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Reichspost. Nr. 6, Wien, 08.01.1895.

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6 Wien, Dienstag Reichspost 8 Jänner 1895

[Spaltenumbruch] ohne Protection, ohne "Familie" oder Adel und Geld
möglich wäre, in die privilegirten, "dem Wissen" ge-
weihten Kreise zu gelangen. Aus den Söhnen der
Hofräthe, der Generaldirectoren der Bahnen und
Banken etc. und den Herren Professorensöhnen selbst,
werden Assistenten, später Professoren.

Wir haben Beispiele gerade von Söhnen der
Professoren, daß solche in dem Treibboden der höchsten
Protection zum "wissenschaftlichen Nachfolger" wurden,
hiebei aber von einer ungeahnten Seichtheit des Wissens
und Mangels jedweden Talents waren.

Der Professorentitel ist in Wien eine große
Altraktion für das Publikum; durch diesen Titel er-
hält ein ganz mittelmäßiger Arzt eine ungewöhnlich
wissenschaftliche Qualification und dieser Titel treibt
das große Publikum in die "der Wissenschaft ge-
weihten" Privatordinations Räume! Und das ist ja
die Hauptsache. Nicht nur einen Titel sondern eine
goldregnende Praxis will der Herr Professor haben.
Grau ist jede Theorie, golden doch der Praxis Strom!
In Wien und überall, wo man Wien nachäfft, herrscht
dieser Geist, vernichtend die Universi-
täten als Lehranstalten.

Große, goldschüttende Praxis und das
daraus sich entwickelnde Capital und großherrliche
Leben ertödten bei den meisten Wiener Professoren
die Liebe zur Lehrkanzel und noch mehr zu wissen-
schaftlichen Forschungen. Albert's gibt es auf der
Welt nur sehr wenige, und diese glänzende
Ausnahme bestättigt die Regel.




Eine Trias.

Nunmehr ist die Katze aus dem Sack. Die
Coalitionsblätter haben sie herausgelassen. Sections-
chef Ritter von Obentraut, der Chef der Post-
und Telegraphen-Section des Handelsministeriums,
soll pensionirt und an seine Stelle soll ein deutsch-
liberaler Abgeordneter als Sectionschef in das Handels-
ministerium berufen werden. Daß Sectionschef
Obentraut ein ungewöhnlicher, fähiger und
fleißiger Beamter ist, kommt weiter nicht in Betracht,
auch nicht, daß er relativ noch ein junger Mann ist
und daß es gar keinen Grund gibt, durch ihn den
Pensionsetat belasten zu lassen. Man braucht eine
Stellung für einen Abgeordneten der Linken, ergo
muß irgend Jemand in Pension geschickt werden.
Wahrscheinlich werden binnen kurzem noch zwei weitere
Sectionschefs oder Hofräthe pensionirt werden, um für
einen Polen und für ein Mitglied der Hohenwart-
partei Platz zu machen.

Davon, wie derlei auf das Beamtenthum wirkt
und wirken muß, sprechen wir hier gar nicht. Was
dieses Einschubs- und Protectionswesen für den Be
amtenstand bedeutet, ist gelegentlich der Ernennung der
Herren Suklie und Stürkh und aus Anlaß des
Falles Rosner ja erst kürzlich zur Genüge gesagt
werden. Wir wollen uns einen Augenblick mit den
Personen befassen, die als eventuelle Nachfolger des
Herrn v. Obentraut genannt werden. Es sind
dies drei deutsch-liberale Abgeordnete von der echtesten
Judencouleur: "die Herren Menger, Ruß und
Hallwich. Was den Erstgenannten betrifft, so
haben wir ihn politisch wiederholt charakterisirt. An
seine Ernennung glauben wir indessen nicht ernst;
zwischen ihm und Herrn v. Plener ist bekanntlich
nicht viel Liebe verloren. Daß Herr v. Plener
gerade Herrn Menger patronisiren sollte, klingt
nicht sehr wahrscheinlich. Bei weitem wahrscheinlicher
schon ist die eventuelle Ernennung des Herrn
Dr. Ruß.

Dr. Ruß ist ein Judenliberaler und Manchester-
mann erster Güte. Ihm fällt die Verschleppung
der Wahlreform
zum guten Theil zur Last.
Was er diesbezüglich thun konnte, hat er als Obmann
der Liberalen gethan.

Der ärgste von den drei liberalen Candidaten ist
wohl Hofrath Hallwich. Er ist der deutsch-
böhmische Casino- und Cliquepolitiker, wie er im Buch
steht, einer der Männer, die seit Jahren die nationale
Verhetzung in Böhmen berufsmäßig treiben. Anfangs
ein Schleppträger Herbst's, ist er dann ein Schlepp-
träger Plener's geworden. Aber Dr. Hallwich
hat noch eine Eigenschaft, die ihn disqualificirt oder
wenigstens disqualificiren sollte. Er war Secretär
der Reichenberger Handelskammer. Seit Jahren hat
seine Feder und hat seine Beredtsamkeit die Interessen
der ärgsten Industriepaschas in der Monarchie ver-
treten. Jede Maßregel zu Gunsten der Arbeiter hat
in ihm einen Gegner gehabt. Er ist der professionelle
Verfechter des industriellen Bonzenthums in seiner
widerlichsten Gestalt.

Wir können uns vor Erstaunen kaum fassen bei
dem Gedanken, daß ein Socialreformator wie Graf
Wurmbrand sich wirklich bereit zeigen sollte,
Politiker von den Anschauungen der Herren Menger,
Ruß
oder Hallwich in sein Ressortministerium
zu berufen. Speciell Sectionschef Hallwich
würde doch im Handelsministerium die Rolle des
Delegirten des Herrn v. Plener spielen, der
den Grasen Wurmbrand zu überwachen
hätte. Wir können uns nicht vorstellen, daß ein Mann
von dem Selbstbewußtsein des Grafen Wurm-
brand
sich eine solche administrativ-politische Vor-
mundschaft gefallen lassen sollte. Thäte er es, dann
würde sich allerdings die parlamentarische Stellung
der oppositionellen Partei zum Grafen Wurm-
[Spaltenumbruch] brand
gründlich ändern. Mit einem Handels-
minister, der an seiner Seite einen Menger oder
gar einen Hallwich hätte, würde die Opposition
den Kampf aufs äußerste führen müssen. Sie müßte
ihn führen im Interesse des österreichischen Beamten-
standes und im Interesse des österreichischen Gewerbe-
und Arbeiterstandes. Die Ernennung des Herrn
Dr. Menger oder des Herrn Dr. Ruß wäre eine
Kränkung des Beamtenthums. Die Berufung Hall-
wich
's aber wäre eine so beispiellose Herausforderung
der Tausende von Beamten, der Hun-
derttausende
von Gewerbetreiben-
den
und der Millionen von Industrie-
arbeitern,
daß wir sie nicht eher für möglich
halten wollen, als bis wir sie schwarz auf weiß in
der "Wiener Zeitung" lesen. Gewisse Dinge sind selbst
in der Coalitionsära kaum denkbar.




