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Reichspost. Nr. 67, Wien, 08.03.1909.

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Nr. 67 Wien, Montag Reichspost 8. März 1909.

[Spaltenumbruch] Sozialdemokraten und Deutschnationalen vor dem Agi-
tationslokale der letzteren zu einer großen Keilerei, in deren
Verlauf die Sozialdemokraten die Deutschnationalen in das
Agitationslokale zurückdrängten, in welchem die
Rauferei fortgesetzt wurde. Die streitenden Par-
teien hieben mit Fäusten und Stöcken aufeinander
ein. Da die Situation immer kritischer wurde und die
Polizei sich als zu schwach erwies, um die Ruhe herzu-
stellen, wurde Gendarmerie requiriert, welche die streitenden
Parteien trennte und das Aqitationslokal der Deutsch-
nationalen besetzt hielt. Von Seite der Sozialdemokraten
wurde nun durch längere Zeit der Zugang zum Wahllokal
gesperrt gehalten. Ueber Beschwerde der deutschnationalen
Wähler schritten Polizei und Gendarmerie ein und hielten
den Zugang zum Wahllokale frei. Auch wurde der Wahl-
akt von Seite der Wahlkommission bis 5 Uhr nachmittags
verlängert. Erst nach Schluß der Stimmenabgabe kehrte
allmählig die Ruhe wieder ein. Von 3000 Wahlberechtigten
haben sich 2200 an dem Wahlakte beteiligt. Die Deutsch-
nationalen rechnen damit, daß ihre Kandidaten mit 200
bis 300 Stimmen Majorität gesiegt haben dürften. Das
definitive Wahlresultat dürste erst morgen nachmittag be-
kannt gegeben werden.




Ein Zwischenfall in der
Schottenkirche.

Demonstration während der Fasten-
predigt.

In der Schottenkirche hat sich gestern ein Fall von
Religionsstörung ereignet, ähnlich jenen empörenden Vor-
fällen, die wir leider im Vorjahre in der Michaelerkirche
und in Mödling zu verzeichnen hatten. Zwei junge Leute
haben gestern während der Fastenpredigt in der Schotten-
kirche Zwischenrufe gemacht und sind von den erregten
Kirchenbesuchern aus der Kirche hinausgedrängt und der
Polizei übergeben worden.

Ueber den Vorfall erfahren wir folgen des:
Gestern abend hielt zur gewohnten Stunde der Kapitular
des Schottenstiftes P. Wenzel Czeppa, die Fastenpredigt,
der ein zahlreiches Publikum beiwohnte. Gegen Schluß der
Predigt, als der Geistliche die Schlußfolgerungen aus seinen
Ausführungen zog, machten zwei junge Leute
laute Zwischenrufe.

Trotz der Abmahnung der Nächstehenden setzten die Bei-
den die Zwischenrufe fort und gestikulierten lebhaft
gegen den Prediger. Nun wurde die Stimmung unter den
Kirchenbesuchern eine erregte; man drängte die Religions-
störer zur Kirche hinaus; vor der Kirche wurde durch die
fortgesetzte provokatorische Haltung der jungen Leute die
Lage für diese sehr kritisch. Einige besonnene Männer
hielten die Volksmenge ab, an den Beiden Justiz zu üben
und übergaben die Täter der Wache, die sie zur Wachstube
in der Bankgasse brachte.

Von anderer Seite erfahren wir: Die beiden Religions-
störer gaben bei der Einvernahme durch die Polizei an,
Ernst und Rudolf Dick zu heißen, 19 beziehungs-
weise 20 Jahre alt zu sein und in privaten Diensten zu
stehen. In seiner Verautwortung stellte der eine der
Brüder die "Affäre" als ungemein harmlos hin und
meinte: Er habe bloß seinen Bruder aufgefordert, mit ihm
nach Hause zu gehen; wenn man den Fall aufbausche, so
meinte der junge Bursche, so zeige sich eben nur, daß hier
wieder "für die katholischen Zeitungen
ein Fressen"
bereitet werden solle. Der andere Bruder,
der überwiesen wurde, daß er laut gelacht habe, gab an:
Er habe deshalb gelacht, weil seine Ansichten mit jenen
des Predigers nicht übereinstimmten und ihm eben --
komisch erschienen; damals habe der Prediger gerade vom
"Pharisäertum" und von der "roten Inter-
nationale"
gesprochen. Die beiden wurden wegen
Verbrechens nach § 303 (Aergernis erregendes Benehmen
während einer gottesdienstlichen Handlung) dem Landes-
gerichte angezeigt.




Sonntagsexzesse in Prag.
Ein deutscher Student schwer verletzt.

(Privattelegramm.)

Während der heutige Bummel der deutschliberalen
Studenten auf dem Graben ohne jede Störung verlief,
kam es auf dem Wenzelsplatze zu bedrohlichen
Angriffen gegen die deutschnationalen und deutschen
katholischen Studentenverbindungen. Bis 1/212 Uhr
herrschte vollkommene Ruhe und die auf dem Wenzels-
platze anwesenden tschechischen Studenten, die heute zum
ersten Male nach längerer Zeit wieder in ihren schwarzen
Sammtbaretts und geschmückt mit slavischen Trikoloren
erschienen waren, sowie die Vertreter der national-sozialen
Jungmannschaft verhielten sich bis zu dieser Zeit voll-
kommen ruhig. Als jedoch gegen die Mittagsstunde die
Demonstranten aus den Vororten starken Zuzug erhalten
hatten, kam es bald oberhalb des "Hotels Stefan" zu
bedrohlichen Angriffen auf die deutschen Studenten. Die
Demonstranten umringten die Deutschen und beschimpften
sie. Als die Polizei Ruhe schaffen wollte, riefen ihr die
Demonstranten zu: "Sucht lieber den Mörder aus den
Weinbergen!" Auch durch sonstige Schmährufe wurde
die Polizei verhöhnt. Unterhalb der Mariengasse
wurden etwa 80 Couleurstudenten von den Demon-
stranten umringt und zahlreiche Studenten geschlagen.
Vielen Studenten wurden die Kappen vom Kopfe ge-
rissen. Dem Mitgliede der Studentenverbindung
"Austria", S., wurde mit einem scharfen Instrumente
die linke Wange bis zum Unterkiefer
durchschnitten.
Als mutmaßlicher Täter
wurde von einem Polizeioffizier der tschechische Jurist
Pravda verhaftet und der Polizeidirektion eingeliefert.
Erst jetzt schritt sowohl Fußpolizei als berittene Wache
mit großer Energie ein und alsbald gelang es den behörd-
lichen Anstrengungen, die aufs Aergste bedrohten deutschen
Studenten aus dem dichten Knäuel zu befreien und ihnen
den Abzug gegen die Mariengasse zu verschaffen, die
sofort abgesperrt wurde, um ein Nachrücken der
tschechischen Demonstranten zu verhindern. Die Demon-
[Spaltenumbruch] stranten drängten nunmehr zum Museum und nahmen
hier eine derart exzessive Haltung gegen die Wache ein,
daß die berittene Polizei eine Attacke unternahm und
die Menge gegen die Weinberge drängte, wo sie von
Fußpolizisten zerstreut wurde.

Die deutschen Studenten waren inzwischen unter
polizeilichem Schutz ins deutsche Studentenheim geleitet
worden. Nach 1/21 Uhr trat wieder Ruhe ein. Im
Laufe der Exzesse am Mittag wurden mehrere Ver-
haftungen vorgenommen.




