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Reichspost. Nr. 41b, Wien, 11.02.1896.

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Wien, Dienstag Reichspost 11. Februar 1896 41

[Spaltenumbruch]

Krone im Orient werde nun im Jahre 1896
fallen? fragt das Blatt.

Die Auslieferung Artons an die französischen
Behörden ist eine beschlossene Thatsache, und dieser
Jude, der so oft mit der Tarnkappe gespielt --
wenigstens der französischen Polizei gegen-
über -- wird binnen 8 Tagen vor seinen
Richtern in Paris stehen. Alle An-
strengungen der Freunde Artons, die Aus-
lieferungsgründe als politischer Natur darzustellen,
schlugen fehl; er wurde wegen Fälschung von
Rechnungen und Schriften ausgeliefert. Es bleibt
allen denen, welche an der Befreiung Arton's
interessirt sind, keine andere Hoffnung übrig, als
daß es demselben gelingen werde, bei der Ueber-
führung von London nach Paris zu verschwinden.




Aus den Landtagen.
Oberösterreich.

Zum Antrage Beurle's, daß sich der Landtag dahin
ausspreche, daß der Erlaß des Landesschulrathes vom No-
vember 1895, betreffend die Ausübung der allgemeinen
staatsbürgerlichen Rechte seitens der Lehrer, eine empfindliche
Verletzung der staatsbürgerlichern Rechte bedeute, bemerkt der
Referent Dr. Ebenhoch, daß es sich im Erlasse nicht um
eine Einschränkung der staatsbürgerlichen Rechte, sondern
um das Maß und die Art des Gebrauches derselben durch
die Lehrer, deren Beruf und Vertrauensstellung bei der
Ausübung dieser Rechte ein besonderes Maß erheische, handle.
Der Referent beantragt, den Antrag abzulehnen. -- Der
Statthalter stimmt den Motiven Dr. Ebenhoch's zu und
bezeichnet die Forderung nach einer Zurücknahme des Er-
lasses als unzulässig. Der Statthalter habe als Vorsitzender
des Landesschulrathes keinen Anlaß, den Beschluß des
letzteren zu sistiren. Es stehe den Lehrern frei, beim Unter-
richtsministerinm zu recurriren oder eine Befchwerde beim
Verwaltungsgerichtshof oder beim Reichsgerichte einbringen.

Görz.

Zur heutigen Sitzung waren alle Abgeordneten,
unter ihnen auch Fürsterzbischof Dr. Zorn erschienen. Der
Regierungsvertreter beantworte[t]e zwei Interpellationen. --
Für die slovenische Gewerbeschule wurde eine jährliche Sub-
vention von 1000 fl. bewilligt. -- Der Voranschlag des
Landesfonds pro 1896 wurde genehmigt. -- Der Gesetz-
entwurf betreffs Einhebung einer Zinssteuer in der Stadt
Görz wurde an den Landesausschuß überwiesen, und die
Gesetzentwürfe, betreffend die Verbesserung der Lage der
Volksschullehrer und den Schutz der Edelweißpflanzungen,
angenommen.

Kärnten.

In der heutigen Sitzung wurde die Regierungsvorlage
betreffs der Einführung des Religions-
unterrichtes
in den oberen Realschul-
classen
trotz warmer Besürwortung du[r]ch den Landes-
präsidenten,
den Fürstbischof und den Abg. Dr. Stein-
wender
für heuer abgelehnt. -- Ferner wurde der
Voranschlag des Landesfonds mit einem Erforderniß von
1,270.900 fl. und dem aus den Cassenbeständen zu be-
streitenden unbedeckten Abgange von 122.450 fl. genehmigt.
Die Umlage beträgt wie im Vorjahre 60 %.

Krain.

Die Hauptbilanz des Lotterie-Anlehens der Stadt Lai-
bach wurde zur Kenntniß genommen, für den Schulausbau
Subventionen im Gesammtbetrage von 6(0) fl. bewilligt
und die Einreihung der Gemeindestraße von Prelog nach
Rodica im Egger und Steiner Bezirk in die Kategorie der
Bezirksstraßen beschlossen. -- Die Berathung des Rechen-
schastsberichtes wurde für die nächste S[i]tzung verschoben. --
An diese Berathung schloß sich eine geheime Sitzung.

Steiermark.

Der Landtag verhandelte heute das Armengesetz. Für
die Vorlage spricht Fürstbischof Dr. Schuster. Er prä-
cisirt die Stellung der katholischen Kirche zu dieser Vorlage
und sagt nach einer kurzen geschichtlichen Einleitung über
die Entwicklung der Armen-Fürsorge seit der Entstehung des
Christenthums, daß gegenwärtig die private und öffentliche
Wohlthätigkeit zusammenwirken müssen, da erstere allein
nicht ausreiche. Redner billigt es, daß der vorliegende
Gesetzentwurf auf dem Grundsatze aufgebaut sei, die private
und kirchliche Wohlthätigkeit mit der staatlichen und öffent-
lichen Wohlthätigkeit stets in freundlichen Beziehungen zu
erhalten zur Erreichung des gemeinsamen Zweckes. Der
Fürstbischof kommt im Verlaufe seiner Rede auf die
gegenwärtig üblichen mildthätigen Weihnachtsbescherungen
zu sprechen und erklärt sich mit der Art und Weise, wie selbe
verabreicht werden, nicht einverstanden, weil die Autorität
und die Liebe zu den Eltern hiedurch gewiß nicht gefördert
werde. Er urgirt die Schaffung eines Heimatsgesetzes und
verlangt von der Reichsregierung ein Arbeiterschutzgesetz in
dem Sinne, daß ausländische Arbeiter so lange nicht zu-
gelassen werden sollen, als einheimische Arbeiter arbeitsbedürftig
seien. Redner schließt mit dem Bemerken, daß von Seite der
Kirche und ihrer Vertreter zur Ausführung des Armengesetzes
gerne jeder Beistand und jede Hilfe werde geleistet werden
soweit die Kirchengesetze dies gestatten. Abg. Dr. Portugall
beantragt die Vertagung der Berathung auf die nächste
Session. -- Abgeordneter Graf Gundaker Wurmbrand
rühmt an dem vorliegenden Gesetze, daß es den Armen die
persönliche Freiheit möglichst erhalte. -- Landesausschuß Dr.
Reicher dankt dem Fürstbischof für die in Aussicht ge-
stellte Unterstützung der kirchlichen Behörden. -- Das Ein-
gehen in die Specialdebatte wird beschlossen und das hundert
Paragraphe umfassende Gesetz erledigt und angenommen.




Gerichtssaal.
Ehrenbeleidigung.

In der am 30. September v. J.
im evangelischen Schulgebäude (Technikerstraße) abgehaltenen
Superintendential-Versammlung erstat[tete] der Wiener Super-
intendent A. C. Josef Winkler Bericht über die Fonds-
verwaltung, wobei er äußerte, es seien ihm Fonds trotz
wiederholter Mahnschreiben und Vorstellungen unter allerlei
[Spaltenumbruch] Vorwänden bisher nicht übergeben worden. Da nun
Dr. Capesius bis dahin diese Fonds als Superinten-
dential-Curator zu verwalten hatte, glaubte er, diesen
Passus auf sich beziehen zu können, erblickte in demselben
den Vorwurf eines unehrenhaften Gebahrens und strengte
eine Ehrenbeleidigungsklage an, weshalb sich der Superinten-
dent Winkler vor dem Bezirksgerichte Wieden zu verantworten
hatte. Zu gleicher Zeit wurde auch über eine zweite Klage,
die gegen Herrn Winkler, Carl Bünker, Pfarrer zu Trabesing,
Dr. Theodor Reisch, und Dr. Erich Johanny gerichtet ist,
verhandelt. Die Angeklagten haben gegen den Dring-
lichkeitsantrag der VI. ev. Generalsynode, dem Kläger Doctor
Capesius in Anerkennung seiner Verdienste den Dank der Synode
auszusprechen, protestirt mit der Motivirung, Dr. Capesius habe
die Vertreter der Synode verunglimpft und die Sache des
Protestantismus in Oesterreich geschädigt. Da sämmtliche
incriminirte Aeußerungen zugegeben wurden, wurde auf die
Einvernahme der Zeugen verzichtet und Ausschluß der
Oeffentlichkeit beschlossen.

Zeuge Dr. Alfons Zimmermann, Pfarrer und
Docent der theologischen Facultät an der Wiener Universität,
erklärt, er habe sofort nach Erhalt des Schreibens des
Superintendenten, in welchem derselbe die Uebergabe der
Fonds forderte, den Betrag von 700 fl. an denselben ab-
gesendet. Bezüglich der anderen Fonds sei an den Super-
intendenten die Antwort abgegangen, es müsse zuerst die
Vinculirung der Papiere vorgenommen werden. -- Richter:
Wie sind diese Papiere aufbewahrt gewesen? -- Zeuge:
In einer eisernen Casse. -- Richter: Wie war die
Sperre? -- Zeuge: Die Schlüssel hatte ich. Ich hätte
die Papiere absenden können, aber es kommen doch schließlich
Postdiebstähle vor und man hätte mir zumindest leicht-
sinniges Gebahren vorwerfen können. -- Richter: Wann
hat die Uebergabe schließlich stattgefunden? -- Zeuge:
Am 1. October.