Inland.


Der angekündigte Pairsschub beschäftigt nun-
mehr auch die officiöse Presse. Das "Fremden
blatt" bestätigt die Thatsache, daß eine Reihe von
neuen Herrenhausmitgliedern ernannt werden wird
und bezeichnet als obere Grenze die Zahl von acht-
zehn.
Bezüglich der Partei soll die Vertheilung nach
einem Schlüssel erfolgen, der dem Stärkeverhältniß
der drei Parteien im Herrenhause, Conservative, Libe-
rale und Mittelpartei entspricht. Nachdem es unter
den neuen Pairs gewiß auch solche geben wird, die
politisch noch gar nicht hervorgetreten sind, so dürfte
auch hier wieder gelten: "Was man nicht deciniren
kann, das sieht man für ein Neutrum an"; wenn man
weder den Liberalen noch den Conservativen zuzählen
kann, den sieht man für einen "Mittelparteiler" an.
Ob es einen guten Eindruck in der Bevölkerung machen
wird, daß die erste Kammer des Reichsrathes in der-
selben Weise nach Parteien ergänzt werden soll, wie
die Ausschüsse nach Clubs im Abgeordnetenhause,
wollen wir dahin gestellt sein lassen.

Der katholische Volksverein für Ober-
österreich
feierte gestern sein fünf und zwan-
zigjähriges
Jubiläum. Trotz der ärgsten An-
feindungen von liberaler Seite hat dieser Verein die
schwersten Anstürme siegreich übertaucht und steht heute
mit einer Mitgliederzahl von 35.000 thatsächlich impo-
nirend da. Das "Linzer Volksblatt" widmet dem
Vereine anläßlich des Jubiläums an erster Stelle einen
schwungvollen Artikel aus der Feder des Abgeordneten
Dr. Ebenhoch, der mit den Worten schließt: "Wir
alle aber, die das Band des Volksvereines umschling[t],
wollen morgen vor dem Allmächtigen und Allwissenden
den heiligen Schwur erneuern: "Mit Gott für
unseren Glauben, für Kaiser und
Vaterland!"

Bei der am Samstag im Landgemeindenbezirke Ka-
rolinenthal
bei Prag stattgehabten Landtags-
ersatzwahl
wurde an Stelle des zurückgetretenen
Dr. Julius Gregr der Reichrathsabgeordneter Doctor
Herold mit 382 Stimmen gewählt. Von 430
Wahlmännern betheiligten sich 412. Nachdem Doctor
Herold das Mandat für den Wahlbzirk Eule bereits
innehat, so muß in diesem Bezirke eine Neuwahl
stattfinden.

Der Sectionschef im Handelsministerium und
Generaldirector für Post- une Telegraphenangelegen-
heiten, Ritter von Obentraut, soll nach übereinstim-
menden Meldungen aus dem Staatsdienste scheiden.
Wir besprechen bereits an anderer Stelle die Persön-
lichkeit des Genannten und der von der liberalen
Presse als Nachfolger bezeichneten drei liberalen
Abgeordneten, der Herren Ruß, Hallwich und
Menger. Hie nur Eines: Wenn es zu den Er-
rungenschaften der Coalition gehören soll, daß man
die Ministerien mit versorgungslustigen Parlamen-
tariern und deren -- Nepoten anfüllt, dann müßten
wir diese Coalition noch wehr bedauern, als es ohne-
hin schon geschieht. Wie kommen denn die Beam-
ten
dazu, sich solche Einschübe gefallen zu lassen, ist
das die Aufbesserung ihrer Lage, daß man jeden
besseren Posten mit einem Auswärtsstehenden besetzt?
Und noch mehr, würde ein liberaler Parlamentarier Ge-
neraldirector für Post- und Telegrafenangelegenheiten,
welche Posten müßten dann wieder an die Mitglieder
der anderen Coalitionsparteien verliehen werden?
Wir brauchen in Oesterreich keine politischen Staats-
secretäre, Sectionschefs etc. in den Ministerien, sowie
im liberalen Musterlande Ungarn, wir brauchen auf
solchen Posten Sachverständige, die sich eben
in der Beamtenschaft finden werden, wenn
man nur suchen will. Im Interesse der Be-
amtenschaft, welche objectiv ohne politische Vor-
eingenommenheiten nur dem Staate dienen
soll, deren Rechtsgefühl aber gerade im Interesse
jener Objectivität nicht verletzt werden
darf,
protestiren wir auf das Entschiedenste gegen
ein neuerliches parlamentarisches Avan-
cement.

Gestern Morgens ist der Kaiser wieder in
Budapest eingetroffen und hat noch im Laufe des
Vormittags den Präsidenten des Magnatenhauses,
sowie den des Abgeordnetenhauses und den Abge-
ordneten Szell empfangen. Nachmittags weilte Graf
Khuen-Hedervary über eine Stunde beim Kaiser und
verlautet über das Resultat der Audienz, daß Graf
[Spaltenumbruch] Khuen dem Monarchen erklärt habe, er glaube
nicht
mit Sicherheit auf die Unterstützung
der liberalen Partei
in jenem Maße
rechnen zu können, wie es für die Cabinets-
bildung aus deren Mitte
erforderlich
wäre. Nichtsdestoweniger beschäftigen sich die liberalen
Blätter bereits mit der Ministernominirung, wenn
auch mit sichtlich mäßigem Vergnügen, denn die
famosen Herren Szilagyi, Wekerle, Banffy etc. müssen
sie von vorneherein aus dem Spiele lassen.

Heute erscheint Graf Khuen abermals zur
Audienz, außerdem auch Koloman Tisza, ohne
daß jedoch eine Entscheidung erwartet wird. Eines
scheint sicher zu sein, daß, mag das neue Ministerium
heißen wie immer, die beiden noch nicht erledigten
kirchenpolitischen Vorlagen im Programm dieses neuen
Ministeriums nicht enthalten sein werden.

Wie das Blatt "Hazank" mittheilt, hat Fürst-
primas Vaszary
am 5. d. M. an die Geistlichen
seiner Diöcese einen Hirtenbrief gerichtet, in welchem
er schildert, wie alle Versuche, die Sanctionirung des
Civilehegesetzes zu verhindern, vergeblich waren. Das
Memorandum der Bischöfe an den König, in welchem
die Gefahren für die Kirche, Glauben, Thron und
Vaterland überzeugend geschildert waren, sei ebenso
erfolglos geblieben, wie die Vorstellungen an die Re-
gierung. Unsere Aufgabe ist es jetzt, lautet der Schluß-
passus des Hirtenbriefes, die Bedrängnisse und Bitter-
keiten von unserem Glauben abzuwenden, unser ernie-
drigtes Volk wieder aufzurichten. Trachten wir, daß
die christliche Ehe und die Rechte des katholischen
Glaubens und der katholischen Kirche ihr Ansehen
behalten.




Ausland.


