu Ehren des Welterlöſers und gelegentlich des zur Neige gehenden Jahrhunderts bei den berühmten Katakomben der hl. Domitilla eine großartige Feier ſtatt. Das unter der Leitung unſeres berühmten Landsmannes Dr. Anton de Waal, Rectors des deutſchen Campo Santo, ſtehende Collegium Cultorum Martyrum, hatte das Arrange- ment der Feſtlichkeit in die Hand genommen. Am Vormittage celebrirte Monſignor de Waal ein Hoch- amt, bei welchem die alten gregorianiſchen Geſänge zum Vortrage kamen. Die alte über den Katakomben, aber ſelbſt unterirdiſch gelegene Baſilika der hl. Petronilla war mit Guirlanden und ſonſtigem Blumen- ſchmuck geziert und ſtilvolle Kronleuchter, Candelaber und Kerzen vervollſtändigten die Ausſchmückung. Viele der Theilnehmer nahmen ihr Mittagsmahl in der ländlichen Oſteria ein, welche ſich in der Nähe befindet. Am Nachmittage war die alte Via Appia ungemein belebt. Zu Wagen, zu Fuß und auf dem Velociped ſtrömten die Feſttheil- nehmer zu den Katakomben und in die genannte Baſilika. Es formirte ſich eine großartige Proceſſion, an welcher Zöglinge ſämmtlicher Collegien und Seminarien, Abordnungen der hieſigen katholiſchen Vereine ꝛc. theilnahmen. Der Cardinalvicar Reſpighi trug das Allerheiligſte, welches vom Cardinal Mathien ſowie vielen Biſchöfen und Prälaten be- gleitet wurde. Die Proceſſion nahm ihren Weg über die benachbarten Felder zu einem eigens errichteten Pavillon, wo Halt gemacht wurde. Ein Muſikcorps begleitete den Zug und die hier üblichen Böllerſchüſſe wurden abgefeuert. Der Cardinalvicar ſpendete darauf den Segen. Nach Rückkehr in die Baſilika wurde das Tedeum angeſtimmt, womit die großartige Feier ihr Ende erreichte. Unter den Feſtgäſten befand ſich auch Prinz Max von Sachſen, der Propſt Prinz Hohen- lohe ſowie der apoſtoliſche Protonotar, Domherr Doctor Fiſcher-Colbrie. Groß war die Zahl der deutſchen und öſterreichiſchen Prälaten, Geiſtlichen, Ordensleuten und Touriſten. Die heutige Mitter- nacht der Jahrhundertswende wird überall feierlich begangen werden. Von der Engelsburg wird eine Artillerieſalve gelöſt und die große Glocke des Capitols wird geläutet werden. Leo XIII. beab- ſichtigte ſelbſt in der Peterskirche eine Mitternachts- meſſe zu celebriren, nahm aber auf den dringenden Rath ſeines Leibarztes davon Abſtand und wird in der Hauscapelle eine Meſſe leſen. An ſeiner Stelle wird der vaticaniſche Erzprieſter Cardinal Rampolla in St. Peter pontificiren. Die deutſchen Katholiken haben gegen 11 Uhr Gottesdienſt im deutſchen Campo Santo und ziehen ſodann unter Führung des Rectors de Waal gemeinſam in die gegenüberliegende Peterskirche. Am königlichen Hofe fällt — der Trauer wegen — jede Neujahrsgratulation aus. — Unter allen Nationen, welche während des nun- mehr beendeten Jubiläumsjahres Pilgerzüge nach Rom geſandt haben, nimmt ſelbſtverſtändlich die italieniſche den erſten Platz ein. Von den 223 großen und größeren Pilgerſchaften, welche in der Zeit vom 24. December 1899 bis ebendahin 1900 hier waren, entfallen allein 152 auf Italien. Was die nicht-italieniſchen Nationen betrifft, ſo ſandten dieſe 71 Pilgerzüge nach Rom, unter welchen 10 auf Frankreich, 5 auf Spanien, 6 auf Amerika, 2 auf Belgien und je 1 auf Portugal und die übrigen kleineren oder entlegenen Länder fallen. Der ge- ſammte Reſt von 43 Pilgerzügen (wobei die kleineren Gruppen und die unzähligen Einzelpilger ſelbſt- verſtändlich nicht mitgezählt ſind) entfällt aber auf das deutſche Element, d. h. auf das Deutſche Reich, die öſterreichiſche Monarchie und die Schweiz, ſodaß dasſelbe alſo — wie in früheren Jubiläen — ſo auch diesmal in jeder Be- ziehung obenan ſteht! Von dieſen 43 deutſchen Pilger- ſchaften kommen nun 23 auf die Oeſterreichiſche Monarchie, 18 auf das Deutſche Reich und 2 auf die Schweiz. Die Pilgerfrequenz war in den einzelnen Monaten ſelbſtverſtändlich ſehr verſchieden. Obenan ſteht der September mit 49 Pilgerzügen. Es folgen die Monate October mit 38, Mai mit 35, November mit 31, Februar und April mit 20, März mit 12, December mit 9, Auguſt mit 8, Juni mit 7, Juli mit 3 und endlich der Jänner mit 1 Zug. Das deutſche Element war am zahlreichſten in den Mo- naten März, April, Mai, ſowie im September und October vertreten. Auffällig war die verhältnißmäßig geringe Betheiligung von Seiten Frankreichs, von den fehlenden Engländern gar nicht zu reden. Beiden fehlte es leider nicht an einem gewiſſen Grund, welcher jedoch rein politiſchen Charakters war. Bei den Franzoſen war es der in gewiſſen hieſigen Kreiſen als zu demokratiſch angeſehe Anſtrich der geplanten ſogenannten