Harmloser werden die Vorgänge im folgenden
offiziösen Berichte des "K. k. Korr. Bur." geschildert:
Heute vormittag fanden sich etwa vierzig deutsche
Couleurstudenten auf dem Graben ein, der infolge der
Verkehrshindernisse nur eine schwache Frequenz aufwies,
und es kam hier zu keinem Anstand. Dagegen war die
Frequenz auf dem oberen Wenzelsplatz zwischen der
Heinrichsgasse und dem Stadtpark stark. Die Zahl der
hier promenierenden Studenten betrug etwa hundert-
vierzig. Der Verkehr wickelte sich hier anfangs ohne
Anstand ab. Erst als gegen 3/412 Uhr die Frequenz den
Höhepunkt erreichte, sah sich die Sicherheitswache, um
den Verkehr in Ordnung zu halten, veranlaßt, einen
Teil der Menge vom Wenzelsplatz in die Jungmann-
straße zu drängen, was ohne Anstand (?) geschah.
Einige junge Leute wurden behufs Sicherstellung vor-
geführt.




Das Wetter.

Die Natur gab gestern den Wienern, die sich durch die
Unannehmlichkeit des Schneewatens nicht von einem Aus-
fluge in den Wiener Wald abhalten ließen, eine herrliche
Aufführung des Naturschauspieles: Kampf des Winters
mit dem Frühling. Ueber schneebedeckte Berghänge wölbte
sich ein herrlich blauer Himmel, und die Sonne sendete
nur nicht glänzende, sondern auch fühlbar wärmende
Strahlen herab. Der Frühling blieb Sieger, wenn auch
in der Dämmerungsstunde ein scharfer Wind den Rückzug
des Winters deckte. Tausende von Ausflüglern erfreuten
sich in der näheren und weiteren Umgebung Wiens des
herrlichen Wetters und scheuten die Unbequemlichkeit des
teilweisen Watens im schmelzenden Schnee nicht.

Leider hat aber der rasche Wetterübergang auch seine
gefährliche Seite. Im Gebirge hatte die plötzliche Schnee-
schmelze große Lawinenstürze zur Folge, die auch gestern
und vorgestern wieder eine beträchtliche Anzahl von
Menschenopfern forderte. Sowohl im Anlauftale
wie im Gastrintal wurden Bahnarbeiter
von Lawinen überrascht und von ihnen verschüttet
Die eingelaufenen Meldungen besagen über die

Lawinenstürze.

Im Abfalltalgraben
vor der Station Böckstein im oberen Gasteintal ging
heute um 1/27 Uhr früh eine Lawine ab, die zwei Arbeiter-
kochhütten mit sich riß, in denen neunundreißig beim
Tunnelbau beschäftigte Arbeiter gerade frühstückten. Bei
den sofort eingeleiteten Nachgrabungen wurden bis 8 Uhr
abends zwölf Arbeiter gerettet und fünfzehn Tote
zutage gefördert. Zwölf Arbeiter werden noch
vermißt. Auf dem verhältnismäßig engen Lawinenfelde
arbeiten 250 Mann an der Bergung der Ver-
schütteten. Obwohl keine Hoffnung auf Rettung der
Vermißten besteht, werden die Arbeiten unaus-
gesetzt mit ausreichenden und sich ablösenden Kräften fort-
gesetzt. Für die Nacht treten wieder 250 frische Arbeiter in
Tätigkeit. Der Amtsleiter von St. Johann, Graf
Kottulinsky, blieb an Ort und Stelle, um die Arbeiten,
deren Leitung ein Ingenieur der Staatsbahnen führt, zu
überwachen.

Im Anlauftal
wurde eine Arbeiterbaracke, in der sich 30 bis 40 Mann
befanden, von einer Lawine verschüttet. Bis 10 Uhr vor-
mittags waren 17 Mann ausgegraben. Von diesen sind
sechs tot, die anderen schwer verletzt.

Aus Eisenkappel in Kärnten berichtet man
uns: Als am 4. d. M. der Graf Thunsche Holzmeister
Rutter sich in die drei Stunden entfernt liegende Ryawitra-
klamm begab, um nach den Holzknechten zu sehen, fand
er weder die Holzknechte noch die Hütte, die dieselben
bewohnten, vor. Eine Lawine hatte die Hütte samt den
drei darin wohnenden Holzknechten verschüttet. Der
sofort erschienenen Rettungsaktion gelang es, einen der
drei Knechte noch am Leben anzutreffen. Er erzählte, daß
die Lawine bereits am Montag den 1. März niedergegangen
war und er 70 Stunden hindurch auf Rettung gewartet
habe. Die übrigen beiden konnten noch nicht geborgen
werden.

Der Zugsverkehr.

Auf der Strecke Klagenfurt--
Aßling
wurde der Personenzugsverkehr mit Ausnahme
der Schnellzüge gestern aufgenommen. In der Strecke
Villach--Tarvis wird der Personenzugsverkehr mit Aus-
nahme der Schnellzüge heute mit Zug Nr. 915 wieder auf-
genommen. In den Strecken Villach--Rosenbach und
Tarvis--Pontafel bleibt der Verkehr bis auf weiteres ein-
gestellt.

Der gestern um 3/410 Uhr abends
hier fällige Personenzug Bistritz--Olmütz ist infolge von
Schneeverwehungen in der Nähe der Station Olmütz entgleist.

Der Personen- und Eilgutverkehr
in der Strecke Kriegsdorf--Römerstadt wurde gestern mit
dem Zug Nr. 1658 wieder aufgenommen.

Infolge heftigen Schneetreibens
sind hier zahlreiche Telegraphendrähte zerrissen; der Schade
an der Telephonleitung ist bedeutend. Der elektrische Straßen-
baynverkehr wird nur mit großen Anstrengungen aufrecht
erhalten. Auch der Bahnverkehr ist ziemlich erschwert.

Infolge der letzten Schneefälle er-
leidet der hiesige Bahn- und Telephonverkehr vielfache
Unterbrechungen.

Große Schneefälle in England und Italien.

(Privattelegramm.) In ganz
England herrschten gestern furchtbare Schneestürme.
[Spaltenumbruch] Insbesonders aus den nördlichen Grafschaften, speziell
aus Derbyshire, kommen Nachrichten, daß daselbst
zahlreiche Dörfer eingeschneit und von jedem Verkehre
mit der Außenwelt abgeschnitten sind.

In ganz Italien herrscht
schlechtes Wetter. Aus Mailand, Turin und Genua
werden Schneefälle gemeldet, in Venedig, Florenz und
Rom regnet es stark.




Aus dem Gerichtssaale.


Räuberischer Ueberfall durch eine Frau.