Superintendent Winkler: "Ich habe den Super-
intendentialcurator, respective Dr. Zimmermann, wiederholt
um Zusendung der Fonds gebeten. Ich erhielt erst eine ge-
harnischte Antwort und später endlich 700 Gulden. Ich
machte abermals eine Vorstellung und da hat es wieder ge-
heißen, es müsse zunächst die Vinculirung der Papiere vor-
genommen werden, und schließlich hieß es, der Superinten-
dential-Ausschuß und nicht der Superintendent hätten die
Verantwortung. Durch diese Ausreden wurde die Uebergabe
der Fvnds thatsächlich so weit hinausgeschoben, daß ich über
dieselben keine Rechnung legen konnte. Dr. Capesius
erklärt, er hatte früher keine Zeit, weil zwei Herren aus
Brüssel ihn in einer Wasserangelegenheit vollauf in Anspruch
nahmen.

Z[ur] zweiten Anklage wird als Zeuge einvernommen
der D[irector] der Wiener Baugesellschaft u[n]d Curator de[r]
Wiener evangelischen Gemeinde A. K. Rudolf Bode.
Derselbe erklär[te], er habe sich da[&sr] Ve[r]gn[ü]gen, die Broschüre
des Dr. Capesius zu lesen, versagt, denn dieselbe hä[tte] sehr
großes mißlie[b]ig[e]s Aufseh[e]n erregt, und viele angesehene
Männer hätten ihm erk[l]ä[r]t daß da[r]in Dinge wieder in die
Welt hinausgebracht werden, welche selbst vor Gericht schon
zur Austragung gelangt seien. Dr. Capesius bean-
tragt nun die Führung mehrerer Zeugen, bei welchen seine
Broschüre eine günstige Aufnahme fand. Der Richter lehnt
diesen Antrag ab und sagt, es wird hier lediglich behaupte[t],
daß man eine solche Brosc[h]ü[r]e überhaupt nicht schreibt,
ohne daß die Gemeinde geschädigt würde, und darüber wird
entschieden werden. Dr. Franz Berger erklärt, nur die
Broschüre und eine Eingabe des Dr. Capesius an den
Oberkirchenrath als Mittel zu seinem Wahrheitsbeweise be-
nützen zu wollen, worauf der Richter das Beweisverfahren
für geschlossen erklärt und die Verhandlung auf morgen
vertagt.




Theater, Kunst und Musik.

-- Das dritte Gesellschaftsconcert brachte Sonntag
den 9. Februar zunächst ein Fragment aus dem allegorischen
Oratorium: "Sieg der Zeit und Wahrheit" von Härdel.
Es war dies die Jagdscene, ein Wechselgesang zwischen
Tenorsolo und Chor, der keineswegs an die großangelegten
Chornummern dieses gewaltigen Tonsetzers hinanreicht;
mit der Vorführung von Fragmenten, die den Charakter
des ganzen Tonwerkes schwer errathen lassen, sind wir
nicht einverstanden. Die zweite Nummer, das Auftreten
des Solovirtuosen Herrn Professor Heermann aus
Frankfurt a. M. war doppelt interessant. Dadurch, daß er
-- vielleicht zufällig -- das Violinconcert von Brahms
brachte, das kürzlich der kleine Hubermann spielte, konnte
man so recht den Gegensatz zwischen künstlerischer Reife
und schulmäßiger Ausbildung, zwischen Können und
Wollen ersehen. Heermann spielte das Concert technischvollendet,
die Cantilone im 1. Satze und das Andante hinreißend
schön und erntete reichen Beifall und dreimalige Hervorrufe.
Es folgte nun die Erstaufführung eines Mysteriums: Eva
in 3 Abtheilungen von Massenet, ein Werk, welches
uns Schöpfung, Versuchung und Sündenfall des ersten
Menschenpaares in musikalischer Weise versinnlichen soll.
Es ist in diesem Werke viel Schönes an characteristischen
Formen, meisterhafte Orchestration und schwungvolle
Scenen enthalten, doch ist der Grundzug des Ganzen:
musikalisches Raffinnement, Tonmalerei, Aeußerlichkeit ohne
innere Empfindung. Die durch hohe Lage anstrengenden
Solo wurden von der Hofopernsängerin Frl. Mora,
dem Herrn Hofopernsänger Ritter und dem Concert-
sänger von Zur Mühlen aus Berlin (der nicht ganz
disponirt war) vorzüglich gegeben, wie auch sonst die
ganze Aufführung, besonders in den Chorsätzen, unter der
umsichtigen Leitung Richard von Pergers eine
tadellose war.

-- Der Amsterdamer Sänger Johannes Meßchaert
besitzt einen wohlklingenden, in allen Lagen ausgeglichenen
Baryton und eine weitgehende künstlerische Bildung; dieser
entsprechend war auch das interessante Programm, das sich
der Künstler gestellt hatte. Der Cyclus "An die entfernte
Geliebte" von Beethoven und der Liedercyclus op. 35 von
Schuhmann sind Gesänge, welche man bei uns selten, ge-
schweige denn in einer so vollendeten Ausführung hört.
Unterstützt wurde der Sänger durch theoretisch vorzüglich
gebrachte Claviervorträge des Professors Julius Röntgen.

-- Man kennt schon seit Jahren das ausgezeichnete Zu-
sammenspiel der beiden Wiener Pianisten Brüder Willi und
Louis Thern; dieselben glänzten wieder durch ihre
[Spaltenumbruch] Vorträge in einem eigenen, vom Concertbarytonisten
Simonelli unterstützten Concerte, dem wir
wegen dem gleichzeitigen böhmischen Streich-
quartett
nur zum Theile anwohnen konnten. --
Eine neue Erscheinung war die aus dem Wiener Conserva-
torium hervorgegangene Pianistin Frl. Tolomei, welche in
ihrem Concerte am Donnerstag, den 6. d. M., im Vereine
mit den Conservatoristen, Herren Weber und Schmid, zu-
nächst eine Novität, Claviertrio von Wealbecker, ein
recht ansprechendes, melodiöses und geschmackvoll componirtes
Werk, zur Aufführung brachte. In diesem und in allen
übrigen Vorträgen erwies sich die Concertgeberin als eine
musikalisch und technisch gebildete Künstlerin, welche zu den
schönsten Hoffnungen berechtigt. In diesem Concerte wirkte
auch die Sängerin Frl. Martha Gey mit, welche wir
wegen ihrer sympathischen Erscheinung und reizvollen Vor-
tragsweise stets gerne im Concertsaale begrüßen.

-- Die Claviervirtuosin Adele aus der Ohe wird in
ihrem Montag 17. d. Abends halb 8 Uhr im Bösendorfer-
Saale stattsindenden Concert Werke vortragen von: Bach,
Beethoven, Mendelssohn, Schuhmann, Rubinstein, Adele aus
der Ohe und Liszt. Karten in Gutmann's Hof-
musikalienhandlung.

-- Das böhmische Streichquartett gab unter Mit-
wirkung des Kammervirtuosen Grünfeld eine außer-
ordentliche Soiree, die den großen Musikvereinssaal voll-
ständig füllte. Die Concertgeber führten in wunderbarer
Harmonie und classisch schöner Vortragsweise auf: Schubert's
Streichquintett in C, Schuhmann's Clavierquintett in Es
und Brahm's Sextett; in letzterem führten 2 Viola und
2 Cello, die Herren Rychlik und Burian. Daß Herr
Grünfeld seinen Clavierpart künstlerisch durchführte, ist
selbstverständlich.




Ballnachrichten.

Der Liechtenthaler Männer-Gesangsverein ver-
anstaltet unter dem Titel: "Dunkethaler Kirta
und Jahrmarktfest"
am 15. sein diesjähriges
Carnevalsunternehmen in Kell's Restauration "zum Auge
Gottes", 9. Bezirk, Nußdorferstraße 73. In der Zwischen-
pause Aufführung einer Gesangsposse. Juxpost, Juxbazar.
Karten im Vorverkaufe 80 kr. bei Josef Kell in Wien,
9. Bezirk, Nußdorferstraße 73. Entree an der Casse 1 fl.

Der Ober-St. Veiter Faschingszug findet am
Faschingdienstag vom Drahrer-Club veranstaltet statt. Die
Vorbereitung gestalten sich großartig und dürfte die große
Gruppe "Oesterreichs Völkertrachten" die Siegespalme er-
ringen; ferner wird ein großes Reiterbanderium, sowie eine
Reihe von humoristischen Gruppen allseitigen Beifall finden.
Das Reinerträgniß ist armen Schulkindern gewidmet.

Die katholisch-akademisch-technische Studenten-
verbindung Ferdinandea
in Prag wird am 12. d. ein
Kränzchen veranstalten, über welches Graf Sylva-Tarouca
das Protectorat übernommen hat.