Arbeiterpilgerzüge, und die Engländer fühlten ſich verſchnupft in Folge des feindſeligen Ver- haltens eines Theils der vaticaniſchen Preſſe in Bezug auf die Transvaalfrage. Mit Mühe und Noth iſt es erſt kürzlich dem Cardinal Rampolla gelungen, eine Verſöhnung zu Stande zu bringen, was am beſten durch die geſtern erfolgte Ankunft von etwa 180 Engländern bewieſen wird. Dieſe Zahl iſt allerdings nur ſehr klein; die Pilgerſchaft erhält aber ihren Werth durch die Anweſenheit des Führers der Katholiken Englands, des ſteinreichen und generöſen Herzogs von Norfolk ſowie des Erzbiſchofs von Weſt- minſter (London) Cardinal Vaughan. Arbeiterbewegung. Verſammlung der Nordweſtbahn- bedienſteten. Vor einiger Zeit ſprach eine Deputation bei dem Generaldirector der Nordweſtbahn, Sectionschef Dr. Zehetner vor, um ihm die Forderungen der Bedienſteten-Kategorien vorzubringen. Dieſer Herr hat die Deputation einfach nicht vorgelaſſen, und ſo iſt über die berechtigten Wünſche von Bedienſteten und Beamten zur Tagesordnung übergegangen worden. Die richtige Antwort haben ihm nun Bedienſtete und Beamte damit gegeben, daß ſie ſich ſolidariſch er- klärten in der Erkämpfung ihres guten Rechtes und dieſe Solidarität auch in der Verſammlung vom 1. Jänner, die im Saale „zum goldenen Widder“ abgehalten wurde, manifeſtirten. Es ſprachen in dieſer Verſammlung von ſocialdemokratiſcher Seite die Herren Taub und Grüll, von chriſtlich-ſocialer Seite Oberrevident Czermak. Schließlich wurde folgende Reſolution angenommen: Den Mitgliedern der zwei Deputationen, die eigen- mächtig und ohne die Meinung der angeblich von ihnen vertretenen Gruppen eingeholt zu haben, beim Sectionschef Dr. Zehetner vorſprachen, ſpricht die Verſammlung die tiefſte Entrüſtung und ſchärfſte Mißbilligung aus. Damit endlich die ſo nothwendige Verbeſſerung der Lage aller Bedienſteten in kürzeſter Zeit erfolge und docu- mentirt werde, daß thatſächlich das Memorandum der Ausdruck des Geſammtwillens des Perſonals iſt und daß die 18gliedrige Deputation berechtigt war, in Vertretung der Geſammtheit des Perſonals zu ſprechen, beauftragt die heutige Verſammlung die Executive der organiſirten Eiſenbahner Oeſter- reichs, ſofort an ſämmtliche von Eiſenbahnern gebildete Organiſationen mit der Aufforderung, ſich an dieſe Bewegung anzuſchließen, heranzutreten. Sodann ſind von den geſammten Organiſationen gemeinſam mit den Vertrauens- männern der Nordweſtbahn die weiteren Schritte zur endlichen Verwirklichung der in dem Memorandum enthaltenen Wünſche einzuleiten. Schließlich ſpricht die Verſammlung die Hoffnung aus, daß die Direction der öſterreichiſchen Nordweſtbahn, ohne weiteres Vorſprechen der Vertreter der Organiſationen und Vertrauensmänner der öſterreichiſchen Nordweſt- bahn abzuwarten, die auf eine Verbeſſerung der Lage des Geſammtperſonals abzielenden Reformen ſchleunigſt durchführen werde, da die Noth und das Elend des Geſammtperſonals in Folge der ſtetig fortſchreitenden Theuerung ſich bereits bis zur Unerträglichkeit ge- ſteigert haben. Der Bergarbeiterausſtand in Böhmen. Aus Brüx wird unterm 2. d. M. berichtet: Die für heute angekündigte Action der Bergarbeiter zur Durch- ſetzung der Achtſtundenſchicht machte ſich nur in geringem Umfange und nur inſoweit geltend, als in den politiſchen Bezirken Dux, Brüx und Komotau auf einigen Schächten die Belegſchaften um 2 Uhr Nach- mittags, als vorzeitig, die Arbeit theilweiſe oder ganz einſtellten. Dort, wo die Schächte ſeicht ſind, fuhren ſie auf den Fahrten aus. In den tiefen Schächten warteten ſie am Füllorte die regelmäßige Ausfahrts- zeit um 4 Uhr Nachmittags ab, um mit der Schale auszufahren. Auf einzelnen Schächten des Duxer Reviers wurde deshalb mit Disciplinarſtrafen vorge- gangen. Die Ruhe wurde jedoch bisher nirgends geſtört. Um 1¾ Uhr Nachmittags ſtellte die Belegſchaft des Victoria-Tiefbaues, und zwar 177 Häuer und 30 Förderer, die Arbeit ein und begab ſich vom Arbeitsorte zum Füllorte; dasſelbe that die Beleg- ſchaft des Habsburg-Schachtes, beſtehend aus 197 Häuern und 30 Förderern. Da die Werkleitungen die Belegſchaften nicht ausfahren ließen, verweilten dieſe bis 3¾ Uhr Nachmittags unthätig in der Grube, worauf ſie erſt zur normalen Zeit ausfuhren. Auf dem Thereſien-Tiefbau ſind gegen 3 Uhr Nachmittags 57 Häuer, 14 Förderer und 37 Schichtlöhner vorzeitig von der Arbeit abgeſtanden, ſind aber erſt um 4 Uhr normal-

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 3, Wien, 04.01.1901, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost003_1901/4>, abgerufen am 21.11.2024.