Der
seltene Fall, daß eine Frau wegen Verbrechens des Raubes
angeklagt ist, liegt heute den Geschwornen zur Ent-
scheidung vor. Als Angeklagte erscheint die 25jährige
Kleidermacherin Paula Peller, weil sie am 3. Dezember
v. J. der Trödlerin Marie Stephinger Salz in die
Augen gestreut und eine goldene Kette entrissen hat. Den
Vorsitz in dem Prozesse führt OLGR. Dr. Wach. Die
von StAS. Dr. Kunz vertretene Anklage lautet auf Ver-
brechen des Raubes und des Betruges. In den Gründen
wird ausgeführt: Im Trödlergeschäfte des Lorenz
Stephinger, 8. Bezirk, Lerchenfelderstraße 74,
erschien am 3. Dezember zwischen 3 und 1/24 Uhr
nachmittags eine Frauensperson, welche später
als die Paula Peller identifiziert wurde. Im
Geschäfte war nur die Gattin Stephingers anwesend.
Paula Peller verlangte eine doppelgliedrige, goldene Herren-
kette zu sehen, und erzählte, sie wolle damit ihrem Manne
ein Weihnachtsgeschenk machen. Sie wolle die Kette vor-
läufig nur besichtigen und werde wiederkommen, bis sie
vom Sparverein Geld erhalten habe. Als sie nun hörte,
daß die ihr vorgelegte Kette nur 60 Kronen koste, meinte
sie, ihr Mann sei ein Feinschmecker, es müsse schon
etwas besseres sein. Frau Stephinger zeigte ihr
daraufhin eine Kette um 100 Kronen, und nach kurzer
Prüfung des Schmuckstückes erklärte Paula Peller, sie
werde die Kette kaufen, und entfernte sich. Nach etwa
acht Minuten erschien Paula Peller wieder im Laden
und sagte, sie wolle 10 Kronen Angabe leisten. Die
Trödlerin setzte sich zum Schreibtisch, um eine Bestätigung
auszufertigen. Da warf ihr plötzlich die Peller mit großer
Gewalt Salz auf die linke Gesichtshälfte und riß ihr die
Kette aus der Hand. Während Frau Stephinger heftig schrie,
faßte sie die Peller an der Frisur und am linken Ohr, der
Ueberfallenen gelang es jedoch, sich loszureißen. Sie eilte
vor das Geschäft und schrie aus Leibeskräften um Hilfe.
Mehrere Passanten eilten herbei, auch ein Wachmann erschien,
der die Attentäterin verhaftete und sie zur Polizei über-
stellte. Kurz [v]orher hatte Paula Peller gebeten, man möge
sie nicht der Polizei übergeben, sie habe die Ket[t]e bereits
wieder zurückgestellt. Tatsächlich lag, als der Wachmann
erschien, das Schmuckstück auf dem Ladentisch. Paula Peller
gestand sofort, daß sie einen Raub geplant hatte. Sie habe
die Tat aus Verzweiflung ausgeführt, weil sie schon längere
Zeit ohne Arbeit war, während sie ihrem Manne erzählte,
daß sie mit Blusennähen Geld verdiene. Die geraubte
Kette wollte sie versetzen, ihrem Manne das Geld über-
geben und ihn dadurch in dem Glauben zu bestärken, daß
sie einen lohnenden Erwerb habe. Im Verlaufe des gericht-
lichen Verfahrens wurde weiter erhoben, daß die Angeklagte
von einer Reihe von Geschäftsleuten seit Ende des Jahres
1907 Waren bezogen, die Gegenstände jedoch so-
gleich verkauft oder zum Teile versetzt habe. Die
Geschäftsleute beziffern ihren hiedurch erlittenen Schaden
mit zirka 400 Kronen. Paula Peller ist auch diesbezüglich
geständig. Die Angeklagte ist vorsichtsweise auch von den
Gerichtspsychiatern untersucht worden, welche ihr Gutachten
dahin zusammenfassen, daß bei der Angeklagten zwar ge-
wisse Eigenschaften abnormer Art bestehen, daß diese aber
weitaus nicht die Grenzen der normalen Beschaffenheit der
menschlichen Natur überschreiten, und daß daher eine
Geisteskrankheit im Sinne des Gesetzes nicht vorliege.

Die von Dr. Walter Rode verteidigte Angeklagte
blieb auch heute bei ihrem Geständnisse, verantwortete sich
aber mit großer Notlage.




[irrelevantes Material]


Kirchliches.
-- In[st]allierung des neuen Pfarrers in Ober-
St. Veit.

In der Pfarrkirche in Ober-St. Veit fand
gestern (Sonntag) vormittag die feierliche Installierung
des bisherigen Dechants des Dekanats Weigelsdorf und
Pfarrers von Unter-Waltersdorf Franz Gössinger
als Pfarrer der obbezeichneten Pfarrkirche durch den
Ehrenkanonikus des Metropolitankapitels zu St. Stefan,
Pfarrer Franz Rolf, statt.

-- Wiener Katechetenverein.

Die Hauptversamm-
lung findet am Mittwoch den 10. März, 1/27 Uhr abends,
I. Johannesgasse 2, statt. Tagesordnung: Universitäts-
professor Dr. Seidl "Willmann und die Kirchenväter"
(zum 70. Geburtstage Willmanns). Bericht der Rechnungs-
prüfer. Kooperator K. Schwarz "Bildung einer Kunst-
sektion".




Das Dekret "Ne temere".
In Ungarn suspendiert.


Der "Alkotmany" meldet an erster Stelle: Der
apostolische Stuhl hat über das Ansuchen der ungarischen
Bischöfe um Aufhebung des Dekretes "Ne temere" bereits
entschieden. Die Entscheidung besagt, daß die Wirkung des
genannten Dekretes in Ungarn ebenso aufgehoben werde
wie in einem deutschen Bundesstaate. Damit kehrt Ungarn
zum status quo auch in bezug auf die gemischten Ehen
zurück, wie er vor dem Erlaß des Dekretes bestand. Damit

Nr. 67 Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909.

[Spaltenumbruch] Sozialdemokraten und Deutſchnationalen vor dem Agi-
tationslokale der letzteren zu einer großen Keilerei, in deren
Verlauf die Sozialdemokraten die Deutſchnationalen in das
Agitationslokale zurückdrängten, in welchem die
Rauferei fortgeſetzt wurde. Die ſtreitenden Par-
teien hieben mit Fäuſten und Stöcken aufeinander
ein. Da die Situation immer kritiſcher wurde und die
Polizei ſich als zu ſchwach erwies, um die Ruhe herzu-
ſtellen, wurde Gendarmerie requiriert, welche die ſtreitenden
Parteien trennte und das Aqitationslokal der Deutſch-
nationalen beſetzt hielt. Von Seite der Sozialdemokraten
wurde nun durch längere Zeit der Zugang zum Wahllokal
geſperrt gehalten. Ueber Beſchwerde der deutſchnationalen
Wähler ſchritten Polizei und Gendarmerie ein und hielten
den Zugang zum Wahllokale frei. Auch wurde der Wahl-
akt von Seite der Wahlkommiſſion bis 5 Uhr nachmittags
verlängert. Erſt nach Schluß der Stimmenabgabe kehrte
allmählig die Ruhe wieder ein. Von 3000 Wahlberechtigten
haben ſich 2200 an dem Wahlakte beteiligt. Die Deutſch-
nationalen rechnen damit, daß ihre Kandidaten mit 200
bis 300 Stimmen Majorität geſiegt haben dürften. Das
definitive Wahlreſultat dürſte erſt morgen nachmittag be-
kannt gegeben werden.




Ein Zwiſchenfall in der
Schottenkirche.

Demonſtration während der Faſten-
predigt.

In der Schottenkirche hat ſich geſtern ein Fall von
Religionsſtörung ereignet, ähnlich jenen empörenden Vor-
fällen, die wir leider im Vorjahre in der Michaelerkirche
und in Mödling zu verzeichnen hatten. Zwei junge Leute
haben geſtern während der Faſtenpredigt in der Schotten-
kirche Zwiſchenrufe gemacht und ſind von den erregten
Kirchenbeſuchern aus der Kirche hinausgedrängt und der
Polizei übergeben worden.

Ueber den Vorfall erfahren wir folgen des:
Geſtern abend hielt zur gewohnten Stunde der Kapitular
des Schottenſtiftes P. Wenzel Czeppa, die Faſtenpredigt,
der ein zahlreiches Publikum beiwohnte. Gegen Schluß der
Predigt, als der Geiſtliche die Schlußfolgerungen aus ſeinen
Ausführungen zog, machten zwei junge Leute
laute Zwiſchenrufe.

Trotz der Abmahnung der Nächſtehenden ſetzten die Bei-
den die Zwiſchenrufe fort und geſtikulierten lebhaft
gegen den Prediger. Nun wurde die Stimmung unter den
Kirchenbeſuchern eine erregte; man drängte die Religions-
ſtörer zur Kirche hinaus; vor der Kirche wurde durch die
fortgeſetzte provokatoriſche Haltung der jungen Leute die
Lage für dieſe ſehr kritiſch. Einige beſonnene Männer
hielten die Volksmenge ab, an den Beiden Juſtiz zu üben
und übergaben die Täter der Wache, die ſie zur Wachſtube
in der Bankgaſſe brachte.

