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Reichspost. Nr. 41, Wien, 11.02.1896.

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41 Wien, Dienstag Reichspost 11. Februar 1896

[Spaltenumbruch]
Der Schatz des Präsidenten
von Paraguay.

(33.) (Nachdruck nicht gestattet.)

"Pst! Da ist er ja schon ..."

Das hohe Gras öffnete sich wenige Schritte vor
ihnen und ein abenteuerlich gekleideter Mann, ganz
schrecklich bewaffnet, trat hervor und musterte die beiden
Matrosen mit neugierigen Blicken. Er war hohen seh-
nigen Wuchses, hatte eine bronzefarbige Haut, schwarze,
bis auf die Schultern fallende Haare und tiefliegende
aber flammensprühende Augen.

Er hatte ein Wollhemd von grellen Farben, um
die Lenden ein breites gestreiftes Tuch, eine Chiripa
darüber einen breiten mit Silberplatten geschmückten
Ledergurt, den tirador. Seine Säbelbeine trugen weite
Beinkleider, Calcenzittas von Leder mit buntscheckigen
Muscheln geziert und steckten in ein Paar mächtigen
Stiefeln, die aus ungegerbten Pferdeleder verfertigt
schienen und aus deren Spitze die großen Zehen hervor-
lugten. Ein Paar riesengroße Sporen, deren Rädchen
gewiß bei zehn Centimeter maßen, ein breiter Filzhut,
ein langes, im Tirador steckendes Messer, das die
Spanier Navaja nennen und eine Feuerstein-Muskete
mit einem Laufe, der wie ein Schallbecher an der
Mündung ausgeweitet war, vervollständigte das Aeußere
des Unbekannten.

Einige Augenblicke lang betrachtete er mit seinen
tiefschwarzen glänzenden Augen die beiden Matrosen, die
[Spaltenumbruch] sich nicht von der Stelle bewegten, dann senkte er seine
Feuersteinmuskete, die er auf sie angeschlagen hatte,
lüftete den Hut und sagte mit ausgesuchter Höflichkeit:

"Buena noche, caballeros!" "Guten Abend,
meine Herren!"

"Guten Abend, Sennor!" erwiderten Diego und
Cardozo.

"Wenn die Sennores mir folgen wollen, bin ich
frei, Ihnen meine Hütte und meinen Tisch freund-
schaftlichst anzutragen," fuhr der Unbekannte fort.

"Wir können nichts Besseres uns wünschen," ant-
wortete der Master.

"Also beliebet mir zu folgen. Der Rancho ist nur
zwei Schritte von hier entfernt."

Er schulterte seine Feuersteinmuskete, zog seine
furchtbare Navaja heraus und machte sich daran,
rechts und links das hohe Gras niederzumähen, um
den beiden Matrosen, die ihm am Fuße folgten, einen
breiten Weg zu bahnen.

"Diego", flüsterte Cardozo, den die neue Situation
aus seinem Staunen nicht herauskommen ließ. "Wohin
sind wir den gefallen?"

"Mitten in die Pampas, mein Junge!"

"Das sehe ich wohl; aber ich hätte niemals ge-
glaubt, in einem so abscheulichen, von wilden Indianern
wimmelnden Lande so gut erzogene und höfliche Leute
zu finden."

"Erzogen! hm! ...."

"Ist vielleicht diefer ein Gauner?"

"Sag' lieber ein abgefeimter Spitzbube."

"Nun, das glaube ich Dir doch ganz und gar
nicht."

"Wärest Du früher schon in diesen Gegenden ge-
wesen, da möchtest Du anders sprechen."


[Spaltenumbruch]

"Aber was ist dann also der, welcher uns
so höflich zu sich einladet, uns mit so großer Liebens-
würdigkeit grüßt, und der trotz alledem ein abgefeimter
Spitzbube sein soll?"

"Ein Gaucho."

"Jetzt weiß ich gerade so viel wie früher."

"Ich werde Dir später Alles näher erklären."

"Haben wir irgend einen Grund zur Furcht?"

"Ja und nein!"