Bei den Wahlen in den norwegischen Storthing
haben, wenn auch nicht gerade glänzend, die Radical[e]n
gesiegt, so daß in Kürze das Ministerium Stang
zurücktreten muß. Wollte Stang den Kampf gegen die
Opposition fortsetzen, würde es zu den ärgsten Con-
flicten kommen. Als seinen muthmaßlichen Nachfolger
wird vielfach der ehemalige Minister Steen ge-
nannt, der von König Oskar bei dessen letzter An-
wesenheit in Christiania durch eine lange Unterredung
ausgezeichnet wurde. Was den Conflict betreffs der
diplomatischen Vertretung der beiden nach Außen hin
vereinigten Königreiche angeht, so scheint derselbe durch
einen Vergleich zum Abschluß gebracht zu werden.
Norwegen zeigt sich nämlich bereit, für jeden einzelnen
Fall den ihm zufallenden Beitrag von seinem Budget
zu bewilligen, soferne es sich um Gesandt-
schaftsposten
handelt; für die Consulate
jedoch hält es seinen Anspruch auf eine besondere Ver-
tretung aufrecht und beruft sich dabei, wie man billiger
Weise anerkennen muß, auf seine, von denjenigen
Schwedens, sehr verschiedenen Handelsinteressen. Wenn
auch die einzelnen Punkte dieses Vergleiches noch nicht
genau festgesetzt sind, so werden dieselben doch nicht
viel von dieser Lösung abweichen, was jedenfalls den
Vor[t]heil haben wird, einer bis zum Uebermaß ge-
soannten und auch nicht ungefährlichen Lage ein Ende
zu machen.

Die Zahl der Panamisten in den Pariser
Untersuchungszellen mehrt sich von Tag zu Tag. Am
5. Jänner wurde wieder ein liberaler Revolver-
Journalist, der ehemalige Schriftleiter der "Nation",
Sourdillon, unter der Beschuldigung der Erpressung
zum Schaden der Südbahn (!) Gesellschaft verhaftet.
Wer wird der nächste sein?

Ein Krieg auf Madagaskar scheint den
Franzosen nun doch nicht erspart zu bleiben. Der
außerordentliche Gesandte der Republik, Herr Le Myre
des Villers, wird in Kürze bereits nach Frankreich
zurückkehren, da es ihm nicht gelungen ist, mit der
Howas-Regierung ein friedliches Abkommen zu treffen.
Wohl besteht eine Friedenspartei am madagaskischen
Hofe, dieselbe ist jedoch nicht stark genug, um ihre
Ansichten gegen die Kriegspartei zur Geltung zu
bringen. Die französische Regierung wird daher, wie
aus Paris gemeldet wird, Vorkehrungen für einen
Feldzug im Frühjahre treffen.




Die Degradation des Dreyfus.

Der verurtheilte Spion und Verräther Drey-
fus
ist am Samstage in Paris degradirt worden,
jedoch nicht, wie es gebräuchlich ist, auf einem öffent-
lichen Platze, sondern in einem Hofe. Die Strafe der
schimpflichen Degradation ist für einen Menschen, der
noch einen Funken Ehrgefühl im Leibe hat, so schreck-
lsch, daß man aus Mitleid eine Milderung derselben
nicht tadeln kann, aber wir möchten doch wissen, ob
wenn ein Nicht ...-Bruder und Nicht-Jude
sich in der Lage des Dreyfus befunden hätte,
man sich gegen ihn ebenso mitleidig gezeigt hätte ...
Ja, eines ist wahr: die Loge und Israel lassen einen
der Ihrigen nicht leicht im Stich, und wenn sie auch
nicht Alles für ihn thun können, etwas thun sie
doch immer für ihn.




Gemeindezeitung.

In der laufenden Woche hält der Gemeinderath
am Dienstag und Freitag Plenarversammlungen ab. --
Stadtrathssitzungen finden Mittwoch, Donnerstag
und Freitag, 10 Uhr Vormittags, und Donnerstag 5 Uhr
Abends statt.


6 Wien, Dienſtag Reichspoſt 8 Jänner 1895

[Spaltenumbruch] ohne Protection, ohne „Familie“ oder Adel und Geld
möglich wäre, in die privilegirten, „dem Wiſſen“ ge-
weihten Kreiſe zu gelangen. Aus den Söhnen der
Hofräthe, der Generaldirectoren der Bahnen und
Banken ꝛc. und den Herren Profeſſorenſöhnen ſelbſt,
werden Aſſiſtenten, ſpäter Profeſſoren.

Wir haben Beiſpiele gerade von Söhnen der
Profeſſoren, daß ſolche in dem Treibboden der höchſten
Protection zum „wiſſenſchaftlichen Nachfolger“ wurden,
hiebei aber von einer ungeahnten Seichtheit des Wiſſens
und Mangels jedweden Talents waren.

Der Profeſſorentitel iſt in Wien eine große
Altraktion für das Publikum; durch dieſen Titel er-
hält ein ganz mittelmäßiger Arzt eine ungewöhnlich
wiſſenſchaftliche Qualification und dieſer Titel treibt
das große Publikum in die „der Wiſſenſchaft ge-
weihten“ Privatordinations Räume! Und das iſt ja
die Hauptſache. Nicht nur einen Titel ſondern eine
goldregnende Praxis will der Herr Profeſſor haben.
Grau iſt jede Theorie, golden doch der Praxis Strom!
In Wien und überall, wo man Wien nachäfft, herrſcht
dieſer Geiſt, vernichtend die Univerſi-
täten als Lehranſtalten.

Große, goldſchüttende Praxis und das
daraus ſich entwickelnde Capital und großherrliche
Leben ertödten bei den meiſten Wiener Profeſſoren
die Liebe zur Lehrkanzel und noch mehr zu wiſſen-
ſchaftlichen Forſchungen. Albert’s gibt es auf der
Welt nur ſehr wenige, und dieſe glänzende
Ausnahme beſtättigt die Regel.




Eine Trias.

Nunmehr iſt die Katze aus dem Sack. Die
Coalitionsblätter haben ſie herausgelaſſen. Sections-
chef Ritter von Obentraut, der Chef der Poſt-
und Telegraphen-Section des Handelsminiſteriums,
ſoll penſionirt und an ſeine Stelle ſoll ein deutſch-
liberaler Abgeordneter als Sectionschef in das Handels-
miniſterium berufen werden. Daß Sectionschef
Obentraut ein ungewöhnlicher, fähiger und
fleißiger Beamter iſt, kommt weiter nicht in Betracht,
auch nicht, daß er relativ noch ein junger Mann iſt
und daß es gar keinen Grund gibt, durch ihn den
Penſionsetat belaſten zu laſſen. Man braucht eine
Stellung für einen Abgeordneten der Linken, ergo
muß irgend Jemand in Penſion geſchickt werden.
Wahrſcheinlich werden binnen kurzem noch zwei weitere
Sectionschefs oder Hofräthe penſionirt werden, um für
einen Polen und für ein Mitglied der Hohenwart-
partei Platz zu machen.