Von anderer Seite erfahren wir: Die beiden Religions-
ſtörer gaben bei der Einvernahme durch die Polizei an,
Ernſt und Rudolf Dick zu heißen, 19 beziehungs-
weiſe 20 Jahre alt zu ſein und in privaten Dienſten zu
ſtehen. In ſeiner Verautwortung ſtellte der eine der
Brüder die „Affäre“ als ungemein harmlos hin und
meinte: Er habe bloß ſeinen Bruder aufgefordert, mit ihm
nach Hauſe zu gehen; wenn man den Fall aufbauſche, ſo
meinte der junge Burſche, ſo zeige ſich eben nur, daß hier
wieder „für die katholiſchen Zeitungen
ein Freſſen“
bereitet werden ſolle. Der andere Bruder,
der überwieſen wurde, daß er laut gelacht habe, gab an:
Er habe deshalb gelacht, weil ſeine Anſichten mit jenen
des Predigers nicht übereinſtimmten und ihm eben —
komiſch erſchienen; damals habe der Prediger gerade vom
„Phariſäertum“ und von der „roten Inter-
nationale“
geſprochen. Die beiden wurden wegen
Verbrechens nach § 303 (Aergernis erregendes Benehmen
während einer gottesdienſtlichen Handlung) dem Landes-
gerichte angezeigt.




Sonntagsexzeſſe in Prag.
Ein deutſcher Student ſchwer verletzt.

(Privattelegramm.)

Während der heutige Bummel der deutſchliberalen
Studenten auf dem Graben ohne jede Störung verlief,
kam es auf dem Wenzelsplatze zu bedrohlichen
Angriffen gegen die deutſchnationalen und deutſchen
katholiſchen Studentenverbindungen. Bis ½12 Uhr
herrſchte vollkommene Ruhe und die auf dem Wenzels-
platze anweſenden tſchechiſchen Studenten, die heute zum
erſten Male nach längerer Zeit wieder in ihren ſchwarzen
Sammtbaretts und geſchmückt mit ſlaviſchen Trikoloren
erſchienen waren, ſowie die Vertreter der national-ſozialen
Jungmannſchaft verhielten ſich bis zu dieſer Zeit voll-
kommen ruhig. Als jedoch gegen die Mittagsſtunde die
Demonſtranten aus den Vororten ſtarken Zuzug erhalten
hatten, kam es bald oberhalb des „Hotels Stefan“ zu
bedrohlichen Angriffen auf die deutſchen Studenten. Die
Demonſtranten umringten die Deutſchen und beſchimpften
ſie. Als die Polizei Ruhe ſchaffen wollte, riefen ihr die
Demonſtranten zu: „Sucht lieber den Mörder aus den
Weinbergen!“ Auch durch ſonſtige Schmährufe wurde
die Polizei verhöhnt. Unterhalb der Mariengaſſe
wurden etwa 80 Couleurſtudenten von den Demon-
ſtranten umringt und zahlreiche Studenten geſchlagen.
Vielen Studenten wurden die Kappen vom Kopfe ge-
riſſen. Dem Mitgliede der Studentenverbindung
„Auſtria“, S., wurde mit einem ſcharfen Inſtrumente
die linke Wange bis zum Unterkiefer
durchſchnitten.
Als mutmaßlicher Täter
wurde von einem Polizeioffizier der tſchechiſche Juriſt
Pravda verhaftet und der Polizeidirektion eingeliefert.
Erſt jetzt ſchritt ſowohl Fußpolizei als berittene Wache
mit großer Energie ein und alsbald gelang es den behörd-
lichen Anſtrengungen, die aufs Aergſte bedrohten deutſchen
Studenten aus dem dichten Knäuel zu befreien und ihnen
den Abzug gegen die Mariengaſſe zu verſchaffen, die
ſofort abgeſperrt wurde, um ein Nachrücken der
tſchechiſchen Demonſtranten zu verhindern. Die Demon-
[Spaltenumbruch] ſtranten drängten nunmehr zum Muſeum und nahmen
hier eine derart exzeſſive Haltung gegen die Wache ein,
daß die berittene Polizei eine Attacke unternahm und
die Menge gegen die Weinberge drängte, wo ſie von
Fußpoliziſten zerſtreut wurde.

Die deutſchen Studenten waren inzwiſchen unter
polizeilichem Schutz ins deutſche Studentenheim geleitet
worden. Nach ½1 Uhr trat wieder Ruhe ein. Im
Laufe der Exzeſſe am Mittag wurden mehrere Ver-
haftungen vorgenommen.




Harmloſer werden die Vorgänge im folgenden
offiziöſen Berichte des „K. k. Korr. Bur.“ geſchildert:
Heute vormittag fanden ſich etwa vierzig deutſche
Couleurſtudenten auf dem Graben ein, der infolge der
Verkehrshinderniſſe nur eine ſchwache Frequenz aufwies,
und es kam hier zu keinem Anſtand. Dagegen war die
Frequenz auf dem oberen Wenzelsplatz zwiſchen der
Heinrichsgaſſe und dem Stadtpark ſtark. Die Zahl der
hier promenierenden Studenten betrug etwa hundert-
vierzig. Der Verkehr wickelte ſich hier anfangs ohne
Anſtand ab. Erſt als gegen ¾12 Uhr die Frequenz den
Höhepunkt erreichte, ſah ſich die Sicherheitswache, um
den Verkehr in Ordnung zu halten, veranlaßt, einen
Teil der Menge vom Wenzelsplatz in die Jungmann-
ſtraße zu drängen, was ohne Anſtand (?) geſchah.
Einige junge Leute wurden behufs Sicherſtellung vor-
geführt.




Das Wetter.

Die Natur gab geſtern den Wienern, die ſich durch die
Unannehmlichkeit des Schneewatens nicht von einem Aus-
fluge in den Wiener Wald abhalten ließen, eine herrliche
Aufführung des Naturſchauſpieles: Kampf des Winters
mit dem Frühling. Ueber ſchneebedeckte Berghänge wölbte
ſich ein herrlich blauer Himmel, und die Sonne ſendete
nur nicht glänzende, ſondern auch fühlbar wärmende
Strahlen herab. Der Frühling blieb Sieger, wenn auch
in der Dämmerungsſtunde ein ſcharfer Wind den Rückzug
des Winters deckte. Tauſende von Ausflüglern erfreuten
ſich in der näheren und weiteren Umgebung Wiens des
herrlichen Wetters und ſcheuten die Unbequemlichkeit des
teilweiſen Watens im ſchmelzenden Schnee nicht.

Leider hat aber der raſche Wetterübergang auch ſeine
gefährliche Seite. Im Gebirge hatte die plötzliche Schnee-
ſchmelze große Lawinenſtürze zur Folge, die auch geſtern
und vorgeſtern wieder eine beträchtliche Anzahl von
Menſchenopfern forderte. Sowohl im Anlauftale
wie im Gaſtrintal wurden Bahnarbeiter
von Lawinen überraſcht und von ihnen verſchüttet
Die eingelaufenen Meldungen beſagen über die

Lawinenſtürze.