Die christlichen Gewerbetreibenden des 13. Be-
zirkes
veranstalten Donnerstag, 13. d., in Hopfner's Casino,
Hietzing, Hauptstraße 12 ein Kränzchen. Die Abgeordneten
Dr. Carl Lueger, Dr. Pattat, Polzhoser, Schneider, Gre-
gorig haben bereits ihr Erscheinen bestimmt zugesagt. Anfang
8 Uhr. Karten im Vorverkauf 50 kr. in Hietzing: Carl
Bayer, Altgasse 16. Penzing: Victor Kortschak, Penzinger-
straße 73. Lainz: Johann Kurz, Lainzerstraße. Speising:
Josef Hampel, Gallgasse 31, Hütteldorf: Johanu Glössel,
Bergmüllergasse 6. An der Casse 80 kr.




Tagesbericht.


* Auszeichnungen und Ernennungen.

Dem Feld-
marschall-Lieutenant Frh. v. Gagern wurde anläßlich
der Uebernahme in den Ruhestand und dem beurlaubten
Feldmarschall-Lieutenant Oswald Grafen Kielmansegg
die Würde eines geheimen Rathes, dem Lieutenant im
1. Regiment der Tiroler Kaiser-Jäger Hubert Freih. v.
Walterskirchen die Kämmererswürde, dem Hilfs-
ämtervorsteher bei dem Kreisgerichte in St. Pölten Ferdinand
Scheibert anläßlich der Versetzung in den Ruhestand
der Titel und Charakter eines Hilfsämterdirectors, dem Rent-
amts- und Brunnenverwalter in Krynica, Sigismund So-
koloski
anläßlich seiner Versetzung in den Ruhestand
das goldene Verdienstkreuz mit der Krone verliehen.

* Der Ausstand der Schneider.

In den Bezirken
Stadt, Leopoldstadt, Alsergrund, Favoriten und Simmering
sind gestern wegen nicht bewilligter Lohnerhöhung 85 Ge-
hilfen verschiedener Schneidermeister in den Ausstand ge-
treten. In mehreren Bezirken haben aber auch die Meister
ihre Werkstätte gesperrt, in Folge dessen 192 Gehilfen
arbeitslos geworden sind. Ungefähr 150 Gehilfen er-
schienen heute Vormittags in der Kanzlei der Schneider-
genossenschaft, Fütterergasse 1, um die Forderung des Ge-
hilfenausschusses behufs Anstellung eines Gehilfen als Be-
amten im Rufhause der Schneider und um Vergrößerung
der Rufhaus-Localitäten dem V[o]rsteher Herrn Fenzl
vorzutragen. Das Ansuchen der Gehil[f]e[n] wurde vorläufig
endgiltig nicht erledigt. Dieser Strei[k] bezieht sich haupt-
sächlich auf die bei den sogenannten englischen Schneidern
bediensteten Gehilfen, die in geradezu ausbeuterischer Weise
von ihren Chefs behandelt werden.

* Der Fasten-Hirtenbrief

des Herrn Bischofs von
Lavant (Marburg), Dr. Michael Napotnik, ist
eben ausgegeben worden, und enthält eine lichtvolle Er-
klärung des "Ave Maria".

* Bulthaupt-Vorlesung.

Professor Dr. Heinrich
Bulthaupt aus Bremen, dessen Drama "Timon"
soeben im Prager deutschen Landestheater zum ersten Male
aufgeführt wird, hält heute (Dienstag) um 1/48 Uhr
Abends in der Grillpa[r]zer-Gesellschaft einen Vortrag "Grill-
parzer als Lyriker".

* Tiroler Jahrmarkt,

Dieses Wohlthätigkeitssest
des Tiroler und Vorarlberger Club in Wien, findet am
7. und 8. März unter dem Protectorat des Erherzogs Carl
Ludwig in den Blumensälen statt.

* In die Donau gestürzt.

Der Tischlergehilfe Jo-
hann Kabletz stürzte gestern Nachmittags um 2 Uhr
in betrunkenem Zustande oberhalb der Stefaniebrücke in den
Donaucanal, schwamm jedoch selbst wieder [a]n das Ufer,
wurde aus dem Wasser gezogen und in der nahegelegenen

Wien, Dienſtag Reichspoſt 11. Februar 1896 41

[Spaltenumbruch]

Krone im Orient werde nun im Jahre 1896
fallen? fragt das Blatt.

Die Auslieferung Artons an die franzöſiſchen
Behörden iſt eine beſchloſſene Thatſache, und dieſer
Jude, der ſo oft mit der Tarnkappe geſpielt —
wenigſtens der franzöſiſchen Polizei gegen-
über — wird binnen 8 Tagen vor ſeinen
Richtern in Paris ſtehen. Alle An-
ſtrengungen der Freunde Artons, die Aus-
lieferungsgründe als politiſcher Natur darzuſtellen,
ſchlugen fehl; er wurde wegen Fälſchung von
Rechnungen und Schriften ausgeliefert. Es bleibt
allen denen, welche an der Befreiung Arton’s
intereſſirt ſind, keine andere Hoffnung übrig, als
daß es demſelben gelingen werde, bei der Ueber-
führung von London nach Paris zu verſchwinden.




Aus den Landtagen.
Oberöſterreich.

Zum Antrage Beurle’s, daß ſich der Landtag dahin
ausſpreche, daß der Erlaß des Landesſchulrathes vom No-
vember 1895, betreffend die Ausübung der allgemeinen
ſtaatsbürgerlichen Rechte ſeitens der Lehrer, eine empfindliche
Verletzung der ſtaatsbürgerlichern Rechte bedeute, bemerkt der
Referent Dr. Ebenhoch, daß es ſich im Erlaſſe nicht um
eine Einſchränkung der ſtaatsbürgerlichen Rechte, ſondern
um das Maß und die Art des Gebrauches derſelben durch
die Lehrer, deren Beruf und Vertrauensſtellung bei der
Ausübung dieſer Rechte ein beſonderes Maß erheiſche, handle.
Der Referent beantragt, den Antrag abzulehnen. — Der
Statthalter ſtimmt den Motiven Dr. Ebenhoch’s zu und
bezeichnet die Forderung nach einer Zurücknahme des Er-
laſſes als unzuläſſig. Der Statthalter habe als Vorſitzender
des Landesſchulrathes keinen Anlaß, den Beſchluß des
letzteren zu ſiſtiren. Es ſtehe den Lehrern frei, beim Unter-
richtsminiſterinm zu recurriren oder eine Befchwerde beim
Verwaltungsgerichtshof oder beim Reichsgerichte einbringen.

Görz.

Zur heutigen Sitzung waren alle Abgeordneten,
unter ihnen auch Fürſterzbiſchof Dr. Zorn erſchienen. Der
Regierungsvertreter beantworte[t]e zwei Interpellationen. —
Für die ſloveniſche Gewerbeſchule wurde eine jährliche Sub-
vention von 1000 fl. bewilligt. — Der Voranſchlag des
Landesfonds pro 1896 wurde genehmigt. — Der Geſetz-
entwurf betreffs Einhebung einer Zinsſteuer in der Stadt
Görz wurde an den Landesausſchuß überwieſen, und die
Geſetzentwürfe, betreffend die Verbeſſerung der Lage der
Volksſchullehrer und den Schutz der Edelweißpflanzungen,
angenommen.

Kärnten.

In der heutigen Sitzung wurde die Regierungsvorlage
betreffs der Einführung des Religions-
unterrichtes
in den oberen Realſchul-
claſſen
trotz warmer Beſürwortung du[r]ch den Landes-
präſidenten,
den Fürſtbiſchof und den Abg. Dr. Stein-
wender
für heuer abgelehnt. — Ferner wurde der
Voranſchlag des Landesfonds mit einem Erforderniß von
1,270.900 fl. und dem aus den Caſſenbeſtänden zu be-
ſtreitenden unbedeckten Abgange von 122.450 fl. genehmigt.
Die Umlage beträgt wie im Vorjahre 60 %.

Krain.

Die Hauptbilanz des Lotterie-Anlehens der Stadt Lai-
bach wurde zur Kenntniß genommen, für den Schulausbau
Subventionen im Geſammtbetrage von 6(0) fl. bewilligt
und die Einreihung der Gemeindeſtraße von Prelog nach
Rodica im Egger und Steiner Bezirk in die Kategorie der
Bezirksſtraßen beſchloſſen. — Die Berathung des Rechen-
ſchaſtsberichtes wurde für die nächſte S[i]tzung verſchoben. —
An dieſe Berathung ſchloß ſich eine geheime Sitzung.

Steiermark.