Davon, wie derlei auf das Beamtenthum wirkt
und wirken muß, ſprechen wir hier gar nicht. Was
dieſes Einſchubs- und Protectionsweſen für den Be
amtenſtand bedeutet, iſt gelegentlich der Ernennung der
Herren Suklie und Stürkh und aus Anlaß des
Falles Rosner ja erſt kürzlich zur Genüge geſagt
werden. Wir wollen uns einen Augenblick mit den
Perſonen befaſſen, die als eventuelle Nachfolger des
Herrn v. Obentraut genannt werden. Es ſind
dies drei deutſch-liberale Abgeordnete von der echteſten
Judencouleur: „die Herren Menger, Ruß und
Hallwich. Was den Erſtgenannten betrifft, ſo
haben wir ihn politiſch wiederholt charakteriſirt. An
ſeine Ernennung glauben wir indeſſen nicht ernſt;
zwiſchen ihm und Herrn v. Plener iſt bekanntlich
nicht viel Liebe verloren. Daß Herr v. Plener
gerade Herrn Menger patroniſiren ſollte, klingt
nicht ſehr wahrſcheinlich. Bei weitem wahrſcheinlicher
ſchon iſt die eventuelle Ernennung des Herrn
Dr. Ruß.

Dr. Ruß iſt ein Judenliberaler und Mancheſter-
mann erſter Güte. Ihm fällt die Verſchleppung
der Wahlreform
zum guten Theil zur Laſt.
Was er diesbezüglich thun konnte, hat er als Obmann
der Liberalen gethan.

Der ärgſte von den drei liberalen Candidaten iſt
wohl Hofrath Hallwich. Er iſt der deutſch-
böhmiſche Caſino- und Cliquepolitiker, wie er im Buch
ſteht, einer der Männer, die ſeit Jahren die nationale
Verhetzung in Böhmen berufsmäßig treiben. Anfangs
ein Schleppträger Herbſt’s, iſt er dann ein Schlepp-
träger Plener’s geworden. Aber Dr. Hallwich
hat noch eine Eigenſchaft, die ihn disqualificirt oder
wenigſtens disqualificiren ſollte. Er war Secretär
der Reichenberger Handelskammer. Seit Jahren hat
ſeine Feder und hat ſeine Beredtſamkeit die Intereſſen
der ärgſten Induſtriepaſchas in der Monarchie ver-
treten. Jede Maßregel zu Gunſten der Arbeiter hat
in ihm einen Gegner gehabt. Er iſt der profeſſionelle
Verfechter des induſtriellen Bonzenthums in ſeiner
widerlichſten Geſtalt.

Wir können uns vor Erſtaunen kaum faſſen bei
dem Gedanken, daß ein Socialreformator wie Graf
Wurmbrand ſich wirklich bereit zeigen ſollte,
Politiker von den Anſchauungen der Herren Menger,
Ruß
oder Hallwich in ſein Reſſortminiſterium
zu berufen. Speciell Sectionschef Hallwich
würde doch im Handelsminiſterium die Rolle des
Delegirten des Herrn v. Plener ſpielen, der
den Graſen Wurmbrand zu überwachen
hätte. Wir können uns nicht vorſtellen, daß ein Mann
von dem Selbſtbewußtſein des Grafen Wurm-
brand
ſich eine ſolche adminiſtrativ-politiſche Vor-
mundſchaft gefallen laſſen ſollte. Thäte er es, dann
würde ſich allerdings die parlamentariſche Stellung
der oppoſitionellen Partei zum Grafen Wurm-
[Spaltenumbruch] brand
gründlich ändern. Mit einem Handels-
miniſter, der an ſeiner Seite einen Menger oder
gar einen Hallwich hätte, würde die Oppoſition
den Kampf aufs äußerſte führen müſſen. Sie müßte
ihn führen im Intereſſe des öſterreichiſchen Beamten-
ſtandes und im Intereſſe des öſterreichiſchen Gewerbe-
und Arbeiterſtandes. Die Ernennung des Herrn
Dr. Menger oder des Herrn Dr. Ruß wäre eine
Kränkung des Beamtenthums. Die Berufung Hall-
wich
’s aber wäre eine ſo beiſpielloſe Herausforderung
der Tauſende von Beamten, der Hun-
derttauſende
von Gewerbetreiben-
den
und der Millionen von Induſtrie-
arbeitern,
daß wir ſie nicht eher für möglich
halten wollen, als bis wir ſie ſchwarz auf weiß in
der „Wiener Zeitung“ leſen. Gewiſſe Dinge ſind ſelbſt
in der Coalitionsära kaum denkbar.




Inland.


Der angekündigte Pairsſchub beſchäftigt nun-
mehr auch die officiöſe Preſſe. Das „Fremden
blatt“ beſtätigt die Thatſache, daß eine Reihe von
neuen Herrenhausmitgliedern ernannt werden wird
und bezeichnet als obere Grenze die Zahl von acht-
zehn.
Bezüglich der Partei ſoll die Vertheilung nach
einem Schlüſſel erfolgen, der dem Stärkeverhältniß
der drei Parteien im Herrenhauſe, Conſervative, Libe-
rale und Mittelpartei entſpricht. Nachdem es unter
den neuen Pairs gewiß auch ſolche geben wird, die
politiſch noch gar nicht hervorgetreten ſind, ſo dürfte
auch hier wieder gelten: „Was man nicht deciniren
kann, das ſieht man für ein Neutrum an“; wenn man
weder den Liberalen noch den Conſervativen zuzählen
kann, den ſieht man für einen „Mittelparteiler“ an.
Ob es einen guten Eindruck in der Bevölkerung machen
wird, daß die erſte Kammer des Reichsrathes in der-
ſelben Weiſe nach Parteien ergänzt werden ſoll, wie
die Ausſchüſſe nach Clubs im Abgeordnetenhauſe,
wollen wir dahin geſtellt ſein laſſen.

Der katholiſche Volksverein für Ober-
öſterreich
feierte geſtern ſein fünf und zwan-
zigjähriges
Jubiläum. Trotz der ärgſten An-
feindungen von liberaler Seite hat dieſer Verein die
ſchwerſten Anſtürme ſiegreich übertaucht und ſteht heute
mit einer Mitgliederzahl von 35.000 thatſächlich impo-
nirend da. Das „Linzer Volksblatt“ widmet dem
Vereine anläßlich des Jubiläums an erſter Stelle einen
ſchwungvollen Artikel aus der Feder des Abgeordneten
Dr. Ebenhoch, der mit den Worten ſchließt: „Wir
alle aber, die das Band des Volksvereines umſchling[t],
wollen morgen vor dem Allmächtigen und Allwiſſenden
den heiligen Schwur erneuern: „Mit Gott für
unſeren Glauben, für Kaiſer und
Vaterland!“

Bei der am Samſtag im Landgemeindenbezirke Ka-
rolinenthal
bei Prag ſtattgehabten Landtags-
erſatzwahl
wurde an Stelle des zurückgetretenen
Dr. Julius Gregr der Reichrathsabgeordneter Doctor
Herold mit 382 Stimmen gewählt. Von 430
Wahlmännern betheiligten ſich 412. Nachdem Doctor
Herold das Mandat für den Wahlbzirk Eule bereits
innehat, ſo muß in dieſem Bezirke eine Neuwahl
ſtattfinden.