Das klingt ja räthselhaft."

"Wenn sie gut gelaunt sind, halten sie gute
Kameradschaft und sind voll ausgesuchter Höflichkeit,
aber hüte Dich, mein Junge! Das sind sehr hitzige,
gewaltthätige und überaus empfindliche Menschen. Ein
Messerstich ist in ihren Augen eine Sache, nicht der
Rede werth."

"Ein gewarnter Mensch ..."

"Pst!"

"Was gibt's?"

"Es folgt uns Jemand."

"Wirklich, das Gras bewegt sich."

Der Gaucho hatte es auch bemerkt, blieb stehen
und riß seine Muskete von der Schulter.

"Ramon!" rief er.

"Ich bin's!" antwortete eine Stimme.

Die dichten Gräser öffneten sich und ein zweiter
Gaucho erschien. Er war geradeso bewaffnet und ge-
kleidet, wie der erste und glich ihm auch den Gesichts-
zügen nach.

Als er Diego und den Jungen erblickte, machte
er eine Geberde der Ueberraschung, dann grüßte er
höflichst mit den Worten:

(Fortsetzung folgt.)




[irrelevantes Material]
41 Wien, Dienſtag Reichspoſt 11. Februar 1896

[Spaltenumbruch]
Der Schatz des Präſidenten
von Paraguay.

(33.) (Nachdruck nicht geſtattet.)

„Pſt! Da iſt er ja ſchon ...“

Das hohe Gras öffnete ſich wenige Schritte vor
ihnen und ein abenteuerlich gekleideter Mann, ganz
ſchrecklich bewaffnet, trat hervor und muſterte die beiden
Matroſen mit neugierigen Blicken. Er war hohen ſeh-
nigen Wuchſes, hatte eine bronzefarbige Haut, ſchwarze,
bis auf die Schultern fallende Haare und tiefliegende
aber flammenſprühende Augen.

Er hatte ein Wollhemd von grellen Farben, um
die Lenden ein breites geſtreiftes Tuch, eine Chiripa
darüber einen breiten mit Silberplatten geſchmückten
Ledergurt, den tirador. Seine Säbelbeine trugen weite
Beinkleider, Calcenzittas von Leder mit buntſcheckigen
Muſcheln geziert und ſteckten in ein Paar mächtigen
Stiefeln, die aus ungegerbten Pferdeleder verfertigt
ſchienen und aus deren Spitze die großen Zehen hervor-
lugten. Ein Paar rieſengroße Sporen, deren Rädchen
gewiß bei zehn Centimeter maßen, ein breiter Filzhut,
ein langes, im Tirador ſteckendes Meſſer, das die
Spanier Navaja nennen und eine Feuerſtein-Muskete
mit einem Laufe, der wie ein Schallbecher an der
Mündung ausgeweitet war, vervollſtändigte das Aeußere
des Unbekannten.

Einige Augenblicke lang betrachtete er mit ſeinen
tiefſchwarzen glänzenden Augen die beiden Matroſen, die
[Spaltenumbruch] ſich nicht von der Stelle bewegten, dann ſenkte er ſeine
Feuerſteinmuskete, die er auf ſie angeſchlagen hatte,
lüftete den Hut und ſagte mit ausgeſuchter Höflichkeit:

«Buena noche, caballeros!» „Guten Abend,
meine Herren!“

„Guten Abend, Sennor!“ erwiderten Diego und
Cardozo.

„Wenn die Sennores mir folgen wollen, bin ich
frei, Ihnen meine Hütte und meinen Tiſch freund-
ſchaftlichſt anzutragen,“ fuhr der Unbekannte fort.

„Wir können nichts Beſſeres uns wünſchen,“ ant-
wortete der Maſter.

„Alſo beliebet mir zu folgen. Der Rancho iſt nur
zwei Schritte von hier entfernt.“

Er ſchulterte ſeine Feuerſteinmuskete, zog ſeine
furchtbare Navaja heraus und machte ſich daran,
rechts und links das hohe Gras niederzumähen, um
den beiden Matroſen, die ihm am Fuße folgten, einen
breiten Weg zu bahnen.