Der Landtag verhandelte heute das Armengeſetz. Für
die Vorlage ſpricht Fürſtbiſchof Dr. Schuſter. Er prä-
ciſirt die Stellung der katholiſchen Kirche zu dieſer Vorlage
und ſagt nach einer kurzen geſchichtlichen Einleitung über
die Entwicklung der Armen-Fürſorge ſeit der Entſtehung des
Chriſtenthums, daß gegenwärtig die private und öffentliche
Wohlthätigkeit zuſammenwirken müſſen, da erſtere allein
nicht ausreiche. Redner billigt es, daß der vorliegende
Geſetzentwurf auf dem Grundſatze aufgebaut ſei, die private
und kirchliche Wohlthätigkeit mit der ſtaatlichen und öffent-
lichen Wohlthätigkeit ſtets in freundlichen Beziehungen zu
erhalten zur Erreichung des gemeinſamen Zweckes. Der
Fürſtbiſchof kommt im Verlaufe ſeiner Rede auf die
gegenwärtig üblichen mildthätigen Weihnachtsbeſcherungen
zu ſprechen und erklärt ſich mit der Art und Weiſe, wie ſelbe
verabreicht werden, nicht einverſtanden, weil die Autorität
und die Liebe zu den Eltern hiedurch gewiß nicht gefördert
werde. Er urgirt die Schaffung eines Heimatsgeſetzes und
verlangt von der Reichsregierung ein Arbeiterſchutzgeſetz in
dem Sinne, daß ausländiſche Arbeiter ſo lange nicht zu-
gelaſſen werden ſollen, als einheimiſche Arbeiter arbeitsbedürftig
ſeien. Redner ſchließt mit dem Bemerken, daß von Seite der
Kirche und ihrer Vertreter zur Ausführung des Armengeſetzes
gerne jeder Beiſtand und jede Hilfe werde geleiſtet werden
ſoweit die Kirchengeſetze dies geſtatten. Abg. Dr. Portugall
beantragt die Vertagung der Berathung auf die nächſte
Seſſion. — Abgeordneter Graf Gundaker Wurmbrand
rühmt an dem vorliegenden Geſetze, daß es den Armen die
perſönliche Freiheit möglichſt erhalte. — Landesausſchuß Dr.
Reicher dankt dem Fürſtbiſchof für die in Ausſicht ge-
ſtellte Unterſtützung der kirchlichen Behörden. — Das Ein-
gehen in die Specialdebatte wird beſchloſſen und das hundert
Paragraphe umfaſſende Geſetz erledigt und angenommen.




Gerichtsſaal.
Ehrenbeleidigung.

In der am 30. September v. J.
im evangeliſchen Schulgebäude (Technikerſtraße) abgehaltenen
Superintendential-Verſammlung erſtat[tete] der Wiener Super-
intendent A. C. Joſef Winkler Bericht über die Fonds-
verwaltung, wobei er äußerte, es ſeien ihm Fonds trotz
wiederholter Mahnſchreiben und Vorſtellungen unter allerlei
[Spaltenumbruch] Vorwänden bisher nicht übergeben worden. Da nun
Dr. Capeſius bis dahin dieſe Fonds als Superinten-
dential-Curator zu verwalten hatte, glaubte er, dieſen
Paſſus auf ſich beziehen zu können, erblickte in demſelben
den Vorwurf eines unehrenhaften Gebahrens und ſtrengte
eine Ehrenbeleidigungsklage an, weshalb ſich der Superinten-
dent Winkler vor dem Bezirksgerichte Wieden zu verantworten
hatte. Zu gleicher Zeit wurde auch über eine zweite Klage,
die gegen Herrn Winkler, Carl Bünker, Pfarrer zu Trabeſing,
Dr. Theodor Reiſch, und Dr. Erich Johanny gerichtet iſt,
verhandelt. Die Angeklagten haben gegen den Dring-
lichkeitsantrag der VI. ev. Generalſynode, dem Kläger Doctor
Capeſius in Anerkennung ſeiner Verdienſte den Dank der Synode
auszuſprechen, proteſtirt mit der Motivirung, Dr. Capeſius habe
die Vertreter der Synode verunglimpft und die Sache des
Proteſtantismus in Oeſterreich geſchädigt. Da ſämmtliche
incriminirte Aeußerungen zugegeben wurden, wurde auf die
Einvernahme der Zeugen verzichtet und Ausſchluß der
Oeffentlichkeit beſchloſſen.

Zeuge Dr. Alfons Zimmermann, Pfarrer und
Docent der theologiſchen Facultät an der Wiener Univerſität,
erklärt, er habe ſofort nach Erhalt des Schreibens des
Superintendenten, in welchem derſelbe die Uebergabe der
Fonds forderte, den Betrag von 700 fl. an denſelben ab-
geſendet. Bezüglich der anderen Fonds ſei an den Super-
intendenten die Antwort abgegangen, es müſſe zuerſt die
Vinculirung der Papiere vorgenommen werden. — Richter:
Wie ſind dieſe Papiere aufbewahrt geweſen? — Zeuge:
In einer eiſernen Caſſe. — Richter: Wie war die
Sperre? — Zeuge: Die Schlüſſel hatte ich. Ich hätte
die Papiere abſenden können, aber es kommen doch ſchließlich
Poſtdiebſtähle vor und man hätte mir zumindeſt leicht-
ſinniges Gebahren vorwerfen können. — Richter: Wann
hat die Uebergabe ſchließlich ſtattgefunden? — Zeuge:
Am 1. October.

Superintendent Winkler: „Ich habe den Super-
intendentialcurator, reſpective Dr. Zimmermann, wiederholt
um Zuſendung der Fonds gebeten. Ich erhielt erſt eine ge-
harniſchte Antwort und ſpäter endlich 700 Gulden. Ich
machte abermals eine Vorſtellung und da hat es wieder ge-
heißen, es müſſe zunächſt die Vinculirung der Papiere vor-
genommen werden, und ſchließlich hieß es, der Superinten-
dential-Ausſchuß und nicht der Superintendent hätten die
Verantwortung. Durch dieſe Ausreden wurde die Uebergabe
der Fvnds thatſächlich ſo weit hinausgeſchoben, daß ich über
dieſelben keine Rechnung legen konnte. Dr. Capeſius
erklärt, er hatte früher keine Zeit, weil zwei Herren aus
Brüſſel ihn in einer Waſſerangelegenheit vollauf in Anſpruch
nahmen.

Z[ur] zweiten Anklage wird als Zeuge einvernommen
der D[irector] der Wiener Baugeſellſchaft u[n]d Curator de[r]
Wiener evangeliſchen Gemeinde A. K. Rudolf Bode.
Derſelbe erklär[te], er habe ſich da[&ſr] Ve[r]gn[ü]gen, die Broſchüre
des Dr. Capeſius zu leſen, verſagt, denn dieſelbe hä[tte] ſehr
großes mißlie[b]ig[e]s Aufſeh[e]n erregt, und viele angeſehene
Männer hätten ihm erk[l]ä[r]t daß da[r]in Dinge wieder in die
Welt hinausgebracht werden, welche ſelbſt vor Gericht ſchon
zur Austragung gelangt ſeien. Dr. Capeſius bean-
tragt nun die Führung mehrerer Zeugen, bei welchen ſeine
Broſchüre eine günſtige Aufnahme fand. Der Richter lehnt
dieſen Antrag ab und ſagt, es wird hier lediglich behaupte[t],
daß man eine ſolche Broſc[h]ü[r]e überhaupt nicht ſchreibt,
ohne daß die Gemeinde geſchädigt würde, und darüber wird
entſchieden werden. Dr. Franz Berger erklärt, nur die
Broſchüre und eine Eingabe des Dr. Capeſius an den
Oberkirchenrath als Mittel zu ſeinem Wahrheitsbeweiſe be-
nützen zu wollen, worauf der Richter das Beweisverfahren
für geſchloſſen erklärt und die Verhandlung auf morgen
vertagt.




Theater, Kunſt und Muſik.

— Das dritte Geſellſchaftsconcert brachte Sonntag
den 9. Februar zunächſt ein Fragment aus dem allegoriſchen
Oratorium: „Sieg der Zeit und Wahrheit“ von Härdel.
Es war dies die Jagdſcene, ein Wechſelgeſang zwiſchen
Tenorſolo und Chor, der keineswegs an die großangelegten
Chornummern dieſes gewaltigen Tonſetzers hinanreicht;
mit der Vorführung von Fragmenten, die den Charakter
des ganzen Tonwerkes ſchwer errathen laſſen, ſind wir
nicht einverſtanden. Die zweite Nummer, das Auftreten
des Solovirtuoſen Herrn Profeſſor Heermann aus
Frankfurt a. M. war doppelt intereſſant. Dadurch, daß er
— vielleicht zufällig — das Violinconcert von Brahms
brachte, das kürzlich der kleine Hubermann ſpielte, konnte
man ſo recht den Gegenſatz zwiſchen künſtleriſcher Reife
und ſchulmäßiger Ausbildung, zwiſchen Können und
Wollen erſehen. Heermann ſpielte das Concert techniſchvollendet,
die Cantilone im 1. Satze und das Andante hinreißend
ſchön und erntete reichen Beifall und dreimalige Hervorrufe.
Es folgte nun die Erſtaufführung eines Myſteriums: Eva
in 3 Abtheilungen von Maſſenet, ein Werk, welches
uns Schöpfung, Verſuchung und Sündenfall des erſten
Menſchenpaares in muſikaliſcher Weiſe verſinnlichen ſoll.
Es iſt in dieſem Werke viel Schönes an characteriſtiſchen
Formen, meiſterhafte Orcheſtration und ſchwungvolle
Scenen enthalten, doch iſt der Grundzug des Ganzen:
muſikaliſches Raffinnement, Tonmalerei, Aeußerlichkeit ohne
innere Empfindung. Die durch hohe Lage anſtrengenden
Solo wurden von der Hofopernſängerin Frl. Mora,
dem Herrn Hofopernſänger Ritter und dem Concert-
ſänger von Zur Mühlen aus Berlin (der nicht ganz
disponirt war) vorzüglich gegeben, wie auch ſonſt die
ganze Aufführung, beſonders in den Chorſätzen, unter der
umſichtigen Leitung Richard von Pergers eine
tadelloſe war.