Der Sectionschef im Handelsminiſterium und
Generaldirector für Poſt- une Telegraphenangelegen-
heiten, Ritter von Obentraut, ſoll nach übereinſtim-
menden Meldungen aus dem Staatsdienſte ſcheiden.
Wir beſprechen bereits an anderer Stelle die Perſön-
lichkeit des Genannten und der von der liberalen
Preſſe als Nachfolger bezeichneten drei liberalen
Abgeordneten, der Herren Ruß, Hallwich und
Menger. Hie nur Eines: Wenn es zu den Er-
rungenſchaften der Coalition gehören ſoll, daß man
die Miniſterien mit verſorgungsluſtigen Parlamen-
tariern und deren — Nepoten anfüllt, dann müßten
wir dieſe Coalition noch wehr bedauern, als es ohne-
hin ſchon geſchieht. Wie kommen denn die Beam-
ten
dazu, ſich ſolche Einſchübe gefallen zu laſſen, iſt
das die Aufbeſſerung ihrer Lage, daß man jeden
beſſeren Poſten mit einem Auswärtsſtehenden beſetzt?
Und noch mehr, würde ein liberaler Parlamentarier Ge-
neraldirector für Poſt- und Telegrafenangelegenheiten,
welche Poſten müßten dann wieder an die Mitglieder
der anderen Coalitionsparteien verliehen werden?
Wir brauchen in Oeſterreich keine politiſchen Staats-
ſecretäre, Sectionschefs ꝛc. in den Miniſterien, ſowie
im liberalen Muſterlande Ungarn, wir brauchen auf
ſolchen Poſten Sachverſtändige, die ſich eben
in der Beamtenſchaft finden werden, wenn
man nur ſuchen will. Im Intereſſe der Be-
amtenſchaft, welche objectiv ohne politiſche Vor-
eingenommenheiten nur dem Staate dienen
ſoll, deren Rechtsgefühl aber gerade im Intereſſe
jener Objectivität nicht verletzt werden
darf,
proteſtiren wir auf das Entſchiedenſte gegen
ein neuerliches parlamentariſches Avan-
cement.

Geſtern Morgens iſt der Kaiſer wieder in
Budapeſt eingetroffen und hat noch im Laufe des
Vormittags den Präſidenten des Magnatenhauſes,
ſowie den des Abgeordnetenhauſes und den Abge-
ordneten Szell empfangen. Nachmittags weilte Graf
Khuen-Hedervary über eine Stunde beim Kaiſer und
verlautet über das Reſultat der Audienz, daß Graf
[Spaltenumbruch] Khuen dem Monarchen erklärt habe, er glaube
nicht
mit Sicherheit auf die Unterſtützung
der liberalen Partei
in jenem Maße
rechnen zu können, wie es für die Cabinets-
bildung aus deren Mitte
erforderlich
wäre. Nichtsdeſtoweniger beſchäftigen ſich die liberalen
Blätter bereits mit der Miniſternominirung, wenn
auch mit ſichtlich mäßigem Vergnügen, denn die
famoſen Herren Szilagyi, Wekerle, Banffy ꝛc. müſſen
ſie von vorneherein aus dem Spiele laſſen.

Heute erſcheint Graf Khuen abermals zur
Audienz, außerdem auch Koloman Tisza, ohne
daß jedoch eine Entſcheidung erwartet wird. Eines
ſcheint ſicher zu ſein, daß, mag das neue Miniſterium
heißen wie immer, die beiden noch nicht erledigten
kirchenpolitiſchen Vorlagen im Programm dieſes neuen
Miniſteriums nicht enthalten ſein werden.

Wie das Blatt „Hazank“ mittheilt, hat Fürſt-
primas Vaszary
am 5. d. M. an die Geiſtlichen
ſeiner Diöceſe einen Hirtenbrief gerichtet, in welchem
er ſchildert, wie alle Verſuche, die Sanctionirung des
Civilehegeſetzes zu verhindern, vergeblich waren. Das
Memorandum der Biſchöfe an den König, in welchem
die Gefahren für die Kirche, Glauben, Thron und
Vaterland überzeugend geſchildert waren, ſei ebenſo
erfolglos geblieben, wie die Vorſtellungen an die Re-
gierung. Unſere Aufgabe iſt es jetzt, lautet der Schluß-
paſſus des Hirtenbriefes, die Bedrängniſſe und Bitter-
keiten von unſerem Glauben abzuwenden, unſer ernie-
drigtes Volk wieder aufzurichten. Trachten wir, daß
die chriſtliche Ehe und die Rechte des katholiſchen
Glaubens und der katholiſchen Kirche ihr Anſehen
behalten.




Ausland.


Bei den Wahlen in den norwegiſchen Storthing
haben, wenn auch nicht gerade glänzend, die Radical[e]n
geſiegt, ſo daß in Kürze das Miniſterium Stang
zurücktreten muß. Wollte Stang den Kampf gegen die
Oppoſition fortſetzen, würde es zu den ärgſten Con-
flicten kommen. Als ſeinen muthmaßlichen Nachfolger
wird vielfach der ehemalige Miniſter Steen ge-
nannt, der von König Oskar bei deſſen letzter An-
weſenheit in Chriſtiania durch eine lange Unterredung
ausgezeichnet wurde. Was den Conflict betreffs der
diplomatiſchen Vertretung der beiden nach Außen hin
vereinigten Königreiche angeht, ſo ſcheint derſelbe durch
einen Vergleich zum Abſchluß gebracht zu werden.
Norwegen zeigt ſich nämlich bereit, für jeden einzelnen
Fall den ihm zufallenden Beitrag von ſeinem Budget
zu bewilligen, ſoferne es ſich um Geſandt-
ſchaftspoſten
handelt; für die Conſulate
jedoch hält es ſeinen Anſpruch auf eine beſondere Ver-
tretung aufrecht und beruft ſich dabei, wie man billiger
Weiſe anerkennen muß, auf ſeine, von denjenigen
Schwedens, ſehr verſchiedenen Handelsintereſſen. Wenn
auch die einzelnen Punkte dieſes Vergleiches noch nicht
genau feſtgeſetzt ſind, ſo werden dieſelben doch nicht
viel von dieſer Löſung abweichen, was jedenfalls den
Vor[t]heil haben wird, einer bis zum Uebermaß ge-
ſoannten und auch nicht ungefährlichen Lage ein Ende
zu machen.