Im Abfalltalgraben
vor der Station Böckſtein im oberen Gaſteintal ging
heute um ½7 Uhr früh eine Lawine ab, die zwei Arbeiter-
kochhütten mit ſich riß, in denen neunundreißig beim
Tunnelbau beſchäftigte Arbeiter gerade frühſtückten. Bei
den ſofort eingeleiteten Nachgrabungen wurden bis 8 Uhr
abends zwölf Arbeiter gerettet und fünfzehn Tote
zutage gefördert. Zwölf Arbeiter werden noch
vermißt. Auf dem verhältnismäßig engen Lawinenfelde
arbeiten 250 Mann an der Bergung der Ver-
ſchütteten. Obwohl keine Hoffnung auf Rettung der
Vermißten beſteht, werden die Arbeiten unaus-
geſetzt mit ausreichenden und ſich ablöſenden Kräften fort-
geſetzt. Für die Nacht treten wieder 250 friſche Arbeiter in
Tätigkeit. Der Amtsleiter von St. Johann, Graf
Kottulinsky, blieb an Ort und Stelle, um die Arbeiten,
deren Leitung ein Ingenieur der Staatsbahnen führt, zu
überwachen.

Im Anlauftal
wurde eine Arbeiterbaracke, in der ſich 30 bis 40 Mann
befanden, von einer Lawine verſchüttet. Bis 10 Uhr vor-
mittags waren 17 Mann ausgegraben. Von dieſen ſind
ſechs tot, die anderen ſchwer verletzt.

Aus Eiſenkappel in Kärnten berichtet man
uns: Als am 4. d. M. der Graf Thunſche Holzmeiſter
Rutter ſich in die drei Stunden entfernt liegende Ryawitra-
klamm begab, um nach den Holzknechten zu ſehen, fand
er weder die Holzknechte noch die Hütte, die dieſelben
bewohnten, vor. Eine Lawine hatte die Hütte ſamt den
drei darin wohnenden Holzknechten verſchüttet. Der
ſofort erſchienenen Rettungsaktion gelang es, einen der
drei Knechte noch am Leben anzutreffen. Er erzählte, daß
die Lawine bereits am Montag den 1. März niedergegangen
war und er 70 Stunden hindurch auf Rettung gewartet
habe. Die übrigen beiden konnten noch nicht geborgen
werden.

Der Zugsverkehr.

Auf der Strecke Klagenfurt—
Aßling
wurde der Perſonenzugsverkehr mit Ausnahme
der Schnellzüge geſtern aufgenommen. In der Strecke
Villach—Tarvis wird der Perſonenzugsverkehr mit Aus-
nahme der Schnellzüge heute mit Zug Nr. 915 wieder auf-
genommen. In den Strecken Villach—Roſenbach und
Tarvis—Pontafel bleibt der Verkehr bis auf weiteres ein-
geſtellt.

Der geſtern um ¾10 Uhr abends
hier fällige Perſonenzug Biſtritz—Olmütz iſt infolge von
Schneeverwehungen in der Nähe der Station Olmütz entgleiſt.

Der Perſonen- und Eilgutverkehr
in der Strecke Kriegsdorf—Römerſtadt wurde geſtern mit
dem Zug Nr. 1658 wieder aufgenommen.

Infolge heftigen Schneetreibens
ſind hier zahlreiche Telegraphendrähte zerriſſen; der Schade
an der Telephonleitung iſt bedeutend. Der elektriſche Straßen-
baynverkehr wird nur mit großen Anſtrengungen aufrecht
erhalten. Auch der Bahnverkehr iſt ziemlich erſchwert.

Infolge der letzten Schneefälle er-
leidet der hieſige Bahn- und Telephonverkehr vielfache
Unterbrechungen.

Große Schneefälle in England und Italien.

(Privattelegramm.) In ganz
England herrſchten geſtern furchtbare Schneeſtürme.
[Spaltenumbruch] Insbeſonders aus den nördlichen Grafſchaften, ſpeziell
aus Derbyſhire, kommen Nachrichten, daß daſelbſt
zahlreiche Dörfer eingeſchneit und von jedem Verkehre
mit der Außenwelt abgeſchnitten ſind.

In ganz Italien herrſcht
ſchlechtes Wetter. Aus Mailand, Turin und Genua
werden Schneefälle gemeldet, in Venedig, Florenz und
Rom regnet es ſtark.




Aus dem Gerichtsſaale.


Räuberiſcher Ueberfall durch eine Frau.

Der
ſeltene Fall, daß eine Frau wegen Verbrechens des Raubes
angeklagt iſt, liegt heute den Geſchwornen zur Ent-
ſcheidung vor. Als Angeklagte erſcheint die 25jährige
Kleidermacherin Paula Peller, weil ſie am 3. Dezember
v. J. der Trödlerin Marie Stephinger Salz in die
Augen geſtreut und eine goldene Kette entriſſen hat. Den
Vorſitz in dem Prozeſſe führt OLGR. Dr. Wach. Die
von StAS. Dr. Kunz vertretene Anklage lautet auf Ver-
brechen des Raubes und des Betruges. In den Gründen
wird ausgeführt: Im Trödlergeſchäfte des Lorenz
Stephinger, 8. Bezirk, Lerchenfelderſtraße 74,
erſchien am 3. Dezember zwiſchen 3 und ½4 Uhr
nachmittags eine Frauensperſon, welche ſpäter
als die Paula Peller identifiziert wurde. Im
Geſchäfte war nur die Gattin Stephingers anweſend.
Paula Peller verlangte eine doppelgliedrige, goldene Herren-
kette zu ſehen, und erzählte, ſie wolle damit ihrem Manne
ein Weihnachtsgeſchenk machen. Sie wolle die Kette vor-
läufig nur beſichtigen und werde wiederkommen, bis ſie
vom Sparverein Geld erhalten habe. Als ſie nun hörte,
daß die ihr vorgelegte Kette nur 60 Kronen koſte, meinte
ſie, ihr Mann ſei ein Feinſchmecker, es müſſe ſchon
etwas beſſeres ſein. Frau Stephinger zeigte ihr
daraufhin eine Kette um 100 Kronen, und nach kurzer
Prüfung des Schmuckſtückes erklärte Paula Peller, ſie
werde die Kette kaufen, und entfernte ſich. Nach etwa
acht Minuten erſchien Paula Peller wieder im Laden
und ſagte, ſie wolle 10 Kronen Angabe leiſten. Die
Trödlerin ſetzte ſich zum Schreibtiſch, um eine Beſtätigung
auszufertigen. Da warf ihr plötzlich die Peller mit großer
Gewalt Salz auf die linke Geſichtshälfte und riß ihr die
Kette aus der Hand. Während Frau Stephinger heftig ſchrie,
faßte ſie die Peller an der Friſur und am linken Ohr, der
Ueberfallenen gelang es jedoch, ſich loszureißen. Sie eilte
vor das Geſchäft und ſchrie aus Leibeskräften um Hilfe.
Mehrere Paſſanten eilten herbei, auch ein Wachmann erſchien,
der die Attentäterin verhaftete und ſie zur Polizei über-
ſtellte. Kurz [v]orher hatte Paula Peller gebeten, man möge
ſie nicht der Polizei übergeben, ſie habe die Ket[t]e bereits
wieder zurückgeſtellt. Tatſächlich lag, als der Wachmann
erſchien, das Schmuckſtück auf dem Ladentiſch. Paula Peller
geſtand ſofort, daß ſie einen Raub geplant hatte. Sie habe
die Tat aus Verzweiflung ausgeführt, weil ſie ſchon längere
Zeit ohne Arbeit war, während ſie ihrem Manne erzählte,
daß ſie mit Bluſennähen Geld verdiene. Die geraubte
Kette wollte ſie verſetzen, ihrem Manne das Geld über-
geben und ihn dadurch in dem Glauben zu beſtärken, daß
ſie einen lohnenden Erwerb habe. Im Verlaufe des gericht-
lichen Verfahrens wurde weiter erhoben, daß die Angeklagte
von einer Reihe von Geſchäftsleuten ſeit Ende des Jahres
1907 Waren bezogen, die Gegenſtände jedoch ſo-
gleich verkauft oder zum Teile verſetzt habe. Die
Geſchäftsleute beziffern ihren hiedurch erlittenen Schaden
mit zirka 400 Kronen. Paula Peller iſt auch diesbezüglich
geſtändig. Die Angeklagte iſt vorſichtsweiſe auch von den
Gerichtspſychiatern unterſucht worden, welche ihr Gutachten
dahin zuſammenfaſſen, daß bei der Angeklagten zwar ge-
wiſſe Eigenſchaften abnormer Art beſtehen, daß dieſe aber
weitaus nicht die Grenzen der normalen Beſchaffenheit der
menſchlichen Natur überſchreiten, und daß daher eine
Geiſteskrankheit im Sinne des Geſetzes nicht vorliege.