— Der Amſterdamer Sänger Johannes Meßchaert
beſitzt einen wohlklingenden, in allen Lagen ausgeglichenen
Baryton und eine weitgehende künſtleriſche Bildung; dieſer
entſprechend war auch das intereſſante Programm, das ſich
der Künſtler geſtellt hatte. Der Cyclus „An die entfernte
Geliebte“ von Beethoven und der Liedercyclus op. 35 von
Schuhmann ſind Geſänge, welche man bei uns ſelten, ge-
ſchweige denn in einer ſo vollendeten Ausführung hört.
Unterſtützt wurde der Sänger durch theoretiſch vorzüglich
gebrachte Claviervorträge des Profeſſors Julius Röntgen.

— Man kennt ſchon ſeit Jahren das ausgezeichnete Zu-
ſammenſpiel der beiden Wiener Pianiſten Brüder Willi und
Louis Thern; dieſelben glänzten wieder durch ihre
[Spaltenumbruch] Vorträge in einem eigenen, vom Concertbarytoniſten
Simonelli unterſtützten Concerte, dem wir
wegen dem gleichzeitigen böhmiſchen Streich-
quartett
nur zum Theile anwohnen konnten. —
Eine neue Erſcheinung war die aus dem Wiener Conſerva-
torium hervorgegangene Pianiſtin Frl. Tolomei, welche in
ihrem Concerte am Donnerſtag, den 6. d. M., im Vereine
mit den Conſervatoriſten, Herren Weber und Schmid, zu-
nächſt eine Novität, Claviertrio von Wealbecker, ein
recht anſprechendes, melodiöſes und geſchmackvoll componirtes
Werk, zur Aufführung brachte. In dieſem und in allen
übrigen Vorträgen erwies ſich die Concertgeberin als eine
muſikaliſch und techniſch gebildete Künſtlerin, welche zu den
ſchönſten Hoffnungen berechtigt. In dieſem Concerte wirkte
auch die Sängerin Frl. Martha Gey mit, welche wir
wegen ihrer ſympathiſchen Erſcheinung und reizvollen Vor-
tragsweiſe ſtets gerne im Concertſaale begrüßen.

— Die Claviervirtuoſin Adele aus der Ohe wird in
ihrem Montag 17. d. Abends halb 8 Uhr im Böſendorfer-
Saale ſtattſindenden Concert Werke vortragen von: Bach,
Beethoven, Mendelsſohn, Schuhmann, Rubinſtein, Adele aus
der Ohe und Liszt. Karten in Gutmann’s Hof-
muſikalienhandlung.

— Das böhmiſche Streichquartett gab unter Mit-
wirkung des Kammervirtuoſen Grünfeld eine außer-
ordentliche Soiree, die den großen Muſikvereinsſaal voll-
ſtändig füllte. Die Concertgeber führten in wunderbarer
Harmonie und claſſiſch ſchöner Vortragsweiſe auf: Schubert’s
Streichquintett in C, Schuhmann’s Clavierquintett in Es
und Brahm’s Sextett; in letzterem führten 2 Viola und
2 Cello, die Herren Rychlik und Burian. Daß Herr
Grünfeld ſeinen Clavierpart künſtleriſch durchführte, iſt
ſelbſtverſtändlich.




Ballnachrichten.

Der Liechtenthaler Männer-Geſangsverein ver-
anſtaltet unter dem Titel: „Dunkethaler Kirta
und Jahrmarktfeſt“
am 15. ſein diesjähriges
Carnevalsunternehmen in Kell’s Reſtauration „zum Auge
Gottes“, 9. Bezirk, Nußdorferſtraße 73. In der Zwiſchen-
pauſe Aufführung einer Geſangspoſſe. Juxpoſt, Juxbazar.
Karten im Vorverkaufe 80 kr. bei Joſef Kell in Wien,
9. Bezirk, Nußdorferſtraße 73. Entrée an der Caſſe 1 fl.

Der Ober-St. Veiter Faſchingszug findet am
Faſchingdienſtag vom Drahrer-Club veranſtaltet ſtatt. Die
Vorbereitung geſtalten ſich großartig und dürfte die große
Gruppe „Oeſterreichs Völkertrachten“ die Siegespalme er-
ringen; ferner wird ein großes Reiterbanderium, ſowie eine
Reihe von humoriſtiſchen Gruppen allſeitigen Beifall finden.
Das Reinerträgniß iſt armen Schulkindern gewidmet.

Die katholiſch-akademiſch-techniſche Studenten-
verbindung Ferdinandea
in Prag wird am 12. d. ein
Kränzchen veranſtalten, über welches Graf Sylva-Tarouca
das Protectorat übernommen hat.

Die chriſtlichen Gewerbetreibenden des 13. Be-
zirkes
veranſtalten Donnerſtag, 13. d., in Hopfner’s Caſino,
Hietzing, Hauptſtraße 12 ein Kränzchen. Die Abgeordneten
Dr. Carl Lueger, Dr. Pattat, Polzhoſer, Schneider, Gre-
gorig haben bereits ihr Erſcheinen beſtimmt zugeſagt. Anfang
8 Uhr. Karten im Vorverkauf 50 kr. in Hietzing: Carl
Bayer, Altgaſſe 16. Penzing: Victor Kortſchak, Penzinger-
ſtraße 73. Lainz: Johann Kurz, Lainzerſtraße. Speiſing:
Joſef Hampel, Gallgaſſe 31, Hütteldorf: Johanu Glöſſel,
Bergmüllergaſſe 6. An der Caſſe 80 kr.




Tagesbericht.


* Auszeichnungen und Ernennungen.

Dem Feld-
marſchall-Lieutenant Frh. v. Gagern wurde anläßlich
der Uebernahme in den Ruheſtand und dem beurlaubten
Feldmarſchall-Lieutenant Oswald Grafen Kielmansegg
die Würde eines geheimen Rathes, dem Lieutenant im
1. Regiment der Tiroler Kaiſer-Jäger Hubert Freih. v.
Walterskirchen die Kämmererswürde, dem Hilfs-
ämtervorſteher bei dem Kreisgerichte in St. Pölten Ferdinand
Scheibert anläßlich der Verſetzung in den Ruheſtand
der Titel und Charakter eines Hilfsämterdirectors, dem Rent-
amts- und Brunnenverwalter in Krynica, Sigismund So-
koloski
anläßlich ſeiner Verſetzung in den Ruheſtand
das goldene Verdienſtkreuz mit der Krone verliehen.

* Der Ausſtand der Schneider.

In den Bezirken
Stadt, Leopoldſtadt, Alſergrund, Favoriten und Simmering
ſind geſtern wegen nicht bewilligter Lohnerhöhung 85 Ge-
hilfen verſchiedener Schneidermeiſter in den Ausſtand ge-
treten. In mehreren Bezirken haben aber auch die Meiſter
ihre Werkſtätte geſperrt, in Folge deſſen 192 Gehilfen
arbeitslos geworden ſind. Ungefähr 150 Gehilfen er-
ſchienen heute Vormittags in der Kanzlei der Schneider-
genoſſenſchaft, Fütterergaſſe 1, um die Forderung des Ge-
hilfenausſchuſſes behufs Anſtellung eines Gehilfen als Be-
amten im Rufhauſe der Schneider und um Vergrößerung
der Rufhaus-Localitäten dem V[o]rſteher Herrn Fenzl
vorzutragen. Das Anſuchen der Gehil[f]e[n] wurde vorläufig
endgiltig nicht erledigt. Dieſer Strei[k] bezieht ſich haupt-
ſächlich auf die bei den ſogenannten engliſchen Schneidern
bedienſteten Gehilfen, die in geradezu ausbeuteriſcher Weiſe
von ihren Chefs behandelt werden.

* Der Faſten-Hirtenbrief

des Herrn Biſchofs von
Lavant (Marburg), Dr. Michael Napotnik, iſt
eben ausgegeben worden, und enthält eine lichtvolle Er-
klärung des «Ave Maria».

* Bulthaupt-Vorleſung.

Profeſſor Dr. Heinrich
Bulthaupt aus Bremen, deſſen Drama „Timon“
ſoeben im Prager deutſchen Landestheater zum erſten Male
aufgeführt wird, hält heute (Dienſtag) um ¼8 Uhr
Abends in der Grillpa[r]zer-Geſellſchaft einen Vortrag „Grill-
parzer als Lyriker“.