Die Zahl der Panamiſten in den Pariſer
Unterſuchungszellen mehrt ſich von Tag zu Tag. Am
5. Jänner wurde wieder ein liberaler Revolver-
Journaliſt, der ehemalige Schriftleiter der „Nation“,
Sourdillon, unter der Beſchuldigung der Erpreſſung
zum Schaden der Südbahn (!) Geſellſchaft verhaftet.
Wer wird der nächſte ſein?

Ein Krieg auf Madagaskar ſcheint den
Franzoſen nun doch nicht erſpart zu bleiben. Der
außerordentliche Geſandte der Republik, Herr Le Myre
des Villers, wird in Kürze bereits nach Frankreich
zurückkehren, da es ihm nicht gelungen iſt, mit der
Howas-Regierung ein friedliches Abkommen zu treffen.
Wohl beſteht eine Friedenspartei am madagaskiſchen
Hofe, dieſelbe iſt jedoch nicht ſtark genug, um ihre
Anſichten gegen die Kriegspartei zur Geltung zu
bringen. Die franzöſiſche Regierung wird daher, wie
aus Paris gemeldet wird, Vorkehrungen für einen
Feldzug im Frühjahre treffen.




Die Degradation des Dreyfus.

Der verurtheilte Spion und Verräther Drey-
fus
iſt am Samſtage in Paris degradirt worden,
jedoch nicht, wie es gebräuchlich iſt, auf einem öffent-
lichen Platze, ſondern in einem Hofe. Die Strafe der
ſchimpflichen Degradation iſt für einen Menſchen, der
noch einen Funken Ehrgefühl im Leibe hat, ſo ſchreck-
lſch, daß man aus Mitleid eine Milderung derſelben
nicht tadeln kann, aber wir möchten doch wiſſen, ob
wenn ein Nicht ...-Bruder und Nicht-Jude
ſich in der Lage des Dreyfus befunden hätte,
man ſich gegen ihn ebenſo mitleidig gezeigt hätte ...
Ja, eines iſt wahr: die Loge und Israel laſſen einen
der Ihrigen nicht leicht im Stich, und wenn ſie auch
nicht Alles für ihn thun können, etwas thun ſie
doch immer für ihn.




Gemeindezeitung.

In der laufenden Woche hält der Gemeinderath
am Dienſtag und Freitag Plenarverſammlungen ab. —
Stadtrathsſitzungen finden Mittwoch, Donnerſtag
und Freitag, 10 Uhr Vormittags, und Donnerſtag 5 Uhr
Abends ſtatt.