„Diego“, flüſterte Cardozo, den die neue Situation
aus ſeinem Staunen nicht herauskommen ließ. „Wohin
ſind wir den gefallen?“

„Mitten in die Pampas, mein Junge!“

„Das ſehe ich wohl; aber ich hätte niemals ge-
glaubt, in einem ſo abſcheulichen, von wilden Indianern
wimmelnden Lande ſo gut erzogene und höfliche Leute
zu finden.“

„Erzogen! hm! ....“

„Iſt vielleicht diefer ein Gauner?“

„Sag’ lieber ein abgefeimter Spitzbube.“

„Nun, das glaube ich Dir doch ganz und gar
nicht.“

„Wäreſt Du früher ſchon in dieſen Gegenden ge-
weſen, da möchteſt Du anders ſprechen.“


[Spaltenumbruch]

„Aber was iſt dann alſo der, welcher uns
ſo höflich zu ſich einladet, uns mit ſo großer Liebens-
würdigkeit grüßt, und der trotz alledem ein abgefeimter
Spitzbube ſein ſoll?“

„Ein Gaucho.“

„Jetzt weiß ich gerade ſo viel wie früher.“

„Ich werde Dir ſpäter Alles näher erklären.“

„Haben wir irgend einen Grund zur Furcht?“

„Ja und nein!“

Das klingt ja räthſelhaft.“

„Wenn ſie gut gelaunt ſind, halten ſie gute
Kameradſchaft und ſind voll ausgeſuchter Höflichkeit,
aber hüte Dich, mein Junge! Das ſind ſehr hitzige,
gewaltthätige und überaus empfindliche Menſchen. Ein
Meſſerſtich iſt in ihren Augen eine Sache, nicht der
Rede werth.“

„Ein gewarnter Menſch ...“

„Pſt!“

„Was gibt’s?“

„Es folgt uns Jemand.“

„Wirklich, das Gras bewegt ſich.“

Der Gaucho hatte es auch bemerkt, blieb ſtehen
und riß ſeine Muskete von der Schulter.

„Ramon!“ rief er.

„Ich bin’s!“ antwortete eine Stimme.

Die dichten Gräſer öffneten ſich und ein zweiter
Gaucho erſchien. Er war geradeſo bewaffnet und ge-
kleidet, wie der erſte und glich ihm auch den Geſichts-
zügen nach.

Als er Diego und den Jungen erblickte, machte
er eine Geberde der Ueberraſchung, dann grüßte er
höflichſt mit den Worten:

(Fortſetzung folgt.)