* Tiroler Jahrmarkt,

Dieſes Wohlthätigkeitsſeſt
des Tiroler und Vorarlberger Club in Wien, findet am
7. und 8. März unter dem Protectorat des Erherzogs Carl
Ludwig in den Blumenſälen ſtatt.

* In die Donau geſtürzt.

Der Tiſchlergehilfe Jo-
hann Kabletz ſtürzte geſtern Nachmittags um 2 Uhr
in betrunkenem Zuſtande oberhalb der Stefaniebrücke in den
Donaucanal, ſchwamm jedoch ſelbſt wieder [a]n das Ufer,
wurde aus dem Waſſer gezogen und in der nahegelegenen

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Wiener evangeli&#x017F;chen Gemeinde A. K. Rudolf <hi rendition="#g">Bode.</hi><lb/>
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Welt hinausgebracht werden, welche &#x017F;elb&#x017F;t vor Gericht &#x017F;chon<lb/>
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Bro&#x017F;chüre eine gün&#x017F;tige Aufnahme fand. Der Richter lehnt<lb/>
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ent&#x017F;chieden werden. Dr. Franz <hi rendition="#g">Berger</hi> erklärt, nur die<lb/>
Bro&#x017F;chüre und eine Eingabe des Dr. Cape&#x017F;ius an den<lb/>
Oberkirchenrath als Mittel zu &#x017F;einem Wahrheitsbewei&#x017F;e be-<lb/>
nützen zu wollen, worauf der Richter das Beweisverfahren<lb/>
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Oratorium: &#x201E;Sieg der Zeit und Wahrheit&#x201C; von <hi rendition="#g">Härdel.</hi><lb/>
Es war dies die Jagd&#x017F;cene, ein Wech&#x017F;elge&#x017F;ang zwi&#x017F;chen<lb/>
Tenor&#x017F;olo und Chor, der keineswegs an die großangelegten<lb/>
Chornummern die&#x017F;es gewaltigen Ton&#x017F;etzers hinanreicht;<lb/>
mit der Vorführung von Fragmenten, die den Charakter<lb/>
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Frankfurt a. M. war doppelt intere&#x017F;&#x017F;ant. Dadurch, daß er<lb/>
&#x2014; vielleicht zufällig &#x2014; das Violinconcert von <hi rendition="#g">Brahms</hi><lb/>
brachte, das kürzlich der kleine Hubermann &#x017F;pielte, konnte<lb/>
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Wollen er&#x017F;ehen. Heermann &#x017F;pielte das Concert techni&#x017F;chvollendet,<lb/>
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Es folgte nun die Er&#x017F;taufführung eines My&#x017F;teriums: <hi rendition="#g">Eva</hi><lb/>
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Es i&#x017F;t in die&#x017F;em Werke viel Schönes an characteri&#x017F;ti&#x017F;chen<lb/>
Formen, mei&#x017F;terhafte Orche&#x017F;tration und &#x017F;chwungvolle<lb/>
Scenen enthalten, doch i&#x017F;t der Grundzug des Ganzen:<lb/>
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innere Empfindung. Die durch hohe Lage an&#x017F;trengenden<lb/>
Solo wurden von der Hofopern&#x017F;ängerin Frl. <hi rendition="#g">Mora,</hi><lb/>
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&#x017F;änger von <hi rendition="#g">Zur Mühlen</hi> aus Berlin (der nicht ganz<lb/>
disponirt war) vorzüglich gegeben, wie auch &#x017F;on&#x017F;t die<lb/>
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ent&#x017F;prechend war auch das intere&#x017F;&#x017F;ante Programm, das &#x017F;ich<lb/>
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Schuhmann &#x017F;ind Ge&#x017F;änge, welche man bei uns &#x017F;elten, ge-<lb/>
&#x017F;chweige denn in einer &#x017F;o vollendeten Ausführung hört.<lb/>
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&#x017F;ammen&#x017F;piel der beiden Wiener Piani&#x017F;ten Brüder <hi rendition="#b">Willi</hi> und<lb/><hi rendition="#b">Louis Thern;</hi> die&#x017F;elben glänzten wieder durch ihre<lb/><cb/>
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&#x017F;chön&#x017F;ten Hoffnungen berechtigt. In die&#x017F;em Concerte wirkte<lb/>
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[2/0002] Wien, Dienſtag Reichspoſt 11. Februar 1896 41 Krone im Orient werde nun im Jahre 1896 fallen? fragt das Blatt. Die Auslieferung Artons an die franzöſiſchen Behörden iſt eine beſchloſſene Thatſache, und dieſer Jude, der ſo oft mit der Tarnkappe geſpielt — wenigſtens der franzöſiſchen Polizei gegen- über — wird binnen 8 Tagen vor ſeinen Richtern in Paris ſtehen. Alle An- ſtrengungen der Freunde Artons, die Aus- lieferungsgründe als politiſcher Natur darzuſtellen, ſchlugen fehl; er wurde wegen Fälſchung von Rechnungen und Schriften ausgeliefert. Es bleibt allen denen, welche an der Befreiung Arton’s intereſſirt ſind, keine andere Hoffnung übrig, als daß es demſelben gelingen werde, bei der Ueber- führung von London nach Paris zu verſchwinden. Aus den Landtagen. Oberöſterreich. Zum Antrage Beurle’s, daß ſich der Landtag dahin ausſpreche, daß der Erlaß des Landesſchulrathes vom No- vember 1895, betreffend die Ausübung der allgemeinen ſtaatsbürgerlichen Rechte ſeitens der Lehrer, eine empfindliche Verletzung der ſtaatsbürgerlichern Rechte bedeute, bemerkt der Referent Dr. Ebenhoch, daß es ſich im Erlaſſe nicht um eine Einſchränkung der ſtaatsbürgerlichen Rechte, ſondern um das Maß und die Art des Gebrauches derſelben durch die Lehrer, deren Beruf und Vertrauensſtellung bei der Ausübung dieſer Rechte ein beſonderes Maß erheiſche, handle. Der Referent beantragt, den Antrag abzulehnen. — Der Statthalter ſtimmt den Motiven Dr. Ebenhoch’s zu und bezeichnet die Forderung nach einer Zurücknahme des Er- laſſes als unzuläſſig. Der Statthalter habe als Vorſitzender des Landesſchulrathes keinen Anlaß, den Beſchluß des letzteren zu ſiſtiren. Es ſtehe den Lehrern frei, beim Unter- richtsminiſterinm zu recurriren oder eine Befchwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Reichsgerichte einbringen. Görz. Zur heutigen Sitzung waren alle Abgeordneten, unter ihnen auch Fürſterzbiſchof Dr. Zorn erſchienen. Der Regierungsvertreter beantwortete zwei Interpellationen. — Für die ſloveniſche Gewerbeſchule wurde eine jährliche Sub- vention von 1000 fl. bewilligt. — Der Voranſchlag des Landesfonds pro 1896 wurde genehmigt. — Der Geſetz- entwurf betreffs Einhebung einer Zinsſteuer in der Stadt Görz wurde an den Landesausſchuß überwieſen, und die Geſetzentwürfe, betreffend die Verbeſſerung der Lage der Volksſchullehrer und den Schutz der Edelweißpflanzungen, angenommen. Kärnten. In der heutigen Sitzung wurde die Regierungsvorlage betreffs der Einführung des Religions- unterrichtes in den oberen Realſchul- claſſen trotz warmer Beſürwortung durch den Landes- präſidenten, den Fürſtbiſchof und den Abg. Dr. Stein- wender für heuer abgelehnt. — Ferner wurde der Voranſchlag des Landesfonds mit einem Erforderniß von 1,270.900 fl. und dem aus den Caſſenbeſtänden zu be- ſtreitenden unbedeckten Abgange von 122.450 fl. genehmigt. Die Umlage beträgt wie im Vorjahre 60 %. Krain. Die Hauptbilanz des Lotterie-Anlehens der Stadt Lai- bach wurde zur Kenntniß genommen, für den Schulausbau Subventionen im Geſammtbetrage von 6(0) fl. bewilligt und die Einreihung der Gemeindeſtraße von Prelog nach Rodica im Egger und Steiner Bezirk in die Kategorie der Bezirksſtraßen beſchloſſen. — Die Berathung des Rechen- ſchaſtsberichtes wurde für die nächſte Sitzung verſchoben. — An dieſe Berathung ſchloß ſich eine geheime Sitzung. Steiermark. Der Landtag verhandelte heute das Armengeſetz. Für die Vorlage ſpricht Fürſtbiſchof Dr. Schuſter. Er