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[3/0003] 6 Wien, Dienſtag Reichspoſt 8 Jänner 1895 ohne Protection, ohne „Familie“ oder Adel und Geld möglich wäre, in die privilegirten, „dem Wiſſen“ ge- weihten Kreiſe zu gelangen. Aus den Söhnen der Hofräthe, der Generaldirectoren der Bahnen und Banken ꝛc. und den Herren Profeſſorenſöhnen ſelbſt, werden Aſſiſtenten, ſpäter Profeſſoren. Wir haben Beiſpiele gerade von Söhnen der Profeſſoren, daß ſolche in dem Treibboden der höchſten Protection zum „wiſſenſchaftlichen Nachfolger“ wurden, hiebei aber von einer ungeahnten Seichtheit des Wiſſens und Mangels jedweden Talents waren. Der Profeſſorentitel iſt in Wien eine große Altraktion für das Publikum; durch dieſen Titel er- hält ein ganz mittelmäßiger Arzt eine ungewöhnlich wiſſenſchaftliche Qualification und dieſer Titel treibt das große Publikum in die „der Wiſſenſchaft ge- weihten“ Privatordinations Räume! Und das iſt ja die Hauptſache. Nicht nur einen Titel ſondern eine goldregnende Praxis will der Herr Profeſſor haben. Grau iſt jede Theorie, golden doch der Praxis Strom! In Wien und überall, wo man Wien nachäfft, herrſcht dieſer Geiſt, vernichtend die Univerſi- täten als Lehranſtalten. Große, goldſchüttende Praxis und das daraus ſich entwickelnde Capital und großherrliche Leben ertödten bei den meiſten Wiener Profeſſoren die Liebe zur Lehrkanzel und noch mehr zu wiſſen- ſchaftlichen Forſchungen. Albert’s gibt es auf der Welt nur ſehr wenige, und dieſe glänzende Ausnahme beſtättigt die Regel. Eine Trias. Nunmehr iſt die Katze aus dem Sack. Die Coalitionsblätter haben ſie herausgelaſſen. Sections- chef Ritter von Obentraut, der Chef der Poſt- und Telegraphen-Section des Handelsminiſteriums, ſoll penſionirt und an ſeine Stelle ſoll ein deutſch- liberaler Abgeordneter als Sectionschef in das Handels- miniſterium berufen werden. Daß Sectionschef Obentraut ein ungewöhnlicher, fähiger und fleißiger Beamter iſt, kommt weiter nicht in Betracht, auch nicht, daß er relativ noch ein junger Mann iſt und daß es gar keinen Grund gibt, durch ihn den Penſionsetat belaſten zu laſſen. Man braucht eine Stellung für einen Abgeordneten der Linken, ergo muß irgend Jemand in Penſion geſchickt werden. Wahrſcheinlich werden binnen kurzem noch zwei weitere Sectionschefs oder Hofräthe penſionirt werden, um für einen Polen und für ein Mitglied der Hohenwart- partei Platz zu machen. Davon, wie derlei auf das Beamtenthum wirkt und wirken muß, ſprechen wir hier gar nicht. Was dieſes Einſchubs- und Protectionsweſen für den Be amtenſtand bedeutet, iſt gelegentlich der Ernennung der Herren Suklie und Stürkh und aus Anlaß des Falles Rosner ja erſt kürzlich zur Genüge geſagt werden. Wir wollen uns einen Augenblick mit den Perſonen befaſſen, die als eventuelle Nachfolger des Herrn v. Obentraut genannt werden. Es ſind dies drei deutſch-liberale Abgeordnete von der echteſten Judencouleur: „die Herren Menger, Ruß und Hallwich. Was den Erſtgenannten betrifft, ſo haben wir ihn politiſch wiederholt charakteriſirt. An ſeine Ernennung glauben wir indeſſen nicht ernſt; zwiſchen ihm und Herrn v. Plener iſt bekanntlich nicht viel Liebe verloren. Daß Herr v. Plener gerade Herrn Menger patroniſiren ſollte, klingt nicht ſehr wahrſcheinlich. Bei weitem wahrſcheinlicher ſchon iſt die eventuelle Ernennung des Herrn Dr. Ruß. Dr. Ruß iſt ein Judenliberaler und Mancheſter- mann erſter Güte. Ihm fällt die Verſchleppung der Wahlreform zum guten Theil zur Laſt. Was er diesbezüglich thun konnte, hat er als Obmann der Liberalen gethan. Der ärgſte von den drei liberalen Candidaten iſt wohl Hofrath Hallwich. Er iſt der deutſch- böhmiſche Caſino- und Cliquepolitiker, wie er im Buch ſteht, einer der Männer, die ſeit Jahren die nationale Verhetzung in Böhmen berufsmäßig treiben. Anfangs ein Schleppträger Herbſt’s, iſt er dann ein Schlepp- träger Plener’s geworden. Aber Dr. Hallwich hat noch eine Eigenſchaft, die ihn disqualificirt oder wenigſtens disqualificiren ſollte. Er war Secretär der Reichenberger Handelskammer. Seit Jahren hat ſeine Feder und hat ſeine Beredtſamkeit die Intereſſen der ärgſten Induſtriepaſchas in der Monarchie ver- treten. Jede Maßregel zu Gunſten der Arbeiter hat in ihm einen Gegner gehabt. Er iſt der profeſſionelle Verfechter des induſtriellen Bonzenthums in ſeiner widerlichſten Geſtalt. Wir können uns vor Erſtaunen kaum faſſen bei dem Gedanken, daß ein Socialreformator wie Graf Wurmbrand ſich wirklich bereit zeigen ſollte, Politiker von den Anſchauungen der Herren Menger, Ruß oder Hallwich in ſein Reſſortminiſterium zu berufen. Speciell Sectionschef Hallwich würde doch im Handelsminiſterium die Rolle des Delegirten des Herrn v. Plener ſpielen, der den Graſen Wurmbrand zu überwachen hätte. Wir können uns nicht vorſtellen, daß ein Mann von dem Selbſtbewußtſein des Grafen Wurm- brand ſich eine ſolche adminiſtrativ-politiſche Vor- mundſchaft gefallen laſſen ſollte. Thäte er es, dann würde ſich allerdings die parlamentariſche Stellung der oppoſitionellen Partei zum Grafen Wurm- brand gründlich ändern. Mit einem Handels- miniſter, der an ſeiner Seite einen Menger oder gar einen Hallwich hätte, würde die Oppoſition den Kampf aufs äußerſte führen müſſen. Sie müßte ihn führen im Intereſſe des öſterreichiſchen Beamten- ſtandes und im Intereſſe des öſterreichiſchen Gewerbe- und Arbeiterſtandes. Die Ernennung des Herrn Dr. Menger oder des Herrn Dr. Ruß wäre eine Kränkung des Beamtenthums. Die Berufung Hall- wich’s aber wäre eine ſo beiſpielloſe Herausforderung der Tauſende von Beamten, der Hun- derttauſende von Gewerbetreiben- den und der Millionen von Induſtrie- arbeitern, daß wir ſie nicht eher für möglich halten wollen, als bis wir ſie ſchwarz auf weiß in der „Wiener Zeitung“ leſen. Gewiſſe Dinge ſind ſelbſt in der Coalitionsära kaum denkbar. Inland. Wien 7 Jänner. Der angekündigte Pairsſchub beſchäftigt nun- mehr auch die officiöſe Preſſe. Das „Fremden blatt“ beſtätigt die Thatſache, daß eine Reihe von neuen Herrenhausmitgliedern ernannt werden wird und bezeichnet als obere Grenze die Zahl von acht- zehn. Bezüglich der Partei ſoll die Vertheilung nach einem Schlüſſel erfolgen, der dem Stärkeverhältniß der drei Parteien im Herrenhauſe, Conſervative, Libe- rale und Mittelpartei entſpricht. Nachdem es unter den neuen Pairs gewiß auch ſolche geben wird, die politiſch noch gar nicht hervorgetreten ſind, ſo dürfte auch hier wieder gelten: „Was man nicht deciniren kann, das ſieht man für ein Neutrum an“; wenn man weder den Liberalen noch den Conſervativen zuzählen kann, den ſieht man für einen „Mittelparteiler“ an. Ob es einen guten Eindruck in der Bevölkerung machen wird, daß die erſte Kammer des Reichsrathes in der- ſelben Weiſe nach Parteien ergänzt werden ſoll, wie die Ausſchüſſe nach Clubs im Abgeordnetenhauſe, wollen wir dahin geſtellt ſein laſſen. Der katholiſche Volksverein für Ober- öſterreich feierte geſtern ſein fünf und zwan- zigjähriges Jubiläum. Trotz der ärgſten An- feindungen von liberaler Seite hat dieſer Verein die ſchwerſten Anſtürme ſiegreich übertaucht und ſteht heute mit einer Mitgliederzahl von 35.000 thatſächlich impo- nirend da. Das „Linzer Volksblatt“ widmet dem Vereine anläßlich des Jubiläums an erſter Stelle einen ſchwungvollen Artikel aus der Feder des Abgeordneten Dr. Ebenhoch, der mit den Worten ſchließt: „Wir alle aber, die das Band des Volksvereines umſchlingt, wollen morgen vor dem Allmächtigen und Allwiſſenden den heiligen Schwur erneuern: „Mit Gott für unſeren Glauben, für Kaiſer und Vaterland!