Die von Dr. Walter Rode verteidigte Angeklagte
blieb auch heute bei ihrem Geſtändniſſe, verantwortete ſich
aber mit großer Notlage.




[irrelevantes Material]


Kirchliches.
— In[ſt]allierung des neuen Pfarrers in Ober-
St. Veit.

In der Pfarrkirche in Ober-St. Veit fand
geſtern (Sonntag) vormittag die feierliche Inſtallierung
des bisherigen Dechants des Dekanats Weigelsdorf und
Pfarrers von Unter-Waltersdorf Franz Göſſinger
als Pfarrer der obbezeichneten Pfarrkirche durch den
Ehrenkanonikus des Metropolitankapitels zu St. Stefan,
Pfarrer Franz Rolf, ſtatt.

— Wiener Katechetenverein.

Die Hauptverſamm-
lung findet am Mittwoch den 10. März, ½7 Uhr abends,
I. Johannesgaſſe 2, ſtatt. Tagesordnung: Univerſitäts-
profeſſor Dr. Seidl „Willmann und die Kirchenväter“
(zum 70. Geburtstage Willmanns). Bericht der Rechnungs-
prüfer. Kooperator K. Schwarz „Bildung einer Kunſt-
ſektion“.




Das Dekret „Ne temere“.
In Ungarn ſuſpendiert.


Der „Alkotmany“ meldet an erſter Stelle: Der
apoſtoliſche Stuhl hat über das Anſuchen der ungariſchen
Biſchöfe um Aufhebung des Dekretes „Ne temere“ bereits
entſchieden. Die Entſcheidung beſagt, daß die Wirkung des
genannten Dekretes in Ungarn ebenſo aufgehoben werde
wie in einem deutſchen Bundesſtaate. Damit kehrt Ungarn
zum status quo auch in bezug auf die gemiſchten Ehen
zurück, wie er vor dem Erlaß des Dekretes beſtand. Damit