prä- ciſirt die Stellung der katholiſchen Kirche zu dieſer Vorlage und ſagt nach einer kurzen geſchichtlichen Einleitung über die Entwicklung der Armen-Fürſorge ſeit der Entſtehung des Chriſtenthums, daß gegenwärtig die private und öffentliche Wohlthätigkeit zuſammenwirken müſſen, da erſtere allein nicht ausreiche. Redner billigt es, daß der vorliegende Geſetzentwurf auf dem Grundſatze aufgebaut ſei, die private und kirchliche Wohlthätigkeit mit der ſtaatlichen und öffent- lichen Wohlthätigkeit ſtets in freundlichen Beziehungen zu erhalten zur Erreichung des gemeinſamen Zweckes. Der Fürſtbiſchof kommt im Verlaufe ſeiner Rede auf die gegenwärtig üblichen mildthätigen Weihnachtsbeſcherungen zu ſprechen und erklärt ſich mit der Art und Weiſe, wie ſelbe verabreicht werden, nicht einverſtanden, weil die Autorität und die Liebe zu den Eltern hiedurch gewiß nicht gefördert werde. Er urgirt die Schaffung eines Heimatsgeſetzes und verlangt von der Reichsregierung ein Arbeiterſchutzgeſetz in dem Sinne, daß ausländiſche Arbeiter ſo lange nicht zu- gelaſſen werden ſollen, als einheimiſche Arbeiter arbeitsbedürftig ſeien. Redner ſchließt mit dem Bemerken, daß von Seite der Kirche und ihrer Vertreter zur Ausführung des Armengeſetzes gerne jeder Beiſtand und jede Hilfe werde geleiſtet werden ſoweit die Kirchengeſetze dies geſtatten. Abg. Dr. Portugall beantragt die Vertagung der Berathung auf die nächſte Seſſion. — Abgeordneter Graf Gundaker Wurmbrand rühmt an dem vorliegenden Geſetze, daß es den Armen die perſönliche Freiheit möglichſt erhalte. — Landesausſchuß Dr. Reicher dankt dem Fürſtbiſchof für die in Ausſicht ge- ſtellte Unterſtützung der kirchlichen Behörden. — Das Ein- gehen in die Specialdebatte wird beſchloſſen und das hundert Paragraphe umfaſſende Geſetz erledigt und angenommen. Gerichtsſaal. Ehrenbeleidigung. In der am 30. September v. J. im evangeliſchen Schulgebäude (Technikerſtraße) abgehaltenen Superintendential-Verſammlung erſtattete der Wiener Super- intendent A. C. Joſef Winkler Bericht über die Fonds- verwaltung, wobei er äußerte, es ſeien ihm Fonds trotz wiederholter Mahnſchreiben und Vorſtellungen unter allerlei Vorwänden bisher nicht übergeben worden. Da nun Dr. Capeſius bis dahin dieſe Fonds als Superinten- dential-Curator zu verwalten hatte, glaubte er, dieſen Paſſus auf ſich beziehen zu können, erblickte in demſelben den Vorwurf eines unehrenhaften Gebahrens und ſtrengte eine Ehrenbeleidigungsklage an, weshalb ſich der Superinten- dent Winkler vor dem Bezirksgerichte Wieden zu verantworten hatte. Zu gleicher Zeit wurde auch über eine zweite Klage, die gegen Herrn Winkler, Carl Bünker, Pfarrer zu Trabeſing, Dr. Theodor Reiſch, und Dr. Erich Johanny gerichtet iſt, verhandelt. Die Angeklagten haben gegen den Dring- lichkeitsantrag der VI. ev. Generalſynode, dem Kläger Doctor Capeſius in Anerkennung ſeiner Verdienſte den Dank der Synode auszuſprechen, proteſtirt mit der Motivirung, Dr. Capeſius habe die Vertreter der Synode verunglimpft und die Sache des Proteſtantismus in Oeſterreich geſchädigt. Da ſämmtliche incriminirte Aeußerungen zugegeben wurden, wurde auf die Einvernahme der Zeugen verzichtet und Ausſchluß der Oeffentlichkeit beſchloſſen. Zeuge Dr. Alfons Zimmermann, Pfarrer und Docent der theologiſchen Facultät an der Wiener Univerſität, erklärt, er habe ſofort nach Erhalt des Schreibens des Superintendenten, in welchem derſelbe die Uebergabe der Fonds forderte, den Betrag von 700 fl. an denſelben ab- geſendet. Bezüglich der anderen Fonds ſei an den Super- intendenten die Antwort abgegangen, es müſſe zuerſt die Vinculirung der Papiere vorgenommen werden. — Richter: Wie ſind dieſe Papiere aufbewahrt geweſen? — Zeuge: In einer eiſernen Caſſe. — Richter: Wie war die Sperre? — Zeuge: Die Schlüſſel hatte ich. Ich hätte die Papiere abſenden können, aber es kommen doch ſchließlich Poſtdiebſtähle vor und man hätte mir zumindeſt leicht- ſinniges Gebahren vorwerfen können. — Richter: Wann hat die Uebergabe ſchließlich ſtattgefunden? — Zeuge: Am 1. October. Superintendent Winkler: „Ich habe den Super- intendentialcurator, reſpective Dr. Zimmermann, wiederholt um Zuſendung der Fonds gebeten. Ich erhielt erſt eine ge- harniſchte Antwort und ſpäter endlich 700 Gulden. Ich machte abermals eine Vorſtellung und da hat es wieder ge- heißen, es müſſe zunächſt die Vinculirung der Papiere vor- genommen werden, und ſchließlich hieß es, der Superinten- dential-Ausſchuß und nicht der Superintendent hätten die Verantwortung. Durch dieſe Ausreden wurde die Uebergabe der Fvnds thatſächlich ſo weit hinausgeſchoben, daß ich über dieſelben keine Rechnung legen konnte. Dr. Capeſius erklärt, er hatte früher keine Zeit, weil zwei Herren aus Brüſſel ihn in einer Waſſerangelegenheit vollauf in Anſpruch nahmen. Zur zweiten Anklage wird als Zeuge einvernommen der Director der Wiener Baugeſellſchaft und Curator der Wiener evangeliſchen Gemeinde A. K. Rudolf Bode. Derſelbe erklärte, er habe ſich da&ſr Vergnügen, die Broſchüre des Dr. Capeſius zu leſen, verſagt, denn dieſelbe hätte ſehr großes mißliebiges Aufſehen erregt, und viele angeſehene Männer hätten ihm erklärt daß darin Dinge wieder in die Welt hinausgebracht werden, welche ſelbſt vor Gericht ſchon zur Austragung gelangt ſeien. Dr. Capeſius bean- tragt nun die Führung mehrerer Zeugen, bei welchen ſeine Broſchüre eine günſtige Aufnahme fand. Der Richter lehnt dieſen Antrag ab und ſagt, es wird hier lediglich behauptet, daß man eine ſolche Broſchüre überhaupt nicht ſchreibt, ohne daß die Gemeinde geſchädigt würde, und darüber wird entſchieden werden. Dr. Franz Berger erklärt, nur die Broſchüre und eine Eingabe des Dr. Capeſius an den Oberkirchenrath als Mittel zu ſeinem Wahrheitsbeweiſe be- nützen zu wollen, worauf der Richter das Beweisverfahren für geſchloſſen erklärt und die Verhandlung auf morgen vertagt. Theater, Kunſt und Muſik. — Das dritte Geſellſchaftsconcert brachte Sonntag den 9. Februar zunächſt ein Fragment aus dem allegoriſchen Oratorium: „Sieg der Zeit und Wahrheit“ von Härdel. Es war dies die Jagdſcene, ein Wechſelgeſang zwiſchen Tenorſolo und Chor, der keineswegs an die großangelegten Chornummern dieſes gewaltigen Tonſetzers hinanreicht; mit der Vorführung von Fragmenten, die den Charakter des ganzen Tonwerkes ſchwer errathen laſſen, ſind wir nicht einverſtanden. Die zweite Nummer, das Auftreten des Solovirtuoſen Herrn Profeſſor Heermann aus Frankfurt a. M. war doppelt intereſſant. Dadurch, daß er — vielleicht zufällig — das Violinconcert von Brahms brachte, das kürzlich der kleine Hubermann ſpielte, konnte man ſo recht den Gegenſatz zwiſchen künſtleriſcher Reife und ſchulmäßiger Ausbildung, zwiſchen Können und Wollen erſehen. Heermann ſpielte das Concert techniſchvollendet, die Cantilone im 1. Satze und das Andante hinreißend ſchön und erntete reichen Beifall und dreimalige Hervorrufe. Es folgte nun die Erſtaufführung eines Myſteriums: Eva in 3 Abtheilungen von Maſſenet, ein Werk, welches uns Schöpfung, Verſuchung und Sündenfall des erſten Menſchenpaares in muſikaliſcher Weiſe verſinnlichen ſoll. Es iſt in dieſem Werke viel Schönes an characteriſtiſchen Formen, meiſterhafte Orcheſtration und ſchwungvolle