“ Bei der am Samſtag im Landgemeindenbezirke Ka- rolinenthal bei Prag ſtattgehabten Landtags- erſatzwahl wurde an Stelle des zurückgetretenen Dr. Julius Gregr der Reichrathsabgeordneter Doctor Herold mit 382 Stimmen gewählt. Von 430 Wahlmännern betheiligten ſich 412. Nachdem Doctor Herold das Mandat für den Wahlbzirk Eule bereits innehat, ſo muß in dieſem Bezirke eine Neuwahl ſtattfinden. Der Sectionschef im Handelsminiſterium und Generaldirector für Poſt- une Telegraphenangelegen- heiten, Ritter von Obentraut, ſoll nach übereinſtim- menden Meldungen aus dem Staatsdienſte ſcheiden. Wir beſprechen bereits an anderer Stelle die Perſön- lichkeit des Genannten und der von der liberalen Preſſe als Nachfolger bezeichneten drei liberalen Abgeordneten, der Herren Ruß, Hallwich und Menger. Hie nur Eines: Wenn es zu den Er- rungenſchaften der Coalition gehören ſoll, daß man die Miniſterien mit verſorgungsluſtigen Parlamen- tariern und deren — Nepoten anfüllt, dann müßten wir dieſe Coalition noch wehr bedauern, als es ohne- hin ſchon geſchieht. Wie kommen denn die Beam- ten dazu, ſich ſolche Einſchübe gefallen zu laſſen, iſt das die Aufbeſſerung ihrer Lage, daß man jeden beſſeren Poſten mit einem Auswärtsſtehenden beſetzt? Und noch mehr, würde ein liberaler Parlamentarier Ge- neraldirector für Poſt- und Telegrafenangelegenheiten, welche Poſten müßten dann wieder an die Mitglieder der anderen Coalitionsparteien verliehen werden? Wir brauchen in Oeſterreich keine politiſchen Staats- ſecretäre, Sectionschefs ꝛc. in den Miniſterien, ſowie im liberalen Muſterlande Ungarn, wir brauchen auf ſolchen Poſten Sachverſtändige, die ſich eben in der Beamtenſchaft finden werden, wenn man nur ſuchen will. Im Intereſſe der Be- amtenſchaft, welche objectiv ohne politiſche Vor- eingenommenheiten nur dem Staate dienen ſoll, deren Rechtsgefühl aber gerade im Intereſſe jener Objectivität nicht verletzt werden darf, proteſtiren wir auf das Entſchiedenſte gegen ein neuerliches parlamentariſches Avan- cement. Geſtern Morgens iſt der Kaiſer wieder in Budapeſt eingetroffen und hat noch im Laufe des Vormittags den Präſidenten des Magnatenhauſes, ſowie den des Abgeordnetenhauſes und den Abge- ordneten Szell empfangen. Nachmittags weilte Graf Khuen-Hedervary über eine Stunde beim Kaiſer und verlautet über das Reſultat der Audienz, daß Graf Khuen dem Monarchen erklärt habe, er glaube nicht mit Sicherheit auf die Unterſtützung der liberalen Partei in jenem Maße rechnen zu können, wie es für die Cabinets- bildung aus deren Mitte erforderlich wäre. Nichtsdeſtoweniger beſchäftigen ſich die liberalen Blätter bereits mit der Miniſternominirung, wenn auch mit ſichtlich mäßigem Vergnügen, denn die famoſen Herren Szilagyi, Wekerle, Banffy ꝛc. müſſen ſie von vorneherein aus dem Spiele laſſen. Heute erſcheint Graf Khuen abermals zur Audienz, außerdem auch Koloman Tisza, ohne daß jedoch eine Entſcheidung erwartet wird. Eines ſcheint ſicher zu ſein, daß, mag das neue Miniſterium heißen wie immer, die beiden noch nicht erledigten kirchenpolitiſchen Vorlagen im Programm dieſes neuen Miniſteriums nicht enthalten ſein werden. Wie das Blatt „Hazank“ mittheilt, hat Fürſt- primas Vaszary am 5. d. M. an die Geiſtlichen ſeiner Diöceſe einen Hirtenbrief gerichtet, in welchem er ſchildert, wie alle Verſuche, die Sanctionirung des Civilehegeſetzes zu verhindern, vergeblich waren. Das Memorandum der Biſchöfe an den König, in welchem die Gefahren für die Kirche, Glauben, Thron und Vaterland überzeugend geſchildert waren, ſei ebenſo erfolglos geblieben, wie die Vorſtellungen an die Re- gierung. Unſere Aufgabe iſt es jetzt, lautet der Schluß- paſſus des Hirtenbriefes, die Bedrängniſſe und Bitter- keiten von unſerem Glauben abzuwenden, unſer ernie- drigtes Volk wieder aufzurichten. Trachten wir, daß die chriſtliche Ehe und die Rechte des katholiſchen Glaubens und der katholiſchen Kirche ihr Anſehen behalten. Ausland. Wien, 7. Jänner. Bei den Wahlen in den norwegiſchen Storthing haben, wenn auch nicht gerade glänzend, die Radicalen geſiegt, ſo daß in Kürze das Miniſterium Stang zurücktreten muß. Wollte Stang den Kampf gegen die Oppoſition fortſetzen, würde es zu den ärgſten Con- flicten kommen. Als ſeinen muthmaßlichen Nachfolger wird vielfach der ehemalige Miniſter Steen ge- nannt, der von König Oskar bei deſſen letzter An- weſenheit in Chriſtiania durch eine lange Unterredung ausgezeichnet wurde. Was den Conflict betreffs der diplomatiſchen Vertretung der beiden nach Außen hin vereinigten Königreiche angeht, ſo ſcheint derſelbe durch einen Vergleich zum Abſchluß gebracht zu werden. Norwegen zeigt ſich nämlich bereit, für jeden einzelnen Fall den ihm zufallenden Beitrag von ſeinem Budget zu bewilligen, ſoferne es ſich um Geſandt- ſchaftspoſten handelt; für die Conſulate jedoch hält es ſeinen Anſpruch auf eine beſondere Ver- tretung aufrecht und beruft ſich dabei, wie man billiger Weiſe anerkennen muß, auf ſeine, von denjenigen Schwedens, ſehr verſchiedenen Handelsintereſſen. Wenn auch die einzelnen Punkte dieſes Vergleiches noch nicht genau feſtgeſetzt ſind, ſo werden dieſelben doch nicht viel von dieſer Löſung abweichen, was jedenfalls den Vortheil haben wird, einer bis zum Uebermaß ge- ſoannten und auch nicht ungefährlichen Lage ein Ende zu machen. Die Zahl der Panamiſten in den Pariſer Unterſuchungszellen mehrt ſich von Tag zu Tag. Am 5. Jänner wurde wieder ein liberaler Revolver- Journaliſt, der ehemalige Schriftleiter der „Nation“, Sourdillon, unter der Beſchuldigung der Erpreſſung zum Schaden der Südbahn (!) Geſellſchaft verhaftet. Wer wird der nächſte ſein? Ein Krieg auf Madagaskar ſcheint den Franzoſen nun doch nicht erſpart zu bleiben. Der außerordentliche Geſandte der Republik, Herr Le Myre des Villers, wird in Kürze bereits nach Frankreich zurückkehren, da es ihm nicht gelungen iſt, mit der Howas-Regierung ein friedliches Abkommen zu treffen. Wohl beſteht eine Friedenspartei am madagaskiſchen Hofe, dieſelbe iſt jedoch nicht ſtark genug, um ihre Anſichten gegen die Kriegspartei zur Geltung zu bringen. Die franzöſiſche Regierung wird daher, wie aus Paris gemeldet wird, Vorkehrungen für einen Feldzug im Frühjahre treffen. Die Degradation des Dreyfus. Der verurtheilte Spion und Verräther Drey- fus iſt am Samſtage in Paris degradirt worden, jedoch nicht, wie es gebräuchlich iſt, auf einem öffent- lichen Platze, ſondern in einem Hofe. Die Strafe der ſchimpflichen Degradation iſt für einen Menſchen, der noch einen Funken Ehrgefühl im Leibe hat, ſo ſchreck- lſch, daß man aus Mitleid eine Milderung derſelben nicht tadeln kann, aber wir möchten doch wiſſen, ob wenn ein Nicht ...-Bruder und Nicht-Jude ſich in der Lage des Dreyfus befunden hätte, man ſich gegen ihn ebenſo mitleidig gezeigt hätte ... Ja, eines iſt wahr: die Loge und Israel laſſen einen der Ihrigen nicht leicht im Stich, und wenn ſie auch nicht Alles für ihn thun können, etwas thun ſie doch immer für ihn. Gemeindezeitung. In der laufenden Woche hält der Gemeinderath am Dienſtag und Freitag Plenarverſammlungen ab. — Stadtrathsſitzungen finden Mittwoch, Donnerſtag und Freitag, 10 Uhr Vormittags, und Donnerſtag 5 Uhr Abends ſtatt.

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 6, Wien, 08.01.1895, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost006_1895/3>, abgerufen am 21.11.2024.