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[5/0005] Nr. 67 Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909. Sozialdemokraten und Deutſchnationalen vor dem Agi- tationslokale der letzteren zu einer großen Keilerei, in deren Verlauf die Sozialdemokraten die Deutſchnationalen in das Agitationslokale zurückdrängten, in welchem die Rauferei fortgeſetzt wurde. Die ſtreitenden Par- teien hieben mit Fäuſten und Stöcken aufeinander ein. Da die Situation immer kritiſcher wurde und die Polizei ſich als zu ſchwach erwies, um die Ruhe herzu- ſtellen, wurde Gendarmerie requiriert, welche die ſtreitenden Parteien trennte und das Aqitationslokal der Deutſch- nationalen beſetzt hielt. Von Seite der Sozialdemokraten wurde nun durch längere Zeit der Zugang zum Wahllokal geſperrt gehalten. Ueber Beſchwerde der deutſchnationalen Wähler ſchritten Polizei und Gendarmerie ein und hielten den Zugang zum Wahllokale frei. Auch wurde der Wahl- akt von Seite der Wahlkommiſſion bis 5 Uhr nachmittags verlängert. Erſt nach Schluß der Stimmenabgabe kehrte allmählig die Ruhe wieder ein. Von 3000 Wahlberechtigten haben ſich 2200 an dem Wahlakte beteiligt. Die Deutſch- nationalen rechnen damit, daß ihre Kandidaten mit 200 bis 300 Stimmen Majorität geſiegt haben dürften. Das definitive Wahlreſultat dürſte erſt morgen nachmittag be- kannt gegeben werden. Ein Zwiſchenfall in der Schottenkirche. Demonſtration während der Faſten- predigt. In der Schottenkirche hat ſich geſtern ein Fall von Religionsſtörung ereignet, ähnlich jenen empörenden Vor- fällen, die wir leider im Vorjahre in der Michaelerkirche und in Mödling zu verzeichnen hatten. Zwei junge Leute haben geſtern während der Faſtenpredigt in der Schotten- kirche Zwiſchenrufe gemacht und ſind von den erregten Kirchenbeſuchern aus der Kirche hinausgedrängt und der Polizei übergeben worden. Ueber den Vorfall erfahren wir folgen des: Geſtern abend hielt zur gewohnten Stunde der Kapitular des Schottenſtiftes P. Wenzel Czeppa, die Faſtenpredigt, der ein zahlreiches Publikum beiwohnte. Gegen Schluß der Predigt, als der Geiſtliche die Schlußfolgerungen aus ſeinen Ausführungen zog, machten zwei junge Leute laute Zwiſchenrufe. Trotz der Abmahnung der Nächſtehenden ſetzten die Bei- den die Zwiſchenrufe fort und geſtikulierten lebhaft gegen den Prediger. Nun wurde die Stimmung unter den Kirchenbeſuchern eine erregte; man drängte die Religions- ſtörer zur Kirche hinaus; vor der Kirche wurde durch die fortgeſetzte provokatoriſche Haltung der jungen Leute die Lage für dieſe ſehr kritiſch. Einige beſonnene Männer hielten die Volksmenge ab, an den Beiden Juſtiz zu üben und übergaben die Täter der Wache, die ſie zur Wachſtube in der Bankgaſſe brachte. Von anderer Seite erfahren wir: Die beiden Religions- ſtörer gaben bei der Einvernahme durch die Polizei an, Ernſt und Rudolf Dick zu heißen, 19 beziehungs- weiſe 20 Jahre alt zu ſein und in privaten Dienſten zu ſtehen. In ſeiner Verautwortung ſtellte der eine der Brüder die „Affäre“ als ungemein harmlos hin und meinte: Er habe bloß ſeinen Bruder aufgefordert, mit ihm nach Hauſe zu gehen; wenn man den Fall aufbauſche, ſo meinte der junge Burſche, ſo zeige ſich eben nur, daß hier wieder „für die katholiſchen Zeitungen ein Freſſen“ bereitet werden ſolle. Der andere Bruder, der überwieſen wurde, daß er laut gelacht habe, gab an: Er habe deshalb gelacht, weil ſeine Anſichten mit jenen des Predigers nicht übereinſtimmten und ihm eben — komiſch erſchienen; damals habe der Prediger gerade vom „Phariſäertum“ und von der „roten Inter- nationale“ geſprochen. Die beiden wurden wegen Verbrechens nach § 303 (Aergernis erregendes Benehmen während einer gottesdienſtlichen Handlung) dem Landes- gerichte angezeigt. Sonntagsexzeſſe in Prag. Ein deutſcher Student ſchwer verletzt. Prag, 7. Februar. (Privattelegramm.) Während der heutige Bummel der deutſchliberalen Studenten auf dem Graben ohne jede Störung verlief, kam es auf dem Wenzelsplatze zu bedrohlichen Angriffen gegen die deutſchnationalen und deutſchen katholiſchen Studentenverbindungen. Bis ½12 Uhr herrſchte vollkommene Ruhe und die auf dem Wenzels- platze anweſenden tſchechiſchen Studenten, die heute zum erſten Male nach längerer Zeit wieder in ihren ſchwarzen Sammtbaretts und geſchmückt mit ſlaviſchen Trikoloren erſchienen waren, ſowie die Vertreter der national-ſozialen Jungmannſchaft verhielten ſich bis zu dieſer Zeit voll- kommen ruhig. Als jedoch gegen die Mittagsſtunde die Demonſtranten aus den Vororten ſtarken Zuzug erhalten hatten, kam es bald oberhalb des „Hotels Stefan“ zu bedrohlichen Angriffen auf die deutſchen Studenten. Die Demonſtranten umringten die Deutſchen und beſchimpften ſie. Als die Polizei Ruhe ſchaffen wollte, riefen ihr die Demonſtranten zu: „Sucht lieber den Mörder aus den Weinbergen!“ Auch durch ſonſtige Schmährufe wurde die Polizei verhöhnt. Unterhalb der Mariengaſſe wurden etwa 80 Couleurſtudenten von den Demon- ſtranten umringt und zahlreiche Studenten geſchlagen. Vielen Studenten wurden die Kappen vom Kopfe ge- riſſen. Dem Mitgliede der Studentenverbindung „Auſtria“, S., wurde mit einem ſcharfen Inſtrumente die linke Wange bis zum Unterkiefer durchſchnitten. Als mutmaßlicher Täter wurde von einem Polizeioffizier der tſchechiſche Juriſt Pravda verhaftet und der Polizeidirektion eingeliefert. Erſt jetzt ſchritt ſowohl Fußpolizei als berittene Wache mit großer Energie ein und alsbald gelang es den behörd- lichen Anſtrengungen, die aufs Aergſte bedrohten deutſchen Studenten aus dem dichten Knäuel zu befreien und ihnen den Abzug gegen die Mariengaſſe zu verſchaffen, die ſofort abgeſperrt wurde, um ein Nachrücken der tſchechiſchen Demonſtranten zu verhindern. Die Demon- ſtranten drängten nunmehr zum Muſeum und nahmen hier eine derart exzeſſive Haltung gegen die Wache ein, daß die berittene Polizei eine Attacke unternahm und die Menge gegen die Weinberge drängte, wo ſie von Fußpoliziſten zerſtreut wurde. Die deutſchen Studenten waren inzwiſchen unter polizeilichem Schutz ins deutſche Studentenheim geleitet worden. Nach ½1 Uhr trat wieder Ruhe ein. Im Laufe der Exzeſſe am Mittag wurden mehrere Ver- haftungen vorgenommen. Harmloſer werden die Vorgänge im folgenden offiziöſen Berichte des „K. k. Korr. Bur.“ geſchildert: Heute vormittag fanden ſich etwa vierzig deutſche Couleurſtudenten auf dem Graben ein, der infolge der Verkehrshinderniſſe nur eine ſchwache Frequenz aufwies, und es kam hier zu keinem Anſtand. Dagegen war die Frequenz auf dem oberen Wenzelsplatz zwiſchen der Heinrichsgaſſe und dem Stadtpark ſtark. Die Zahl der hier promenierenden Studenten betrug etwa hundert- vierzig. Der Verkehr wickelte ſich hier anfangs ohne Anſtand ab. Erſt als gegen ¾12 Uhr die Frequenz den Höhepunkt erreichte, ſah ſich die Sicherheitswache, um den Verkehr in Ordnung zu halten, veranlaßt, einen Teil der Menge vom Wenzelsplatz in die Jungmann- ſtraße zu drängen, was ohne Anſtand (?) geſchah. Einige junge Leute wurden behufs Sicherſtellung vor- geführt. Das Wetter. Die Natur gab geſtern den Wienern, die ſich durch die Unannehmlichkeit des Schneewatens nicht von einem Aus- fluge in den Wiener Wald abhalten ließen, eine herrliche Aufführung des Naturſchauſpieles: Kampf des Winters mit dem Frühling. Ueber ſchneebedeckte Berghänge wölbte ſich ein herrlich blauer Himmel, und die Sonne ſendete nur nicht glänzende, ſondern auch fühlbar wärmende Strahlen herab. Der Frühling blieb Sieger, wenn auch in der Dämmerungsſtunde ein ſcharfer Wind den Rückzug des Winters deckte. Tauſende von Ausflüglern erfreuten ſich in der näheren und weiteren Umgebung Wiens des herrlichen Wetters und ſcheuten die Unbequemlichkeit des teilweiſen Watens im ſchmelzenden Schnee nicht. Leider hat aber der raſche Wetterübergang auch ſeine gefährliche Seite. Im Gebirge hatte die plötzliche Schnee- ſchmelze große Lawinenſtürze zur Folge, die auch geſtern und vorgeſtern wieder eine beträchtliche Anzahl von Menſchenopfern forderte. Sowohl im Anlauftale wie im Gaſtrintal wurden Bahnarbeiter von Lawinen überraſcht und von ihnen verſchüttet Die eingelaufenen Meldungen beſagen über die Lawinenſtürze. Böckſtein, 7. März. Im Abfalltalgraben vor der Station Böckſtein im oberen Gaſteintal ging heute um ½7 Uhr früh eine Lawine ab, die zwei Arbeiter- kochhütten mit ſich riß, in denen neunundreißig beim Tunnelbau beſchäftigte Arbeiter gerade frühſtückten. Bei den ſofort eingeleiteten Nachgrabungen wurden bis 8 Uhr abends zwölf Arbeiter gerettet und fünfzehn Tote zutage gefördert. Zwölf Arbeiter werden noch vermißt. Auf dem verhältnismäßig engen Lawinenfelde arbeiten 250 Mann an der Bergung der Ver- ſchütteten. Obwohl keine Hoffnung auf Rettung der Vermißten beſteht, werden die Arbeiten unaus- geſetzt mit ausreichenden und ſich ablöſenden Kräften fort- geſetzt. Für die Nacht treten wieder 250 friſche Arbeiter in Tätigkeit. Der Amtsleiter von St. Johann, Graf Kottulinsky, blieb an Ort und Stelle, um die Arbeiten, deren Leitung ein Ingenieur der Staatsbahnen führt, zu überwachen. St. Johann im Pongau. 