Scenen enthalten, doch iſt der Grundzug des Ganzen: muſikaliſches Raffinnement, Tonmalerei, Aeußerlichkeit ohne innere Empfindung. Die durch hohe Lage anſtrengenden Solo wurden von der Hofopernſängerin Frl. Mora, dem Herrn Hofopernſänger Ritter und dem Concert- ſänger von Zur Mühlen aus Berlin (der nicht ganz disponirt war) vorzüglich gegeben, wie auch ſonſt die ganze Aufführung, beſonders in den Chorſätzen, unter der umſichtigen Leitung Richard von Pergers eine tadelloſe war. G v. B. — Der Amſterdamer Sänger Johannes Meßchaert beſitzt einen wohlklingenden, in allen Lagen ausgeglichenen Baryton und eine weitgehende künſtleriſche Bildung; dieſer entſprechend war auch das intereſſante Programm, das ſich der Künſtler geſtellt hatte. Der Cyclus „An die entfernte Geliebte“ von Beethoven und der Liedercyclus op. 35 von Schuhmann ſind Geſänge, welche man bei uns ſelten, ge- ſchweige denn in einer ſo vollendeten Ausführung hört. Unterſtützt wurde der Sänger durch theoretiſch vorzüglich gebrachte Claviervorträge des Profeſſors Julius Röntgen. — Man kennt ſchon ſeit Jahren das ausgezeichnete Zu- ſammenſpiel der beiden Wiener Pianiſten Brüder Willi und Louis Thern; dieſelben glänzten wieder durch ihre Vorträge in einem eigenen, vom Concertbarytoniſten Simonelli unterſtützten Concerte, dem wir wegen dem gleichzeitigen böhmiſchen Streich- quartett nur zum Theile anwohnen konnten. — Eine neue Erſcheinung war die aus dem Wiener Conſerva- torium hervorgegangene Pianiſtin Frl. Tolomei, welche in ihrem Concerte am Donnerſtag, den 6. d. M., im Vereine mit den Conſervatoriſten, Herren Weber und Schmid, zu- nächſt eine Novität, Claviertrio von Wealbecker, ein recht anſprechendes, melodiöſes und geſchmackvoll componirtes Werk, zur Aufführung brachte. In dieſem und in allen übrigen Vorträgen erwies ſich die Concertgeberin als eine muſikaliſch und techniſch gebildete Künſtlerin, welche zu den ſchönſten Hoffnungen berechtigt. In dieſem Concerte wirkte auch die Sängerin Frl. Martha Gey mit, welche wir wegen ihrer ſympathiſchen Erſcheinung und reizvollen Vor- tragsweiſe ſtets gerne im Concertſaale begrüßen. G. v. B. — Die Claviervirtuoſin Adele aus der Ohe wird in ihrem Montag 17. d. Abends halb 8 Uhr im Böſendorfer- Saale ſtattſindenden Concert Werke vortragen von: Bach, Beethoven, Mendelsſohn, Schuhmann, Rubinſtein, Adele aus der Ohe und Liszt. Karten in Gutmann’s Hof- muſikalienhandlung. — Das böhmiſche Streichquartett gab unter Mit- wirkung des Kammervirtuoſen Grünfeld eine außer- ordentliche Soiree, die den großen Muſikvereinsſaal voll- ſtändig füllte. Die Concertgeber führten in wunderbarer Harmonie und claſſiſch ſchöner Vortragsweiſe auf: Schubert’s Streichquintett in C, Schuhmann’s Clavierquintett in Es und Brahm’s Sextett; in letzterem führten 2 Viola und 2 Cello, die Herren Rychlik und Burian. Daß Herr Grünfeld ſeinen Clavierpart künſtleriſch durchführte, iſt ſelbſtverſtändlich. G. v. B. Ballnachrichten. Der Liechtenthaler Männer-Geſangsverein ver- anſtaltet unter dem Titel: „Dunkethaler Kirta und Jahrmarktfeſt“ am 15. ſein diesjähriges Carnevalsunternehmen in Kell’s Reſtauration „zum Auge Gottes“, 9. Bezirk, Nußdorferſtraße 73. In der Zwiſchen- pauſe Aufführung einer Geſangspoſſe. Juxpoſt, Juxbazar. Karten im Vorverkaufe 80 kr. bei Joſef Kell in Wien, 9. Bezirk, Nußdorferſtraße 73. Entrée an der Caſſe 1 fl. Der Ober-St. Veiter Faſchingszug findet am Faſchingdienſtag vom Drahrer-Club veranſtaltet ſtatt. Die Vorbereitung geſtalten ſich großartig und dürfte die große Gruppe „Oeſterreichs Völkertrachten“ die Siegespalme er- ringen; ferner wird ein großes Reiterbanderium, ſowie eine Reihe von humoriſtiſchen Gruppen allſeitigen Beifall finden. Das Reinerträgniß iſt armen Schulkindern gewidmet. Die katholiſch-akademiſch-techniſche Studenten- verbindung Ferdinandea in Prag wird am 12. d. ein Kränzchen veranſtalten, über welches Graf Sylva-Tarouca das Protectorat übernommen hat. Die chriſtlichen Gewerbetreibenden des 13. Be- zirkes veranſtalten Donnerſtag, 13. d., in Hopfner’s Caſino, Hietzing, Hauptſtraße 12 ein Kränzchen. Die Abgeordneten Dr. Carl Lueger, Dr. Pattat, Polzhoſer, Schneider, Gre- gorig haben bereits ihr Erſcheinen beſtimmt zugeſagt. Anfang 8 Uhr. Karten im Vorverkauf 50 kr. in Hietzing: Carl Bayer, Altgaſſe 16. Penzing: Victor Kortſchak, Penzinger- ſtraße 73. Lainz: Johann Kurz, Lainzerſtraße. Speiſing: Joſef Hampel, Gallgaſſe 31, Hütteldorf: Johanu Glöſſel, Bergmüllergaſſe 6. An der Caſſe 80 kr. Tagesbericht. Wien, 11. Februar. * Auszeichnungen und Ernennungen. Dem Feld- marſchall-Lieutenant Frh. v. Gagern wurde anläßlich der Uebernahme in den Ruheſtand und dem beurlaubten Feldmarſchall-Lieutenant Oswald Grafen Kielmansegg die Würde eines geheimen Rathes, dem Lieutenant im 1. Regiment der Tiroler Kaiſer-Jäger Hubert Freih. v. Walterskirchen die Kämmererswürde, dem Hilfs- ämtervorſteher bei dem Kreisgerichte in St. Pölten Ferdinand Scheibert anläßlich der Verſetzung in den Ruheſtand der Titel und Charakter eines Hilfsämterdirectors, dem Rent- amts- und Brunnenverwalter in Krynica, Sigismund So- koloski anläßlich ſeiner Verſetzung in den Ruheſtand das goldene Verdienſtkreuz mit der Krone verliehen. * Der Ausſtand der Schneider. In den Bezirken Stadt, Leopoldſtadt, Alſergrund, Favoriten und Simmering ſind geſtern wegen nicht bewilligter Lohnerhöhung 85 Ge- hilfen verſchiedener Schneidermeiſter in den Ausſtand ge- treten. In mehreren Bezirken haben aber auch die Meiſter ihre Werkſtätte geſperrt, in Folge deſſen 192 Gehilfen arbeitslos geworden ſind. Ungefähr 150 Gehilfen er- ſchienen heute Vormittags in der Kanzlei der Schneider- genoſſenſchaft, Fütterergaſſe 1, um die Forderung des Ge- hilfenausſchuſſes behufs Anſtellung eines Gehilfen als Be- amten im Rufhauſe der Schneider und um Vergrößerung der Rufhaus-Localitäten dem Vorſteher Herrn Fenzl vorzutragen. Das Anſuchen der Gehilfen wurde vorläufig endgiltig nicht erledigt. Dieſer Streik bezieht ſich haupt- ſächlich auf die bei den ſogenannten engliſchen Schneidern bedienſteten Gehilfen, die in geradezu ausbeuteriſcher Weiſe von ihren Chefs behandelt werden. * Der Faſten-Hirtenbrief des Herrn Biſchofs von Lavant (Marburg), Dr. Michael Napotnik, iſt eben ausgegeben worden, und enthält eine lichtvolle Er- klärung des «Ave Maria». * Bulthaupt-Vorleſung. Profeſſor Dr. Heinrich Bulthaupt aus Bremen, deſſen Drama „Timon“ ſoeben im Prager deutſchen Landestheater zum erſten Male aufgeführt wird, hält heute (Dienſtag) um ¼8 Uhr Abends in der Grillparzer-Geſellſchaft einen Vortrag „Grill- parzer als Lyriker“. * Tiroler Jahrmarkt, Dieſes Wohlthätigkeitsſeſt des Tiroler und Vorarlberger Club in Wien, findet am 7. und 8. März unter dem Protectorat des Erherzogs Carl Ludwig in den Blumenſälen ſtatt. * In die Donau geſtürzt. Der Tiſchlergehilfe Jo- hann Kabletz ſtürzte geſtern Nachmittags um 2 Uhr in betrunkenem Zuſtande oberhalb der Stefaniebrücke in den Donaucanal, ſchwamm jedoch ſelbſt wieder an das Ufer, wurde aus dem Waſſer gezogen und in der nahegelegenen

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 41b, Wien, 11.02.1896, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost041b_1896/2>, abgerufen am 21.11.2024.