[irrelevantes Material]
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[7/0007] 41 Wien, Dienſtag Reichspoſt 11. Februar 1896 Der Schatz des Präſidenten von Paraguay. Reiſeroman von Prof. Emilio Salgari. Aus dem Italieniſchen für die „Reichspoſt“ überſetzt von J. C. Heidenreich. (33.) (Nachdruck nicht geſtattet.) „Pſt! Da iſt er ja ſchon ...“ Das hohe Gras öffnete ſich wenige Schritte vor ihnen und ein abenteuerlich gekleideter Mann, ganz ſchrecklich bewaffnet, trat hervor und muſterte die beiden Matroſen mit neugierigen Blicken. Er war hohen ſeh- nigen Wuchſes, hatte eine bronzefarbige Haut, ſchwarze, bis auf die Schultern fallende Haare und tiefliegende aber flammenſprühende Augen. Er hatte ein Wollhemd von grellen Farben, um die Lenden ein breites geſtreiftes Tuch, eine Chiripa darüber einen breiten mit Silberplatten geſchmückten Ledergurt, den tirador. Seine Säbelbeine trugen weite Beinkleider, Calcenzittas von Leder mit buntſcheckigen Muſcheln geziert und ſteckten in ein Paar mächtigen Stiefeln, die aus ungegerbten Pferdeleder verfertigt ſchienen und aus deren Spitze die großen Zehen hervor- lugten. Ein Paar rieſengroße Sporen, deren Rädchen gewiß bei zehn Centimeter maßen, ein breiter Filzhut, ein langes, im Tirador ſteckendes Meſſer, das die Spanier Navaja nennen und eine Feuerſtein-Muskete mit einem Laufe, der wie ein Schallbecher an der Mündung ausgeweitet war, vervollſtändigte das Aeußere des Unbekannten. Einige Augenblicke lang betrachtete er mit ſeinen tiefſchwarzen glänzenden Augen die beiden Matroſen, die ſich nicht von der Stelle bewegten, dann ſenkte er ſeine Feuerſteinmuskete, die er auf ſie angeſchlagen hatte, lüftete den Hut und ſagte mit ausgeſuchter Höflichkeit: «Buena noche, caballeros!» „Guten Abend, meine Herren!“ „Guten Abend, Sennor!“ erwiderten Diego und Cardozo. „Wenn die Sennores mir folgen wollen, bin ich frei, Ihnen meine Hütte und meinen Tiſch freund- ſchaftlichſt anzutragen,“ fuhr der Unbekannte fort. „Wir können nichts Beſſeres uns wünſchen,“ ant- wortete der Maſter. „Alſo beliebet mir zu folgen. Der Rancho iſt nur zwei Schritte von hier entfernt.“ Er ſchulterte ſeine Feuerſteinmuskete, zog ſeine furchtbare Navaja heraus und machte ſich daran, rechts und links das hohe Gras niederzumähen, um den beiden Matroſen, die ihm am Fuße folgten, einen breiten Weg zu bahnen. „Diego“, flüſterte Cardozo, den die neue Situation aus ſeinem Staunen nicht herauskommen ließ. „Wohin ſind wir den gefallen?“ „Mitten in die Pampas, mein Junge!“ „Das ſehe ich wohl; aber ich hätte niemals ge- glaubt, in einem ſo abſcheulichen, von wilden Indianern wimmelnden Lande ſo gut erzogene und höfliche Leute zu finden.“ „Erzogen! hm! ....“ „Iſt vielleicht diefer ein Gauner?“ „Sag’ lieber ein abgefeimter Spitzbube.“ „Nun, das glaube ich Dir doch ganz und gar nicht.“ „Wäreſt Du früher ſchon in dieſen Gegenden ge- weſen, da möchteſt Du anders ſprechen.“ „Aber was iſt dann alſo der, welcher uns ſo höflich zu ſich einladet, uns mit ſo großer Liebens- würdigkeit grüßt, und der trotz alledem ein abgefeimter Spitzbube ſein ſoll?“ „Ein Gaucho.“ „Jetzt weiß ich gerade ſo viel wie früher.“ „Ich werde Dir ſpäter Alles näher erklären.“ „Haben wir irgend einen Grund zur Furcht?“ „Ja und nein!“ Das klingt ja räthſelhaft.“ „Wenn ſie gut gelaunt ſind, halten ſie gute Kameradſchaft und ſind voll ausgeſuchter Höflichkeit, aber hüte Dich, mein Junge! Das ſind ſehr hitzige, gewaltthätige und überaus empfindliche Menſchen. Ein Meſſerſtich iſt in ihren Augen eine Sache, nicht der Rede werth.“ „Ein gewarnter Menſch ...“ „Pſt!“ „Was gibt’s?“ „Es folgt uns Jemand.“ „Wirklich, das Gras bewegt ſich.“ Der Gaucho hatte es auch bemerkt, blieb ſtehen und riß ſeine Muskete von der Schulter. „Ramon!“ rief er. „Ich bin’s!“ antwortete eine Stimme. Die dichten Gräſer öffneten ſich und ein zweiter Gaucho erſchien. Er war geradeſo bewaffnet und ge- kleidet, wie der erſte und glich ihm auch den Geſichts- zügen nach. Als er Diego und den Jungen erblickte, machte er eine Geberde der Ueberraſchung, dann grüßte er höflichſt mit den Worten: (Fortſetzung folgt.) _

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 41, Wien, 11.02.1896, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost041_1896/7>, abgerufen am 21.11.2024.