7. März. Im Anlauftal wurde eine Arbeiterbaracke, in der ſich 30 bis 40 Mann befanden, von einer Lawine verſchüttet. Bis 10 Uhr vor- mittags waren 17 Mann ausgegraben. Von dieſen ſind ſechs tot, die anderen ſchwer verletzt. Aus Eiſenkappel in Kärnten berichtet man uns: Als am 4. d. M. der Graf Thunſche Holzmeiſter Rutter ſich in die drei Stunden entfernt liegende Ryawitra- klamm begab, um nach den Holzknechten zu ſehen, fand er weder die Holzknechte noch die Hütte, die dieſelben bewohnten, vor. Eine Lawine hatte die Hütte ſamt den drei darin wohnenden Holzknechten verſchüttet. Der ſofort erſchienenen Rettungsaktion gelang es, einen der drei Knechte noch am Leben anzutreffen. Er erzählte, daß die Lawine bereits am Montag den 1. März niedergegangen war und er 70 Stunden hindurch auf Rettung gewartet habe. Die übrigen beiden konnten noch nicht geborgen werden. Der Zugsverkehr. Villach, 7. März. Auf der Strecke Klagenfurt— Aßling wurde der Perſonenzugsverkehr mit Ausnahme der Schnellzüge geſtern aufgenommen. In der Strecke Villach—Tarvis wird der Perſonenzugsverkehr mit Aus- nahme der Schnellzüge heute mit Zug Nr. 915 wieder auf- genommen. In den Strecken Villach—Roſenbach und Tarvis—Pontafel bleibt der Verkehr bis auf weiteres ein- geſtellt. Olmütz, 7. März. Der geſtern um ¾10 Uhr abends hier fällige Perſonenzug Biſtritz—Olmütz iſt infolge von Schneeverwehungen in der Nähe der Station Olmütz entgleiſt. Olmütz, 7. März. Der Perſonen- und Eilgutverkehr in der Strecke Kriegsdorf—Römerſtadt wurde geſtern mit dem Zug Nr. 1658 wieder aufgenommen. Olmütz, 7. März. Infolge heftigen Schneetreibens ſind hier zahlreiche Telegraphendrähte zerriſſen; der Schade an der Telephonleitung iſt bedeutend. Der elektriſche Straßen- baynverkehr wird nur mit großen Anſtrengungen aufrecht erhalten. Auch der Bahnverkehr iſt ziemlich erſchwert. Brünn, 7. März. Infolge der letzten Schneefälle er- leidet der hieſige Bahn- und Telephonverkehr vielfache Unterbrechungen. Große Schneefälle in England und Italien. London, 7. März. (Privattelegramm.) In ganz England herrſchten geſtern furchtbare Schneeſtürme. Insbeſonders aus den nördlichen Grafſchaften, ſpeziell aus Derbyſhire, kommen Nachrichten, daß daſelbſt zahlreiche Dörfer eingeſchneit und von jedem Verkehre mit der Außenwelt abgeſchnitten ſind. Rom, 7. März. In ganz Italien herrſcht ſchlechtes Wetter. Aus Mailand, Turin und Genua werden Schneefälle gemeldet, in Venedig, Florenz und Rom regnet es ſtark. Aus dem Gerichtsſaale. Wien, 8. März. Räuberiſcher Ueberfall durch eine Frau. Der ſeltene Fall, daß eine Frau wegen Verbrechens des Raubes angeklagt iſt, liegt heute den Geſchwornen zur Ent- ſcheidung vor. Als Angeklagte erſcheint die 25jährige Kleidermacherin Paula Peller, weil ſie am 3. Dezember v. J. der Trödlerin Marie Stephinger Salz in die Augen geſtreut und eine goldene Kette entriſſen hat. Den Vorſitz in dem Prozeſſe führt OLGR. Dr. Wach. Die von StAS. Dr. Kunz vertretene Anklage lautet auf Ver- brechen des Raubes und des Betruges. In den Gründen wird ausgeführt: Im Trödlergeſchäfte des Lorenz Stephinger, 8. Bezirk, Lerchenfelderſtraße 74, erſchien am 3. Dezember zwiſchen 3 und ½4 Uhr nachmittags eine Frauensperſon, welche ſpäter als die Paula Peller identifiziert wurde. Im Geſchäfte war nur die Gattin Stephingers anweſend. Paula Peller verlangte eine doppelgliedrige, goldene Herren- kette zu ſehen, und erzählte, ſie wolle damit ihrem Manne ein Weihnachtsgeſchenk machen. Sie wolle die Kette vor- läufig nur beſichtigen und werde wiederkommen, bis ſie vom Sparverein Geld erhalten habe. Als ſie nun hörte, daß die ihr vorgelegte Kette nur 60 Kronen koſte, meinte ſie, ihr Mann ſei ein Feinſchmecker, es müſſe ſchon etwas beſſeres ſein. Frau Stephinger zeigte ihr daraufhin eine Kette um 100 Kronen, und nach kurzer Prüfung des Schmuckſtückes erklärte Paula Peller, ſie werde die Kette kaufen, und entfernte ſich. Nach etwa acht Minuten erſchien Paula Peller wieder im Laden und ſagte, ſie wolle 10 Kronen Angabe leiſten. Die Trödlerin ſetzte ſich zum Schreibtiſch, um eine Beſtätigung auszufertigen. Da warf ihr plötzlich die Peller mit großer Gewalt Salz auf die linke Geſichtshälfte und riß ihr die Kette aus der Hand. Während Frau Stephinger heftig ſchrie, faßte ſie die Peller an der Friſur und am linken Ohr, der Ueberfallenen gelang es jedoch, ſich loszureißen. Sie eilte vor das Geſchäft und ſchrie aus Leibeskräften um Hilfe. Mehrere Paſſanten eilten herbei, auch ein Wachmann erſchien, der die Attentäterin verhaftete und ſie zur Polizei über- ſtellte. Kurz vorher hatte Paula Peller gebeten, man möge ſie nicht der Polizei übergeben, ſie habe die Kette bereits wieder zurückgeſtellt. Tatſächlich lag, als der Wachmann erſchien, das Schmuckſtück auf dem Ladentiſch. Paula Peller geſtand ſofort, daß ſie einen Raub geplant hatte. Sie habe die Tat aus Verzweiflung ausgeführt, weil ſie ſchon längere Zeit ohne Arbeit war, während ſie ihrem Manne erzählte, daß ſie mit Bluſennähen Geld verdiene. Die geraubte Kette wollte ſie verſetzen, ihrem Manne das Geld über- geben und ihn dadurch in dem Glauben zu beſtärken, daß ſie einen lohnenden Erwerb habe. Im Verlaufe des gericht- lichen Verfahrens wurde weiter erhoben, daß die Angeklagte von einer Reihe von Geſchäftsleuten ſeit Ende des Jahres 1907 Waren bezogen, die Gegenſtände jedoch ſo- gleich verkauft oder zum Teile verſetzt habe. Die Geſchäftsleute beziffern ihren hiedurch erlittenen Schaden mit zirka 400 Kronen. Paula Peller iſt auch diesbezüglich geſtändig. Die Angeklagte iſt vorſichtsweiſe auch von den Gerichtspſychiatern unterſucht worden, welche ihr Gutachten dahin zuſammenfaſſen, daß bei der Angeklagten zwar ge- wiſſe Eigenſchaften abnormer Art beſtehen, daß dieſe aber weitaus nicht die Grenzen der normalen Beſchaffenheit der menſchlichen Natur überſchreiten, und daß daher eine Geiſteskrankheit im Sinne des Geſetzes nicht vorliege. Die von Dr. Walter Rode verteidigte Angeklagte blieb auch heute bei ihrem Geſtändniſſe, verantwortete ſich aber mit großer Notlage. _ Kirchliches. — Inſtallierung des neuen Pfarrers in Ober- St. Veit. In der Pfarrkirche in Ober-St. Veit fand geſtern (Sonntag) vormittag die feierliche Inſtallierung des bisherigen Dechants des Dekanats Weigelsdorf und Pfarrers von Unter-Waltersdorf Franz Göſſinger als Pfarrer der obbezeichneten Pfarrkirche durch den Ehrenkanonikus des Metropolitankapitels zu St. Stefan, Pfarrer Franz Rolf, ſtatt. — Wiener Katechetenverein. Die Hauptverſamm- lung findet am Mittwoch den 10. März, ½7 Uhr abends, I. Johannesgaſſe 2, ſtatt. Tagesordnung: Univerſitäts- profeſſor Dr. Seidl „Willmann und die Kirchenväter“ (zum 70. Geburtstage Willmanns). Bericht der Rechnungs- prüfer. Kooperator K. Schwarz „Bildung einer Kunſt- ſektion“. Das Dekret „Ne temere“. In Ungarn ſuſpendiert. Ofen-Peſt, 7. März. (Eigenbericht.) Der „Alkotmany“ meldet an erſter Stelle: Der apoſtoliſche Stuhl hat über das Anſuchen der ungariſchen Biſchöfe um Aufhebung des Dekretes „Ne temere“ bereits entſchieden. Die Entſcheidung beſagt, daß die Wirkung des genannten Dekretes in Ungarn ebenſo aufgehoben werde wie in einem deutſchen Bundesſtaate. Damit kehrt Ungarn zum status quo auch in bezug auf die gemiſchten Ehen zurück, wie er vor dem Erlaß des Dekretes beſtand. Damit

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 67, Wien, 08.03.1909, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost067_1909/5>, abgerufen am 29.04.2024.